The Project Gutenberg EBook of Seekriege und Seekriegswesen, Zweiter Band,
by Rudolph Rittmeyer

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Title: Seekriege und Seekriegswesen, Zweiter Band

Author: Rudolph Rittmeyer

Release Date: November 23, 2020 [EBook #63857]

Language: German

Character set encoding: UTF-8

Produced by: Peter Becker, Jens Nordmann and the Online Distributed
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*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK SEEKRIEGE UND SEEKRIEGSWESEN,
ZWEITER BAND ***
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George Brydges Rodney


Seekriege und Seekriegswesen

in ihrer

weltgeschichtlichen Entwicklung

Mit besonderer Berücksichtigung der großen Seekriege des XVII. und XVIII. Jahrhunderts

von

Rudolph Rittmeyer
Kontre-Admiral z. D.

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Zweiter Band
Von 1739–1793
Mit zahlreichen Porträts, Abbildungen und Skizzen

Berlin 1911
Ernst Siegfried Mittler und Sohn
Königliche Hofbuchhandlung

Alle Rechte aus dem Gesetz vom 19. Juni 1901 sowie das Übersetzungsrecht sind vorbehalten.


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Vorwort zum zweiten Bande.

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ie günstige Beurteilung des ersten Bandes hat mich bestimmt, den zweiten nach den gleichen Grundsätzen zu bearbeiten. Auch Einteilung und Anordnung des Stoffes sind die gleichen geblieben, um Übersicht und Nachschlagen zu erleichtern.

Mein Bestreben ging und geht vor allem dahin, die besten Quellen der verschiedenen Völker über die Tätigkeit ihrer Marinen, die naturgemäß manches für eine allgemeine Seekriegsgeschichte nicht Notwendige enthalten und mehr oder weniger national gefärbt erscheinen, sorgsam zu prüfen sowie gegeneinander abzuwägen, um eine möglichst objektiv gehaltene Darstellung der Seekriege in ihren wichtigsten Ereignissen geben zu können.

Je weiter aber die Geschichte fortschreitet, um so reichlicher fließen die Quellen; infolgedessen hat die Bearbeitung des zweiten Bandes mehr Zeit erfordert, als ich voraussetzte. Auch beanspruchte die Schilderung der Seekriege größeren Raum, als ich für sie in Aussicht genommen hatte, insbesondere der See- und Kolonialkrieg Englands gegen seine aufständischen Kolonien in Nordamerika, sowie gegen Frankreich, Spanien und Holland, der ereignisreichste und wohl lehrreichste Seekrieg, der je ausgefochten wurde. Ich habe deshalb den zweiten Band auf die Darstellung der Ereignisse von 1739–1793 beschränken müssen. Auch dieser Zeitraum ist gewissermaßen in sich abgeschlossen, weil er die großen Seekriege umfaßt, die in erster Linie dem Kolonialbesitz gelten.

Wie im ersten Bande und aus den gleichen, dort im Vorworte angeführten Gründen habe ich die Kriege, die für die allgemeine Geschichte, sowie für die Entwicklung des Seekriegswesens von geringerer Bedeutung sind, unter der Bezeichnung „Nebenkriege“ nur kurz behandelt. Diejenigen, die sich in der Ostsee abspielen, sind zwar für uns Deutsche wohl bemerkenswert, aber ich habe doch von ihrer ausführlicheren Darstellung absehen zu[iv] können geglaubt, weil Vizeadmiral Kirchhoff in seinem 1907 und 1908 erschienenen Werke „Seemacht in der Ostsee“ diese Vorgänge eingehend schildert und dabei auch die innere Geschichte der nordischen Marinen in ähnlicher Weise behandelt, wie ich es bei der englischen, französischen und holländischen getan habe.

Mein dritter Band soll dann die Zeit von 1793–1815 bringen, hauptsächlich die beiden großen Seekriege Englands gegen die erste Republik und das erste Kaiserreich der Franzosen, die von tiefgehendem Einfluß auf die Landkriege dieser bewegten Jahre gewesen sind. Mit ihnen schließen die Seekriege der Periode der reinen Segelschiffahrt, soweit sie von größerer Bedeutung gewesen sind, ab.

Möchte mir nach Beendigung des dritten Bandes noch Zeit und Kraft verbleiben, das Werk bis zur Gegenwart fortzuführen.

Hannover, Herbst 1910.

Rittmeyer
Kontre-Admiral z. D.


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Inhaltsverzeichnis.

  Seite
Vorwort III
Wichtigste Quellen-Literatur XIV
Verzeichnis der Abbildungen XIX
 
Vierter Abschnitt.
Die Zeit von 1739–1793.
 
Erstes Kapitel: Einleitung 1–10
Kennzeichen des Abschnittes S. 2.  
Geschichtlicher Überblick über denselben S. 3–6.  
Seine Bedeutung für die Seekriegsgeschichte und für die Entwicklung des Seekriegswesens: Erweiterung der Strategie 7. — Umfang und Bedeutung der Kolonien 1740 7. — Entwicklung der Taktik und der Streitmittel 9.  
Zweites Kapitel: Die Entwicklung des Seewesens von 1740–1793 11–44
Weiterentwicklung der Schiffe. Vergrößerung der Linienschiffe. Vervollkommnung der Takelage. Herausbildung des Fregattentyps. Kupferung. Farbenanstrich. Beiboote. Werften 11–16.  
Kauffahrteischiffe S. 16.  
Fortschritte in der Nautik. Chronometer. Hilfstafeln. Entdeckungsreisen 17.  
Schiffsklassen: Schiffsbestände in der englischen Marine nach solchen um 1752, 1762, 1775, 1783, 1792. Schiffe zu besonderen Zwecken 17–19.  
Waffen: Bedienung der Kanonen, die gebräuchlichen Kaliber und ihre Verteilung an Bord. Einführung der Karronaden. Handwaffen, Handgranaten. 19–23.  
Entwicklung der Marinen. Organisation und Personal. In England: Admiralität, Offiziers-Ersatz, und Beförderung. Offiziersgrade. Mannschaft. Das Leben an Bord 24–27. — In Frankreich: Amtstätigkeit der Marineminister Maurepas, Rouillé, Choiseul, Sartines,[vi] Castries 28–32. — Offiziersgrade 33. — Vergleich der englischen und französischen Marine 33–36. — Uniformen 36.  
Die Taktik. Hostes Werk über Taktik 36–38. — Die englische Gefechtsinstruktion. Vor- und Nachteile der Luvstellung 39. — Die Leestellung 41. — Die englische Angriffs- und die französische Abwehrtaktik 41–44.  
Drittes Kapitel: Der Englisch-Spanische Krieg 1739 und der Österreichische Erbfolgekrieg 1740–1748 45–115
Die Anlässe zum Kriege. Der englische Schmuggelhandel in Westindien (der Vorfall mit Captain Jenkins Ohr) 45–46. — Englands Kriegserklärung an Spanien 47. — Tod Kaiser Karls VI.; Pragmatische Sanktion; Gruppierung der Staaten im österreichischen Erbfolgekriege 47–48. 45–48
Der allgemeine Verlauf des Krieges. Der Englisch-Spanische Seekrieg 1739–1744 49. — Der österreichische Erbfolgekrieg am Lande 1740–1746 49–53. — Die Erhebung Schottlands 1743 53. — Ende des Krieges 54. — Der See- und Kolonialkrieg 54–55. — Der Frieden zu Aachen 1748 55, die Friedensbedingungen 56. 49–56
Die Streitmittel. Der Schiffsbestand in Frankreich 1740; die Schiffe der Compagnie des Indes; der Verlust an Schiffen während des Krieges 57. — Zustand der spanischen Marine, Verluste 57. — Der Schiffsbestand in England 1739 und 1744, Verluste 58. — Zustand der holländischen Marine 59. 57–59
Der Verlauf des Seekrieges. Der Krieg in Westindien 1739–1744: Admiral Vernon erobert Puerto Belo 22. November 1739 60. — Französische Geschwader in Westindien 61. — Vernon erobert Chagres 1740 62. — Zusammenstoß englischer und französischer Schiffe 63. — Erfolglose Angriffe auf Cartagena und Santiago de Cuba 1741 64–68. — Englische Angriffe 1742/43 69. — Der Kleine Krieg. — Ansons Zug 1740–1743 70. 60–71
Der Krieg in den europäischen Gewässern 1740 bis 1744. Die Engländer vor Toulon und Neapel 1742/43 72. — Versuch einer Landung in England 1744 74. — Die Schlacht vor Toulon 22. Februar 1744 (de Court gegen Mathews) 75; ihre Bedeutung für die Seekriegsgeschichte (Beurteilung der Gegner; Kriegsgericht über Mathews u. a.) 80–82. 71–82
Der Krieg in den europäischen Gewässern 1744–1748. Bewegungen der Flotten 1744/45 82. — Die Erhebung Schottlands, von Frankreich nicht benutzt 84. — Angriff auf Lorient, Landung bei Quiberon 1746 86. — England herrscht im Mittelmeer von 1746 an 87. — Siege der Engländer bei Kap Finisterre 14. Mai und 25. Oktober 1747 (Admiral Anson gegen de La Jonquière und Admiral Hawke gegen L'Etanduère) 88–90. — Frankreich erschöpft 1747 91. — Beteiligung der holländischen Marine am Seekriege 92. 82–92
Der Krieg in den Kolonien 1744–1748. Nordamerika. Louisbourg erobert 1745 93. — Erfolglose französische Expedition unter d'Anville 1746 95. — Die Angriffe der englischen Kolonisten auf Kanada stocken bis zum Friedensschluß 96. — Westindien. Angriffe auf Port Louis und Santiago de Cuba, Gefecht vor Havanna 1748 (Admiral[vii] Knowles) 97. — Ostindien. Ausdehnung der französischen Macht; Dupleix und Labourdonnaye 99. — Gefecht bei Negapatam 7. Juli 1746 101. — Einnahme von Madras 102. — Zwist der französischen Führer 103. — Angriff auf St. David 1747 104. — Angriff auf Pondichery (Admiral Boscawen) 1748 105. 93–106
Der Kleine Krieg gegen den Handel 1739–1748 (Verluste an Handelsschiffen) 107. 107–108
Schlußbetrachtungen. Einfluß des Seekrieges auf den Landkrieg 108. — Beurteilung der Kriegführung der Gegner 110. — Gründe, die die englische Flotte lähmten 112. — Taktik 113. — Über Angriffe auf feindliche Küsten 114. 108–115
Viertes Kapitel: Der Siebenjährige See- und Kolonialkrieg zwischen England und Frankreich (Spanien) 1756–1763 116–206
Die politischen Verhältnisse vor Ausbruch des Krieges. Anlässe zum Kriege und Gruppierung der Staaten 116–120. — Verhältnis des Seekrieges zum gleichzeitigen Siebenjährigen Festlandskriege 119. — Der Bourbonische Familienvertrag 119. 116–120
Der Verlauf des Festlandskrieges 120. — Frieden zu Hubertusburg 15. Februar 1763 123. 120–123
Allgemeiner Verlauf des Seekrieges, Kennzeichnung der Kriegführung der Gegner 123. 123–127
Frieden zu Paris 10. Februar 1763 127. — Friedensbedingungen (Frankreich aus Nordamerika verdrängt, in Ostindien lahmgelegt) 128. 127–129
Die Streitmittel. Schiffsbestand in Frankreich 1756; über die Offiziere; Schiffsverluste während des Krieges 130. — Gleiche Angaben über Spanien und England 130. 130–131
Der Verlauf des See- und Kolonialkrieges. Ereignisse vor der Kriegserklärung. Reibungen in den Kolonien 130. — Französische und englische Expedition nach Nordamerika 1755 132. — Französische Schiffe in der Biscaya aufgebracht 1755 133. — Frankreich nimmt Minorka 1756. Belagerung von Port Mahon 133. — Seeschlacht bei Minorka (La Gallissonnière gegen Byng) 20. März 1756 135–138. — Das weitere Schicksal Port Mahons während des Krieges 138. — Bedeutung der Schlacht bei Minorka für die Geschichte der Seetaktik 139. — Kriegsgericht über Admiral Byng 141. 131–141
Der Krieg in den europäischen Gewässern. Erklärung des Krieges. Bewegungen der Flotten im Atlantik und Mittelmeer 1756 141. — Ebenso 1757. England versucht die französischen Geschwader in Europa festzuhalten, aber drei laufen von Brest nach Amerika aus 142. — Erfolgloser Angriff der Engländer auf Rochefort, September 1757 143. — Blockade der französischen Häfen und Angriffe auf diese 1758 145. — Plan Frankreichs, in England einzufallen 1759 147. — Verteilung der englischen Flotte 148. — Auslaufen der Toulonflotte unter de La Clue und ihre Vernichtung bei Lagos durch Boscawen 18. August 1759 149. — Le Havre beschossen 151. — Auslaufen der Brestflotte unter de Conflans 151. — Ihre Vernichtung bei Quiberon durch Hawke 20. November 1759 154. — Die französische Marine lahmgelegt 159. — Ereignisse 1760–1762, französischer Einfall in Irland (Freibeuter Thurot) 1760 160. — Einnahme von Belle-Ile (Keppel) 161. 141–163
Der Krieg in den Kolonien. Nordamerika. Verhältnis der englischen und französischen Kolonien zueinander 163. — Erster Zusammenstoß im Ohiotale 164. — Ausbruch des offenen Krieges 165. — Ereignisse 1755–1757 166. — Eintreffen von Seestreitkräften 1757 167. — Eroberung von Louisbourg (General Amherst, Admiral Boscawen) 1758 169. — Ereignisse auf dem Festlande 1758 170. — Eroberung von Quebec (General Wolfe, Admiral Sounders) 1759 171. — Letzter Kampf um Kanada 1760. Versuch der Franzosen, Quebec wiederzunehmen, Montreal fällt, Kanada für Frankreich verloren 174. 163–198[viii]
Westindien: Lage der Gegner; zunächst nur Kleiner Krieg 176. — Seegefecht bei Le Cap, Haïti, 1757 176. — England erobert die französischen Inseln (Admiral Rodney) 1758–1762 177–179. — Havanna erobert 1762 (Admiral Pocock) 180.  
Westafrika. England bemächtigt sich Senegambiens 1758 182.  
Ostindien. Ausdehnung der französischen Macht unter Dupleix 182. — Unglücklicher Krieg mit der englischen Kompagnie 1751 183. — Dupleix abberufen 1754 184. — Frieden der Kompagnien 1755 185. — Neuer Krieg 1756 185. — Der Seeräuber Angria 186. — Englands Ausbreitung in Bengalen unter Clive, Frankreich dort vertrieben 186. — Ereignisse in Vorderindien 1757 188. — Seeschlacht vor Cuddalore 29. April 1759 (Pocock gegen d'Aché) 189. — Die Franzosen nehmen St. David 191. — Seeschlacht vor Negapatam 3. August 1758 192. — Niederlagen der Franzosen am Lande 1759 192. — Seeschlacht vor Porto Novo 10. September 1759; Frankreich gibt die See preis 194. — Beurteilung d'Achés 195. — Pondichery erobert 1761; Zusammenbruch der französischen Macht in Indien 196. — Manila von England erobert 1762 197.  
Der Kleine Krieg gegen den Handel: Verluste der Gegner 198. — Französische Expedition gegen Neufundland, englische gegen Buenos Aires 1762 200. 198–200
Schlußbetrachtungen: über Strategie; Rückblick auf den Krieg; politische und militärische Fehler Frankreichs; richtiges Vorgehen Englands 200. — Über Taktik 204. — Über Angriffe auf feindliche Küsten 205. 200–206
Fünftes Kapitel: Der Nordamerikanische Freiheitskrieg 1775–1783 207–416
Entstehung des Krieges. England und die Kolonien bis zu ihrer Erhebung: Die inneren Verhältnisse der Kolonien 206. — Ihre Streitfragen mit England 208. — Der Teesturm in Boston. 18. Dezember 1773 209. — Erklärungen des Kongresses von Philadelphia 1774 210. — Bruch mit England 211. 207–211
England, Frankreich, Spanien bis zum Ausbruch des Seekrieges 1778. Fragen, die den Frieden bedrohten (Frankreich besetzt Corsica 1768; Spanien vertreibt England von den Falklandsinseln) 212. — Englands lähmende innere Verhältnisse unter Georg III. 213. — Choiseuls Pläne gegen England 214. — Kriegsneigung in Frankreich; die amerikanischen Agenten (Franklin) in Paris 215. — Bruch mit England 1778 217. — Spaniens Beitritt 1779 (Ziele des französisch-spanischen Bündnisses) 217. — Englands Kriegserklärung an Holland 1780; die „bewaffnete Neutralität der Ostseemächte“ und ihre Ziele 218. — Kennzeichnung und Bedeutung des Seekrieges von 1778 219. 211–220
Die Streitmittel. Frankreichs und Spaniens Schiffsbestand 1778, Verluste während des Krieges, Wert des Materials und Personals 220. — Innere Geschichte der Marine Hollands von 1747 an, Stand derselben 1778, Verluste 221. — Streitkräfte der „bewaffneten Neutralität“ 222. — Englands Marine 222. — Vergleich der Seestreitkräfte 223. — Indiensthaltungen auf beiden Seiten in den einzelnen Kriegsjahren 224. — Gründung der nordamerikanischen Marine 225. 220–226[ix]
Der Krieg in Nordamerika bis 1778. Erstes Gefecht bei Lexington 19. April 1775; englische Verstärkungen unter Howe treffen ein; Erstürmung von Bunkershill 17. Juni 226. — Vordringen der Amerikaner auf Quebec (Arnold) 227. — Ereignisse zur See 1775 228. — Howe räumt Boston März 1776 229. — Die Unabhängigkeitserklärung der Kolonien, Juli 230. — Der Angriff der Engländer auf Charleston, Juni 231. — Ihr Vordringen von Kanada aus; die Seenflottillen, Gefechte auf dem Champlainsee 11./13. Oktober 233. — Howe erobert Long-Island, besetzt New York und die Narragansettbucht August/Dezember 235. — Washington in New Jersey siegreich Dezember 1776 238. — Burgoyne dringt 1777 von Kanada aus vor, wird 10. Oktober bei Saratoga zur Kapitulation gezwungen 238. — Howe schlägt Washington bei Brandywine 11. und erobert Philadelphia 26. September 239. — Tätigkeit der englischen Seestreitkräfte 1777, Vorstoß auf dem Hudson 240. — Der Handelskrieg der Amerikaner 1775/78 241. — Clinton, Howes Nachfolger, räumt Philadelphia 1778; letzter Versuch Englands zur Versöhnung mit den Kolonien 242. 226–243
Der große Seekrieg. Militärische Lage und Ziele der Gegner auf den verschiedenen Kriegsschauplätzen; Anordnung der Schilderung des Krieges 243. — Vorgänge und Rüstungen vor Ausbruch des Krieges 246. 243–248
Der Krieg in den europäischen Gewässern 1778. Die französische Toulonflotte (d'Estaing) segelt nach Amerika; Keppel (Personalien) nimmt französische Kriegsschiffe im Kanal 248. — Die Brestflotte läuft unter d'Orvilliers aus; Befehle Ludwigs XVI. 250. — Schlacht bei Ouessant 27. Juli 1778 (Keppel gegen d'Orvilliers) 251. — Die öffentliche Meinung in beiden Ländern (Entlassung des Herzog von Chartres; Kriegsgericht über Keppel) 254. — Bedeutung der Schlacht für die Seetaktik 255. — Beurteilung der Kriegführung des Jahres 1778 in Europa 257. 248–258
Der Krieg in Nordamerika und Westindien 1778/79. Die Engländer gehen vom Delaware auf New York zurück; eine französische Flotte (d'Estaing) trifft ein 258. — Howe und d'Estaing vor New York 260. — D'Estaing bedroht die Narragansettbucht 262. — Howe und d'Estaing vor derselben; Sturm zerstreut die Flotten 264. — D'Estaing in Boston, segelt nach Westindien 266. — Byron folgt ihm von New York 267. — Der Landkrieg in Nordamerika 1778/79, englische Expeditionen an den Küsten (Savannah besetzt) 268. — Beurteilung Howes und d'Estaings 270. —Westindien 1778: die Franzosen (de Bouillé) erobern Dominica, die Engländer (Barrington) Sta. Lucia 272. — D'Estaing greift Sta. Lucia an 274. — 1779: d'Estaing besetzt Grenada und andere Inseln 275. — Schlacht bei Grenada 6. Juli (Byron, Personalien 275, gegen d'Estaing) 276. — Kritik der Schlacht 278. — D'Estaing verläßt Westindien 280. — Kleinere Ereignisse dort (Gefecht vor Fort Royal, Martinique) 281. — D'Estaing greift Savannah an und segelt nach Frankreich[x] 282. — Beurteilung des Krieges in Westindien 1778/79 283. — Ereignisse in Westafrika 1779 285. 258–285
Der Krieg in Europa 1779/80. Kriegsplan und Rüstungen der Verbündeten 1779 S. 285. — Angriff auf die Kanalinseln S. 287. — Vereinigung und Stärke der französisch-spanischen Flotte (d'Orvilliers und Cordoba) S. 2287. — Die englische Flotte unter Hardy (Personalien), Furcht in England vor Invasion S. 288. — Die Flotte der Verbündeten im Kanal, gelähmt durch Gegenorder und schlechten Zustand der Schiffe S. 289. — Rückfahrt derselben S. 290. — Verteilung der Seestreitkräfte 1780 S. 292. — Rodney (Personalien) siegt 16. Januar bei Kap St. Vincent über Langara und versorgt Gibraltar S. 293. — Eine spanische Flotte (Solano) segelt nach Westindien; Cordoba nimmt einen englischen Konvoi, sonst trotz starker Flotte untätig S. 295. — D'Estaing in Spanien vergeblich bemüht, den Krieg zu beleben S. 296. — Kritik des Krieges 1779/80 in Europa S. 296. — Ausbruch des Krieges mit Holland S. 298. 285–298
Der Krieg in Westindien und Nordamerika 1780. Gefecht bei Monte Christi (Haiti) 20. März 1780 299. — De Guichen (Personalien) und Rodney treffen in Westindien ein 299. — Stärke der Flotten 300. — Die Schlacht bei Martinique 17. April (Rodneys Versuch zu einer neuen Taktik) 301. — Gefechte bei Martinique 15. und 19. Mai 304. — Eine spanische Flotte (Solano) trifft ein, bleibt aber untätig 305. — Guichen segelt nach Europa, Rodney nach Nordamerika 306. — Solano erobert Pensacola 307. — In Nordamerika erobern die Engländer (Clinton) Charleston 308. — Kämpfe in Carolina 309. — Gefecht bei Bermudainseln (de Ternay gegen Cornwallis) 309. — Ankunft französischer Truppen (Rochambeau) bei Rhode-Island, Rodney nach Westindien zurück 310. — Arnold fällt in Virginia ein (sein Verrat an der amerikanischen Sache) 311. — Kritik des Krieges in Westindien und Nordamerika 312. — Schlechte Lage der Amerikaner Ende 1780 315. 298–315
Der Krieg in Europa 1781. Rüstungen 315. — Admiral Darby versorgt wiederum Gibraltar 316. — La Motte-Picquet nimmt einen englischen Konvoi mit der Beute Rodneys von St. Eustache 319. — Die Verbündeten erobern Minorka und kreuzen wiederum erfolglos vor dem Kanal 318. — Holland tritt in den Krieg ein, Schlacht auf der Doggerbank (Hyde-Parker gegen Zoutman) 5. August 320. — Kempenfelt vernichtet einen für Westindien bestimmten Konvoi (de Guichen) 322. — Kritik des Krieges in Europa 323. 315–324
Der Krieg in Westindien und Nordamerika 1781. Rodney erobert St. Eustache und macht reiche Beute 324. — De Grasse trifft ein (Personalien), Hood (Personalien) tritt ihm bei Martinique entgegen 29. April 325. — De Grasse erobert Tabago 329. — Segelt nach Nordamerika 329. — Hood folgt 331. — Lage in Nordamerika, Cornwallis dringt von Carolina gegen Virginia vor 331. — Arnold fällt von der Chesapeakebucht in Virginia ein 332. — Das französische Geschwader (Des Touches) kommt von der Narragansettbucht, um Arnold abzuschneiden; trifft auf das englische (Arbuthnot) 333. — Erste Schlacht vor der Chesapeakebucht (taktisch bemerkenswert) 334. — Virginia wird der entscheidende Schauplatz des Landkrieges; die englischen Heere vereinigen sich, die Amerikaner rücken von New York heran 335. — De Grasse und Hood treffen ein 337. — Zweite Schlacht vor der Chesapeakebucht (de Grasse gegen Graves; taktisch bemerkenswert) 5. September 1781 338. — Kapitulation des englischen Heeres bei Yorktown (Cornwallis); der Landkrieg beendet 339. — Die großen Flotten segeln nach Westindien zurück[xi] 340. — Die Franzosen erobern St. Eustache 341. — Kritik des Krieges 1781 in Westindien und Nordamerika 341. 324–343
Der Krieg in Europa 1782. Der Wechsel im englischen Ministerium führt zur Einstellung des Krieges in Nordamerika 343. — Rüstungen und erste Bewegungen der Flotten 344. — Vernichtung eines französischen Transportes für Ostindien durch Barrington 345. — Die französisch-spanische Flotte (Cordoba, Guichen) erfolglos vor dem Kanal 346. — Tätigkeit der holländischen Flotte 1782 347. — Untergang des „Royal George“ 348. — Die Belagerung von Gibraltar, Bau schwimmender Batterien (d'Arçon) 348. — Der große Angriff auf die Stadt 13. September 350. — Howe versorgt Gibraltar 351. — Seetreffen bei Kap Spartel (Howe gegen Cordoba) 352. — Kritik des Krieges 1782 in Europa 353. 343–354
Der Krieg in Westindien und Nordamerika 1782. Hood und de Grasse in Westindien; Landung der Franzosen auf St. Christoffer (St. Kitts) 354. — Schlacht bei St. Christoffer 25. Januar 355. — Ankergefecht dort 26. Januar 357. — Beurteilung Hoods und de Grasses 359. — Rodney trifft in Westindien ein 360. — Plan der Verbündeten, Jamaika zu erobern; erste Schlacht bei Dominica (Rodney gegen de Grasse) 9. April 360. — Rodney verfolgt die französische Flotte, Unfälle derselben 364. — Zweite Schlacht bei Dominica (Les Saintes; taktisch bemerkenswert, Rodney durchbricht die feindliche Linie) 366. — De Grasses Gefangennahme 369. — Kritik der Schlacht 370. — Rodney unterläßt die Verfolgung 372. — De Grasses Beurteilung in Frankreich, sein weiteres Schicksal 372. — Bewegungen der Flotten nach der Schlacht 373. — Folgen der Schlacht 374. — Der Krieg in Westindien zu Ende (Rodney abberufen); Kritik desselben 374. — Lage in Nordamerika Ende 1782 375. — Der Plan der Verbündeten gegen Jamaika für 1783 kommt infolge der Friedenspräliminarien nicht mehr zur Ausführung 375. 354–376
Der Krieg in Ostindien 1778–1783. Vorgänge in Indien 1763 bis 1778 376. — Ausbruch des Krieges; die Engländer nehmen Chandernagore und Masulipatam; Seegefecht vor Pondichery 10. August 1778 378. — England verstärkt die Station (Admiral Hughes, Personalien) 378. — England im Kampfe mit Haidar Ali und den Mahratten 1778–1781 379. — Die Franzosen benützen diese Lage nicht, Untätigkeit ihres Geschwaders (d'Orves) 380. — Die Engländer besetzen die holländischen Plätze Negapatam 1780 und Trincomali (Ceylon) 1781 380. — Ein französisches Geschwader (Suffren, Personalien) und ein englisches (Johnstone) segeln von Europa zur Kapkolonie 1781 380. — Die Schlacht vor Porto Praya (Kapverdeninseln; Suffren gegen Johnstone) 16. April 1781 382. — Beurteilung der Führer 383. — Suffren versorgt die Kapkolonie, Johnstone kommt zu spät 384. — Suffren und Hughes in Indien, ihre Lage und ihre Aufgaben 384. — Die Schlacht bei Sadras 17. Februar 1782 (taktisch bemerkenswert; Suffren greift Hughes' Linie hinten mit Übermacht an, wird aber von seinen Kommandanten nicht unterstützt) 385. — Suffren erreicht Pondichery, tritt mit Haidar Ali in Verbindung, Cuddalore kapituliert 387. — Hughes segelt nach Trincomali, Suffren folgt; die Schlacht bei Providien 12. April 1782 388. — Suffren befolgt den Befehl, Indien zu verlassen, nicht 390. — Die Schlacht bei Negapatam 6. Juli 1782 S 391. — Suffren enthebt drei Kommandanten ihres Kommandos 393. — Seine geschickten Maßnahmen zur Instandsetzung der Flotte 393. — Der Landkrieg günstig für England 394. — Hughes geht im Oktober 1782 nach Bombay und erhält Verstärkungen 397. — Verzögerung der französischen Verstärkungen unter General de Bussy 398. — Suffren segelt im Oktober[xii] nach Atchin, kehrt aber schon im Januar 1783 zur Koromandelküste zurück 398. — Tod Haidar Alis; Bussy trifft ein; Suffren rüstet in Trincomali aus 399. — Hughes kommt im April zur Koromandelküste zurück, die Engländer schließen Cuddalore zu Lande und zu Wasser ein; Suffren erscheint zum Entsatz 400. — Die Schlacht bei Cuddalore 20. Juni 1783 400. — Ende des Krieges; Suffrens Rückreise nach Frankreich ein Triumphzug 402. — Kritik des Krieges in Ostindien 403. 376–404
Der Kleine Krieg im allgemeinen 404. — Der Kreuzerkrieg der Amerikaner 405. — Kapitän Paul Jones in den europäischen Gewässern 406. 404–407
Der Frieden von Versailles 3. September 1783 407. — Uebertriebene Ansicht von der Wirkung der Schlacht von Dominica auf den Friedensschluß 408. — Die Friedensbedingungen 409. 407–409
Schlußbetrachtungen über Strategie: die Ziele der Verbündeten und die sich daraus für sie ergebenden Angriffsobjekte 410. — Fehlerhafte Strategie Englands, überall einem Angriff gewachsen zu sein 411. — Fehler der Verbündeten, die Kräfte zu zersplittern und nicht um die Seeherrschaft im großen zu kämpfen 412. — Aussprüche Mahans hierzu 414. 409–415
Über Taktik: Die vielen rangierten Schlachten des Krieges bieten reiches Material zur Beurteilung des Standes der Taktik im vierten Abschnitte 414. — Rodneys und Suffrens Versuche zur Änderung derselben 415.  
Sechstes Kapitel: Nebenkriege 1740–1793 417–442
Kämpfe mit den Barbaresken. Englands, Hollands, Frankreichs und Spaniens Maßnahmen gegen den Seeraub 417. — Beschießung afrikanischer Städte durch die Franzosen 418. 417–418
Der Schwedisch-Russische Krieg 1741–1743. Anlaß des Krieges 418. — Die Streitmittel der Gegner 419. — Der Verlauf des Krieges 419. — Frieden von Abo 18. August 1743 420. — Ein Zusammenstoß Dänemarks mit Schweden durch Rußland verhindert 420. 418–420
Die schwedische und die russische Marine im Siebenjährigen Kriege 1756–1763. Aufstellung gemeinsamer Flotten der nordischen Staaten zur Abwehr der englischen; Beschießungen von Kolberg 1760 und 1761 421. — Tätigkeit der schwedischen Schärenflotte an der pommerschen Küste; Gefecht beim Reppiner Haken gegen eine preußische Flottille am 11. September 1758 421. — Stellung Friedrichs des Großen zur Schaffung einer Flotte 422. 421–422
Der Russisch-Türkische Krieg 1768–1774. Anlaß zum Kriege 422. — Die russische Ostseeflotte unter Alexej Orlow (nebst Spiridoff und Elphinstone) in Griechenland 1770; Vernichtung der türkischen Flotte bei Tscheschme 5. Juli 1770 423. — Orlow an der syrischen Küste; der Frieden von Kücük-Kainardschi, 21. Juli 1774, wichtig für Rußlands Stellung am Schwarzen Meere 424. 422–424
Der Russisch-Türkische Krieg 1787–1791. Anlaß zum Kriege; der Verlauf des Landkrieges 424. — Tätigkeit der russischen Schwarze-Meer-Flotte (Unterstützung der Belagerung von Otschakow 1788, Vertreibung der türkischen Flotte aus dem Schwarzen Meere 1791); der Friede von Jassi begründet Rußlands feste Stellung am Schwarzen Meere 9. Januar 1792 425. 424–425
Der Schwedisch-Russische Krieg 1788–1790. Anlässe zum Kriege; König Gustavs Plan gegen Petersburg 425. — Die Seestreitmittel der Gegner (die „Armeeflotte“ Schwedens) 426. — Der Aufmarsch der Schweden 1788 427. — König Gustavs Ultimatum mit schroffen Forderungen an Kaiserin Katharina; die Bewegungen der Hochseeflotten; Schlacht bei Hogland (Herzog Karl von Södermanland gegen Greigh) 17. Juli 1788 428. — Der Schären- und Landkrieg 1788; König Gustav III. muß die Belagerung von Frederikshamn wegen Empörung im Heere (Anjalabund) aufgeben 429. — Erfolgloser Angriff Dänemarks auf Schweden 1788 430. — Gründe der schwedischen Mißerfolge 430. — Die Tätigkeit der Hochseeflotten 1789; Schlacht bei Öland (Herzog Karl gegen Tschitschakoff) 26. Juli 1789 431. — Die schwedische Flotte in Karlskrona blockiert 431. — Der Land- und Schärenkrieg 1789 432. — Die Schärenschlacht im Svensksunde 24. August 433. — Kritik des Jahres 1789 434. — Friedensunterhandlungen scheitern an Katharinas Forderungen; neuer Plan Gustavs für den Angriff auf Petersburg 1790 434. — Die Schweden überrumpeln Raagervik 17. März 435. — Die Schlacht bei Reval (Herzog Karl gegen Tschitschakoff) 13. Mai 1790 435. — Die schwedische Küstenflotte greift Frederikshamn 15./19. Mai erfolglos an und dringt bis zur Wiborgbucht vor 436. — Seeschlacht in der Kronstädter Bucht 3./4. Juni (Herzog Karl gegen Kruse) 436. — Die schwedische Hochseeflotte zieht sich in die Wiborgbucht zurück und wird nebst der Küstenflotte durch Tschitschakoff und Kruse blockiert 438. — Durchbruch der Schweden 3. Juli 1790 439. — Zweite Schlacht im Svensksunde 9. Juli; eine schwere Niederlage der Russen 440. — Kritik des Jahres 1790 441. — Der Frieden zu Werelä 14. August 1790; die Ergebnisse des Krieges 441. 425–442[xiii]
Verzeichnis der Seekriege und Seeschlachten 443
Sach- und Namenverzeichnis 446
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[xiv]


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Wichtigste Quellen-Literatur.

