The Project Gutenberg eBook of Ludwig Richter, by Viktor Paul Mohn
Title: Ludwig Richter
Author: Viktor Paul Mohn
Editor: Hermann Knackfuß
Release Date: June 25, 2022 [eBook #68401]
Language: German
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Liebhaber-Ausgaben
Künstler-Monographien
In Verbindung mit Andern herausgegeben
von
H. Knackfuß
XIV
Ludwig Richter
Bielefeld und Leipzig
Verlag von Velhagen & Klasing
1906
Von
V. Paul Mohn
Mit 193 Abbildungen nach Gemälden, Aquarellen, Zeichnungen
und Holzschnitten,
sowie einem Brief-Faksimile.
Vierte Auflage
Bielefeld und Leipzig
Verlag von Velhagen & Klasing
1906
on der ersten Auflage dieses Werkes ist für Liebhaber und Freunde besonders luxuriös ausgestatteter Bücher außer der vorliegenden Ausgabe
eine numerierte Ausgabe
veranstaltet, von der nur 100 Exemplare auf Extra-Kunstdruckpapier hergestellt sind. Jedes Exemplar ist in der Presse sorgfältig numeriert (von 1–100) und in einen reichen Ganzlederband gebunden. Der Preis eines solchen Exemplars beträgt 20 M. Ein Nachdruck dieser Ausgabe, auf welche jede Buchhandlung Bestellungen annimmt, wird nicht veranstaltet.
Die Verlagshandlung.
Druck von Velhagen & Klasing in Bielefeld.
[S. 3]
elten hat sich in einem deutschen Maler deutschen Volkes Art und Sitte so rein und unverfälscht widergespiegelt als in Ludwig Richter, dem unvergleichlichen Malerpoeten des neunzehnten Jahrhunderts.
Seine zahllosen Blätter und Blättchen, die über unser gesamtes, liebes deutsches Vaterland verbreitet sind und, soweit die deutsche Zunge klingt, geliebt und geschätzt werden, zeugen alle von dem innersten Wesen des deutschen Volkes. Poesie und Gemüt, naive Anschauung, tiefinnerste Religiosität und Freude an Gottes herrlicher Schöpfung atmet seine Kunst. Durch alle seine Arbeiten geht ein Hauch poetischer Verklärung; wie unsere herrlichen Volkslieder muten sie uns an.
Der schlichte, kindlich fromme Mann schreibt einmal wie ein Künstlerbekenntnis nieder:
„Der Künstler sucht darzustellen in aller Sichtbarkeit der Menschen Lust und Leid und Seligkeit, der Menschen Schwachheit und Torheit, in allem des großen Gottes Güt’ und Herrlichkeit.“
Das ist Richters Standpunkt in seiner Kunst, den er unentwegt festgehalten hat.
Seine lieblichen Engelgestalten, seine naiven fröhlichen Kinder, die schämigen, aber gesunden Mägdlein und Jungfräulein, die Mütter im Kreise der Kinder, spinnend, belehrend oder wehrend; die Großmütter am warmen Kachelofen, den Enkeln — und es sind ihrer nie wenige — Märchen erzählend; die Familie um den Tisch zu Andacht oder Mahlzeiten versammelt; Kirchgang und Hochzeit, Taufgang und Friedhof, Abschied und Wiedersehen, Weihnachten und Ostern und Pfingsttag, die schönsten und weihevollsten Stunden unseres deutschen Familienlebens, unserer in der deutschen Häuslichkeit[S. 4] begründeten Gemütlichkeit, im Hause und im Verkehr mit der Natur, in Feld und Wald und Heide, bei Sonnenschein und Regen oder bei still herabfallenden Schneeflocken, im Gärtchen am Hause mit seinen Rosen und Tulpen und Nelken, am Sonntagmorgen oder beim Abendläuten oder bei funkelndem Sternenhimmel, am schattigen Mühlbach in der stillen Mühle oder droben im Schloß oder in der Kapelle aus sonniger Höhe, und was er sonst in den Bereich seiner Darstellungen ziehen mag, das alles ist durchweht von Poesie, im deutschen Gemüt wahrhaft begründet, aus ihm gleichsam herausgewachsen und mit kindlich naiven Augen geschaut, alles ist durchleuchtet von einem tiefen religiösen Gefühl.
In der Vorrede zu seinem Holzschnittwerk „Fürs Haus“ schreibt er im Jahre 1858: „Schon seit vielen Jahren habe ich den Wunsch mit mir herumgetragen, in einer Bilderreihe unser Familienleben in seinen Beziehungen zur Kirche, zum Hause und zur Natur darzustellen und somit ein Werk ins liebe deutsche Haus zu bringen, welches im Spiegel der Kunst jedem zeigte, was jeder einmal erlebt, der Jugend Gegenwärtiges und Zukünftiges, dem Alter die Jugendheimat, den gemeinsamen Blumen- und Paradiesesgarten, der den Samen getragen hat für die spätere Saat und Ernte. Gelingt es nun, das Leben in Bildern schlicht und treu, aber mit warmer Freude an den Gegenständen wiederzugeben, so wird ja wohl in manchem der einsam oder gemeinsam Beschauenden der innere Poet geweckt werden, daß er ausdeutend und ergänzend schaffe mit eigener Phantasie.“
Und wie ist es dem Meister gelungen, schlicht und treu in diesen Gegenständen das alles zu schildern und zu bilden und wiederzugeben!
Seine religiösen Bilder haben ein echt evangelisches Gepräge, das Wort „evangelisch“ hier in seiner eigentlichsten und weitesten Bedeutung genommen. Er schließt sich hierin an Fiesole und ebenso an Dürer und die übrigen altdeutschen Meister, selbst an Rembrandt an; der liebenswürdige und innige Fiesole hat es ihm aber doch am meisten angetan. Innig und zart sind seine religiösen Darstellungen, und wie treuherzig weiß er immer wieder diese schon so viel dargestellten Gegenstände neu zu gestalten und uns näher zu bringen! Immer wieder muß es gesagt werden: der Volkston — er ist auch hier wieder so klar und sicher angeschlagen.
Charakteristisch für Richter ist eine handschriftliche Notiz von ihm: „Als die beiden Pole aller gesunden Kunst kann man die irdische und die himmlische Heimat bezeichnen.[S. 5] In die erstere senkt sie ihre Wurzeln, nach der anderen erhebt sie sich und gipfelt in derselben.“ Wir sehen hieraus, wie bei Richter Christentum und Kunst eng ineinander verschlungen sind. Nie aber wird man ihm nachsagen können, daß sein wahrhaftes Christentum sich unnötig vordrängte: es ist ihm eben nur um die innersten Wahrheiten zu tun; nichts liegt ihm auch ferner als Kopfhängerei oder Pietismus. Ebensowenig wird man aus seinen Schöpfungen erraten können, daß er Katholik war. Sein Standpunkt war über den enggezogenen Grenzen christlicher Konfessionen. Mit künstlerischem Instinkt packt er sein Volk im kleinbürgerlichen Leben und hält sich stets fern und frei vom „Modernen“. Folgen wir ihm willig, wenn er uns z. B. einen „Sonntag“ (in dem Werke gleichen Namens) schildert. Es ist, als ob er leise den Vorhang lüftete und uns lauschen ließe in die stillen, behaglichen, engen Stuben der kleinen Stadt. Wie gern folgen wir ihm von der Morgenandacht zur Kirche ins Chorstübchen, zum Besuch der Kranken, zum Spaziergang am Nachmittag aus den dumpfen Mauern durchs Tor hinaus aufs Land und am Abend beim aufsteigenden Vollmond zur Stadt zurück, und wenn wir das letzte Blatt „Gute Nacht“ aus der Hand legen, sagen wir uns: Schöner kann man einen deutschen Sonntag nicht feiern.
Welch köstlichen Humor hat Richter in seinen Bildern ausgestreut — und Humor ist bei uns rar geworden —! Wir nennen hier nur die beiden prächtigen Blätter aus „Fürs Haus“ „Bürgerstunde“: „Hört ihr Herren, laßt euch sagen, die Glocke hat zehn geschlagen“ (Abb. 141) und das „Schlachtfest“ (Abb. 140). Seine Philistergestalten sind unvergleichlich komisch; wenige Künstler in Deutschland hatten für diese Art deutschen Daseins so viel Blick wie er; nie wird er aber in solchen Schilderungen bitter, satirisch oder häßlich, auch hier weiß er zu verklären.
Die Tiere sind ihm, als zum Hause gehörig, unentbehrlich. Ein Spitz oder junge Hündchen mit ihrem komischen Gebaren, ein schnurrendes Kätzchen zu Füßen des spinnenden Mädchens, die Tauben auf dem Dache im Abendsonnenschein, die Sperlinge im Kirschbaum oder an der Scheuer ihr Anteil einheimsend; die Schäfchen und Zicklein[S. 6] mit munteren Sprüngen zur Seite der Kinder, — das alles gehört bei ihm zum behaglichen Dasein der Menschen. Er drückt alle Kreatur liebend an sein Herz. Gern greift er auch ins „Romantische“ und schildert uns da auch in ebenso treuherziger Weise unseres Volkes Märchen wie kein anderer deutscher Künstler in schlichten Zügen. Wie hochromantisch sind, um hier nur einiges anzuführen, „Gefunden“ (Abb. 139), „Schneewittchen“ (Abb. 185), und „Die Ruhe auf der Flucht“ mit den singenden und musizierenden Engeln (Abb. 189)! Diese Werke gehören in das Schatzkästlein der deutschen Kunst. — Und wie schlicht und demütig er über seine Stellung in der Kunst denkt, darüber spricht er in seinem letzten Lebensjahre, als Nachklang seines 80. Geburtstages, „halb blind, halb taub, aber in seinem Gott zufrieden“: „Kam meine Kunst nun auch nicht unter die Lilien und Rosen auf dem Gipfel des Parnaß, so blühte sie doch auf demselben Pfade, an den Wegen und Hängen, an den Hecken und Wiesen, und die Wanderer freuten sich darüber, wenn sie am Wege ausruhten, die Kindlein machten sich Sträuße und Kränze davon, und der einsame Naturfreund erquickte sich an ihrer lichten Farbe und ihrem Duft, welcher wie ein Gebet zum Himmel stieg. So hat es denn Gott gefügt, und mir ist auf vorher nicht gekannten und nicht gesuchten Wegen mehr geworden, als meine kühnsten Wünsche sich geträumt haben: Soli deo gloria!“
Solange deutscher Sinn und deutsches Gemüt bestehen werden, wird Ludwig Richter im deutschen Volke fortleben und geliebt und geschätzt werden. Der Strauß duftender Blüten, den er unserem deutschen Volke gepflückt und hinterlassen hat, soll und wird nicht verwelken. Das deutsche Volk wird festhalten an dem ihm Eigenen, und deutsche Art und Sitte wird nie untergehen.
[S. 7]
Ihm aber, dem verewigten Meister, dem 1898 in seiner Vaterstadt ein ehernes Denkmal errichtet wurde, wollen wir Deutschen alle ein noch unvergänglicheres Denkmal errichten, indem wir und unsere Kinder und Kindeskinder bis in die fernsten Geschlechter den unvergänglichen und unvergleichlichen Tönen seiner Muse lauschen und seine Werke allezeit lieb und wert und hoch halten!
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Richters Persönlichkeit war die eines schlichten sinnigen Mannes; er war demütig und bescheiden, kindlich rein und tief religiös. W. H. Riehl sagt in seinen „Kulturgeschichtlichen Charakterköpfen“ über ihn: „Unserem volkstümlichen deutschen Meister eignete von jeher eine echt deutsche Künstlertugend: die Bescheidenheit. Mit seinem Griffel gab er ganz sich selbst und legte die innersten Falten seines Wesens dar, weil er’s nicht anders konnte; mit seiner Person zog er sich still und anspruchslos vor der Welt zurück, und die Welt lernte ihn fast nur so weit kennen, als sie ihn in seinen Werken lieben gelernt hatte.“
Von großer Liebenswürdigkeit gegen jedermann, war er doch scheu, fast unsicher und still Fremden gegenüber; zu denen aber, die ihm nahe oder näher standen, war er von großer Herzlichkeit und Mitteilsamkeit.
Bei Gesprächen über das, was ihn am allerinnersten bewegte, über Christentum und Kunst, erglänzten oft seine großen grauen Augen, wie wenn die Sonne durch lichtes Gewölk hervorbricht. Oft schauten sie wieder so träumerisch ins Weite; wie Verklärung lag es dann über dem lieben Antlitz. Ein Zug von Wehmut war ihm eigen. In seiner Unterhaltung war er immer anregend und geistig lebendig, sicher im Urteil über Kunst und Literatur. Bei der Beurteilung von Kunstwerken war ihm das eigentlich „Künstlerische“ maßgebend, gleichviel ob das Kunstwerk dieser oder jener Richtung oder Stilweise angehörte; er begeisterte sich ebenso an Rembrandts Darstellung der „Hirten an der Krippe“, über die Goethe in seinen Briefen an Falkonet, ihm wie aus dem Herzen gesprochen, sich ausläßt, wie an den Werken des kindlich frommen Fiesole.
[S. 8]
Er war von hoher, hagerer Gestalt, seine Haltung etwas nach vorn übergebeugt; sein kluges Gesicht, freundlich und wohlwollend, war von einer Fülle schneeweißen Haares umrahmt. So sehen wir ihn in dem von Leon Pohle im Auftrage des bekannten Kunstfreundes Eduard Cichorius für das Museum zu Leipzig gemalten Porträt (Titelbild). In diesem Bildnis, zu dem unser Altmeister im Jahre 1879 saß, gerade in der Zeit, als sein jahrelanges Augenleiden unaufhaltsam so weit vorgeschritten war, daß er den Zeichenstift aus der Hand hatte legen müssen, ist eine unverkennbare Trauer über das Antlitz gelagert; ihm, dem unermüdlich Schaffenden, war eine Grenze gesetzt; er sollte nun seine fleißigen Hände ruhen lassen. Seine Wirksamkeit als Künstler war abgeschlossen, worüber er in seinem Innern sehr schmerzlich bewegt war. Aber er fügte sich in Demut in das Unvermeidliche und trug es ohne Klage; war es ihm doch wie wenigen Künstlern vergönnt gewesen, bis in sein hohes Alter in seiner Kunst tätig sein zu dürfen, und wenn ihm auch in den letzten Jahren die „Motive“ spärlicher kamen, so arbeitete er doch unausgesetzt, frühere Darstellungen vielfach variierend, unfertige frühere Zeichnungen vollendend oder landschaftliche Skizzen mit Figurengruppen belebend, und zeichnete und malte noch eine ganze Reihe prächtiger Blätter, wenn auch mit großer Mühe und Anstrengung. — Inzwischen hatte er auf Anregung seines Freundes E. Cichorius und auf Betreiben seines Sohnes Heinrich angefangen, auf Grund eigenhändiger Tagebuchaufzeichnungen seine Selbstbiographie „Lebenserinnerungen eines deutschen Malers“ (Frankfurt a. M., Johannes Alt) zu schreiben, und vermochte diese auch noch 1879 so weit zu Ende zu führen, wie es von Anfang an geplant war. Diese Biographie gehört mit zu dem Hervorragendsten, was Deutschland auf diesem Gebiete der Literatur besitzt.
Richter durfte noch seinen 80. Geburtstag feiern, geliebt und geehrt vom deutschen Volke. Still und freundlich waren seine letzten Jahre, wenn ihm auch Schweres zu tragen bis zuletzt nicht erspart wurde. Am letzten Morgen seines Erdendaseins schrieb er in sein Tagebuch:
[S. 9]
In gedrängter Kürze wollen wir den Entwickelungsgang des Meisters darzustellen versuchen.
Adrian Ludwig Richter wurde am 28. September 1803 in Dresden-Friedrichstadt geboren, „einem Stadtteil, welchen“, wie er selbst sagt, „die haute volée zu ihrem Sitze nicht erkoren hatte“. Das Geburtshaus (Abb. 1), Friedrichstraße 44 Gartenhaus, war lange in Vergessenheit gekommen, bis es 1898 wieder entdeckt wurde. Nach einer alten Familientradition stammt die Familie Richter von Luther ab. Sein Vater,[S. 10] Karl August Richter (Abb. 2), geboren 6. Juli 1778 im Dorfe Wachau bei Radeberg, war Zeichner und Kupferstecher und Professor an der Dresdener Kunstakademie, ein Schüler Adrian Zinggs, seine Mutter Johanne Eleonore Rosine Dorothee geborene Müller (Abb. 3). Sein Großvater väterlicherseits, Heinrich Karl Richter (Abb. 4), geboren 1741, war Kupferdrucker, seine Großmutter (Abb. 4) war die Tochter eines Schullehrers in Wachau. Der Großvater trat, als ihm durch einen katholischen Geistlichen der Druck der neu auszugebenden Talerscheine dafür in Aussicht gestellt wurde, zur katholischen Kirche über, aus dem Druck wurde aber nichts. Die Großmutter kämpfte lange mit sich, ob sie ihrem Manne beim Wechsel der Konfession folgen sollte oder nicht; in ihrer Bedrängnis wandte sie sich an ihren Bruder, den protestantischen Pfarrer in Döbrichau bei Wittenberg, der ihr riet, ihren Kindern das Opfer zu bringen, Gott sei in dieser wie in jener Kirche, und so entschloß sie sich schweren Herzens endlich zum Übertritt; sie hat dreißig Jahre in völliger Erblindung gelebt. Der Großvater betrieb in späteren Jahren, als das Kupferdrucken nicht mehr recht ging, die Uhrmacherei. „Er wohnte in einem engen düsteren Hof eines Hauses hinter der Frauenkirche über der Judenschule,“ im abgelegenen Stübchen des Hinterhauses hingen zahllose Uhren, die rastlos durcheinander tickten. Der ruhige, in seinem Wesen wunderliche, ironische Mann beschäftigte sich auch leidenschaftlich mit Alchimie und Goldmacherei, bei ihm verkehrten geheimnisvoll allerlei Alchimisten und alte originelle Judengestalten. Fast hundertjährig schied er aus diesem Leben.
Der Großvater mütterlicherseits, Johann Christian Müller, ein langer, hagerer, leicht auffahrender und polternder Mann, war ein kleiner Kaufmann in Dresden-Friedrichstadt, die Großmutter Christiane Luise (Abb. 5), geboren in Amsterdam als Tochter des dortigen Kaufmanns van der Berg, gestorben 1813, eine phlegmatische, etwas stolze Frau. Weiter läßt sich das Herkommen der Familie nicht mehr verfolgen, da die Kirchenbücher in der Kriegszeit verloren gegangen sind. Das Leben in Großvater Müllers engem Kaufmannslädchen und dem anstoßenden, noch engeren Stübchen, in dem von Nebengebäuden eingeschlossenen Hof und dem sehr großen Garten, mit dem Blick über Kornfelder nach den Höhen von Roßtal und Plauen, schildert Richter in der Biographie gar köstlich, nennt auch den ehrbaren Friedrichstädter Bürger und hochachtbaren Verleger der im Lädchen aufliegenden, in grobem Holzschnitt ausgeführten und grell bunt bemalten Bilderbogen, Meister Rüdiger, den Adam, Stammvater und das ehrwürdige Vorbild der Dresdner Holzschneider. Die beiden großelterlichen Häuser mit den originellen Gestalten, die dort ein- und ausgingen, boten ein interessantes Bild aus dem achtzehnten Jahrhundert; sie hatten sich dem Enkel Ludwig tief eingeprägt. Die wunderlichen Menschen, die er dort sah, mögen oft bei seinem späteren reichen Schaffen und künstlerischen Gestalten in seiner Erinnerung aufgetaucht und ihm Modell gestanden haben. Es waren Figuren, wie wir sie bei Chodowiecki in dessen zahllosen Stichen sehen und kennen; Richter erzählte oft und gern in seinem späteren und spätesten Alter von diesen Originalen und wußte sie auch bis ins kleinste lebendig zu[S. 11] schildern. Dagegen war das elterliche Haus in seiner Erinnerung ärmer an derartigen und dauernden Eindrücken gewesen. Es mögen in diesen frühesten Jugenderinnerungen die Wurzeln liegen für seine Originale und Kapitalphilister, die er in seiner späteren Zeit uns mit so sicherem Strich gezeichnet hat. Dresden war voll von solchen Originalgestalten,[S. 12] und unser Ludwig machte förmlich Jagd auf Chodowieckifiguren. Otto Jahn schreibt in seinen Mitteilungen über L. Richter: „Die eigentümliche, schalkhafte und doch treuherzige Pietät, mit welcher Richter seine Philister behandelt, wird aber erst recht begreiflich, wenn man sieht, wie sie in den ersten und liebsten Erinnerungen seiner Kinderjahre wurzelt.“ Die Kriegswirren, die Massen von Truppendurchzügen der Franzosen und der Russen mit ihren asiatischen Kriegsvölkern und der Österreicher, die Not der Stadt Dresden während der Schlacht, das Hin und Her in dieser Zeit bis zur endlichen Niederlage Napoleons bei Leipzig, das alles war für ihn reich an Eindrücken und Abwechslungen. Der Besuch der katholischen Schule (er war in der protestantischen Kreuzkirche in Dresden getauft) hörte im zwölften Lebensjahre infolge der Kriegsdrangsale auf, und nun fand Ludwig seinen Platz neben des Vaters Arbeitstisch, wo er zeichnete und radierte. Es war selbstverständlich, daß der Sohn den Beruf des Vaters erwählte und als Zeichner und Kupferstecher sich ausbildete; auch seine drei jüngeren Geschwister „Willibald, Hildegard und Julius griffen, sobald sie konnten, zu Papier und Bleistift und zeichneten drauf los nach irgend einem Original aus Vaters Mappen“. Unseren Ludwig befriedigte aber derartiges Zeichnen und Kupferstechen wenig, das „Malen“ kam ihm viel schöner vor. Der Vater stach damals Kupferplatten für den Fürsten Czartorysky, der ihn nach Warschau ziehen wollte und ihm eine gut besoldete Professorenstelle anbot; der Mangel an Kenntnis der französischen Sprache und an Mitteln zur Bestreitung der Kosten des Umzugs mit Frau und Kindern nach[S. 13] dort bestimmten ihn jedoch, das Anerbieten abzulehnen. Er hatte eine Anzahl Schüler, die er im Zeichnen und Kupferstechen unterrichtete.
Neben den Arbeiten für den Fürsten mußte der Vater, da die Bezahlung eine sehr knappe war, als Brotarbeit auch Bilder für Volkskalender und Ansichten von Städten und Gegenden radieren. Für die Kalenderbilder wurden Schlachten, der Wiener Kongreß, Feuersbrünste, Erdbeben, Mordtaten und was sonst die damalige Zeit in weitesten Kreisen bewegte, dargestellt, und bei diesen kleinen Arbeiten durfte der Sohn Ludwig helfend mitwirken, kopieren und arrangieren, später sogar diese selbst radieren; mit stolzem Gefühl nimmt er die Erlaubnis auf, die Geschichte vom Apfelschuß Tells auf der Platte „umreißen“ zu dürfen. Die Auftraggeber für diese Kalenderbilder waren Buchbinder, die solche Kalender verlegten, und alljährlich zum Herbstjahrmarkt kamen diese Kleinverleger mit ihren Aufträgen. Diese Buchbinder und Geschäftsfreunde waren auch großenteils höchst originelle Gestalten, von denen einige Richter noch im späten Alter lebhaft vor Augen standen. Ein alter, längst verstorbener Chirurgus in Meißen erzählte mir, daß er sehr oft mit seinem Vater, einem Buchbinder und Herausgeber solcher Kalender, in Dresden bei Richters Vater in solcher Angelegenheit war, und wie er unseren jungen Richter neben Vaters Tisch habe arbeiten sehen; er schilderte ihn als einen schmalen langen Jüngling, wie wir ihn uns leicht vorstellen können nach dem vielleicht zehn Jahre später gezeichneten Porträt (Abb. 15).
Er zeichnete nun auch bald nach der Natur, und wir fügen hier eine Radierung nach einer Zeichnung von ihm, dem damals Fünfzehnjährigen, die Brandruinen des alten Schlosses in Pillnitz (Abb. 6) bei. Die Nationalgalerie besitzt eine in Bleistift sehr tapfer gezeichnete Vorgrundstudie, Distelblätter, aus seinem zwölften Jahre und aus seinem fünfzehnten Jahre ein aquarelliertes Blatt „Bewachsene Steine“, das noch in dem damals herrschenden Manierismus behandelt ist. Die Zopfzeit, eine der schlimmsten Zeiten deutscher Kunst, stand noch in voller Blüte; es wurde noch Baumschlag nach ganz besonderen Methoden gemacht, Eichen gezackt, Linden in gerundeter Manier; es war eine Zeit der Unnatur und eines verwahrlosten Geschmacks. Richter schildert selbst in dem Kapitel „Wirrsale“ seiner Biographie, wie er, entgegen der herrschenden Geschmacklosigkeit und dem Manierismus die Natur draußen so ganz anders sieht, und doch ist er befangen und weiß sich nicht herauszufinden.
Den Sohn des Romanschriftstellers Wagner in Meiningen, der als Spielgenosse des Erbprinzen an dessen Erziehung teilnehmen durfte, ließ der Herzog in Tharandt unter Cotta Forstwissenschaft studieren. In seinen Mußestunden arbeitete der junge Wagner als Schüler bei Richters Vater. Er brachte eines Tages eine von ihm aus der Umgebung Tharandts nach der Natur in Deckfarben gemalte landschaftliche Studie mit: eine Felsschlucht mit kleinem von Farnkräutern und weißen im Sonnenschein glänzenden Sternblumen umrahmten Wasserfall. Diese Studie machte einen tiefen Eindruck auf unseren Richter; wie hier die Natur gesehen war, entsprach so ganz seinem Sinn, so sah auch er die Natur. Und wie ganz anders war das, als die Zinggsche Schule lehrte. In einer Kunsthandlung fand er ein Heft radierter Landschaften von Joh. Christoph Erhard (1795–1822), voll feinen Naturgefühls und großer Frische. Diese[S. 14] Blätter gefielen ihm so, daß er sie kaufte und mit ihnen hinaus nach Loschwitz ging, um in dieser ihm neuen Art nach der Natur zu zeichnen. Die überaus feine, naive und ganz manierlose Wiedergabe der Natur, die sonnige Wirkung in den Radierungen dieses Meisters entzückten ihn, sie haben einen unverkennbaren Einfluß auf seine Art zu zeichnen gehabt, sind ihm treue Berater und Begleiter durch seine ganze Künstlerlaufbahn[S. 15] gewesen; er hatte sie immer bei sich am Arbeitstisch, alle seine Schüler hat er danach zeichnen lassen.
In Dresden bekämpfte der Landschaftsmaler Kaspar David Friedrich aus Greifswald die herrschende Unnatur durch seine eigenartigen Bilder, die mit strengstem Naturstudium und mit tiefem Naturgefühl die einfachsten Vorwürfe der Natur, wenn auch oft stark symbolisiert, behandelten. Im Jahre 1818 kam der Norweger Landschafter Christian Dahl nach Dresden, der durch seine frischen, naturalistischen, norwegischen Gebirgslandschaften ungeheures Aufsehen unter der Jugend erregte. Die Alten aber lachten oder schüttelten die Köpfe über diese Neuerer.
Aber die ersten Schimmer der Morgenröte der sich vorbereitenden neudeutschen Kunst zeigten sich bereits. Schon hatte August Wilhelm von Schlegel seine Abhandlung über „Christliche Kunst“ geschrieben, Eindrücke und Gedanken, die er vor den in Paris aufgestapelten, von Napoleon zusammengeraubten Kunstschätzen Deutschlands und Italiens aufgezeichnet, ein Werk der damaligen literarischen Romantik, das man als einen der Ecksteine der neudeutschen Kunst bezeichnen muß.
Schon waren Cornelius, Overbeck, Veit und Schnorr als ausübende Künstler tätig. In der heranwachsenden Jugend fing es an zu gären. Die Zeit der tiefsten Erniedrigung und der großen nationalen Erhebung Deutschlands, die Befreiungskriege, wirkten auch befruchtend auf die junge deutsche Künstlerschaft; deutsche Kunst wurde wieder angestrebt, die altdeutschen herrlichen Meister wurden wieder Lehrmeister. Das nationale Bewußtsein brach sich auch in der Kunst wieder Bahn. Und auch unseren jugendlichen Richter durchzog es ahnungsvoll.
Eines Tages kam der Buchhändler Christoph Arnold zum Vater Richter; der Sohn bemerkte, daß dieser ihn beobachtete, schließlich aber freundlich mit ihm sprach; er[S. 16] übertrug dem Vater die Ausführung eines größeren Werkes in Radierungen: „Malerische An- und Aussichten der Umgegend von Dresden“, dabei aber den Wunsch aussprechend, daß der Sohn mit dabei beschäftigt werde.
Beim Fortgehen gibt er dem Jüngling die Hand, dabei treten ihm Tränen in die Augen; draußen sagt er dem Vater, daß er beim Anblick des Sohnes an seinen jüngst verstorbenen Sohn, dem Ludwig sehr ähnlich sei, erinnert worden sei. Von da an hatte er großes Interesse an unserem Ludwig Richter, wie sich in der Folge zeigte. Das in Auftrag gegebene Werk erschien 1820 unter dem Titel: „Siebzig malerische An- und Aussichten der Umgegend von Dresden, aufgenommen, gezeichnet und radiert von C. A. Richter, Professor, und A. Louis Richter“, ebenso erschienen in demselben Jahre noch dreißig malerische An- und Aussichten von Dresden und der nächsten Umgebung. Aus dieser Folge bringen wir „Dresden von der Bärbastei“ von unserem jungen Künstler gezeichnet und radiert (Abb. 7). Beide Folgen waren zum Kolorieren bestimmt, deswegen sind die Lüfte leer gelassen.
Im Jahre 1820 begleitet unser junger Richter, der inzwischen für sich gezeichnet und gemalt, auch an Bilder sich gewagt hat, den Fürsten Narischkin, Oberstkämmerer der Kaiserin von Rußland, sieben Monate als Zeichner auf dessen Reise über Straßburg und Marseille nach Nizza. Die Skizzen nach der Natur von dieser Reise, die noch vorhanden sind und nach denen er ausgeführte Zeichnungen für ein Album, das der Kaiserin von Rußland bei der Rückkehr überreicht werden sollte, fertigte, haben oft noch etwas „Zopfiges“ an sich; er war, trotzdem er sich frei zu machen suchte, weil ein lebendiges Naturgefühl ihn durchdrang, noch in der Art und Weise der Zeit befangen und gebunden. Wir bringen von diesen Skizzen ein Blatt (Abb. 8) aus Avignon. Nach der Rückkehr radierte er für Arnold wieder dreißig Ansichten zu dem „Taschenbuch für den Besuch der sächsischen Schweiz“. In diesen Radierungen, die nichts weiter als Prospekte sein sollten (dieses Taschenbuch entsprach ungefähr in seinen Zwecken unseren heutigen Bädekerreisebüchern), macht sich, wie in den vorerwähnten siebzig und dreißig Ansichten, schon in der Ausbildung der figürlichen Staffage der eigene Zug Richters geltend, die Natur immer nur in Verbindung mit dem Menschen zu schildern.[S. 17] — Aber diese Arbeiten befriedigten ihn nicht, es drängte ihn nach ganz anderen Zielen. Und zur Erreichung dieser sollten ihm die Wege geebnet werden.
Der väterliche Freund Arnold gab ihm die Mittel zu einer Studienreise nach Rom auf drei Jahre (jährlich 400 Taler), — nach Rom, wo Cornelius, Overbeck und Philipp Veit im Hause des preußischen Generalkonsuls Bartholdy die Geschichte Josephs in Fresken (jetzt in der Nationalgalerie in Berlin) bereits ausgeführt und die Merksteine der neuen Ära aufgerichtet hatten, wo dieselben Künstler, denen sich Schnorr 1818 zugesellte, in der Villa des Fürsten Massimi die Fresken zu Dantes „Göttlicher Komödie“, zu Tassos „Befreitem Jerusalem“ und zu Ariostos „Rasendem Roland“ zu malen begonnen hatten. — Die Kunde von diesen Werken, die für die neue deutsche Kunst von so außerordentlicher Bedeutung sind, war auch nach Dresden gedrungen, und man kann sich vorstellen, wie die herrliche Aussicht, nun so bald in diese Zentrale der neudeutschen Kunstbewegung kommen zu sollen, unseren jungen Künstler mit Begeisterung erfüllte. Jetzt war er erlöst und konnte dem innersten Zuge seines Herzens folgen; — „ich war mit einem Schlage frei von dem Drucke ägyptischer Dienstbarkeit, die hoffnungslos auf meinem Leben lastete, mit einem Zuge war der Vorhang weggeschoben, und der selige Blick sah das gelobte Land vor sich liegen, das Land einer bisher hoffnungslosen Sehnsucht, wohin der Weg nun gebahnt war.“
Auf der Kunstausstellung im Sommer 1822 tauchten einige kleinere Bilder deutscher Künstler in Rom auf, die über die „neue Richtung“ der jungen Künstlergeneration Aufschluß gaben. Es waren Bilder von Götzlaff, Klein, Catel, Rhoden. Diese Bilder machten durch ihr strenges und höchst liebevolles Anschließen an die Natur, durch das Stilgefühl, welches ihre Urheber den alten deutschen und italienischen Meistern abgelernt, auf unseren jungen Künstler tiefen Eindruck; wie war das so ganz anders angeschaut und wie war das empfunden! Wie hohl und öde waren dagegen die Werke von Klengel und den anderen Zopfmalern, die vor lauter „Baumschlag“ und „Kunstrezept“ und „Kunstregel“ so ganz abseits von der Natur gekommen waren.
[S. 18]
Von Dresden waren bereits Alters- und Gesinnungsgenossen nach Rom gezogen; Richter kannte aber nur wenige von ihnen und stand außerhalb ihres Kreises. Sein Vater wollte von diesen „Neuerern“ nichts wissen, die obendrein in altdeutschen Röcken und Sammetbaretts, mit langen Haaren und Fechthandschuhen einhergingen.
1823 trat er die Reise über Salzburg an. Er zeichnete viel auf seiner Wanderung durch die Alpen, Landschaftliches und Figürliches. Abb. 9 ist eine Figurenskizze aus dem Salzburgischen, in der Art der Zeichnung und Charakteristik Philipp Fohrs, auf den wir später noch kommen. Die Nationalgalerie besitzt ein aquarelliertes Blatt, eine Landschaft[S. 19] von 1823, auf dieser Reise gefertigt, worin auch das Figürliche ähnlich im Schnitt und räumlich sehr hervorgehoben ist. In Innsbruck, wo er Nachrichten aus der Heimat erwartete, fielen ihm Schlegels Abhandlungen über „Christliche Kunst“, die wir früher schon erwähnten, in die Hände, und als er jenseits der Alpen, in Verona, zuerst altitalienische Kunstwerke sah, wurden ihm Schlegels Aussprüche erst recht verständlich und lebendig; hier sah er in der Kirche St. Giorgio das bekannte Bild von Girolamo dai Libri: „Die Madonna auf dem Thron von singenden Engeln umgeben“ und wurde von dem Bilde wunderbar ergriffen. Als fünfzig Jahre später auf dieses Bild die Rede kam, schrieb er mir in seiner Begeisterung eine kurze Abhandlung über dies Bild aus den „Gesprächen über die Malerei in Italien“ von L. Lanzi mit der vorzüglichen Anmerkung dazu von Quandt ab; er war noch immer von der höchsten Begeisterung für dieses Gemälde erfüllt. Am 28. September, am Abend seines zwanzigsten Geburtstages, zog er durch die Porta del Popolo in Rom ein; Glockengeläute und Kanonendonner verkündeten die Wahl Papst Leos XII. „Da lag mein Schifflein im ersehnten Hafen.“
Hier traf er nun mit den ihm von Dresden her bekannten jungen Malern Wagner und Ernst Oehme zusammen. „Hier in Rom entdeckten wir (Oehme und Richter) bald, daß ein anderes liebes Geheimnis uns verband; denn er hatte eine Emma, wie ich eine Auguste, in der Heimat und im Herzen, beide Mädchen kannten sich, beide wurden von Pflegeeltern erzogen, welche einander nicht unbekannt waren, und so konnte es nicht fehlen, daß wir uns ebenfalls vertraulich nahe fühlten.“
Großen Einfluß auf ihn gewann zuerst vor allem der aus der Sturm- und Drangperiode herübergekommene Landschafts- und Figurenmaler Joseph Anton Koch, das originelle derbe und biedere Tiroler Landeskind. Besonders seine historischen Landschaften wirkten auf den jungen Künstler bestimmend. Noch im Laufe des ersten Winters in Rom, 1823–1824, malte Richter ein Bild, den Watzmann darstellend. Während er daran arbeitete, besuchte ihn Koch, der von da an großen Anteil an seinem Schaffen[S. 20] nahm und in herzlichen Verkehr zu ihm trat; ihm hat Richter für seine künstlerische Fortentwickelung viel zu danken. Auch Julius Schnorr aus Leipzig trat Richter jetzt freundschaftlich näher. Schnorrs Persönlichkeit und Geistesrichtung berührten Richter innerlich noch mehr, weil er eine ihm verwandte Natur war. Koch suchte das Große und Gewaltige mit Pathos in der Formengebung auszudrücken, wogegen der lyrische Schnorr durch seinen Schönheitssinn und die Anmut in seiner Gestaltung, durch blühende Phantasie und Romantik in unserem jungen Künstlergemüt gleichgestimmte Saiten erklingen machte.