A. Werke allgemeinen Inhalts[1].

  Abkürzung, im
Text gebraucht:
[2]W. Laird Clowes: The Royal Navy. A history of the earliest time to the present. London 1897–1901. 6 Bde. Clowes III,
IV.
Band III 1715–1783. Band IV Minor Operations, Voyages and Discoveries 1763–1792.  
[2]P. H. Colomb, Rearadmiral: Naval warfare. Its ruling principals and practice historically treated. London 1891. Colomb.
J. Campbell[3] und seine Fortsetzer: Lives of the British Admirals: containing an accurate Naval History from the earliest periods. London 1817. 8 Bde. Campbell.
Band IV bis 1756, V bis 1779, VII bis 1801. In neueren Werken oft benutzt, namentlich hinsichtlich Zahlenangaben.  
[2]A. T. Mahan, Captain U. Navy: Der Einfluss der Seemacht auf die Geschichte. Erster Band 1660–1783. Übersetzung Berlin 1898. Mahan I.
[2]C. Chabaud-Arnault, Capitaine de Fregatte: Histoire des flottes militaires. Paris et Nancy 1889. Chab.-
Arnault.
[2]O. Troude (publié par P. Levot): Batailles navales de La France. Paris 1867/68. 4 Bde. Troude I,
II.
Band I 520–1778, Band II 1778–1795.  
Comte de La Peyrouse Bonfils: Histoire de la Marine Française. Paris 1843. 3 Bde. Bd. I 1643–1778, Bd. II 1778–1789. Bonfils I,
II.
L. Guérin: Histoire maritime de France. Paris 1851.  [xv]
In neueren Werken oft angezogen.  
[2]J. C. de Jonge: Geschiedenis van het Nederlandsche Zeewezen. Haarlem 1858. 10 Bde. de Jonge.
Band IV 1707–1783.  
F. C. Duro: Armada Espagnola desde la unión de los reinós de la Castilla y de Leon et Aragon. Madrid 1895–1903. 9 Bde.  
Genaueste Geschichte der spanischen Marine.  
J. R. Spears: The history of our navy from its origin to the present day. 1775–1897. 4 Bde. New York 1897. Spears.
Band I enthält die erste Gründung einer Marine der Vereinigten Staaten und deren Verwendung im Befreiungskriege 1775–1783.  
E. Maclay: A history of the United States navy from 1775 to 1902. 3 Bde. London 1894, 1902.  
Wie vorstehend.  
C. A. Gyllengranat: Sveriges sjökrigshistoria i sammandrag. Carlskrona 1840. 2 Bde.  
P. O. Bäckström: Svenska Flottans Historia. Stockholm 1884.  
Sir G. Clarke: Russia's Sea-Power past and present or of the Rise of the Russian Navy. London 1898.  
F. T. Jane: The imperial Russian Navy, its Past, Present and Future. London 1899.  
O. Wesselage: Kurze Geschichte der russischen Seegefechte in zwei Jahrhunderten 1656–1858. Petersburg 1893–1895. 2 Bde.  
In russischer Sprache.  
Kirchhoff, Vizeadmiral z. D.: Seemacht in der Ostsee. Ihre Einwirkung auf die Geschichte der Ostseeländer im 17. und 18. Jahrhundert. Kiel 1907. Kirchhoff.
Behandelt eingehend die schwedischen, dänischen und russischen Kriege und bringt sehr genaue Angaben über die innere Geschichte der nordischen Marinen.  
A. Zimmermann: Die europäischen Kolonien. Ihre Entstehung, Entwicklung, Erfolge und Aussichten. Berlin 1896–1903. 5 Bde. Zimmermann.
Band I Portugal und Spanien; Band II und III England; Band IV Frankreich; Band V Holland. Bemerkenswert für die Kriege der europäischen Völker gegeneinander in den Kolonien, besonders für die Kämpfe am Lande.  

Fußnoten:

[1] Außer den hier aufgeführten Werken sind im Band I, „Wichtigste Quellenliteratur“, XVIII ff., noch verschiedene, meist ältere Werke erwähnt; du Sein, v. Henk, Steinitz, Schomberg, Southey, Allen, Joinville; vgl. auch die Fußnoten XXI dort.

[2] Die auf diese Weise gekennzeichneten wichtigen Werke sind auf ihren Inhalt bereits im ersten Bande XVIII ff. näher besprochen.

[3] Im Quellenverzeichnis des I. Bandes ist irrtümlich eine Ausgabe von 1873 angegeben; es ist dies nur ein kleines Werk von 382 Seiten unter gleichem Titel.

[xvi]

B. Werke besonderen Inhalts.

I. Seekriegsgeschichtlichen Inhalts.

  Abkürzung, im
Text gebraucht:
E. Chevalier: Histoire de la marine française depuis les débuts de la monarchie jusqu'au traité de paix de 1763. Paris 1902.  
Derselbe: Histoire de la marine française pendant la guerre de l'indépendance américaine. Paris 1877. Chevalier II.
G. Lacour-Gayet: La marine militaire de la France sous le règne de Louis XV. Paris 1902. Lacour I.
Derselbe: La marine militaire de la France sous le règne de Louis XVI. Paris 1905. Lacour II.
Die Werke Chevaliers und Lacour-Gayets sind wichtig für die Kriege des zweiten Bandes. Sie sind weit objektiver gehalten als die älteren französischen Quellen und sie ergänzen sich in wertvoller Weise. Chevalier beschreibt, besonders in seinem zweiten Buche, die Operationen und Schlachten genauer. Lacour-Gayet hält sich allgemeiner, bringt aber viele Angaben, Briefe und Berichte, die Auskunft über die inneren Verhältnisse der französischen Marine geben; seine Bücher enthalten auch vollzählige Listen über die verwendeten Flotten und Geschwader mit Angabe von Personalien sämtlicher auf diesen befindlichen Offizieren.  
Ch. Ekins: Naval battles 1744–1814. London 1824.  
E. K. Rawson: Twenty famous naval battles, Salamis to Santiago. London 1900. 2 Bde.  
J. Drinkwater: A history of the siège of Gibraltar 1779–1783. With a description and account of that garrison from the earliest times. London 1905. (Neudruck einer Ausgabe von 1786.)  
J. Roux: Le Bailli de Suffren dans l'Inde. Marseille 1862.  
H. Moris: Journal de bord du Bailli de Suffren dans l'Inde 1781–1784. Avec préface par le Vice-amiral Jurien de la Gravière. Paris 1888.  
Trublet: Histoire de la campagne de l'Inde par l'escadre française, sous les ordres de M. le Bailli de Suffren 1781–1783. Paris 1892.  
G. v. Schantz: Historia öfver Kriget emellan Sverige och Ryssland 1788–1790. Stockholm 1817 und 1818. 2 Bde.  
R. Ungermann: Der russisch-türkische Krieg 1768–1774. Wien und Leipzig 1906.  

II. Biographischen Inhalts.

  Abkürzung, im
Text gebraucht:
A. Barbou: Les grands marins de France. Histoire populaire de la marine française depuis les temps anciens jusqu'à nos jours. Paris 1885.  
Kurz gefaßt, gut illustriert.[xvii]  
Vicomte de Noailles: Marines et soldats français en Amérique pendant la guerre de l'indépendance des États-Unis 1778–1783. Paris 1903.  
J. K. Laughton: From Howard to Nelson. Twelve sailors. London 1900. 2 Bde.  
Der zweite Band enthält Aufsätze über Anson, Hawke, Boscawen, Rodney, Howe, Hood. (Jervis, Nelson.)  
J. Barrow: The life of Lord Anson. London 1839.  
Derselbe: The life of Richard Earl Howe. London 1838.  
Burrows: The life of Edward Lord Hawke. London 1883.  
D. Hannay: Rodney. London 1903. (2. Aufl.)  
Mundy: The life and correspondence of the late admiral Lord Rodney. London 1830. 2 Bde.  

III. Taktischen und strategischen Inhalts.

  Abkürzung, im
Text gebraucht:
[4]P. Hoste: L'Art des armées navales ou traité des évolutions navales. Lyon 1697.  
Bigot de Morogues: Tactique navale ou traité des évolutions et des signaux. Paris 1763.  
Bourdé de Villehue: Le manoeuvrier ou essai sur la théorie et la pratique des mouvements du navire et des évolutions navales. Paris 1769.  
J. Clerk: An essay on naval tactics systematical and historical with explanatory plates. 2. Edition. Edinburgh 1804.  
Die erste Auflage erschien 1790, war aber schon 1782 in wenigen Exemplaren gedruckt und der Inhalt überhaupt einigen englischen Seeoffizieren bekannt. — Der Verfasser zeigt an der Hand der Beschreibung von 14 Schlachten die Nachteile der bis dahin gebräuchlichen Angriffstaktik und macht Vorschläge, wie der Gegner an einer Stelle überlegen anzugreifen sei.  
A. Ramatuelle: Cours élémentaire de tactic navale, dédié à Bonaparte. Paris 1802.  
Verfasser diente in der französischen Marine in den Kriegen des vierten Abschnittes.  [xviii]
Julien Corbett: Fighting Instructions 1530–1816. Publications of the Navy Records Society. Vol. XXIX. London 1905.  
Die Entwicklung der Gefechtsvorschriften in der englischen Marine.  
Derselbe: Signals and Instructions 1776–1794. Ebendort Vol. XXXV. 1909.  
Ein Aufsatz, in dem der Verfasser nach neuesten Forschungen bisherige Ansichten, auch seine eigenen, über die Entwicklung der Seetaktik teilweise modifiziert.  
Glatzel, Kapitän zur See: Die Entwicklung der Seetaktik in der Zeit Rodneys und Howes. Marine-Rundschau 1909, Heft IV.  
Bespricht vorstehenden Aufsatz Clerks.  
Julien Corbett: England in the seven years war, a study in combined strategy. New York 1907. 2 Bde.  
Strategische Betrachtungen enthalten ferner in reichem Maße die oben schon erwähnten Werke von Colomb und Mahan, letzteres auch solche über Taktik.  

Fußnote:

[4] Vgl. Anmerkung zu Seite XIV.

IV. Technischen Inhalts.

  Abkürzung, im
Text gebraucht:
L. Arenhold, Marinemaler und Kapitänleutnant der Reserve: Die historische Entwicklung der Schiffstypen vom römischen Kriegsschiff bis zur Gegenwart. Kiel und Leipzig 1891. Arenhold.
30 Heliogravüren mit erläuterndem Text veranschaulichen die Entwicklung des Schiffbaues, der Takelage und der Armierung.  
J. Charnock: A history of marine architecture, including an enlarged and progressive view of the nautical regulations and naval history, both civil and military, of all nations, especially of Great-Britain. London 1800–1802. 2 Bde. Charnock.
In den besten neueren Werken über Seekriegsgeschichte als Quelle für Entwicklung des Seewesens oft benutzt. Auch bemerkenswert für die Kriege des vierten Abschnittes wegen genauer Angaben über die Seestreitkräfte der Gegner hinsichtlich ihrer Schiffsbestände (mit Namen der Schiffe) vor und nach den Kriegen, sowie über die Verluste während derselben.  
A. Jal: Archéologie navale. Paris 1840. 2 Bde.  [xix]
Tj. Schwarz: Das Linienschiff einst und jetzt. Berlin 1903.  
Enthält bemerkenswerte Angaben über die Entwicklung der Segellinienschiffe.  
Angaben über Schiffe, Waffen usw. enthalten ferner die oben angeführten Werke von Laird-Clowes (Kapitel civil history), Colomb (Kapitel V über Schiffsklassen), Troude (Band I, Introduction); solche über Organisation und Personal (innere Geschichte der Marinen), die Werke von Laird Clowes (englische Marine), de Jonge (holländische Marine), Chabaud-Arnault und Lacour-Gayet (französische Marine), Kirchhoff (dänische, schwedische, russische Marine).  

Verzeichnis der Abbildungen.

Bildnisse.

  Seite
George Brydges Rodney. Nach Laird Clowes, The Royal Navy. Bd. III. London 1898. Sampson, Low, Marston & Co. Ltd. Titelbild
George Lord Anson. Nach Laird Clowes, The Royal Navy. Bd. III. London 1898. Sampson, Low, Marston & Co. Ltd. 70
Admiral Thomas Mathews. Nach Laird Clowes, The Royal Navy. Bd. III. London 1898. Sampson, Low, Marston & Co. Ltd. 75
Marquis de La Gallissonnière. Nach einer alten Lithographie nach A. Maurin 134
Admiral The Hon. John Byng. Nach Laird Clowes, The Royal Navy. Bd. III. London 1898. Sampson, Low, Marston & Co. Ltd. 137
Admiral The Hon. John Byng. Nach Laird Clowes, The Royal Navy. Bd. III. London 1898. Sampson, Low, Marston & Co. Ltd. 155
Comte d'Estaing. Nach einer alten Lithographie nach A. Maurin 259
Richard Earl Howe. Nach Laird Clowes, The Royal Navy. Bd. III. London 1898. Sampson, Low, Marston & Co. Ltd. 260
Samuel Barrington. Nach John Campbell, Life of the British Admirals. Bd. IV. London 1812. C. J. Barrington 273
De Guichen. Nach Vicomte de Noailles: Marines et soldats français en Amérique pendant la guerre de l'indépendance des États-Unis 1778–1783. Paris 1903 300
Johan Arnold Zoutman. Nach J. C. de Jonge, Geschiedenis van het Nederlandsche Zeewezen. 2. Aufl., Bd. IV. Haarlem 1861. A. C. Kruseman 320
De Grasse. Nach einer alten Lithographie nach A. Maurin 327
Samuel Hood. Nach Laird Clowes, The Royal Navy. Bd. IV. London 1899. Sampson, Low, Marston & Co. Ltd. 355
P. A. de Suffren. Nach G. Lacour-Gayet, La Marine Militaire de la France sous le règne de Louis XVI. Paris 1905. Honoré & Champion 377
Captain John Paul Jones. Nach Laird Clowes, The Royal Navy. Bd. IV. London 1899. Sampson, Low, Marston & Co. Ltd. 406

[xx]

Abbildungen von Schiffen.

  Seite
Englisches Linienschiff „The Terrible 74“. Den Franzosen 1747 abgenommen. Nach Laird Clowes, The Royal Navy. Bd. III. London 1898. Sampson, Low, Marston & Co. Ltd. 12
Heck eines französischen Linienschiffes. Aus Tjard Schwarz, Das Linienschiff einst und jetzt. Berlin 1903. E. Mittler & Sohn 12
Französisches Linienschiff „Sans Pareil“, 1770. Aus Tjard Schwarz, Das Linienschiff einst und jetzt. Berlin 1903. E. Mittler & Sohn 13
Einblick in eine Batterie eines Segellinienschiffs. Aus Tjard Schwarz, Das Linienschiff einst und jetzt. Berlin 1903. E. Mittler & Sohn 20

Schlachtpläne und Uebersichtsskizzen.
(Nach Skizzen des Verfassers.)

  Seite
Skizze zur Erläuterung der Taktik 41
Hafen von Cartagena 65
Schlacht vor Toulon, 22. Februar 1744 76
Schlacht bei Minorka, 20. Mai 1756 138
Die Quiberonbucht 156
New York und Umgebung 235
Schlacht bei Grenada, 6. Juli 1779 277
Schlacht bei Martinique, 17. April 1780 301
Schlacht vor der Chesapeakebucht, 16. März 1781 333
Schlacht vor der Chesapeakebucht, 5. September 1781 338
Schlacht bei St. Christoffer (St. Kitts), 25. Januar, und Ankergefecht, 26. Januar 1782 357
Schlacht bei Dominica, 9. April 1782 362
Schlacht bei Dominica (Les Saintes), 12. April 1782 366 u. 368
Schlacht vor Porto Praya, 16. April 1781 382
Schlacht bei Sadras, 17. Februar 1782 386
Schlacht bei Providien, 12. April 1782 388
Schlacht bei Negapatam, 6. Juli 1782 392
Schlacht bei Trincomali, 3. September 1782 395
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[1]


Vierter Abschnitt.
Die Zeit von 1739–1793.

[2]

Kennzeichen des Abschnittes.

Vergrößerung der Schlachtschiffe bei gleicher Kanonenzahl; größere Gleichmäßigkeit innerhalb der verschiedenen Klassen; Bevorzugung der bisherigen Linienschiffe mittlerer Größe; Verbesserung und Vermehrung der Fahrzeuge zu besonderen Zwecken, Einführung schwererer Fregatten. — Die Taktik wird schematisch gehandhabt und führt zu meist unentschiedenen Schlachten, erst gegen das Ende des Abschnittes gewinnt sie neues Leben. — Die Meere der Kolonien werden in den Seekrieg mit einbegriffen, das Bereich der Strategie wird dadurch erweitert.

[3]

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Erstes Kapitel.

Einleitung.
Geschichtlicher Überblick über den Abschnitt[5].
Seine Bedeutung für die Entwicklung des Seekriegswesens.

G

eschichtlicher Überblick. Der dritte Abschnitt, die Zeit von 1648–1739 umfassend, zeitigte bis zum Frieden von Utrecht[6] fünf große Seekriege. Ihr letzter, der Spanische Erbfolgekrieg 1702–1713, hatte England zum Gebieter der Meere gemacht. Die Zeit von 1713–1739[7] brachte infolge der Friedenspolitik der Minister Walpole in England und Fleury in Frankreich keine großen Seekriege, obgleich Zündstoff für Zusammenstöße der Großstaaten am Weltmeere genügend vorhanden war: Zwischen Spanien-Frankreich einerseits und England-Holland anderseits schärften sich seit Erhebung der Bourbonen auf den spanischen Thron die handelspolitischen Gegensätze bedenklich.

Die im Frieden von Utrecht zwischen Spanien und England über den Handel in Westindien und Spanisch-Amerika geschlossenen Verträge waren auf die Dauer unhaltbar. Die Zugeständnisse, die Spanien gemacht hatte (Assientovertrag), konnten England nicht genügen; sie riefen bald eine unrechtmäßige Ausnutzung seitens der Engländer — einen weitgehenden Schmuggelhandel — und dadurch ebenso ungesetzliche Gewaltmaßregeln der Spanier hervor. Diese Reibungen bildeten eine stete Bedrohung des Friedens. Anderseits hatte Spanien 1733 auch Frankreich große Vorteile im Handelsverkehr gewährt. In Frankreich wuchs die Einsicht von der Notwendigkeit maritimer Ausdehnung. Während der Friedensjahre nahm der französische Seehandel schnell zu und die Kolonien blühten auf; in[4] Westindien erlangten sie das Übergewicht über die englischen und in Ostindien bildete sich ein französisch-indisches Reich, ähnlich dem jetzigen englischen. Das englische Volk aber war gewillt, jede Nebenbuhlerschaft auf der See und über der See zu unterdrücken. Zwischen Frankreich und England harrte ferner der Streit um die Vormacht in Nordamerika des Austrages; nicht einmal die Grenzen zwischen den beiderseitigen Kolonien waren hier endgültig festgesetzt und auch über den Besitz des nördlichen Teiles von Neu-Braunschweig war noch keine Entscheidung getroffen. Spanien sowohl wie Frankreich mußte es endlich ein Dorn im Auge sein, Gibraltar und Minorka als Stützpunkte zur Beherrschung des Mittelmeeres und seines Ausganges im Besitze Englands zu sehen.

Anlässe zum Kriege waren also zur Genüge vorhanden, und wir wissen (vgl. Band I, Seite 598), daß sich Frankreich und Spanien in einem geheimen Defensivbündnisse verständigt hatten, bei geeigneter Gelegenheit gemeinsam gegen England vorzugehen; 1735 hatten diese Staaten ja bereits das Königreich Beider Sizilien unter bourbonischen Einfluß gebracht. So zeigt uns denn der vierte Abschnitt in dem kurzen Zeitraum von 43 Jahren drei große Seekriege. In diesen treten sich als Hauptgegner England und Frankreich gegenüber, Spanien sowie Holland spielen eine Nebenrolle: Hollands Seestreitkräfte waren sehr zurückgegangen, und auch die Spaniens, die zwar unter den Bourbonen (besonders unter Karl III. 1759–1788) wieder an Stärke gewannen, erreichten nicht die Bedeutung der französischen und englischen Seegeltung.

Die Reibungen in den westindischen Gewässern führten 1739 zu einem Kriege zwischen England und Spanien und eröffneten die großen Kämpfe zur See, die sich wie die letzten Kriege des vorigen Abschnittes an große Landkriege anschlossen.

Um das Jahr 1740 befand sich Europa in einem politischen Zustande, der bedeutende Umwälzungen ahnen ließ. Seit dem Spanischen Erbfolgekriege lag die Summe der politischen Weisheit in der Erhaltung des europäischen Gleichgewichtes zwischen den Großmächten Österreich, England, Frankreich, Holland, und nach dem Utrechter Frieden waren diese Staaten bestrebt, den seitdem geschaffenen Zustand zu erhalten; diese Sorge führte dann aber gerade zwei große europäische Kriege herbei. Neben den Fragen maritimer Bedeutung bedrohten auch andere, für die allgemeinen Interessen noch wichtigere das so ängstlich gehütete Gleichgewicht und damit den Frieden. Frankreichs Bestreben war weiter auf die Erwerbung der österreichischen Niederlande (Belgien) und auf die Sicherung Lothringens gerichtet, auf das es schon durch einen Erbschaftsvertrag mit König Stanislaus Leszczynski Beschlag gelegt hatte, und stieß so mit den Interessen Deutschlands, besonders Österreichs, durch die Absicht auf Belgien aber auch mit denen Hollands, ja sogar Englands, zusammen. In Deutschland hatte sich ferner eine immer schärfere Spannung zwischen Österreich und Preußen herausgebildet, und im Osten erhob sich drohend[5] die anschwellende russische Macht; das polnische Reich war im Verfall, und die Türkei wurde immer schwächer.

Durch den Tod des Kaisers Karl VI. (Oktober 1740) kamen die Ereignisse ins Rollen. Zwar hatten fast alle Staaten die „Pragmatische Sanktion“ (vgl. Band I, Seite 594 ff.) anerkannt, durch die dem Hause Habsburg — der Kaisertochter Maria Theresia — der Bestand seiner sämtlichen Lande gesichert war, aber nach dem Tode des Kaisers traten dennoch verschiedene Mächte mit Erbansprüchen hervor. So entbrannte der Österreichische Erbfolgekrieg (1740–1748), in dem Österreich mit England, Holland und Spanien gegen Bayern, Preußen (Erster und Zweiter Schlesischer Krieg) und Frankreich focht; auch die anderen Staaten schlossen sich einer der Parteien an, und der schon begonnene Seekrieg zwischen Spanien und England lief weiter. Der Kampf um das Gleichgewicht fand dann seine Fortsetzung und seinen Höhepunkt im Siebenjährigen Kriege 1756–1763, in dem jedoch die Gruppierung der Staaten eine ganz andere war. Die Eifersucht auf das zu Bedeutung gelangte Preußen führte jetzt Rußland sowie auch Frankreich (hier hatten allerdings noch andere Umstände ebenso großen Einfluß) auf die Seite Österreichs, um dem Werden eines kraftvollen Staates im wiederaufstrebenden Deutschland rechtzeitig einen Riegel vorzuschieben, während England durch den jetzt zur endgültigen Entscheidung drängenden Kampf seiner Kolonien in Nordamerika mit den französischen, sowie durch des Königs Interesse an Hannover auf die Seite Preußens getrieben wurde; wiederum beteiligten sich auch andere Staaten am Kriege[8]. In diesen beiden Kriegen war England bestrebt, die Kräfte Frankreichs an den Festlandskrieg zu fesseln, indem es dessen Gegnern die Mittel zum Kampfe lieferte, und diesen Umstand sowie die Schwäche der französischen Marine zu benutzen, die eigene Seeherrschaft zu festigen und seinen Kolonialbesitz zu erweitern.

Im Österreichischen Erbfolgekriege fügte England den feindlichen Seestreitkräften empfindliche Verluste zu und errang auch Vorteile in Nordamerika, während Frankreich in Ostindien glücklicher war; die englische Seemacht wurde aber in diesem Kriege durch verschiedene Umstände an der Entfaltung ihrer ganzen Kraft behindert. Im Siebenjährigen Kriege hatte England dagegen vollen Erfolg mit seinen Plänen. Dieser Krieg brachte ihm die Herrschaft über Kanada unter Verdrängung Frankreichs aus Nordamerika, sowie Erweiterung seines Besitzes in Westindien; den großen Unternehmungen Frankreichs in Ostindien wurde ein Ende gemacht; die französischen Seestreitkräfte waren vernichtend geschlagen. Spanien, das verspätet Frankreich Hilfe zu bringen versuchte, wurde in dessen Sturz hineingezogen. Gleichzeitig hatte im Landkriege Friedrich der Große[6] Preußens Stellung als Großmacht gefestigt; die beiden germanisch-protestantischen Mächte behaupteten den Sieg.

Der dritte große Seekrieg unseres vierten Abschnittes schließt sich an den Nordamerikanischen Freiheitskrieg 1775–1783 an, in dem Frankreich sowie Spanien auf die Seite der aufständischen Kolonien traten und in dem Holland durch England selbst zu den Gegnern gedrängt wurde. Der Krieg wurde so ein Seekrieg in allen Meeren, es handelte sich für England nicht nur um die Herrschaft über seine Kolonien, sondern auch um die Erhaltung seiner Obmacht zur See.

Frankreichs Kraft war jetzt nicht durch einen Landkrieg in Europa abgelenkt, England selber mußte einen solchen in Amerika führen, und dabei waren die Marinen Frankreichs sowie Spaniens wesentlich erstarkt. Dieser Krieg war denn auch für England sehr gefahrdrohend und brachte ihm keine Erfolge. Zwar hielten seine Seestreitkräfte den vereinten feindlichen das Gegengewicht, blieben eigentlich die überlegenen, und ein letzter Versuch der Franzosen, in Ostindien wieder die Übermacht zu gewinnen, wurde vereitelt, aber die nordamerikanischen Kolonien erlangten ihre Unabhängigkeit (hauptsächlich durch die Unterstützung der französischen Flotte) und Minorka ging verloren. Die Tatsache endlich, daß die französische Flotte in diesem Kriege die See gehalten hatte, war von großer Bedeutung. Das französische Volk wandte sich mit lebhafterem Interesse dem Seewesen zu; Aufschwung des Seehandels, der Kolonien, sowie Pflege der Marine waren die Folge. In der Marine herrschten Selbstvertrauen und Streben; sie würde in einem neuen Seekriege eine wuchtige Waffe geworden sein, wenn nicht die Revolution gerade für sie die verhängnisvollsten Folgen gehabt hätte.

Am Ende unseres Abschnittes war gegen die Zeit des Westfälischen Friedens eine völlige Umgestaltung Europas abgeschlossen. Das kolonienreiche Spanien, die Militärmacht Schweden und das seemächtige Holland waren aus der Reihe der maßgebenden Staaten gestrichen; zwei neue Mächte, Preußen und Rußland, waren schnell aufgestiegen und bildeten jetzt mit den alten, England, Frankreich und Österreich, die Vorherrschaft der fünf Großmächte, von denen die Politik des Weltteils abhing. — England begann sich zu einem außereuropäischen Weltreich auszudehnen und die Vereinigten Staaten von Nordamerika waren als eine anglo-germanische und protestantische Macht entstanden.

Nebenkriege, wie wir weiter die Seekriege nennen wollen, die nicht von ausschlaggebender Bedeutung für die allgemeine Weltgeschichte und für die Entwicklung des Seekriegswesens waren, sind im vierten Abschnitt folgende:

Der Russisch-Schwedische Krieg 1741–1743, der im Zusammenhange mit dem Österreichischen Erbfolgekriege steht; die Beteiligung der schwedischen sowie der russischen Seestreitkräfte am Siebenjährigen Kriege; die Russisch-Türkischen Kriege von 1768–1774 und von 1787–1792; der Russisch-Schwedische Krieg 1788–1790.

Diese Nebenkriege werden im Kapitel VI besprochen.

Bedeutung des Abschnittes für die Seekriegsgeschichte und für die Entwicklung des Seekriegswesens. Die großen Seekriege dieses Abschnittes[7] haben eine bezeichnende Eigenschaft, die sie von den früheren unterscheidet. Bisher[9] hatten die Kämpfe in den Gewässern der Kolonien nur den Charakter des Kleinen Krieges. Sie bestanden in Angriffen auf die Niederlassungen und den Handel dort behufs Schädigung des Feindes sowie eigener Bereicherung; die dazu verwendeten Seestreitkräfte waren nur gering. Von nun an aber, und in den Kriegen dieses Abschnittes ganz besonders, bleiben die Ereignisse in den fernen Meeren nicht mehr nur Ausläufer des in Europa und seinen Gewässern ausgefochtenen Entscheidungskampfes; die Weltgeschichte ist nicht mehr die Geschichte Europas, sondern die der atlantischen Welt.

Die Kolonien hatten eine höhere und stetig wachsende Bedeutung für die europäischen Staaten gewonnen, sie bildeten einen Teil der Gesamtstaaten, von dem die Vermehrung des Nationalwohlstandes abhing. Sie erzeugten in regelmäßigem Anbau Produkte, die der europäische Markt nicht mehr missen konnte und waren als Abnehmer heimischer Erzeugnisse unentbehrlich geworden; es wurde aus diesem Grunde notwendig, den Verkehr zwischen ihnen und dem Mutterlande auch im Kriege zu behaupten. Deshalb schließen sich an den Hauptkriegsschauplatz in den europäischen Gewässern überseeische Schauplätze an, ja diese werden zuweilen die wichtigeren, und zwischen beiden muß die Verbindung aufrechterhalten werden, da von der Kraftquelle in der Heimat die Leistungen draußen abhängen. Alle diese Gründe rufen den Kampf um die Seeherrschaft im weitesten Sinne hervor und der Strategie zur See wird damit ein größerer Spielraum angewiesen.

Es erscheint nun auffällig, daß erst in dem letzten der drei Seekriege große Flotten auftreten; dies war hauptsächlich eine Folge der Schwäche der französischen Marine. In Frankreich war zwar der Aufschwung des Seehandels und der Kolonien während der Friedensjahre seit 1713 volkstümlich, aber die Regierung stand ihm kalt und mißtrauisch gegenüber. Sie ließ die Marine mehr und mehr verfallen, ja noch während der beiden ersten Kriege wurde wenig für sie getan; der Landkrieg sog die Hilfsquellen auf. Die vorhandenen Seestreitkräfte wurden außerdem zersplittert, Frankreich führte diese Seekriege lau und ohne strategisches Verständnis für ihre Wichtigkeit. Erst nach den maritimen Niederlagen und Verlusten im Siebenjährigen Kriege hob man auf Drängen des Volkes die Marine und sie trat nun im letzten großen Kriege, im Verein mit der gleichfalls erstarkten spanischen, mächtiger und tatkräftiger auf als je zuvor. Dieser Krieg wurde zwischen den europäischen Gegnern zu einem reinen Seekriege mit großen Flotten in allen Meeren.

Die Bedeutung der Kolonien. Im ersten Bande (Kapitel XII) ist eine kurze Geschichte der Kolonien gegeben, um deren Umfang, ihren Wert für die Besitzer und ihre innere Kraft um 1740 zu veranschaulichen; die Weiterentwicklung ihrer Verhältnisse[8] wird bei jedem der nun folgenden Kriege berührt werden. Bei der Wichtigkeit, die die Kolonien für sie haben, soll hier nochmals die Stellung der Gegner außerhalb Europas vor Augen geführt werden; der Einfluß der Kolonien auf die Strategie ergibt sich daraus.

In Nord-Amerika besaß England 13 Kolonien, die späteren „Vereinigten Staaten“: Die vier nördlichen oder Neuengland-Staaten: Newhampshire, Massachusetts mit Maine, Connecticut, Rhode-Island; die fünf mittleren: New York, New Jersey, Delaware, Pennsylvanien, Maryland; die vier südlichen: Virginien, Nord- und Südcarolina, Georgia. Diese Kolonien hatten 1740 schon eine Bevölkerung von etwa 1200000 Weißen und 200000 Negern, die schnell weiter zunahm (1760: 1385000 Weiße, 310000 Neger; 1770 insgesamt 2312000 und 1780 2943000 Seelen). Die Einwohner waren Ackerbauer, Kaufleute, sowie Seeleute und hingen noch mit Begeisterung am Mutterlande, wenn sie auch im wesentlichen auf sich angewiesen waren und sich selbst regierten. An einer solchen Bevölkerung, die außerdem auf die Franzosen sowie die Kanadier sehr eifersüchtig war, und an einem in jeder Beziehung ertragsfähigen Lande mit langer Seeküste und guten Häfen, in dem schon viel für die Entwicklung des Seewesens getan war (für Kriegsflotten voll leistungsfähige Werften gab es allerdings noch nicht), hatte England in den beiden ersten Kriegen eine sichere Basis auf der westlichen Halbkugel.

Frankreich besaß Kanada und Louisiana, worin das ganze Ohio- und Mississippi-Tal als notwendiges Glied zwischen dem St. Lorenz-Strom und dem Golf von Mexiko einbegriffen war. Dieses Zwischengebiet war jedoch nur schwach besetzt, und England erkannte Frankreichs Anspruch darauf nicht an. Die Stärke der französischen Stellung lag in Kanada, das 1740 etwa 50000 Weiße zählte (1760 etwa 80000). Die Ansiedler beschäftigten sich hier nur soweit mit Handel und Landwirtschaft, wie es für ihre unmittelbaren Bedürfnisse nötig war, in erster Linie lebten sie von der Jagd und dem Waffendienst. Eine militärische und mönchische Regierung hemmte Unternehmungslust sowie freie Verbindung zu gemeinsamen Zielen; selbst die für die Schiffahrt im Innern nötigen Fahrzeuge mußte man größerenteils in den englischen Kolonien kaufen. Kanada bot so und auch infolge der weiteren Entfernung von Westindien sowie seines rauhen Winterklimas vom militärisch-seemännischen Standpunkte aus für Frankreich weit weniger Nutzen als die englischen Kolonien für England; ein Vorteil Kanadas war wohl, daß es unter einheitlicher Verwaltung stand, während die englischen Provinzen nur lose zusammenhingen und nicht immer einig waren.

Bei der Schwäche der Bevölkerung und den geringen Hilfsmitteln des Landes lag das Geschick Kanadas in einem Kriege ganz in der Unterstützung durch die Seemacht Frankreichs, die sich entweder in unmittelbarer Beherrschung der benachbarten Gewässer oder in der Ablenkung des Gegners durch Bedrohung anderer Punkte äußern mußte. Von großer Bedeutung war hierbei der St. Lorenz-Strom, der den Zutritt bis zum Herzen des Landes gewährte; Neufundland und Neuschottland hatte Frankreich zwar schon verloren, aber es besaß in der Insel Breton mit der starken Feste Louisbourg noch den Schlüssel zum St. Lorenz-Golf. Im dritten, dem amerikanischen Befreiungskriege, gehörte Kanada England. Es bot ihm in Halifax einen Stützpunkt für die Seestreitkräfte und bildete für die anderen aufständischen Kolonien, da diese es weder zum Anschluß bringen noch erobern konnten, eine Grenze, die stets bewacht werden mußte.

Spanien besaß 1740 in Nordamerika außer Mexiko nur Florida, ungenau begrenzte weite Gebiete um die Halbinsel gleichen Namens; diese Kolonie blieb (auch als sie später in englischem Besitz war) während der Kriege von geringer Bedeutung.

In Westindien, Mittel- und Südamerika hatte Spanien die unter dem Namen „Spanisch-Amerika“ bekannten Länder im Besitz, sowie die Inseln Kuba, Portoriko und vier Fünftel von Haïti; Kuba mit etwa 140000, Haïti mit 400000 Einwohnern aller Farben. Frankreich besaß Guadeloupe (10000 Weiße, 50000 Neger), Martinique (24000 bzw. 60000), ein Fünftel von Haïti (40000, 230000) sowie[9] die kleineren Inseln Grenada, Marie Galante, St. Martin, Les Saintes, St. Croix und auf dem Festlande Cayenne. Zu England gehörten Jamaika (etwa 10000 Weiße), Barbados (20000 Weiße, 69000 Neger) sowie die kleineren Inseln Nevis, Antigua, Montserrat, Barbados, Anguilla, die Virgin-Inseln, die Bermudas und die Bahamas (alle zusammen vielleicht 15000 Weiße). Man ersieht, daß die Einwohnerzahl der französischen Inseln die der englischen beträchtlich übertraf. Auf dem Festlande besaß England an der Küste von Honduras Niederlassungen (z. B. Belize, die Insel Roatan, am Kap Honduras, 1739 erworben), die besonders als Stationen für Holzausfuhr dienten.

Die Inseln Dominica, St. Lucia, St. Vincent und Tabago, auf die sowohl England wie Frankreich Anspruch gemacht hatten, waren vorläufig (1730) als „neutrale Inseln“, den Indianern gehörig, erklärt.

Man sollte nun annehmen, daß die Eroberung der fruchtbaren Inseln vom Gegner ein Hauptziel geworden wäre, aber mit Ausnahme des spanischen Wunsches, Jamaika dauernd wiederzugewinnen, scheinen solche Pläne nie ernstlich gehegt zu sein. Das zur See mächtigere England wurde wohl durch die größere Masse des Volkes mehr auf Nordamerika hingewiesen und die kleineren westindischen Inseln, aus denen der englische Besitz hauptsächlich bestand, sind einzeln zu klein, um sie ohne unbedingte Seeherrschaft erfolgreich behaupten zu können; hiermit aber konnten die Gegner Englands nicht rechnen. So wurde gegen die Inseln von beiden Seiten mehr der kleine Krieg geführt; man sah sie gewissermaßen wie Schiffe oder Konvois mit feindlichem Gute an. Sie gehen häufig von einer Hand in die andere über; sie werden angegriffen, um sie zu brandschatzen; die Garnisonen werden gefangen genommen und die Befestigungen zerstört, um den feindlichen Seestreitkräften ihre Stützpunkte zu rauben. Die beim Friedensschluß etwa noch besetzten werden aber meist wieder zurückgegeben; nur das Schicksal der sogenannten neutralen Inseln entscheidet sich in den Kriegen unseres Zeitabschnittes; sie wurden zwischen England und Frankreich verteilt. Die Tatsache aber, daß jede der großen Mächte in Westindien, diesem Brennpunkte des Handels, Besitzungen hatte, zog kleine Geschwader, wie auch besonders im dritten Kriege große Flotten dorthin; eine große Zahl der Seekämpfe spielt sich hier ab.

In Ostindien besaß England als Hauptniederlassungen Bombay, Madras und Kalkutta; Frankreich Mahé, Pondichery und Chandernagore (am Ganges). Dieser Staat hatte großen Vorteil durch Besitz der Inseln Isle de France und Bourbon, die als Zwischenstationen auf dem Wege nach Indien, sowie als Stützpunkte in der Nähe dieses Landes dienten. Beide Staaten wurden in Indien nur durch ihre Kompagnien vertreten. Diese waren zwar um 1740 noch nicht sehr stark, strebten aber gerade in dem hier behandelten Zeitabschnitt wetteifernd dahin, ihre Macht auszudehnen, und hinter ihnen standen die Regierungen ihrer Mutterländer; die Kriege wurden deshalb auch hier von Bedeutung und berührten gleichfalls die Philippinen, die einzige Besitzung Spaniens im fernen Osten.

Die holländischen Kolonien — in Westindien nur unbedeutend, in Ostindien, mit Ausnahme eines Kontors in Negapatam, auf die Inselwelt beschränkt — wurden erst im dritten großen Kriege in den Streit verwickelt, als Holland gegen England stand; sie spielten aber auch dann nur eine untergeordnete Rolle. Wichtig wurde allein das Kapland, das nun den Franzosen als eine weitere Station auf dem Wege nach Indien zur Verfügung stand.

Die sonstigen Besitzungen der Staaten in Afrika waren lediglich Handelsstationen ohne militärischen Wert.

Die Kriege des vierten Abschnittes sind ferner beachtenswert für die Fortentwicklung der Taktik. Die Engländer treten in sie ein mit rein schematischer Durchführung gewisser kühner, aber unvorteilhafter Angriffsregeln, die außerdem sowohl den Oberbefehlshaber[10] wie die Unterführer binden und lähmen. Die Franzosen bauen gegen diese Angriffe eine Verteidigungstaktik auf, mit Verwertung der jetzt auch erkannten Vorteile der Leestellung, führen diese aber gleichfalls nur schematisch durch, anstatt errungene Vorteile durch angriffsweises Vorgehen auszunutzen. Die Folge war, daß fast alle Schlachten unentschieden blieben. Erst gegen das Ende des Zeitabschnittes brechen bedeutende Führer beider Völker (Rodney und Suffren) mit dem Schematismus, und es kommt neues Leben in die Taktik; wie im dritten Abschnitt erscheint dann auch wieder ein aufsehenerregendes Werk (das des Schotten Clerk) über seetaktische Fragen.

In der Entwicklung der Streitmittel, der Schiffe und der Artillerie, zeitigt der Abschnitt nur wenige hervorragende Änderungen. Die Klassen der Schlachtschiffe werden in sich gleichmäßiger und man verwendet als solche in erster Linie Schiffe der bisherigen mittleren Größe (zu 74 Kanonen); die Fahrzeuge zu besonderen Zwecken werden bedeutend vermehrt, schwerere Fregatten erbaut. An Geschützen führen die Engländer die Karronaden als eine für den Nahkampf besonders wirksame Waffe ein.

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Fußnoten:

[5] Zu den geschichtlichen und politischen Betrachtungen hier, sowie bei Schilderung der Kriege sind besonders benützt: Schlosser, Geschichte des XVIII. und XIX. Jahrhunderts, Band II–IV; Spamers Weltgeschichte Band VII; Mahan I.

[6] Bedingungen des Friedens vgl. Band I, Seite 496; Ergebnisse des Spanischen Erbfolgekrieges für die Teilnehmer Seite 575 und auch 159.

[7] Ebendort Kapitel X und XI.

[8] Auf die Geschichte dieser zwei großen Landkriege — auf ihre Ursachen eingehender, auf ihren Verlauf, soweit es nötig erscheint — werden wir bei der Betrachtung der sie begleitenden Seekriege zurückkommen.

[9] Vgl. Band I, Seiten 472, 483, 562, 574.


[11]

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Zweites Kapitel.
Die Entwicklung des Seekriegswesens von 1740–1793.

Schiffe, Nautik (Entdeckungen), Schiffsklassen, Waffen, Personal (Organisation der Marine), Taktik.

Die Betrachtungen schließen an das zweite Kapitel des dritten Abschnittes (Band I, Seite 161–188) an. Wie dort und aus dem gleichen Grunde sind in erster Linie die englischen Verhältnisse zugrunde gelegt; wichtige Abweichungen in anderen Marinen sind jedoch angeführt oder aus den Angaben über „die Streitmittel“ vor jedem Kriege zu ersehen.

Als Hauptquellen dienten: Clowes III; Charnock III; Arenhold; Troude I; Colomb, Kapitel V; Schwarz. (Vgl. Quellenverzeichnis.)

Schiffe, Nautik, Schiffsklassen.

Wir haben im ersten Bande die Entwicklung des Einzelschiffes und die Einteilung der Schiffe in Klassen eingehend verfolgt und kamen schließlich zu dem Ergebnis, daß um 1739 in beiden Hinsichten ein gewisser Abschluß erreicht war. Die weitere Zeit der Segelschiffahrt bringt nur noch Vervollkommnungen des Einzelschiffes, dessen Typ — besonders der des Schlacht- (Linien-)schiffes — feststand, und Verschiebungen in der Klasseneinteilung. Beides vollzieht sich weiter in den uns schon bekannten Richtungen: Anstreben besserer See- und Segelfähigkeit des Einzelschiffes, sowie Vergrößerung des Raumgehalts bei gleicher Kanonenzahl; Herbeiführen von Gleichmäßigkeit der Schiffe einer Klasse, Bevorzugung der ehemaligen Mittelklasse der Linienschiffe (Nichtvermehrung der sehr schweren, Abstoßung der kleineren), sowie Vermehrung der Fahrzeuge zu besonderen Zwecken.

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Englisches Linienschiff „The Terrible 74“. Den Franzosen 1747 abgenommen.

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Heck eines französischen Linienschiffes.

Die Linienschiffe. Schon im 17. Jahrhundert hatte Frankreich die Führung im Schiffbau übernommen. Hier beschäftigte man sich zuerst wissenschaftlich mit Untersuchungen über Stabilität und Manövrierkunst. Auf Anregung der Académie des Sciences in Paris nahmen hervorragende Gelehrte ein reges Interesse an der Theorie des Schiffbaues, und die Schiffbauingenieure wurden sorgfältig ausgebildet. Auch noch im 18. Jahrhundert[12] benutzten die Engländer gern eroberte französische Schiffe als Muster bei ihren Neubauten und stellten sie stets in ihre Schlachtflotte ein, während die Franzosen erbeutete englische Linienschiffe nur als Begleitschiffe aufbrauchten. Die wissenschaftliche Behandlung des Schiffbaues führte zur Vergrößerung der Schiffe, um sie seefähiger zu machen, zur Verbesserung der Formen unter und über Wasser, um die Segelkraft zur Fortbewegung und zum Manövrieren besser auszunutzen; nach Theorie und Erfahrung wurden die Verhältnisse der Hauptmaße des Schiffskörpers und der Takelage zu einander festgesetzt. An Stelle der vollen Formen des Vorschiffes treten schärfere Linien; das Heck wird gefälliger und weniger massiv, doch verschwindet hier die eigentliche Schiffsform unter überreichem bildnerischen Schmuck, sowie den Anbauten, die zugunsten einer bequemen Ausgestaltung der Wohnräume für den Kommandanten und die Offiziere, selbst auf Kosten der Armierung, angebracht wurden.

Als ein Zeichen der allmählichen Vergrößerung der Schiffe sei erwähnt, daß die Franzosen in der Zeit nach dem ersten Kriege, in den Jahren 1748 bis 1756, Zweidecker bis zu 84 Kanonen bauten, während in England Schiffe zu 80 Kanonen bis 1760 noch Dreidecker waren; dann folgte man auch hier dem Beispiele und zwar nach dem Muster eines erbeuteten Fahrzeuges. Die Dreidecker blieben stets schlechtere Seeschiffe. Sie mußten oft bei starkem Winde oder schwerem Seegange die Pforten der untersten Batterie schließen und sind mehrfach, selbst im Hafen bei Bodenreinigungen, gekentert. Sie[13] blieben jedoch gebräuchlich, namentlich als Flaggschiffe, da sie immerhin mächtige Gefechtseinheiten waren und Platz zur Unterbringung der Geschwaderstäbe boten.

In der Anordnung der Takelage war man schon zu Anfang des 18. Jahrhunderts bei dem Linienschiffe fast zur vollendeten Vollschiffstakelung gelangt: drei Masten und ein weitausladendes Bugspriet mit einem kleinen Maste; an den Masten und am Bugspriet Raasegel, am Kreuz- (Besan-) Maste ein großes Lateinsegel; auch Oberleesegel wurden schon gefahren[10]. Im Laufe des Jahrhunderts erschienen nun der Klüverbaum und die Vorsegel, die den kleinen Mast auf dem Bugspriet verdrängten, jedoch es blieben noch Raasegel am Klüverbaum (bis 1790), sowie am Bugspriet (bis 1815), da sie einem entmasteten Schiffe etwas mehr Steuerfähigkeit verliehen; zwischen den Masten traten Stagsegel auf. Das Lateinsegel am Kreuzmast wurde zum Besan, indem der untere Teil der langen Raa wegfiel und das Segel hier am Maste befestigt wurde; später wird der Rest der Raa zur Gaffel und für den unteren Rand des Segels tritt der Besansbaum zum Ausholen hinzu. Jetzt[14] wird es auch gebräuchlich, die Flagge, die bisher an einem Flaggstock am Heck gefahren wurde, an der Besansgaffel zu heißen. Um 1790 endlich waren Oberbramsegel, sowie Unter- und Bram-Leesegel ziemlich allgemein eingeführt.

Im vierten Abschnitt wurden Schiffstypen erreicht, die allen Anforderungen genügten, wie die Blockaden beweisen, mit denen die Engländer bald darauf jahraus, jahrein die französischen Häfen geschlossen hielten. Als ein auf der Höhe seiner Zeit stehendes Linienschiff sei der französische Zweidecker „Sans Pareil“ — 84 Kanonen, gebaut 1770 — abgebildet. Dieses Schiff soll vorzüglich see-, sowie manövrierfähig gewesen sein und konnte auch in schwerem Wetter die unterste Batterie gebrauchen; es wurde von den Engländern genommen und als Vorbild benutzt. Gleichzeitige 74-Kanonenschiffe sollen ebensogut gewesen sein.

see caption

Französisches Linienschiff „Sans Pareil“, 1770.

Die Fregatten. Bis 1745 hatte man im allgemeinen nur Linienschiffe, zu denen bis 1756 noch die 50-Kanonenschiffe rechneten, ferner Zweidecker mit 40 Kanonen, zuweilen und besonders in Frankreich als Fregatten bezeichnet, 20-Kanonenschiffe, auch Fregatten genannt, und noch kleinere Fahrzeuge. Dann entwickelte sich die wirkliche Fregatte; ein Schiffstyp von größerer Geschwindigkeit als Linienschiffe und Kauffahrer, von dem aber doch auch eine nicht unbedeutende Gefechtskraft verlangt wurde[11], um mit Erfolg als Aufklärungsschiffe der Flotten sowie im Handelskriege gegen Kaper dienen zu können. Die 40- oder 44-Kanonenzweidecker waren hierzu zu unbeholfen (diese Fahrzeuge wurden nach Einführung schwerer Fregatten ihrer Wohnlichkeit halber gern im Kolonialdienst verwendet), die 20-Kanonenschiffe zu schwach. Die neuen Fregatten führten ihre Hauptartillerie auf dem Hauptdeck, eingedeckt durch das Oberdeck, auf dem leichtere Geschütze standen. Etwa um 1748 wurden Fregatten mit 28 und 32 Kanonen gebaut, bald darauf auch solche mit 36. Sie führten bis 1780 nur 12-Pfünder in der Batterie, dann erhielten sie 18-Pfünder und es traten auch Schiffe mit 38 Kanonen hinzu; ganz schwere Fregatten mit 40–44 Geschützen erscheinen erst um die Wende des 18. Jahrhunderts.

Die ständige Vergrößerung der Schiffe in allen Klassen zeigt die auf Seite 15 gegebene Tabelle für England, in der jedoch einige Zwischenstufen nicht aufgenommen sind, da sie gegen das Ende des Abschnittes nur noch schwach vertreten waren.

Diese Tabelle, deren Angaben sich an die im ersten Bande Seite 178 für 1727 aufgeführten anschließen, ist nach Clowes III, Seite 9, 12, 335, zusammengestellt. Die Angaben für 1741 sind die in England als Bauvorschrift festgesetzten. Derartige Vorschriften waren von 1713 bis 1745 mehrfach erlassen, um Gleichmäßigkeit im Schiffsmaterial zu erzielen; dann aber sah man ein, daß durch zu eingehende Bestimmungen

[15]

Größenverhältnisse englischer Schiffe.

Anzahl
Kanonen
Jahr des
Baues
Tonnen-
Gehalt
Länge Breite Tiefgang  
in englische Fuß abgerundet  
100 1741 1872 175 50 21 Dreidecker    
1756 2047 178 52 22    
1789 2297 190 52 22    
90–98 1741 1679 168 48 20 Linienschiffe
1761 1827 176 49 21
1768 1947 178 50 21
70 1741 1291 154 44 19 Zweidecker
74 1759 1556 166 46 20
1790 1836 176 49 20
60 1741 1123 147 42 18
64 1763 1380 159 45 19
1782 1521 163 45 18
Linien-
schiff
1741 968 140 40 17 Zweidecker    
50 1752 1046 146 36 17
1765 1053 151 40 18
44 1741 706 126 36 15
1759 856 141 37 16
1774 886 140 38 16
38 1780 940 141 38 11 Fregatten    
1782 1062 150 40 13
36 1757 718 128 36 12
1786 839 141 39 14
32 1757 667 128 34 12
1783 779 131 36 13
28 1757 599 118 34 11
1785 594 121 33 11
20 1757 430 108 30 10 Postships    
1776 429 108 30 10
14 1746 276   91 26 12 Sloops    
1776 429 108 30 10

[16]

Verbesserungen gehemmt würden. Die Angaben für die späteren Jahre sind die Maße von ihrer Zeit besonders typischen Schiffen (Clowes führt die Namen an), die in England erbaut oder den Spaniers und Franzosen abgenommen waren.

Verbesserungen im Schiffbau. 1761 ward der erste Versuch gemacht, den Schiffsboden mit Kupferplatten zu belegen, um ihn gegen den Bohrwurm zu schützen; 1785 war diese Maßnahme in der englischen Marine durchgeführt, während die französische darin noch zurückstand. Es brachte den unerwarteten Vorteil mit sich, den Anwuchs von Algen und Muscheln zu verringern; die Schiffe büßten hierdurch weniger an Schnelligkeit ein und bedurften seltener einer Bodenreinigung. Allerdings wurde der Bau des Schiffsrumpfes schwieriger sowie teurer, da alle Bolzen unter Wasser aus Kupfer hergestellt werden mußten, weil eiserne infolge des galvanischen Stromes zwischen Kupfer und Eisen leicht zerstört worden wären. Die Pumpen zur Entleerung des Schiffsbodens wurden etwa um 1764 verbessert, so daß sie ihre Aufgabe mit weniger Arbeitskraft schneller und gründlicher lösten; dies war von gutem Einfluß auf den Gesundheitszustand an Bord. 1772 führte man sogar schon Destillationsapparate ein, die jedoch nur geringe Mengen von Trinkwasser liefern konnten. Zum Farbenanstrich pflegte man für den Schiffsrumpf Schwarz mit gelblich-weißen Batteriegängen (d. s. die Planken, in denen die Geschützpforten eingeschnitten waren), für die Rundhölzer (Masten, Raaen, Gaffeln usw.) Gelb zu wählen.

In Hinsicht auf die Beiboote trat noch keine Änderung ein (siehe Band I, Seite 166). Sie wurden weiter auf Deck eingesetzt und blieben teilweise sehr groß, da man sie häufig zum Fischen gekappter Anker nötig hatte. Erst als im Anfang des 19. Jahrhunderts Ankerketten gebräuchlich wurden und die Boote bei deren großem Gewicht zum Ankerfischen nicht mehr tauglich waren, wurden sie kleiner; um diese Zeit erschienen auch die Bootsdavids zum Heißen der Boote an den Schiffsseiten. Die Boote waren gut besegelt und waren dadurch sowie durch ihre Größe zu tagelangen Entsendungen geeignet. Die Werften wurden immer leistungsfähiger, besonders auch, weil man den Dienst auf ihnen besser regelte, für jedes Schiff eine besondere Schiffskammer zur Aufbewahrung seines Materials anlegte und die Angestellten sorgsamer auswählte, sowie besser bezahlte.

Die Kauffahrteischiffe des 18. Jahrhunderts waren selten größer als 800 tons. Sie wurden etwas schmaler als die Kriegsschiffe gebaut, führten meistens immer noch einige Kanonen und wurden häufig im Anstrich den Kriegsschiffen ähnlich gehalten (mit Batteriegängen), um Kaper abzuschrecken. Beim Bau solcher Fahrzeuge, die besonders für den Kaperdienst bestimmt waren, legte man Wert auf Schnelligkeit, worin sich frühzeitig die englisch-nordamerikanischen Kolonien hervortaten.

Für die Nautik ist zu erwähnen, daß die Ortsbestimmung auf See dadurch sehr erleichtert wurde, daß man von 1772 an brauchbare Chronometer anfertigte (vgl. Band I, Seite 167), daß die nautischen Hilfstafeln vervollkommnet,[17] die Leuchttürme vermehrt und mit bessern Lichtern versehen, die Seekarten fortlaufend vervollständigt wurden. Wissenschaftliche Seereisen trugen hierzu bei. 1736 konstruierte Harrison einen Chronometer, der auf einer Reise nach und von Westindien trotz schlechten Wetters nur 1m 56s verlor. Ein weiter verbessertes Instrument bewährte sich auf einer Entdeckungsreise des belgischen Kapitäns Byron in die Südsee 1764–1766. Auch die Franzosen sandten Schiffe zur Erprobung von Chronometern aus (Fleurien 1769, Borda 1771 und 1774). Etwa von 1772 an werden Chronometer an Bord der Kriegsschiffe allgemeiner eingeführt.

Die wissenschaftlichen Reisen beschränkten sich nicht auf geographische und hydrographische Forschungen in den bereits bekannten Gewässern; es wurden auch planmäßige Entdeckungsreisen unternommen. Da ihre Ergebnisse mehr geographisch als politisch oder militärisch wichtig sind, seien nur die hervorragendsten kurz erwähnt. Durch russische Seeleute wurden von 1728 an die Nord- und Ostküsten Asiens besucht; der Däne Bering erforschte in russischem Dienste 1725 das Meer von Kamtschatka, durchfuhr 1728 die nach ihm benannte Straße und besuchte 1741 die Nordwestküste Amerikas. Die Reise des englischen Admirals Anson 1739–1741 brachte die genauere Kenntnis der Marianen-Inseln. Von französischen Seeoffizieren entdeckte Bougainville, der erste Weltumsegler Frankreichs, 1756–1759 die Salomon-Inseln und den Bismarck-Archipel, Kerguelen 1771–1774 die nach ihm benannten Inseln, Lapérouse erforschte 1785–1788 die japanischen und koreanischen Gewässer.