Im „Kunstblatt“, Jahrgang 1824, wird über dies Bild vom Watzmann, das er in Dresden ausgestellt und seinem Gönner Arnold überließ, berichtet: „Die Meisterhaftigkeit, mit welcher dieses Bild ausgeführt ist, der schöne und tiefe Sinn für Natur, der sich darin spiegelt und in Treue und Wahrheit den Charakter dieser Berggegend wiedergibt, die gut gedachten Effekte der Licht- und Schattenpartien erfreuen uns um so mehr, da der Künstler noch sehr jung ist und bei solchen Anlagen und so früher Entfaltung von praktischer Geschicklichkeit das Höchste in dieser Kunst zu erwarten berechtigt.“ Und von Quandt schreibt ebenda: „Das Romantische, das, was in der Natur ans Unbegreifliche und in der Darstellung ans Unglaubliche reicht, ohne die Grenzen des Möglichen und Wirklichen zu überschreiten, ist ganz des jungen Malers Fach, und er vermag es mit solcher Wahrheit vor die Augen zu stellen, daß uns ganz das Gefühl des Erhabenen durchdringt, welches der Anblick im reinsten Sonnenlicht strahlender Gletscher, ungestümer Bäche und ernster Waldungen, welche als Landwehr den Bergstürzen und Lawinen sich entgegenstellen, uns einflößt.“ Die Dresdener Akademie gewährte ihm auf dieses Bild ein Stipendium von hundert Talern. Abends zeichnete Richter mit größtem Eifer mit den Genossen in der sogenannten Academia, die Passavant und einige Freunde eingerichtet hatten, nach dem lebenden Modell; er vergleicht diese Figurenstudien mit[S. 21] denen, die zu der Zeit in Deutschland gezeichnet wurden, und sagt, daß man dort solche Figurenstudien in eine gewisse manierierte Schablone brachte, weil der Respekt vor der Natur fehlte; aber „hier zeichnete man mit der größten Sorgfalt, mit unendlichem Fleiß und großer Strenge in der Auffassung der Individualität, so daß diese Zeichnungen oft kleine Kunstwerke wurden, an denen jeder seine Freude haben konnte; denn es war eben ein Stück schöner Natur.“
Im Frühling 1824 zog unser Landschafter ins anmutige Albanergebirge, später nach Tivoli, wo er mit Philipp Veit am Tempel der Sibylla zusammentraf. An einem Regentage wurde hier beschlossen (Oehme, Wagner, Götzlaff und Rist waren die Genossen Richters), daß jeder bis zum Nachmittag eine Komposition entwerfen sollte. Richter schreibt darüber: „Ich hatte eine Gruppe sächsischer Landleute mit ihren Kindern gezeichnet, welche auf einem Pfade durch hohes Korn einer fernen Dorfkirche zuwandern, ein Sonntagmorgen im Vaterlande. Diese Art von Gegenständen war damals nicht an der Tagesordnung und in Rom erst recht nicht. Das Blatt machte deshalb unter den anderen einige Wirkung; — ich erinnere mich wohl, wie ich das Blatt ohne Überlegen, gleichsam scherzweise, meinen damaligen Bestrebungen und Theorien entgegen, hinwarf, und dieser Umstand ist mir in späteren Jahren wieder eingefallen und deshalb merkwürdig erschienen, weil das recht eigentlich improvisierte Motiv der erste Ausdruck einer Richtung war, die nach vielen Jahren wieder in mir auftauchte, als ich meine Zeichnungen für den Holzschnitt machte. Es waren liebe Heimatserinnerungen, sie stiegen[S. 22] unwillkürlich aus einer Tiefe des Unbewußten herauf und gingen darin auch wieder schlafen, bis sie später in der Mitte meines Lebens mit Erfolg neu auferstanden.“ Richter beschloß die Studien für diesen Sommer und Herbst in Olevano im Sabinergebirge. Dieses einzige Stückchen herrlichen Landes hatte Koch einige Jahre vorher[S. 23] entdeckt; seit Jahren ist die Serpentara, die kleine felsige Kuppe mit einem Wald deutscher Eichen, der Glanzpunkt von Olevano, in Verfolg einer Anregung deutscher Künstler in Erinnerung dort verbrachter Studienzeit in den Besitz des Deutschen Reiches übergegangen.
Nach Rom zurückgekehrt, malte Richter im Winter das Bild „Rocca di Mezzo“ (Abb. 10), welches durch Vermittelung Schnorrs der Baron Speck von Sternburg erwarb; es befindet sich jetzt im Museum zu Leipzig. Bei Philipp Veit, dem Sohn von Dorothea von Schlegel, mit dem er in Rom unter einem Dach wohnte, sah er zwei Bände Holzschnitte und Stiche Dürers, von denen ihm bisher wenige bekannt waren. Veit erschloß ihm den Reichtum an Schönheiten und die Bedeutung dieser Werke; er ist von[S. 24] der volkstümlichen Art, deutsches Leben und Wesen wiederzugeben, ganz begeistert, und für die Folge haben diese Eindrücke fördernd und bestimmend auf unseren jungen Künstler eingewirkt und vielfältige und herrliche Früchte gezeitigt. In der Galerie Camuccini sah er ein seitdem in England verschwundenes Bild von Tizian, eine Landschaft mit einem Zechgelage von Göttern und Göttinnen, welches einen unauslöschlichen Eindruck auf ihn machte. „Ich war ganz hingerissen von diesem herrlichen Gemälde, der großartigsten Landschaft, die ich je gesehen,“ schreibt er in seiner Biographie, und weiter dann in den Tagebuchaufzeichnungen vom Jahre 1824: „Aus Tizians ‚Bacchanal‘ weht eine wunderbare[S. 26] Frische und holde Lebensfülle; das Kolorit ist wahre Zauberei, eine Kraft, ein Glanz und eine Glut in den Farben, die einen wunderbaren Reiz wirken und schon für sich die höchste poetische Stimmung im Beschauer erwecken. Die Komposition ist höchst einfach, grandios und edel. Auf einem lustigen Plätzchen am grünen Walde haben sich die Götter zum fröhlichen Feste versammelt und niedergelassen. Die Figuren sind schön gemalt, voll Ausdruck und Leben, aber ziemlich gemein, ja völlig travestiert dargestellt.“ Er schildert dann weiter die Landschaft und schließt mit dem Ausruf: „So müssen Landschaften gemalt werden, so muß die Natur aufgefaßt werden! Das ist der Stil, der sich zu Heldengedichten eignet; er ist größer, edler, als der lyrische. So groß, so sinnvoll und lebendig und so einfach nun auch deutsche Natur aufgefaßt!“ Und noch nach fünfzig und mehr Jahren geriet er in Begeisterung, wenn die Rede auf dieses Bild kam; er zeichnete bei einer solchen Gelegenheit dem Verfasser nach einem Stich in dem bekannten Werk von Agincourt die hier (Abb. 11) wiedergegebene Pause und schwelgte dabei in Erinnerungen.
Außerordentlich anregend für unseren jungen Maler, freilich nach einer anderen Seite hin als das Bild von Tizian, waren die Arbeiten zweier Künstler, die beide im Beginn ihrer Laufbahn starben: Karl Philipp Fohr aus Heidelberg und Franz Horny aus Weimar. Fohr ertrank 1818 beim Baden im Tiberfluß bei Aqua Acetosa vor den Toren Roms, Horny starb im folgenden Jahre in Olevano. Richter schreibt in seiner Biographie: „Das Andenken beider lebte noch warm in den Genossen, und die Naturstudien wie die Kompositionen, welche sich noch im Besitz ihrer Freunde vorfanden, versetzten[S. 28] mich in einen Rausch der Begeisterung; insbesondere war das bei Fohr der Fall. Frühere, noch in Deutschland gemachte Naturstudien zeigen eine so feine, liebevolle Beobachtung der Natur und manierlose, naive Darstellung, daß, weil diese Eigenschaften mit einem großen Stilgefühl sich verbanden, die reizvollsten Zeichnungen entstehen mußten.“ Er schildert sodann einige solcher ganz vorzüglichen Zeichnungen, die unbestritten zu den hervorragendsten Arbeiten aus dieser Zeit gehören und für alle Zeiten mustergültig bleiben werden. Von Hornys Arbeiten schreibt unser Meister: „Höchst originell, eine großartige, strenge, ja herbe Auffassung und Behandlung liebend, studierte er meist in den sterilen Bergen von Olevano und Civitella. Die Zeichnungen dieses Künstlers sind auch von großem und hohem künstlerischen Werte.“
Auf dem Boden der Kirche in Olevano sah Verfasser 1866 eine Reihe von Arbeiten dieses Künstlers; es waren runde Stationsbilder, die an diesem Orte seit fünfzig Jahren verborgen lagen. Vor Richters Ankunft in Rom war der geistreiche Radierer Joh. Christ. Erhard, dessen deutsche Blätter unseren Richter so anregten und entzückten, aus diesem Leben geschieden; er war nicht angelegt, der romantischen Richtung der Zeit folgen zu können, aus Kummer darüber erschoß er sich in Rom 1822. Richter schreibt in seiner Biographie: „Erhard litt an Melancholie, welche sich oft bis zum Unerträglichen steigerte, und verzagte in solcher Stimmung gänzlich an seinem Talente. Ich glaube auch, daß sich die italienische Natur für seine künstlerische Eigentümlichkeit nicht eignete.“ Den Freund Erhards, den liebenswürdigen Maler Reinhold aus Gera, besuchte Richter oft und erfreute sich an dessen ganz vortrefflichen Naturstudien; auch mit dem höchst talentvollen Ernst Fries aus Heidelberg, dem Freunde Fohrs und Rottmanns, kam er öfters zusammen.
Hier in Rom sah Richter auch die 1823 in Wien erschienenen wundervollen Steinzeichnungen von Ferdinand von Olivier, die sogenannten sieben Tage der Woche; es sind Bilder aus Salzburg und Berchtesgaden, fast alle mit köstlicher Staffage belebt; diese Blätter gehören mit zu den schönsten Werken aus jener Zeit, streng und vornehm in der Formengebung, dabei von einer seltenen Liebenswürdigkeit und Anmut. Ferdinand von Olivier, geboren 1785 in Dessau, lebte, ehe er nach Rom ging, in Wien und traf dort mit Overbeck und Julius Schnorr zusammen. Des letzteren Bild im städtischen Museum zu Leipzig, „Der heilige Rochus“, ist in dieser Zeit in Wien gemalt; es erinnert sehr an die Art und Weise Oliviers. Die Illustrationen Burgkmaiers zum „Trostspiegel in Glück und Unglück von Petrarca“, diesem so wunderlichen Buche, haben die deutschen Künstler in Rom ganz besonders geschätzt und viel danach gezeichnet. Von Richter existieren noch Pausen nach diesen Holzschnitten aus dieser Zeit; er besaß dieses Buch und hat viel Anregung daraus empfangen.
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In jener Zeit las Richter auch Stillings „Jugend- und Wanderjahre“; gerade hier in Rom mußte dieses Stück deutschen Volkstums großen Eindruck auf ihn machen. Besonders aber berührte ihn der fromme Sinn des Buches und traf eine wunde Stelle seines Herzens, deren Heilung ihm immer mehr Bedürfnis wurde. Das religiöse innere Leben Richters war ganz unentwickelt, verkümmert, halberstickt, aber es arbeitete mächtig in ihm. Bei dem erkrankten Freunde Oehme lernte er den Landschaftsmaler J. Thomas und den Kupferstecher N. Hoff aus Frankfurt und Ludwig von Maydell aus Dorpat kennen; letzterer war ein ehemaliger russischer Ingenieuroffizier, der gegen Frankreich mitgekämpft hatte. 1824 am Silvesterabend suchte Richter, nachdem er bis zehn Uhr an Oehmes Krankenbett gesessen, Maydell in dessen nahegelegener Wohnung auf, wo er Hoff und Thomas traf; er erzählt von diesen für ihn so hochbedeutenden Stunden, wie Maydell einen Aufsatz über den achten Psalm vorgelesen, die Freunde sich dann des weiteren unterhalten, und sagt dann: „Ich habe keine Erinnerung von dem, was an jenem Abend gesprochen wurde; es war auch nichts Einzelnes, was mich besonders tiefer berührt hätte; aber den Eindruck gewann ich und wurde von ihm überwältigt, daß diese Freunde in ihrem Glauben an Gott und an Christum, den Heiland der Welt, den Mittelpunkt ihres Lebens gefunden hatten und alle Dinge von diesem Zentrum aus erfaßten und beurteilten. Ihr Glaube hatte einen festen Grund im Worte Gottes, im Evangelio von Christo. Der meinige, welcher mehr Meinung und Ansicht war, schwebte in der Luft und war den wechselnden Gefühlen und Stimmungen unterworfen. Still, aber im Innersten bewegt, hörte ich den Reden der Freunde zu und war mir an[S. 30] jenem Abend der Umwandlung nicht bewußt, die in mir vorging.“ — „Und als nun das beginnende Geläute der Mitternacht den Schluß des alten und Anfang des neuen Jahres verkündete und Thomas uns aufforderte, diesen Übergang mit dem alten schönen Choral ‚Nun danket alle Gott‘ zu feiern, — da konnte ich recht freudigen Herzens mit einstimmen. Oehmes Krankheit war der äußere Anlaß gewesen, welcher uns zusammengeführt hatte; eine gemeinsame Geistesrichtung, die aus dem tiefsten Bedürfnis des Herzens kam, war in dieser Stunde hervorgetreten und hat uns für das ganze Leben treu verbunden bis ans Ende dieser Erdentage; denn sie ruhen nun alle, und nur ich, der jüngste von ihnen, bin der Überlebende und segne noch heute diesen für mich so hoch bedeutsamen Silvesterabend.“ Wie ein Jauchzen erklingt es in ihm am Neujahrsmorgen 1825: „Ich habe Gott, ich habe meinen Heiland gefunden; nun ist alles gut, nun ist mir ewig wohl!“ und weiter: „Das Alte ist vergangen, siehe, es ist alles neu geworden.“ Maydell, der vielbelesene Protestant, nahm sich des Suchenden herzlich an und half ihm getreulich. Besonders machte er ihn mit der Bibel und mit Luthers Schriften bekannt. Auch Richard Rothe, der damals Prediger an der preußischen Gesandtschaftskapelle in Rom war, nachmaliger Doktor und Professor der Theologie und geheimer Kirchenrat zu Heidelberg, ein Mann von großer Bedeutung, gewann viel Einfluß auf unseren suchenden Jüngling. Auf Wunsch eines großen Teiles der evangelischen Künstler Roms veranstaltete Rothe (Brief an seine Eltern vom 21. Februar 1824 und andere Nachrichten, vergl. Friedrich Nippold „Richard Rothe“) Vorträge über Kirchengeschichte zur Förderung des evangelischen Sinnes und Glaubens; diese Vorträge gingen wohl auch in recht lebhafte Gespräche über und gaben zu mannigfaltigen Erörterungen Anlaß. Hieran beteiligte sich unser Künstler mit größtem Eifer. Den damals in Rom lebenden deutschen Künstlern war Kunst ohne Religion undenkbar; die beiden Elemente waren ihnen zu einem verschmolzen, von welchem sie tief durchdrungen waren. Wie ernst die Künstler ihr Christentum nahmen und hielten, darüber spricht sich unser Meister nach vierundvierzig Jahren in einer Tagebuchaufzeichnung[S. 31] vom 20. August 1868 aus: „Bedeutend ist die romantische Kunstperiode in Rom im Vergleich zu den gleichzeitigen Bestrebungen der romantischen Dichter in Beziehung zum Christentum. Die ersteren machten Ernst damit, machten es zur Lebensaufgabe; bei letzteren war es teils Dekoration oder ästhetische Ansicht und Meinung, bei den Künstlern ein Leben, nicht sowohl nach ihrem Glauben, sondern aus dem Glauben.“ Die Protestanten fanden vielfach, dem romantischen Zuge der Zeit entsprechend, in ihrer Kirche nicht das, was sie suchten, es neigten viele zur katholischen Kirche; unter anderen traten die Maler von Rhoden aus Kassel und der Lübecker Overbeck zum Katholizismus über. Es mag viel gestritten und gerungen worden sein. Hier war auch bei den Streitigkeiten hin und her der Vergleich zwischen den beiden christlichen Kirchen gebraucht worden, man möge sich beide wie zwei verschiedene Regimenter vorstellen, die, verschiedene Uniformen tragend, doch einem Könige dienten.
In dem Hause des damaligen preußischen Gesandten beim päpstlichen Stuhle, Freiherrn von Bunsen, fand Richter eine freundliche und sehr wohlwollende Aufnahme.
In dieser Zeit hatte Schnorr einen Teil seiner viel bewunderten und großes Aufsehen machenden Landschaften gezeichnet. Es sind über hundert Blätter geworden, die im Besitze seines Freundes Eduard Cichorius aus Leipzig sind. Diese Zeichnungen beeinflußten Richter stark; sie waren ihm ein Wegweiser, wie stilvolle Auffassung mit Naturwahrheit zu verbinden sei.
Im Frühjahr 1825 ging Richter nach Neapel und Amalfi bis Pästum, später mit Maydell bis zum Herbst nach Civitella, wo er viele Zeichnungen und Studien sammelte. Wir bringen aus dieser Zeit nur eine figürliche Zeichnung (Abb. 12).
Er fühlte sich krank, Brustschmerzen quälten ihn besorgniserregend, er hatte viel mit Schmermut zu kämpfen. In der Biographie ist ein Gedicht von ihm, „Sehnsucht“, abgedruckt, das einen tiefen Einblick in seine Stimmung gewährt. Nach Rom ins Winterquartier zurückgekehrt, ging er an die Ausführung eines größeren Ölbildes „Blick in das Tal von Amalfi“, die Komposition dazu hatte er nach seinen in Amalfi im Sommer gesammelten Studien in Civitella vorbereitet. Wir geben hier eine Nachbildung des Gemäldes, das sich jetzt im Museum in Leipzig als Geschenk von E. Cichorius befindet (Abb. 13).
Aus dem sonnigen, lachenden, an der Küste des Mittelländischen Meeres liegenden Amalfi hinaufsteigend gelangt man in ein herrliches Tal mit zu beiden Seiten terrassenförmig abfallenden,[S. 32] zum Teil steilen Wänden. Zwischen Zitronen- und Orangengärten und Kastanienwäldern taucht gar bald der im weichen Blau hell schimmernde Golf von Salerno auf, und hier ist ungefähr der Standpunkt, den Richter für sein Bild gewählt hat. An einem im Wald sich verlierenden Pfad lagert ein junges Menschenpaar, ein Kindlein herzend. Talabwärts schreitet elastischen Schrittes ein stattliches Weib, neben ihm ein Mann, der einen bepackten Esel führt. Im blumigen Vorgrund steht, auf seinen Stab gestützt, ein Hirt, nach dem Meer hinausschauend, links ein klares Wässerchen, zierliche weiße Doldenpflanzen an seinen Rändern; rechts zwei Ziegen mit einem säugenden Zicklein. Im weiteren Mittelgrunde die stolzen Felswände, hinter dem Walde Häuser, aus denen leichter Rauch aufsteigt. Richter schreibt über dieses Bild in seinen Lebenserinnerungen: „Auch meine Landschaft trägt den charakteristischen Zug an sich, welcher fast allen Bildern eigen ist, die in jener Zeit von deutschen Künstlern in Rom gemalt wurden: eine gewisse feierliche Steifheit und Härte in den Umrissen, Magerkeit in den Formen, Vorliebe zu senkrechten Linien, dünner Farbenauftrag usw. Die Vorliebe für die altflorentiner und altdeutschen Meister bannte auch in deren Handweise.“ An einer anderen Stelle findet sich die nachfolgende hochinteressante Bemerkung, die wir hier einfügen wollen, weil sie für die damaligen Anschauungen maßgebend war: „Über das Zurückgreifen zu den ältesten Meistern, Giotto, Eyck und ihren Zeitgenossen, ist mir die Äußerung des berühmten Canova zu Baptist Bertram, dem Freunde Boisserées, merkwürdig erschienen, als er dessen Sammlung altdeutscher und altniederländischer Gemälde, damals noch in Heidelberg, jetzt in München, betrachtet hatte. Er meinte, hier bei dieser ältesten Kunst müßten die Maler wieder den Faden anknüpfen, wenn sie auf lebensvollere Bahnen kommen wollten; wer von Raffael ausgehe, könne nicht weiter hinauf-, sondern nur hinabsteigen.“ (S. Boisserée, „Leben und Briefe“).
Welch einen Fortschritt zeigt dieses Bild gegen das vorher gemalte „Rocca di Mezzo“, in dem das Absichtliche und Kulissenhafte trotz großer Reize in der Zeichnung weniger befriedigend wirkt. Das Tal von Amalfi ist das schwungvollste seiner italienischen Bilder und als ein wichtiger Wendepunkt in Richters künstlerischer Entwickelung in Italien zu betrachten. Schnorr, der ihn, als er mit der Aufzeichnung des Bildes fertig war, besuchte, erbot sich, die ziemlich großen Figuren des Bildes auf einer Pause zu überzeichnen; diese Überzeichnung war so schön ausgeführt, daß Richter darüber hoch[S. 33] beglückt war; er hat sie bis an sein Lebensende als ein teures Angedenken bewahrt. Das Bild mit seinen Figuren erregte auf der Ausstellung in Dresden Aufsehen. Um nun bei seinen weiteren Bildern in den Figuren nicht zurückzubleiben, mußte er sich noch eingehender mit dem Studium menschlicher Figuren beschäftigen, und schon bei einem nächsten Bilde, das er in Dresden ausführte, gelangen ihm dieselben noch besser, und so ging es schrittweise vorwärts, bis endlich in den späteren Zeichnungen für den Holzschnitt die Figuren zur Hauptsache wurden und die Landschaft in den Hintergrund trat. Insofern zweigte sich hier sein späterer und wohl recht eigentlicher Weg von der seitherigen Bahn ab. Noch war er sich aber bewußt, daß die ideale, sogenannte historische Landschaft seiner innersten Neigung entsprach. Wie ganz anders aber sollte sich seine Künstlerlaufbahn in der Folge gestalten, nach wie ganz anderen Zielen wurde er gedrängt! Im Herbst desselben Jahres kamen noch drei sächsische Landsleute nach Rom, die Geschichtsmaler Karl Peschel, Zimmermann und W. von Kügelgen. Mit diesen drei Männern entwickelte sich in der Folge ein seltenes Freundschaftsverhältnis, das in den tiefsten und heiligsten Überzeugungen des Herzens begründet war. Und besonders rührend war Richters Verhältnis zu Peschel, mit dem er über vier Dezennien an der Kunstakademie als Lehrer tätig war; beide nahmen an den gegenseitigen Arbeiten, bis der Tod sie schied, den innigsten, ernstesten Anteil.
Am 1. April 1827 wanderte Richter wieder nordwärts, zur Porta del Popolo hinaus, begleitet von seinem lieben Freunde Maydell und den anderen Genossen. Am Ponte Molle trank man den üblichen Abschiedstrunk, Maydell wanderte mit ihm bis zum Monte Soracte, hier übergab er ihm ein kleines Büchlein, in welches er im Laufe des Winters mit der feinsten Feder auf über 90 Seiten je 2 Bibelsprüche eingeschrieben hatte, auch Richard Rothe hatte einige solcher hinzugefügt, dann trennten sich mit Tränen in den Augen beide Freunde, Maydell kehrte nach Rom zurück, Richter schritt der Heimat zu, wohin ihn ein holder Magnet zog.
In Dresden angekommen, eilte er von den Eltern weg sogleich zu seiner „Auguste“, einer Bekanntschaft aus der „Tanzstunde“. Auguste Freudenberg (Abb. 14), deren Eltern in der Niederlausitz ein Landgut in Pacht und in den Kriegsjahren große Not und die schwersten Zeiten durchgemacht hatten und früh gestorben waren, wurde als vierjähriges Kind von kinderlosen Verwandten, dem Akziseinnehmer Ephraim Böttger in Dresden, an Kindes Statt angenommen und für ihre Erziehung auch höchst gewissenhaft gesorgt. „Augustens anspruchsloses, ruhiges Wesen, das sich doch überall resolut und heiter in praktischer Tat erwies“, war so recht nach unseres Künstlers Sinn! Es ist wie ein Bild, von ihm gezeichnet,[S. 34] wie er dieses Wiedersehen in seiner Biographie schildert.
Sein nächstes Bild in der Heimat war „Aus dem Lauterbrunner Tal“; wohin das Bild gekommen, ist nicht bekannt. Der durch seine bedeutende Galerie von Gemälden und Handzeichnungen bekannte Baron von Quandt in Dresden, der damals viel Einfluß auf Kunst und Künstler hatte und sich für Richter interessierte, ermutigte ihn zur Ausführung dieses Bildes, um es zur Ausstellung nach Berlin zu schicken, wo man einen Lehrer für das Landschaftsfach der Akademie suchte. Das Bild gefiel aber dort nicht, und es kam zu keiner Berufung. Quandt bestellte bei ihm zwei italienische Landschaften, nach Motiven von Arriccia und Civitella.
An einem Sonntagmorgen in aller Frühe, am 4. November 1827, rollte durch die noch ganz dunklen, stillen und engen Gassen Dresdens ein Wagen und hielt vor der erleuchteten evangelischen Kreuzkirche; Gemeindegesang und das Orgelspiel verhallten, der Frühgottesdienst war zu Ende. Ein junger Mann mit seiner Braut entstiegen dem Wagen; es war unser Richter, der, „nachdem er sieben Jahre um seine Rahel gedient und geseufzt“, mit seinem Gustchen zum Altar trat; „wir gaben uns die Hände in Gottes Namen und empfingen den Segen der Kirche.“ „Die angetraute Gefährtin,“ schreibt er in der Biographie, „ward mir ein Segen und das treueste Glück meines Lebens während der 27 Jahre, welche Gott sie mir geschenkt.“
So war denn ein, wenn auch sehr bescheidener Hausstand gegründet. Von einer Hochzeitsreise war selbstverständlich nicht die Rede.
Innerhalb der nächsten Monate vollendete er das für Quandt bestimmte Bild „Abend und Heimkehr der Landleute nach Civitella“. Das Mädchen, welches sich nach dem Beschauer wendet, trägt die Züge seines „Gustchen“. Eine[S. 35] freie Wiederholung dieser Komposition aus späterer Zeit ist Abb. 180, unter welche Dantes Vers geschrieben ist:
Es ist eine Eigenart Richters, daß er die menschlichen Figuren in seinen Bildern weit über den Rahmen der „Staffage“ hinaus behandelt und darstellt, eine Eigenart, die sich gleich bei den ersten Bildern (Abb. 10 und 13) auffällig macht. In den „Biographischen Aufsätzen“ von Otto Jahn finden wir in den ausgezeichnet geschriebenen „Mitteilungen über Ludwig Richter“ diese Eigentümlichkeit unseres Meisters sehr interessant beleuchtet und entnehmen denselben folgendes: „Man würde irren, wollte man das Charakteristische der Richterschen Landschaft darin sehen, daß die Staffage mit mehr Vorliebe und Sorgfalt oder mit mehr Geschick behandelt sei, als es gewöhnlich der Fall ist. Man kann bei Richter gar nicht mehr von Staffage sprechen, insofern diese eine an sich unwesentliche Zugabe, ein willkommener, aber auch wohl entbehrlicher Schmuck der Landschaft ist. Er benutzt nicht menschliche Figuren und Gruppen, um Lücken der landschaftlichen Komposition auszufüllen, um Abwechselung hineinzubringen, oder den Vorgrund[S. 36] zu beleben, nein — der Mensch in jenen einfachen natürlichen Verhältnissen, welche in Wahrheit der eigentlichste und höchste Vorwurf aller Kunst sind, ist der selbständige Gegenstand seiner Darstellungen.“ Auch Schinkel äußert sich bei Betrachtung dieses Bildes in den dreißiger Jahren in ähnlicher Weise: „Es wäre ein Irrtum, wollte man meinen, das Landschaftliche sei von Richter zurückgedrängt und etwa zum Rahmen oder auch zum Hintergrunde für die Darstellung menschlicher Empfindung oder Tätigkeit herabgesetzt. Im Gegenteil, die Landschaft erscheint in ihrer vollen Selbständigkeit, als ein Ganzes in Auffassung und Ausführung und nicht bloß äußerlich als Grundlage und Umgebung des menschlichen Tuns und Treibens“ usw. Er sagt zum Schluß: „Für einen solchen wahren Künstler existieren schulmäßige Gegensätze nicht, wie die von Genre und Landschaft; aus sich heraus schafft er Werke, aus denen die Theorie lernen mag, daß die echte Kunst frei und unerschöpflich ist, wie die Natur, deren Grundgesetze auch die ihrigen sind.“
In den folgenden Ölbildern, die des Meisters Staffelei verlassen, hält er unentwegt fest an dieser Steigerung des Figürlichen: er hebt dasselbe sogar in einigen Bildern noch mehr hervor, wie in der „Überfahrt am Schreckenstein“ (Abb. 26) und in dem „Brautzug im Frühling“ (Abb. 58). Ein einziges Bild kenne ich von ihm, in welchem er sich im Figürlichen nur auf eine untergeordnete Staffage beschränkt; es ist die „Apenninenaussicht“, ein Blick auf das Volskergebirge vom Stadttor von Palestrina.
Aus dem Jahre 1827 ist das Porträt Richters, von seinem Freund Karl Peschel gezeichnet (Abb. 15).
Die Aussichten wurden jetzt für Richter recht trübe. Freund Arnold, welcher ihm einen Jahresgehalt von 800 Talern auf mehrere Jahre in Aussicht gestellt hatte, zog, infolge von Geschäftsverlusten entmutigt, sein Anerbieten zurück, und Richter mußte nun wieder in der Hauptsache „An- und Aussichten“ radieren.
1828 wurde ihm eine erledigte Lehrerstelle an der neben der berühmten königlichen Porzellanmanufaktur in Meißen bestehenden Zeichenschule, eine Filiale der Dresdener Kunstakademie, mit 200 Talern Gehalt angetragen; er nahm diese Stellung an, und nach vierzehn Tagen siedelte er nach Meißen über. Die malerisch am Ufer der Elbe gelegene altertümliche Stadt, überragt von der herrlichen Albrechtsburg und dem Dom, zog ihn sehr an; hatte er sich doch in Rom im stillen immer gewünscht, in solch einer Stadt schaffen und arbeiten zu können, hatte er doch noch ganz besonders auch an Meißen dabei gedacht. Freilich sah das in Wirklichkeit etwas anders aus, und zu rechter Freudigkeit kam er dort nicht. Er schildert selbst zwar das Leben in dem an der hohen Schloßbrücke gelegenen alten Hause, dem „Burglehen“, mit sieben Stockwerken, von denen fünf unter dem Niveau der Schloßbrücke lagen, die behagliche im obersten Stockwerk befindliche originelle Wohnung, mit dem herrlichen Blick auf das altehrwürdige Schloß und die weite, weite Fern- und Umsicht; er schildert das Leben im Hause mit der jungen Frau [S. 38]und später mit den Kindern (am Tage Mariä Himmelfahrt 1828 war sein erstes Kind Maria geboren), wie er am Abend, den Kindern zeichnend Geschichten und Märchen erzählte, oder zur Gitarre am blauen Bande sang, wie das in damaliger Zeit allgemein beliebt war und welche besonderen Freuden- und Festtage es waren, wenn die Freunde aus Dresden ihn besuchten. Hier im Hause fanden die jungen Eheleute freundlichen Verkehr mit einer Predigerswitwe und deren zwei liebenswürdigen schönen Töchtern; Richter erinnert sich dieser später, als er die Blätter zum Landprediger von Wakefield zeichnete (Abb. 35). Der Kunstforscher J. D. Passavant suchte ihn in Meißen auf, auch Freund Maydell auf seiner Rückreise nach Rußland, ebenso Richard Rothe auf der Reise von Rom nach Wittenberg, wohin er als Lehrer am theologischen Seminar berufen war. Richter schreibt über den Besuch des letzteren: „Mir war es eine innige Freude, den teuren römischen Freund wiederzusehen; denn für mich waren diese ‚Römer‘ alle mit einer Lichtatmosphäre umgeben, im Gefühl der so glücklich mit ihnen in Rom verlebten Tage.“ An einer anderen Stelle der Biographie schreibt er: „Welches Glück und welchen Segen gewährt eine Verbindung mit so herzlichen Freunden in der frischen Jugendzeit, wenn sie gemeinsam nach den idealsten Zielen streben; in einer Umgebung, welche die reichsten, bedeutendsten Anregungen bietet. Durch nichts beengt, genügsam und deshalb um so sorgenfreier, durchleben sie einige Jahre goldener Freiheit; die Erinnerung daran durchduftet wie ein Blumengeruch das ganze Leben und trägt Poesie in die Prosa oder Schwüle, welche spätere Jahre unvermeidlich mit sich bringen und bringen müssen, wenn der Mensch sich tüchtig entwickeln soll.“
Die Meißner Zeichenschule war wie die Porzellanmanufaktur in der Albrechtsburg untergebracht, die Schule selbst mit guten, zum Teil vorzüglichen alten Gemälden, unter anderem Bilder von Palma vecchio, ausgestattet, welche nach Schließung der Schule in die Dresdener Galerie, von der sie einst entlehnt waren, zurückgebracht wurden. Der Meister wanderte nun täglich — er wohnte hoch oben über der Stadt im Bereiche zweier Burgtore — über die mit hohen Zinnen bekrönte Schloßbrücke mit herrlichem Blick auf das Meisatal, auf die tief unten liegende Stadt, den Elbstrom und das weite Tal bis nach den böhmischen Bergen hin, durch das innere Burgtor über den schönen Dom- und Schloßplatz, aber, wie schön das auch war — er fühlte sich wie verbannt und vereinsamt.[S. 39] Die mit ihm tätigen Lehrer, unter ihnen der sehr geschätzte Glasmaler Scheinert, kamen in kein näheres Verhältnis zu ihm; zudem war seine Gesundheit nicht die beste und nicht die festeste, und so ist ihm die Zeit bis zum Dezember 1836, wo die Zeichenschule aufgehoben wurde, eigentlich doch mehr eine Leidenszeit gewesen. Von seinen ersten Schülern nennen wir Pulian, der später in Düsseldorf lebte, und den früh in Rom verstorbenen Haach. Aus dem Jahre 1828 ist die reizvolle Federzeichnung (Abb. 16), eine komponierte Landschaft: Blick über hügeliges, mit jungem Kastanienwald bestandenem Terrain nach aus der Ebene sich erhebenden Bergzügen (es ist der Monte Gennaro mit den Vorbergen von Monticelli). Für einen Kunstfreund Demiani in Leipzig führte er seine erste Aquarelle — vielleicht schon 1828 — aus, einen Erntezug in der Campagna, eine zweite Aquarelle kam in die Sammlung des Königs Friedrich August; die Aquarellmalerei machte ihm große Freude. Hier in Meißen malte er nun eine Reihe Ölbilder nach italienischen Motiven: 1829 die schon genannte Apenninenaussicht nach dem Volskergebirge und weiter Rocca di Mezzo; 1830 eine Gegend am Monte Serone während eines Gewitters, jetzt im Städelschen Institut in Frankfurt am Main, eine Ansicht von Bajä, Blick auf Ischia und Capri, und einen Brunnen bei Arriccia an der alten Via Appia; letztere 1831 noch einmal, mit anderen Figuren belebt, in Aquarell (Abb. 17); sodann einen Brunnen bei Grotta Ferrata, 1834 ein Motiv vom Lago d’Averno bei Neapel. Von den meisten seiner Bilder, die er an den sächsischen Kunstverein verkaufte, aber auch von Bildern von E. Oehme, Lindau in Rom, Genremaler Hantzsch, Most und Mende, radierte er treffliche Blätter für die Kunstvereinschronik.