Am meisten ist aber dem englischen Kapitän James Cook zu verdanken, der schon 1764–1767 die Küste von Neufundland aufgenommen hatte. Nach Tahiti zur Beobachtung des Venusdurchganges gesandt, umfuhr er 1769–1771 Neuseeland und stellte damit fest, daß diese Insel entgegen der bisherigen Annahme nicht der Ausläufer eines südpolaren Festlandes sei; er erforschte die Ostküste Australiens und fand die Torresstraße, deren erste Entdeckung unbekannt geblieben war (vgl. Band I, Seite 75). Er lenkte die Aufmerksamkeit seiner Regierung auf Botanybay als geeignet zur Kolonisation, die dann 1788 durch Hinführung der ersten Sträflinge begann. 1772 umsegelte er die Erde von West nach Ost zwischen 60 und 70° südlicher Breite und stellte fest, daß sich kein südpolarer Kontinent bis in die gemäßigte Zone erstrecke. 1776–1779 entdeckte er den Cook-Archipel, sowie die Sandwich-Inseln und erforschte beim Suchen nach einer Nordwestpassage die Nordwestküste Amerikas nebst dem nördlichen Teile des Stillen Ozeans bis zur Beringstraße. Durch ihn besonders wurde ein klares Bild von der Begrenzung dieses Weltmeeres sowie der in ihm liegenden Ländermassen und Inselgruppen gewonnen.

Diese wissenschaftlichen und Entdeckungsreisen waren für englische wie französische Seeoffiziere eine gute Schule. Die an ihnen beteiligten Kapitäne und Offiziere haben sich fast durchgängig auch in den Kriegen hervorgetan. Bemerkenswert ist, daß beide Völker bei Ausbruch eines Krieges feindliche Schiffe, die zur Zeit auf einer derartigen Reise begriffen waren, ausdrücklich als neutral und unverletzbar erklärten.

Schiffsklassen (englisch: rates; französisch: rangs). Aus der auf Seite 18 gegebenen Tabelle über die Bestände der englischen Marine in verschiedenen Jahren ergibt sich folgendes (vgl. auch Band I, Seite 178): Die mittelstarken Linienschiffe kommen immer mehr als Hauptschlachtschiffe

[18]

Bestände der englischen Marine nach Schiffsklassen.

Klasse Kanonenzahl Anzahl der Schiffe im Jahre
17521) 17622) 17751) 17832) 17921)
    I 100     5     5     4     5     5
  II 98 und 90   13       163)       173)       203)   16
III 64–80   47   88   99 141 107
In Klasse III   744)   37   57   81   66
waren enthalten   644) ?   30   32   49   39
IV 60     675)   32   11     8     1
Gesamtzahl der Linienschiffe 132 141 131 174 129
 
IV     506)   24   12   23   17
  V     446) 39   21     4   30   22
    387)     2     7     7
    367)     4     3   17   14
    327)   34   35   61   47
VI
(Post ships)
    287) 39   23   24   33   28
    247)   21     7   12     6
20–22   13   13   15     7
Sloops     8–188)   34   57   38   85   42
Brander       ?   11     1   17     9
Mörserboote       4   14     2     4     2
Gesamtzahl der Nichtlinienschiffe 116 224 139 304 201
Insgesamt 248 365 270 478 330

Die Tabelle, anschließend an die Band I Seite 178 gegebene, ist zusammengestellt nach Clowes III, Seite 7 und 328.

1) Bestände gegen das Ende einer Friedenszeit,

2) im letzten Jahre eines Krieges.

3) In dieser Zahl ist ein (oder einige wenige) Schiff zu 84 Kanonen einbegriffen.

4) Diese Angaben im Kleindruck zeigen, wie sehr die Unterklassen verschwinden; von 1775 an fast gänzlich.

5) Da 1752 die 50-Kanonenschiffe noch zur Linie zählten, so sind sie für dieses Jahr hier mit einbegriffen.

6) Die Schiffe zu 50 und 44 Kanonen waren Zweidecker; als Nichtschlachtschiffe und da sie auch nicht als Fregatten gelten konnten, fanden sie besonders Verwendung in den Kolonien, zu kleineren Unternehmungen usw.; sie waren bequem zum Stationsdienst in Friedenszeiten und bedurften nur geringer Besatzung. Ihre Zahl geht deshalb der sonstigen Richtung entgegen nicht zurück.

7) Schiffe des neuen Fregattentypes.

8) Die größeren Sloops hatten Vollschiffstakelage.

in Gebrauch; ihre Zahl wächst beständig, während die Zahl der Dreidecker sich gleich bleibt und die der leichteren Linienschiffe abnimmt. Zum Linienschiff wird bis 1752 noch das 50-Kanonenschiff gerechnet, dann nur noch das zu 60 Kanonen (in Frankreich zu 56), doch verschwindet auch[19] dieses allmählich und von 1763, Ende des Siebenjährigen Krieges, an bildet das zu 64 Kanonen die untere Grenze. Unterstufen in den einzelnen Klassen fallen nach und nach fort. Die Zahl der Nebenschiffe — zum Aufklärungs-, Nachrichten-, Seepolizeidienst usw. — wächst ungemein, ganz besonders die des sich neuentwickelnden Fregattentypus. Die Mörserboote und Brander[12] erreichen bei weitem nicht die Zahl früherer Zeiten. Aus der Tabelle ist endlich das Wachsen der englischen Marine im allgemeinen, sowie während eines jeden Krieges im besonderen zu entnehmen.

In Frankreich (vgl. Troude I, Seite 19 ff.) teilte eine Verfügung von 1758 die Schiffe in folgende Klassen: A. Linienschiffe I Rang (Dreidecker) zu 110, 100 und 90 Kanonen; II zu 74 und 70; III zu 66, 60 und 50. B. Nichtlinienschiffe IV zu 50, 46 und 40; diese werden auch bisweilen schon zu den Fregatten gerechnet, jedoch die zu 50 noch häufig und auch später noch ab und zu in die Linie eingestellt; V zu 32 und 30, gleichfalls oft als Fregatten bezeichnet. Fregatten zu 24 und 20, Korvetten zu 16 und 12 Kanonen. — Später fanden öfters Verschiebungen statt, die den Zweck hatten, Unterklassen zu vermindern und die Grenze des Linienschiffes hinaufzusetzen. So fehlen z. B. um 1765 die Schiffe zu 70, und die Klasse II setzt sich aus 80- und 74-Kanonenschiffen zusammen; 1786 wurde verfügt, als Schlachtschiffe nur solche zu 118, 110, 80 und 74 Kanonen zu erbauen. 1780 traten auch hier wie in England Fregatten zu 38 (ja sogar zu 40) Kanonen auf. Die Verfügungen scheinen jedoch niemals streng durchgeführt zu sein, jedenfalls waren stets größere Restbestände von den nach älteren Vorschriften erbauten Schiffen vorhanden. In Spanien lehnte sich der Schiffbau eng an den französischen an.

Dreidecker scheint Frankreich in den Kriegen 1739–1748, sowie 1756–1763 nicht gehabt oder sie doch nicht zur Verwendung gebracht zu haben, obgleich solche unter Ludwig XIV. schon reichlich vorhanden waren. Im ersten Kriege werden nämlich bei den Flotten nur Schiffe bis zu 80, beim zweiten bis zu 84 Kanonen aufgeführt, und diese waren Zweidecker. Bei dem Aufschwung der Marine, der um 1761 einsetzte, sind aber jedenfalls wieder Dreidecker (über 90 Kanonen) erbaut.

Die Waffen[13].

Die Kanonen, die im vorigen Abschnitt geschildert sind (Band I, Seite 168ff.), erfuhren keine wesentlichen Änderungen. Man gab den Rohren mehr Hintergewicht, um das starke Bucken beim Schuß zu vermeiden, und brachte einige Verbesserungen an den Lafetten (Bruststück sowie Schwanzstück) und an den Pforten an, um die Geschütze weiter nach[20] vorn oder hinten richten zu können. Sonst blieben die Lafetten so primitiv wie bisher, und die Geschütze bedurften daher einer zahlreichen Bedienung.

see caption

Einblick in eine Batterie eines Segellinienschiffs.

Bedienung der Geschütze. Die Lafetten, aus schweren hölzernen Seitenwänden, liefen auf Blockrädern. Der Rückstoß beim Schuß wurde von dem schweren Brooktau und den Seitentaljen aufgenommen, deren Länge so bemessen war, daß sich nach dem Rücklauf des Geschützes die Mündung des Rohres etwa 2 Fuß innerhalb der Bordwand befand; in dieser Stellung wurde ausgewischt, geladen und dann das Geschütz mit den Seitentaljen wieder ausgerannt, d. h. wieder dicht an die Bordwand gezogen. Zum ersten Laden mußte die Lafette mittels der Einholtalje eingerannt, d. h. in die Ladestellung gezogen, zum Nehmen der Seitenrichtung mußte sie mit Handspaken herumgeworfen werden, die unter den hintern Teil der Lafettenwände gestemmt wurden. Zum Nehmen der Höhenrichtung wurde das Bodenstück des Rohres mit denselben Spaken gehoben oder gesenkt und dann durch einen Keil festgelegt. In einer Batterie war auf jeder Seite nur ein Geschütz um das andere mit Mannschaft besetzt, da man gewöhnlich nur nach einer Seite feuerte; die Mannschaft der anderen Seite bediente auf das Kommando „an die Steuerbord- (Backbord-) Kanonen“ die freien Geschütze der feuernden Seite. Sollten beide Seiten in Tätigkeit treten, so sprang auf das Kommando „dubliert“ die Hälfte der Bedienung eines jeden Geschützes an das nebenstehende unbesetzte. — Ein 32-Pfünder brauchte 15 Mann zur Bedienung; in einer Batterie mit 30 Kanonen waren also 210 Mann beschäftigt. Da ist es nicht erstaunlich, daß zuweilen ungeheure Verluste eintraten, wenn ein Schiff im Nahkampfe eine wohlgezielte Breitseite des Feindes in die Batterien erhielt. Bei Trafalgar z. B. wurden auf dem spanischen Dreidecker „Santa Ana“ durch eine solche 400 Mann außer Gefecht gesetzt.

Um 1780 wurde an Stelle der Zündung mittels Lunte ein Flintensteinschloß eingeführt, das der zielende Mann selber abfeuern konnte. Die gebräuchlichsten Kaliber blieben die gleichen: 42-Pfünder, 32-, 24-, 18-, 12-, 9-, 4-, 3-und ½-Pfünder; vom 24-Pfünder abwärts bis zum 6-Pfünder waren Rohre verschiedener Schwere und Länge vorhanden. Die Ladungen sind früher angegeben (Band I, Seite 168). Der ½-Pfünder — Swiffel oder auch Patereroe genannt — war ein Geschütz, das auf der Oberdecksbrustwehr (der Reeling) stand. Zuweilen, jedoch sehr selten,[21] verwendete man eine Art kleiner Mörser für Brandgeschosse, nach ihrem Erfinder, einem holländischen Ingenieuroffizier, Coehoorn benannt.

In Frankreich führte man 36-Pfünder, 24-, 18-, 12-, 8-, 6- und 4-Pfünder; der 48-Pfünder war hier schon fortgefallen, auch in England wurde der 42-Pfünder später nur noch wenig verwendet. Wie bereits früher (Band I, Seite 169) erklärt ist, war der englische 32-Pfünder etwa dem französischen 36-Pfünder gleich und die sonstigen englischen Kaliber den gleichlautenden französischen etwas überlegen. Das Flintensteinschloß ist in Frankreich erst 1802 allgemein geworden und auch die Verbesserungen der Lafetten fanden hier erst später Eingang.

Die Handwaffen blieben die im ersten Bande (Seite 169) angeführten. Es traten Handgranaten hinzu, die nach den Etats der englischen Schiffe eine gewisse Rolle spielten; 1745 waren für das Linienschiff 200 Stück vorgesehen und auch in Frankreich hatte dieses etwa 30 Grenadiere, die beim „Klar Schiff zum Gefecht“ je 3 Granaten erhielten.

Die Verteilung der Geschütze nach Anzahl und Kaliber an Bord der verschiedenen Klassen von Schiffen zeigt einige wichtige Veränderungen gegen früher. Im ersten Bande (Seite 170) sind die Angaben hierüber für 1719 gebracht; in umstehender Tabelle folgen solche für 1765. Nach den für 1743, 1757 sowie 1792 vorhandenen Aufzeichnungen[14] muß man annehmen, daß die Armierungsart von 1719 noch im Kriege 1739–1748 zutraf und daß die jetzt gegebene für die beiden nächsten Kriege Gültigkeit hat. Früher galten der 42-Pfünder (48-Pfünder), sowie der 32-Pfünder (36-Pfünder) als schwere, der 24-Pfünder bis 9-Pfünder als mittlere und die kleineren Geschütze als leichte Artillerie. Ein Vergleich der Angaben für 1765 mit denen für 1719 zeigt nun, daß auf den Schiffen die Kaliber der Mittelartillerie gewachsen sind. An Stelle des 6-Pfünders ist häufig der 9-Pfünder oder gar der 12-Pfünder getreten. Ganz besonders aber ist dies bei den mittleren Linienschiffen — nunmehr Hauptschlachtschiffen — der Fall; hier tritt z. B. beim 74-Kanonenschiff der 24-Pfünder oder der 18-Pfünder an Stelle des 9-Pfünders, beim 64-Kanonenschiff der 18-Pfünder an Stelle des 9-Pfünders. Die Schiffe zu 74 Geschützen sind so groß geworden, daß sie in ihren untersten Batterien sogar schwere Artillerie führen können, während sie früher nur 24-Pfünder hatten. Auch die Mittelartillerie der 50- und 44-Kanonenschiffe ist zu höheren Kalibern übergegangen.

Ein Vergleich der englischen mit der französischen Tabelle zeigt, daß vom 80-Kanonenschiff aufwärts die Schlachtschiffe der Franzosen an Artillerie überlegen waren, da sie mehr mittlere und schwere Geschütze führten. Auch wurden die französischen Schiffe weit stärker bemannt.

Die Einführung der Karronade[15] verstärkte gegen das Ende dieses Zeitabschnittes die Schiffsartillerie wesentlich. Dies war ein Kammergeschütz

[22]

Verteilung der Geschütze auf englischen Schiffen 1765.
Schiffe
mit
Kanonen
Batterie   Besatzungs-
Stärke
Unterste Mittlere Oberste Quarterdeck Back
    1001) 30–42 -Pfdr. 28–24 -Pfdr. 30–12 -Pfdr. 10–6 -Pfdr. 2–6 -Pfdr.   841
    1002) 28–42 28–24 28–12 12–6 4–6        743 (?)
  90 26–32 26–18 26–12 10–6 2–6   743
  80 26–32 26–18 24–  9   4–6   724
     741) 28–32 30–24 12–9 4–9   594
     742) 28–32 28–18 14–9 4–9
  64 26–24 26–18 10–9 2–9   494
  50 22–24 22–12   4–6 2–6   345
  44 20–18 22–  9 2–6   297
  38 erst 1780
eingeführt
die neuen
Fregatten
28–18 12–9-Pfdr.   297
  36 26–12   8–6 Pfdr. 2–6 Pfdr.   297
  32 26–12   4–6 2–6   257
  28 24–  9   4–6   198
     243) 2–9 Pfdr. 20–  9   2–3   158
  20 Sloops 20–  9   158
  14 14–  9   124
 
Verteilung auf französischen Schiffen 1765
(nach Troude I, Seite 20).
116 32–36 -Pfdr. 34–24 -Pfdr. 34–12 -Pfdr. 16–8-Pfdr. 1260
110 32–36 34–24 34–12 1180
  90 30–36 30–24 30–12 1070
  80 30–36 30– 24 -oder 18– 12 -oder   940
18 -Pfdr.   8 -Pfdr.
  74 28–36 30–18 16–8-Pfdr.   734
  64 26–24 18-oder 16–6    „      589
28–12-Pfdr.
  50 24-oder 26–12   430
24–18 -Pfdr.
  30 Fregatten 12-oder   220
26–  8-Pfdr.
  24 24–  8   210
  20 8-oder        150 (?)
20–  6-Pfdr.
  16 Korvetten 16–  6        120 (?)
  12 12–  4        100 (?)

1) Großer Typ.

2) Kleiner Typ.

3) Alter Typ.

[23]

mit bedeutend kürzerem und auch leichterem Rohr, als die Kanone von gleichem Kaliber hatte. Man konnte nun ohne Überlastung auf kleineren Fahrzeugen stärkere Kaliber als bisher aufstellen und auf großen Schiffen mehrere Geschütze dieser Art der alten Bestückung auf dem Oberdeck hinzufügen; infolge ihres geringen Gewichtes waren die Karronaden sehr viel leichter und somit schneller zu bedienen. Zwar war ihre Schußweite bedeutend geringer als die der Kanonen, aber ihr Geschoß rief infolge seiner geringeren Geschwindigkeit eine größere Splitterwirkung beim Durchschlagen der Bordwand hervor. Die Karronade war hierdurch eine besonders für den Nahkampf geeignete Waffe, um so mehr, da auch ihre Kartätschladung bei der Verwendbarkeit starker Kaliber große Wirkung gegen Mannschaft und Takelage hatte.

Die Karronade ist von dem englischen General Robert Melville erfunden; wegen der großen Wirkung gegen Holzziele taufte dieser sie „smasher“ (Zertrümmerer). Das erste Geschütz — in den Eisenwerken der Carron-Kompagnie (daher der Name) am Fluß Carron in Schottland etwa 1774 gegossen — hatte etwa das Gewicht des 12-Pfünders, war kürzer als der 6-Pfünder, aber von größerem Kaliber als die 42-Pfünder-Kanonen. Da man sie für Schiffsgeschütze als zu schwer erachtete, fertigte die Fabrik Karronaden entsprechend den 24-, 18- und 12-Pfündern an. Sie wurden sofort für Freibeuter in dem bald darauf ausbrechenden Kriege beliebt, aber auch auf Fregatten und kleineren Fahrzeugen der Marine erprobt.

Die Karronade fand schnell Eingang in England, da die englische Taktik stets den Nahkampf suchte. Schon im Juli 1779 wurde die Aufstellung des neuen Geschützes auf allen Schiffen verfügt.

Es sollten an Karronaden führen:

Schiffe mit Kanonen 100 98 od. 90 74 od. 64 50 44 38 36 32 28 24 14–20
Auf d. Kampagne 8–12-Pfdr. 6–12-Pfdr. 6–12-Pfdr. 6–12-Pfdr.
Quarterdeck 2–24-Pfdr. 8–18-Pfdr. 6–18-Pfdr. 4–18-Pfdr. 6–18-Pfdr. 4–18-Pfdr. 6–12-Pfdr. 6–12-Pfdr.
Back 2–12-Pfdr. 4–12-Pfdr. 2–12-Pfdr. 2–24-Pfdr. 2–18-Pfdr. 4–18-Pfdr. 4–18-Pfdr. 2–18-Pfdr. 2–18-Pfdr. 4–12-Pfdr. 2–12-Pfdr.
Neue Gesamtzahl 110 108 od. 100 82 od. 72 60 54 48 44 40 34 34 22–28

Die Karronaden zählten aber bei der Bezeichnung der Schiffe nicht mit, d. h. es wurde das 100-Kanonenschiff weiter so benannt, obgleich es jetzt 110 Geschütze führte, ebenso die 38-Kanonenfregatte trotz ihrer nunmehr 48 Geschütze usw. — Die Einführung ging schnell vor sich, schon im Januar 1781 waren 600 Karronaden auf den Schiffen in Verwendung, besonders 18- und 12-Pfünder, aber bald auch schon einige 32-Pfünder. Die neue Waffe spielte in den letzten Jahren des dritten Krieges bereits[24] eine wichtige Rolle und wurde deshalb weiter entwickelt. Vorstehende Verfügung über die Zahl behielt lange Gültigkeit, aber die Kaliber wuchsen schnell. Schon 1782 erhielten die Fregatten 24-Pfünder an Stelle der 18-Pfünder und bald wurden auf den schweren Schlachtschiffen 68-Pfünder, auf den mittleren 42- und 32-Pfünder statt der 12-Pfünder eingeführt; die leichteren Fahrzeuge tauschten sogar ihre sämtlichen Kanonen bis auf zwei Jagdgeschütze in Karronaden um.

In Frankreich, und ebenso in anderen Staaten, führte man die neue Waffe erst nach 1783 ein; auch dies ist erklärlich, da die französische Taktik bislang den Nahkampf zu vermeiden strebte.

Entwicklung der Marinen. Organisation und Personal.

Im ersten Bande (Seite 179) ist die Entstehung eines ständigen Kriegsschiffs-Personals (insbesondere auch der Deck- und Unteroffizierkorps der verschiedenen Dienstzweige) und dann fortlaufend bei der Besprechung der Streitmittel vor jedem Kriege die innere Organisation der drei großen Marinen von 1648–1739 dargelegt. Beides war in diesem Zeitraum zu einem gewissen Abschluß gelangt, später erfolgen nur noch geringe Änderungen. Wir können daher die innere Geschichte für den vorliegenden nur kurzen Zeitabschnitt hier gleich zusammenfassen, so daß wir von jedem Kriege nur die notwendigen Angaben zu machen brauchen. Wir können uns auch hier auf die Marinen Englands und Frankreichs beschränken. Holland hatte um 1740 keine Marine von Bedeutung mehr (vgl. Band I, Seite 498) und tritt von nun an, wie Spanien bisher schon und auch weiterhin, nur noch als Verbündeter auf; kurze Angaben über Holland, Spanien und die nordischen Mächte folgen vor den einzelnen Kriegen.

In England[16] wird seit 1689 (vgl. Band I, Seite 419) die Gesamtleitung der Marine, das Amt des früheren Lordhighadmirals, von einer Kommission verwaltet, der Admiralität (Board of Admiralty). An der Spitze steht der „Erste Lord der Admiralität“ (nicht immer ein Seeoffizier), die Geschäfte sind an die übrigen Mitglieder der Kommission verteilt, von denen aber einige stets Seeoffiziere sein müssen (die Naval Lords) und die technischen und militärischen Angelegenheiten regeln. Bei der Ständigkeit dieser Art der Verwaltung, unterstützt durch den guten Einfluß des in Marineangelegenheiten erfahrenen Volkes, ist die Entwicklung der Kriegsflotte auf dem einmal eingeschlagenen Wege stetig fortgeschritten, wenn auch zuzeiten durch Partei- und Hofgunst wenig geeignete Personen in die wichtigsten Stellen kamen. Die ununterbrochene Zunahme und Verbesserung des Materials ist bereits geschildert, aber auch der Vervollkommnung des Dienstbetriebes sowie des Personals wurde die nötige Aufmerksamkeit zuteil. Während bis dahin jeder höhere Befehlshaber Vorschriften über den Dienstbetrieb für die ihm unterstellten Streitkräfte erließ, wurden 1731 nach den bisherigen Erfahrungen „The king's regulations[25] and Admiraly Instructions“ veröffentlicht, die, fortlaufend zeitgemäß geändert, bis jetzt in Kraft sind.

Der Offiziersersatz war geregelt. Schon 1728 war in Portsmouth eine Vorbildungsschule (Naval academy) gegründet. Aber nicht alle Offiziersaspiranten besuchten diese; im Gegenteil soll bis 1794 eine andere Art des Eintritts beliebter und vorteilhafter gewesen sein. Admirale und Kapitäne hatten die Erlaubnis, eine große Zahl „Domestics“ sowie „Servants“ mit sich zu führen und sie nahmen nun darunter junge Leute (als „page“, gewissermaßen als „Junker“) an Bord, um sie zu Seeoffizieren auszubilden. Anderseits wurde diese Erlaubnis durch Mitnahme höchst überflüssiger Personen: Schneider, Barbiere, Musikanten usw. mißbraucht. Die Offiziersgrade waren: Admiral of the Fleet; Admiral der weißen und der blauen Flagge; Vize- und Kontreadmirale der roten, weißen und blauen Flagge; Kapitän; Master and Commander; Lieutenant; Midshipman.

Über die Herkunft der Bezeichnung der Admirale nach den verschiedenen Flaggen und ihr damit verbundenes Anciennitätsverhältnis ist schon im ersten Bande (Seite 221) gesprochen. Der Master and Commander, der jetzige Commander (Korvettenkapitän), ist nicht zu verwechseln mit dem Master des Navigationsdienstzweiges (ebendort Seite 182). Dieser blieb noch lange nur ein Warrant officer wie die Deckoffiziere, wenn er auch zur Offiziersmesse gehörte; jener war ein älterer Leutnant, der kleinere Fahrzeuge (Sloops, Mörserboote, Brander, armierte Kauffahrer usw.) befehligte.

Die Beförderung erfolgte bis zum Kapitän nach Wahl. Hierbei spielte natürlich Protektion eine große Rolle; man findet Kapitäne, die mit einem Alter von einigen zwanzig Jahren, ja bis zu achtzehn hinunter, in diesen Dienstrang aufrückten, von denen übrigens viele sich später besonders hervortaten. Der Kapitän erhielt dann eine feste Stellung in der Rangliste (daher der Ausdruck „Postcaptain“, d. i. posted Captain) und seine Beförderung zum Kontreadmiral usw. erfolgte nach der Anciennität. Da es ursprünglich nur neun Admirale gab, je einen der angeführten Grade, waren nach der langen Friedenszeit die Kapitäne so alt geworden, daß eine Verjüngung des höheren Offizierkorps notwendig erschien. Von 1743 an wurden deshalb die Admiralsstellungen andauernd vermehrt. Um nun auch die Möglichkeit zu haben, tüchtige Männer eher zu Flaggoffizieren zu befördern, ernannte man von 1747 an Kapitäne, die zu alt oder sonst ungeeignet zur aktiven Verwendung in höheren Stellen erschienen, zu überzähligen Admiralen (vulgo Yellow Admirals) oder überging sie bei der Beförderung. Auch dies leistete natürlich der Protektion Vorschub, erregte Unzufriedenheit und führte selbst zu Klagen beim Parlamente, aber auf diese Weise und im Verein mit der Beförderung nach Wahl bis zum Kapitän erreichte man, daß tüchtige Männer jung in hohe Stellung kamen: Es wurden z. B. Admiral Barrington mit 18 Jahren Kapitän, Howe mit 20 und mit 39 Kontreadmiral; Jervis erreichte diese Chargen mit 26 und 43, Nelson mit 21 und 39 Jahren. Die Seeoffiziere gingen in Friedenszeiten häufig in fremde Kriegsdienste oder zur Kauffahrteimarine und blieben so in Übung; wie schon[26] früher für Offiziere, so wurde jetzt auch für Masters sowie für Ärzte die Stellung auf Halbsold eingeführt, um sich für Kriegszeiten genügenden Ersatz zu sichern.

Die Mannschaft, Matrosen und Seesoldaten[17], wurden wie früher angeworben. Hiermit kam man jedoch niemals aus, obgleich England über so viele Seeleute verfügte, und es mußte stets zum Pressen gegriffen werden. Beim Ausbruch eines Krieges waren diese auf den Kauffahrteischiffen über die ganze Erde verstreut, aber auch während der Kriege ging der Seehandel fort und der beliebte Dienst als Freibeuter entzog der Marine die Leute. Um dem Kriegsschiffsdienst mehr Anziehungskraft zu geben, sowie um die Härte des Pressens zu mildern, wurden viele Gesetze erlassen in bezug auf: Höheres Handgeld; reichlichere und regelmäßigere Löhnungszahlung und Prisengelder; bessere Verpflegung sowie sonstige Fürsorge; die Möglichkeit für die Leute, Heimatszahlungen an ihre Angehörigen zu machen; Befreiung gewisser Lebensalter und Berufe (z. B. Anwärter auf die Offizierslaufbahn in der Handelsmarine) vom Gepreßtwerden.

Über das Leben an Bord. Der Dienst an Bord der Kriegsschiffe blieb seiner Härten halber lange noch unbeliebt und die Unzufriedenheit der Leute war häufig groß. In den Kriegsjahren 1756–1763 soll die Fahnenflucht sehr stark gewesen sein; für 1774–1780 werden 42000 Fälle dieses Vergehens angegeben, und auf einigen Schiffen kam es zur Meuterei. Anderseits wurden den Mannschaften einzelner Schiffe oder Schiffsverbände von der Regierung oder von den reichen Handelsstädten öfters für besondere Leistungen außergewöhnliche Zuschüsse zugewendet.

Wie selbst Offiziere jener Zeit über das Leben an Bord urteilten, erfahren wir durch Laird Clowes (Band III, Seite 21; entnommen aus „Seamans Letters“, hier gekürzt). Ein Kapitän Edward Thompson schreibt um 1756 an einen jungen Verwandten, der als Midshipman eintreten will: „An Bord hast du keine Hintertür zum Entschlüpfen, keine fühlende Brust, um dich auszusprechen. Du vertauschst einen guten Tisch gegen keinen, ein Bett gegen eine Hängematte an einem Orte, wo es nie Tag wird und wohin nie frische Luft kommt; dein Licht ist bei Tag wie bei Nacht eine elende Kerze. Die Nahrung ist gesalzen und oft schlecht, wenn du Abwechslung haben willst, so mußt du sie dir selber kochen; halte dir stets wenigstens Tee und Zucker, zu weiterem ist kein Platz, da du nur eine Kiste und die Hängematte hast.... Schlechte Gesellschaft ist Gift für die Jugend, auf den Schiffen findest du den Auswurf der Gefängnisse; der Verurteilte hat die Wahl zwischen Gehängtwerden oder Anbordgehen.... Du wirst etwas äußerliche Religion finden, Sonntagsgottesdienst, aber die Gemeinde wird durch den Bootsmann zusammengetrieben, der dabei weder Flüche noch Schläge spart.“ —

In einem anderen Briefe schreibt Thompson über die damals gebräuchliche Behandlung eines Midshipman: „Der fast unerträglichen Verhältnisse, die ihn erwarten, sind so viele, daß nur der Umstand, daß auch die höchsten Offiziere sie durchgemacht haben, sie erdulden läßt. Und dabei ist es ein ganz falscher Gedanke, daß junge Leute eine[27] schroffe Behandlung und niedere Dienstverrichtungen durchmachen müssen, um tüchtige Offiziere zu werden. Man kann das durch andere Mittel erreichen und ihnen dabei das Leben angenehm gestalten.... Die Beförderung zum Leutnant ist wie die Verwandlung einer häßlichen Made zum schillernden Schmetterling.... Die meisten unserer Kapitäne sind Leute ohne Erziehung. Gewiß müssen junge Leute gehorchen lernen, aber die Kapitäne brauchen nicht gemein zu werden; durch die jetzige Behandlung wird auch ihre Autorität geschädigt. Die jungen Leute müssen eine eigene Messe haben und von den Offizieren unterstützt werden....“ Als ein Zeichen aber, daß es nach und nach doch besser wurde, dient eine andere Äußerung des Briefschreibers: „Im letzten Kriege genügten ein Primchen Tabak, ein Tauende und eine Auswahl von Flüchen zum Leutnant, jetzt aber streben alle nach Bildung und guten Formen; von Verweichlichung dadurch ist nicht die Rede, ich glaube im Gegenteil, die jetzigen Offiziere werden den Veteranen von 1692 im Dienste in gleicher Weise überlegen sein, wie es der Gebildete stets dem Ungebildeten ist.“

Wie man sieht, bezieht sich das Vorstehende auf die Verhältnisse des Offizierersatzes; wie mögen die der Mannschaft gewesen sein? Auch hierüber folge eine Andeutung Thompsons: „Ein Linienschiff mit 480 Mann Besatzung, von denen 225 den Gefängnissen entnommen oder vom Abschaum der Straßen gepreßt waren, schiffte 1756 nach nur einigen Monaten Kreuzen im Kanal 320 Kranke aus; neubemannt segelte es nach New York und traf hier mit 159 Dienstunfähigen ein.“ (Wir werden nach 1779 in der französischen Flotte d'Orvilliers Ähnliches kennen lernen.) Dabei waren derartige Zustände keineswegs unabänderliche Folgen der Verhältnisse jener Zeit — langer Seereisen, unvollkommener Einrichtung der Schiffe, ungesunder Dauernahrungsmittel, verdorbenen Wassers u. dgl. —, denn sorgsame Kommandanten verstanden es, sie zu vermeiden. Cook z. B. verlor auf den beiden letzten mehrjährigen Reisen von seinen zwei Schiffen nur 4 oder 5 Mann durch Krankheiten.