Die Gedächtnisfeier des dreihundertjährigen Todestages Albrecht Dürers wurde von den Künstlern in allen deutschen Gauen mit hoher Begeisterung begangen. Bei Gelegenheit der Feier in Dresden wurde, angeregt durch Freund Peschel, der Sächsische Kunstverein gegründet, welcher in der Folge unserem Richter eine große Stütze wurde, den Künstlern vielen Segen brachte und noch heute in Dresden in Blüte steht. Wenn ich nicht irre, war der sächsische einer der ersten, wenn nicht überhaupt der erste Kunstverein in Deutschland, Goethe zählte zu seinen Mitgliedern. Am Abend dieses Tages, an welchem unser junger Meister einsam, dienstlich verhindert,[S. 40] in Meißen sitzt, — sein Gustchen war noch in Dresden zurückgeblieben, weil die gemietete Wohnung noch nicht frei war, — und an die in Dresden festlich versammelten Genossen denkt, bringt ihm der Postbote eine Sendung von Arnolds Kunsthandlung in Dresden: „Dürers Leben der Maria.“ Mit welch wonnigem Gefühl betrachtet er die herrlichen Blätter, die er bei Philipp Veit in Rom kennen gelernt! Für 22 Taler waren sie sein eigen geworden! Welche hohe Summe für seine Verhältnisse! Aber wieviel Zinsen hat sie ihm auch gebracht! — 1830 radierte er eine Folge von sechs Blättern „Malerische Ansichten aus den Umgebungen von Salzburg“ für C. Börner in Leipzig, der in Rom als Maler mit ihm zusammen war, die ausübende Kunst aber aufgab, einen Kunsthandel und Kunstverlag gründete und bis an sein Lebensende mit Richter in regem Verkehr blieb; 1832 erscheint eine zweite Folge: „Malerische Ansichten aus den Umgebungen von Rom“ in demselben Verlag. Wir bringen von jeder Folge ein Blatt (Abb. 18 und 19).
1831 zeichnete Freund Adolf Zimmermann unseres jungen Meisters Bild bei Gelegenheit eines Besuches in Meißen (Abb. 20). 1832 erschien das Buch „Biblische Historien“ von Franz Zahn. Richter war aufgefordert worden, im Verein mit C. Peschel und Berthold Illustrationen für Lithographie zu diesem Buche zu zeichnen; er übernahm davon dreizehn Blatt, davon ist eins „Die Vertreibung aus dem Paradies“ (Abb. 21). Diese Zeichnungen waren der Anfang seiner Tätigkeit als Illustrator; ein kleiner Anfang und — bis ans Ende seiner gesamten Tätigkeit hat man 3336 Blätter gezählt, welche er für Vervielfältigungen jeglicher Art gezeichnet hat; nicht eingeschlossen ist die lange, stattliche Reihe von Handzeichnungen. Welch eine reiche Tätigkeit! Noch ahnte Richter aber nicht, wo bei ihm der Schwerpunkt seiner hohen künstlerischen Veranlagung lag. Im folgenden Jahre malte er den „Erntezug in der römischen Campagna“, jetzt im Museum zu Leipzig (Abb. 22), 1834 eine „Abendandacht vor einem Madonnenbilde, Gegend am Monte Serone.“ Für die Arnoldsche Buchhandlung radierte er „Die Sächsische Schweiz“, eine Anzahl größerer und kleinerer Darstellungen. Wir geben 2 davon in Abb. 23 und 24. Nun wurde er auch beauftragt, zum historischen Bildersaal der sächsischen Geschichte von A. Textor Zeichnungen für Lithographie zu liefern, bis zum Jahre 1836 dreiundzwanzig Zeichnungen. Er wagt sich an die rein figürlichen Darstellungen, fürchtet sich aber vor der abfälligen Kritik der Fachmänner, der Figurenmaler.
Inzwischen hatte er auch versucht, weil die Erinnerungen an die italienische landschaftliche Natur mehr und mehr an Intensivität verloren haben mochten, Bilder kleineren[S. 41] Formates nach Motiven aus Meißen und Umgebung zu malen, unter anderem eine Ansicht des imposanten Meißner Schlosses, einen herbstlichen Wald mit Staffage und 1835 eine Sommerlandschaft aus dem Triebischtal. Er ist aber immer noch im Bann der italienischen Landschaft.
Jetzt kam eine schwere Zeit für Richter. Das 1834 gemalte Ölbild vom Lago d’Averno verkaufte er nicht, ebensowenig das unter Krankheit vollendete „Rocca di Mezzo“. Bis jetzt waren die Einnahmen noch auskömmlich gewesen, nun wurde seine Lage sehr ernst. Durch den Geschichtsmaler Karl Bähr, später Lehrer an der Kunstakademie in Dresden, wurde ihm der Auftrag, für einen Kunstfreund in Reval eine italienische Landschaft zu malen. Nach einigen Monaten war das Bild, ein Motiv von Aqua Acetosa, dem Sauerbrunnen am Tiber bei Rom, fertig. Bähr beabsichtigte mit dem Architekten Herrmann nach Rom zu reisen und hätte unseren Richter gern mitgenommen, deshalb hatte er die Bestellung auch ausgewirkt. Richter konnte an eine so weite Reise nicht denken, hoffte aber, Freund Bähr bis nach Oberitalien begleiten zu können, um am Gardasee, dem Eingang zum „gelobten Lande“, Studien zu machen. Für die italienischen Seen und deren Seitentäler hatte er immer eine besondere Schwärmerei. 1867 schreibt er nach Rom an dort weilende Schüler: „Ich denke im Herbst dieses Jahres einen Anlauf auf den Gardasee zu nehmen. Ich bin immer der Meinung, es müsse dort etwas Erkleckliches für den Landschafter abfallen können; auch scheint mir das Italien, wie man es an jenen Seen findet, dem Ideal zu entsprechen, das man im allgemeinen in Deutschland von dem schönen Lande hat.“ Da erkrankte seine Frau schwer und ernst an einer Abszeßbildung, die große Schmerzen verursachte und lebensgefährlich war. Ernst Rietschels, des Bildhauers, erste Frau war demselben Leiden kurz vorher erlegen. Die Kranke wurde schwächer und schwächer, bis nach langen, bangen Wochen endlich eine Wendung eintrat und die Gefahr vorüber war. Inzwischen waren die Reisegefährten längst nach Italien abgereist und Richters Reisekasse durch die Krankheit arg zusammengeschmolzen. Auf Zureden seiner genesenen Frau unternahm er eine zwölftägige Reise durch das Elbtal nach Böhmen. Jedem, der[S. 42] aus Sachsen bei Tetschen in das Böhmerland eintritt, wird der mit einemmal ganz veränderte, weitaus mehr südliche Charakter der Landschaft überraschen. Das hat auch unser wandernder Maler erfahren. Die Augen gingen ihm plötzlich auf über die Schönheit dieser deutschen Landschaft. An der Elbe zwischen Aussig und Lobositz sammelte er nach Möglichkeit Skizzen. Am Schreckenstein, der Lurlei der Elbe, einem steil in die Elbe abfallenden Klinksteinfelsen von ziemlicher Höhe, bekrönt durch malerische, ausgedehnte Ruinen der von den Hussiten 1426 zerstörten Burg, fand er besonders reiche und schöne Motive. Und nun war unser Meister von seiner fast krankhaften Sehnsucht nach Italien geheilt.
Mit Begeisterung ging er an die Ausführung neuer Bilder nach böhmischen Motiven. Gleich das erste Bild, „Aufsteigendes Gewitter am Schreckenstein“, fiel auf der Ausstellung auf und wurde vom Kunstverein angekauft; jetzt ist es durch Schenkung des Herrn E. Cichorius im Museum zu Leipzig. Wir geben eine Abbildung nach einer gleichzeitigen Aquarelle (Abb. 25). Seine „Überfahrt am Schreckenstein“ machte 1837 besonderes Aufsehen. Herr von Quandt erwarb das Bild für seine Galerie; jetzt ist es im Museum zu Dresden (Abb. 26). Über den ruhig dahingleitenden, den Abendhimmel widerspiegelnden Fluß fährt ein mit allerhand Menschen besetzter Kahn; ein Greis singt zur Harfe; zu seinen Füßen lehnt über den Bord des Kahns ein Knabe, einen Zweig ins Wasser tauchend; zwei Wanderer folgen, der eine sitzt mit gesenktem Kopf, in Nachdenken versunken; der andere steht auf den Stab gestützt, das Ränzel auf dem Rücken, ein Zweiglein an der Mütze und schaut zur einsamen Ruine hinauf, er trägt die Züge des jüngsten Bruders Richters: Julius; inmitten des Nachens ein Liebespaar; das still vor sich hinschauende, dem Gespräche ihres Schatzes lauschende Mädchen mit dem Sträußchen in der Hand ist eine echte Richtersche Mädchengestalt, sinnig und — selbstverständlich blond. Ein Mädchen mit dem Rechen, neben ihr ein Korb mit frisch gemähtem Grase und der alte Fährmann mit seinem verwetterten Gesicht, das Pfeifchen im Munde, mit seinem Ruder den Kahn langsam leitend, bilden den Schluß, und so schwimmt die liebe Gesellschaft dem jenseitigen Ufer zu. Bewaldete Höhen und weit draußen Berge im Abendsonnenschein, am gelben Abendhimmel schwimmende, in Rosa[S. 43] getauchte, zarte, langgezogene Wölkchen, oben im Blau des Himmels die Mondsichel. Es klingen beim Betrachten dieses Bildes traute Volkslieder in der Seele des Beschauers an; wie leise Musik tönt es, und es bannt uns in den Zauberkreis echter deutscher Romantik.
Abb. 27 ist die Wiedergabe einer größeren Zeichnung zu den Figuren, die jetzt im Kabinett der Handzeichnungen im Museum zu Dresden sich befindet. Riesenschritte hat der Meister im Figürlichen vorwärts getan, und was von der allergrößten Bedeutung ist, der deutschen Natur ist er zurückgewonnen, die Schönheiten der deutschen Natur sind ihm wieder zum klaren Bewußtsein gekommen! Von nun ab hat er nur noch Sinn und Augen für sein deutsches Vaterland und für sein Volk!
[S. 44]
Am 12. März 1835 zeichnete er sein zweites Töchterchen Aimée, wie es vergnüglich in der Badewanne sitzt (Abb. 28).
Am 24. Dezember 1835 wurde die Meißner Zeichenschule aufgehoben, und im Frühjahr 1836 zog Richter, der nun ein Wartegeld erhielt, wieder nach Dresden. Hier war er nun wenigstens mit den Freunden und Gesinnungsgenossen wieder vereinigt. Die Kunstakademie wurde endlich unter Minister von Lindenau reorganisiert, Zopf und Manierismus mußten die Lehrsäle verlassen, die neu erwachte deutsche Kunst zog siegreich ein. Das Landschaftsfach wurde noch ganz in Zinggscher Weise geleitet, auch Richters Vater lehrte hier noch. Letzterer wurde nun plötzlich seiner Stellung enthoben und in den Ruhestand versetzt; der Sohn aber sollte im Erzgebirge als Zeichenlehrer an einer neu zu errichtenden Gewerbeschule angestellt werden; er war, wie man sich leicht denken kann, über diese neue „Verbannung“ höchst unglücklich. Auf seine Vorstellung hin beim Minister von Carlowitz wurde die Anstellung an der Gewerbeschule zurückgezogen, und er rückte nun an die Stelle seines Vaters als Lehrer an der Akademie in Dresden ein. Man kann sich denken, wie peinlich für ihn wieder diese neue Lage seinem Vater gegenüber war. Aber es half ihm nichts, daß er an Quandt sich wendete und ihm seine Lage schilderte; er erfuhr von diesem nur, daß sich an der Sache nichts ändern lasse; wenn er nicht annehmen wolle, müßte ein anderer gesucht werden, sein Vater wäre und bliebe entlassen. Richter mußte sich nun schweren Herzens fügen. So trat er denn sein Amt an, dem er über vier Dezennien mit großer Gewissenhaftigkeit und Hingebung für seine Schüler vorstand. Eine stattliche Reihe von Schülern ist aus dieser Lehrtätigkeit hervorgegangen. Der weitaus bedeutendste war unstreitig einer seiner ersten Schüler in Dresden, Heinrich Dreber gen. Franz, an dessen köstlichen Federzeichnungen[S. 45] aus dieser Zeit er bis an sein Lebensende sich erfreute. Weiter müssen wir noch den höchst talentvollen Ernst Hasse nennen, dessen geistreiche Tierzeichnungen ungemein geschätzt und gesucht waren und weit verbreitet sind.
Im Auftrage des Baron von Schweizer malte Richter 1840 ein Bild nach Motiven aus dem Wallfahrtsort Mariaschein bei Teplitz. Unter alten schattigen Linden am Brunnen haben sich Pilger gelagert; draußen sieht man sonnige Kornfelder. Wir geben hier eine Abbildung nach einer Zeichnung zu den Figuren (Abb. 29). Im folgenden Jahre malte er das Bild „Einsamer Bergsee im Riesengebirge“, ein Motiv vom „kleinen Teich“. Hieran schließen sich: „Kirche auf dem Friedhof in Graupen“, am Fuße des Erzgebirges, dann ein italienischer Nachzügler, „Brunnen bei Arriccia“ für Quandt,[S. 46] 1839 „Genoveva in der Waldeinsamkeit“ für den Sächsischen Kunstverein und 1845 „Dorfmusikanten“ für G. Wigand.
Durch eine sonderbare Fügung — es bestanden zwischen den Buchhändlern Arnold in Dresden und G. Wigand in Leipzig Differenzen wegen Nachdrucks — wurde Richter mit dem letzteren bekannt. Dieser unternehmungslustige Verleger beschäftigte Richter sogleich und gab ihm den Auftrag, zunächst Zeichnungen zum „Malerischen und romantischen Deutschland“ zu liefern. Zuerst mußten die noch fehlenden Blätter zur Sächsischen Schweiz beschafft werden. Diese Zeichnungen wurden in Stahl gestochen. Hieran anschließend lieferte Richter dann die trefflichen Zeichnungen zum Harz 1838, Franken 1840 und zum Riesengebirge 1841. Diese Arbeiten waren der Übergang zu der reichen Tätigkeit für den Holzschnitt, die er im Auftrage Wigands entfalten konnte. 1838 bis 1849, in dreiundzwanzig Bänden, mit einhundertfünfundvierzig Zeichnungen, erschienen auch bei Otto Wigand, dem Bruder Georg Wigands, die deutschen Volksbücher, herausgegeben von H. O. Marbach, Geschichte der Griseldis, der edlen und schönen Melusina, der schönen Magelone, vom Kaiser Oktavian, von den sieben Schwaben, der Genoveva, von den vier Haymonskindern, vom gehörnten Siegfried usw. Von letzterem geben wir die Abb. 30 und 32 dazu, um zu zeigen, auf welch niederer Stufe die Technik des Holzschneidens damals stand, den Holzschnitt von[S. 47] Ritschl (Abb. 31). 1839 radierte er zehn Ansichten merkwürdiger Gegenden in Sachsen für Arnold; ein Blatt davon, die Lutherlinde im Ringetal, fügen wir bei (Abb. 33). Auch diese Blätter waren zum Kolorieren bestimmt, deshalb sind auch hier die Lüfte leer gelassen.
1840 erscheint die „Geschichte des deutschen Volkes“ von Eduard Duller bei Georg Wigand. Richter zeichnete dazu vierundvierzig Blätter für Holzschnitt. Wir geben eine Abbildung nach einer köstlichen Zeichnung: „Luther auf der Wartburg“ (Abb. 34). Der große Reformator sitzt am Tische in einer Fensternische; die Hände faltend, schaut er nach oben; er beginnt sein Tagewerk, fleht um Segen und Erleuchtung zu seiner großen Arbeit, der Übersetzung der Bibel. Ein Strauß Blumen steht auf dem Tische. Durch das Butzenscheibenfenster scheint die helle Morgensonne. Ein Fensterflügel ist geöffnet, man atmet die frische, reine Morgenluft, die von den Bergen des Thüringer Waldes herüberweht, und ahnt den erquickenden Blick auf die herrlichen Waldungen, welche die stille Wartburg umgeben.
Dazwischen (1841) zeichnet unser Meister dreiundsechzig Zeichnungen zur deutschen Ausgabe des „Landpredigers von Wakefield“ von Oliver Goldsmith, im Auftrage von Georg Wigand. Wir geben davon drei Zeichnungen, Abb. 35, 36 und 37, das letztere Blatt dazu von Nicholls in Holz geschnitten (Abb. 38), um die Schnittart der englischen Schule zu zeigen. Es ist hier wohl der Ort, auch der Holzschneidekunst in ihren Beziehungen zu unserem Meister zu gedenken. Die Technik der Holzschneidekunst war in Deutschland verloren gegangen; wie sich diese nun in Leipzig und später in Dresden wieder anbahnt und entwickelt, das erfahren wir aus den in Hoffs Katalog zum Abdruck gebrachten Berichten von Ritschl, Georgy und Riewel, die wir hier im Auszug mitteilen.
Jacob Ritschl von Hartenbach, geboren 1796 in Erfurt, hatte sich als Autodidakt mit Holzschneiden beschäftigt und schreibt aus Schneidemühl 22. Juli 1876: „Im allgemeinen kann ich mitteilen, daß ich zur Ostermesse 1837 nach Leipzig berufen, nur kurze Zeit für B. G. Teubner merkantile Gegenstände schnitt, von da ab bis 1840 einzig und allein mit Richterschen Zeichnungen beschäftigt war, die mir Otto und Georg Wigand lieferten. Sie begannen mit den Volksbüchern von Marbach, in welche sich später Dullers ‚Deutsche Geschichte‘ einflocht. Es gingen damals die Zeichnungen auf dem Papier ein und wurden von mir selbst auf die Holzplatten übertragen.“ Später zeichnete Richter selbst auf den Holzstock auf, und Ritschl berichtet, die erste dieser Platten sei die zu Dullers Geschichte „Hus im Gefängnis“ gewesen. Der Holzschneider Wilhelm Georgy, geboren 1819 in Magdeburg, berichtet an derselben Stelle: „Einige Jahre lang war Ritschl der einzige, dem Richtersche Zeichnungen zum Schnitt anvertraut wurden. Er[S. 48] pauste dieselben auf ungrundierte Holzstöcke und schattierte mit schwarzer Tusche mittels Pinsel ohne Andeutung von Strichlagen und Kreuzschraffierungen; dieselben schnitt er gleich mit dem Stichel, wie sie ihm bequem und stichelrecht zur Hand lagen, wobei er überall, wo es nötig, seine primitiven Kreuzlagen anbrachte. So entstanden jene in der Ausführungsweise sehr manierierten, der Richterschen Zeichnungsweise mehr oder weniger unähnlichen Holzschnitte.“ (Siehe Abb. 31.) Ludwig Richter erzählt in seiner Biographie, Georg Wigand sei auf die in England von Thomas Berwick an sich entwickelte und herangebildete Holzschneiderschule aufmerksam geworden und habe einige tüchtige Holzschneider von London veranlaßt, nach Leipzig zu kommen. Er nennt Nicholls Benworth, John Allanson, letzterer ein Schüler von Berwick, die auch in der Folge Richtersche Zeichnungen in Holz schnitten, und klagt sodann, daß ihm der Anblick der sonst sauber gearbeiteten Holzschnitte den gelinden Angstschweiß auf die Stirne getrieben, da den Engländern charakteristischer Ausdruck Nebensache war. Sie setzten ihren Stolz in die höchste Eleganz der Strichlagen und Tonwirkungen (siehe Abb. 38). Mit der Zeit bildet sich nun in Dresden um den Meister eine Holzschneiderschule. In den die Biographie des Meisters ergänzenden Nachträgen sagt der Sohn Heinrich Richter: „Ein Hauptverdienst um die treue xylographische Wiedergabe vieler dieser Bilder hat der Holzschneider August Gaber (geboren in Köppernig bei Neiße 1823, gestorben in Berlin 1894). Anfänglich Schriftsetzer, hatte er sich, aus Neigung auf eigene Faust zum Holzschneider herangebildet und hatte in Dresden 1848 Gelegenheit, einige kleine Richtersche Illustrationen für das letzte Heft der Volksbücher ‚Das Leben Jesu‘ zu schneiden. Richter fand in diesen Blättern etwas besonders Frisches und Treues in der Wiedergabe seiner Zeichnungen. Der Umstand, daß Gaber als Autodidakt frei von irgend einer Schulmanier war, dazu sein Talent, in Zeichnungen die Individualität des Künstlers herauszufühlen und wiederzugeben, verliehen seinen Arbeiten den Reiz künstlerischer Naivetät, und beides machte ihn in der Folge zu einem der tüchtigsten Faksimileholzschneider. Viele seiner späteren Schnitte nach Richter, Schnorr, Rethel, Führich gehören zu den hervorragendsten Leistungen der neueren Holzschneidekunst.“ Von den Holzschnitten unseres Buches sind No. 83, 84, 131, 139, 140, 154, 155 von Gabers Meisterhand geschnitten. Aus Gabers Atelier sind viele tüchtige Holzschneider hervorgegangen. 1852 heiratete Gaber des Meisters zweite Tochter Aimée. Weiter schreibt in Hoffs Katalog Edmund Riewel, geboren 1829 in Leipzig: „Ich habe in den fünf Jahren (1850 bis 1855) meines xylographischen[S. 49] Wirkens in Dresden eine Menge Richterscher Zeichnungen geschnitten. Die besten Holzschneider, die damals mit mir in Dresden gearbeitet haben, waren außer Gaber (der selbstverständlich obenan gehört, denn er war der erste, der uns zeigte, wie Richtersche Zeichnungen geschnitten werden müssen), Bäder, Geringswald (der leider bald starb), Hertel (ein ganz vorzüglicher Holzschneider), Illner, Manger, W. Obermann, Reusche und meine Wenigkeit. Ich darf sagen, das war eine Gesellschaft, wie sie nicht früher und nicht später mehr zusammengekommen ist. Flegel in Leipzig, der erste deutsche Holzschneider, der seinerzeit (in den vierziger Jahren) Richtersche Zeichnungen noch am treuesten wiedergegeben hat, und Professor H. Bürkner, der sich nicht als Techniker, aber als Künstler um die deutsche Holzschneidekunst sehr verdient gemacht hat. Gewöhnlich ging man mit der fertigen Arbeit zu dem betreffenden Künstler und legte sie ihm vor, um seine Meinung zu hören; war sie zu seiner Zufriedenheit gediehen, so lieferte man sie an Gaber ab.“ — „Welchen Nutzen, im Interesse der guten Sache, diese Methode hatte, und wie bildend sie war, ist einleuchtend.“
Bei all diesem Schaffen solcher figürlicher Darstellungen wird Richter das ängstliche, die Kritik fürchtende Herz leichter, als er bald über seine Arbeiten Worte freundlichster Teilnahme und großer Anerkennung hört. Noch während er an den Zeichnungen für den „Landprediger von Wakefield“ arbeitet, fordert ihn Julius Hübner auf, die Hälfte des unteren Figurenfrieses am Vorhang des von Semper erbauten (1869 abgebrannten) Hoftheaters zu malen. Es galt die bedeutsamsten Gestalten der tragischen Dramendichtung in ornamentaler Verbindung darzustellen (Abb. 39 und 40). Anfangs will er den Auftrag nicht übernehmen, weil er Figuren in so großem Maßstab noch nicht versucht hatte, allein Hübner ließ ihn nicht los, und so zeichnete er denn Hamlet, Lear, [S. 51]Romeo und Julia, Justina, den wundertätigen Magus, den standhaften Prinzen, letztere drei von Calderon, Götz, Faust, Egmont, Wallenstein, die Jungfrau von Orleans und Tell. Das gemeinsame Arbeiten mit Hübner, Oehme, von Oer und Metz bereitete ihm viel Freude.
1842 zeichnet er das Köpfchen seiner dritten Tochter Helene (Abb. 41). In demselben Jahre vollendet er das Bild „Abendandacht“, das von Quandt für seine Galerie erwarb, jetzt im Museum zu Leipzig (Abb. 42). Frauen und Kinder, vom Ährenlesen kommend, vor einem mit Gewinden von Kornblumen und Feldmohn geschmückten Marienbilde unter alten Linden. Aus der Höhlung eines alten Baumes schauen fröhliche Kindergesichter. Rechts halb versteckt ein Mönch, der das in den Ästen der Linde befestigte Glöckchen läutet, — es ist „Ave Maria“. Im schattigen Vorgrund lagert eine reizende Gruppe von Kindern mit Schäfchen. Draußen im letzten Abendschimmer sieht man ein Stückchen flachen Landes, von einer schmalen blauen Ferne umsäumt. Das poesievolle Bild schildert Eindrücke aus dem Ostragehege in der Friedrichstadt-Dresden, alten schönen Lindenalleen, die sich durch Elbwiesen nach dem Schloß Uebigau hinziehen und jetzt zum Teil neuen Hafenanlagen gewichen sind.
Bei Georg Wigand erschienen im selben Jahre J. K. A. Musäus’ „Volksmärchen der Deutschen“, herausgegeben von Ludwig Klee. Hier sollte Richter in Verbindung mit den beiden Düsseldorfer Figurenmalern R. Jordan und A. Schrödter illustrieren. Da erfaßte ihn wieder große Bangigkeit, ob sein „figurales Können“ auch ausreichen würde, neben solchen Männern einigermaßen bestehen zu können. Der Erfolg hat es gelehrt, daß er diesen Künstlern wohl gewachsen war. Die zwölf Haupttitelblätter zu diesem Buche, lithographisch vervielfältigt, sind erst 1845 erschienen; sie sind hochvollendet in Silberstift ausgeführt und gehören mit zu den herrlichsten Zeichnungen, die Richter geschaffen. Sie befinden sich im Städelschen Institut in Frankfurt a. M. Wir geben eine spätere Wiederholung eines solchen Blattes zu „Stumme Liebe“ (Abb. 43). Von den übrigen Illustrationen zu Musäus’ Volksmärchen bringen wir drei Abbildungen nach Zeichnungen: zu den „Legenden von Rübezahl“ (Abb. 44), zu „Stumme Liebe“ (Abb. 45) und zu „Melechsala“ (Abb. 46). Richter zeichnete zu diesem Buche hunderteinundfünfzig Blätter. In dieser Zeit kamen Alfred Rethel und Richters alter Freund, der Kupferstecher Julius Thäter, nach Dresden. Rethel zeichnete im Winter in Dresden Kartons für seine[S. 52] großartigen Freskomalereien im Rathaussaale zu Aachen, die mit zu den mächtigsten, gewaltigsten und epochemachendsten Werken deutscher Kunst im neunzehnten Jahrhundert gehören. Rethel verkehrte viel im Hause Richters, wo er sich besonders wohl fühlte, und noch, als sich bereits die ersten Anzeichen der späteren geistigen Umnachtung bemerkbar machten, die sich über diesen unglücklichen Künstler so viele Jahre bis zu seiner endlichen Erlösung durch den Tod legte, suchte er das stille Haus Richters gern und oft auf.
1836 erschien „Reinecke Fuchs“ bei Renger in Leipzig, jetzt Amelangs Verlag, mit elf Lithographien nach Zeichnungen Richters, zehn Jahre vor dem Erscheinen des von Kaulbach gezeichneten Reinecke. Wie grundverschieden treten beide Künstler an diese Aufgabe heran! Unser Meister hat es auch hier verstanden, in der ihm eigenen Weise ohne Schärfe und Bissigkeit, aber mit großem Humor der Dichtung seine Bilder abzugewinnen! Anschließend erschienen 1841 bei Volkmar in Leipzig zwölf Holzschnitte zum Reinecke Fuchs, neun von den vorher lithographiert erschienenen Blättern und drei nach neuen Zeichnungen.
Bis ungefähr zum Jahre 1840 sah es mit den Bilderbüchern für Kinder in Deutschland sehr traurig aus; das Minderwertige, Handwerksmäßige, das der Kinderwelt bis zu dieser Zeit geboten wurde, war geradezu kläglich. Nun aber macht sich eine Bewegung bemerklich, die erkennen läßt, daß man bestrebt ist, „den Kindern das Beste“ zu bieten. Und hier haben nun eine Anzahl von Verlegern, vor allem die Wigands, im Verein mit unserem Künstler mit sicherer und glücklichster Hand eingegriffen und wirklich wie im Sprunge Versäumtes nachzuholen sich bemüht. Ihr Bestreben war aber auch vom schönsten Erfolg gekrönt, die Bücher mit Bildern von unserem Ludwig Richter wurden von alt und jung mit Jubel aufgenommen.
Außer einer Anzahl von Blättern für Lithographie zu Erzählungen von Karl Stöber folgen 1842 bis 1856 siebzig Zeichnungen für Radierungen und Holzschnitt zu Nieritz’ Volkskalender.[S. 54] Die sehr vollendeten Zeichnungen: „Harmlose Freude“ (Abb. 47) und „Wir gratulieren“ (Abb. 48), radierte Hugo Bürkner. Zu Jeremias Gotthelfs Erzählung „Der Besenbinder“ ist die Zeichnung Abb. 49. Unter diesen Blättern befinden sich auch die ungemein humoristischen Weinproben vom Most, Rheinwein, Burgunder, Steinwein bis herab zum Grüneberger. Hieran reiht sich noch ein Ölbild nach einem Motiv aus Böhmen, „Hirten mit der Herde durchs Wasser gehend“, im Besitz des Herrn Hoff in Frankfurt a. M.
1844–1846 erschienen bei Gustav Mayer in Leipzig „Alte und neue Studenten- und Volkslieder“ mit hunderteinunddreißig Bildern. Die ebenda erschienenen „Soldaten- und Jägerlieder“ hatte Pocci, vor dessen Geschicklichkeit Richter großen Respekt hatte, illustriert. Franz Graf Pocci, 1807 in München als Sohn des Grafen Pocci aus Viterbo und der Freiin Xaveria von Posch aus Dresden geboren, war Dichter, Zeichner und Musiker, später Hofmusikintendant in München. Die geschickte Art, wie er in den obenerwähnten Soldaten- und Jägerliedern usw. die Buchseiten mehr „dekorierte“, war für unseren jungen Meister sehr anregend und fördernd. Diese Illustrationen sind ebenso wie die Neureuthers von großem Einfluß auf ihn gewesen. Poccis Arbeiten, soweit sie hier in Betracht kommen, zeugen trotz ihres dilettantischen Gepräges und trotz des Mangels an Können doch von einem kindlich naiven Sinn. Der Meister erwähnt selbst Pocci in der Biographie; er sieht dessen mit Guido Görres herausgegebenen Festkalender, als er noch in Meißen war, und sagt: „Pocci interessierte mich doch bei weitem am meisten und wirkte höchst anregend auf mich.“ Wie hat es nun unser Richter verstanden, in dem engen gegebenen Raum, der für ihn neben Noten und Text übrig blieb, bei aller Freiheit hauszuhalten und in den kleinen Illustrationen bei so schlichter Form den geheimnisvollen Zauber unserer Volkslieder, ebenso wie die Frische und Fröhlichkeit und den Humor unserer Studentenlieder wiederzugeben! Von den Volksliedern seien genannt: „Zu Lauterbach hab’ i mein Strumpf verloren“, Abb. 50. Das „Liebespaar“ mit dem lieblichen Mädchen, welches das Licht putzt (Abb. 51), wurde erst 1875 in „Aus der Jugendzeit“ veröffentlicht. Eine so innige Gruppe, wie das Liebespaar, das in sein stilles Glück versunken in die Ferne hinausschaut, zu „Kein Feuer, keine Kohle kann brennen so heiß, als heimliche Liebe, von der niemand nicht weiß“ kann nur unser Richter zeichnen. Voller Humor sind „Nur fröhliche Leute lassen wir herein“ (Abb. 52) und „Gestern, Brüder, könnt ihr’s glauben ... gestern[S. 55] kam der Tod zu mir“ (Abb. 53). Wie ergreifend sind die Bilder: „Es zogen drei Burschen wohl über den Rhein“ und „Es fiel ein Reif in der Frühlingsnacht“ (Abb. 54), wie innig die Gruppe der beiden Kinder, die „verdorben, gestorben“! Ferner das prächtige Bildchen: „So hab’ ich nun die Stadt verlassen, wo ich gelebet lange Zeit“, — in Gedanken versunken wandert der Bursch aus der Stadt, er denkt an die „eine“, sie aber denkt auch an ihn, und wie lieblich und hold ist sie, die oben, hinter dem Vorhang lauschend, dem Wandernden sinnend nachschaut (Abb. 55). — Das liegende Mädchen, eine schön gezeichnete Studie (Abb. 56) zu „Wenn ich ein Vöglein wär“ erregte Rethels größtes Interesse; er betrachtete oft mit besonderem Wohlgefallen diese fein empfundene naive Zeichnung. — Diese Volks- und Studentenliederbilder sind 1875–1878 in vier Bänden, mit Illustrationen zu Musäus’ Volksmärchen durchsetzt, wieder im Buchhandel erschienen unter den Titeln: „Aus der Jugendzeit“, „Deutsche Art und Sitte“, „Aus dem Volksleben“ und „Aus Dichtung und Sage“. 1845 vollendete Richter ein Ölbild, einen Mondscheinabend, für Bendemann in Berlin. Aus dem in demselben Jahre erschienenen „Vaterunser“ von Ammon bringen wir die reizende Rehgruppe „Ruhe im Walde“ (Abb. 57). Ein Ölbild, das ihn so recht kennzeichnet: den „Brautzug im Frühling“ (Abb. 58) vollendet er 1847. Aus dem im Frühlingsschmuck prangenden Walde tritt der festliche Hochzeitszug, des Müllers Töchterlein mit ihrem Angetrauten, der stattliche Müller mit der stillen Frau Müllerin und weiteres Gefolge, voran fröhliche Kinder mit Blumengewinden. Im Mittelgrund eine liebliche Hirtengruppe, ein Hirtenbübel schwenkt den Hut. Vom hohen Giebel der unterhalb des Schlosses liegenden Mühle weht eine stattliche Fahne, im jungen Tannenwald lauschen Rehe, draußen stille, blaue Fernen. Ein seltener Liebreiz mutet uns beim Betrachten dieses hinsichtlich der Konzeption schönsten Bildes Richters an, es macht Haydnsche, auch Mozartsche Weisen in uns erklingen. Interessant ist ein Vergleich dieses Bildes mit seinem hervorragendsten italienischen Bild „Tal von Amalfi“ (Abb. 13). Die Anregung zu diesem Bilde wurde ihm bei der Erstaufführung von Wagners Tannhäuser 1845. Auf der Ausstellung in Dresden erwarb es die Lindenaustiftung und überwies es der dortigen Gemäldegalerie. Die neue deutsche Kunst, die in Rom durch Cornelius, Overbeck, Schnorr und Veit in der Mitte des zweiten Dezenniums des 19. Jahrhunderts einsetzte, war eine Sezession radikalster Art; durch sie waren alle Traditionen der Ölmaltechnik ebenso wie der Freskotechnik durchschnitten worden und schließlich verloren gegangen. Es hat in Deutschland trotz allen Ringens einer langen Reihe von Jahren bedurft, bis man dies erkannte und der Technik in der Malerei wieder den ihr gebührenden Platz einräumte, die Art des Studienganges änderte und nicht nur einseitig vom Umriß und von der Zeichnung ausging, sondern auch die Farben zu Wort kommen ließ, bei der Komposition auch mit Ton- und Farbenwerten rechnete. Die Unzulänglichkeit des technischen Könnens[S. 56] im Ölmalen empfand Richter oft genug. Er sprach sich in späteren Jahren oft dahin aus, daß ihm ursprünglich ein ganz früher Frühlingstag vorgeschwebt habe, er wollte den Wald in seinem ersten Lenzesschmuck, knospende und blühende Bäume, die Eichen mit dem lichten zarten Grün der jungen Blättchen, kurz, einen wonnigen ersten Frühlingstag in dem Bilde schildern, aber die Kraft dazu habe ihm versagt, die Studien dazu gefehlt. Auf der Weltausstellung in Paris 1855 wurde ihm für dieses Bild die goldene Medaille zuerkannt; der Bildhauer E. Rietschel wurde dort ebenso ausgezeichnet; die Künstlerschaft Dresdens brachte beiden Männern daraufhin einen Fackelzug.
1846 vollendet er ein Frühlingsbild „Mädchen am Brunnen“, das er 1849 variiert als Radierung wiederholte (Abb. 78). Er sprach oft den Wunsch aus, dieses Bild einmal wiederzusehen; es schien, als erinnere er sich dessen mit einer gewissen Befriedigung. Es folgen die „Hymnen für Kinder“ von Thekla von Gumpert mit sechzehn Zeichnungen.
Vielleicht 1846 hat der Meister seine älteste Tochter Maria gezeichnet (Abb. 60), die im April 1847 an einem unheilbaren Brustleiden im blühenden Alter von achtzehn Jahren starb. Inmitten einer Zeit voll reichen Schaffens durchweht tiefe Trauer sein Herz und das seiner Frau; sie sehen, wie die geliebte Tochter nach und nach hinsiecht, der Arzt weiß keine Rettung mehr und gibt alle Hoffnung auf. „Erschüttert und tiefgebeugt knieen die Eltern am Bett und begleiten die erlöste Seele unter Tränen mit ihren Gebeten in das Jenseits!“ Mit diesen Worten schließt Richter seine Biographie ab; er konnte sich nicht entschließen, dieselbe weiterzuführen, und fügt derselben dann nur noch Tagebuchnotizen als Anhang bei.
1848 starb, siebzigjährig, Richters Vater; sein arbeitsreiches Leben war zu Ende; viel Mühsale und unverdiente Kränkungen hatte er getragen; sein Lebensabend gestaltete sich etwas freundlicher, tätig war er bis zum Tage vor seiner letzten Erkrankung. Er hatte wohl nicht so recht den Platz in seiner Kunst gefunden, für den er von Haus aus bestimmt und geeignet war. Unser Meister sprach oft davon, wie schon in seinem Vater unverkennbar die Neigungen durchblickten, die ihn, den Sohn, auf seinen Weg brachten, und daß, wenn die äußeren Verhältnisse des Vaters günstigere[S. 57] gewesen wären, dieser als Landschaftsmaler gewiß Bedeutendes geleistet haben würde, mehr als in der Kupferstecherei, zu der er entschieden weniger Veranlagung hatte. Schon in des Vaters Zeichnungen war die Art der Staffage abweichend von der landläufigen Manier; was von den wenigen Zeichnungen bekannt ist — seine meisten Blätter sind, in der Hauptsache unter Zinggs Namen, nach Polen gewandert — bestätigt dies. In demselben Jahre starb auch unseres Meisters jüngster Bruder Julius in Warschau an der Cholera; er war dort seit vielen Jahren als Aquarellmaler tätig gewesen. Der zweitälteste Bruder Willibald, der während einer Reihe von Jahren die Gräfin Potocka auf deren Reisen durch Europa als Zeichner und Aquarellmaler begleitet hatte, lebte in Wien. Sein Zeichenunterricht war in den dortigen Hofkreisen sehr geschätzt und gesucht; er starb kinderlos in Wien 1880. Die einzige Schwester Richters, Hildegard, die sehr tüchtig im Blumenmalen war, starb als Witwe des Kunstgärtners Ludwig Liebig in Dresden an ihrem 90. Geburtstage 1898.
1847 und 1848 entstanden die beiden Kompositionen „Genoveva“ und „Rübezahl“, die Richter dann im Auftrage des Sächsischen Kunstvereins so meisterhaft radierte. Frieden des Waldes atmet das Blatt „Genoveva“. Vor der von lauschigem Wald umschlossenen Höhle sitzt im Sonnenschein die sinnige liebliche Frauengestalt, in ihren Schoß gelehnt ihr zur Seite Schmerzensreich, die Hirschkuh liebkosend; im Rasen wilde Tauben, Spechte und allerhand andere Vögel, auch Häschen haben sich zutraulich gelagert, Eichhörnchen tummeln sich; im Vorgrund, mit Erdbeeren besäumt, ein frisches Wässerchen, das unter mit Farnen bewachsenen Steinen hervorsprudelt; über der Höhle gegen dunklen Tannenwald schreiten Hirsch und Hirschkuh. Es ist eine köstliche Waldidylle, wie sie schöner nicht gezeichnet werden kann. Wir geben hier (Abb. 59) eine Variante der lieblichen Figurengruppe mit einfacherem landschaftlichen Hintergrund nach einer Aquarelle von 1850 in farbiger Reproduktion. Die Genoveva ist auch hier[S. 58] innig und lieblich; wie seelenvoll ist der Ausdruck des Kopfes der Dulderin! Auch in der Art wie der Meister die Farben nur andeutend sprechen und wirken läßt und worin er so unerreicht und einzig ist, mutet uns das Bild so außerordentlich wohltuend an. Zu dem aufgelösten Haar der Genoveva zeichnete er eine Studie nach seiner Tochter Aimée mit wenigen Bleistiftstrichen (Abb. 61). Die andere Komposition „Der Rübezahl“ (Abb. 63) schildert den bekannten Vorwurf: die Mutter ruft, um einen ihrer Schreier zum Schweigen zu bringen, Rübezahl, er möge ihn mitnehmen, da — plötzlich steht Rübezahl vor ihr und fordert das Kind. Wie die Küchlein bei drohender Gefahr sich zur Henne flüchten und sich zu verbergen suchen, so schmiegen sich die erschrockenen Kinder schutzsuchend an die ebenso erschrockene Mutter, die die schützenden Arme um sie schließt und betroffen, aber doch der Gefahr trotzend, den bärtigen „Rübezahl“ anstarrt; nur den kleinen an der Erde liegenden Schreihals kümmert Rübezahl nicht, er schreit und strampelt fort; als Kuriosum sei hier erwähnt, daß das am Boden liegende Kind zwei rechte Füße hat. Die über den Figuren sich erhebende Gruppe von Bäumen ist von großer Schönheit. Über sonnige Höhen schaut man auf in duftigem Blau liegende Bergzüge, am schattigen Waldesrand lagert Rotwild. Das ist Bergespoesie! Die Gestalt des Rübezahl, um die Hauptsache nicht zu vergessen, ist voller Humor: halb drohend, aber mit dem Ausdruck eines gutmütigen Schalks, einen entwurzelten Baum in der Linken haltend, die Rechte nach den Kindern ausgestreckt, als Köhler gekleidet, steht er mit gespreizten nackten Beinen vor der erschrockenen Mutter. Er gehört mit der ebenso komischen Rübezahlgestalt von Schwind, die leider so wenig bekannt ist, zu den weitaus besten Darstellungen dieser urwüchsigen Figur aus dem Sagenkreise des Riesengebirges. Denselben Gegenstand hatte Richter schon früher im „Musäus“ ähnlich behandelt. Er war gerade beim Ätzen dieser beiden Kupferplatten, als Kanonendonner und Knattern von Gewehrsalven die Luft erdröhnen machten; preußische Regimenter halfen den 1849er Maiaufstand in Dresden, das infolge des Feldzugs in Schleswig-Holstein von Militär fast entblößt war, niederzuwerfen; unser Richter stand im unvermeidlichen Hauspelz an seinem Ätztisch in seine Arbeit vertieft und kümmerte sich nicht um das, was in den Straßen der Stadt sich abspielte. In Kupferstecher Thäters Biographie finden wir von 1848 folgende Aufzeichnung: „Wer hätte wohl noch vor wenigen Wochen sich träumen lassen, daß die beiden friedliebendsten Menschen, Richter und ich, einem ‚Deutschen Verein‘ und einer ‚Akademischen Legion‘ beitreten und täglich zwei Stunden mit dem Schießprügel sich tummeln würden? Wir hätten eher daran geglaubt, ins Gras, statt in Patronen beißen zu müssen. Und doch konnte es nicht umgangen werden; wir müssen eben mit fort, wie jeder andere auch.“ Von den Dienstleistungen der „Akademischen Legion“, die in dieser wunderlichen Zeit[S. 59] gebildet worden war und die nicht „zu martialisch“ in ihrer ganzen Erscheinung gewesen sein soll, wurde er aber enthoben. Das Exerzieren war ihm recht unbequem, wie man sich leicht denken kann. Kurz vor Ausbruch des Maiaufstandes wurde des Meisters Sohn Heinrich, mit einem Freunde auf einer Wanderung nach Meißen begriffen, in Dresden-Neustadt, weil er eine, wenn auch verrostete Waffe unter dem Rock verborgen trug, vom Militärposten abgefaßt und mit vielen anderen Sistierten in der Frauenkirche gefangen gehalten. Unser Meister wurde aus seiner stillen künstlerischen Tätigkeit herausgerissen, als er diese Nachricht erhielt; mit größter Mühe und nur durch schwerwiegende Fürsprache gelang es, die an sich so harmlosen Arrestanten erst nach zwei schweren langen Tagen wieder frei zu machen. Für unseren Meister waren es Tage großer Aufregung.
Für die Illustrierte Jugendzeitung Otto Wigands und die Illustrierte Zeitung für die Jugend (Brockhaus) zeichnete Richter 1846 bis 1852 achtundachtzig Blätter; wir bringen davon die Abbildungen 62, 64 und 65, von denen besonders die beiden letzten Blätter durch ihr überaus warmes Empfinden hervorragen. Weiter folgen eine Reihe von Illustrationen zu verschiedenen Jugendschriften, 1847 bis 1853, auch unter anderen bei Justus Naumann in Dresden „W. Redenbachers neueste Volksbibliothek“, wozu Richter siebzehn Zeichnungen lieferte, die lithographisch vervielfältigt wurden. Unter diesen Zeichnungen, die hier als Vorlage für den Lithographen dienten, sind eine Reihe ganz vorzüglicher Blätter, von größter Vollendung in der Zeichnung und lebendigster Charakteristik. Es sei hier nur das eine Blatt genannt: „Wie Parzival von seiner Mutter in der Wildnis Soltane erzogen wird“, vom Jahre 1853. 1848 erscheint „Robinson der Jüngere“ bei Fr. Vieweg in Braunschweig, mit achtundvierzig Holzschnitten. Wer von uns hätte diesen Robinson in jungen Jahren nicht in der Hand gehabt und sich daran begeistert!
Gleichzeitig erscheint die erste Ausgabe des „Richter-Album“ bei Georg Wigand, hundertfünfzehn Blatt Holzschnitte, die in vorhergehenden Werken bereits publiziert[S. 60] waren. Diese Ausgabe hat zur Verbreitung Richterscher Kunst in den weitesten Kreisen und Schichten des deutschen Volkes ungemein viel beigetragen. Es war eine glückliche Idee, diese Bilder so zwanglos aneinanderzureihen und, mit kleinen Textstellen versehen, noch zugänglicher für das allgemeine Verständnis zu machen. Sehr bald folgt ein zweiter Band mit hundertachtundfünfzig Blatt. Seitdem ist diese Sammlung wohl fünf- oder mehrmal aufgelegt worden.
Aus dem Buch „Die Schwarze Tante“, Märchen und Geschichten für Kinder (von Frau Professor Fechner in Leipzig), mit vierundvierzig der liebenswürdigsten Illustrationen, erschienen 1848 bei Georg Wigand, sind zwei Bilder zum „Himmelsmütterlein“ besonders reizvoll. Die sterbende Mutter nimmt Abschied von ihrem Töchterchen und ermahnt es, brav zu bleiben (Abb. 66), und weiter der Traum des Kindes (Abb. 67): das verstorbene Mütterlein erscheint dem in der dunklen Kammer eingesperrten Kinde, nimmt es zu sich auf den Schoß und erzählt ihm vom himmlischen Paradies. — 1849 bis 1860 folgen die Illustrationen zur „Spinnstube“ und zu „Gesammelte Erzählungen“, ferner zu „Des alten Schmiedjakob Geschichten“ und zu den „Rheinischen Dorfgeschichten“, sämtlich herausgegeben von W. O. von Horn; im ganzen fünfhundertvierundsiebzig Zeichnungen. 1873 erschien der weitaus größte Teil derselben in einer Separatausgabe bei Sauerländer in Frankfurt am Main. Die Verlagshandlung hatte Richter alle Holzschnitte vorher zur Durchsicht eingesendet, der Meister zog mich zur Auswahl[S. 61] zu; für manches dieser köstlichen Blätter mußte ich eifrigst eintreten, um es der geplanten Ausgabe zu erhalten, und so haben denn schließlich vierhundertfünfzig Blatt die Revue passiert. Die Verlagshandlung berichtet bei dieser Ausgabe, daß Richter sich zu dem echt volkstümlichen, gemütreichen Ton der Hornschen Erzählungen so hingezogen fühlte, daß er sich bereits 1847 um deren Illustrierung selbst bewarb und mit ganzer Hingebung über ein Jahrzehnt dafür wirkte. Sein 1859 eingetretenes Augenleiden zwang ihn, die ihm lieb gewordene Arbeit aufzugeben. In der Vorrede schreibt Dr. Weißmann am 28. August 1873: „Wenn einer der Volksschriftsteller unserer Tage würdig gewesen, von Ludwig Richter illustriert zu werden, so ist es Horn. Hat doch kein Künstler das deutsche Volk in seiner Erscheinung verstanden und sein ganzes Gebaren in Leid und Freud, in ruhigem Behagen, wie in leidenschaftlicher Erregtheit, in der naiven Lust der Kindheit, in der herzigen Verschämtheit und Unbeholfenheit der Jugend, wie in der steifen Selbständigkeit und in der ehrwürdigen Entsagung des Alters dem Auge darzustellen gewußt, wie Ludwig Richter. ‚Traulich mit dem Volke verkehren,‘ sagt Horn an einer Stelle, ‚bringt reichen Lohn. O wieviel Tüchtiges und Treffliches umschließt das tiefe Gemüt des Volkes! Wieviel Poesie liegt da verborgen!‘ Das hat auch Richter erkannt, und wenn er vielleicht auch nicht in dem Maße, wie durch seinen Seelsorgerberuf der Dichter, eindringen konnte in das innere Leben, sein treues Auge und sein liebevolles Herz hat ihn nicht minder vertraut gemacht mit dem Volke.“ Von den uns zur Verfügung stehenden Handzeichnungen zu dieser Publikation bringen wir die Blätter Abb. 68 bis 76. Die beiden Zeichnungen zu der Geschichte „Jörjakob“, gezeichnet um 1860, sind von seltener Schärfe der Charakteristik und erschütternd im Ausdruck. Der Knabe am Bett[S. 62] der sterbenden Mutter, seine Hand auf die ihrige legend, lauscht schmerzbewegt ihren letzten Segensworten (Abb. 74). Und weiter dann die Frau und die Kinder am Bett des verstorbenen Mannes und Vaters (Abb. 75)! Der letzte Atemzug ist getan, die Seele aus dem Körper geschieden. Wie ist das Weib groß und echt und wahr gezeichnet, wie sie laut schluchzend, mit beiden Händen die Schürze vors Gesicht hält, und die Kinder, wie sie in ihrem Schmerze an der entseelten Hülle ihres geliebten Vaters knieen. Das Kleinste steht so unbeholfen und erstaunt neben der Mutter, wie Schutz suchend, das kleine Wesen begreift noch gar nicht, was vorgegangen ist. Dieses Blatt hat etwas von der Größe und Wucht und Charakteristik Rethelscher Art. Das prächtige, höchst geistreich leicht gefärbte Blatt „Unterredung“ (Abb. 77) ist möglicherweise eine Vorarbeit zu „Eine Geschichte, wie sie leider oft passiert“ aus den Spinnstubengeschichten von 1851.
1849 erscheinen „Musenklänge für Deutschlands Leierkasten“ mit vierundzwanzig Zeichnungen von kernigem, fast derbem Humor — und weiter die hochkomischen, gesund und kraftvoll charakterisierten Gestalten der „Sieben Schwaben“.
Um 1850 folgen unter anderm die drei schönen Radierungen zu „Deutsche Dichtungen mit Randzeichnungen deutscher Künstler“ (Düsseldorf, Buddens), „Frühlingslied des Recensenten,“ das letzte von den bekannten Frühlingsliedern Uhlands, dessen letzte Strophe lautet:
(Abb. 78). Junge schmucke Mädchen schöpfen Wasser am Brunnen unter[S. 63] blühenden Fliederbüschen, aus jung belaubten Buchenmassen heraus tritt der Recensent: „Störche kommen und Schwalben“, drohend hebt er den Finger: „Nicht zu frühe, nicht zu frühe!“ Weiter folgt das „Schlaflied“ von Tieck. Unter schattigem Busch, vom Wandern ermüdet, schlafen ein Mann und eine schlanke junge Frau; aus dem im Mittagssonnenschein träumenden Walde ziehen Rehe zum Quell in moosigem Gestein. — Das dritte Blatt behandelt auch ein Gedicht von Tieck aus dessen „Verkehrter Welt“ (Abb. 79). Am Waldesrand am Fuße einer mächtigen alten Buche sitzt eine Hirtenfamilie, ein junger Hirt bläst auf einer Schalmei, in den dichten Wald fallen einzelne Sonnenlichter. Diese Radierungen sind von großer Gewandtheit in der Nadelführung und besonders das letzte Blatt kraftvoll und energisch in der Wirkung. Unsere Abbildungen sind nach Probedrucken aufgenommen.
1850 folgen zwei Holzschnitte für die Bibel von Cotta, zu der auch Rethel so hervorragende Zeichnungen lieferte; die letzteren sind leider in der neuen Ausgabe weggelassen worden. Diese Rethelschen Blätter gehören zu dem Bedeutendsten, was auf diesem Gebiete geschaffen worden. Solche kernige Bibelbilder dürften unter keinen Umständen dem deutschen Volk, schon aus erzieherischen Rücksichten, vorenthalten werden.
Hieran reihen sich 1850–1854 vierzehn Zeichnungen zu Shakespeares dramatischen Werken, bei Duncker erschienen, und das „Märchenbuch für Kinder“ von Ferdinand Schmidt (Otto Wigand), mit sechs sehr anmutigen Bildern.
1850–1854 erscheinen: „Was bringt die Botenfrau“ und „Nach Belieben, Kraut und Rüben“, „An der Krippe zu Bethlehem“, „Knecht Ruprecht“, „Die Familienlieder“, „Kreuz und Grab des Erlösers“ u. a. von J. T. Löschke, mit zusammen hundertundsechzig Holzschnitten. Die mit R. Heinrich bezeichneten Lieder in „Familienlieder“ sind von des Meisters Sohn in jungen Jahren in Musik gesetzt. Aus der „Botenfrau“ folgen die Abbildungen 80 und 81.
1851 erschienen C. Andersens Märchen mit sechzehn Zeichnungen, von denen wir Abb. 82 bringen, und Hebels alemannische Gedichte, ins Hochdeutsche übertragen von R. Reinick, mit fünfundneunzig Zeichnungen. Letztere zählen zu den hervorragendsten Illustrationen des Meisters. Wir geben davon die Abbildungen 83–90. Die ersten vier sind zu der Geschichte „Der Karfunkel“. Abb. 90 „Der Sperling am Fenster“ ist von des Meisters Tochter Aimée geschnitten.
Zu „Der arme Mann im Toggenburg“, herausgegeben von E. Bülow, ist das reizende Titelblatt, Abb. 91. Wir fügen hier eine leichte Porträtzeichnnng nach Richter von Eduard Bendemann aus dieser Zeit ein (Abb. 92).
1853 folgt „Bechsteins Märchenbuch“ (bei Georg Wigand), mit einhunderteinundsiebzig Bildern, die in Deutschland die freudigste Aufnahme gefunden und noch heute alles überstrahlen, was nach dieser Seite hin geschaffen wurde. Zu bedauern ist, daß die unvergänglichen, durch die Brüder Grimm gesammelten Märchen unserem Richter[S. 64] nicht zum Illustrieren übergeben wurden; das wäre ein Werk geworden, wie kaum ein zweites in Deutschland. Wie mag es gekommen sein, daß sich die Fäden dazu nicht knüpfen ließen? Wir geben aus Bechsteins Buche eine farbige Vervielfältigung nach einer Originalzeichnung „Dornröschen bei der Alten im Turmstübchen“ (Abb. 93). Wer Handzeichnungen von Richter gesehen, wird sich durch die liebenswürdige Art des Vortrages gewiß angezogen fühlen. „Nie ein Strich zuviel, nie einer zu wenig. Das ist die echte Bescheidenheit in der Kunst“, sagt Otto Ludwig, der Dichter des „Erbförsters“. Einfach, schlicht ist seine Zeichnung, aber geistvoll und lebendig. Er liebt es, seine Zeichnungen mit leichten Tönungen zu versehen, und versteht mit knappen Farbenandeutungen ein reizvolles und voll befriedigendes Bild hervorzuzaubern. Oft unterstützt er die leichten Farbentönungen mit wenigen Federstrichen. Weiter folgt die Hirtenszene zu dem Schluß des reizenden Märchens: „Der Müller und die Nixe.“ Auf einsamer Bergeshöhe über dem stillen Wald beim aufgehenden Vollmond sitzen Hirt und Hirtin; der Hirt bläst die Flöte, die Hirtin lauscht den Tönen und gedenkt jenes Abends, an dem sie am Weiher beim Vollmond auf der goldenen Flöte geblasen und — die verzauberten jungen Jägersleute erkennen sich wieder (Abb. 94). Sehr anmutig ist die Knabenfigur „Goldener“, wie schauen seine Augen so träumerisch unter dem lichten Haar hervor (Abb. 95)! Voll köstlichen, liebenswürdigen Humors ist der Holzschnitt „Der kleine Däumling kehrt mit seinen Brüdern ins Elternhaus zurück“ (Abb. 96). Das die Tür mit Blumengewinden schmückende anmutige Mägdlein ist zum „Mann ohne Herz“, unsere Abbildung 97 eine spätere Wiederholung „Zum Geburtstag“ in „Altes und Neues“. — In den beiden Blättern „Rotkäppchen im Walde, Blumen pflückend“ (Abb. 98), und „Hänsel und Gretel“ (Abb. 99) zeigt er seine Meisterschaft im Zeichnen mit der Feder.
Im November 1853 wurden Richter und sein Freund J. Schnorr zu Ehrenmitgliedern der Münchener Akademie ernannt; er schreibt darüber, wie es ihm eine ganz besondere Freude mache, daß solche Ehrung ihm gerade von München zuteil wird. In[S. 65] demselben Jahre zeichnet er für seinen Sohn Heinrich, der in Leipzig Musik studierte und bei Georg Wigand wohnte, aus Scherz eine Musikkapelle, einen Kapellmeister und zwölf Musikanten, stark aufgetragene, tolle Gestalten; Wigand ließ diese Blätter, als er sie zu Gesicht bekam, ohne weiteres in Holz schneiden. Diese Gestalten tauchen in seiner Erinnerung 1868 (Abb. 170) wieder auf.
1854 wurde die „Christnacht“ (Abb. 100) als Vereinsblatt des sächsischen Kunstvereins beendet. Eine köstliche Radierung, die größte, die aus Richters Hand hervorgegangen! In dieser poetischen Komposition klingt der ganze geheimnisvolle Zauber der deutschen Weihnacht wieder. Hoheitsvoll und lieblich und rein, wie Engel von Fiesole, obwohl etwas vollblütiger als die des liebenswürdigen Fra Angelico, schweben zwei größere Engelgestalten in reicher fliegender Gewandung, den brennenden Christbaum in stiller, dunkler Sternennacht zur Erde bringend. Unter den Zweigen des Baumes, in einem von Fruchtgewinden umschlossenen, von lieblichen kleinen Engeln getragenen Körbchen, auf weißem Linnen liegt das Christkind — eins der Englein schüttet als „Knecht Ruprecht“ seine Gaben herab. Unten in der Stadt weihnachtlich erleuchtete Fenster, der Pfarrer schreitet hinab zur Kirche zur Weihnachtsandacht, vom Turm ertönt Gellerts Lied. „Dies ist der Tag, den Gott gemacht, sein werd’ in aller Welt gedacht.“ — Um zu erkennen, wie gesund Richter empfindet und darstellt, vergleiche man mit seiner „Christnacht“ den Christbaum des Düsseldorfer Künstlers Theodor Mintrop; hier sehen wir ein ganzes Aufgebot von Engeln, eine ganze „Konzertkapelle“, eine Reihe von Engeln verteilt Spielwaren an Kinder, eine andere Reihe ist sogar mit der Anfertigung der Spielwaren beschäftigt! Wie weiß unser Meister dagegen mit sicherem Blick in seiner Darstellung das Wesentliche vom Unwesentlichen zu scheiden und Maß zu halten!
Das lange und angestrengte Arbeiten an dieser so vollendet ausgeführten Kupferplatte griff des Meisters Augen sehr an, von dieser Zeit datiert sein Augenleiden.
[S. 66]
1851–1855 erschien bei Georg Wigand in Lieferungen „Beschauliches und Erbauliches“ mit achtunddreißig Zeichnungen. Wir nennen daraus die herrlichen Blätter „Lob des Weibes“, „Aller Augen warten auf dich“, die überaus humoristischen Darstellungen vom „Tischlein deck’ dich, Esel streck’ dich, Knüppel aus dem Sack“; von letzterem ist das Schlußbild (Abb. 102). „Ehre sei Gott in der Höhe“ (Abb. 101) ist eine Erinnerung an die Meißener Zeit, wie Abb. 100; am Weihnachtsabend singen Kinder vom hohen Stadtkirchturm herab Weihnachtslieder in die dunkle Nacht hinaus. Wie mag unser Richter mit seinem „Gustchen“ am offenen Fenster oben am Afraberg dem lieblichen Gesange gelauscht und an dem Lichterschimmer auf dem Turme sich erfreut haben! — „Was ihr getan habt dem geringsten meiner Brüder, das habt ihr mir getan“ (Abb. 103). Eine Mutter mit ihrem Töchterchen besuchen eine arme, kranke Frau. Liebreizend ist die Kindergruppe, das Mädchen, welches dem Kinde die mitgebrachten Kleider anziehen will und das staunende Kind. Lustig und heiter ist das Bild „Der Schäfer putzte sich zum Tanz“ (Abb. 105). Anmutig tanzt die schmucke Maid mit ihrem Liebsten, mit einem Jauchzer hebt der zweite Bursch seine Tänzerin in die Höhe, der dritte kommt singend mit seinem Mädel und mit seinem Maßel; der kennt den Spruch: „Wer nicht liebt Wein, Weib, Gesang, der bleibt ein Narr sein Leben lang.“ Anmutig[S. 67] ist das Blatt „Kinderlust“, von dem wir eine farbige Reproduktion geben (Abb. 104). „Ich habe mein Feinsliebchen so lange nicht gesehen“, höchst behaglich und lauschig mutet das Plätzchen an dem gotischen Türchen der Mühle an, wo die schämige Müllersmaid dem schmucken Jäger die Hand reicht. Er streicht mit seiner Rechten über ihr blondes, welliges Haar. Jägers Teckel sitzt etwas abgewendet blinzelnden Auges da, ihn geht’s halt nix an. Die Müllersfrau oben am Fensterchen hebt wie drohend den Finger, es scheint aber so ernst nicht gemeint, sie hat doch ihres Mädels Schatz gern (Abb. 106). Die Darbietungen Richterscher Muse in dieser Heftform, mit „Beschauliches und Erbauliches“ beginnend, halte ich, so groß und hochbedeutend auch sonst seine Tätigkeit als Illustrator ist, und in der er wohl noch unübertroffen dasteht, für seine größten Leistungen; er hat hierin so recht eigentlich für die weitesten Kreise des deutschen Volkes gewirkt, hier wirklich Nationales geschaffen und Samen ausgestreut, der gewiß tausendfältige Frucht getragen und noch tragen wird in der deutschen Familie, im deutschen Hause. Das Erscheinen dieses Heftes bezeichnet wieder einen Wendepunkt in seiner Künstlerlaufbahn. Er seufzt über das Hetzen und Jagen der Verleger beim Illustrieren und freut sich, daß er seine Stoffe jetzt sich selbst wählen und freier arbeiten und gestalten kann. Er tritt auf die höchste Stufe seiner künstlerischen Tätigkeit,[S. 68] reicht seinem Volk die schönsten Blüten seiner Muse. Die Zeit von 1848 bis 1859 ist als des Künstlers eigentlicher Höhepunkt zu betrachten.
1849–1851 lieferte Richter für Georg Scherers „Alte und neue Kinderlieder“ zehn Radierungen auf Zink und eine auf Kupfer („Der Schnitzelmann von Nürnberg“), die in späteren Auflagen, 1863 und 1873, weil ausgedruckt, durch Holzschnitte ersetzt wurden; weiter zeichnet er 1854–1875 zu Scherers „Deutschen Volksliedern“ (späterer Titel: „Die schönsten deutschen Volkslieder mit ihren eigentümlichen Singweisen“) dreißig Blätter für Holzschnitt. Zu der 1855 bis 1858 erscheinenden „Deutschen Geschichte in Bildern von Dr. F. Bülau“ (Dresden bei Meinhold und Söhne) zeichnet Richter drei Blätter, von denen wir in Abb. 107 einen Entwurf zu „Otto I. an der Nordsee“ geben. 1853 zum 14. November zeichnet er sein erstes Enkelchen (Abb. 108) dem Schwiegersohn Gaber und schreibt darunter das Verschen:
1857 skizziert er dasselbe Enkelchen, das, wie es scheint, keine rechte Lust zum Sitzen hat, noch einmal (Abb. 109); sein Wort hat aber der Meister nicht gehalten. Wohl versuchte er um 1870, die inzwischen zum Jungfräulein herangereifte Enkelin wieder zu zeichnen, aber seine Augen versagten, und es blieb bei einem Versuch.
1853–1856 zeichnet er vierzig Blatt zum Goethe-Album. Für Goethe hatte er stets eine besondere Vorliebe, er hat ihn frühzeitig schätzen und verstehen gelernt; er reiste selten, ohne einen Band Goethe „mit im Täschel“ zu haben. Die Bilder zum Goethe-Album sind alle unvergleichlich schön, und man weiß eigentlich nicht, wo anfangen, um zu schildern. Wie poetisch ist das Plätzchen, wo’s Liebchen sitzt, in dem Bilde „Ist sie das?“ Und weiter Schäfers Klagelied: „Da droben auf jenem Berge“ und Jägers Abendlied: „Im Felde[S. 69] schleich’ ich still und wild“, das Frühlingsorakel: „Du prophetischer Vogel du“ und der Schatzgräber: „Holde Augen sah ich blinken“ (Abb. 110). Die Spinnerin: „Als ich still und ruhig spann“ und Edelknabe und die Müllerin: „Wohin, wohin? schöne Müllerin?“ und „Junggesell und der Mühlbach“: „Wo willst du, klares Bächlein, hin so munter?“ Und weiter „Der Müllerin Verrat“,
und dann „Der Müllerin Reue“. Wie muten uns diese Bilder so wohltuend an! Zu den hervorragendsten dieser Bilder gehören die Zeichnungen zu „Hermann und Dorothea“, von denen wir Abb. 111 bringen: „Und so saß das trauliche Paar, sich unter dem Torweg über das wandernde Volk mit mancher Bemerkung ergötzend.“ Es atmet dieses Blatt die friedliche Stille und Behaglichkeit der kleinen Stadt! Trefflich sind die Bilder zu „Götz von Berlichingen“: „Schreiben ist ein geschäftiger Müßiggang“ (Abb. 112) und „Es[S. 70] war einmal“ (Abb. 113). Wie lauschig ist das behagliche Turmstübchen, und von welcher Anmut das Figürchen der Maria! Wie ist das alles deutsch gedacht und empfunden!
1855 erscheint, von seinem Schwiegersohn A. Gaber herausgegeben, „Die Christenfreude“, eine Sammlung von geistlichen Liedern mit einundvierzig Bildern von Richter, die übrigen sind von Jul. Schnorr und Carl Andreä. Der Tod seiner Frau — sie starb 1854 — lastete schwer auf ihm, es weht uns ein schwermütiger Ton aus diesen Bildern entgegen; innere Anfechtung wechselte in ihm mit gläubigster Christenhoffnung. Die Liedertexte wählte er selbst, sie sind von tiefer Glaubensfreudigkeit durchdrungen; dem Maler merkt man die niedergedrückte Stimmung seiner Seele an: „Es fehlt mir immer etwas, und ich sehe mich manchmal um, als müßte es von außen kommen, was die schmerzhafte Lücke im Herzen gemacht hat, und sie wieder heilen; aber dann besinne ich mich, und der Loschwitzer Friedhof und der noch kahle Sandhügel steht mir vor Augen. Und da heißt es ‚Glauben‘. Sichtbar ist der Tod, unsichtbar das Leben geworden,“ so schreibt er am 4. November, an welchem Tage vor siebenundzwanzig Jahren er seine Auguste zum Altar führte. Sich selbst zeichnet er in dem Bildchen (Abb. 114) zu dem melancholischen Herbstlied von Heinrich Albert:
Auf dem kleinen Friedhof sitzt der tief gebeugte Meister am Grabhügel seiner Frau. Der Wind weht die letzten Blätter von[S. 71] den Bäumen, am Himmel steht die feine Sichel des zunehmenden Mondes, ein langer Zug von Wandervögeln strebt nach dem Süden, Herbstzeitlosen sprossen im Grase. Das Bildchen ist mit so wenig Strichen, so schlicht und einfach gezeichnet, und wie berührt es uns innerlichst, wie mitempfindet man des Meisters wehmütige Stimmung. Es ist tiefpoetischer Volksliederton, der uns auch hier wie so oft aus seinen Schöpfungen so wohltuend und sympathisch entgegenklingt.
Voller Innigkeit und edler Anmut sind auch die übrigen Bilder, von denen wir zwei in Nachbildungen nach Handzeichnungen bringen: „Ich und mein Haus wollen dem Herrn dienen“ (Abb. 115); hier zeichnet der Meister sich wieder selbst im Kreise der Seinen bei der Hausandacht, und zu Paul Flemmings herrlichem Liede: „Ein getreues Herz zu wissen, hat des höchsten Schatzes Preis“; die Abb. 116 ist nach einer späten Wiederholung aus „Altes und Neues“. Weiter folgen die Holzschnitte zu Matthias Claudius’ Lied: „Der Mond ist aufgegangen“ (Abb. 117), zu: „Jesu, komm doch selbst zu mir“ (Abb. 118), zu: „Es kostet viel, ein Christ zu sein“ (Abb. 119) und zu: „Müde bin ich, geh zur Ruh’“ (Abb. 120). Zur „Christenfreude“ zeichnete auch Julius Schnorr die schöne Komposition für das Lied: „Jerusalem, du hochgebaute Stadt!“ Unser Meister erzählte oft, wie Schnorr in Rom in der Kapelle der preußischen Gesandtschaft im Palazzo Caffarelli auf dem Kapitol, damals der einzigen protestantischen Kirche in der Tiberstadt, mit anderen jungen Künstlern als Kirchensänger bei den Gottesdiensten mitgewirkt und als Vorsänger gerade dieses Lied mit so ergreifender Innigkeit und Gläubigkeit gesungen habe. Diese Komposition malte Schnorr in späten Jahren noch als sein letztes Ölgemälde.
Auch aus dem Jahre 1855 datiert die Zeichnung: „Kunst bringt Gunst“ (Abb. 121). 1856 zeichnete Richter zu „Das rote Buch, neue Märchen für mein Kind“, von Julius Stern (Leipzig, Breitkopf & Härtel), ein Titelblatt, überschrieben „Der Spielengel“, ein überaus ergreifendes Blatt. Auf den Untersatzbogen der Originalzeichnung hat er geschrieben: „Der Kindheitsengel besucht den kindisch gewordenen Greis.“ — Der Alte lauscht mit ineinander gelegten Händen dem Englein, das ihm ins Ohr flüstert und nach „oben“ zeigt (Abb. 122). In demselben Jahre erschien das „Vaterunser“, eine köstliche Folge von neun Holzschnitten. Wir geben davon drei Blätter: „Geheiliget werde dein Name“ (Abb. 123) —: Bauersleute gehen am Sonntagmorgen durchs Gärtchen hinaus zur Kirche, die runden Mädel pflücken sich Rosen, über wogende Kornfelder sieht man in die lachende Landschaft, in der Höhe schwebt ein Engel mit Glöckchen und Weihrauchgefäß — ein liebliches Sonntagsbild, es ist, als hörte man die Lerchen jubilieren. „Dein Reich komme“ (Abb. 124): Die Mutter lehrt die Kinder beten, Englein lauschen dazu. Hochromantisch ist die Komposition „Erlöse uns von dem Übel“ (Abb. 125): Durch das Fensterchen des engen Stübchens fällt der letzte Strahl der untergehenden Sonne, eine sterbende Mutter auf ihrem Krankenlager streckt die Arme verlangend nach der Tür, in der eine lichte Engelsgestalt[S. 72] mit Wanderstab steht und leise winkt. Die Kinder wehklagen und jammern: das kleinste schaut den Engel erstaunt, aber auch wie vertraut an, im dunklen Wald ein einsames Reh. Ein ergreifendes Bild! Das „Vaterunser“ erschien im Verlage des Schwiegersohnes August Gaber und des Sohnes Heinrich Richter. Später führte Heinrich Richter den Verlag allein, bis ums Jahr 1873 sein Freund Franz Meyer in diesen mit eintrat. Der gesamte Verlag ging dann schließlich in den Besitz von Alphons Dürr in Leipzig über. Heinrich Richter hat (er war ein geistvoller und außerordentlich belesener Mann, auch von großer musikalischer Begabung) dem Vater bei der Inszenesetzung neuer Folgen mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Er war es, der Richters Lieblingsidee, „Ein Werk fürs Haus“ zu zeichnen, in die Wege leitete und hat sich um dieses hervorragende Werk wie um die späteren Veröffentlichungen große Verdienste erworben. Dieser Kunstverlag wurde für Vater und Sohn die Quelle wechselseitiger Anregung und befriedigenden Schaffens. Ebenso hat er sich auch um die Herausgabe der Selbstbiographie seines Vaters sowie der Auszüge aus den Tagebüchern sehr verdient gemacht. Er war in Meißen am 11. März 1830 geboren, litt seit frühester Jugend an Melancholie und hat daran schwer zu tragen gehabt. „Durch sein ganzes Leben zieht sich ein Faden menschlichen Mißlingens.“ Er stand mit vielen hervorragenden Männern der Kunst und Wissenschaft in Verbindung und suchte sich auf allen Gebieten der Wissenschaft Kenntnisse zu erwerben, doch sein Innerstes blieb unbefriedigt, sein Suchen und Ringen dauerte fort, und seine Seele litt oft sehr. Der wundervolle 47. Psalm „Wie der Hirsch schreiet nach frischem Wasser, so schreiet meine Seele, Gott, zu dir. Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott“ usf. erklang oft in ihm wieder. Er beschloß sein Erdendasein am 12. Juli 1890 in Bad Boll, wo er oft und gern, Ruhe und Frieden suchend, verweilte.