In Frankreich[18] lagen die Verhältnisse weit ungünstiger für eine gesunde Entwicklung der Marine. Wir hörten (Band I, Seite 503), daß diese während der Regentschaft (1715–1723) arg in Verfall geriet und daß auch Maurepas, der von 1723 mit Eifer und Umsicht dem Ministerium vorstand, nicht viel zur Wiederbelebung beitragen konnte, weil Kardinal Fleury, der Leiter der Politik 1723–1743, dieses Streben nicht unterstützte, um nicht Englands Eifersucht zu erregen. Auch von 1740–1760 wurde der Kriegsflotte von höchster Stelle keine Förderung zuteil. Niemals bewilligte man die nötigen Geldmittel; nach Ausspruch französischer Autoren machte die verschwenderische Hofhaltung die Quellen versiegen, aus denen die Marine schöpfen sollte. Die Entwicklung der Seemacht Frankreichs war eben im Gegensatz zu England, wo Volk und Parlament mitsprachen, zu sehr von der Person des Ministers abhängig, der zu dieser Zeit niemals ein Seeoffizier war und dessen Wahl wieder unter dem Einfluß anderer Ratgeber des Königs stand, des Premierministers oder der Hofpartei, und so wurde die Tätigkeit selbst tüchtiger Marineminister gelähmt. Auch die schnelle Aufeinanderfolge der Kriege hinderte eine Reform der Kriegsflotte.

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Ebenso war die Organisation der Marine für deren Entwicklung und Leistung ungünstig. Wieder im Gegensatz zu England, wo Seeoffiziere in der Admiralität sowie in den Kriegshäfen die Oberleitung auch der technischen Angelegenheiten hatten, lagen diese in Frankreich in den Händen von Verwaltungsbeamten, ohne daß Seeoffiziere genügenden Einfluß besaßen. In den Kriegshäfen unterstanden dem „Commandant de la Marine“ (dem ältesten anwesenden Seeoffizier) nur die in Dienst gestellten Schiffe und die Hafenverteidigung; ein Intendant leitete alles übrige, neben der eigentlichen Verwaltung auch die Werften und Arsenale, den Bau, die Unterhaltung, Ausrüstung und Bemannung der Schiffe. Die zu diesen Zweigen kommandierten Offiziere, an ihrer Spitze der „Capitaine de Port“ (Oberwerftdirektor), waren allein dem Intendanten unterstellt; ja sogar die Verwaltungsbeamten an Bord waren unabhängig von den Seeoffizieren, so brauchten sie z. B. nicht einmal die Erlaubnis zum Anlandgehen von ihrem Kommandanten einzuholen. Diese Verhältnisse riefen unheilvolle Eifersucht und Streitigkeiten zwischen den Seeoffizieren (Officiers d'épée) und den Beamten (Officiers de plume) hervor.

Colbert hatte sich (1689) genötigt gesehen, in Hinsicht auf den damaligen Stand des Seeoffizierkorps den Beamten eine so weit gehende Macht einzuräumen. Als aber das Offizierkorps sich hob, mußten Reibungen eintreten, und diese nahmen im Laufe der Zeit immer mehr zu, da in der Verwaltung Nachlässigkeit sowie Unredlichkeit einriß (die Stellen wurden sogar käuflich) und die militärischen Behörden in allem schlecht bedient wurden. Sämtliche Militärschriftsteller klagten über die große Macht der Beamten; mit Recht, denn Offizieren, die Leben und Ehre einsetzen und die verantwortlich für das Wohl und Wehe ihrer Untergebenen sind, gebührt die Oberaufsicht und die Mitwirkung bei Erhaltung der Schlagfertigkeit ihrer Waffe.

Die Minister versuchten allerdings wiederholt, die Organisation zu verbessern. Aber jeder von ihnen hatte neue Ideen, die sich oft schroff entgegenstanden, und so brachten die wechselnden Bestimmungen mehr Unsicherheit als Nutzen.

Wie bisher wollen wir die Hauptpunkte der inneren Marinegeschichte Frankreichs an der Hand der Amtstätigkeit der verschiedenen Minister betrachten. Graf von Maurepas, Marineminister von 1723–1749, schuf manches Gute. Der Mannschaftsersatz[19] der Matrosen sollte, wie wir wissen, durch Inskribierte der seemännischen Bevölkerung gedeckt werden, die Einrichtung war aber arg vernachlässigt worden. Bei der Bestechlichkeit der Beamten konnten sich Leute, die über einige Mittel verfügten, loskaufen, und dieser Übelstand machte sich um so fühlbarer, als sich infolge des Daniederliegens des Handels in den letzten Kriegen vor 1713 die Hafenstädte entvölkerten; der Mannschaftsmangel hatte dann zum Pressen und zu sonstigen harten Maßnahmen gegen den Rest der Inskribierten geführt[29] und hierdurch den Abzug der Küstenbevölkerung noch vermehrt. Dank einer milderen Behandlung durch Maurepas, vereint mit der Wiederbelebung des Handels, kehrten viele der Abgezogenen zurück und in die Inskription kam wieder Ordnung, so daß bei Ausbruch des Krieges 1744 die Bemannung der Schiffe leichter wurde als in den vorhergegangenen Kämpfen. Auch die Zahl der Chargen — Offiziere, Deck- und Unteroffiziere — reichte für die nur geringen Indienststellungen aus, obgleich sie in den Jahrzehnten der Friedenszeit sehr herabgegangen war; für die Seeoffiziere z. B. von 1140 im Jahre 1696 auf 660 in 1744.

Maurepas tat viel für die wissenschaftliche sowie praktische Ausbildung der Offiziere; er machte ferner die Stellung des Commandant de la marine in den Kriegshäfen, deren Inhaber bisher häufig wechselte, zu einer festen und hob dadurch dessen Einfluß dem Intendanten gegenüber wenigstens etwas. In der Hauptsache aber, eine schlagfertige Flotte zu schaffen, hatte er keinen Erfolg. Seine Absicht war, eine solche von 60 Linienschiffen (40 in Brest, 20 in Toulon) aufzustellen; diese, zwar nicht übermäßig stark, aber aus guten Schiffen bestehend, sollte der Kern einer maritimen Verbindung mit Spanien (vielleicht auch Holland) gegen England sein. Er erhielt jedoch nicht die Mittel zur Durchführung dieses Planes. Das Marinebudget, das unter Ludwig XIV. selbst in Friedenszeiten nie unter 14 Millionen Francs gefallen war, betrug während seiner Amtsführung acht, und als er vor Ausbruch des Krieges 1744 20 Millionen verlangte, bekam er nur zehn.

Um 1740 besaß Frankreich 45–50 Linienschiffe über 50 Kanonen und 15–20 schwere Fregatten. Die Schiffe waren großenteils nicht gut im Stande, den Werften fehlten fähige Arbeiter, Arsenale und Magazine waren leer. In dem stark zusammengeschmolzenen Offizierkorps hatte seit vierzig Jahren die Beförderung gestockt; viele Offiziere waren zu alt für ihren Dienstgrad, andere einzig durch Protektion hochgekommen. Infolge der nur geringen Indienststellungen während der Friedensjahre fehlte den Chargen, höheren sowie niederen, die praktische Erfahrung. Frankreich trat so in den Österreichischen Erbfolgekrieg mit einer schwachen Marine ein; der Krieg brachte große Verluste an Schiffen, doch wurden diese durch Neubauten zum Teil ersetzt.

Der Minister de Rouillé, 1749–1755, arbeitete ganz im Sinne seines Vorgängers weiter. Unter ihm wurden 38 Linienschiffe gebaut oder gründlich ausgebessert; ihm standen auch mehr Mittel, 17½ Millionen jährlich, zur Verfügung. Er schaffte die Galeerenflotte, eine unnütze und teure Waffe, ab, und stellte deren Offiziere in die Hochseeflotte ein. Die Académie de Marine in Brest wurde gegründet, ein Verein von Offizieren sowie Marinebeamten aller Dienstzweige und Grade, in dem wissenschaftliche Vorträge mit Besprechung gehalten wurden. Diese Einrichtung legte den Grund zu dem wissenschaftlichen Streben in der französischen Marine während der kommenden Jahre bis 1793. Auch der nächste Minister Machault d'Arnauville führte die Neubauten, jetzt mit einem Budget von 31 Millionen,[30] fort, so daß die Marine 1755 schon 63 Linienschiffe zählte; das Offizierkorps war wieder auf 900 Köpfe angewachsen. Frankreich trat so in den Siebenjährigen Krieg weit mächtiger ein, als in den vorhergegangenen. Aber als dieser eben begonnen hatte, fiel der tüchtige Minister Hofintrigen zum Opfer (Februar 1757) und es folgten ihm, ein jeder nur für wenige Monate, zwei Männer, die der Stellung in so schwerer Zeit nicht gewachsen waren.

Als dann der Krieg gerade sehr schlecht stand, wurde de Berryer mit dem Amte betraut (1. November 1758). Von diesem sagt ein französischer Autor (Chabaud-Arnault, Seite 161): „Wenn Ludwig XV. den Triumph der Gegner gewollt hätte, so hätte er keine bessere Wahl treffen können. Ein Günstling der Pompadour, sittenlos, hart, hochmütig und dabei den Marineangelegenheiten völlig fremd, war er nur darauf bedacht, die Ausgaben zugunsten der verschwenderischen Hofhaltung einzuschränken. Im vollen Kriege stellte er die Arbeiten auf den Werften ein, ließ die Arsenale leer, ja verkaufte sogar Material; Offiziere, Beamte, Matrosen und Arbeiter gerieten in Not. Den Offizieren verbot er, in den Dienst der Freibeuterei zu treten, wie es in den früheren Kriegen üblich gewesen, wenn die Kriegsmarine lahmgelegt war, er rühmte aber ihnen gegenüber, die er doch selber zur Untätigkeit verdammte, die Taten der Officiers bleus (Hilfsoffiziere, worüber Näheres später).“ Und diesem Manne standen gerade Mittel zur Verfügung, wie sonst nie unter Ludwig XV., nämlich 1758 42 Millionen und 1759 gar 57. Trotz der schweren Niederlagen der Marine während seiner Verwaltung hielt sich de Berryer durch die Gunst der Pompadour bis 1761.

Unter dem Herzog von Choiseul-Amboise, der seit November 1758 das Ministerium des Äußern führte und 1761 auch das des Krieges sowie der Marine übernahm, setzte ein lebhafter Aufschwung der letzteren ein. Während der Kriegsjahre bis 1763 konnte zwar nicht mehr viel geleistet werden, doch war es möglich, 15 Linienschiffe (zu 50 bis 90 Kanonen) auf Stapel zu legen; das Volk selber rief infolge der letzten schweren Niederlagen nach einer starken Flotte und auf Antrieb des feurigen Ministers beschaffte das gesamte Frankreich — Provinzen, Städte, Privatpersonen — durch eine Sammlung die nötigen Geldmittel hierzu. Nach dem Kriege setzte Choiseul dann durchgreifende Reformen ins Werk. 1766 gab er das Amt an seinen Vetter Choiseul-Praslin ab, der ganz in seinem Sinne weiter wirkte, so daß man die Tätigkeit beider bis 1770, wo sie sich infolge von Intrigen der Gräfin Dubarry aus dem öffentlichen Leben zurückzogen, als einheitlich betrachten kann. Den Verwaltungsbeamten wurde ein Teil ihrer Machtbefugnis und Vorrechte genommen, den Seeoffizieren — insbesondere dem Commandant de la marine sowie dem Capitaine du port in den Kriegshäfen — mehr Einfluß auf Instandhaltung, Ausrüstung, Armierung und Bemannung der Schiffe eingeräumt. Es wurde ein festes Korps von Schiffbauingenieuren gegründet, das allerdings, wie der Schiffbau überhaupt, dem Intendanten unterstellt blieb. Aus dem Offizierkorps wurden viele zu alte oder unfähige Personen entfernt, auch die Stellen vermehrt, und so[31] günstigere Beförderungsverhältnisse geschaffen; die Marineschule wurde vergrößert und verbessert. Doch blieb man dabei, nur Adelige als Gardes de marine (Offiziersaspiranten) einzustellen.

Wir wissen (Band I, Seite 504504), daß die Marine in den Kriegen des 17. Jahrhunderts eine wertvolle Unterstützung durch den Eintritt von Offizieren der Handelsmarine („officiers bleus“) fand, daß diesen aber nach und nach durch die eigentlichen Seeoffiziere („officiers rouges“ oder „nobles“) der Dienst verleidet worden war. Es wurde jetzt versucht, diese Einrichtung wieder zu beleben. Junge Leute guter nichtadeliger Familien erzog man in der Kriegsmarine für den Dienst in der Handelsmarine im Frieden, also gewissermaßen zu Reserveoffizieren, von denen die besten ganz in die Kriegsflotte übernommen werden sollten; bei dem Stolz der Adeligen blieb jedoch das Verhältnis zwischen den beiden Kategorien schlecht. In der Art des Matrosenersatzes trat keine Änderung ein, aber in der Fürsorge für Invalide, Witwen und Waisen wurde manches getan; auch milderte man die Strafgesetze und arbeitete die Bestimmungen über den Dienstbetrieb eingehender aus. Gleichzeitig Kriegsminister, verleibte Choiseul-Amboise die Seetruppen dem Heere ein und zog Landtruppen für die Besatzungen der Schiffe, die Kriegshafengarnisonen, sowie die Kolonien heran, jedoch schon Choiseul-Praslin machte dies rückgängig und gründete wieder drei Brigaden Seetruppen zu je acht Kompagnien — eine Bombardier-, vier Kanonier- und Füsilierkompagnien — als „corps royal d'artillerie et d'infanterie de marine“ unter dem Befehle von Seeoffizieren. Das Marinebudget betrug unter den beiden Choiseuls, nach und nach wachsend, 1763 16½ und 1770 26½ Millionen. Zu den Kriegshäfen Toulon, Brest, Rochefort trat 1762 L'Orient. Die Werften wurden sehr gehoben und Magazine und Arsenale gefüllt; ferner wurde auch Schiffsbauholz in Vorrat beschafft, an dem es bisher meist gemangelt hatte, so daß man die Neubauten oft in zu grünem Holze hatte herstellen müssen.

Von 1771–1774 folgten dann zwei Minister, von denen die französischen Quellen sagen, daß es ihnen glücklicherweise an Zeit gefehlt habe, ihre Organisation (von 1772) durchzuführen. Sie beabsichtigten nämlich, die 3 Brigaden der Seetruppen auf 8 für die sämtlichen Marinemannschaften zu vermehren. Jeder Brigade sollte dann eine Anzahl Schiffe aller Größen zur Instandhaltung und Besetzung zugeteilt werden. Durch Schaffung dieser kleineren Verbände, in denen auch die Beförderungen getrennt erfolgen sollten, hoffte man den allgemeinen Korpsgeist der Seeoffiziere zu brechen, der häufig den in Marineangelegenheiten völlig unerfahrenen Ministern unbequem geworden war.

1774 erhielt Gabriel de Sartines das Ministerium. Dieser führte 1776 nicht nur die Organisation der Choiseuls wieder ein, sondern er schoß in dem Bestreben, den Militärs mehr Einfluß zu geben, sogar über das Ziel hinaus. Auf den Werften wurde auch der Schiffbau ganz dem Capitaine du port unterstellt, der Intendant behielt nur die Verwaltung des Inventars und Materials. Der Commandant de la marine wurde der direkte Vorgesetzte des Capitaine du port, aber auch berechtigt, die Magazine usw. zu besichtigen. Sogar auf den Schiffen traten Seeoffiziere an Stelle der Verwaltungsbeamten.[32] Dies ging zu weit. Gewiß ist es richtig, Seeoffizieren die Oberaufsicht über die Arbeiten auf den Werften usw. zu geben, also über die Schlagfertigkeit der Flotte, aber man darf sie nicht mit zuviel Einzelheiten belasten und muß den Technikern eine gewisse Selbständigkeit lassen. Mit der Übernahme der ganzen Verwaltung an Bord durch die Offiziere machte man gleichfalls schlechte Erfahrungen: die Abrechnungen der Schiffe zeigten die größte Unordnung.

Von 1765 bis 1778 waren also drei Organisationen in Kraft gewesen; der neuen Marine fehlte mithin eine gesunde Unterlage. Aber immerhin besaß Frankreich im dritten Krieg 1778 eine starke Flotte von gegen 80 guten Linienschiffen und hatte — noch ein Verdienst Choiseuls — seine militärische Stellung im Mittelmeer durch die Gewinnung Korsikas (1768) wesentlich verstärkt. Die Geldmittel für die Marine (die für die Kolonien, als demselben Minister unterstehend, stets darin eingeschlossen) waren seit dem Regierungsantritt Ludwigs XVI. (1774) gewachsen, der die Seegeltung hochschätzte. Sartines erhielt schon 1776 35 Millionen Francs und im folgenden Jahre 45. Während der Kriegsjahre wurden reichliche Mittel bewilligt: 1778 85 Millionen, 1779 131½, 1780 144 — und außerdem im ersten dieser Jahre 16, in den beiden andern je 25 Millionen Schulden gemacht. Im letzten Kriegsjahre 1782 verbrauchte die Marine gegen 200 Millionen Francs[20]. Infolge von Reibungen mit dem Finanzminister Necker legte Sartines im Oktober 1780 sein Amt nieder.

Der neue Minister Marquis de Castries, ein tüchtiger Landoffizier, entwickelte in den beiden letzten Kriegsjahren große Tatkraft, wurde deshalb 1783 noch zum Marschall ernannt und traf nach dem Friedensschluß sofort Vorbereitungen für den nächsten Waffengang. Er erließ 1784 neue Organisationsbestimmungen, die den Verwaltungsbeamten wieder größere Selbständigkeit gaben und ihnen auch die frühere Tätigkeit an Bord wieder zuwiesen.

Dies war also die vierte Organisation innerhalb zwanzig Jahren; alle bezweckten ein richtiges Zusammenwirken der Offiziere und Beamten zu erreichen und die Reibungen zwischen ihnen zu vermindern. Doch glückte dies erst, als man 1799 in jedem Kriegshafen einen Préfet maritime (Seepräfekt) ernannte, dem alle Dienstzweige, die militärischen wie die der Verwaltung, unterstanden.

Die neue Organisation brachte auch wieder Verbesserungen der Gesetze über die Inskription zugunsten der Bevölkerung. de Castries erweiterte ferner die Werften und begann den Bau des Schutzdeiches in Cherbourg, um dem Lande endlich einen brauchbaren Kriegshafen am Kanal zu schaffen. Die Schiffe wurden gut gehalten und auch die Kupferung war seit 1785 allgemein geworden. 1789 besaß Frankreich gegen 80 vorzügliche Linienschiffe zu 64–118 Kanonen und 70 Fregatten zu 28–44; das Personal war tüchtig,[33] besonders die Schiffsartillerie. Als Castries 1787 sein Amt infolge von Zerwürfnissen mit dem Finanzminister Calonne niederlegte, stand die Marine gediegener da wie je zuvor, aber die Revolution vernichtete das Geschaffene, ehe es sich bewähren konnte.

Die Offiziersgrade der französischen Marine waren bis zur Revolution: Amiral de France, Vice-Amiral, Lieutenant-Général, Chef d'Escadre, Capitaine de vaisseau, Capitaine de frégate, Lieutenant de vaisseau, Enseigne, Garde-marine.

Der Admiral von Frankreich war stets ein Prinz von Geblüt, häufig schon als Kind dazu ernannt, unter Ludwig XIV. mehrfach einer seiner illegitimen Söhne oder ihrer Nachkommen. Selten waren sie zu Seeleuten erzogen und haben sie eine Flotte geführt. Die Vizeadmirale entsprachen den Volladmiralen anderer Marinen. Ursprünglich gab es nur einen für die Atlantikflotte (Vizeadmiral du Ponant) und einen für das Mittelmeer (du Levante), deren Verwendung aber nicht an ihre Station gebunden war; 1777 wurde noch ein dritter (der west- und ostindischen Meere) und später noch ein vierter hinzugefügt. Sie rangierten hinter den Marschällen von Frankreich und erhielten oft diesen Rang. Die Generalleutnants entsprachen den Vizeadmiralen, die Chefs d'Escadre den Kontreadmiralen der englischen Marine. Es gab auch neben den eigentlichen Kapitänen noch solche de brûlot (Brander) und de flûte (Transporter), sowie Lieutenants de frégate, doch waren dies Chargen, die nicht ein jeder durchmachte, sondern in denen besonders die Officiers bleus verwendet wurden. Ältere Kapitäne erhielten den Rang eines Divisionschefs. In den Werken von Lacour-Gayet (vgl. Quellenverzeichnis) findet man Personalangaben über die Offiziere der betreffenden Zeit, aus denen die Daten ihrer Beförderungen und damit die Beförderungsverhältnisse zu entnehmen sind.

Vergleich der englischen und französischen Marine[21]. Was das Material anbetrifft, war England beim Beginn eines jeden der drei Kriege an Zahl der Schiffe überlegen. Diese Überlegenheit trat dann im Verlauf der Kämpfe noch mehr hervor, nur bei Beginn des dritten Krieges waren Frankreich und Spanien zusammen etwas stärker. Frankreich hatte allerdings stets die besser konstruierten Fahrzeuge; infolge der großen Verluste und der kurzen Lebensdauer der aus grünem Holze erbauten Schiffe war es häufiger zu Neubauten genötigt. Diesem Umstande ist aber kein zu großes Gewicht beizulegen. Zwar führen die Engländer mehrfach die besseren Segeleigenschaften der französischen Schiffe an, aber ebenso oft heben die Franzosen die größere Geschwindigkeit der englischen hervor; im dritten Kriege führen sie dies darauf zurück, daß England schon viele gekupferte Schiffe gehabt hätte. Vor allem aber wird die seemännische Tüchtigkeit der Engländer die Vorteile der besser gebauten Fahrzeuge auf französischer Seite aufgehoben haben; eine geschulte Besatzung holt eben mehr aus ihrem Schiffe heraus. Ebenso ist die Behauptung der Engländer, daß die Franzosen durch schwerere Kaliber in der Artillerie überlegen gewesen seien, sehr einzuschränken. Nach unseren Tabellen trifft es nur bei den Schiffen über 80 Kanonen zu, und die Hauptkraft der Flotten lag stets in den nächstniedrigeren Klassen; im dritten[34] Kriege hatten die Engländer außerdem den Vorteil der Karronaden[22]. Im großen und ganzen kann man das Material als gleich gut auf beiden Seiten annehmen, den Ausschlag im Kampfe gab — wie wohl fast in jedem Kriege zu Lande und zu Wasser — bei annähernd gleicher Stärke die Tüchtigkeit der Mannschaft.

In Hinsicht auf das Personal war aber die englische Marine stets überlegen. Für die Mannschaft stand ihr die große Zahl der befahrenen Seeleute des Landes zur Verfügung. England hatte ferner auch während der langen Friedenszeit stets viele Schiffe im Dienst und erhielt sich so einen Stamm von geübtem Kriegsschiffspersonal. Später folgten dann die Kriege schnell aufeinander, und in diesen wurde alles aufgeboten, was an Schiffen vorhanden; auch war der harte Dienst langer Blockaden eine vortreffliche Schule. Mangel an Mannschaften trat allerdings trotzdem auf (Seite 26), und das dadurch notwendige wahllose Pressen brachte viel minderwertiges, ja schlechtes Material, ein Umstand, der wohl die erwähnten Übelstände — schlechten Gesundheitszustand an Bord, Mißvergnügen, starke Fahnenflucht — mit verschuldet hat.

In Frankreich lagen die Verhältnisse weit ungünstiger. Hier deckte die Einrichtung der Inskription den Bedarf an Matrosen nur im ersten Kriege, in dem die Indienststellungen gering waren. Wie schon früher, entvölkerten sich dann die Küsten während der Kriege, wenn der Seehandel daniederlag, und erholten sich nur langsam wieder; so standen z. B. 1701 87000 und 1776 nur 67000 Inskribierte in den Listen, obgleich gerade zu dieser Zeit die Schiffahrt aufgeblüht war. Beim Beginn des zweiten Krieges fielen die Besatzungen von 500 Handels-, sowie einiger Kriegsschiffe, die England unmittelbar vorher aufgebracht hatte, gegen 5000 befahrene Seeleute aus, und im dritten Kriege stellte Frankreich so viel Schiffe in Dienst, daß zum Ersatz von Matrosen stark auf die Seetruppen, ja sogar auf das Heer zurückgegriffen werden mußte; für die Schiffe in Toulon warb man auch Fremde von den Küsten des Mittelmeeres an. Das französische Personal hatte außerdem im allgemeinen auch nicht die gleiche Übung und Erfahrung wie das englische und erhielt sie selbst während der Kriege nicht, denn in Friedenszeiten waren zu wenig Kriegsschiffe im Dienst, und in den beiden ersten Kriegen ward die Flotte bald lahmgelegt; es wurden dann weniger Schiffe in Dienst gestellt und die ausgerüsteten sahen sich vom Gegner in den Häfen festgehalten. Dies trifft für den dritten Krieg zwar nicht zu, aber in diesem reichte eben der Ersatz an befahrenen Seeleuten überhaupt nicht.

Die zu geringe Verwendung im praktischen Seedienst zeitigte natürlich auch im französischen Offizierkorps bedenkliche Folgen. Vor Ausbruch des zweiten Krieges sollen z. B. von den 900 Seeoffizieren nur 200 eingeschifft gewesen sein, während der Rest nur acht- oder zehnmal im Jahre eine vierundzwanzigstündige Wache auf einem der Schiffe im Hafen tat;[35] da kann es nicht wundernehmen, daß sie den englischen in Übung und Erfahrung sehr nachstanden. Vor dem dritten Kriege wurden allerdings Übungsgeschwader im Dienst gehalten, diese waren jedoch so klein, daß nur wenige Offiziere daraus Nutzen ziehen konnten. Im übrigen scheinen, wie die Geschichte des Seewesens zeigt, die germanischen Völker noch mehr natürliche Begabung für den Seedienst zu haben als die romanischen. Wir haben ferner schon darauf hingewiesen (Band I, Seite 319 und 506), daß und aus welchem Grunde sich das französische Seeoffizierkorps ganz anders herausbildete als das englische, daß bei dem Verschmelzen des Soldaten mit dem Seemann im Franzosen der erste, im Engländer der letzte überwog.

In England konnte ein jeder ohne Rücksicht auf Herkunft höhere Stellungen erreichen. Die schon erwähnte harte Erziehung dort, die häufige Verwendung an Bord machte die englischen Offiziere zu kühnen und erfahrenen Seeleuten, aber mit wenig Neigung für Wissenschaft und Theorie, zu „Teerjacken“, wie die Engländer selber sagen; da sie viel zur See fuhren, aber nicht immer kriegerische Verwendung fanden, wurden hervorragende Leistungen in Seemannschaft ihr Stolz, militärische, die mehr auf Theorie begründet waren, wie z. B. Taktik, lagen ihnen ferner. In Frankreich ergänzte sich das Offizierkorps nur aus Adligen, gerade hier eine hervorragend kriegerische Kaste; bis 1789 gab es besondere Beamte, die die adlige Herkunft der Offizieraspiranten zu prüfen hatten. Eine sorgfältigere Erziehung und auch wohl der Volkscharakter führten außerdem die französischen Offiziere dahin, sich mehr mit wissenschaftlichen Studien zu beschäftigen, und die Seltenheit der Einschiffungen gab ihnen die Zeit hierzu. So stand das französische Seeoffizierkorps dem englischen in seemännischer Praxis unbedingt nach, war ihm aber theoretisch überlegen. Letzteres zeigt sich während der nächsten Kriege besonders in der Taktik: die Engländer hielten im Kampfe an einem alten Brauche fest, die Franzosen gründeten hierauf eine überlegte Taktik. Einen größeren Nutzen zogen sie aber hieraus nicht, da ihre Taktik die einer zu vorsichtigen Abwehr gegen ein kräftiges, allerdings oft unbedachtes Draufgehen blieb.

Von der wissenschaftlichen Beschäftigung der französischen Offiziere gibt uns die Akademie ein Beispiel; wir sehen weiter noch, daß sich verschiedene Offiziere literarisch über Seetaktik betätigten. Die Bewertung der Theorie ging aber zu weit. Chabaud-Arnault sagt (Seite 196) von den Offizieren um 1778: „Sie waren mutig, eifrig und besser unterrichtet als die anderer Marinen. Vielleicht waren sie zu gelehrt in dem Sinne, daß ihnen, durchdrungen von den Regeln der Theorie, häufig die Initiative fehlte, unter gewissen Umständen mit den Regeln zu brechen, wenn es sich darum handelte, einen Erfolg auszunutzen oder die Folgen einer Schlappe abzuschwächen.“ Die Engländer verfielen übrigens in den gleichen Fehler, aber aus Mangel an theoretischer Beschäftigung mit der Taktik; auch sie wagten nicht, von den althergebrachten Regeln abzuweichen. Dieser Fehler ist aber bei den Franzosen auch sicher eine Folge der von höchster Stelle angeordneten Kriegführung. Eine lange durchgeführte defensive Strategie, der häufig ausdrücklich gegebene Befehl, die Schiffe zu erhalten und zu schonen, konnte nicht zur Entwicklung von Unternehmungsgeist im Offizierkorps führen und hat auch zum Aufbau[36] einer reinen Abwehrtaktik beigetragen. Der größere Wagemut auf englischer Seite und das vorsichtige Zurückhalten auf französischer ist in vielen Fällen schließlich auch darauf zurückzuführen, daß infolge der verschiedenen Beförderungsart die höheren Führer der Franzosen in weit höherem Lebensalter standen.

Ältere französische Schriftsteller sagen, die Disziplin im französischen Offizierkorps sei mangelhaft gewesen, besonders zur Zeit des dritten Krieges, neuere stellen dies in Abrede, geben aber folgende Punkte zu, die dem Geiste der Unterordnung schädlich waren: der Geburts- und Klassenstolz der Offiziere brachte ein Gefühl der Gleichberechtigung aller Dienstgrade hervor. Admirale, Kommandanten, Offiziere und Seekadetten bildeten eine Waffe; „sie duzten sich wie Hinz und Kunz“. Bei der Handhabung des Schiffes sprach der Untergebene seine Meinung aus, und der Vorgesetzte gab oft nach, um nicht unbeliebt zu werden. — Wie zur Zeit Colberts stellte man wieder Offiziere der Armee mit ihrem Dienstgrade in die Marine, was die Seeoffiziere empörte und der Kameradschaft schadete. — Der Adelsstolz der officiers rouges stieß die officiers bleus vor den Kopf. Dies zeigte sich besonders im dritten Kriege, als im französischen Volke bereits revolutionäre Gedanken auftauchten.