1857 erschien „Aus Ludwig Richters Skizzenbuch“. Zwölf Blatt landschaftliche Studien mit Staffagen, nach den Originalen lithographiert von Woldemar Rau. Die Übertragung auf den Stein durch fremde Hand hat von der reizvollen Zeichnung viel verloren gehen lassen. Annähernd aus dieser Zeit stammt das Fragment zum Märchen „Marienkind“ (Abb. 126).
Es folgt das „Lied von der Glocke“. In sechzehn Bildern führt Richter uns[S. 73] an der Hand der Dichtung durch das Leben. In einem Briefe an seinen Freund Julius Thäter vom 1. November 1857 schreibt er: „Ich wollte dem Dinge erst den Titel geben: ‚ebensbilder nach Motiven aus Schillers Glocke‘, weil ich ganz frei gegangen und auf meine Weise die Gegenstände aufgefaßt, aber mich nicht in die Schillersche Anschauung versetzt habe. — Zuletzt bin ich aber doch bei dem einfachen Titel geblieben, und die Hauptsache bleibt mir, ob die Bilder an und für sich lebendig genug ausgefallen sind.“ — Man will in diesem Werke eine gewisse Befangenheit herausfinden, und es deckt sich diese Empfindung in etwas mit dieser seiner eigenen Äußerung. Die Richtersche volkstümliche Schlichtheit war ja von dem hohen Schwung und Pathos Schillers in der Tat weit entfernt. Doch auch diese Folge ist reich an künstlerischen Schönheiten. Wie eine schöne leise Musik anmutet das Blatt „O zarte Sehnsucht, süßes Hoffen, der ersten Liebe gold’ne Zeit“ (Abb. 127). Lieblich und innig ist das Liebespaar, das über der Mühle droben am Waldesrand auf der Moosbank im Abendsonnenschein sitzt. Tauben girren in den Ästen der alten Eiche, ein Vogel huscht über den Wald, das ist sicher der Kuckuck; still und feierlich geht der Vollmond auf. Ein zweites Bild (Abb. 128) „Zum Begräbnis“: „Ach, die Gattin ist’s, die teure, ach, es ist die treue Mutter“, — das hatte der Meister wenige Jahre vorher selbst erlebt und durchgelitten; der Abschied des Mannes, — er trägt des Meisters eigene Züge, — und die schluchzenden schmerzbewegten Kinder sind ergreifend gezeichnet.
1858 erscheint „Voer de Goern“, Kinderreime, alt und neu von Klaus Groth mit zweiundfünfzig Zeichnungen, davon 38 von Richter. Der Meister reiste, ehe er die Zeichnungen begann, nach Holstein, um an Ort und Stelle sich mit Land und Leuten bekannt zu machen. Diese Illustrationen sind von großer Frische, gesund und markig. Wir geben davon die Handzeichnung: „Anna Susanna, geh du na Schol!“ (Abb. 129). Die dralle, aber anmutige Anna Susanna und die hand- und wetterfesten, gesundheitstrotzenden Jungen sind köstliche Kindergestalten. Abb. 130 im Holzschnitt: „Kleine Maus, große Maus“, ist eine liebliche Kindergruppe im Rosenbusch. In demselben Jahre bringt uns der Meister noch ein Bilderbuch für die Kleinen: „Der Kinderengel“, ein Spruchbüchlein für fromme Kinder, mit „Luthers Brief an sein Söhnlein Hänsigen“[S. 74] und zwanzig Holzschnittzeichnungen, von denen einige von C. Peschel gezeichnet sind. Aus diesem Kinderbüchel bringen wir nur die reizende Gruppe „Gott zum Gruß“ (Abb. 184), das prächtige gesunde Bübchen, die Mütze in der rechten, den Blumenstrauß in der linken Hand, hinter ihm das Schutzengelchen, das ihm leise zuflüstert, als wollte es beim Aufsagen des gelernten Versleins „wenn’s stockt“ nachhelfen. —
1858 bis 1861 erscheinen die vier Hefte: „Frühling, Sommer, Herbst und Winter“, unter dem Gesamttitel: „Fürs Haus“, des Meisters Hauptwerk, im Verlage von Heinrich Richter. Die Vorrede dazu teilten wir in der Hauptsache am Eingang bereits mit. Epiphanias leitet die Bilderdichtung ein. Am Neujahrsmorgen sehen wir in das trauliche Wohnstübchen; die Kinder sagen ihr Neujahrsverschen auf, die Stufen zur Haustür herauf kommt der Briefträger und bringt Neujahrsgrüße von lieben Entfernten. Schneeflocken fallen leise zur Erde; oben Englein, die das niedere Dach mit Tannenreis bekränzen, um das neue Jahr festlich zu empfangen, darüber Strahlen der aufgehenden Sonne. Wie lieb ist das Bild: „In der Badestube“! Ein anderes Bild: „Marthens Fleiß, Mariens Glut“, ist in der Brautzeit seiner früh verstorbenen Schwiegertochter Agnes komponiert und die Originalzeichnung ihr gewidmet. Und weiter ein Bild „Dämmerstündchen“ — „Sonst und Jetzt“ (Abb. 131). Ein Alter im Lehnstuhl, sein Pfeifchen rauchend, vergangener Zeiten gedenkend, die auf demselben Blatt geschildert sind: ein junges Ehepaar am Ofen in stiller Freudigkeit im beseligenden Glück harmonischen Daseins. Im leichten Ornament hockt ein einsamer Spatz. Wie ist der Alte in seiner Einsamkeit so trefflich gezeichnet! Es ist unser Meister selbst! „Weine nicht, Helmchen“ (Abb. 132): Schwesterchen trocknet dem frierenden Brüderchen die Tränen. „Tages Arbeit, abends Gäste, saure Wochen, frohe Feste,“ und ferner die trauliche „Hausmusik“ (Abb. 133): wie ist es behaglich in dem vom Ofen durchwärmten Stübchen, während es draußen regnet und stürmt! Solche Behaglichkeit verstehen nur die Deutschen. Ein liebliches Frühlingsidyll ist das Blatt: „O Himmelsschlüssel sind’s, so nennt das Volk sie mit dem Mund des Kind’s!“ (Abb. 134.) Weiter folgt[S. 75] das Blatt: „Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt er in die weite Welt“ (Abb. 135). Flotten Schrittes ziehen zwei junge Burschen ihre Straße, jubelnd schwenkt der eine den Hut. Das ist deutsche Wanderlust! Am Rand des Bildes unter dem Schriftband ist ein Vogelbauer gezeichnet, darin sitzt der Philister mit seiner behäbigen Ehehälfte und sucht durch Wiegen den schreienden Spätling zu beschwichtigen; draußen auf dem zugebundenen Schmierbüchsel sitzt ein leichtbeschwingter Spatz. Ungemein reizvoll schildert der Meister die Szene: „Hänsel und Gretel am Häuschen der Hexe“ (Abb. 136). Das Herbstbild: „Am Rhein, am Rhein, da wachsen unsre Reben,“ zeigt eine anmutige Mädchengruppe in der Weinlese (Abb. 137). — Schwungvoll, wie ein vielstimmiger Chor, ist das Blatt: Psalm 65: „Du krönst das Jahr mit deiner Güte“ (Abb. 138). Der Jubel der Hirtenkinder auf sonniger Höhe, die wogenden Kornfelder, hinter hohen Bäumen fast versteckt das Kirchlein, ein weiter, weiter See mit vielen Einbuchtungen, blaue endlose Fernen in sonnigem Duft, der Regenbogen, der das ganze Bild überspannt, in den Wolken Engel, die Gefäße ausgießen, den befruchtenden Regen andeutend: das ist so ganz der Jubelton der königlichen Harfe Davids. Ferner nennen wir das hochromantische „Gefunden“ (Abb. 139). Auf stolzem Rößlein reitet ein junger Rittersmann mit seinem Schätzchen durch den Wald unter einer alten Eiche vorüber, in deren Stamm ein vielleicht von dem Mägdlein selbst mit frischen Waldblumen geschmücktes Marienbild. Wilde Tauben fliegen im Geäst, im üppigen Waldesvorgrund rieselt ein Wässerchen über moosiges Gestein. Das Mägdlein, das der Ritter mit dem Arm schützend umfaßt, schaut lieblich sinnend vor sich hin. Ein köstliches Bild deutscher Waldpoesie! Im „Schlachtfest“ (Abb. 140) schildert er voller Humor gewiß Jugendeindrücke. So ähnlich mag er solches „Ereignis“ wohl in Friedrichstadt-Dresden beim Großvater Müller gesehen haben. Die Lokalität dazu wurde von mir 1861 in Meißen gezeichnet. Behaglich schildert „Bürgerstunde“ (Abb. 141) das kleinbürgerliche Leben; es sind köstliche humoristische Philistergestalten, denen die stattliche Magd „heimleuchtet“; trefflich charakterisiert ist der im Helldunkel hinschreitende „Schwärmer“, der zu den Sternen aufschaut, oder schaut er nach seiner Liebsten[S. 76] Fenster? Wir wollen nun noch des vorletzten Blattes „Heimweh“ gedenken, das die Tonart des kleinen Bildes Abb. 114 anklingt, er zeichnete es, als nach kurzer glücklicher Ehe seine Schwiegertochter Agnes starb. Am Wege unter einem Betsäulchen sitzt, den Kopf mit der Hand gestützt, ein müder alter Mann; neben ihm lagert ein Mädchen, drüben ist der Eingang zum Friedhof. Heimweh durchklingt und durchdringt unseren Meister: „Ich wollt’, daß ich daheime wär’!“ Von diesem Bilde hat er eine ganze Reihe von Varianten gezeichnet und gemalt, immer aber klingt dieselbe Tonart an: Wehmut, Heimweh, Wandernsmüdigkeit. Wir geben hier eine Abbildung (142) nach einer Zeichnung vom Jahre 1865, mit etwas veränderter, reicher ausgestalteter landschaftlicher Szenerie. Man sieht über einen weiten See hinaus; draußen verschwimmen die Fernen in lichten, sich auftürmenden Wolkenmassen; zur Rechten stehen herbstliche Eichen am Hang, wilde Rosen ranken am Kreuz, im Vordergrund sprossen Herbstzeitlosen. Der Alte sitzt mit ineinander gelegten Händen da, gebeugt, wie in tiefes Nachdenken versunken. Das an der Erde liegende Mädchen schaut träumerisch aus dem Bilde heraus. „Ein ergreifender Herbstgesang“, wehmütig, melancholisch! Eine seiner größten und schönsten Aquarellen behandelt dasselbe Thema; auch in kleinen Federzeichnungen begegnet es uns des öfteren, so auch im Holzschnitt (Abb. 168). Aus dem „Sommer“ sei noch das schöne Blatt erwähnt: „Es ist ein Schnitter, der heißt Tod“ (Abb. 143). Dieses Blatt hat er in Aquarell nach dem Tode seiner Schwiegertochter seinem Sohne gemalt und der zarten weiblichen Gestalt die Züge der Verstorbenen gegeben. Es ist heute noch im Besitz der Witwe des Sohnes, welcher nach dem Tode seiner ersten Frau Agnes Hantzsch deren Schwester Julie heiratete. Dieses Blatt war die Veranlassung, daß der Sohn anfing, Zeichnungen und Aquarelle des Vaters zu sammeln; mit den Jahren war diese Sammlung zu einer der größten und reichsten geworden. Wie oft habe ich im Hause des Sohnes im Beisein des Meisters diese Sammlung durchgesehen! Wie interessant waren dabei seine Bemerkungen bei einzelnen Blättern, wenn er vielleicht Nebenumstände schilderte, unter denen sie entstanden, oder was ihm dazu Anregung gegeben, oder auch Urteile anderer Künstler über das eine oder andere Blatt mitteilte! Diese Sammlung ist später zum größeren Teile in den Besitz der Berliner Nationalgalerie übergegangen. Sie umfaßt die allererste und früheste Jugendzeit Richters bis zu seinen letzten Arbeiten im Alter. — Damit schließen wir die Betrachtungen über „Fürs Haus“. Es würde zu weit führen, Blatt um Blatt zu schildern; an Stoff dazu würde es nicht fehlen. Es ist ein Reichtum von Gedanken mit vollen Händen in diesen Kompositionen ausgestreut. Man gebe sich nur der Betrachtung dieses Werkes hin, flüchte sich in diesen Zauberkreis, den Richters Muse uns schuf, und lasse den stillen Frieden, der so wohltuend aus diesen Bildern weht, und das durchaus „deutsche“, gesunde, nie sentimentale Empfinden auf sich wirken.
[S. 77]
Unser stillfriedfertiger Meister war in seiner Stellung an der Kunstakademie als Vorstand eines Ateliers für Landschaftsmalerei auch Mitglied des Senates, oder, wie man es in Dresden nennt, des „akademischen Rates“; er hat in Ausübung dieser Amtsverpflichtung sich oft recht unbehaglich gefühlt. 1853, am 6. November, schreibt er in sein Tagebuch ein: „In einer großen Kunst- und Künstlerstadt gibt’s Parteien, und die besten Leute, wenn sie einer Parteifahne folgen, saufen Unrecht wie Wasser, wie schon Hiob sagt, und schütten das Kind mit dem Bade aus. Es ist ja bei uns Malern auch so, und ich bin froh, daß ich, wie ich glaube, einen Standpunkt über den Parteien gefunden habe. Ich weiß, was die Kunst ist und was sie fordert, freue mich ihrer vielfachen Abstufungen und Richtungen, kenne ihre Verirrungen und Abwege und begnüge mich freudig mit dem Winkelchen, wo mir meine Stellung angewiesen ist, mögen sie andere über- oder unterschätzen, das macht mich nicht irre.“ Zu solchen Äußerungen wurde er offenbar durch lokale Vorkommnisse veranlaßt: In den Sitzungen des akademischen Rates waren die Verhältnisse unter den einzelnen Mitgliedern etwas zugespitzt. Es standen die sogenannte Münchener und die Düsseldorfer Malerschule, durch Schnorr einerseits und Bendemann und Hübner andererseits vertreten, rivalisierend sich einander gegenüber, ebenso der große Bildhauer Ernst Rietschel, der geniale Schöpfer der Braunschweiger Lessingstatue, des Goethe-Schillerdenkmals in Weimar, der Urheber der gewaltigen „Luthergestalt“ in Worms, gegenüber dem Bildhauer Ernst Hähnel, und es mag unserem Meister, dem nichts ferner lag als Parteigetriebe, oft der Unfriede das Herz beschwert haben. Wie oft seufzte er über die Last solcher Sitzungen! Er schreibt am 13. Dezember 1849: „Ich lege kein sonderliches Gewicht darauf, ob einer ein Künstler Nummer eins oder Nummer fünf oder sechs werde. Darauf aber lege ich alles Gewicht, daß einer die empfangenen Gaben in gutem Sinne für den Bau des großen, zukünftigen und in der Entwicklung stets vorhandenen Gottesreiches zu verwenden gelernt hat. Keine Kraft, auch die kleinste nicht, geht da verloren; sie ist ein Baustein für den großen Tempel, den der Herr in, aus und mit der Menschheit sich erbauen will und erbauen wird.“ Eine weitere Niederschrift vom Jahre 1850 beginnt: „Mir ist jedes Kunstwerk mehr Ausströmung der Empfindung, ein flüchtiges Tummeln im Blütengarten der Kunst. Wenn die Nachtigall in den Blüten singt, so ist das herrlich, aber wenn eine kleine Biene drinnen summt, so freut man sich[S. 78] auch darüber, sie gehört ebensogut in den Frühlingsgarten hinein wie Lerche und Nachtigall, und sie kann auch gerade so viel davon genießen als jene Hauptkünstler, wenn sie eben nur ihrer Natur getreu ist. Nur der eitle Kuckuck ist lächerlich.“ In Dresden, der Hochburg des Klassizismus, wurde er vielfach, seiner „Kleinkunst“ wegen, hochmütig von oben herab angesehen, wie aus solchen Aufzeichnungen auch klar hervorgeht. Die Zeiten wurden aber andere.
1858 bestellte die Fürstin Wittgenstein eine Zeichnung zu einem Geschenk für Franz Liszt. Unser Meister zeichnete die Kindersymphonie (Abb. 144). Das reizende Blatt erregte aber bei der fürstlichen Bestellerin „Bedenken“: sie sandte es zurück. (Im Verlag von Gaber & Richter erschien davon eine Lithographie von A. Karst.) 1859, zu Schillers hundertjährigem Geburtstage, ernannte die philosophische Fakultät der Universität Leipzig unseren Meister zum Ehrendoktor.
1859 vollendet Richter für E. Cichorius das Bild „Im Juni“, eine Frühsommerlandschaft; es will scheinen, als wären römische Erinnerungen in ihm wieder aufgetaucht, als hätte Tizians Landschaft in der Galerie Camuccini (Abb. 11) ihn hierzu mit beeinflußt. Im Vorgrund in blumiger Wiese unter blühenden Heckenrosen sitzt ein Liebespaar (ähnlich wie in Rembrandts Radierung „die Landschaft mit den drei Bäumen“), vielleicht Florizel und Perdita aus Shakespeares Wintermärchen; am Rand eines Eichenwaldes lagert eine Hirtenfamilie, im Mittelgrund erhebt sich junger Buchenwald, durch den über Felsen ein Wässerchen rieselt, draußen sieht man einen in weite Fernen sich verlierenden See, am Himmel schwimmen ballige Wolken, zwischen denen ein Stück Regenbogen sichtbar ist. Abb. 145 ist nach einer flüchtigen Federskizze zu diesem Bild, das in der Farbe schwer, aber in der Behandlung weitaus breiter als frühere ist. Über zehn Jahre hatte das Ölmalen des Illustrierens wegen[S. 79] ganz geruht. Die Frage drängt sich auf: Wie würde der Meister sich fortentwickelt haben, wenn er im Anschluß an den „Brautzug im Frühling“ weitere Ölbilder geschaffen hätte? Es ist sein letztes größeres Ölbild. Eine etwas kleinere Wiederholung, von seinem Schüler Adolf Arnold untermalt, vollendete er um das Jahr 1864 und stiftete es für die Lotterie zum Besten eines Fonds zur Erbauung eines Künstlerhauses in Dresden. Für die Seinen, für seinen Sohn Heinrich, für seinen Schwiegersohn Theodor Kretzschmar und seine beiden Töchter Helene und Elisabeth, malte er in der Folge noch einige kleine Ölbilder, meist Vorwürfe, die er bereits in Aquarell behandelt hatte. Er ließ sich diese Bildchen von Schülern untermalen und machte sie dann fertig. Eins dieser kleinen Bilder ist eine freie Wiederholung vom „Kleinen Teich im Riesengebirge“. Eine „Ruhe auf der Flucht“, dasselbe Motiv, das er in einer seiner letzten Aquarellen (Abb. 189) ähnlich behandelte, ein Bild von nicht zu großem Umfang, untermalte er Anfang der sechziger Jahre, auf Anraten eines sogenannten „Malenkönners“, braun in braun; diese Untermalung ist aber, weil sie sich als ganz unbrauchbar erwies, liegen geblieben; sein zunehmendes Augenleiden erschwerte ihm das Malen mehr und mehr.
Bei der Radierung der Platte „Christnacht“ hatten des Meisters Augen, wie vorher schon berichtet, sehr gelitten; um das Jahr 1859 steigert sich das Augenleiden, und es machen sich bereits in den Figuren gewisse Verschiebungen und ein auffallendes mehr in die Breite Ziehen der Formen bemerklich, eine Erscheinung, die mit den Jahren sich immer mehr steigert und augenscheinlicher wird. Von jetzt ab muß er beim Aufzeichnen auf den Holzstock fremde Hilfe heranziehen; man merkt an den Holzschnitten die andere Hand gar bald heraus, besonders am Figürlichen. Die Freiheit und Kraft des Striches geht verloren, trockene Linienführung und ebenso trockene Strichlagen zeigen sich mit wenig Ausnahmen mehr und mehr in den Holzschnitten.
[S. 80]
Ein reizendes Blatt ist die „Heimkehr vom Felde“, 1858 gezeichnet (Abb. 146).
1858–1859 folgen vierundzwanzig Zeichnungen für Berthold Auerbachs „Deutschen Familienkalender“, 1860 das Buch für kleine Kinder: „Der gute Hirt“ mit neun Zeichnungen und 1862 „Es war einmal“ mit einundvierzig Bildern.
[S. 81]
Die Anspruchslosigkeit dieser Bücher im Vergleich mit den oft auffrisierten modernen Kinderbüchern hat etwas Wohltuendes und gibt zu denken. Es sei uns gestattet, hier — gleichsam in Parenthese — etwas abzuschweifen und vor dem Einfluß des „Fremden“ in unseren Kinderbilderbüchern ein warnendes Wort auszusprechen. Um das Jahr 1880 brachen wie eine Sündflut englische Kinderbilderbücher von Kate Greenaway u. a. über Deutschland herein. Richter sah die ersten dieser Bücher sehr befremdet an. Die gemachte und gewaltsame englische Naivetät und die Unnatur dieser Bücher wurden gar bald in Deutschland Mode. Der Exportbuchhandel trug dazu mit bei. Nun verschwinden Moden glücklicherweise bald wieder, aber wir kranken eigentlich immer noch an deren Nachwirkungen. Das „Gemachte“, dem die englische Nation in solchen Werken stark zuneigt, liegt uns doch zu fern und widerstrebt dem deutschen Wesen. Möchte auch auf diesem Gebiete der von Grund aus gesunde Sinn unseres deutschen Volkes solches Fremde, Unwahre und Unechte fernerhin ablehnen und an seiner deutschen Eigenart festhalten! Wenn wir uns doch das Schielen nach „Fremdem“ abgewöhnen wollten! Unser Meister Richter hat uns hier die rechten Wege gewiesen und mit sicherem Blick die Ziele gezeigt, welche zu erstreben sind. Man vergleiche seine anspruchslosen, schlicht empfundenen Kinderbücher mit solchen fremdländischen. Wir bringen aus dem Buche:[S. 82] „Es war einmal“ nur das Schlußbild (Abb. 191): „Alles Ding hat seine Zeit, Gottes Lieb’ in Ewigkeit.“
Von „Folgen“ erschien 1861: „Der Sonntag“, über den wir schon anfangs sprachen; wir bringen daraus den Holzschnitt „In der Kirche“ (Abb. 147). Der Meister führt uns in das sogenannte „Betstübchen“ einer protestantischen Kirche; Bürgersleute mit ihren Kindern lauschen mit Andacht der Predigt; durch das Fenster sieht man im Gotteshaus den Prediger auf der Kanzel und darunter die Gemeinde. Welch eine liebreizende Gestalt ist das junge Mädchen, das so sinnend vor sich hinschaut und das Gehörte in seinem Herzen bewegt! Weiter folgt das romantische Blatt: „Ich bin krank gewesen, und ihr habt mich besucht“ (Abb. 148). Das genesende Kind sitzt vor dem Haus im Sonnenschein unter blühendem Holunder, die Mutter erhebt dankerfüllt die Hände zu Gott; ihr, der Witwe, „Liebling und Einziges“ ist von schwerer Krankheit gesundet und zum erstenmal wieder unter Gottes freiem Himmel. Ein kleines Mädchen bringt ihm einen Strauß Blumen von der Waldwiese, Kätzchen und Hündchen spielen zu seinen Füßen, Tauben sonnen sich auf dem niederen Dach; auf dem Waldwege schreitet zum Besuch des Kindes eine weibliche Gestalt, begleitet von [S. 83]einer Dienerin, über beiden Figuren schwebt ein Engel. Gewiß ist die schöne Komposition A. Rethels „Die Genesende“ nicht ohne Einfluß auf die Gestaltung dieses Bildes gewesen. Es folgt der Holzschnitt (Abb. 149) und eine Zeichnung (Abb. 150) „Heimkehr“. Eltern und Kinder kehren vom Besuch auf dem Lande durch wogende Kornfelder bei aufgehendem Vollmond nach der Stadt zurück; von großer Anmut und Lieblichkeit sind die beiden singenden Mädchen, die, Kränze im Haar, Blumengewinde und Lilien im Arm, den Eltern voranschreiten. Nichts von unwahrer Künstelei oder[S. 84] Gemachtem oder gar flacher „Steckbriefprosa“, wie sich unser Meister bei Gelegenheit einmal ausdrückt!
Im Jahre 1862 unterhandelte der preußische Kultusminister von Bethmann-Hollweg mit Richter wegen einer Berufung an die Kunstakademie in Berlin; er schätzte und verehrte unseren Meister sehr, die Unterhandlungen zerschlugen sich aber, da der Minister bald darauf sein Amt niederlegte. Erst im Jahre 1874 wurde Richter zum Mitgliede der Berliner Akademie ernannt, als er bereits Stift und Palette aus der Hand gelegt hatte.
1863 starb des Meisters Mutter, die große stattliche Frau, die bis an ihr Lebensende sich ziemlich frisch und rege erhalten hatte; am 12. Oktober desselben Jahres starb auch seine zweite Tochter, Aimée, verehelichte Gaber, im Alter von neunundzwanzig Jahren. Dr. Heydrich schrieb der Heimgegangenen folgenden Nachruf:
Aufs neue mußte er durchkämpfen: „Wie ist das Kreuz so bitter!“ Aber auch diese Heimsuchungen ertrug er gottergeben, wenn auch tief erschüttert. — Ins Jahr 1863 fällt eine Arbeit Richters, welche die Freunde des „Daheim“ besonders interessieren wird: die gemütvolle Kopfzeichnung des beliebten Familienblattes, welche den ganzen traulichen Zauber des deutschen Hauses wiedergibt und von keinem ähnlichen übertroffen wird (Abb. 151).
Um das Jahr 1864 erhielt Preller infolge der Ausstellung seiner Odysseekartons einen Ruf an die Akademie in Dresden; diese Berufung kränkte und verwundete Richter; er sprach wiederholt die Absicht aus, seine Akademiestellung aufzugeben. Preller folgte schließlich diesem Rufe nicht, der Großherzog hielt ihn in Weimar fest. Die spätere Richtung Prellers schmeckte Richter zu sehr[S. 85] nach dem Kompositionsrezept nach N. Poussin, seine späteren Zeichnungen nach der Natur waren ihm zu sehr „geschrieben“. Die derbe Art Prellers im persönlichen Verkehr hatte zudem für unseren zartbesaiteten Meister oft etwas Unbequemes.
1864 folgt der „Neue Strauß fürs Haus“, — sechzehn Blätter. Von dieser köstlichen Folge bringen wir zuerst das „Kleinhandel“ benannte Bild (Abb. 152). Diese Komposition zeichnete Richter im Auftrage des bekannten Goethe-Freundes S. Hirzel in Leipzig im Jahre 1856. Hirzel hatte wiederholt den Wunsch geäußert, von Richter eine Zeichnung zu besitzen zu der Stelle aus Goethes „Geschwistern“: „Mir ist’s eine wunderliche Empfindung, nachts durch die Stadt zu gehen. Wie von der Arbeit des Tages alles teils zur Ruhe ist, teils danach eilt und man nur noch die Emsigkeit des kleineren Gewerbes in Bewegung sieht. Ich hatte meine Freude an einer alten Käsefrau, die mit der Brille auf der Nase beim Stümpfchen Licht ein Stuck nach dem anderen ab- und zuschnitt, bis die Käuferin ihr Gewicht hatte.“ Der Meister ging mit großem Interesse an den Auftrag und gestaltete so das prächtige, malerische Bild, das unsere Nachbildung nach einer Wiederholung der getönten Zeichnung aus demselben Jahre bringt. Der Holzschnitt von Gerhard Jördens ist eine Musterleistung. Ein weiteres Blatt dieser Folge ist das „Johannisfest“ (Abb. 153). Anmutig und frisch sind die Kinder gezeichnet, die um die Blumenpyramide einen Reigen tanzen, ein Brauch, der in Mitteldeutschland seit den sechziger Jahren wohl ganz verschwunden ist; es liegt ein Zug holden Behagens über diesem Bilde. Auch dieser Holzschnitt, von Kaspar Oertel, einem Schüler August Gabers, wie Gerhard Jördens, ist eine vorzügliche Leistung. In der Abb. 154 schildert unser Meister das erste Ofenfeuer. Wie ist’s hier gemütlich im Stübchen! Draußen wettert es, Bello, der Hofhund, sitzt auch im Trockenen. Es folgt Abb. 155: „Gruselige Geschichten“ erzählt die Großmutter, alles Spiel ruht, hell leuchten die Augen der Kinder, erschreckt fährt ein Kind beim Platzen des Bratapfels im Ofen zusammen. Lieblich sind in dem folgenden Blatt die Kinder gezeichnet, die im[S. 86] Walde Beeren gesammelt haben: „Beiß mal ab, Hänschen“ (Abb. 156). In dieser Folge begegnen wir auch einem Blatt „Mondnacht“ und finden hier dieselbe landschaftliche Szenerie, wie auf dem früher erwähnten untermalten Bild und ähnlich wie in Abb. 189, aber mit veränderter Figurengruppe. Weiter folgt „Weihnachtstraum“, die schöne Komposition der Radierung „Die Christnacht“ variiert, aber vereinfacht, wie es das kleinere Format des Holzschnittwerkes verlangte. Die hier angefügte Gruppe der armen, frierend in einer Ecke sitzenden Kinder sind ein glücklich gewählter Gegensatz zu dem Weihnachtszauber, der über das ganze Bild ausgebreitet ist.
1866 radiert der Meister sein letztes Blatt, für E. Cichorius. Die Platte trägt die Unterschrift: „Meinem Freunde E. Cichorius“. Dargestellt ist eine Mutter, die vom Felde heimkehrt und ihr Knäblein zärtlich herzt, zur Seite ein größeres Mädchen und der Spitz, der die Sache betrachtet. Die liebenswürdige Gruppe von Mutter und Kind finden wir bereits ähnlich in den Löschkeschen Büchern von 1852 und öfters noch wiederholt und vielfach variiert, so auch in Abb. 146 in „Altes und Neues“ usw.
Im selben Jahr erscheint „Unser täglich Brot“ mit achtzehn Holzschnitten. Der Titel zeigt im Schriftband die Worte: „Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis.“ Diese Folge schildert das Korn vom Feld bis zur Mühle und als Brot im Haus, mit dem „Säemann“ und „Engel gießen den Tau über die Fluren“ beginnend. Von der Ährenlese geben wir in Abb. 157 eine freie und reicher gestaltete Wiederholung der Komposition aus diesem Zyklus. Nach weiteren schönen Blättern folgt „Zur Mühle“ (Abb. 158). Im Tale liegt lauschig unter schattiger Linde eine kleine Mühle;[S. 87] im Gärtchen, das von Rosenbüschen eingehegt, bleicht die Müllersmaid Wäsche, über den Zaun lehnt sich ein junger Bursch und schaut dem Mädchen, das ihm Rosen an den Hut steckt, treuherzig ins Gesicht; draußen windet sich durch sonnige hügelige Landschaft der Weg nach der Höhe. Wie ein Bild von Van Eyck ist der Schlußakkord: „Denn dies ist das Brot Gottes, das vom Himmel kommt und gibt der Welt das Leben“ (Abb. 159). Maria sitzt mit dem Christuskinde im dunklen Wald vor einem klaren, von Waldesblumen umsäumten Bronnen, ihr zu Füßen musizierende und singende Engelchen voll kindlicher Naivetät und Innigkeit. Allerhand Waldgetier und Waldvögel lauschen den himmlischen Tönen; im Vordergrund links und rechts je ein Wappenschild: das eine zeigt einen Apfel, das andere eine Rose im Kreuz (beiläufig Luthers Wappen), das verlorene und wiedergewonnene Paradies andeutend. Hinter der überaus lieblichen, zarten und reinen Gestalt Marias ein Teppich und Geranke wilder Rosen, nach Art altdeutscher und altitalienischer Meister, ihr zu Häupten halten zwei Engel das Schriftband. Oben über dem Wald sieht man in hügeliger Gegend ein Kapellchen im Sonnenschein erglänzen, darüber erheben sich hohe Berge.
Wir reihen hier das Blatt voll liebenswürdigen Humors und feiner Charakteristik ein, das „ländliche Fest“ (Abb. 160). Trefflich ist die Gruppe rechts, der junge Bursche, der so unbeholfen dem schüchternen Mädchen, das, die Hände auf dem Rücken, am Baume steht, einen Strauß Blumen reicht; es ist, als wenn das Mädchen sich bedächte, das freundliche Gesichtel strahlt aber doch. Lieblich sind die tanzenden Kindergruppen.
[S. 88]
1867 erscheinen bei Heinrich Richter fünfzehn Handzeichnungen in Photographien, darunter vier italienische Landschaften mit Staffagen. Die letzteren nebst einer ganzen Reihe solcher Blätter zeichnete er, angeregt durch Berichte seiner Schüler C. W. Müller, A. Venus und Verfassers aus Rom. In einem Briefe vom 25. April 1867 schreibt er nach Rom: „Wie glücklich würde ich sein, wäre es mir möglich, noch einmal die alma Roma zu sehen und zugleich fleißig einzuheimsen, was mir früher nicht nach Wunsch gelingen wollte, weil ich noch zu unreif war ... Die römischen Erinnerungen — vielleicht die schönsten des Lebens — und die Sehnsucht, das Verlangen dahin regte sich von neuem recht mächtig in mir.“ — Er suchte seine Studien aus Italien hervor, machte sie mit kräftigeren Strichen fertiger, setzte Staffagen hinein und erging sich in Erinnerungen. Wir geben von diesen Blättern „An der Via Appia“ (Abb. 161) und „Brunnen bei Arriccia“ (Abb. 162), letzteres eine freie Wiederholung von Abb. 17 vom Jahre 1831. In diesem Hefte finden wir auch in etwas veränderter Form die im Korn schlafenden Kinder, die er bereits früher in „Fürs Haus“ gebracht hatte: die Schwester und der Bruder sind eingeschlafen, das ihrer Obhut anvertraute kleine Geschwisterchen im Wägelchen ist in traulicher Unterhaltung mit einem Engel in lichtem Gewande. Diese Komposition hat er einmal in Aquarell ausgeführt; es ist das größte Blatt seiner zahlreichen Aquarellen. Eine Variante desselben Gegenstandes, eine köstliche Aquarelle vom Jahre 1861 geben wir hier in einer farbigen Reproduktion (Abb. 164). Ein lauschiges, stilles Plätzchen im wogenden, reifen Korn, das der Wind leise bewegt; silberne Wölkchen schwimmen am Himmel, auf dem sich im Korn verlierenden Pfad lauscht ein Häschen; das Brüderchen hält sein Mittagsbrot und ein Sträußchen in den Händen, Schwesterchen hat den Arm schützend über das Brüderchen gelegt. Am Tragkorb lehnt das Wasserkrügel, das Hündchen hält getreulich Wacht, links im Vordergrunde ein rieselndes Quellchen, am Feldrand ein Strauch blühender Heckenrosen, — ein Bild friedlicher, mittägiger Stille.
Gleichzeitig gab Heinrich Richter auch das „Photographische Richter-Album“ in Kabinettformat heraus, fünfzehn Originale, in der Zeit von 1858–1865 gezeichnet, die meistens schon als Holzschnitte in verschiedenen Werken erschienen waren. Wir finden hier auch eine reizvolle Variante der Komposition „Genoveva“ von 1865 und die 1858 gezeichnete Kindersymphonie.
[S. 89]
1867 starb des Meisters alter Freund, der Maler Wilhelm von Kügelgen, der Verfasser des weit bekannten Buches: „Jugenderinnerungen eines alten Mannes“, der in treuester, herzlichster Freundschaft seit den römischen Jugendtagen ihm zugetan war.
1869 erscheint „Gesammeltes“ mit achtzehn Holzschnitten. Ein anmutiges Schneewittchen eröffnet die Reihe der Bilder, dann folgt die „Laurenburger Els“ mit dem Knäblein im Arm, aus der „Chronika eines fahrenden Schülers“ von Clemens Brentano. „Auf dem Berge“ (Abb. 163), eine Gruppe anmutiger lieblicher Mädchen auf einem Hügel gelagert, draußen ein herrliches Landschaftsbild mit weiten Fernen über einem See. Diese Komposition hat er mehreremal in Aquarellen wiederholt, die sich durch einen besonders feinen Farbenton auszeichnen und zu seinen vollendetsten Blättern zählen. Eine lustige Kinderszene (Abb. 165) spielt in blumiger Wiese am Mühlbach. Die Abb. 166 schildert humorvoll den noch bis zu Anfang des neunzehnten Jahrhunderts in Thüringen und im übrigen Mitteldeutschland gepflogenen Brauch der Aufzüge der heiligen drei Könige, zu dem bekannten Goetheschen Liede: „Die heil’gen drei Könige mit ihrem Stern, sie essen, sie trinken und zahlen nicht gern.“ Und weiter folgt „Feierabend“ (Abb. 167): Auf der Straße belustigen sich Kinder mit „Ringel-Ringel-Reihe“, Mütter und Großmütter erfreuen sich am munteren Spiel der Kleinen. Im Gärtchen ein Mädchen, Rosen pflückend, im Gespräch mit einem jungen Mann, sicher einem braven Handwerksmeister. Lange Schatten breiten sich über die tiefer liegende Stadt; der alte, im Abendsonnenschein glänzende Turm wird von Turmschwalben umkreist, die Abendglocke läutet. Auch hier tauchen Erinnerungen an die Meißner Zeit im Meister auf. Es ist ein eigenes Ding mit Erinnerungen aus der Jugendzeit; Leid und Weh, und seine Meißner Zeit war für ihn vielfach eine Leidenszeit, verblassen mehr und mehr, ein rosiger Schimmer verklärt die längst entschwundenen Zeiten.
1869 zeichnete er zu einem zweiten Band von Georg Scherers „Illustriertem Deutschen Kinderbuch“ neunzehn Blätter für Holzschnitt und ein Blatt, die „verirrten Kinder“, zu einer Radierung, von L. Friedrich ausgeführt. Von den Holzschnitten geben wir nur Abb. 168, eine Variante der bereits früher besprochenen „Herbststimmung“ (Abb. 142). Es existiert aus derselben Zeit von demselben Gegenstand eine sehr schöne, leicht getönte Zeichnung.
[S. 90]
Vom 15. Dezember 1868 datiert ist eine auf der Vorder- und Rückseite bezeichnete Visitenkarte (Abb. 169 und 170). Der Meister war durch „Hexenschuß“ verhindert, am Stammtisch zu erscheinen; teilnehmend gibt einer der Genossen an der Tür ein frisches Glas „Echtes“ ab. Gerührt ob solcher Tat zeichnete er die Karte.
Der alte Freund Richters, der Münzgraveur Krüger, den Heinrich Richter in den Nachträgen zur Biographie so trefflich charakterisiert, war ein Feind der Photographie; die Freunde des Stammtisches wünschten aber ein Bild von diesem originellen Mann zu besitzen. Da zeichnete Richter das Blatt (Abb. 171), „Den Stammtischgenossen 1870“ gewidmet, „Die Einsiedler von Loschwitz“ mit Luthers Lied an die Frau Musica. In der Lünette oben links sitzt lesend der Meister selbst, rechts davon, seinen Garten bestellend, und drunten, im Stübchen geigend, sehen wir den Münzgraveur.
Beim Beginn des Wintersemesters 1869 ließ sich der Meister seines zunehmenden Augenleidens wegen von dem Klassenunterricht an der Akademie entheben und dieses Amt auf jüngere Schultern legen. Von da ab leitete er nur noch das Atelier für Landschaftsmalerei.
Am 13. November 1870 starb des Meisters alter Freund, der Kupferstecher Professor Julius Thäter in München, bekannt durch seine Stiche nach den Camposantokompositionen von Cornelius, nach Schnorrs Freskomalereien in München, nach Schwinds „Ritter Kurts Brautfahrt“ usw. Das denkbar innigste Freundschaftsverhältnis, das zwischen beiden Künstlern seit vielen Dezennien bestand, fand damit seinen Abschluß. Thäter, geboren in Dresden 7. Januar 1804, wirkte in Dresden, Weimar und München. Seine Tochter Anna hat seine Selbstbiographie und Briefe unter dem Titel: „Julius Thäter, das Lebensbild eines deutschen Kupferstechers“ (Frankfurt a. M., Johannes Alt) herausgegeben. Wir finden hier auch den Briefwechsel zwischen beiden Freunden, aus denen man ersieht, wie beide Künstler sich verstanden, wie ihre beiderseitigen religiösen Anschauungen sich deckten und sie durch diese innerlich verbunden waren.
Um 1870 beschäftigte sich Richter mit den ersten Entwürfen zur „Schönen Melusine“; der Stoff war ihm vertraut von den Volksbüchern her, die er in den vierziger Jahren illustriert hatte. Nur ein Blatt ist fertig gezeichnet: die Begegnung Raimunds mit Melusine an der Waldquelle (Abb. 172). Der Meister ließ dann aber den Plan, diesen romantischen Stoff in einer Reihe von Bildern zu behandeln, wieder fallen. Möglich, daß der 1871 in Dresden ausgestellte wundervolle Zyklus zur „Schönen Melusine“ von Schwind ihn lahm legte, vor allem aber mag die abnehmende Schaffenskraft und das fortschreitende Augenleiden ihn an der weiteren Verfolgung des Planes gehindert haben.
[S. 91]
Es liegt nahe, bei dem Namen Schwind die Verwandtschaft und die Unterschiede zwischen ihm und Richter zu beleuchten. Friedrich Pecht sagt in dem trefflichen Aufsatz über Richter in „Deutsche Künstler des XIX. Jahrhunderts“: „Am meisten verwandt ist Richter unstreitig mit Schwind, der ja aus dem gleichen Dürerschen Quell geschöpft. Aber wo der eine anfängt, hört der andere auf; sie ergänzen sich wechselseitig, ohne sich eigentlich zu berühren, denn wie Richter, selbst dazu gehörend, nur das Volk, den niederen Bürgerstand schildert, so Schwind, ein geborener Edelmann, nur die höheren Stände, das Rittertum, kurz das Aristokratische.“ H. W. Riehl schreibt in seinen „Kulturgeschichtlichen Charakterköpfen“: „Schwind und Richter waren zwei so grundverschiedene und zugleich so geistesverwandte Persönlichkeiten, — der hagere, ruhige, innerlich so warme Sachse und der gedrungene, korpulente, vollblütige, lebensprühende Wiener. In ihrem Ideal und in neidloser Anerkennung standen sich beide brüderlich nahe: Richter, der das Wahre so poetisch, und Schwind, der die Poesie so wahr gemalt hat.“ — Es hat etwas Rührendes, wie beide Meister sich gegenseitig wahrhaft hochschätzten. Für Schwind und dessen Kunst war unser Meister hoch begeistert. Wie erglänzten seine Augen, wenn er über dessen romantische Schöpfungen sprach! Es gab keinen Zeitgenossen, für den er so schwärmen konnte, wie für Schwind. Beide Meister verstanden sich, wie es wohl selten wieder der Fall sein wird. Über Schwinds etwas scharfe „Ausdrucksweise“ und Bemerkungen, die dieser treffliche Künstler oft beliebte, ging unser Meister, wenn ihm diese erzählt wurden, mit Lächeln und Stillschweigen oder wenigstens mit großer Nachsicht hinweg; ihm war die Kunst dieses Mannes so ans Herz gewachsen, daß er solche kleine „Eigenheiten“ gern übersah. Um 1845 bemühte sich die Dresdener Akademie, Schwind zu berufen; die Unterhandlungen zerschlugen sich aber. Richard Wagner spricht sich bei Gelegenheit darüber aus, wie es ihm imponiert habe, daß die Dresdener Maler sich so „neidlos“ um Schwinds Berufung bemüht; da wird wohl unser Richter mit einer der ersten gewesen sein, der dem trefflichen Meister Sympathien entgegenbrachte. — Am 11. Februar 1871 schreibt unser Meister ins Tagebuch: „Am 8. Februar, nachmittags fünf Uhr, ist der liebe Freund, der große Meister Schwind, den ich verehrte fast wie keinen anderen, gestorben. Sein letztes, tief ergreifendes, mit Mozartscher Schönheit erfülltes Werk: ‚Die schöne Melusine‘, läßt den unersetzlichen Verlust doppelt schmerzlich empfinden. (Schwinds Zyklus zur ‚Melusine‘ war, als die Todesnachricht kam, in Dresden ausgestellt.) Die ‚Melusine‘ ist das wehmütige Ausklingen einer großen, herrlichen Kunstepoche. Jetzt geht alles auf äußeren Glanz und Schein, mit wenig oder gar keinem idealen Gehalt. Wo der Glaube an die höchsten Dinge schwindet, wo unser heiliger Christenglaube nicht die Grundlage bildet, nicht die Zentralsonne ist, entsprießt kein lebenquellender Frühling mehr, entstehen nur künstlich glänzende Treibhausfrüchte einzelner[S. 92] Talente. Das ist meine feste Überzeugung! Und darüber ließe sich gar viel sagen und schreiben; aber wer versteht es, und wer nimmt es auf?“ Richter war fest davon überzeugt, daß die eigentliche große Kunst nur im Dienst der Kirche sich entwickeln und gedeihen könne; in den letzten Jahren sah er aber, wie man in der Kunst immer mehr andere Wege einschlug. Heute gibt es, wenigstens was die Malerei betrifft, eine kirchliche Kunst kaum mehr. An den Pflegestätten der Kunst, den Kunstakademien in Deutschland, wird sie nicht mehr gepflegt, es finden sich dafür auch keine Lehrer mehr. In Wien suchte man 1895 eine akademische Lehrkraft für katholische kirchliche Kunst, an Stelle Trenkwalds, des Nachfolgers Josef von Führichs, fand aber für dieses Fach keine geeignete und hat vorderhand davon absehen müssen, diese Stelle überhaupt zu besetzen. Die Maler haben sich von den religiösen Darstellungen mehr und mehr abgewendet, sie können die rechte Begeisterung dazu nicht mehr finden. Die religiösen oder biblischen Werke der letzten Jahrzehnte vermochten auch nicht mehr, im Volke innerlich anregend zu wirken. Was mag die Ursache dieser auffallenden Erscheinung sein? Es hat den Anschein, als bereite sich auf religiösem Gebiet eine große Umwandlung vor. In vielen Schichten der germanischen Völker arbeitet es mächtig auf „Vertiefung“ hin, auf Erweiterung der Anschauungen über die höchsten Dinge, aus einem „tiefernsten, innerlichen religiösen Sehnen“ heraus. Wir haben jetzt nur noch einen einzigen Künstler in Deutschland, der, wenn auch mit einer gewissen Unfreiheit, an die alten Meister anknüpfend, es versteht, mit wirklicher Begeisterung und innerem Feuer biblische Stoffe uns wieder nahe zu bringen, das ist E. v. Gebhardt in Düsseldorf. Am Anfang des Jahres 1884 sah Richter von ihm das Bild „Der Leichnam Christi im Hause der Maria“. Er erwähnt das Bild in dem am Schluß angefügten Briefe.
Die Kriegsjahre von 1866 und 1870 forderten Richters ganze Teilnahme. Mit einer wahrhaft gehobenen Stimmung ging er, begleitet von seinem Sohn und vom Verfasser,[S. 93] zur Ausübung seiner Wahlpflicht für den ersten Norddeutschen Reichstag zur Wahlurne; es war, als ahnte er die kommende große Zeit der endlichen Zusammenfügung unseres Deutschen Reiches, unseres Vaterlandes. Die Einigung der deutschen Völker innerhalb acht Tagen nach der Kriegserklärung im Jahre 1870 ist ihm „wie ein Wunder“ und reißt ihn zu heiliger Begeisterung hin. Wie Gott unsere Kriegsheere so herrlich von Sieg zu Sieg führte, der große Tag von Sedan, der endliche Einzug in Paris und der Friede von Frankfurt, der diesen Riesenkampf der Germanen mit den Romanen abschloß, — das alles erfüllte ihn mit innigster Dankbarkeit gegen Gott. Seine Aufzeichnungen aus dieser Zeit sind durchdrungen von der Größe und hohen Bedeutung dieser Ereignisse. Er erwartete wohl auch, daß diese große Zeit befruchtend auf die deutsche Kunst einwirken würde, wie dies in seiner Jugend die nationale Erhebung und die Befreiungskriege getan.
Es sind eine ziemliche Zahl von Zeichnungen vorhanden, die ursprünglich Pausen zur Übertragung auf den Holzstock waren; in den letzten Jahren, in denen Richter nur noch mit Mühe arbeiten konnte, ließ er sich solche Pausen auf Börners Rat aufziehen, überarbeitete und färbte sie leicht in seiner so geistreichen Art und vollendete auf diese Weise noch manches reizvolle Blatt oder Blättchen; das im Gras sitzende Mädchen (Abb. 173) ist ein solches Blatt und stammt wohl aus der Zeit nach 1870. — 1871 berichtet Richter in seinen Aufzeichnungen von dem schon früher erwähnten Bilde von Schnorr zu dem Liede „Jerusalem, du hochgebaute Stadt“: „daß der Meister Schnorr es selbst seinen Schwanengesang nennt“, und fährt dann fort: „Der Gedanke ist sehr schön, für die Ausführung reichen die Kräfte nicht mehr aus. Es hat etwas tief Rührendes, eine solche Künstlergröße im letzten Abendsonnenstrahl zu sehen; denn wenn er auch noch eine Reihe von Jahren verleben sollte, so fühlt und sieht man doch, daß seine Kraft sehr gebrochen ist. Die Größe seines Talentes bleibt unbestritten; aber daß er ein edler, reiner, höchst gewissenhafter und frommer Mann ist, das ist wohl das Erfreulichste und Schönste.“ Im Jahre 1872 nahm der Tod unserem Meister auch diesen Freund, für den er sein ganzes Leben hindurch seit den herrlichen Jugendtagen in Rom eine unbegrenzte Verehrung hegte und bis an sein eigenes Lebensende bewahrte, wie ich so oft aus seinem Munde zu hören Gelegenheit hatte.
Seinem Freund Cichorius zeichnet er Weihnachten 1871 das Blatt „Aus der Jugendzeit“: Der Freund mit seinem Bruder, späterem Bürgermeister von Leipzig, in der Kinderzeit mit der Mutter in einem der reizenden Loschwitzer Täler. (Abb. 174.)[S. 94] Zum 4. September 1873 zeichnet er wieder ein Enkelkind (Abb. 176) dem Schwiegersohn Kretzschmar und fügt das Verslein bei:
1872 erschienen in Photographien die bereits 1845 als Lithographien herausgegebenen zwölf Titelblätter zu Musäus’ Volksmärchen nach den Originalen im Städelschen Institut in Frankfurt a. M. Wir brachten eine freie spätere Wiederholung des einen Blattes, zu „Stumme Liebe“, früher in Abb. 43.
1873 folgte „Altes und Neues“, fünfzehn Zeichnungen in Lichtdruck. Eine Sammlung von gleicher Schönheit und poetischer Gestaltung wie die vorangegangenen. Wir geben zuerst eine Aquarelle von 1865 in farbiger Reproduktion, „Kartoffelfeuer“, ein Herbstidyll (Abb. 175), die bis auf kleine Abweichungen im Mittelgrund dem in dieser Folge aufgenommenen Blatt gleich ist; weiter aus der „Christenfreude“ wiederholt die liebenswürdige, innige Gruppe zu „Ein getreues Herz zu wissen“ (Abb. 116). „Mailust“, ein Frühlingsidyll von graziöser Form, im Loschwitzer Charakter, mit einer reizenden Staffage (Abb. 177). „Zum Geburtstage“ (Abb. 97), „Sub rosa“ (Abb. 178): ein junges Paar schaut träumerisch aus dem rosenumrankten Erker des Hauses — es ist offenbar ein Jägerhaus — in eine romantische Landschaft hinaus. Unten auf grüner Matte schreiten Hirsche und Rehe, weiter sieht man einen See mit steil abfallenden Ufern, leichte Wolken ziehen an den Bergen hin. Im Vordergrund Blumentöpfe und „Waldmann“. Als sechstes Blatt fügen wir an „Wenn ich dich hätte“ (Abb. 179) vom Jahre 1870. Die Anregung zu dieser Kindergruppe gab dem Meister die Stelle aus Goethes „Werther“ vom 26. Mai: „Das erste Mal, als ich durch einen Zufall an einem schönen Nachmittag unter die Linden kam, fand ich das Plätzchen so einsam. Es war alles im Felde; nur ein Knabe von ungefähr vier Jahren saß an der Erde und hielt ein anderes, etwa halbjähriges, vor ihm zwischen seinen Füßen sitzendes Kind mit beiden Armen wider seine Brust, so daß er ihm zu einer Art von Sessel diente, und ungeachtet der Munterkeit, womit er aus seinen schwarzen Augen herumschaute, ganz ruhig saß. Mich vergnügte der Anblick; ich setzte mich auf einen Pflug, der gegenüberstand, und zeichnete die brüderliche Stellung mit vielem Ergötzen.“ Zum Schluß bringen wir noch „Heimkehr der Landleute nach Civitella“, eine freie Wiederholung des 1827 gemalten Bildes, das wir früher erwähnten (Abb. 180).
[S. 95]
Das folgende Jahr brachte „Naturstudien, zehn Vorlegeblätter für Landschaftszeichner“, in Lichtdruck, im Verlage von Meyer & Richter, und seine letzte Folge von Zeichnungen „Bilder und Vignetten“. Aus letzterer sind die vier Jahreszeiten und ländliche Szenen, die Richter nach 1862 im Auftrage des damaligen Erbprinzen von Meiningen für dessen Landhaus in Bad Liebenstein in Thüringen zeichnete. Er verzichtete zum großen Kummer seiner Schüler darauf, diese Arbeiten selbst an die Wand zu malen, die Kartons in der wirklichen Größe zu zeichnen und lieferte nur die Kompositionen in kleinen Zeichnungen. Über die Ausführung selbst überließ er dem Erbprinzen freie Verfügung. Diese Zeichnungen wurden von den Gebrüdern Heinrich und August Spieß in München vergrößert und an den Außenwänden zwischen den Fenstern al fresco gemalt. Wir geben davon nur den „Sommer“ (Abb. 181) und weiter von den anderen Bildern dieser Folge die reizende Vignette „Alles mit Gott, so hat’s keine Not“ (Abb. 182) in Holzschnitten und zwei Nachbildungen nach fein empfundenen Zeichnungen: (Abb. 183) „Ein Mädchen, das ein im Arm haltendes Knäbchen küßt“ und (Abb. 184) „Zwei kleine sich küssende Kinderchen“. Während Richter seither nur teilweise noch selbst auf den Holzstock aufzeichnete, mußte er hier, seines vorgeschrittenen Augenleidens wegen, die Aufzeichnung ganz von fremder Hand herstellen lassen; dadurch haben diese Holzschnitte in der Wiedergabe der Zeichnung leider sehr viel von ihrer ursprünglichen Frische verloren.
Gleichzeitig bringt derselbe Verlag vierundzwanzig vierfach vergrößerte frühere Holzschnitte als Wandbilder, die, vom deutschen Volke freundlichst aufgenommen, in den Kinderstuben und in manchem engen Stübchen, vielleicht als einziger Schmuck an der Wand, ihren Platz fanden.
Bei Velhagen & Klasing erschien in demselben Jahre „Robert Reinicks Märchen-, Lieder- und Geschichtenbuch“ in zweiter Auflage, wozu Richter noch eine Illustration für den Holzschnitt zu „Der schmelzende Koch“ zeichnete: Kinder belustigen sich mit einem Schneemann. Der Holzschnitt ist mit der Jahreszahl 1873 bezeichnet. Dies ist des Meisters letzte Illustration.
1876 erschienen „Biblische Bilder“ mit Versen von Julius Sturm bei F. Riehm in Basel. Elf dieser Holzschnitte stammen aus den Jahren 1850 bis 1855 und sind für die kleinen Schriften Löschkes: „An der Krippe zu Bethlehem“, „Kreuz und Grab des Erlösers“ u. a. gezeichnet worden, fanden aber dort keine Aufnahme. Wir nennen nur: „Die Hirten und Kinder an der Krippe“ und „Die Flucht nach Ägypten“, beide lehnen sich an Rembrandtsche Kompositionen an. „Lasset die Kindlein zu mir kommen!“ — wie oft hat er diesen Gegenstand behandelt! Immer weiß er ihm eine neue Seite abzugewinnen. „Der gute Hirt“ in diesem Buche ist von E. Peschel gezeichnet. Das reizvollste Blatt in dieser Folge ist „Herr, bleibe bei uns“; durchaus deutsch in der Auffassung ist[S. 96] hier besonders die Landschaft und von entzückender Schönheit. Derselbe Verlag brachte gleichzeitig „Kinderleben“ in Bild und Wort, mit Versen von Jul. Sturm. Es sind die Holzschnitte aus den Löschkeschen kleinen Büchern von 1850 bis 1853: „Was bringt die Botenfrau“, „Kraut und Rüben“ und die „Familienlieder“, Werke, die wir schon früher erwähnten.
Eine der romantischsten Kompositionen, aus dem Jahre 1870, ist das „Schneewittchen“ (Abb. 185), eine zarte, liebreizende Märchengestalt, die zu des Meisters anmutigsten Gebilden zählt; unberührt und sinnig, halb träumerisch schaut sie auf die Rehe, die aus ihrem aufgenommenen Kleid ihr Futter nehmen. Die landschaftliche Szenerie ist von echter Waldespoesie durchdrungen: Ein trauliches Plätzchen am plätschernden Brunnen, mit Tauben und allerhand Waldvögeln und Eichhörnchen belebt, unter hängenden Rosen windet sich zwischen Felsen ein Treppchen hinauf, oben in der Felsnische hängt ein Glöckchen, draußen dunkler Tannenwald. Die schöne Aquarelle befindet sich in der Nationalgalerie. Der Zufall hat es gefügt, daß eine Wiederholung derselben aus gleicher Zeit, durch das Vermächtnis des Sohnes des Konsuls Wagner (des Stifters des Stammes der Nationalgalerie), auch ebendahin gekommen ist. Einen ersten Entwurf zu der Gestalt des Schneewittchen (Abb. 186) und eine Skizze nach der Natur (Abb. 187) fügen wir bei.
Zu des Meisters siebzigstem Geburtstage geht ein überaus gnädiges und wohlwollendes Handschreiben mit Glückwünschen vom König Ludwig II. von Bayern ein.
Richters so reiche Phantasie versiegte allmählich: das Augenleiden[S. 97] verschlimmerte sich und machte ihm das Arbeiten fast unmöglich. Trotzdem zeichnete und malte er noch einige wenige Blätter, wenn auch mit großer Mühe und vielfacher Unbequemlichkeit. Aus der Zeit des „Ausklingens“ dieser großen schöpferischen Kraft stammt die Aquarelle „Schlafende Kinder“ (Abb. 188), eine freie Wiederholung der Radierung „die verirrten Kinder“ in Scherers illustriertem „Deutschen Kinderbuch“. Auf einer Anhöhe auf grüner blumendurchwirkter Matte schlummern, ermüdet von der weiten und beschwerlichen Wanderung, ein Mädchen und ein Knabe; es ist so einsam[S. 98] und still da droben, draußen ragt über blauen Bergzügen ahnungsvoll ein Schneeberg hervor. Die Aquarelle ist von großer Vollendung in Ton und Farbe.
Es folgt um 1873 seine letzte ausgeführte Aquarelle „Ruhe auf der Flucht“ (Abb. 189), in der Nationalgalerie. Maria, an einem Feuer sitzend, nährt das Kind, sie schaut wie in Gedanken versunken; unter blühenden Fliederbüschen, an die Felswand angelehnt, ist Joseph eingeschlafen, auf einem vorspringenden Felsen sitzen drei singende und musizierende Engel in lichten Gewändern, ein Reh mit Jungen hat sich im Gras gelagert, draußen im Dämmerlicht ein stiller Waldsee, hinter dunklen Baumsilhouetten der Vollmond. — Das ist des Meisters romantischer Schwanengesang. Mit wieviel Mühe, Geduld und Ausdauer hat er an diesem Blatt noch gearbeitet; die Augen wurden schwächer und schwächer und trotz der Lupe wollte es mit dem Arbeiten nicht mehr gehen. Die Verschiebungen in der Zeichnung, die das Augenleiden verursachte, wurden immer stärker und auffallender, die Köpfe der Figuren machten ihm dadurch noch ganz besondere Schwierigkeiten. Der Kopf der Maria wurde so oft geändert und weggewaschen, bis schließlich das Papier durchgerieben war und er tief bekümmert die sonst fertige Arbeit beiseite gestellt hatte; doch wurde hier Rat geschafft, und endlich konnte er dieses Blatt noch vollendet aus der Hand geben. Eine farbige Zeichnung ist vom Meister selbst bezeichnet: „Meine letzte Zeichnung. 1874. L. Richter.“ Am Silvesterabend 1873 schreibt er: „Seit dem Herbst konnte ich nichts mehr arbeiten, die Augen waren zu schwach. Überhaupt fühle ich das Alter, und die Kräfte, Leibes- und Seelenkräfte, nehmen ab.“
Die nun abgeschlossene künstlerische Tätigkeit dieses mit so reichen Gaben ausgestatteten Künstlers, dieses gottbegnadeten Poeten, liegt wie eine stille blumige Waldwiese vor uns, mit Sternblumen und Steinnelken, Ranunkeln und Vogelstern und Arnika, blauen Glocken und hochstengeligem Enzian, bunt durcheinander, in reicher Fülle, herzerfreuend und herzerquickend. Sein gesamtes künstlerisches Schaffen ist wie ein Dokument; verbrieft und gesiegelt, schildert es wahr und treu unser deutsches Volk. Seine Werke sind wie ein sprudelnder frischer Quell, an dem sich noch die fernsten Geschlechter erquicken werden!
[S. 99]
Ernst Förster nennt in seiner deutschen Kunstgeschichte Richter „einen Künstler, der seinesgleichen nicht nur nicht hat und gehabt hat in keinem Lande und zu keiner Zeit, sondern der auch mit seinen Schöpfungen alle Welt entzückt, sich eine Wohnung gemacht hat in allen natürlich empfindenden Herzen, bei jung und alt, bei männlich[S. 100] und weiblich, durch dessen Hände die Natur selbst spricht und die Seele und dessen Zeichnungen der wahrste Ausdruck des Besten sind, was das Vaterland an Land und Leuten Herzerfreuendes und Erquickendes hervorgebracht.“
In den Jahren 1869 bis 1879 schrieb Richter seine Biographie, 1880 und 1881 die Nachträge dazu.
In dem oberhalb Dresden reizend gelegenen Loschwitz brachte Richter mit den Seinen seit 1852 jeden Sommer bis zum Jahre 1883 zu. Hier starb, wie schon vorher erwähnt, 1854 seine geliebte Frau. Mitten in heiterster Stimmung, umgeben von den Ihrigen und von Freundinnen, sank sie plötzlich im Garten nieder und hauchte nach wenig Stunden in der Nacht vom 3. zum 4. August ihre Seele aus. Seinem Freunde Thäter schreibt der Meister (Nachträge zur Biographie von H. Richter): „Am[S. 101] 3. August waren wir nachmittags mit Oehmes und einigen jungen Leuten fröhlich beisammen, Gaber und Heinrich waren zufällig auch da. Meine Frau war besonders heiter und recht innerlich fröhlich; da sank sie plötzlich mit gebrochenen Augen vor mir zusammen in das Gras, und das Bewußtsein verlor sich. Sie sprach nichts, winkte, drückte mir die Hand, und wir trugen sie bestürzt in das Stübchen der Wirtin. Der Arzt kam schnell herbei. Er fand einen Schlaganfall. Sie kam nicht wieder zum Bewußtsein, kurz nach Mitternacht hörte das treue Herz auf zu schlagen. — Binnen drei Stunden gesund und tot! Ich war wie betäubt, doch ruhig. Er, der Herr, weiß, warum er es geschehen ließ; sein Wille ist ja immer gut und heilig. — Aber mir ist es noch, als wäre mir das halbe Herz herausgerissen. — Ach, wie lieb hatte ich sie, und sie verdiente es — doch still! —“ Sie ruht auf dem Loschwitzer Friedhof unten an den blumigen Ufern der Elbe. Im Oktober 1854 schrieb er in sein Tagebuch: „Wir sitzen immer noch auf unserem Berge (Loschwitz), werden aber wohl in nächster Woche das Stadtquartier beziehen. So schön es hier noch ist, so sehne ich mich doch nun, in Ordnung zu kommen. Ich kehre nun ohne die liebe Mutter heim, das liegt mir immer in Gedanken. Wo weilt sie jetzt? Diese Frage drängt sich mir oft herbei. Aber da schweigt alles Wissen und wird schweigen, solange irdisches Leben dauert, und doch ist’s auch da nicht ganz Nacht geblieben; die Aussprüche unseres Herrn stehen da wie helle, liebliche Sterne; sie sind fest und herrlich glänzend auf diesem nächtlichen Grunde, aber sie sprechen mehr zum Herzen, als daß ich sie begreifen und fassen könnte. Des Heilandes eigene Auferstehung steht wie ein Morgenrot am Himmel, und ‚wo ich bin, da soll mein Diener auch sein‘, und ‚in meines Vaters Hause sind viele Wohnungen, und ich gehe hin, euch eine Stätte zu bereiten‘, das sind Morgensterne. Aber mehr als dieses Ahnen gibt mir die Lehre meiner Kirche auf Grund der Schrift, die Lehre von der Kirche selbst, welche ist die Gemeinde der Erlösten im Himmel und auf Erden, miteinander verbunden durch die Liebe, Gebet und gegenseitige Fürbitte.“ — „Und daß wir einen solchen Himmel voll Sterne der Verheißung haben, Lichter einer höheren Welt, die so fröhlich herunterleuchten, dafür sollten wir recht dankbar sein und in unserem Falle unseren Glauben daran üben und stärken.“ — Seine Tochter Helene[S. 102] führte ihm nun das Haus mit freundlichem Wesen und großer Umsicht, bis sie 1856 mit dem Kaufmann und Fabrikbesitzer Theodor Kretzschmar in Dresden den Bund fürs Leben schloß und das väterliche Heim verließ. Jetzt übernahm des Meisters jüngste Tochter, Elisabeth, die Führung des Hausstandes; sie hat bis an des Vaters Lebensende, achtundzwanzig Jahre, seiner gewartet und ihn gepflegt mit aller und seltener Hingebung und Aufopferung, wie es ein weibliches Wesen nur vermag. Sie hat ihm die Augen geschlossen, als der Herr den Wandermüden zu sich rief, lebte dann lange[S. 103] in Bad Boll, das sie mit ihrem Vater bei dessen Lebzeiten so gern aufsuchte, und lebt jetzt ganz zurückgezogen in der Nähe von Dresden. — Es wuchs eine Schar blühender[S. 104] Enkel (vier Mädchen und zwei Knaben) in des Schwiegersohnes Kretzschmar Hause heran; hier weilte der Meister so gern, und diesem glücklichen Familienleben hat er so manches Motiv entnommen; wir erinnern nur an das eine Blatt aus „Fürs Haus“: „Großvaters Leiden und Freuden in der Kinderstube.“ Ein Enkelchen kämmt den geduldigen Großvater, ein anderes bringt ihm Puppen und Bilderbücher, und das Bübele zeigt ihm seine neue Trompete. Die Zeichnung, die vor dem erwähnten Holzschnitt entstand, auf der die Enkel porträtähnlich sind, auch der Großvater des Meisters Züge trägt, stiftete er für die Kinderstube des Kretzschmarschen Hauses. Die Enkel sind längst verheiratet und die vierte Generation bereits erblüht, der liebe Vater Kretzschmar hat das Zeitliche 1900, kurz nach vollendetem 83. Lebensjahre, gesegnet.
In Loschwitz hat Richter viel nach der Natur gezeichnet, viele seiner Holzschnittbilder und Aquarellen geschaffen. Wie oft sah ich ihn „in seinem stillen Taborplätzchen“, wie er sein schlichtes Hüttchen oben am Berge gern nannte, an seinem Arbeitstisch! Durch die von Weinreben umrankten Fenster schaute man über Obstbäume und Gärten und blühende Büsche, über Hügel und Täler, über Felder und Wälder und über den wie Silber glänzenden Elbstrom in die weiten, blauen Fernen des Erzgebirges oder nach der im Sonnenduft schwimmenden Stadt und nach den Weinbergen der Lößnitz, nach der alten Markgrafenstadt Meißen zu. In den an der Rückseite des Hauses sich anschließenden Waldungen, fern vom Geräusch der Stadt, erging er sich gern, in Betrachtungen versunken, und dachte am Spätabend seines Lebens viel über seine arbeitsreiche Künstlerlaufbahn und über die Wege, die ihn der Herr geführt, nach. Fast jeden Morgen suchte er den alten Freund, Münzgraveur Krüger, auf, den originellen Junggesellen, der im einsamen Häuschen oben am Waldesrande hauste (siehe Abb. 171), — oder er wandelte in schattigen Waldwegen, oft von Freunden oder den Seinen begleitet, in anregendem Gespräch und Gedankenaustausch. Der Dichter Dr. Moritz Heydrich, Verfasser des Lustspiels „Prinz Lieschen“, der sich mit dramaturgischen und literarhistorischen Studien beschäftigte, eine gutherzige frische Natur, empfänglich für alles Gute und Schöne, bewohnte in stiller Zurückgezogenheit ein kleines Häuschen in[S. 105] Loschwitz, an halber Höhe des Berges gelegen, über dessen Eingangstür er die Worte „Immer heiter, Gott hilft weiter“ hatte anbringen lassen. Er hatte sich auf allerhand Umwegen zu einer christlichen Glaubensüberzeugung durchgerungen und schloß sich in aufrichtiger Liebe und Verehrung an Richter an. Er holte unseren Altmeister des öfteren zu Spaziergängen in den Wald ab. Auf solchen Spaziergängen wurde viel über die höchsten Dinge gesprochen. Thomas Carlyles und Charles Kingsleys treffliche Schriften und Anschauungen, mit denen sich Heydrich viel beschäftigte, bildeten gar oft den Stoff ihrer Unterhaltungen. Heydrich erwähnt in der von ihm bei Gelegenheit der Enthüllung des Richterdenkmals in Loschwitz am 28. September 1884 gehaltenen Rede diese Gespräche und läßt den Meister u. a. sagen: „Wie ist es hier so schön! Wie ist hier beim Blick vom Berge aus die weite Gegend so himmlisch schön! Ich danke Gott recht von Herzen, wenn ich die schöne Morgenluft hier im Walde einatme, die wie Balsam sich ans Herz legt, ans Herz, das in Gottes Stille ruht und in dieser Burg sich sicher fühlt, wie im Vorhofe des Himmels. Dies stille beglückende Wohlgefühl in der schönen, freien, ländlichen Natur ist ja doch nicht so wohl im Selbstvergessen, als im Vergessen des Leides, des Schmutzes, der allem Erdendasein anklebt. Psyche, die so oft eingekerkert ist, wird auf Momente hier frei, dehnt die Flügel und[S. 106] fühlt sich in ihrem Elemente, weil alles in Harmonie steht und ein seliger Frieden des ganzen Daseins sich bemächtigt.“ Heydrich machte unseren Meister mit Otto Ludwig, dem Verfasser von „Zwischen Himmel und Erde“ und der trefflichen „Shakspearestudien“ bekannt. Richter und Ludwig verstanden sich gut, begegneten sie sich doch in einem Punkte: beide strebten nach Einfalt, Schlichtheit und Wahrhaftigkeit.
In Loschwitz haben Richters Schüler viel Studien gesammelt und sich so manches Motiv zu Bildern geholt. Die alten behaglichen Hütten, die Waldwege und Stege, die lieblichen Wiesengründe, die Bäche und Mühlen, die bunten Gärtchen, Obsthänge und Weingelände, — wie wußte er den Schülern die Schönheit und Poesie dieser idyllischen Natur zu erschließen! Die strohbedeckten Häuser unter blühenden Linden- oder Obstbäumen, mit einem Blick in die blaue Ferne, waren ihm wie Bilder von Van Eyck.
Bei Gelegenheit eines Ausfluges von Ostende, wo er zur Stärkung seiner angegriffenen Nerven weilte, nach Brügge, schreibt er unter dem Eindruck der herrlichen Bilder Eycks und Memmlings am 19. August 1849 in sein Tagebuch: „Ich möchte jetzt nur meine sächsischen Gegenden und Hütten malen und dazu die Menschen, wie sie jetzt sind, nicht einmal mittelalterliches Kostüm. Ein Frühlingstag mit grünen Korn- und gelben Rübsenfeldern, jungbelaubte Linden- und Obstbäume, der Bauer, der da ackert im Schweiße seines Angesichts und auf Hoffnung von Gottes Segen, und die kleinen talkigen, unschuldigen Bauernkinder, die dem Vater einen Trunk bringen oder heiter spielen und Sträuße binden, da sie noch im Paradieszustände der Kindheit leben, während der Alte arbeiten muß; dazu Schwalben in der Luft, Gänse auf der Wiese und Goldammer im Gebüsch, der Hausspitz oder die Kühe auch bei der Hand; das alles, so recht treu, streng, innig und lieblich wiedergegeben in Memmlings Sinn und frommer, einfältiger und liebevoller Weise, das hätte gewiß Interesse und Bedeutung genug. Wir können nicht immer und nicht alle Heiligenbilder machen.“
Man nennt Ludwig Richter den Maler und Jean Paul Richter den Dichter der deutschen Gemütswelt. Unser Meister schreibt darüber, wie er Jean Paul mit innigster Freude betrachtet und in wie wundervoller Poesie dieser die Schönheit kleinster Verhältnisse[S. 107] und Dinge schildert: „Ist es nicht verdienstlich, auch in malerischer Form die Schönheit des Lebens und seiner Erscheinung, selbst in den kleinsten und gewöhnlichsten Gegenständen, aufzudecken? Die Liebe macht ja alles bedeutend und wirft einen Himmelsschimmer auf alles, was sie betrachtet. Was sie anrührt, wird Gold.“
Richter verstand es wie wenige Künstler, dem kleinen und engen Erdendasein Schönheit abzugewinnen und es in künstlerisch-schöner Form wiederzugeben; ihm war ein Hüttchen am blumigen Hang unter Obstbäumen mit dem stillen Getriebe seiner Bewohner der Darstellung wert; er verstand es, uns solch ein einfaches Motiv sympathisch ans Herz zu legen, solche einfache Vorwürfe in der ihm eigenen Art in Form und Farbe und immer mit entsprechender reizvoller und liebenswürdiger Staffage belebt, künstlerisch beseelt zu verklären. — Seinen Schülern gegenüber war unser Meister sehr teilnehmend und ermunternd. Seine Schule trägt ein ganz bestimmtes Gepräge; die Zeichnungen seiner Schüler haben einen ganz bestimmten Typus. Leicht mit der Feder gezeichnet oder leicht mit Farben angehaucht, angetönt, haben sie etwas von der Innigkeit des Meisters in der treuen Wiedergabe der Natur, je nach der individuellen Veranlagung, wie das ja selbstverständlich ist; auch in der Art der Staffage ist ein gewisser Schnitt unverkennbar. Es geht ein liebenswürdiger Zug durch alle Arbeiten aus seiner Schule.