Uniformen. In die hier geschilderte Zeit fällt die Einführung von Uniformen für die Seeoffiziere und Deckoffiziere. Bis dahin scheint zwar eine gewisse gleichartige Tracht Mode gewesen zu sein — in Frankreich war eine Uniform für die Gardesmarines vorgeschrieben, in Dänemark schon 1723 auch für die Offiziere —, aber genaue Vorschriften erschienen in England[23] erst um 1748 und 1787, in Frankreich 1763. Überall wurde Blau mit goldenem Besatz gewählt, wie es noch jetzt üblich ist. Der Anzug der Matrosen blieb noch weiter ungeregelt; in England konnten die Leute ihren Anzug vom Staate kaufen, waren aber nicht dazu verpflichtet. Wahrscheinlich hat auch bei den Matrosen eine Mode geherrscht, wie es ja nach alten Bildern selbst in der Handelsmarine der Fall gewesen zu sein scheint, auch wird der Einfluß der Vorgesetzten eine gewisse Gleichmäßigkeit, wenigstens auf den einzelnen Schiffen, erzielt haben.

Die Taktik.

Wir haben die Entwicklung der Taktik während der Zeit von 1648 bis 1740 verfolgt[24] und wollen nun hier zunächst ihren Stand zu Beginn des neuen Zeitabschnittes betrachten. Am geeignetsten hierzu ist das Werk des Jesuitenpaters Paul Hoste. Dieser war längere Zeit Kaplan des französischen Admirals Tourville; als Professor der Mathematik am Kgl. Seminar in Toulon veröffentlichte er 1697 das Buch „L'art des armées navales ou traité des évolutions navales“ (vgl. Quellenverzeichnis); es ist wohl anzunehmen, daß in diesem mehr oder weniger die Gedanken genannten Admirals, des letzten großen Taktikers in den Kriegen des 17. Jahrhunderts, enthalten sind. Hoste stellt Grundsätze und Lehren für die Führung von Flotten auf und erläutert sie durch die Beschreibungen wichtiger Schlachten und sonstiger Ereignisse dieser Kriege. Von 1697 bis[37] 1740 ist nur ein Seekrieg geführt und in diesem nur eine Schlacht geschlagen (Malaga 1704); das geschickt aufgebaute und durchdachte Werk gibt wahrscheinlich auch noch den theoretischen Stand der Seetaktik um 1740; es ist später die Grundlage zu ihrer weiteren theoretischen Entwicklung im 18. Jahrhundert gewesen und bis zum Ende der Segelschiffahrt von anderen Schriftstellern vielfach benutzt und ausgelegt, aber im Grunde wenig geändert worden.

Hostes Werk über Taktik bespricht die geeignetste Gefechtsordnung, die Vorteile der Luvstellung; verschiedene Marsch- (auch Rückzugs-) Ordnungen; Übergänge aus einer Ordnung in eine andere; besondere Manöver wie Geschwaderwechsel, Herstellung der Ordnungen bei Windänderung, Gewinnen der Luvstellung sowie Hindern des Gegners daran, Maßnahmen beim Forcieren oder Verteidigen einer Enge; besondere Lagen im Gefecht, Erzwingen oder Vermeiden des Kampfes, teilweises Dublieren des Gegners und Maßregeln dagegen[25], Durchbrechen der feindlichen Linie. Diese Betrachtungen sind besonders für Seeoffiziere sehr lesenswert; für unsere Zwecke genügen die unmittelbar auf den Kampf bezüglichen Ausführungen.

Als Gefechtsordnung empfiehlt das Werk die Kiellinie der Schlachtschiffe dicht beim Winde unter kleinen Segeln, so daß die Schiffe eben gut steuerfähig bleiben. Die übrigen Fahrzeuge, Fregatten und Brander, sollen sich außerhalb der Linie etwa 1½ Seemeilen entfernt in Feuerlee[26] zur Verwendung bereit halten; die Fregatten zur Unterstützung, z. B. zum Schleppen, schwer beschädigter Schlachtschiffe und für besondere Aufgaben. Von den Marsch- und Ankerordnungen wird verlangt, daß sie einen schnellen Übergang in die Gefechtsordnung gestatten. Als geeignetste Marschordnung bei Erwartung eines Zusammenstoßes mit dem Feinde gilt eine Linie, in der sich die Schiffe so peilen, d. h. so zueinander liegen, daß sie sofort in Kiellinie beim Winde liegen, sobald sie über den einen oder den anderen Bug an den Wind gehen.

Die Luvstellung[27] erscheint am besten für das Gefecht geeignet, da man aus ihr jederzeit zum Angriff übergehen kann und weil sie auch sonst viele Vorteile für den Kampf bietet. Ebenso gilt noch der Angriff mit der ganzen Linie zugleich auf die ganze Länge des Gegners unter gemeinsamer Führung des Höchstkommandierenden als der gebräuchlichste. An Beispielen der großen Führer in den Kriegen des 17. Jahrhunderts weist Hoste auf verschiedene Mittel hin, um an einer Stelle die Übermacht zu gewinnen. So gestattet er, den Kampf geschwaderweise zu führen, wodurch oft entscheidende Gefechte herbeigeführt würden, hebt aber die Schwierigkeit der Wiedervereinigung der Flotte hervor. Verfügt die Luvflotte über eine größere Schiffszahl als der Gegner, so soll sie die hinten überschießenden Schiffe ihrer Linie dazu benutzen, die Schlußschiffe des Feindes von Lee her anzugreifen und so zu dublieren. Er ist gegen ein Dublieren der feindlichen Spitze, weil die damit betrauten Schiffe, falls sie durch Beschädigungen bewegungslos werden, dem Feuer der ganzen feindlichen Linie ausgesetzt sind, wenn diese im weiteren Verlaufe des Kampfes an ihnen vorüberzieht. Eine schwächere Leeflotte soll sich gegen das Dublieren dadurch schützen, daß sie ihre Linie durch Vergrößerung der Entfernungen zwischen den einzelnen Schiffen oder besser durch Freilassen einer Lücke verlängert, die dann aber durch Fregatten und Brander gedeckt werden muß.

Eine Flotte in Leestellung, die kämpfen will, soll sich hart am Gegner halten. Vielleicht bringt ihr eine Windänderung die Luvstellung oder es bietet sich infolge besonderer Zufälle eine Gelegenheit, den Feind aus der sonst dazu ungünstigen Leestellung her zum Kampfe zu zwingen (z. B. Havarien feindlicher Schiffe). Ist sie[38] überlegen, so kann sie dies durch einen Angriff mit ihren schnellsten Schiffen herbeiführen; diese halten den Feind fest, bis der Rest herankommt. Einen Angriff nimmt auch sie in Kiellinie beim Winde auf. Bei größerer Schiffszahl vermag sie den Feind hinten zu dublieren; zu diesem Zwecke weicht sie während des Kampfes nach Lee aus, ihre hinten überschießenden Schiffe machen das Manöver jedoch nicht mit, sondern setzen sich auf die Luvseite der letzten Schiffe der feindlichen Linie, wenn diese den Ausweichenden nachdrängt. Gegen ein solches Manöver soll sich eine schwächere Luvflotte dadurch schützen, daß sie nicht die ganze Linie der Leeflotte angreift, sondern nur, je nach der eigenen Schiffszahl, deren hintere Schiffe.

Für eine Leeflotte, aber nur für diese, sieht das Werk auch ein Durchbrechen der feindlichen Linie vor. Sie soll dazu über den beabsichtigten Durchbruchspunkt hinaussegeln und dann im Kontremarsch wenden[28]. Die Schiffe, die durchgebrochen sind, wenden darauf zu Luward der feindlichen Linie wiederum, und so sind die Schiffe des Gegners hinter dem Durchbruchspunkte dubliert. Hoste hält aber dieses Durchbrechen nicht für unbedingt empfehlenswert. Der Gegner kann es vereiteln, wenn er sofort mit allen Schiffen zugleich über den andern Bug geht; es wird gefährlich, wenn der Feind einige Schiffe durchbrechen läßt und dann wendet, denn nun sehen sich die durchgebrochenen dubliert. Das Manöver sei nur ratsam, wenn man eine größere Gefahr vermeiden will (z. B. auf eine Leeküste gedrängt, um abgeschnittene Kameraden zu befreien u. dgl.); auch wenn in der feindlichen Linie eine Lücke vorhanden ist — sei es infolge geringerer Schiffszahl, sei es nach Niederkämpfen einiger —, sollen die dadurch unbeschäftigten eigenen Schiffe durch die Lücke brechen und den Feind hinten dublieren.

Das Werk zeigt uns, wie dargelegt, einen hohen theoretischen Stand der Taktik, wohl geeignet, darauf weiter zu bauen. In der Praxis lag jedoch die Sache anders. Vom zweiten Englisch-Holländischen Kriege (1665–1667) an finden wir zwar in allen großen Schlachten Flottenführer, die versuchen, an einer Stelle mit Übermacht aufzutreten, sei es schon durch Ansetzen des Angriffes, sei es durch Ausnutzen von Blößen, die der Gegner während der Schlacht zeigt. Wir nennen Monck, Ruyter, du Quesne, die in diesem Bestreben von ihren Unterführern, d'Estrées, Bankers, den Haën, Nesmond, durch selbständige Manöver unterstützt wurden. Die aus diesen Beispielen zu ziehenden Lehren waren jedoch noch nicht Allgemeingut geworden, selbst die Gefechtsinstruktionen jener Zeit standen nicht auf der Höhe der Hosteschen Abhandlungen; es ist auch nicht anzunehmen, daß sich die Seeoffiziere jener Zeit, insbesondere die englischen „Teerjacken“, im allgemeinen mit ihnen beschäftigt hätten.

Die älteste eingehendere Gefechtsinstruktion in England[29] ist von 1665. Sie weist im allgemeinen auf den „Angriff« von Luward[39] her, über denselben Bug wie der Gegner liegend und mit der ganzen eigenen Linie auf die ganze feindliche zugleich“ hin. Sie sagt nämlich: „Erwartet der Feind, in Lee stilliegend, den Angriff, so soll ein jedes Geschwader[30] das entsprechende des Gegners angreifen. Begegnet die Flotte der feindlichen auf entgegengesetztem Kurse, so soll sie so weit laufen, bis ihre Vorhut querab von der Nachhut des Feindes ist; dann soll sie mit allen Schiffen zugleich wenden, so daß sie nun über den gleichen Bug parallel und querab von ihm (bereit zu vorstehender Angriffsart) liegt. — Steht die Flotte über gleichen Bug in Lee, so soll die Vorhut die feindliche Linie durchbrechen und deren hintere Schiffe von Luward her angreifen; Mitte und Nachhut sollen die vorderen Schiffe des Feindes beobachten und die Nachhut unterstützen.“ Bald darauf wurde einem selbständigen Durchbrechen seitens der Geschwaderchefs, ja selbst der Schiffskommandanten, in günstigen Augenblicken das Wort geredet und ihnen überhaupt mehr Freiheit gegeben, aber dann kam nach und nach in der Instruktion doch immer stärker das Streben zum Ausdruck, die ganze „Kiellinie beim Winde“ in strengster Ordnung, Spitze gegen Spitze und Schiff gegen Schiff von Luward her zum Angriff heranzuführen.

Die Vor- und Nachteile der Luvstellung (vgl. Band 1, Seite 184): Die Luvflotte kann jederzeit angreifen, die Gefechtsentfernung bestimmen, sowie leichter zum Entern gelangen; sie kann leicht die feindliche Linie durchbrechen und einen Teil von ihr abschneiden; sie kann den Gegner hinten dublieren; ihre Brander kommen besser zur Verwendung. Der Pulverrauch zieht nicht über die Schiffe hin und brennende Rückstände aus den Geschützen gefährden sie nicht. — Die Nachteile der Luvstellung bestehen darin, daß die Schiffe häufig infolge des Überliegens bei starkem Winde oder wegen schwerer See die Pforten der untersten Batterie, in der die schwersten Geschütze stehen, auf der dem Feinde zugewandten Leeseite geschlossen halten müssen. Beim Herangehen zum Angriff sind die Schiffe dem Enfilierfeuer[31] ausgesetzt, während sie nur ihre Buggeschütze verwerten können. Es wird stets schwierig sein, ein Gefecht abzubrechen, da sich hierzu die Flotte nach Luward hin vom Feinde entfernen muß, beschädigte Schiffe werden aber vielleicht nicht mehr wenden oder höher am Winde steuern können; diese treiben dann dem Feinde entgegen, der sie völlig vernichtet, falls sie nicht dadurch unterstützt werden, daß man das Gefecht fortsetzt.

Um 1691 sind die Bestimmungen über Durchbrechen ganz fortgefallen; kein Geschwader und kein Schiff darf ohne Befehl seinen Platz verlassen; streng wird darauf hingewiesen, den Angriff genau Spitze auf Spitze anzusetzen. Der Wortlaut der Instruktion machte es dem Oberbefehlshaber fast unmöglich, seine Flotte so heranzuführen, daß er von vornherein an einer Stelle die Übermacht gewann, und ebenso war ausgeschlossen, dies später durch Initiative der Unterführer zu erreichen.

[40]

Ein Dublieren des Feindes durch unbeschäftigte Schiffe, wie es Hoste empfiehlt, war in England auch früher niemals vorgesehen. Man soll wegen der Gefahr des gegenseitigen Beschießens der eigenen Schiffe das Dublieren hier ungünstig beurteilt haben, da die Engländer möglichst nahe an den Feind heranzugehen pflegten. Die Franzosen, die weitere Gefechtsentfernungen bevorzugten, hielten mehr vom Dublieren.

In dieser Änderung der Instruktion sahen sämtliche Marineschriftsteller bisher einen argen Rückschritt in der Taktik gegen die Zeit der obenerwähnten hervorragenden Führer. Nur Corbett sagt[32], es sei ein natürlicher Rückgang in ein defensiveres Verfahren nach einer Zeit wagemütigen Vorgehens seitens bedeutender Männer gewesen; man sei mit der Erkenntnis der Gefahren, die außergewöhnliche Manöver mit sich brächten (wie sie auch Hoste anführe), zu der wohlüberlegten Überzeugung gekommen, daß diejenige Flotte die größte Aussicht auf Erfolg habe, die am längsten ihre Formation hielte. Corbetts Auslassungen werden teilweise richtig sein, aber er will doch wohl auch das englische Seeoffizierkorps jener Zeit gegen den Vorwurf in Schutz nehmen, es habe die Taktik vernachlässigt. Sollte dieser Vorwurf nicht doch berechtigt sein?

Wir haben bei der Kennzeichnung der Offizierkorps der beiden großen Marinen erwähnt, daß in England wenig Neigung zu militärisch-theoretischen Studien vorhanden war. Stolz auf ihre seemännische Tüchtigkeit, glaubten die englischen Seeoffiziere ihr Ziel, das Niederschmettern des Feindes „im Kampf Schiff gegen Schiff“, jederzeit zu erreichen. Die Beispiele der großen Führer bis zur Schlacht von Kap Barfleur-La Hogue (1692) gerieten in Vergessenheit, und es ist fraglich, ob Hostes Werk in weiteren englischen Kreisen bekannt war; erst etwa 1762 erschien eine vollständige Übersetzung in englischer Sprache. Die lange Friedenszeit 1713–1739 gab auch keinen Anlaß zur Beschäftigung mit taktischen Fragen; Übungsflotten kannte man noch nicht[33]. So führten die Engländer lange Zeit ihre Schlachten nach den Buchstaben ihrer Gefechtsinstruktion: Rücksichtsloses Draufgehen in starrer Ordnung, Kampf Schiff gegen Schiff in nächster Nähe. Sie richteten auch stets ihr Feuer auf den Rumpf der feindlichen Schiffe, also auf die durch Geschütze und Mannschaft dargestellte Gefechtskraft, während es häufig zweckmäßiger gewesen wäre, die Takelage, also die Bewegungsfähigkeit der Gegner, als Ziel zu wählen. Zum Beharren bei dieser unvollkommenen Taktik trugen verschiedene Kriegsgerichtsurteile bei über Führer, die von der Vorschrift abgewichen waren. Die bekanntesten dieser Gerichtserkenntnisse sind die nach den Schlachten vor Toulon (1744) und bei Minorka (1756); aus ihrer Besprechung wird sich ergeben, welch eine beschränkte Auffassung für die Verwendung von taktischen Regeln im englischen Seeoffizierkorps herrschte.

[41]

Wir wissen, daß die französischen Seeoffiziere im Gegensatz zu den englischen mehr für die militärische Seite ihres Berufes veranlagt waren und sich mehr mit theoretischen Studien beschäftigten[34]. So entstand gegen die schematische Angriffsart der Engländer nun eine Abwehrtaktik der Franzosen. Diese nutzte die bisher wenig beachteten Vorteile aus, die eine Leestellung bietet. Die Franzosen sind aber nicht nur aus diesen Gründen zur Wahl einer Defensivtaktik gekommen, sondern dabei sehr durch ihre Strategie beeinflußt worden.

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Zur englischen Angriffsart.

Vor- und Nachteile der Leestellung. Die Flotte in der Leestellung kann den Kampf nicht erzwingen und ist einem Angriff gegenüber auf die Verteidigung angewiesen, wenn sie sich nicht zurückziehen will. Ein Durchbrechen oder ein Dublieren des Gegners ist für sie schwieriger als für eine Luvflotte. Sie kann aber fast bei jedem Wetter ihre untersten Batterien gebrauchen, da die Luvseiten der Schiffe dem Feinde zugewandt sind; auch kann sie die Angreifer beim Herankommen mit den Breitseiten beschießen. Sie deckt leichter ihre beschädigten Schiffe, hält leichter ihre Ordnung aufrecht und kann jederzeit das Gefecht abbrechen, da der Feind mit stärker beschädigten Schiffen nicht imstande sein wird, sofort und in guter Ordnung zu folgen.

Die Luvstellung ist mithin geeigneter zum Angriff, die Leestellung zur Abwehr, und es ist, wie in der Kriegführung stets, auch hier die Verteidigung materiell, der Angriff moralisch stärker (nach einem Ausspruche des Generals v. Clausewitz).

Die englische Angriffsart bringt große Übelstände mit sich. Wenn der Angreifer abhält, um an die feindliche Linie heranzugehen und sich dann dieser auf nahe Entfernung Schiff gegen Schiff nun auch unter gekürzten Segeln wieder parallel zu legen, so sind seine Schiffe längere Zeit dem Enfilierfeuer von vorn ausgesetzt, das sie nur[42] mit wenig Geschützen erwidern können (vgl. Plan, Lage 1). Nun liegt aber der Angegriffene nicht ganz still, er hat wenigstens soviel Bewegung, daß die Schiffe steuerfähig bleiben. Die angreifenden Schiffe müssen also schräg herangehen, um auf die ihnen in der feindlichen Linie entsprechenden Gegner zu stoßen; hierdurch wird die Dauer der ungünstigen Lage verlängert (Lage 2). Ferner ist es für Segelschiffe sehr schwierig, in einer solchen Stellung zueinander (nicht mehr in Kiellinie, sondern in einer Peilungslinie zum Kurse — Lage 2a-a) eine gut ausgerichtete Linie innezuhalten, und da nun auch das eine oder das andere Schiff in der Takelage beschädigt werden wird, ist es wahrscheinlich, daß nicht alle Schiffe gleichzeitig ihren Platz zum Nahkampfe einnehmen; der Angriff erfolgt also nicht gleichmäßig.

Dies ist nun aber nur von formeller Bedeutung, in der Praxis gestaltet sich der Angriff noch ungünstiger. Die Luvflotte will dem Feinde den Weg abschneiden, ihn festhalten und zum Kampfe zwingen. Sie wird also schon von weiterer Entfernung an vor die Spitze des Feindes halten. Bei der Schwierigkeit, dies in einer Peilungslinie durchzuführen sowie um ein längeres Enfiliertwerden zu vermeiden, wird sie in Kiellinie bleiben, bis sie nahe genug zum Angriff durch Abhalten ist (Lage 3). Dieses Schrägheranführen in Kiellinie hat zwei Mißstände im Gefolge, die einen gleichzeitigen Angriff ausschließen, häufig denselben überhaupt lähmen. 1. Die ersten Schiffe werden stets früher zum Nahgefecht kommen als ihre Hinterleute, weit früher aber noch als die letzten der Linie. 2. Wenn ein Schiff der Linie, z. B. in der Mitte (Lage 4 a). vor dem Abhalten zum Angriff durch Beschädigungen lahmgelegt wird, so hält es seine Hinterleute auf und zwingt sie zum Ausweichen; die Linie wird gestaucht und die Ordnung gestört.

Die Schwierigkeit, den Angriff auf der ganzen Linie gleichzeitig durchzuführen und die ungünstige Lage des Angriffes machten die Franzosen sich zunutze. Sie ließen den bisher allgemein anerkannten Grundsatz fallen, vor der Schlacht die Luvstellung zu erstreben; sie gingen sogar zuweilen freiwillig nach Lee, um in (Kiellinie beim Winde) den Angriff aufzunehmen. Sie richteten dann, wie sie es schon früher gern getan hatten, ihr Feuer auf die Takelage, die Bewegungsfähigkeit des Feindes, ein großes, bereits auf weitere Entfernungen mit Erfolg zu beschießendes Ziel. Sie warteten dann aber nicht den Angriff auf der ganzen Linie ab, sondern wichen einem allgemeinen Kampf aus, wenn nur erst die feindliche Spitze herangekommen und genügend geschädigt war.

Meist zogen sie unter schnell vermehrten Segeln ihre ganze Linie an den vordersten feindlichen Schiffen, die dann schon durch das beim Herangehen erhaltene Feuer in ihrer Bewegungsfähigkeit beschränkt waren, vorüber und überschütteten sie mit Geschossen; dann nahmen sie in Lee aufs neue Stellung und warteten in gleich günstiger Lage wie beim ersten Angriff das Weitere ab[35]. Sie konnten infolge des zwischen den Flotten lagernden Pulverrauchs[43] gewöhnlich ihr Manöver unbemerkt beginnen und auch in guter Ordnung durchführen, da ihre Schiffe noch unbeschädigt waren. Die Engländer aber sahen von einem zweiten Angriff ab, weil ihre Spitzenschiffe durch die Beschädigungen in der Takelage nicht mehr voll gefechtsfähig waren; häufig wurde eine englische Flotte dadurch sogar auf längere Zeit lahmgelegt. Es blieb bei dem einen Zusammenstoß, und die Flotten trennten sich.

Hier ist der Einfluß der Strategie der Franzosen auf ihre Taktik zu erkennen. Diese hätte weiter dahin ausgebildet werden können, daß man nach der Schwächung des Gegners zum Angriff überging, um noch größeren Erfolg auf dem Schlachtfeld zu erreichen. Die Franzosen begnügten sich aber damit, den Angriff unter Schonung der eigenen Schiffe abgeschlagen zu haben.

Wie schon meist zur Zeit Ludwigs XIV. kämpfte Frankreich auch später nie um die Seeherrschaft im großen Sinne; den Seestreitkräften wurden nur bestimmte Ziele gesetzt: eine Eroberung zu sichern; eine Landung zu decken; ähnlichen Vorhaben des Gegners entgegenzutreten, häufig mit dem ausdrücklichen Befehle, „die kostbaren und schwer zu ersetzenden Schiffe zu schonen“. Die Flottenführer wurden somit darauf hingewiesen, Zusammenstöße möglichst zu vermeiden und, wenn sie zum Kampfe gezwungen waren, jedenfalls nicht zuviel aufs Spiel zu setzen. Diese Auffassung wurde bei ihnen zum Grundsatz; ein französischer Autor sagt sogar: „Man sah es fast als ein Unglück an, wenn man mit dem Feinde zusammenstieß.“ Deshalb bevorzugten die Franzosen nun auch die taktische Defensive, bauten ihre Abwehrtaktik aus der Leestellung auf und führten diese dann schematisch durch, ohne etwaige Erfolge auszunutzen. Auch ihre Gefechtsinstruktion sah die Aufrechterhaltung der Ordnung als Hauptsache an und verbot streng, die Linie ohne Befehl zu verlassen.


Lange Zeit blieben beide Gegner bei ihrem Schema. Die Schlacht bei Malaga (1704) gilt als die erste, in der sich die englische Angriffsform zeigt; in der Schlacht bei Minorka (1756) tritt das französische Abwehrverfahren zuerst deutlich hervor; als die letzten Fälle, in denen die beiden Taktiken sich noch einmal ausgesprochen gegenüberstehen, werden die Schlachten vor der Chesapeakebucht 1781 (am 16. April und am 5. September) angesehen. Die dazwischenliegende Zeit nennt man wohl die Zeit der unentschiedenen oder der französischen Defensivschlachten. Dies ist zutreffend, denn in allen Kämpfen zwischen annähernd gleichen Streitkräften begnügten sich die Franzosen mit der Abwehr, und die Schlachten brachten taktisch keine Entscheidung.

Die angreifenden Engländer erreichten nie ihren Zweck, den Feind zu vernichten, aber auch die Franzosen erfochten nie einen vollen Sieg. Bei[44] der eigenartigen Verwendung des Geschützfeuers auf jeder Seite, der ihr eigentümlichen Taktik entsprechend, hatten die Franzosen meist den größeren Verlust an Menschen, während auf englischer Seite stets die Schiffe bedeutend mehr litten.

Erst gegen das Ende des hier behandelten Zeitabschnittes tritt bei beiden Gegnern wieder der Gedanke auf, sich mit der ganzen Kraft auf einen Teil des Feindes zu werfen. Der englische Admiral Rodney versucht bei Martinique (17. April 1780) von Luward her nur die feindliche Mitte und Nachhut anzugreifen. Von seinen an die alte Kampfart gewöhnten Unterführern nicht verstanden, gelingt es ihm zwar nicht, aber sein Gegner sucht von nun ab wieder die Luvstellung; allerdings geschieht dies nicht zum Angriff, sondern weiter zum Vermeiden größerer Entscheidungen. Derselbe Führer durchbricht bei Dominica (1782) von Luward her mit seiner Mitte die feindliche Flotte und dubliert den abgeschnittenen Teil mit großem Erfolge. Möglich, daß er zu diesem Manöver nur durch ein Umspringen des Windes gezwungen wurde, aber dessen Vorteile wurden jedenfalls erkannt, und dies führte dahin, daß man in England wieder Signale für „Durchbrechen“ annahm. Zu derselben Zeit weicht auch der französische Admiral Suffren in den indischen Gewässern von der bisherigen Defensivtaktik ab; er wählt die Luvstellung zum Angriff und sucht eine gleichstarke englische Flotte hinten zu dublieren.

Die vorstehenden Darlegungen über die Taktik sollen die späteren Schilderungen der Schlachten, sowie ihre Besprechungen erleichtern. Sie erweisen aber auch jetzt schon die Kennzeichnung des vierten Abschnittes: „Die Taktik wird lange schematisch gehandhabt, aber gegen das Ende erwacht neues Leben in ihr“, als richtig. Jetzt erschien das epochemachende Werk des Schotten Clerk (vgl. Quellenverzeichnis) und zwar 1782 in wenigen Exemplaren gedruckt, 1790 in erster großer Auflage. Wir werden uns damit im nächsten Abschnitt beschäftigen, weisen aber hier schon darauf hin, daß der Verfasser die Maßnahmen zur Konzentration der Kraft in der Schlacht behandelt, sowie daß er seine Gedanken bereits vor dem Erscheinen des Buches englischen Seeoffizieren, unter diesen auch Rodney, mitgeteilt hatte.

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Fußnoten:

[10] Siehe Band I, Seite 166, die Abbildung des „Royal Louis“.

[11] Mit der Bezeichnung „Fregatte“ verband sich vom Mittelalter her, auch schon bei den Ruderschiffen, der Begriff der Schnelligkeit im Gegensatz zur Gefechtskraft, nach und nach trat für sie jedoch die Anforderung einer gewissen Gefechtskraft hinzu. Ueber die allmähliche Entwicklung des Begriffes „Fregatte“ vgl. auch Band I im Sachregister unter diesem Stichworte.

[12] Näheres über diese Spezialschiffe vgl. Band I im Sachregister unter den betreffenden Stichworten.

[13] Hauptquellen: Clowes III, die Kapitel „Civil history“ 1714–1762 und 1762 bis 1792; Troude I „Introduction“.

[14] Clowes gibt diese in Band III, Seite 11 und 334; von dort sind noch die Angaben für 1765 entnommen.

[15] Vgl. hierüber sowie auch über Veränderung der Schiffe zur Aufstellung der Karronaden Clowes III, Seite 333 ff.

[16] Die innere Geschichte der englischen Marine nach Clowes III in den Kapiteln „Civil history“.

[17] Seesoldatenregimenter waren 1702 gegründet. Der Zweck der Seesoldaten an Bord war ihre Verwendung als besonders gut ausgebildete Gewehrschützen, als Kern der Landungsabteilungen und auch als Stützen der Disziplin. Vgl. hierüber auch Band I, Seite 182, 506. Von der Besatzung der Schiffe wird man etwa ein Fünftel als Seesoldaten annehmen können. Die Seesoldatenregimenter bildeten eine stehende Truppe, von der die Schiffe bei der Indienststellung ihren Bedarf entnahmen, während ihr Matrosenkorps neu zusammengestellt wurde.

[18] Quellen für die innere Geschichte in diesem Zeitabschnitt: Chab. Arnault, gedrängt, aber sehr übersichtlich; Lacour I und II ausführlicher, auch in Hinsicht auf die Bestimmungen für die Organisation besonders unter den Ministern Maurepas und Choiseul: diese Bestimmungen auch in Bonfils Band II, Seite 149–211.

[19] Die in Frankreich vorhandenen Seetruppen, Seesoldaten-, Kanonier- und Bombardier-Kompagnien, waren (wie in England) gewissermaßen stehende Truppen, wurden aber hier von Seeoffizieren befehligt.

[20] Nach Lacour II. Zum Vergleich einige Angaben (nach Campbell) über die englische Marine: Bewilligt, einschließlich des Mehrverbrauchs im Vorjahre, wurden für 1778 4 Millionen Pfund Sterling, 1779 4½, 1780 7½, 1781 8, 1782 7½.

[21] Zu dieser Betrachtung ist neben den Hauptquellen für die innere Geschichte der Marinen auch Mahan I an verschiedenen Orten benützt.

[22] Dieser Vorteil wird von den Franzosen vielleicht über Gebühr hervorgehoben.

[23] Beschreibungen der Uniformen vgl. Clowes III, Seite 21 und 347.

[24] Vgl. Band I, Sachregister unter „Taktik“.

[25] Dublieren, d. i.: den Feind zwischen zwei Feuer nehmen.

[26] Feuerlee ist die dem Gegner abgewandte Seite.

[27] Luvstellung bedeutet windwärts (über dem Winde) vom Gegner.