Zu Anfang ließ er die jungen Schüler die ihm von früher Jugend an so lieb gewordenen landschaftlichen Radierungen J. C. Erhards oder die des geistreichen Franzosen Eugen Bleury oder solche von A. van Everdingen, A. Waterloo, H. van Svanefelt, J. de Boissieu oder Zeichnungen nach der Natur von ihm, seinem Jugendfreund Oehme oder von seinen früheren Schülern in Blei, Feder oder Aquarell kopieren. Die köstlichen Federzeichnungen von Franz Dreber bevorzugte er besonders und wußte auf das eingehendste die Schönheiten solcher Zeichnungen, das Besondere oder Eigenartige in der[S. 108] Auffassung des Gegenstandes, dem Studierenden klar zu machen, das Verständnis zu fördern und ihn für die Arbeit zu begeistern. Daß es ihm oft schwer wurde, mit dem weniger veranlagten Schüler etwas „anzufangen“, besagt eine Stelle aus einem Briefe: „Das Atelier macht mir jetzt wenig Freude, obwohl alle (Schüler) recht liebe Leute sind, nur zu viel Prosa und damit verstehe ich nichts zu machen.“ Wer lehrt oder gelehrt hat, gleichviel in welchem Fache, weiß, wie schwer es ist, dem weniger Veranlagten als Lehrer wirklich „etwas zu sein“. Obwohl es ihm ganz fern lag, bestimmenden Einfluß auf die Schüler auszuüben, wirkte doch die Macht der Persönlichkeit des edlen Meisters auf die Nachstrebenden. Er wußte, wie wenige Lehrer, das heilige Feuer der Begeisterung in seinen jungen Schülern anzuzünden und ihnen die Augen zu öffnen für das Verständnis der altdeutschen Meister, vor allem der Brüder van Eyck, Memmlings und Dürers, der großen Niederländer Rubens und Rembrandt, für Holbein und den großen Venezianer Tizian, ganz besonders aber für die Romantiker, Schwind obenan. Wie verstand er, die Schüler für seine Kunstideale zu erwärmen und sie auf die eigentlichen Aufgaben wahrer Kunst hinzuweisen! Gern zog er hierbei das Gebiet der Literatur, in dem er wohl bewandert war, mit heran und versuchte, Kunst und Literatur mit- und durcheinander vergleichend, seine Anschauungen zu begründen. Durch derartige Belehrungen, an welche sich oft die eifrigsten Disputationen anschlossen, wurde so manches Samenkorn in die jungen Künstler versenkt. — Solcher höchst anregender Gespräche erinnere ich mich gern; sie fielen meist in die Zeit der beginnenden Abenddämmerung, in welcher der würdige Meister des öfteren zwanglos zum Atelier kam, das neben seiner Wohnung lag, im üblichen grauen[S. 109] Hauspelz, mit der langen holländischen Tonpfeife. — Das Studium der Natur war ihm das Wichtigste, und wenn der Frühling eingezogen war, litt er keinen der Schüler mehr im Atelier, dann mußten sie hinaus und sammeln und arbeiten für den Winter. Es gehörte gewissermaßen zu den feierlichen Momenten, wenn im Spätherbst das ganze Ergebnis der Arbeiten des Sommers dem Meister vorgelegt und etwaige Pläne zur Verwertung der Studien besprochen wurden, sofern nicht schon Entwürfe für Bilder nach den Studien vorhanden waren. Mit wenigen Worten wußte er die Phantasie anzuregen und Fingerzeige zu geben, in welcher Art dies oder jenes Motiv, sei es durch Beleuchtung oder Staffage, künstlerisch zu gestalten und zu verwerten sei. Oft griff er dabei ein und rückte, mit sicherster Hand ordnend, die Pläne zusammen, und man konnte sicher sein, daß es dann das Rechte war. Nach den alten Meistern in der Gemäldegalerie mußten die Schüler skizzieren und kopieren. Das Studium der menschlichen Figur hielt er für unerläßlich nötig und äußerst wichtig für den Landschaftsmaler; er betonte, wenn er zu diesem Studium dringend ermahnte, wie die Figurenmaler aller Zeiten doch eigentlich das weitaus Hervorragendste in der „Landschaft“ geleistet, und wies dabei immer besonders auf Tizian hin. Die historische Landschaft war ihm die höchste Aufgabe (nur wollte er von dem „Poussinschen Rezept“ nichts wissen), er freute sich herzlich, wenn er unter vorgelegten Entwürfen solche sah, die aufs „Historische“ hinzielten. Der Hoffsche Katalog zählt fast die ganze Reihe seiner Schüler aus der Dresdener Zeit auf. Schon an früherer Stelle wurde einer seiner ersten Schüler in Dresden, Dreber, als der talentvollste, und Hasse genannt. Mehrere sehr veranlagte Schüler, Heinrich Müller, W. von Döring, L. Nitzschke und H. Lungwitz, gingen Ende der 40er Jahre, ihrem Freiheitsdrange folgend, nach Amerika. Von den Schülern aus den sechziger Jahren seien nur Adolf Thomas, C. W. Müller und Albert Venus, aus dem Anfang der [S. 111]siebziger Jahre Rudolph Schuster genannt. Letzterer hat auch eine Reihe tüchtiger Ölbilder in Düsseldorf, Stuttgart, Berlin usw. gemalt, wurde aber durch Krankheit vielfach an freierer Entfaltung seines Talentes verhindert. Das betrifft die Landschaftsschule. Eine eigentliche Schule für das Illustrationsfach hat Richter nicht gemacht. Wie und was sollte er hier auch lehren? Sein Schaffen darin hatte etwas „Unbewußtes“, „wie der Blütenbaum, der von seiner Pracht nichts weiß“. Aber anregend und befruchtend hat er auf das ganze Illustrationsgebiet und auf die Entwickelung des Holzschnittes gewirkt. Ein Richterscher Holzschnitt mit seinem kräftigen gesunden Strich wirkt heute nicht veraltet, er hält sich neben der sonst so anders gewordenen Art und dem später herrschenden Streben, die diesem Kunstfache gezogenen Grenzen zu verschieben, [S. 115]die einfache schlichte Art der Formengebung durch dem „Kupferstich“ ähnliche Tonwirkung zu steigern. Gegenwärtig ist der Holzschnitt ebenso wie der Kupferstich durch die verschiedenen mechanischen Reproduktionsverfahren fast ganz verdrängt. Der Holzschnitt dient fast ausschließlich nur noch der Industrie, der Kupferstich wird noch mühsam durch die Kunstakademien über Wasser gehalten. Nur die Radierkunst wird seit längerer Zeit wieder eifriger gepflegt.
Unser Altmeister fühlte sich in den letzten Jahren seines Lebens mehr und mehr vereinsamt, er schreibt zu Anfang des Jahres 1871 nieder: „Unsereins fühlt sich jetzt als Künstler unter seinen Berufsgenossen wie ein Fremdling, welcher die Sprache der anderen nicht versteht und von ihnen nicht verstanden wird. Was man schätzt und liebt und hochhält, daran geht die jüngere Generation kalt und unberührt vorüber; was sie hochpreist und entzückt bewundert, erregt unsere Teilnahme wenig.“ Weiter schreibt er auch 1882: „‚Propheten und Sibyllen male ich nicht, denn ich habe noch keine gesehen‘, sagte N. N. Freilich laufen in den Gassen der Stadt keine mehr herum, aber eben der ideale Mensch sieht sie in seinem Innern und etwas von ihnen zuweilen auch außen. Vor allem muß er aber eine Verwandtschaft mit ihnen selbst haben; denn in dieser Sphäre kann sich nur das Verwandte wirklich erkennen.“ Am 15. August 1870 schreibt er an seinen Freund Thäter in München: „Ich komme mir jetzt vor wie ein Schauspieler, der, von der Bühne heruntergestiegen, in den Reihen des Publikums sitzt und sich nun von anderen Kollegen was vorspielen läßt, denn meine künstlerische Tätigkeit reduziert sich beinahe auf Null — teils, weil meine Augen so schlecht geworden, auch die Hand sehr unsicher ist, hauptsächlich aber, weil die Phantasie sehr lange ausruht, ehe sie wieder einmal — nicht zum Auffliegen — nein, nur zum Aufstehen kommt. Die nervösen Zufälle im vorigen Jahre haben mich nun in der Tat alt gemacht; das fühle ich, und schon lange gehe ich mit dem Gedanken um, mich pensionieren zu lassen und ganz vom Kunstschauplatz zurückzuziehen; wenigstens von den akademischen Tätigkeiten, die mir keine Freude machen und in welchen ich vermöge meiner Kränklichkeit nicht mehr belebend wirksam sein kann. Es muß junges Blut an die Stelle der Alten.“ — In den Lichtungen des Loschwitzer Waldes wurde mit Eifer an den Sonntagnachmittagen, wenn die zahlreichen Glieder der Familie versammelt waren, Boccia gespielt, jenes bekannte italienische Spiel, bei dem mit Holzkugeln nach einem Ziele, dem Lecco, geworfen [S. 117]wird. Wie war der Altmeister mit Interesse dabei, selbstverständlich aber nie leidenschaftlich erregt, immer gleich freundlich und liebenswürdig!
In dem damals noch einfachen, ländlichen Gasthof in Loschwitz trafen an einem bestimmten Abend in der Woche in den Sommermonaten die Genossen vom Stammtisch des Winters zusammen. In liebenswürdigster Unterhaltung wußte unser Altmeister immer den Gesprächen eine ernstere Wendung zu geben, war immer anregend und geistig belebend, oft schalkhaft launig und konnte auch recht herzlich lachen; immer lag aber über seinem Wesen eine wohltuende Stille und Zartheit. Die Stammtischgenossen waren meist hohe Staatsbeamte, Professoren von verschiedenen Lehranstalten und unser Münzgraveur Krüger, Peschel, des Meisters Sohn und Schwiegersohn, Dr. Heydrich, Bildhauer Professor Dr. Gustav Kietz, der Freund Richard Wagners, dem wir ein treffliches Buch „Richard Wagner in den Jahren 1842 bis 1849 und 1873 bis 1875“ verdanken (Dresden, Carl Reißner), und so mancher andere treffliche Mann. Beim Nachhausegehen war unser Münzgraveur stets der Lichtspender; er kam nie zu solchen Abenden, [S. 119]ohne sein Laternchen mitzubringen, und in den dunklen Weinbergswegen leistete das auch seine guten Dienste. Unserem Meister waren freilich die Wege längst vertraut. Wie oft in der langen Reihe von Jahren ist er dieselben hinauf- und hinabgestiegen! Künstlerische Gestalt haben solche Abende z. B. gewonnen in dem Bilde: „Bürgerstunde“ (Abb. 141). Der „Eingeweihte“ fand in solchen Bildern Richters oft Gestalten aus der Tafelrunde. Des Abends nach dem Abendbrot ging er oft noch im Vorgärtchen des Häuschens, in dem er die Sommermonate zubrachte, mit sich beschäftigt, auf und ab, im Nachdenken über manches Schwere, das ihm zu tragen beschieden war. Besonders sein Sohn Heinrich, der so viel an Melancholie litt, machte seinem Vaterherzen große Sorgen. Wir finden in der Biographie eine Aufzeichnung vom 28. August 1872: „Ich ging des Nachts im Weingang vor dem Hause auf und ab. Das niedere Häuschen lag schwarz vor mir, die Haustür offen und vom Licht in der Küche erhellt. Oben funkelte das Sternbild des ‚Himmelswagen‘ über dem Dache. Es war mir so traurig im Herzen über das viele Elend auf Erden. Und gibt es denn etwa noch mehr Not und Jammer auch auf all den Sternen? Vielleicht sind das aber Welten voll Jauchzens oder voll stillseligen Glückes?“ Wir sehen, wie seine Seele leidet unter der Last, wie er die Blicke nach oben richtet.
Wie oft habe ich den würdigen Greis in diesem Weingang wandeln sehen, wie oft ging ich im Gespräch an seiner Seite! In stiller, friedlicher Abgeschlossenheit lag des Meisters kleines Asyl, in dem er in den letzten zwölf Jahren mit seiner Tochter Elisabeth die Sommermonate zubrachte, in Obstbäumen und Weinstöcken halb versteckt, abseits von den modernen Villen und vom lärmenden Fremdenverkehr, so ganz nach seinem Sinn. Kleine, niedrige Zimmer zu ebener Erde, die auf einen Flur mündeten, von dem man in den Garten und durch den Weingang zur Gartentür gelangte; vor der Tür wogende Kornfelder, hinter denen sich der Wald erhob. 1871 schrieb er nieder: „Ein stilles, friedliches Daheim, ein kleines, freundliches Asyl, mit einem Blick ins Weite, in das kleinste Stück Natur, mit der Kunst und mit Gott, ist mir das[S. 120] Beste, Liebste und Höchste. Alles so äußerliche, bloß kluge, anspruchsvolle und dem Schein huldigende Treiben, wie es jetzt in den großen Städten vorherrscht, ist mir im Innersten zuwider.“ In der Hauptsache entsprach dieses Häuschen seinen bescheidenen Wünschen und Anforderungen, und wie war es hier so traulich, bei ihm zu sitzen und ihm zuzuhören oder ihm vorzulesen, wie war er immer mitteilsam und voller Interesse für alles das, was in seinem Ideenkreise lag! Man ging nie von ihm, ohne irgend welche Anregung empfangen zu haben, und wie war er dankbar, wenn man ihm, dem mehr und mehr Vereinsamten, von der Welt draußen berichtete, von den neuen Strömungen in der Kunst ihm mitteilte, die nach ganz anderen Zielen als die seinen drängten. Mit seinen schwachen Augen konnte er neue Bilder ja kaum mehr sehen! Am Silvesterabend 1874 schreibt er nieder: „Die letzten Lebensjahre haben mich zu tieferer Einkehr und Prüfung geführt, ich danke Gott von Herzen dafür und fühle in mir einen Frieden und ein Glück, wie es die Welt nicht geben kann. Der Herr sei ewig dafür gelobt!“ Freilich wurde ihm dieser innere Friede oft genug gestört, aber er blieb stets ruhig und gottergeben.
Liebe Erinnerungen sind mir zwei Ausflüge, welche die Mitglieder des Stammtisches unternahmen. Der erste, um die Mitte der siebziger Jahre, führte über Aussig und Camayk bis Leitmeritz, in die Gegenden, in welchem ihm, italienkrank, vor vierzig Jahren zum erstenmal wieder die Augen für die Schönheiten der deutschen, vaterländischen Natur geöffnet wurden. Wie war unser Meister trotz seiner siebzig und mehr Jahre frisch und heiter, wie freute er sich, wie lachte ihm das Herz, als er an der von Eichen umschlossenen „Eiskapelle“ oberhalb Camayk stand, wo er vor vielen Jahren mit seinen Schülern geweilt, von wo der Blick in glänzende, zitternde Fernen des schönen gesegneten Böhmerlandes sich verliert und man den Lauf des silbernen Elbstromes weit, weit verfolgen kann, wo draußen Burgen und Ruinen, Städte und[S. 121] Dörfer, Felder und Wälder und schönlinige Bergzüge im Sonnenglanz verschwimmen! Er sah das schöne Land zum letztenmal, sein Fuß hat es nicht wieder betreten. Der zweite Ausflug führte nach einer romantisch im Wald liegenden früheren Besitzung v. Quandts in Dittersbach bei Pirna, in der Peschel in Lünetten einer Gartenhalle Bilder zum Erlkönig, König von Thule usw. al fresco ausgeführt hatte. Diese Besitzung war auch deshalb noch von besonderem Interesse, weil v. Quandt hier des öfteren die bedeutendsten Künstler Dresdens, unter diesen auch den hochbedeutenden Architekten Gottfried Semper, um sich versammelte. Semper teilte Richard Wagners Schicksal, auch er war in die Dresdener Maiereignisse von 1849 verwickelt und mußte flüchten. Weitere schöne Erinnerungen sind mir die Weihnachtsfeste, welche die gesamte vielgliederige Familie im Hause des Schwiegersohnes Theodor Kretzschmar feierte und denen ich seit 1873, seitdem ein verwandtschaftliches Verhältnis mich noch enger mit dem Meister verband, mit beiwohnen zu dürfen das Glück hatte. Unter dem lichterglänzenden Tannenbaum scharten sich all die Kinder, Schwiegerkinder und die fröhlichen Enkel und die weiteren Verwandten, zu denen auch Peschel zählte, um den würdigen, auch in seiner äußeren Erscheinung wirklich Ehrfurcht gebietenden Senior der Familie. Mit wieviel Liebe und Güte und Freundlichkeit verkehrte er mit all den Seinen! Und doch hatte er seinen Kindern und Enkeln gegenüber etwas Zurückhaltendes, etwas Unnahbares, Reserviertes. In den Zeiten, in denen er aufgewachsen, war das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern sehr viel anders als heute gewesen; schon an sich [S. 123]charakteristisch für diese Zeit war, daß in vielen Familien bis in die sechziger Jahre Vater und Mutter mit „Sie“ angeredet wurden. In des Meisters Hause herrschte freilich das „Du“, wenigstens solange ich mich entsinnen kann. — Am 9. September 1875 schreibt er aus Wildbad Gastein, das er seines Nervenleidens wegen wieder[S. 124] sucht: „— — Wir haben hier viel liebe und zum Teil sehr interessante Menschen kennen lernen und ich bin diesmal fast gewaltsam aus meiner Stille in einen großen Verkehr gezogen worden. Es fiel mir das oft recht schwer, weil das Bad meine alten Übel, große Abspannung und Schlaflosigkeit, viel mehr steigerte als verminderte. Ich hoffe bei alledem einen guten Erfolg. — — — Hoffentlich sehen wir uns in nächster Woche; denn trotz der großen Schönheit hiesiger Natur, die ich so leicht nicht vergessen[S. 125] werde, stellt sich doch die Sehnsucht nach dem lieben Daheim mit den vertrauten Lieben recht heftig ein.“ —
In den letzten fünfzehn Jahren ging der Altmeister fast jährlich nach Bad Boll in Württemberg, zu den hoch bedeutenden evangelischen Pfarrern Blumhardt, Vater und Sohn. Hier in der herrlichen Luft, in so anregendem und ihn besonders interessierendem Verkehr mit diesen beiden Männern und mit so manchem, der das Gleiche wie er suchte, erfrischte und stärkte er sich immer für die lange Winterszeit, die ihm besonders viel schlaflose Nächte brachte. In einem Briefe vom 18. Mai 1880 schreibt er aus[S. 126] Boll: „Vor acht Tagen sind wir hier angekommen und haben seitdem die wundervollsten Frühlingstage durchlebt. Ich bewohne ein Eckzimmer in schönster Lage, und vom ehrwürdigen Gipfel des Hohenstaufen und des Rechberg, wie aus dem nahen Eichenwald weht eine so erfrischende, balsamische Luft mir entgegen, daß man sie mit Entzücken[S. 127] einatmet, dazu mittags und abends die Gesellschaft des höchst geistvollen Christoph Blumhardt und einiger sehr interessanter Persönlichkeiten — Herz! was willst du[S. 128] mehr? Ich fühle mich hier sehr glücklich und danke Gott dafür. Könnten nur alle die Lieben da sein, die ich mir herwünschte, sie würden sich mit mir freuen!“ — — In einem Briefe vom 4. August 1882 schreibt er ebendaher: „— — hier in Boll bin ich in einer Stimmung, die mich an Uhlands Gedicht ‚Die verlorene Kirche‘ erinnert, welches Kietz mir vor einiger Zeit zufällig vorlas und das ich im Schlußblatt zum ‚Täglichen Brot‘ (siehe Abb. 159) im Sinn hatte. Boll hat nach außen und innen etwas davon! — — — befinde ich mich doch so, daß ich ganz zufrieden bin, und die mannigfaltigen geistigen Anregungen geben täglich reichen Stoff zum Nachdenken und Besprechen.“ —
Kaiser Wilhelm I. hatte im Jahre 1871 dem Komponisten der „Wacht am Rhein“ und dem Schöpfer des Hermannsdenkmals auf dem Teutoburger Walde einen Ehrensold ausgesetzt. Der Bildhauer von Bandel war der erste von beiden, der das Zeitliche segnete, und nun wurde am 11. Oktober 1876 unser Altmeister vom Kaiser mit diesem Ehrensold auf Lebenszeit bedacht. Am 1. Dezember 1876 trat unser Meister nach einer achtundvierzigjährigen Dienstzeit in den wohlverdienten Ruhestand. Das Ministerium des Innern hatte mit König Alberts Genehmigung in Anerkennung seines künstlerischen Wirkens den Ausfall am Gehalt als „Ehrengehalt“ ersetzt, den die Landstände ihm dann auch bestätigten, so daß ihm sein seither bezogener voller Gehalt als Pension verblieb. Von der Mitgliedschaft des „Akademischen Rates“ wurde er aber noch nicht enthoben, er mußte an den Sitzungen desselben nach wie vor noch teilnehmen, was ihm sehr beschwerlich war; aber er blieb dadurch doch noch in Verbindung mit der Akademie und fühlte sich nicht so ganz abseits.
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Vor seinem Abgänge von der Kunstakademie bereitete die Dresdener Künstlerschaft unserem Meister am 9. März 1876 ein wohlgelungenes Fest. Die Festteilnehmer erschienen als Richtersche und oft recht drollige Figuren; die einzelnen zusammengehörigen Gruppen brachten dem Meister ihre Huldigung dar; es gab dabei sehr lustige Szenen; [S. 132]Hermann und Dorothea waren wohl ein dutzendmal vertreten, und Hermann hatte dreißig oder mehr Mütter. Obwohl er schweren Herzens — ihm waren alle offiziellen Feiern, und nun gar ihm selbst bereitete, etwas Unbequemes — zu der Feier sich begab, war er doch sichtlich ergriffen ob all der Liebe und Verehrung, die ihm, wie er liebenswürdigst behauptete, so unverdient entgegengebracht wurde.
Am 18. Februar 1878 wurde er, auf sein dringendes Ansuchen, aus dem „Akademischen Rat“ der Kunstakademie entlassen. Die Sitzungen waren ihm mit der Zeit eine immer schwerere und drückendere Last geworden. Am 22. Dezember 1878 ernannte ihn die Stadt Dresden zum Ehrenbürger.
Das Augenleiden hatte sich in den letzten Jahren so verschlimmert, daß er kaum noch lesen konnte. Es waren auf der Netzhaut der Augen durch Springen und Vernarbungen von Blutgefäßen unempfindliche Stellen entstanden, die nicht mehr funktionierten, so daß er die Dinge um sich her nur teilweise sah. Schreiben konnte er nur noch mit Hilfe der Lupe, er fand die Zeilen nicht mehr und schrieb oft durcheinander, wie der angefügte Brief zeigt.
Im Jahre 1880 ungefähr schreibt er einmal: „Außer dem Evangelium, das göttliche Gesundheit atmet, lese ich jetzt nur Goethe und Jeremias Gotthelf, allerdings eine wunderliche Zusammenstellung, aber mir ist wohl, wenn ich dabei bin.“ Jeremias Gotthelf war ihm ein Lieblingsschriftsteller geworden. Dieser kernige, gesunde Schweizer verstand es, unseren Meister zu fesseln, wie er auch Cornelius gefesselt hatte. Die wuchtigen, markigen Männergestalten mit all ihrem germanischen und bäuerlichen Eigensinn und ihren Schrullen und Ecken und ihrem trefflichen inneren Kern, die Männer,[S. 133] die mit dem Mist an den Stiefeln in die Stube treten, im Gegensatz zu Berthold Auerbachs Bauern, die sich erst säuberlich vor der Tür die Stiefeln abstreichen, — die entzückend geschilderten Mädchen- und Frauengestalten, die kerngesunde Charakteristik, — [S. 135]das alles packte und fesselte ihn. Die reizende kleine Erzählung, das „Erdbeer-Mareili“, die ans Romantische streift, war ihm besonders lieb. Gestalten wie Uli der Knecht und der Hagelhans und dessen Tochter Vreneli waren nach seinem Sinn. Fritz Reuters urgesunder Humor und ausgezeichnete Charakteristik erfreuten ihn; er hat beim Vorlesen aus der „Stromtid“, aus der „Franzosentid“ und den übrigen Werken oft herzlich gelacht. 1868 war Richter mit Skizzen zu Gotthelfs und Fritz Reuters Schriften beschäftigt, ließ aber diesen Plan wieder fallen und zeichnete statt dessen die Folge „Gesammeltes“. Charles Dickens’ (Boz’) Werke, so dessen David Copperfield und andere, haben ihm immer sehr behagt.
Vor allem schätzte er aber Goethe und Shakespeare, wie wir das aus seinen Aufzeichnungen schon ersahen. Eine besondere Vorliebe hatte er für die Romantiker, wie Tieck, Novalis, Clemens Brentano. Hier war die romantische Richtung aus der Zeit seiner Jugend bestimmend für sein ganzes Leben, wenn er auch in späteren Jahren sehr klar sah, was in jener Zeit krankhaft und gemacht war. Brentanos herrliches Fragment „Aus der Chronika eines fahrenden Schülers“ schätzte er ganz besonders; er hat dazu das prächtige Blatt „Die Laurenburger Els“ im „Gesammelten“ gezeichnet. Brentanos Märchen, herausgegeben von Guido Görres, vor allem das „Vom Rhein und dem Müller Radlauf“, die Romanzen vom Rosenkranz und die Aufzeichnungen der Visionen der Nonne von Dülmen, Katharina Emmerich, letztere wegen des Anregenden für die Darstellung der Leidensgeschichte Christi, interessierten ihn sehr. Den würdigen Matthias Claudius hatte er besonders ins Herz geschlossen; wie oft habe ich ihn rezitieren hören:
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Die angeführten Strophen, von denen er bei Gelegenheit sagt: „Jede Zeile eine Perle!“ — „enthielten für Richters Denk- und Empfindungsweise die Quintessenz aller praktischen, christlichen Lebensweisheit“. Auch für die Schriften Gottfried Heinrich von Schuberts, die wissenschaftlichen wie die erbaulichen, hatte er das größte Interesse; er nennt ihn in der Biographie neben Kempis und Claudius seinen Lehrer und Führer; er lernte ihn 1850 persönlich durch Schnorr in München kennen. „Schubert galt ihm als der protestantische und der edle Bischof Sailer von Regensburg († 1832) als der katholische Hauptvertreter jener milden Geistesrichtung, welche das Christentum universell zu fassen weiß und die konfessionellen Gegensätze und formalen Differenzen innerhalb der Christenheit nicht zu Schranken werden läßt, durch die sich glaubensbedürftige Menschen innerlich voneinander getrennt sehen.“ „Sailers Gebetbuch, Kempis und der alte Claudius tuen mir am wohlsten, und vor Allem die Bibel“, schreibt er 1873; (das Gebetbuch schenkte er seiner Enkelin Margarete als Mitgabe in den Ehestand). Eckermanns Gespräche mit Goethe, Richard Rothes „Stille Stunden“ und das von Fr. Nippold herausgegebene Buch „Richard Rothe, ein christliches Lebensbild“, auf Grund der[S. 139] Briefe Rothes entworfen (Wittenberg, Herm. Kölling), waren ihm höchst wertvoll und hochsympathisch.
Mit hoher Begeisterung betrachtete er die Werke Joseph Führichs, die dieser hochbegabte Künstler in den letzten fünfzehn Jahren seines Lebens dem deutschen Volke darbrachte. Die auffallend freiere Entfaltung dieses großen Talentes in dessen späteren Jahren, das hohe Stilgefühl, die Romantik und die tief religiöse Anschauung erregten seine größte Bewunderung. Die Bilder zum Bethlehemitischen Weg, zu Thomas von Kempens vier Büchern von der Nachfolge Christi, zu den Psalmen usw. bereiteten ihm bei ihrem Erscheinen eine wahre Herzensfreude. Auch die Overbeckschen sieben Sakramente erfüllten ihn, als er sie um 1865 zum erstenmal sah, mit aufrichtiger Bewunderung, obwohl in den späteren Overbeckschen Werken im Gegensatz zu dessen Jugendarbeiten ihn manches innerlich weniger berührte; hier aber schien ihm Overbeck auf der Höhe zu stehen. Daß ihn die Werke Rethels, dieses größten Meisters auf dem Gebiet der Geschichtsmalerei im neunzehnten Jahrhundert, dessen „Totentanz“, die Kompositionen zu den Fresken für den Rathaussaal in Aachen aus dem Leben Karls des Großen, ferner der „Tod als Freund“ und der „Tod als Erwürger“ und die früher erwähnten Bibelblätter aufs höchste mit Bewunderung erfüllten, versteht sich von selbst. Von den Kartons für Aachen sah er einige in Dresden entstehen. Er sprach oft über den den Sturz der Irmensäule darstellenden Karton, und wie ihm ganz besonders die stilvolle und so eigenartig behandelte Landschaft behagte.
Von Cornelius’ Kunst hatte er immer einen mächtigen Eindruck. Mit ungewöhnlichem Interesse stand er Mitte der siebziger Jahre, als er von einem Aufenthalt auf Sylt auf der Rückreise Berlin berührte, vor den Camposantokartons in der Nationalgalerie.[S. 140] Die Cornelianischen „Nachtreter“ lehnte er ab; hier sah er sicher und klar, was „Eigenes“ war, und zitierte oft scherzend, wenn er vor „cornelianisch“ sein sollenden Kompositionen stand: „Wie er sich räuspert und spuckt, das haben sie ihm glücklich abgeguckt.“ Besonders hoch hielt unser Meister auch die Werke von Ludwig Knaus. Bei Gelegenheit eines Besuches in der Privatgalerie von Johann Meyer in Dresden, wo die beiden Bilder „Durchlaucht auf Reisen“ und die „Beerdigung auf dem Lande“ dieses größten deutschen Genremalers des neunzehnten Jahrhunderts sich befinden, wurde er nicht müde im Betrachten, kam auch immer wieder auf diese beiden Werke zurück. Die treffliche Charakteristik in beiden Gemälden, die scharfe Beobachtung, die Individualisierung jeder einzelnen Gestalt, und nun gar der liebenswürdige Humor in „Durchlaucht auf Reisen“ und die meisterhafte Durchführung beider Bilder machten den größten und nachhaltigsten Eindruck auf ihn. Das in der Dresdener Galerie befindliche Bild von Knaus „In der Kunstreiterbude“, die Unterhaltung eines Roués mit einer „Kostümierten“, war ihm des dargestellten Gegenstandes wegen unsympathisch; er war darüber ungehalten, daß man von diesem von ihm so hochgeschätzten Meister gerade dieses Bild erworben hatte. Über die Ausstellung in München 1869 schreibt er: „Mich interessierten nur die Bilder von Knaus und Steinles ‚Christus geht bei Nacht mit den Jüngern‘ und sein herrlicher Karton in Farben: ‚Schneeweißchen und Rosenrot‘. Ähnliches möcht’ ich machen!“ Für die Landschaften von C. F. Lessing aus dessen früherer Periode hatte Richter eine besondere Vorliebe; im Städelschen Institut in Frankfurt a. M. befindet sich ein Bild von diesem Meister: Unter schattigen Bäumen am Brunnen ruht ein Ritter, draußen sieht man auf braune, im Mittagssonnenschein glänzende Heide; dahinter dunkler Wald. Dieses Bild liebte er sehr, er besaß eine kleine Nachbildung davon, die er gern und mit großer Freude betrachtete.
Sein Haus war schlicht und einfach, ebenso sein Tisch anspruchslos bürgerlich; er sah gern einen oder zwei Tischgäste bei sich, selbstverständlich möglichst Nahestehende aus der Verwandtschaft, dann war er ungeniert und konnte in dem gewohnten Hauspelz sitzen. Das kurze Tischgebet sprach er schlicht und einfach, daß man ihm mit Ehrfurcht folgen mußte. Bei Tisch pflegte er eine gleichmäßig freundliche Unterhaltung und würzte das Mahl durch manchen trefflichen Gedanken, dabei immer demütig und voll innerster und wahrster Herzensgüte. Seit einer Reihe von Jahren sorgte ein Hamburger Kunstfreund (ich denke, es ist in dessen Sinne, wenn ich seinen Namen verschweige) für vorzügliche Weine und sonstige Stärkungsmittel, deren sein hohes Alter bedurfte. Wenn er solch kostbaren Stoff kredenzte, gedachte er stets mit rührender Dankbarkeit, aber immer im Gefühl des Unverdienten, des freundlichen Spenders. Ebenso einfach waren[S. 141] die Abende bei ihm; vor dem Abendtisch wurde eine, auch zwei Stunden lang vorgelesen; das Gehörte gab beim Abendessen Stoff zu anregender Unterhaltung. Der Meister war oft heiter, erzählte gern fröhliche Episoden aus seinem oder seiner Freunde Leben, ließ oft seinem wirklich guten und echten Humor, den er in hohem Maße besaß, freien Lauf, hörte aber auch gern zu. Nach Tisch wurde dann weiter gelesen, er saß dabei im bequemen grauen Hauspelz in seiner Sofaecke, über den Augen einen großen, grünen Schirm, die Hand am Ohr, da er schließlich auch schwerer hörte; so konnte er stundenlang dem Vorleser zuhören und war stets mit regstem Interesse dabei, sprach oft dazwischen, geistreich und lebendig anknüpfend an irgendwelche Stelle des eben Vorgelesenen.
Sein Tagewerk begann Richter mit dem Lesen einer Morgenandacht und der Herrnhuter Losungen; er wechselte bei diesen Morgenbetrachtungen mit den Büchern und sprach oft längere Zeit über das Gelesene mit den Seinen, belehrend und fördernd. Die Abb. 115 schildert eine solche Morgenbetrachtung in seinem Hause, im Kreise der Seinen. In der Folge mußten ihm auch diese Andachten vorgelesen werden. Darauf begab er sich in sein Arbeitszimmer. In seiner Vaterstadt Dresden hat man jetzt auf Betreiben des Stadtarchivars Dr. Richter im Stadtmuseum, in[S. 142] der Nähe seiner Wohnung, in der er sein reiches Leben abschloß, ein Ludwig Richter-Zimmer eingerichtet, in dem Reliquien des verehrten Altmeisters aufgestellt sind. Hier ist der Arbeitstisch, an dem er viele Dezennien so fleißig geschafft, mit allem, was darauf untergebracht war, bis auf die kleine Vase, in der einige Blümchen, je nach der Jahreszeit, sein Auge erfreuten, und was sonst noch von Inventar sich erhalten; man hat annähernd dort einen Eindruck von der Anspruchslosigkeit in seinem Hause. Über seinem Arbeitstisch hing das kleine, in Öl gemalte Selbst-Porträt seines römischen Jugendfreundes Maydell und das von Amsler so schön gestochene Porträt Fohrs; wie oft mögen, wenn seine Augen über diese beiden Bildnisse hinstreiften, die römischen Jugenderinnerungen an ihm vorübergezogen sein! „Karl Philipp Fohr war sein künstlerisches Jugendvorbild auf dem Gebiete stilvoller und dabei manierloser Naturauffassung.“ Zur Seite des Tisches standen Mappen mit seinen Lieblingsblättern, Stiche und Radierungen, die er oft betrachtend durch seine Finger gleiten ließ und sich zur eigenen Arbeit daran erfrischte und anregte. Es war eine gewählte Gesellschaft, die da, still aneinander gereiht, zusammenlag. Der größte Teil davon waren, außer den trefflichen Radierungen J. C. Erhards, Blätter aus der romantischen Zeit, in der er aufgewachsen war, aber auch Rembrandt, Berghem, Dietrich, Ostade, Teniers, vor allem Dürer, Fiesole usw. waren vertreten. Er bewahrte auch einen kleinen Schatz von Handzeichnungen dabei, unter anderen solche von Schnorr, Schwind, Overbeck, Horny, Fohr, Berthold, Erhard, Chodowiecki, Dreber, Hasse und anderen. Auch Pausen nach Schwind, Reinhold usw. waren hier eingereiht. Ehe er an seine Arbeit ging, skizzierte [S. 143]er oft nach Dürer oder anderen altdeutschen Meistern eine oder mehrere charakteristische Figuren oder Teile aus einem Blatt, Bäume, Hügel, ein Stück Ferne und Wolken. Diese Handübungen wanderten dann in den Papierkorb. Sobald er bei seinen eigenen Arbeiten über den darzustellenden Gegenstand im klaren war, zeichnete er mit zartem Strich die Figuren und die ganze Komposition hin. Oft machte er drei, vier und mehr Skizzen auf Papier verschiedenen Formates und Tones, bis er das annähernd im Aufbau erreicht hatte, was er suchte; das, was ihm nun am gelungensten erschien, führte er weiter aus. Die Abbildungen 145 und 186 sind solche Entwürfe. Von der Gruppe zu dem Bild „Die Laurenburger Els“ besitze ich allein sechs Entwürfe. Wenn er später solche wieder zu Gesicht bekam, war er oft verwundert über seine eigene Wahl, er fand, daß er nicht immer den richtigen Entwurf zur weiteren Ausführung gewählt. Den einen oder anderen dieser beiseite gelegten Entwürfe führte er später wohl auch noch aus. Bei der Arbeit pflegte er manchmal leise vor sich hin zu singen oder zu pfeifen, beliebige Volksliedmelodien, heitere und ernste. Sobald der Tag sich neigte, legte er die Arbeit fort und eilte zum Spaziergang nach dem „Großen Garten“, dem öffentlichen königlichen Park in Dresden, wo er mit Freunden in einem kleinen engen Lokal „Beim Hofgärtner“ seinen Kaffee einnahm und wo dann eine lebhafte Unterhaltung gepflegt wurde. Früher hatten im Café Meißner solche Zusammenkünfte stattgefunden, an denen außer Künstlern wie Rietschel, Hähnel, Bendemann, Peschel usw. auch Schriftsteller und Schulmänner teilgenommen; mit den Jahren hatte sich dieser Kreis aufgelöst. Später finden wir dann den Meister, nachdem er seinen Spaziergang gemacht, an dem Stammtisch im British Hotel, den wir schon erwähnten. Die Abend- oder gar Nachtstunden hat er zur Arbeit nie mit herangezogen, diese wurden nur für die laufenden Korrespondenzen und für das Lesen ausgenützt, letzteres erstreckte in jüngeren Jahren sich oft bis in späte Nachtstunden. Briefschreiben war ihm immer eine Last, er schreibt einmal: „— aber vor dem Tintenfasse habe ich eine Scheu, wie die Kinder vor dem schwarzen Feuerrüpel“ (Schornsteinfeger). — Sein Freund E. Oehme z. B. hatte die Gewohnheit, zu jeder Stunde der Nacht, wenn ihn irgend eine Stelle eines in Arbeit befindlichen Bildes beunruhigte, wieder aufzustehen und sich vor die Staffelei zu setzen. Richter sprach darüber oft, als über etwas, das er nicht verstehen könne.