[28] Beim „Wenden im Kontremarsch“ drehen von vorn beginnend die Schiffe eines nach dem andern, wenn sie auf der Stelle angekommen sind, wo das erste gewendet hat; so bleiben die Kiellinie und die Reihenfolge der Schiffe bestehen. Beim „Wenden zugleich“ drehen die Schiffe gleichzeitig auf den Stellen, wo sie sich beim Erhalten des Befehles befinden; die Flotte steht dann gegen vorher in „Kehrt“, die Schiffe sind auch nicht mehr in Kiellinie, sondern müssen sich für eine solche erst wieder ausrichten. Entsprechend wird auch das „Halsen“ auf beide Weisen ausgeführt.

[29] Wir führen die englische Gefechtsinstruktion hier an, da die Engländer in den Schlachten der nächsten Kriege stets die Angreifenden waren und dadurch die Taktik der Franzosen beeinflußten. Eingehend bespricht die Entwicklung dieser Instruktion Corbett „Fighting instructions“ (vgl. Quellenverzeichnis).

[30] Es sei daran erinnert, daß eine Flotte meistens in drei Geschwader: Vorhut, Mitte, Nachhut, geteilt wurde.

[31] Enfilierfeuer ist ein Feuer von vorn (oder hinten), das die ganze Länge des Schiffes bestreicht und dessen Geschosse demnach in den Batterien und in der Takelage mehr Schaden anrichten als solche, die das Schiff seitlich treffen.

[32] In Corbett „England in the Mediterranean“ (vgl. Quellenverzeichnis, Band I) und in „Fighting Instructions“, eben angezogen. Über Corbetts Auslassungen vgl., schon genauer, auch Band I, Seite 532.

[33] Die auf Seite 35 erwähnten französischen Übungsgeschwader waren nur klein und sollten nicht taktische Fragen lösen, sondern die Offiziere in der Handhabung des Schiffes üben.

[34] Wir finden in Frankreich nach dem Werke von Hoste auch bald weitere Werke über Taktik. Kapitän Bigot de Morogues, der erste Direktor der Marineakademie, veröffentlichte 1763 ein Buch „Tactique navale ou traité des évolutions et des signaux“, das Hostes Werk ersetzen sollte. — Ein Offizier der französisch-ostindischen Kompagnie, Bourdé de Villehuet, schrieb 1765 das Buch „Le Manoeuvrier“ usw. (beide vgl. Quellenverzeichnis).

[35] Wenn die Vorteile der Leestellung bisher noch nicht erkannt waren, so nutzte doch Ruyter in der Schlacht bei Stromboli 1676 die Leestellung in ähnlicher Weise aus, wie es jetzt die französische Taktik tat; es ist freilich nicht sicher, ob es schon in richtiger Erkenntnis geschah (vgl. Band I. Seite 378).


[45]

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Drittes Kapitel.
Der Englisch-Spanische Krieg 1739 und der Österreichische Erbfolgekrieg 1740–1748.

Die Anlässe zum Kriege. Die Gruppierung der Staaten.

Der Englisch-Spanische Krieg wurde, wie schon angedeutet, durch Gegensätze in den Handelsinteressen beider Völker in Beziehung zu Amerika hervorgerufen. Im Frieden von Utrecht war den Engländern die Einfuhr von Negern in Spanisch-Amerika (der Assientovertrag)[A] sowie die Entsendung eines Schiffes bestimmter Ladefähigkeit zu dem Markte von Puerto-Belo[A] gestattet. Diese Zugeständnisse genügten weder ihren Wünschen noch dem Verkehrsbedürfnis der spanischen Kolonien. Infolgedessen entwickelte sich bald ein beträchtlicher englischer Schmuggelhandel[36], der die spanische Regierung in ihren Einkünften schwer schädigte und in ihrem Stolz tief kränkte. Sie begann deshalb die Zügel straffer anzuziehen, alte und strengere Bestimmungen wieder hervorzuholen und sie in schroffster Weise durchzuführen[37].

Der englische Schmuggelhandel war schon 1728 ebenso bedeutend wie der regelmäßige Handel Spaniens mit seinen Kolonien. Deshalb lockerte die bourbonische Regierung wenigstens ihren eigenen Untertanen gegenüber das alte Absperrungssystem etwas und gestattete 1728 in Guipuzcoa (einer der baskischen Provinzen) die Gründung einer Handelsgesellschaft für die Kolonien. Auch den Franzosen gewährte man 1733 bedeutende Vorteile dort, wodurch der schon erwähnte Aufschwung des Seehandels und der Kolonien wesentlich gefördert wurde. Anderseits verloren durch diese Maßnahmen die berühmten Silberflotten, die so lange ein Hauptangriffsobjekt der Feinde Spaniens gewesen waren, an Bedeutung; 1748 wurden ihre regelmäßigen Fahrten eingestellt, 1778 fuhr die letzte. England und Holland gegenüber hielt man jedoch die Absperrung aufrecht und führte sie sogar wieder schärfer durch. Das Puerto-Belo-Schiff, die Fahrzeuge im Negerhandelsdienst und besonders auch die Schiffe, die unter dem Vorwande einer Ausbesserung oder Ausrüstung die spanischen Niederlassungen anliefen, wurden peinlich überwacht und untersucht.

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Nun war es aber unmöglich, die lange Küste mit ihren vielen Einläufen genügend abzusperren; die englischen Seeleute und Händler schreckten in ihrem Streben nach Gewinn weder vor Strafen zurück noch nahmen sie Rücksicht auf die spanische Empfindlichkeit, und Spaniens Macht war nicht stark genug, um die englische Regierung zu einer Unterstützung zu nötigen. So wurde der schwächere Staat zur Anwendung gesetzwidriger Mittel getrieben; man ermächtigte Kriegs- und Zollschiffe, oder erlaubte es ihnen wenigstens, englische Schiffe auch auf hoher See anzuhalten und zu untersuchen. Bei den gesetzlichen und bei den ungesetzlichen Durchsuchungen ließen sich aber die Ausführenden infolge des spanischen Charakters und des alten Hasses gegen die Eindringlinge zu Beleidigungen und unberechtigten Gewalttaten hinreißen. Das Unrecht lag auf beiden Seiten; es war die Fortsetzung des alten Zustandes: „no peace beyond the line“. (Drakes Grundsatz, vgl. Band I, Seite 80 und 95.)

Dieses Vorgehen Spaniens rief im englischen Volke lebhafte Erregung hervor, und als die Vorstellungen, die der Minister Walpole beständig und besonders im Jahre 1737 in Madrid gemacht hatte, keinen Erfolg erzielten, reichten die westindischen Kaufleute 1738 dem Unterhause eine Denkschrift ein, in der sie sich eindringlich über die Verluste beklagten, die ihnen durch die Beschlagnahme von Schiffen sowie durch die Belästigung des Handels überhaupt erwachsen seien; für die Zeit von 1729–1738 wurde die Wegnahme von 52 Schiffen im Werte von 140000 Pfund Sterling angeführt. Auch auf die unmenschliche Behandlung englischer Schiffsbesatzungen wies man hin.

Das größte Aufsehen erregte der Vorfall mit Captain Jenkins Ohr, der 1731 in der Presse zur Sprache kam: »Das Schiff „Rebekka“ wurde im April 1731 auf der Reise von Jamaika nach England in der Nähe Havannas von einem spanischen Zollkutter angehalten, in roher Weise durchsucht, der Kapitän mißhandelt und mit dem Tode bedroht. Heldenmütig erduldete er alles und bestand auf seinem Rechte. Als die Spanier keine Schmuggelartikel gefunden hatten, rissen sie ihm ein Ohr ab und warfen es ihm mit den Worten ins Gesicht: „Bringe dies deinem König und erzähle ihm alles«. Endlich nahmen sie die astronomischen Instrumente fort, so daß er sein Schiff kaum heimführen konnte. Die Schiffsbesatzung könne den Vorfall beeidigen.“

Diese Angelegenheit kam 1738 im Parlament wieder zur Sprache. Jenkins selber wurde vorgeführt und legte das Ohr auf den Tisch des Hauses nieder; auf die Frage, wie ihm bei der Sache zumute gewesen sei, antwortete er: „Ich empfahl mein Leben Gott, meine Sache dem englischen Volke.“ jedenfalls ein hochgemuter Ausspruch in dem Munde eines damaligen Schiffsführers. Gegner des Krieges behaupteten denn auch, die ganze Rolle sei ihm einstudiert und er werde sein Ohr wohl näher zu Hause und nicht ohne Grund (nämlich am Pranger) verloren haben; jedenfalls diente aber der Vorfall zur Erregung des Parlaments sowie der öffentlichen Meinung und hat geschichtliche Bedeutung erlangt.

Die Denkschrift forderte, daß ernstlich, nötigenfalls feindlich, gegen Spanien vorgegangen würde. Walpole wünschte jedoch keinen Krieg und erklärte, daß durch einen solchen nichts gewonnen werde. Spanien würde ein Auftreten, wie es im Parlament zur Sprache gekommen, nicht gewagt haben, wenn es nicht von stärkeren Mächten ermutigt sei, und England wäre dem vereinigten Spanien und Frankreich nicht gewachsen; auch übertrieben die englischen Kaufleute und Rheder in blinder Leidenschaft die gerügten Mißstände. Er gab dem Parlamente hinhaltende Versprechungen und knüpfte nochmals (1738) Verhandlungen mit Spanien an. Dieses Verfahren genügte[47] aber der öffentlichen Meinung nicht und die Presse verbreitete weiter die übertriebensten Gerüchte. In Spanien ging man auch nur widerwillig auf die Verhandlungen ein und wurde um so eigensinniger, je heftiger England auftrat, veranlaßt durch Personen der Kriegspartei gegen Walpoles Absicht.

Endlich zwang die Opposition im Parlament, geführt von William Pitt, 1739 den Minister, Spanien ein Ultimatum zu stellen. Es bestand in dem Verlangen einer völligen Verzichtleistung auf das Durchsuchungsrecht und der Anerkennung verschiedener Ansprüche Englands in Nordamerika (eine günstigere Grenzregulierung zwischen der neugegründeten Kolonie Georgia und dem spanischen Florida, dem Recht für England, Holz von der Campechebai auszuführen u. dgl.). Als diese Forderungen abgelehnt wurden, erfolgte die Kriegserklärung im Oktober 1739. Die Feindseligkeiten wurden sofort von seiten Englands eröffnet. Schon im Jahre darauf entbrannte der Österreichische Erbfolgekrieg, der gemeinsam mit dem Englisch-Spanischen zu betrachten sein wird.

Der Österreichische Erbfolgekrieg, einschließlich der beiden ersten Schlesischen Kriege wurde durch den Tod Kaiser Karls VI. (1740) hervorgerufen. Die Politik dieses Herrschers lief seit Jahren darauf hinaus, die gesamten Länder des Hauses Habsburg seiner Tochter Maria Theresia zu sichern („Pragmatische Sanktion“, vgl. Band I, Seite 594 ff.), und er hatte hierfür auch die Zustimmung der meisten europäischen Staaten erreicht. Als aber Maria Theresia zur Regierung kam, zeigte sich, daß die Pragmatische Sanktion nichts als ein Stück Papier war. Die offenbare Schwäche Österreichs, dessen Geld- und Wehrverhältnisse sehr im argen lagen, reizte die Begehrlichkeit verschiedener Staaten; überall meldeten sich Erbansprüche. Preußen machte sein Recht auf Teile von Schlesien geltend; Bayern, das stets gegen die Sanktion protestiert hatte, verlangte ganz Österreich; Spanien forderte die ehemalig spanischen Provinzen in Norditalien. Auch Sachsen hielt sich für erbberechtigt und Sardinien dachte die Lombardei zu gewinnen. Der Kurfürst von Bayern, Karl Albrecht, strebte außerdem nach der Kaiserwürde.

König Friedrich II. von Preußen, der soeben den Thron bestiegen hatte, war stark genug, allein vorzugehen, und nahm sofort von Schlesien Besitz (1740). Bayern, selbst nicht kräftig genug zum Kampfe gegen Österreich, gewann nach längeren Unterhandlungen (1741) die Unterstützung Frankreichs; dieses hoffte Österreich zu schwächen und die eigene Macht nach Osten auszudehnen. Spanien schloß sich sofort an; später traten auch Preußen, Kurpfalz und Kurköln, sowie Sachsen für die ersten Jahre des Krieges, auf seiten Bayerns. Frankreich veranlaßte endlich Schweden zu einem Krieg mit Rußland, um diesen Staat an einer Betätigung zugunsten Österreichs zu hindern[38].

[48]

Jedoch auch Österreich gewann Bundesgenossen. Die Stimmung in England neigte zugunsten Österreichs, und dies war natürlich, denn England stand bereits im Kampfe mit Spanien, einem der Gegner Österreichs, und ein Wachsen der Macht Frankreichs, etwa durch die Erwerbung Belgiens, lag keineswegs in Englands Wünschen. Das Aufblühen des französischen Seehandels und der Kolonien Frankreichs in Ost- und Westindien verfolgte man mit Besorgnis; in Nordamerika lag der Kampf um die Grenzen der beiderseitigen Besitzungen gewissermaßen in der Luft. König Georg II. war zunächst zur Unterstützung Österreichs bereit, da er als Kurfürst von Hannover eifersüchtig auf Preußens Wachsen sah. Bald aber glaubte er sein Kurfürstentum durch Preußens Bündnis mit Frankreich bedroht, wollte sich deshalb neutral halten und erklärte sich für die Kaiserwahl Karl Alberts. Infolge des nicht gerade günstigen Verlaufes des Seekrieges mit Spanien, und da die englische Flotte die Überführung eines spanischen Heeres nach Oberitalien (1741) nicht gehindert hatte, wuchs jedoch die Opposition gegen Walpole; er mußte sein Amt niederlegen (Februar 1742), und nun trat England durch Geldhilfe und die Stellung eines Heeres in Belgien offen für Österreich ein. Unter Englands Einfluß tat Holland das gleiche; hier fürchtete man die alte Gefahr, Frankreich als Nachbar und dadurch die belgischen Seestädte als Nebenbuhler im Handel zu bekommen[39]. Auch Sardinien, später (1743) Sachsen und endlich selbst Rußland (1744) wurden durch England für Österreich gewonnen.

So war nach und nach ein allgemeiner europäischer Krieg entstanden, der neben dem Englisch-Spanischen Seekriege einen Englisch-Französischen See- und Kolonialkrieg mit sich brachte.

Als sehr bemerkenswert muß hier eine eigentümliche Auffassung internationaler Beziehungen jener Zeit erwähnt werden. Während der ersten Jahre führte Frankreich den Krieg gegen Österreich nur zur Unterstützung Bayerns, und England sowie Spanien traten auch nur als Helfer Maria Theresias auf. Eine Kriegserklärung Frankreichs an Österreich und England erfolgte erst 1744, an Holland gar erst 1747; obgleich ihre Heere schon vorher gegeneinander fochten, betrachteten sich doch diese Staaten nicht als im Kriegszustand, sondern, mit Ausnahme der im Felde stehenden Truppen, als noch im Frieden befindlich. Ebenso galt es auf See. Zwischen Frankreich und Spanien bestand ein Defensivbündnis, nach dem Frankreich in bestimmten Fällen (siehe auch Band I, Seite 598) Spanien eine Hilfsflotte zu stellen hatte.

Diese Hilfe sollte allerdings keine Feindseligkeit gegen England in sich schließen, die den Frieden zwischen England und Frankreich verletzte. Französische Kriegsschiffe waren danach, so lange sie mit der spanischen Flotte den Abmachungen des Vertrages gemäß zusammenwirkten, Feinde Englands, nicht aber der französische Staat und seine sonstigen Streitkräfte zu Wasser und zu Lande. Auf Grund dieses Vertrages sandte nun Frankreich schon 1740 ein Geschwader nach Westindien, mit dem Befehl, die spanischen Schiffe und Kolonien zu schützen; 1741 deckten französische Kriegsschiffe[49] im Verein mit der spanischen Flotte einen Truppentransport von Spanien nach Italien und Frankreich gewährte dann der spanischen Flotte Unterschlupf in Toulon; 1744 wurde, sogar noch ehe der Krieg erklärt war, die erste Seeschlacht vor Toulon mit den Engländern geschlagen, als eine französische Flotte die spanische nach Spanien begleitete. Da mutet es denn seltsam an, wenn sich französische Geschichtsschreiber mit großem Ernst über einzelne Angriffe englischer Schiffe auf französische vor 1744 unter dem Einwurfe beklagen, daß kein offener Krieg bestanden hätte; anderseits hatte ja allerdings England diese eigentümliche Auffassung in dem französisch-spanischen Vertrage gewissermaßen dadurch als berechtigt anerkannt, daß es aus dem beschriebenen Auftreten der französischen Seestreitkräfte keinen casus belli machte.

Der allgemeine Verlauf des Krieges.

Da der Seekrieg nur in loser Verbindung mit dem großen europäischen Landkriege stand, so genügt es, über diesen einen Überblick zu geben. Ein solcher ist jedoch wünschenswert, um zu zeigen, inwieweit die Gegner im Seekriege durch den Landkrieg in Anspruch genommen waren und inwieweit der erste auf den zweiten einwirkte; auch werden dabei die Gründe für die Gruppierung der Staaten etwas klarer werden. Der Verlauf des Seekrieges wird hierbei zunächst nur angedeutet werden.

Der Englisch-Spanische Seekrieg 1739–1744 wurde nur von den Engländern angriffsweise geführt, die in erster Linie gegen die spanischen Besitzungen in Westindien vorgingen; hier war Spanien am leichtesten zu verwunden. Schon im Juli 1739, noch vor der Kriegserklärung, lief die erste Expedition aus, und die Jahre 1739–1744 brachten dann eine Reihe von Angriffen auf die wichtigsten spanisch-westindischen Küstenstädte. Mit ungenügenden Mitteln unternommen und nicht tatkräftig durchgeführt, blieben sie jedoch sämtlich ohne entscheidenden Erfolg. In den europäischen Gewässern beschränkte sich die Tätigkeit der englischen Marine auf die Überwachung der spanischen Küsten — um die feindlichen Kriegsschiffe und Freibeuter festzuhalten, sowie den Handel zu unterbinden — und auf die Aufgaben, die der Landkrieg in Italien für die Seestreitkräfte im Mittelmeer brachte; aber auch hierin war man nicht überall und nicht andauernd glücklich. Selbst im kleinen Kriege errang England keine Vorteile; die Spanier fügten in den westindischen und in den europäischen Gewässern dem viel bedeutenderen englischen Seehandel mehr Schaden zu als sie von England überhaupt erleiden konnten. Der Schutz, den die französische Marine der spanischen zuteil werden ließ, lähmte allerdings wohl etwas die Tätigkeit der englischen, aber noch mehr trugen verschiedene andere selbstverschuldete Übelstände dazu bei, daß England bis zum Jahre 1744, als der förmliche Krieg mit Frankreich ausbrach, Spanien gegenüber noch nichts erreicht hatte.

Der Österreichische Erbfolgekrieg von 1740–1748 (einschließlich des ersten Schlesischen Krieges). Im November 1740 rückte Friedrich II. in Schlesien ein, bot aber gleichzeitig Maria Theresia gegen Abtretung dieser Provinz die Hilfe seiner Waffen und Geldunterstützung zur Erhaltung ihres übrigen Erbes sowie auch seine Stimme für die Kaiserwahl ihres Gemahls Franz Stephan an. Die hochherzige Frau wies das Anerbieten schroff zurück. Da in Schlesien nur wenige Truppen standen und die Festungen verwahrlost waren, bekam Friedrich die Provinz in kurzer Zeit bis auf Neiße in seine Hand und schlug auch den Feldmarschall[50] Neipperg, der von Böhmen heranrückte, wieder aus dem Lande (Schlacht bei Mollwitz, 17. April 1741).

Den ersten Angriff auf Österreich hätte man wohl von Karl Albert von Bayern, dem Haupterbprätendenten, erwarten müssen, doch fand dieser nicht sofort die erwünschte Unterstützung durch Frankreich. Der Kardinal Fleury hätte zwar gern in Deutschland drei bis vier größere Staaten gesehen, unter sich uneinig und keine der französischen Macht gewachsen, dennoch zögerte er lange, einzugreifen. Nach den Erfolgen Preußens kam jedoch der Vertrag von Nymphenburg (Mai 1741) zwischen Frankreich, Spanien und Bayern zustande, in dem Frankreich versprach, für Bayern ein Heer zu stellen, Hilfsgelder zu zahlen und die Wahl des Kurfürsten zum Kaiser zu unterstützen; diesem Vertrage schlossen sich im August Preußen und Sachsen an. Friedrich II. sicherte sich dadurch französische Hilfe gegen Hannover. Georg II. von England hatte hier Truppen zusammengezogen, sah aber jetzt von einem Eingreifen ab und versuchte zwischen Österreich und Preußen zu vermitteln. Friedrich II. war den Sommer 1741 in Schlesien stehen geblieben, mit Vermehrung und Verbesserung seiner Reiterei beschäftigt, und hielt so die vorläufig einzige österreichische Feldarmee in Schach. Erst als Neipperg aufs neue vorrückte, brach auch er wieder auf (September); es kam aber nicht zum Schlagen, sondern man schloß eine geheime Konvention (Klein-Schellendorf, 9. Oktober) ab, nach der Preußen die eroberte Provinz bis zur Neiße behielt. Maria Theresia gab nach, um Neippergs Heer gegen ihre anderen Gegner frei zu bekommen.

Bayern und Franzosen waren nämlich im Sommer 1741 in Österreich bis nahe vor Wien eingedrungen. Dann zog der größere Teil ihres Heeres nach Böhmen und auch die Sachsen rückten dort ein; gemeinsam wurde Prag erobert und Karl Albert hier zum König gekrönt (Dezember 1741). Bald darauf wurde Karl Albert zum Deutschen Kaiser erwählt und in Frankfurt gekrönt (12. Februar 1742). Maria Theresia hatte aber Zeit zum Rüsten gewonnen und vor allem Ungarn durch Zusicherung größerer Selbstständigkeit zu außerordentlichen Leistungen bewogen. Der ungarische Heerbann, durch reguläre Truppen unterstützt, eroberte unter Khevenhüller Oberösterreich zurück und drang in Bayern ein (12. Februar 1742 in München). Ein zweites Heer unter Karl von Lothringen hatte weniger Erfolg. Zur Deckung Prags war es zu spät gekommen und Friedrich II. hatte wieder die Waffen ergriffen, weil Österreich die Konvention nicht geheim gehalten hatte.

Der König drang im Frühjahr 1742 durch Mähren bis nahe vor Wien vor. Zwar mußte er, von den Sachsen schlecht unterstützt, wieder nach Böhmen zurückgehen, als Karl von Lothringen, durch Truppen Khevenhüllers verstärkt, heranrückte, aber dann schlug er seinen Gegner, der sich zwischen ihn und Prag schieben wollte, bei Czaslau und Chotusitz (17. Mai 1742). Diesen Erfolg benützte Friedrich II. unter nachdrücklicher[51] Vermittlung Englands sofort, um sich durch raschen Friedensschluß (Breslau, 11. Juni 1742) Schlesien zu sichern. Von Preußen nicht mehr bedroht, erzwangen die Österreicher den Abzug ihrer Gegner aus Böhmen, die Prag im Dezember 1742 räumten. Sie eroberten dann auch Bayern zurück (Frühjahr 1743), wo die Verbündeten wieder vorgedrungen waren; die Franzosen zogen ab, die bayerischen Truppen wurden in neutrale Quartiere verwiesen.

Um diese Zeit gingen nach Walpoles Rücktritt auch England und Holland tatkräftig für Österreich vor. Georg II. zog (April 1743) in Belgien englische, holländische, österreichische und hessische Truppen zusammen, die sogenannte „Pragmatische Armee“, führte sie rheinaufwärts, trieb durch den Sieg bei Dettingen (27. Juni 1743) ein neu eingedrungenes französisches Heer (Herzog von Noailles) über den Rhein zurück und nahm Worms ein; später ging die pragmatische Armee nach den Niederlanden. Der „Wanderkaiser“ Karl VII. saß verlassen in Frankfurt.

In Italien behauptete die österreichische Sache das Gleichgewicht. Im Anfang des Jahres 1742 waren die Spanier in Genua und Toskana gelandet, unbehindert durch englische Seestreitkräfte, da eine französische Flotte die spanische begleitete. Zu ihrer Unterstützung kamen Truppen des Königreichs Beider Sizilien heran, aber England erzwang deren Rückberufung durch eine Flottendemonstration vor Neapel (August 1742). Schon im Februar 1742 hatte sich Sardinien für Österreich erklärt; König Karl Emanuel, der anfangs zu Frankreich-Spanien neigte, ließ sich von England durch Hilfsgelder und das Versprechen, im Mittelmeer eine starke Flotte zu halten, sowie von Österreich durch Zusicherung von Gebietsteilen im Mailändischen gewinnen. Nun besetzten zwar überlegene französisch-spanische Streitkräfte im Winter 1742/43 Savoyen, vermochten aber weder in Norditalien, noch in Toskana weiter vorzudringen.

Die englische Flotte hinderte ferner Landungen der Spanier in Genua und blockierte die spanische Flotte vom Mai 1742 bis zum Mai 1744 in Toulon. Kardinal Fleury konnte hieraus, sowie aus dem Verhalten Sardiniens und Neapels den Lohn für seine Vernachlässigung der Marine entnehmen.

Neue Bündnisse. Die Erfolge des Jahres 1743 führten Österreich, England und Sardinien zu engerem Zusammenschluß. Im Traktat zu Worms (13. September 1743 im Hauptquartier Georgs II.) erkannte Sardinien die pragmatische Sanktion an und erhielt dafür einen Teil der Lombardei; England verpflichtete sich zur Stellung einer starken Flotte und zur Zahlung von 200000 Pfund Sterling; gegenseitig garantierten sich die Staaten ihren Besitz von 1739, also „vor dem Frieden von Breslau“. Ferner schlossen Österreich und Sachsen (Dezember 1743), sowie Sachsen und Rußland (Februar 1744) ein Defensivbündnis. Auch die Gegner blieben nicht untätig. Frankreich erneuerte nach Fleurys Tode seinen Vertrag mit Spanien: Mailand und Parma sollten als eine weitere Sekundogenitur, wie es Neapel schon war, an Spanien fallen; Gibraltar und Port Mahon wollte man zurückerobern und sonstigen[52] englischen Übergriffen (in Westindien und Florida) steuern. Frankreich begünstigte außerdem die Vorbereitungen des letzten Stuart Karl Eduard für eine Erhebung in Schottland und erklärte jetzt den Krieg an England (März 1744, nach der Seeschlacht vor Toulon) und an Österreich (April). Auch Friedrich II. rüstete zu neuem Waffengange; durch den Wormser Traktat sah er sich im Besitze Schlesiens bedroht, der Vertrag Österreichs mit Sachsen richtete seine Spitze offenbar gegen ihn und eine Spannung mit Georg II. über den Besitz Ostfrieslands trat hinzu. Sein Versuch, die deutschen Fürsten unter preußisch-bayerischer Führung zu einigen, um die fremden Mächte von Deutschland auszuschließen, war fehlgeschlagen, nun schloß er (Paris 5. Juni 1744) ein neues Bündnis mit Frankreich „zum Schutze Kaiser Karls VII.“; ein ähnlicher Vertrag mit Bayern und Kurpfalz war vorhergegangen (Frankfurter Union, 22. Mai).

Der Krieg von 1744–1746 (einschließlich des Zweiten Schlesischen Krieges). Frankreich führte im Jahre 1744 den Krieg nur lau. In Belgien wurden unter Ludwigs XV. persönlicher Führung einige Städte genommen; ein zweites Heer am Oberrhein wagte jedoch nicht, diesen Fluß zu überschreiten, sondern zog die Bayern zu sich herüber. Dagegen gingen die Österreicher (Karl von Lothringen) über den Rhein und drangen im Elsaß vor. Ludwig kam zwar mit der Hälfte des flandernschen Heeres heran, aber seine Erkrankung lähmte die Unternehmungen. Jetzt eröffnete Friedrich II. den Feldzug. Er rückte durch Sachsen und aus Schlesien in Böhmen ein. Die Österreicher wurden dadurch gezwungen, über den Rhein zurückzugehen und auch Bayern zu räumen, aber nur langsam folgten die Franzosen und die Bayern nach. Unbehindert konnte Karl von Lothringen sein Heer nach Böhmen führen und Friedrich wurde unter großen Verlusten nach Schlesien zurückgedrängt (Dezember 1744). In Süddeutschland kam es im Winter 1744/45 noch zu einigen Kämpfen. Als aber Kaiser Karl gestorben war (Januar 1745), stimmte sein Sohn der pragmatischen Sanktion sowie der Kaiserwahl Franz Stephans zu und schloß Frieden mit Österreich (April); auch die Franzosen räumten Deutschland (Juli) und verlegten den Hauptkriegsschauplatz nach Belgien.

Vielleicht wäre es für Frankreich richtiger gewesen, Österreich in seinem entfernt liegenden und schwer zu verteidigenden Besitze, Belgien, hauptsächlich anzugreifen. Mit dem Vordringen über den Rhein und durch Deutschland hin reichte man aber Preußen die Hand, dessen militärische Macht sich zum ersten Male zeigte. In Belgien dagegen hätte der französische Angriff auch die Seemächte empfindlich getroffen, die stets auf das Eindringen der Franzosen eifersüchtig waren. So ist es wohl unterlassen, um den förmlichen Krieg mit diesen noch zu vermeiden. Als es aber später geschah, hat es sicher dazu beigetragen, die Tätigkeit der englischen Marine, in den fernen Gewässern besonders, zu lähmen; man wandte in England nun dem Landkriege mehr Aufmerksamkeit zu, als richtig war.

Friedrich II. stand 1745 allein da; Österreich und Sachsen schlossen im März einen neuen Vertrag zu einem Einfall in Schlesien. Jetzt bewies der König seine Größe und vereitelte durch die Siege über Erzherzog Karl bei[53] Hohenfriedberg (4. Juni 1745) und Soor (30. September) den Einfall. Als dann die Gegner wieder in Schlesien einbrechen und gleichzeitig mit der sächsischen Hauptmacht, verstärkt durch die am Rhein freigewordenen österreichischen Truppen, von Dresden her die Mark angreifen wollten, schlug er Karl von Lothringen aufs neue bei Katholisch-Hennersdorf, 23./24. November, und marschierte auf Dresden; Lothringen folgte. Leopold von Dessau, der das andere feindliche Heer zu beobachten hatte, griff dieses inzwischen auf ausdrücklichen Befehl des Königs trotz seiner schwächeren Kräfte an und schlug es vernichtend bei Kesselsdorf (15. Dezember), als der König bei Meißen und Karl bei Dresden angekommen waren. Dieser ging dann mit den Trümmern des geschlagenen Heeres nach Böhmen zurück; Friedrich zog in Dresden ein. Er zwang hierdurch Sachsen zum Nachgeben und auch Österreich war nicht geneigt, den Krieg allein fortzuführen. Am 25. Dezember 1745 wurde der Friede von Dresden geschlossen; der König behielt Schlesien und erkannte dafür Franz Stephan an, der schon am 13. September als Franz I. zum Kaiser gewählt und am 4. Oktober gekrönt war. Der Krieg in Deutschland war zu Ende.