Für Musik hatte Richter großes Interesse; besonders fesselnd und anregend waren ihm die Trio- und Quartettabende, in denen die hervorragendsten Künstler und Mitglieder der königlichen Hofkapelle die beste Musik in edler, künstlerischer Weise vorführten; diese Aufführungen waren ihm stets ein besonderer Hochgenuß. Den Opernvorstellungen und dem Schauspiel war er in den letzten Jahren seiner Augen und seines Gehörs wegen fern geblieben. Bach, Haydn, Gluck, Mozart, Beethoven begeisterten ihn. Bei Wagners Opern interessierten ihn besonders die Stoffe, wenn ihn auch manches in[S. 144] Wagners Musik, insonderheit in der späteren Periode, die mit den „Meistersingern“ beginnt, etwas befremdete; 1869 zeichnete er auf: „Die Meistersinger von Wagner habe ich zweimal gehört. Prinzipiell nicht einverstanden mit seiner Richtung, bin ich doch hingerissen von der romantischen Schönheit seiner Musik und seiner Stoffe.“ Am liebsten aber war es ihm, wenn er im eigenen Hause, in seinem behaglichen Hauspelz, in einer Ecke sitzend, Musik hören konnte. Sein Sohn Heinrich, der in Leipzig und München früher Musik studiert hatte und in letzterer Stadt auch mit dem Sänger Ludwig Schnorr, dem Sohn Julius Schnorrs, verkehrte, spielte ihm oft vor; es wurde auch viel vierhändig gespielt, auch öfters von den weiblichen Verwandten gesungen. Und so trug gute Musik, von kunstverständiger und kunstsicherer Hand ausgeführt, zur Verschönerung seines Lebensabends wesentlich bei. Ich mußte dabei oft an die Bilder des Meisters denken, in denen er „Hausmusik“ schilderte und verherrlichte, wie in Abb. 133 und besonders in dem schönen Titelblatt zu Riehls Hausmusik, das er 1855 gezeichnet hatte.
Der Kreis der alten Freunde lichtete sich mehr und mehr. 1879 nahm ihm der Tod auch seine alten Freunde Krüger und Peschel. Carl Peschel, einer der Getreuen aus der Zeit des römischen Aufenthaltes, war ihm ein lieber und trefflicher Freund, der bis in sein hohes Alter (er war 1798 geboren) sich Frische und Produktionskraft erhielt; zeigten doch seine letzten Arbeiten, Kartons zu Fenstern für eine Kirche in England, noch wesentliche Fortschritte. In seiner Kunst schloß er sich den altdeutschen Meistern an. Er hat eine Reihe tüchtiger Altarbilder aus innerster religiöser Überzeugung geschaffen, die zu den besten Werken kirchlicher Kunst aus dieser Epoche gehören. Es sei hier nur eine „Kreuzigung“ genannt, die er als Altarbild für die Kapelle des Prinzenpalais in Dresden ausführte. War Richter eine produktive Natur, so war die Peschels mehr kontemplativ, und so ergänzten sich beide sehr gut. Peschel zählte zu[S. 145] den Hauptstützen der Dresdener Akademie; er unterrichtete viele Jahre mit größter Gewissenhaftigkeit im Antiken- und Aktsaal und zeigte warmes Interesse für seine Schüler. Die an seine Braut gerichteten Briefe aus seiner römischen Studienzeit, die über die Entwickelung der neudeutschen Kunst gewiß vieles Interessante enthalten haben, sind seiner Witwe auf deren ausdrücklichen Wunsch mit in den Sarg gelegt worden. — Auch der alte Freund Julius Hübner schied Anfang der achtziger Jahre von dieser Erde.
Unser Meister war nun recht einsam und verlassen, aber doch nicht vergessen. Das sah er zu seiner Freude an seinem achtzigsten Geburtstage, an welchem ihm so viele Zeichen und Beweise treuer Liebe und dankbarer Verehrung aus allen Gegenden Deutschlands von alt und jung entgegengebracht wurden. Er war tiefbewegt von alledem, aber demütig und fast verlegen nahm er solche Huldigungen entgegen. Am meisten freuten ihn Zuschriften und kleine Aufmerksamkeiten aus dem Volke, die oft in recht drolliger und humoristischer Weise die Verehrung für den Meister zum Ausdruck brachten. Wir wollen hier nur eine Zusendung anführen, die aus Schlesien an diesem Tage einging:
In seiner Biographie klagt er, daß die Anforderungen, die dieser Tag an ihn gestellt, über seine Kräfte gingen, und schreibt dann: „Ich fühlte mich noch an den folgenden Tagen durch diese vielen Ehren- und Liebeszeichen freudig gehoben, aber ebensosehr innerlich gebeugt: denn wodurch hatte ich dieses alles verdient? Meine Arbeiten waren doch meine eigene höchste Lust und Freude gewesen, und das Gute und Lobenswerte daran lag doch gerade in dem, was man nicht bloß lernen oder sich selber geben kann, sondern es war das, was uns geschenkt wird: die Gottesgabe, das Talent.“ Aus diesen Worten erkennt man wieder den durch und durch demütigen Menschen und Künstler.
Im Jahre 1856 war der bekannte feinsinnige Kunstfreund Eduard Cichorius aus Leipzig zum erstenmal nach Dresden gekommen und hatte hier durch August Gaber unseren Meister kennen gelernt. Es entwickelte sich in der Folge ein warmes Freundschaftsverhältnis zwischen beiden Männern. Cichorius fing an, Zeichnungen von Richter[S. 147] zu sammeln, und mit sicherem Blick und feinem Verständnis für die Eigenart des Meisters brachte er die größte und hervorragendste Sammlung zusammen, der er auch eine stattliche Reihe von Handzeichnungen J. Schnorrs, viele von den Zeichnungen zu dessen großem Bibelwerk und die früher erwähnten Landschaften aus Italien einverleibte. Er erwarb auch eine Reihe von Ölbildern Richters, von denen er einige dem Städtischen Museum in Leipzig überwies. Der Meister kam, so oft Cichorius wieder in Dresden weilte, viel zu ihm ins Hotel, wo sich dann beim Betrachten der Zeichnungen die interessantesten Gespräche anknüpften. Cichorius schreibt in der „Liebesspende“ für die Kinderheilanstalt in Dresden (von Zahn & Jaensch, Dresden) im Dezember 1884 darüber: „Im vertraulichen Gespräch, wo Richter sich gehen ließ, sich ganz frei fühlte, war er der anziehendste, geistvollste Gesellschafter, der sich nur denken läßt. Ein solches sich stundenlang ausdehnendes Zwiegespräch war von hohem Genuß; ein lebhafter Austausch, ein gegenseitiges Geben und Empfangen, bei wesentlicher Übereinstimmung im ganzen. Kleine Abweichungen in den Ansichten bilden ja erst die rechte Würze der Unterhaltung.“ Und weiter schreibt er an derselben Stelle: „Wohl trennte uns vielfach Neigung und Meinung, vorzugsweise in politischen, aber auch in Fragen nach den höchsten Dingen, und es traten hier oft schärfere Gegensätze hervor, aber er bewährte sich auch hier als ein echter Freund; er gab seine Meinung nicht auf, vertrat sie aber immer auf sanfte und milde Weise. So blieb unser Verhältnis ungetrübt, und dabei war das Verdienst ganz und gar auf seiner Seite.“ In diesen vortrefflichen Aufsatz werden auch Briefe Richters an Cichorius aus den Jahren 1876–1883 zum Abdruck gebracht, aus denen man ersieht, wie freundschaftlich er ihm zugetan war. Das Freundschaftsverhältnis war bis an Richters Lebensende das denkbar beste, Cichorius bewahrt ihm das treueste Gedenken.
An freudigen und ernsten Ereignissen in der Familie nahm Richter herzlichsten Anteil. 1880 und 1881 griff der Tod mit rauher Hand in ein stilles, glückliches Familienleben ein: drei blühende Urenkel fielen tückischen Krankheiten zum Opfer; er[S. 148] war auch hier in Tagen schwerster Prüfung und Heimsuchung, die so plötzlich hereinbrachen, durch sein unerschütterliches „Wie Gott will!“ eine rechte Stütze und wußte die zerschlagenen Elternherzen aufzurichten. In solchen Zeiten schwerer Sorgen schreibt er aus Boll am 18. Mai 1880: „Zunächst möchte ich gern wissen, wie es Euch ergeht? Hoffentlich zieht die dunkle Wolke nun vorüber, Ihr armen Schwergeprüften! — Grüße zunächst Deine Frau Gretel und die beiden Kinder; die Geschwister haben ihr Pfingsten in der ‚Oberen Gemeinde‘ gefeiert, gewiß recht selig und in Jubel. Die Tränen sind nur hier zu Hause. Gott sei mit Euch.“
Schon in Rom hatte Richter eifrig den Gottesdienst in der protestantischen Kapelle im preußischen Gesandtschaftspalast aufgesucht und zu Richard Rothe, dem damaligen Gesandtschaftsprediger, sich in nahe Verbindung gebracht; sein Intimus Maydell war ein eifriger Protestant. Nach Deutschland zurückgekehrt, besuchte er fast regelmäßig die protestantische Kirche und suchte sich an den Predigten zu erbauen, soviel er konnte. Die in den dreißiger und vierziger Jahren herrschende Strömung in unserer protestantischen Kirche befriedigte ihn aber wenig. In Thäters Biographie finden wir vom Jahre 1844 aus Dresden eine Aufzeichnung, die uns einigermaßen Einblick in die damaligen kirchlichen Verhältnisse verschafft; sie lautet: „Mit Recht klagt man über unsere arme Kirche. Hier steht’s schlimm damit. Wir möchten gern Gottes Wort hören, wenn wir wüßten, wo es gepredigt würde. Doch wir haben die Bibel und finden darin Trost und Erquickung. Aber in den Schulen fehlt es ganz. Meine Freunde, Oehme und Richter, berieten sich erst neulich mit mir, wohin wir unsere Kinder könnten in die Schule schicken. Wir finden keine, wo der Religionsunterricht von der Art wäre, wie wir ihn für unsere Kinder wünschen müssen.“
Rom zog Ende der dreißiger Jahre die Zügel sehr straff an; besonders bei den „Mischehen“ wurde die seitherige Milde aufgegeben und durch Strenge ersetzt; der Fürstbischof von Breslau, Graf Leopold Sedlnitzky von Choltitz, legte infolge dieser strengen Richtung sein Amt nieder. Wir wissen nicht, inwieweit dieses Vorgehen[S. 149] Roms auch auf Richters Haus und Familie einwirkte, seine Kinder (seine Frau war Protestantin, und er war mit ihr in der protestantischen Kirche getraut) hat er protestantisch erzogen. Dabei blieb er immer ein Glied der katholischen Kirche, er stand aber, wie ich schon sagte, über den Grenzen der Konfessionen. Später fand er auch in den protestantischen Predigten, als eine neue, ihm sympathischere Richtung Platz gegriffen, viel Erbauung. Bis um die Mitte der siebziger Jahre hörte er an Sonntagen oft Predigten in der protestantischen Hofkirche, der Frauen- und Annenkirche in Dresden, des öfteren habe ich ihn begleitet. Er stand im Verkehr mit hervorragenden protestantischen Theologen, weilte, wie bereits erwähnt, oft in Boll bei Blumhardt. Für die Selbstbiographie des Grafen Leopold Sedlnitzky (Berlin, W. Hertz) hatte er großes Interesse; die schonende Art des Grafen gegenüber der katholischen Kirche, die seinem endlichen Übertritt zur evangelischen Kirche (1863 in Berlin) vorangegangene lange innerliche Vorbereitung waren Richter besonders sympathisch. Der Sohn schreibt in den Nachträgen zur Biographie, „daß Richter in den letzten Lebensjahren sich mehr an die katholische Kirche anschloß und Sonntags nicht, wie früher, einer protestantischen Predigt, sondern der Messe in der katholischen Hofkirche beiwohnte, gab in den ihm näher stehenden Kreisen Anlaß zu der Vermutung, es habe sich — vielleicht unter äußerer Beeinflussung — in seinen religiösen Anschauungen eine wesentliche Wandlung vollzogen. Diese Meinung ist nicht zutreffend. Der von kirchlichem Dogmatismus ganz unabhängige praktische Kern seines Christentums ist allzeit unverändert geblieben, nur die Formen, Ausdrucksweisen und Bedürfnisse seines religiösen Lebens haben im Laufe der Jahre unter äußeren und inneren Einflüssen Wandlungen durchgemacht.“ Der Sohn läßt sich hierüber noch des weiteren aus; es seien denjenigen, die sich dafür noch besonders interessieren, die letzten Seiten der „ergänzenden Nachträge“ zum Nachlesen empfohlen.
Die letzten Lebensjahre verbrachte er in stillster Beschaulichkeit. Als es mit seinem künstlerischen Schaffen zum Stillstand gekommen war, wurde die Ausnutzung der Tagesstunden selbstverständlich eine ganz andere. Nach Beendigung der Morgenbetrachtungen brachte er einige Stunden an seinem Arbeitstisch zu, ordnete Mappen, schrieb die notwendigsten Briefe mit vieler Mühe, wenn es die geschwächten Augen gestatteten, ging vor Tisch auf Anordnung des Arztes spazieren und, wenn es das Wetter erlaubte, meist nach dem „Großen Garten“. Ich sehe ihn noch greifbar vor mir: die stattliche,[S. 150] würdige Erscheinung, in etwas vorgebeugter Haltung, den Stock in der Hand, mit meist offenem Überrock, so schritt er auf der Straße dahin, mit seinen schwachen, aber so freundlichen Augen ins Ungewisse hinausschauend; das silberweiße Haar leuchtete unter dem schwarzen, breiten Filzhut hervor, aus dem schwarzseidenen Halstuch lugten die spitzgeschnittenen kleinen Stehkragen (sogenannte Vatermörder), man sah ihm schon von weitem den bedeutenden, aber schlichten und bescheidenen Mann an. Wir finden in seiner Biographie eine Aufzeichnung vom 19. Februar 1883, die uns einen solchen Spaziergang schildert: „Wie gewöhnlich ging ich gegen Mittag nach dem ‚Großen Garten‘. Der Himmel war bedeckt und alles so still. Da ertönte aus einiger Entfernung von den noch dürren Baumwipfeln ein ‚witt, witt, witt‘, und zugleich ließ ein kleines Vögelchen sein eifrig lustiges Gezwitscher aus dem Gebüsch neben mir laut werden. Als dritte Stimme klang aus der Ferne das Gurren einer Waldtaube. Dann ward es wieder ganz still, — das war die erste Frühlingsahnung in diesem Jahre, der erste Gruß eines kommenden Frühlings, der mir in die Seele drang. Ich setzte mich auf eine Bank unter den großen Eichen, brannte mir eine Zigarre an zur Vollendung der Frühlingsfeier, und dabei umschwärmte ein Kreis kleiner Mücken das aufsteigende Rauchwölkchen.“ Eine friedliche Seelenstimmung klingt aus dieser kurzen Aufzeichnung heraus; Frieden lag so wohltuend über ihm ausgebreitet bis an sein Ende. Vom 6. März 1883, kurz nach dieser Tagebuchaufzeichnung, ist die einem bestimmten Zweck dienende Skizze, zu der er, die Stellung selbst angebend, eine Viertelstunde saß (Abb. 190). Vom 1. April 1884 ist der angefügte Brief, der letzte, den ich vom teuren Meister erhielt. Er sendet gleichzeitig das Märzheft der „Deutschen Rundschau“ mit einem größeren Aufsatz von Herrmann Grimm: „Cornelius betreffend“ zurück. Bedauerlich ist, daß er seine Gedanken über das in dem Aufsatz herangezogene Bild von E. von Gebhardt nicht mehr niederschreiben konnte. Anfang des Jahres 1884 überwies des Meisters Sohn dem königlichen Kupferstichkabinett in Dresden eine kostbare[S. 154] Sammlung von Probedrucken der Holzschnitte des Meisters in neun von Hoff geordneten Bänden.
Im Nachtrag zur Biographie schildert der Sohn des Meisters letzte Lebenstage wie folgt: „Sein letztes Lebensjahr, 1884, hatte er in leidlichem Wohlsein angetreten, aber im Verlaufe des Winters und Frühlings stellten sich zuweilen Ohnmachtsanwandlungen ein, die ihn jedesmal für längere Zeit matt und kraftlos machten. Im Juni erkrankte er an einer Herzentzündung. Die Krankheit selbst verließ ihn zwar schon nach wenigen Tagen wieder, seine Kräfte aber blieben so erschöpft, daß er tagsüber meist auf dem Sofa ruhen mußte. Geistig erhielt er sich ungetrübt und zeigte, wie immer, liebevolles Interesse für seine Umgebung und für alles, was in sein Bereich kam. Besondere Freude machte ihm stets, wenn ihm etwas vorgelesen wurde. Da er den Wunsch äußerte, wieder einmal eine gute, christliche Lebensgeschichte zu hören, so brachte ich ihm einen Band von Knapps ‚Christoterpe‘. Daraus las ihm die älteste Tochter seines verstorbenen Freundes, des Kupferstechers Ludwig Gruner, die Biographie Ludwig Hofackers vor, dessen gedruckte Predigten Richter besaß und schätzte. In diesem Lebensbilde wird eine längere geistliche Betrachtung in Gebetform mitgeteilt, welche Hofackers Mutter an der Leiche ihres Gatten für ihre Kinder niedergeschrieben hatte. Von den schlichten Worten dieser kindlich frommen, glaubensstarken Frau fühlte er sich eigentümlich bewegt. Er erzählte mir, es sei ihm dabei die Stimmung seiner glücklichsten und innerlich reichsten Zeit zurückgekehrt, jener Zeit in Rom, wo ihm in der Neujahrsnacht 1825 der Glaube an einen lebendigen Heiland plötzlich wie ein Geschenk von oben ins Herz gegeben wurde und ihn mit vorher nicht gekanntem Frieden und Glück erfüllte. Er kam auf dieses Thema wiederholt zurück. Noch an seinem Sterbetage, an dem ich ihn vormittags besuchte, nicht ahnend, daß ich den lieben Vater zum letztenmal lebend sah, brachte er das Gespräch auf Hofackers Biographie, deren Fortsetzung er zu hören wünschte, und auf den um Richard Rothe gescharten römischen Freundeskreis. An diesem Tage — es war Donnerstag der 19. Juni — fühlte er sich zwar matt, aber besonders heiter gestimmt und empfing, auf dem Sofa liegend, tagsüber viele Besuche.“
[S. 155]
Die Deutsche Kunstgenossenschaft hatte ihn zum Ehrenmitglied ernannt. Sein Dankschreiben vom 16. Juni 1884, dessen Abfassung ihm Sorgen machte, weshalb er Freund Cichorius dazu zu Rate zog, lautet: „Bereits telegraphisch habe ich Ihnen meinen innigsten und freudigsten Dank für die Ernennung zum Ehrenmitglied der Deutschen Kunstgenossenschaft ausgesprochen, lassen Sie mich denselben hier noch einmal schriftlich wiederholen. Diese ehrenvolle Kundgebung seitens der deutschen Künstler kam mir um so überraschender, da es leider so manches Jahr her ist, daß ich durch die zunehmende Trübung meiner Augen genötigt war, meiner so geliebten künstlerischen Tätigkeit gänzlich zu entsagen. Wohl empfing ich während dieser Zeit unfreiwilliger Muße von vielen Seiten her mannigfache Zeichen freundlicher Anerkennung, die mich freudig erhoben, da sie mir sagten, daß es mir vielleicht hier und da gelungen sei, das, was in vielen deutschen Herzen lebt, auf meine Weise auszusprechen und künstlerisch zu gestalten. Nun ist es mir aber von hohem Wert, auch von seiten der Kunstgenossenschaft diese Anerkennung und Zustimmung zu dem, was ich erstrebt und, wie meine Freunde sagen, auch bisweilen erreicht habe, bestätigt zu sehen. Die Kunst der Gegenwart geht ja vielfach auf anderen Bahnen, und ihre Ziele sind teilweise andere, als diejenigen waren, denen ich und meine Altersgenossen zustrebten. Um so ehrenwerter ist es daher, wenn auch das jüngere Geschlecht der Künstlerschaft sich an uns Alte noch mit Wärme und Anteil erinnert. Empfangen Sie, geehrte Herren, nochmals den Ausdruck meines Dankes, sowie Gruß und Handschlag von Ihrem ergebenen Ludwig Richter.“
Es sind seine letzten Schriftzüge. Eine halbe Stunde nach Eingang des Schriftstückes beim damaligen Hauptvorstand in Düsseldorf meldete der Telegraph das Ableben des gefeierten Meisters.
Am Abend des 19. Juni stellte sich plötzlich bei ihm, nachdem er noch vorher mit seiner Tochter Elisabeth das Abendbrot in gewohnter Weise eingenommen hatte, Frost ein; er begab sich zu Bett. Kurz darauf trat die Tochter in das Schlafzimmer, um nach seinem Befinden zu fragen; er antwortete ihr noch ganz klar und ruhig, begann auf einmal zu röcheln, und nach wenigen Minuten hörte er auf zu atmen. Ohne Kampf löste sich die erdenmüde Seele von ihrer leiblichen Hülle.
[S. 156]
Dunkle, schwere Wolken zogen am Himmel, strömender Regen ging nieder, als der teure Tote, es war am Abend des 21. Juni, einem Sonnabend, bei Fackelschein von den Dresdener Künstlern nach der Friedhofshalle übergeführt wurde. Seine Vaterstadt Dresden erwies ihrem Ehrenbürger durch das feierliche Geläute sämtlicher Kirchenglocken die letzte Ehre. Auf dem neuen katholischen Friedhof der Friedrichstadt, des Stadtteiles, in dem seine Wiege stand, wurde er beerdigt. Sein Grabstein trägt die gleiche Inschrift wie der seiner Frau auf dem Loschwitzer Friedhof: „Christus ist mein Leben, und Sterben ist mein Gewinn.“
Aus der Grabrede, die ihm der Kaplan Eberhard Klein am 23. Juni hielt, ist folgende Stelle hervorzuheben: „Richter hat die Himmelsgabe, die ihm Gott geschenkt, mit priesterlicher Ehrfurcht gehandhabt und gehütet. Seine Kunst hat sich ihren wahren Adels- und Freiheitsbrief der Tendenzlosigkeit bewahrt und nichts anderes sich zum Zwecke gesetzt, als in Gott wohlgefälliger Weise die Mitmenschen zu erfreuen. Seine Kunst war eine Art Gottesdienst, war eine Ausübung der Nächstenliebe, wie sie selbstloser und edler nicht gedacht werden kann. Und wie er malte, so war er, seine Kunst ist sein Wesen.“ —
„Je mehr ein wahrhaft gesundes Gedeihen der Kunst auf ihrer Volkstümlichkeit beruht, desto mehr hat diese selbst ihre Ideale treu und rein zu hüten. Die Abwege ins Äußerliche, Naturalistische und Leere liegen unserer heutigen Kunst, vor allem der Malerei deshalb so gefährlich nahe, weil der Zug der Zeit ein überwiegend realistischer ist. Drum muß die Kunst ihr ewiges Erbteil des Idealen wahren, muß treu, wahr und tief sich dem Leben hingeben, aber in den Erscheinungen desselben nicht die blendende Hülle, sondern den unvergänglichen Gehalt zu erfassen suchen. Das ist ihre Aufgabe, ihr Beruf, das ist die Bedingung für ihre lebendige Fortdauer,“ so schließt Wilhelm Lübke 1860 sein treffliches Werk „Grundriß der Kunstgeschichte“. Richter [S. 158]hat treu und mit großem Ernst die Aufgaben und Bedingungen echter Kunst gelöst und erfüllt.
Unsere deutsche Kunst ist aber gegenwärtig in einer Zeit des Überganges; ein Tasten hin und her, ein unruhiges Suchen; es ist, als ob man die verloren gegangene, irrende Seele wiederzufinden suche. Die Technik ist hoch entwickelt, und viel Können zeigt sich überall. Möchten die richtigen Pfade bald wiedergefunden werden! Möchte das deutsche Volk auch das Verständnis für unseren verewigten Ludwig Richter, einen der größten und ersten Meister der deutschen Kunst, nie verlieren! Möchte es des Mannes nie vergessen, der, wie Otto Jahn so trefflich sagt, eine Naturgeschichte des deutschen Volkes gezeichnet hat, treuer und lebendiger, als es die geistreichste Feder liefern kann.
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Fast wollte es eine Zeitlang scheinen, als sei, nachdem unser Altmeister seine irdische Laufbahn abgeschlossen, das Verständnis für seine Kunst in der Abnahme begriffen. Sein hundertster Geburtstag hat aber gezeigt, daß er und seine Kunst noch nicht vergessen und das deutsche Volk seiner noch in Liebe und Verehrung gedenkt, sich an seinen Werken noch erfreuen kann. In allen Gauen Deutschlands wurde an diesem Tage seiner pietätvoll gedacht, in zahllosen Schriften das in seiner Kunst „Unvergängliche“ mit großer Wärme gefeiert.
Die Dresdener Künstler hatten einer „Sächsischen Ausstellung“ im Hinblick auf die hundertste Wiederkehr des Geburtstages eine sehr reiche „L. Richter-Ausstellung“ in den geschickt und stimmungsvoll umgestalteten, an sich so wenig intimen Ausstellungssälen auf der Brühlschen Terrasse angegliedert. Die Ausstellung gab in aus Museen und Privatbesitz entlehnten Zeichnungen, Aquarellen und Ölgemälden, soweit dies in den immerhin engen Räumen im Verhältnis zu der großen Produktivität des Meisters möglich war, ein ziemlich klares Bild von seiner Entwickelung und vom Wesen seiner Kunst.
Auch Loschwitz, in dem der Meister dreißig Sommer verlebte, hatte das Seine, wenn auch in bescheidenerem Rahmen, getan, dankbare Erinnerungen an den Heimgegangenen zum Ausdruck zu bringen.
Ebenso wurde Berlin Gelegenheit gegeben, eine kleinere Zahl von Werken des Meisters in einer Sonderausstellung zu sehen. — Leider muß erwähnt werden, daß in diesen Ausstellungen auch Kopien, und zwar recht minderwertige, sich befanden.
Der überaus rege Besuch dieser Ausstellungen legte Zeugnis davon ab, daß die Sprache unseres Meisters noch verstanden wurde, daß die Beschauer die Innigkeit[S. 159] und Behaglichkeit, die Liebe zur Natur und den gesunden Humor und nicht zum wenigsten auch sein tief religiöses Empfinden noch nachempfinden konnten und in ihrem Innern verwandte Töne erklingen fühlten. „Der Geist, den seine Werke atmen, gehört zum Besten, was wir besitzen.“
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Nur an der Hand des mit unendlichem Fleiß und großer Liebe verfaßten Kataloges: „Adrian Ludwig Richter, Maler und Radierer, des Meisters eigenhändige Radierungen, sowie die nach ihm erschienenen Holzschnitte, Radierungen usw., usw., von Johann Friedrich Hoff“ war es möglich, die chronologische Reihenfolge der Werke und Arbeiten des Meisters wiederzugeben. Herr J. F. Hoff in Frankfurt a. M., ein Freund und Schüler des verewigten Meisters, hat in jahrelanger rastloser Arbeit ein selten vollständiges Verzeichnis zusammengebracht und dem Meister noch bei Lebzeiten (das Werk erschien 1877 bei J. Heinrich Richter) damit eine große Freude gemacht.
Bei dem knappen Raum war es nicht möglich — es lag auch nicht in meiner Absicht — jedes einzelne Blatt oder alle die kleineren Werke, für die Richter gearbeitet, in dieser Monographie zu erwähnen. Es galt, in knapper Form ein Bild von der reichen Tätigkeit des Meisters zu geben. Wenn wir den größeren Teil der Abbildungen, die in Holz geschnitten wurden, nicht im Holzschnitt, sondern nach den Originalzeichnungen wiedergegeben haben, so hat das seinen Grund darin, daß die eigenartige Zartheit der Handzeichnung auch durch den vollkommensten Holzschnitt nicht ganz genau wiederzugeben ist. Die Handzeichnungen, die wir hier vervielfältigt darbieten konnten, verdanken wir dem überaus gütigen Entgegenkommen der Direktion der Königlichen Nationalgalerie in Berlin durch Herrn Professor Dr. von Donop, des Herrn E. Cichorius in Dresden, des Herrn A. Flinsch in Berlin, des Herrn E. Theodor Kretzschmar in Dresden †, der Frau Boerner in Leipzig usw. — Die Erlaubnis zur Vervielfältigung der Handzeichnungen wurde von Herrn Georg Gaber in Berlin und den verschiedenen Herren Verlegern der Richterschen Werke auch für die Wiedergabe der Holzschnitte und Radierungen freundlichst erteilt.
Werke von Ludwig Richter
im Verlage von Alphons Dürr in Leipzig.
Fürs Haus. 60 Holzschnitte nach den vier Jahreszeiten
geordnet. Folio. Eleg. in Leinwand gebunden. 20 Mark. Dasselbe in
vier Abteilungen apart:
a) Winter.
b) Frühling.
c) Sommer.
d) Herbst.
Je 15 Holzschnitte in Mappe à 6 Mark.
Vater Unser in Bildern. 9 Holzschnitte in eleganter Mappe. gr. Folio. 6 Mark.
Der Sonntag in Bildern. 10 Holzschnitte. Folio. In Mappe. 3 Mark.
Unser tägliches Brot in Bildern. 15 Holzschnitte in Mappe. Folio. 7 Mark 50 Pf.
Christenfreude in Lied und Bild. Die schönsten geistlichen Lieder mit Holzschnitten, elegant gebunden in Leinwand mit Goldschnitt. 14. Auflage. 4 Mark 50 Pf.
Schillers Lied von der Glocke in Bildern. 16 Holzschnitte in eleganter Mappe. Folio. 4 Mark.
Gesammeltes. Fünfzehn Bilder fürs Haus. In Mappe. Folio. 7 Mark 50 Pf.
Naturstudien. 10 Vorlegeblätter für Landschaftszeichner. In eleganter Mappe. 5 Mark.
Bilder und Vignetten. 15 Holzschnitte in Mappe. 5 Mark.
Altes und Neues. 15 Originalzeichnungen in Lichtdruck ausgeführt. Folio. In Mappe. 10 Mark.
Aus der Jugendzeit. Scherz und Ernst in Holzschnitten. Elegant kartoniert 1 Mark 25 Pf.
Aus der Dichtung und Sage. Scherz und Ernst in Holzschnitten. Elegant kartoniert 1 Mark 25 Pf.
Der Kinderengel. Spruchbüchlein für Kinder mit Bildern. 3. Auflage. Kartoniert 1 Mark 50 Pf.
Daraus einzeln:
Luthers Brief an sein Söhnlein Hänschen. Mit Bildern. Geh. 15 Pf.
Der gute Hirte. Gebetbüchlein für fromme Kinder aus dem Schatze der Kirche gesammelt von G. Weber. Mit Bildern. 2. vermehrte Auflage. Kartoniert 1 Mark 20 Pf.
Es war einmal. Ein Bilderbuch von Dresdener Künstlern. Märchen und Kinderlieder mit Bildern. kl. 8o. Kartoniert 2 Mark.
Christnacht. Originalradierung. Plattengröße: Höhe 56½ cm, Breite 43 cm. Imperialfolio auf chinesischem Papier. 9 Mark. Dasselbe auf weißem Papier. 6 Mark.
Gevatterbriefe. Mit Randzeichnungen. gr. 4o. 100 Stück 4 Mark.
Christlicher Haussegen. Holzschnitt in Tondruck mit rot eingedruckten Bibelsprüchen. Imp.-Folio 1 Mark.
Genoveva. Originalradierung. Royalfolio auf chinesischem Papier. 4 Mark 50 Pf.
Rübezahl. Originalradierung. Royalfolio auf chinesischem Papier. 4 Mark 50 Pf.
Volksbilder. Vierfach vergrößerte Holzschnitte als Wandbilder. Nr. 1–24 à Blatt 50 Pf. Ein ausführlicher Prospekt mit Beschreibung der einzelnen Blätter steht zur Verfügung.
Goethe, Hermann und Dorothea. Mit 12 Holzschnitten nach Zeichnungen von L. Richter. 2. Auflage. Gebunden mit Goldschnitt 5 Mark.
Zwölf Kinderreime aus Klaus Groths „Vaer de Gaern“. In Musik gesetzt von Ingeborg von Brousart. Mit hochdeutschem, plattdeutschem und englischem Text und 10 Holzschnitten von L. Richter. Kartoniert 1 Mark 50 Pf.
Hebel, Alemannische Gedichte für Freunde ländlicher Natur und Sitten. Im Originaltext. Mit Bildern nach Zeichnungen von L. Richter. 4. Auflage. Gebunden mit Goldschnitt 4 Mark.
— — Dasselbe ins Hochdeutsche übersetzt von Robert Reinick. 7. Auflage. Gebunden mit Goldschnitt 4 Mark.
Richter-Album. Eine Auswahl von Holzschnitten nach Zeichnungen von L. Richter. 6. Ausgabe in 2 Bänden. Gebunden mit Goldschnitt 20 Mark.
Richter-Bilder. Zwölf große Holzschnitte nach älteren Zeichnungen von L. Richter. Herausgegeben von G. Scherer. Kartoniert 3 Mark.
Beschauliches und Erbauliches. Ein Familienbilderbuch von L. Richter. 7. Auflage. Gebunden 8 Mark.
Der Familien-Schatz. Fünfzig schöne Holzschnitte nach Originalzeichnungen von L. Richter. 2. veränderte Auflage. Gebunden 3 Mark.
Goethe-Album. Illustrationen zu Goethes Werken von L. Richter. 40 Blatt. 2. Auflage. Gebunden 8 Mark.
Tagebuch. Ein Bedenk- und Gedenkbüchlein für alle Tage des Jahres mit Sinnsprüchen und Vignetten von L. Richter. 5. Auflage. Gebunden mit Goldschnitt 3 Mark 50 Pf.
Ludwig Bechsteins Märchenbuch. Taschenausgabe mit 84 Holzschnitten nach Originalzeichnungen von L. Richter. 54. Auflage. Gebunden 1 Mark 20 Pf.
— — Dasselbe. Illustrierte Prachtausgabe mit 153 Holzschnitten und 4 Tondruckbildern nach Originalzeichnungen von L. Richter. Mit den Bildnissen L. Bechsteins und L. Richters. 8. Auflage. gr. 8o. Elegant gebunden 6 Mark.
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