Auch anderwärts stand die österreichische Sache ungünstig. Im Frühjahr 1745 waren die Franzosen mit starker Macht in Belgien aufgetreten. Sie nahmen wichtige Städte ein und der Marschall Moritz von Sachsen siegte bei Fontenay (11. April) über den Herzog von Cumberland; am 21. Februar besetzten die Franzosen Brüssel und bedrohten Holland selbst.

Im Mittelmeer fand am 22. Februar 1744 die Seeschlacht vor Toulon statt, als die französische Flotte die spanische von genanntem Hafen nach der italienischen oder spanischen Küste geleiten wollte. Sie blieb unentschieden.

In Norditalien eroberte ein französisch-spanisch-neapolitanisches Heer 1745 Piemont und fast die ganze Lombardei. Erst als nach dem Frieden von Dresden Österreichs Truppen in Deutschland frei wurden, konnte es in Italien das Gleichgewicht wieder herstellen. Das österreichisch-sardinische Heer vertrieb 1746 die Franzosen, die Spanier gingen von Genua aus in die Heimat zurück; die Sieger besetzten diese Stadt und drangen sogar in die Provence ein, in beidem von der englischen Flotte unterstützt. Ein von Frankreich begünstigter Aufstand in Genua rief sie dann aber zurück, und eine neue Belagerung dieser Stadt mußte aufgegeben werden, als die Franzosen wieder über Nizza (1747) vordrangen.

Die Erhebung Schottlands. Der Niedergang der österreichischen Sache in Belgien hing mit der Gefahr zusammen, die dem Hause Hannover in England durch eine Erhebung der Schotten zugunsten der Stuarts drohte. Jakob III. lebte nach seinem letzten Ringen um die Krone Großbritanniens (1708; vgl. Band I, Seite 522) in Rom. Von hier ging 1743 sein Sohn Karl Eduard (gewöhnlich „der junge Prätendent“ genannt) nach Paris, um mit Frankreichs Hilfe einen neuen Versuch zu wagen; der Kampf Englands mit den Bourbons, die geringe Beliebtheit des Hauses Hannover in England,[54] die Anhänglichkeit der Schotten an die Stuarts, sowie ihre Abneigung gegen eine Verbindung mit England ließen die Gelegenheit günstig erscheinen. Frankreich war dem Unternehmen geneigt, das England vom Festlandskriege abziehen mußte und wollte 1744 14 000 Mann nach Schottland übersetzen, aber diese Expedition — das einzige Angriffsunternehmen Frankreichs zur See in diesem Kriege — scheiterte infolge verzögerter Ausrüstung, ungünstiger Wetterverhältnisse und der Übermacht der englischen Seestreitkräfte.

Erst im Juli 1745 kam Karl Eduard mit nur wenigen Begleitern nach Schottland. Verschiedene Clans standen für ihn auf. England war völlig überrascht und hatte nur wenige Truppen zur Verfügung; seine schwachen Garnisonen räumten Schottland. Der Prinz bemächtigte sich Edinburghs (im September), rückte in England ein, schlug ein englisches Korps und drang bis auf acht Tagemärsche an London heran. Das englische Volk zeigte sich meist gleichgültig, teilweise sogar feindlich gegen die eigene Dynastie, deren Lage bei dem Mangel an Truppen gefährdet erschien, um so mehr da eine französische Landung vorbereitet wurde. In London begann der Kredit zu wanken, die Bank wurde fast gestürmt. Aber jetzt weigerten sich die Schotten weiterzumarschieren. Karl Eduard mußte nach Schottland zurück und wurde bei Culloden (16. April 1746) vom Herzog von Cumberland vernichtend geschlagen. Dieser war mit Truppen von Belgien herübergerufen; meist Hessen im Solde Hollands, das nach altem Vertrag verpflichtet war, England bei drohendem Einfall Truppen zu stellen. Der letzte Versuch der Stuarts war gescheitert, Karl Eduard irrte fünf Monate umher und floh dann nach Frankreich; aber sein Aufstand war doch von lähmendem Einfluß auf Englands Kriegführung zur See gewesen.

Das Ende des Erbfolgekrieges. Die Franzosen machten 1746 immer raschere Fortschritte in Belgien; alle wichtigen Städte, auch Antwerpen und Namur, fielen in ihre Hände; Moritz von Sachsen erfocht bei Rocourt (11. Oktober 1746) einen zweiten glänzenden Sieg über Cumberland und Karl von Lothringen. 1747 siegten die Franzosen nochmals bei Maastricht (2. Juli) und nahmen Bergen op Zoom (16. September); am 11. Mai 1748 fiel auch Maastricht. Schon vor Einnahme dieser wichtigsten Festung waren Friedensunterhandlungen im Gange, und als jetzt die Franzosen mit dem Einbruch in Holland drohten, kam es zum Frieden, zunächst zwischen Frankreich und England-Holland.

In dem See- und Kolonialkriege Englands gegen Frankreich und Spanien 1744–1748 behauptete England schließlich das Übergewicht. Wie Spanien schon bisher, so war auch Frankreich infolge der Schwäche seiner Marine genötigt, sich in der Verteidigung zu halten. Wie schon erwähnt, hatte es nur einmal, noch vor der Kriegserklärung, einen Offensivstoß versucht (einen Einfall in England zugunsten Karl Eduards), der aber nur bei völliger Überraschung des Gegners hätte gelingen können. Später beschränkte sich Frankreich auf den Schutz seiner Kolonien und auf den kleinen Krieg gegen den feindlichen Handel. England führte den Seekrieg zunächst nicht energischer als bisher gegen Spanien allein. Die Tätigkeit seiner Seemacht wurde durch verschiedene Umstände gelähmt — Vernachlässigung der Marine während der langen[55] Friedenszeit, Mangel an frischem Geiste in ihr, vor allem aber durch unrichtige und schwächliche Verwendung der überlegenen Flotte —, und so blieb natürlich der Erfolg aus. Es gelang nicht, die feindlichen Häfen zu sperren und so die Gegner von ihren Kolonien abzuschneiden.

In Westindien, worauf die Franzosen den Hauptwert legten, und wo auch die Spanier den größeren Teil ihrer Seestreitkräfte hielten, vermochten die Engländer nichts auszurichten; in Nordamerika eroberten zwar die englischen Kolonisten, von der Flotte unterstützt, die wichtige Festung Louisbourg und hielten sie bis zum Friedensschluß, mehr errangen sie jedoch nicht, da sie keine Unterstützung erhielten; in Ostindien gelang es sogar den Franzosen, Madras (1746) zu nehmen und den englischen Angriff auf Pondicherry (1748) abzuschlagen und so bei den indischen Fürsten das Ansehen Frankreichs über das Englands zu heben. Selbst im kleinen Kriege war England nicht imstande, seine Handelsschiffahrt vor großen Verlusten durch Freibeuter und einzelne Kriegsschiffe der Gegner zu bewahren, wenn es auch deren Handel gleichfalls großen Schaden zufügte.

Erst nach und nach, besonders vom Jahre 1747 an, wurde es besser. Die englische Marine erstarkte dauernd an Zahl der Schiffe und innerem Wert, die der Gegner gingen abwärts infolge von Verlusten und von Vernachlässigung, die französische Seemacht wurde schließlich durch die Vernichtung von zwei stattlichen Geschwadern in den Seeschlachten bei Kap Finisterre (im Mai und Oktober 1747) völlig lahmgelegt; auch die Freibeuter ihrer Gegner hatten die Engländer nach und nach größtenteils weggefangen. Jetzt war England imstande, Frankreich und Spanien von ihren Kolonien gänzlich abzuschließen, ihren Handel fast völlig zu vernichten, dagegen den eigenen Seehandel wirksam zu schützen, der übrigens in seiner Gesamtheit trotz der Verluste mit dem Schwinden des feindlichen stets zugenommen hatte.

Diese Umstände trugen wesentlich dazu bei, Frankreich dem Frieden geneigt zu machen.

Der Frieden zu Aachen 1748 beschloß den für alle Beteiligten ergebnis- und aussichtslosen Krieg.

Frankreich hatte zwar Ruhm und Eroberungen in den Niederlanden geerntet, aber mit jedem Jahre wuchs die Geldverlegenheit der Regierung und die Not des Volkes, die überwiegend die erwerbenden Klassen traf; das Land war erschöpft. Frankreich trug die Last des Krieges auch für seine Verbündeten, die häufige Anwesenheit des Königs bei den Heeren vermehrte die Kosten noch, während von den gewaltigen Brandschatzungen in Feindesland nichts in die öffentlichen Kassen floß. Der französische Seehandel litt schwer und sah sich nach den Unfällen der Marine im letzten Jahre ebenso wie die Kolonien immer mehr der englischen Seemacht preisgegeben. Selbst die Behauptung der Eroberungen in den Niederlanden schien unsicher, da die Seemächte noch während der Friedensverhandlungen im Verein mit Österreich und Sardinien beträchtliche Streitkräfte in den Niederlanden und in Italien aufstellten, um unter allen Umständen die Erhaltung Hollands durchzusetzen. Sogar Rußland ließ, von England und Österreich gewonnen, ein Heer in englischem Solde nach dem Rhein marschieren.

Aber auch die Seemächte waren zum Frieden geneigt. Holland sah sich durch einen französischen Einfall bedroht, England mußte zugunsten seiner Handelsübermacht unbedingt Holland halten und durfte aus demselben Grunde auch die österreichischen Niederlande nicht in französischen Händen[56] lassen, mußte also Frieden schließen, so lange dies dadurch noch zu verhindern war. Die Seemächte trugen, wie früher, die Gesamtkosten; in erster Linie England, dessen Staatsschuld trotz großer Erhöhung der Steuern schon von 50 Millionen Pfund Sterling im Jahre 1739 auf 78 Millionen angewachsen war. Österreich und die kleineren Staaten vermochten nicht ohne das Geld der Seemächte weiter zu kämpfen, und so einigten sich zunächst England und Holland im geheimen mit Frankreich über die Grundlagen des Friedens (30. April 1748); die Bundesgenossen wollte man, wenn erforderlich, zur Beistimmung zwingen.

Nach den Friedensbedingungen beurteilt, ist wohl nie ein Krieg mit so vielen Kämpfen und so bedeutenden Verlusten an Geld und Blut so ergebnislos verlaufen wie dieser. Im wesentlichen wurde der Besitzstand vor dem Kriege wiederhergestellt und die Eroberungen zurückgegeben. Für Österreich wurde die pragmatische Sanktion, für das Haus Hannover die britische Thronfolge und für Preußen der Besitz von Schlesien gewährleistet. Österreich mußte Parma und Piacenza als eine zweite Sekundogenitur an Spanien, mailändisches Gebiet an Sardinien abtreten; seine Niederlande, in denen wie früher die Barrierefestungen von Holland mitbesetzt werden sollten, erhielt es zurück. Frankreich und England tauschten Madras und Louisbourg wieder aus und die Abmachungen über die neutralen Inseln in Westindien (vgl. Seite 9) wurden erneuert. Frankreich verpflichtete sich aufs neue, Dünkirchen nach der Seeseite nicht zu befestigen und Glieder der Familie Stuart weder zu unterstützen, noch auch in seinem Lande zu dulden.

Dagegen blieb die Grenzfrage zwischen den englischen und französischen Kolonien in Nordamerika, besonders in Neubraunschweig, sowie über das Besiedlungsrecht im Ohiotal ungeregelt. Ebenso wurden die Hauptstreitpunkte zwischen England und Spanien nicht aus der Welt geschafft: das Recht zur Untersuchung englischer Schiffe durch die Spanier wurde nicht aufgehoben; die geforderte Entschädigung englischer Rheder sowie die Abgrenzung zwischen Florida und Georgia sollten auf diplomatischem Wege geregelt werden und man wußte doch, wie wenig dabei herauskommen würde. Nur der Assientovertrag wurde auf vier Jahre erneuert.

Als wichtige politische Folge des Krieges, hervorgerufen durch das fortgesetzte Mißgeschick im Felde, erscheint die Wahl des Prinzen Wilhelm von Nassau, Statthalters von Friesland und Geldern, zum Statthalter aller sieben Provinzen, zum Generalkapitän und Admiralgeneral seitens der alten Volkspartei, womit die sogenannte zweite statthalterlose Zeit ihr Ende fand.

Der Frieden wurde von Frankreich und den Seemächten am 18. Oktober 1748 unterzeichnet; Österreich trat am 23. Oktober bei und Preußen, Spanien, Sardinien schlossen sich an. Da Maria Theresia nur gezwungen auf Schlesien verzichtete und da die wichtigsten Fragen zwischen England und Frankreich-Spanien unberührt gelassen waren, trug der Friede den Keim zu neuem Kriege in sich.

[57]

Die Streitmittel[40].

Frankreich. Die Quellenangaben über den Schiffsbestand um 1740 schwanken. Man kann ihn zu 45–50 Linienschiffen (von 50 Kanonen und darüber) und zu 15–20 großen Fregatten (hierunter wohl auch Schiffe mit 40–50 Kanonen verstanden), sowie etwa 50 kleineren Schiffen und Fahrzeugen annehmen. Hinzu traten im Mittelmeer 60 Galeeren, auf die man aber kaum noch Wert legte. Unter den Linienschiffen scheinen sich keine mit über 80 Kanonen (Dreidecker) befunden zu haben; jedenfalls sind solche im Kriege nicht zur Verwendung gekommen. Die Schiffe waren großenteils in schlechtem Zustande, die Werften nicht leistungsfähig, die Arsenale und Magazine leer.

Die Zahl der Offiziere, Deck- und Unteroffiziere war zwar in den letzten Jahrzehnten sehr verringert, reichte jedoch für die Schiffe aus, die in Dienst gestellt wurden. Ebenso machte sich kein Mangel an Mannschaften fühlbar, da die Inskription wieder geregelt war. Infolge der seltenen Indienststellungen im Frieden und später im Kriege fehlte jedoch dem Gesamtpersonal die Übung.

Eine Unterstützung, besonders auf dem ostindischen Kriegsschauplatze, fand die Marine in den großen Schiffen der Compagnie des Indes, die mehr Kanonen (bis zu 60) an Bord nehmen konnten, als sie gewöhnlich führten (20–30). Man darf sie aber nicht als vollwertige Kriegsschiffe betrachten; darauf gebaut, viel Ladung und wenig Geschütze an Bord zu nehmen, vermochten sie im umgekehrten Falle nur wenig Segel zu führen. Auf größeren Seereisen konnten sie nur 30–38 Kanonen führen und auch nur Kanonen der Mittelartillerie (8-Pfünder, 12-Pfünder, vereinzelt 18-Pfünder). Die Offiziere der Kompagnie waren gute Seeleute, aber keine Seeoffiziere; die Mannschaft war noch weniger militärisch geübt; die Disziplin ließ bei beiden zu wünschen übrig.

Der Verlust an Schiffen während des Krieges betrug: 22 Linienschiffe, 4 Schiffe zu 40–46 Kanonen, 13 zu 24–32, 7 zu 20 Kanonen, 9 kleinere Fahrzeuge; insgesamt 55 Segel. Einige Neubauten traten hinzu, und so war der Schiffsbestand um 1748: 31 Linienschiffe und 8 im Bau.

Spanien besaß um 1739 kaum 40 Linienschiffe. Unter diesen befanden sich einige sehr gute Neubauten, aber auch manche, die nicht als vollwertig gelten konnten, da sie für die Überführung der Schätze Amerikas eigentlich nur gegen Freibeuter armiert waren. Chabaud-Arnault (siehe Quellenverzeichnis) gibt 50 Linienschiffe an, von denen jedoch nur etwa die[58] Hälfte brauchbar gewesen sei. Beiden Angaben entspricht der Umstand, daß nach der Schilderung der kriegerischen Ereignisse 20 bis höchstens 30 Linienschiffe gleichzeitig tätig waren. Die spanischen Seeoffiziere bewiesen sich tapfer, aber als Seeleute vielfach unfähig; die Mannschaften wurden aus allen Berufsarten gepreßt, schlecht gekleidet, verpflegt und bezahlt. Die Werften waren wenig leistungsfähig.

Die Schiffsverluste betrugen: 17 Linienschiffe und 5 Fregatten; die spanische Marine stand mithin beim Schluß des Krieges noch weit schwächer da als die französische.

England. Die völlige Vernachlässigung der französischen Marine von 1714 an wirkte dahin, daß man auch in England den Werften, der Erhaltung und dem Neubau der Schiffe nicht die bisherige Sorge zuwandte. Aber immerhin betrug 1739 der Bestand in Dienst gestellter oder zu Indienststellung bereiter Schiffe: 2 zu 100 Kanonen, 3 zu 90, 11 zu 80, 16 zu 70, 44 zu 50–60 Kanonen; also 81 Linienschiffe. Dazu traten 35 Fregatten zu 30–44 Kanonen und eine Menge kleinerer Fahrzeuge. Im ganzen waren 140 Schiffe mit mehr als je 20 Kanonen vorhanden. Die Hilfsmittel des Landes machten es leicht, die Flotte zu verstärken; schon 1744, beim Ausbruch des Krieges mit Frankreich, waren 90 Linienschiffe und 84 Fregatten mit mehr als 20 Kanonen bereit.

Der Verlust im Kriege betrug: 13 Linienschiffe (nur zwei vom Feinde genommen), 10 Schiffe zu 20–44 Kanonen (2 davon genommen), 24 kleinere (4 genommen). Aber obgleich auch noch während des Krieges eine große Zahl von Schiffen als abgenutzt ausgemerzt wurde, war infolge von Neubau und Einstellung genommener Schiffe der Schiffsbestand um 1748 gewachsen auf: 4 Schiffe zu 100 Kanonen, 10 zu 90, 18 zu 80, 24 zu 70, 6 zu 64, 33 zu 60, 36 zu 50 Kanonen; also 131 Linienschiffe. Weiter waren vorhanden: 42 Fregatten zu 44 und 84 zu 20–36 Kanonen und eine Menge kleiner Fahrzeuge; insgesamt zählte die Marine 313 Segel.

Die Fregatten mit 30–36 Kanonen waren sämtlich dem Feinde abgenommen worden; England selber hatte also noch keine „eigentliche Fregatte“ gebaut. Bemerkenswert ist ferner das Anwachsen der Zahl der Schiffe zwischen 20 und 44 Kanonen. Es war dies die Folge einer Denkschrift des alten Admirals Sir John Norris (siehe Band I), die auf den Mangel an Schiffen zum Schutz des Seehandels hinwies, als dieser große Verluste durch Freibeuter und Kreuzer erlitt, obgleich Englands „Flotten“ die See beherrschten.

Hieraus ergibt sich die große Übermacht Englands Frankreich und Spanien gegenüber schon um 1744; Spaniens Marine allein war in dem Kriege 1739–1744 der englischen gegenüber kaum zu rechnen und hatte bis 1777 schon mehrere Linienschiffe verloren (bei Cartagena, 1771, 6 sowie einige in Einzelgefechten beim kleinen Kriege in den europäischen Gewässern). Die französischen Schiffe und auch die neueren spanischen waren zwar teilweise den englischen der gleichen Klasse an Stärke der Armierung (Kaliber) überlegen, aber dafür war das englische Personal, wie erwähnt (Kapitel II),[59] tüchtiger. Augenfällig aber ist das Überwiegen Englands gegen Ende des Krieges. Die Verbündeten hatten zusammen 38 Linienschiffe verloren und konnten trotz einiger Neubauten den 131 Schlachtschiffen der Engländer kaum über 50 entgegenstellen.

Troude (Teil I, Seite 323) beziffert den französischen Verlust auf nur 18 Linienschiffe; er hat vielleicht die Schiffe der indischen Kompagnie nicht mitgerechnet, denn Lacour-Gayet, eine neuere Quelle, gibt wie Charnock 22 an. — Chabaud-Arnault schreibt, 1747 seien 50 Linienschiffe vorhanden gewesen, davon neun im Bau. Wenn Frankreich auch wirklich zehn mehr gehabt hat, als Charnock angibt, so bleibt doch immer die große Übermacht Englands zu Ende des Krieges bestehen; übrigens führt auch hier Lacour nur 40 an, einschließlich zehn im Bau.

Holland[41]. Der völlige Verfall der Marine von 1713–1740 ist bereits erwähnt (Band I, Seite 500). Der Schiffsbestand um 1741 betrug 1 Schiff zu 90 Kanonen (42 Jahre alt), 5 zu 72 (3 davon zwischen 1715 und 1719 erbaut), 8 zu 64 (davon 2 unbrauchbar, 2 im Bau), 15 zu 52–58, 13 zu 44, 1 zu 36, 6 zu 22, 2 zu 12–16 Kanonen. Weit über die Hälfte gehörten zur Admiralität Amsterdam. Es hielt schwer, Mannschaften, besonders Unteroffiziere, zu erhalten; die Schiffe waren schlecht im Stande, die Offiziere ungeübt und überaltert. Während des Krieges wurden 12 Linienschiffe und 5 leichte Fregatten gebaut, aber eine wesentliche Unterstützung konnte die holländische Marine der englischen zu keiner Zeit bieten. 1744 verlangte England auf Grund des seit langen Jahren bestehenden Vertrages die Gestellung von 15 Linienschiffen und 5 schweren Fregatten; doch war dies nur mühsam zu bewirken und auch nicht während des ganzen Krieges durchzuführen. Der jüngste und tüchtigste Admiral jener Zeit urteilt, daß die Schiffe von ihrer ungeübten Besatzung schlecht bedient, daß die Kommandanten und Offiziere, ja selbst der Flottenchef, ohne jede Erfahrung in Flottenmanövern seien.

Der Verlauf des Seekrieges[42].

Der Krieg in Westindien 1739–1744.

Ende Oktober 1739 erklärte England den Krieg an Spanien. Schon im Sommer hatte man mit der Mobilmachung begonnen, Mannschaften eingezogen, Schiffe in Dienst gestellt, die auswärtigen Stationen verstärkt und Kaperbriefe ausgegeben. Das Hauptaugenmerk richtete man auf die spanisch-amerikanischen Kolonien; hier war Spanien am leichtesten zu verwunden, hier[60] hoffte man auf reiche Beute. Man sendete eine Expedition nach Westindien und eine nach dem Stillen Ozean; die letzte unter Kapitän George Anson ging jedoch erst im Herbst 1740 ab, dagegen segelte der Vizeadmiral Edward Vernon schon am 24. Juli 1739 nach Westindien.

Vernon, geboren 1684 und seit 1706 Kapitän, stand in dem Rufe, die Verhältnisse in Westindien, besonders die Schwächen der Spanier, genau zu kennen, da er mehrere Jahre ein Schiff dort geführt hatte. Im Parlament erklärte er wiederholt, er würde imstande sein, Puerto Belo mit sechs Schiffen zu nehmen. Da er nun sehr populär, anderseits aber durch Ausfälle gegen die Regierung dieser unbequem war, gab man ihm jetzt das Kommando, um ihn für einige Zeit loszuwerden. Mit Überspringung des Kontreadmiralgrades wurde er Vizeadmiral und führte mehrere Jahre das Oberkommando in Westindien; nach England zurückgekehrt, wurde er 1745 Admiral und Chef eines Geschwaders im Kanal. In dieser Stellung protestierte er in schroffer Weise gegen Verfügungen der Admiralität und veröffentlichte auch gehässige Artikel über die Leitung der Marine. Obgleich er sonst ein tüchtiger und eifriger Offizier war, wurde er 1746 von der Liste der Flaggoffiziere gestrichen. Er starb 1757.

Ihm unterstanden neun Schiffe, von denen jedoch vier an der spanischen Küste abgezweigt wurden, um zurückerwarteten spanischen Silberschiffen aufzulauern. Am 23. Oktober erreichte Vernon Jamaika und übernahm das Kommando der Station. Auf die Nachricht hin, daß in Puerto Belo — dem Ausgangshafen der Silberflotte, auf der Landenge von Panama gelegen — die Bergwerksausbeute des letzten Jahres bereits von Panama zur Einschiffung eingetroffen sei, segelte er am 5. November mit sechs Schiffen — 2 zu 70 Kanonen; 3 zu 60; 1 zu 50 — und 200 Soldaten dahin ab. In der Nacht vom 20. auf 21. November ankerte das Geschwader vor der Bucht von Puerto Belo und nahm die Stadt am 22.

Die Einnahme von Puerto Belo Im November 1739. Die Stadt liegt an der Südostecke einer kleinen Bucht, die westöstlich läuft, gleichmäßig etwa zwei Seemeilen lang und eine Seemeile breit ist. Die Einfahrt wurde beherrscht durch ein Fort auf der Nordostecke, die Stadt selber schützten zwei Forts; die Befestigungen waren ziemlich stark. Vernon beabsichtigte, sein Geschwader in Kiellinie in die Bucht segeln zu lassen; die ersten drei Schiffe sollten das äußere Fort unter Abgabe ihrer Breitseiten passieren und sich vor die Befestigungen der Stadt legen, die anderen drei Schiffe, auf deren erstem sich der Admiral befand, vor dem äußeren Fort ankern, alle ihre großen Boote, im Schlepp und mit Soldaten bemannt, zu einer Landung bereit halten. Am 21. morgens wehte jedoch östlicher Wind und der Plan konnte nicht genau durchgeführt werden, da die Schiffe in die Bucht aufkreuzen mußten. Um zwei Uhr nachmittags eröffneten die ersten drei Schiffe das Feuer auf das Fort an der Einfahrt, das anfangs lebhaft, aber bald schwächer antwortete. Der Admiral, der noch nicht ganz heran war, rief die Boote zu sich und gab den Befehl zum Landen. Dann trat das Flaggschiff in den Kampf ein, die Schützen in den Marsen vertrieben die Gegner aus den unteren Batterien des Forts, die Gelandeten drangen ein und waren bald Herren der ganzen Befestigung. Mittlerweile war es dunkel geworden, ohne daß die drei ersten Schiffe bis zur Stadt hatten gelangen können; sie waren nach Westen (aus der Bucht hinaus) getrieben und mußten vor Anker gehen. Auch die Schiffe des Admirals ankerten jetzt; das Flaggschiff und sein Hintermann wechselten während der Nacht mit den Stadtforts Schüsse, die jedoch nicht viel Schaden taten. Am 22. morgens gab Vernon Befehl an alle Schiffe, sich in der kommenden Nacht an Puerto Belo heranzuwarpen[43]. Dieser[61] neue Plan kam jedoch nicht zur Ausführung, weil sich die Stadt nach längeren Unterhandlungen noch an diesem Tage ergab. Der englische Verlust betrug nur sieben Tote und einige Verwundete. (Genaueres über diese Unternehmung vgl. Clowes Seite 55 und Colomb Seite 322.)

Die Garnison zog mit vollen militärischen Ehren ab; Schonung der Stadt und des Privateigentums wurde zugesichert. Im Hafen lagen nur einige kleine Fahrzeuge, aber die Engländer erbeuteten etwa 10000 Dollar Staatsgelder, die Vernon sofort an seine Leute verteilte; die Befestigungen wurden geschleift. Im Dezember ging das Geschwader nach Jamaika zurück. Der Erfolg erregte großen Jubel in England, und die Regierung beschloß, möglichst bald noch einige Schiffe, zwei Regimenter Infanterie, sechs neuaufgestellte Regimenter Seesoldaten nach Westindien zu senden, sowie auch 3000 Mann von den nordamerikanischen Kolonien dorthin zu ziehen, um Vernon weitere und größere Unternehmungen zu ermöglichen. Es verging jedoch das ganze Jahr 1740, bis diese Verstärkung eintraf. Vernon blieb auf die schwachen Kräfte angewiesen, die genau seiner Forderung im Parlament entsprachen; er kam dadurch fast in eine üble Lage.

Im Sommer 1740 versuchte eine Abteilung von wenigen Soldaten, unterstützt durch kleinere Schiffe der nordamerikanischen Station, von Südcarolina aus die spanische Stadt St. Augustine in Florida zu nehmen. Es wurden zwar zwei kleine Befestigungen am St. Johnsflusse besetzt und vor der genannten Stadt auf einer Insel Fuß gefaßt, aber das Unternehmen mußte doch aus Mangel an Streitkräften aufgegeben werden.

Spanien scheint 1739 keine Seestreitkräfte von Bedeutung in Westindien gehabt zu haben; was dort war, geleitete unter Admiral Pizarro die Silberflotte dieses Jahres wohlbehalten heim. 1740 aber traf man Vorbereitungen, die Kolonien zu schützen, und rief Frankreich, gemäß dem bestehenden Vertrage, um Unterstützung an; der Kardinal Fleury sah sich trotz seiner Friedensliebe durch die öffentliche Meinung gezwungen, diesem Anspruch zu willfahren. Im Juli 1740 verließ ein starkes spanisches Geschwader (wahrscheinlich 12 Linienschiffe) mit den Galeonen, die jährlich nach Amerika zum Abholen der Silberschätze segelten, unter Admiral de Torres Cadiz; es lief zunächst Ferrol an, traf im September in Portoriko ein, besserte dort längere Zeit seine durch Sturm beschädigten Schiffe aus, landete dann Truppen in Cartagena, ließ hier sechs Schiffe unter Don Blas de Leso und ging endlich nach Havanna.

Frankreich sandte am 25. August von Toulon den Chef d'Escadre de la Rochalart mit 12 Linienschiffen und 3 Fregatten nach Westindien ab (im Oktober in Martinique); ihm folgte am 1. September von Brest der Vizeadmiral des Atlantik d'Antin mit 14 Linienschiffen und 5 Fregatten. Von dem ersten Geschwader wurden in Gibraltar 4 Schiffe zurückgerufen, auch das zweite zweigte einige Schiffe zum Kreuzen an der spanischen Küste ab, von denen jedoch ein Teil bald wieder nachkam; die Vereinigung beider Geschwader fand im Dezember in St. Domingo statt, wo nun im Januar 1741 d'Antin über etwa 22 Linienschiffe verfügte. Die französisch-spanischen[62] Streitkräfte in den westindischen Gewässern waren mithin außerordentlich stark, gegen 40 Linienschiffe.

Die Berichte über die Stärke und Bewegungen der französischen und spanischen Geschwader lauten unbestimmt. Einige führen ausdrücklich an, daß d'Antin die Spanier von Ferrol aus begleitet habe; dies stimmt aber nicht mit den Ankunftszeiten in Westindien, doch könnten sie durch einen Sturm, den auch die Franzosen erwähnen, getrennt sein. — Aus anderen Angaben muß man ferner schließen, daß außer de Torres noch ein spanisches Geschwader von Cadiz direkt nach Cartagena gegangen ist (5–6 Linienschiffe), und wir finden auch später sechs Linienschiffe in diesem Hafen und 12 in Havanna.

Vernon nahm nach Instandsetzung der Schiffe in Jamaika seine Tätigkeit wieder auf. Er beschoß im März 1740 aus Mörserbooten Cartagena, allerdings mit nur wenig Erfolg, aber dann auch Chagres (Landenge von Panama) und diese Stadt ergab sich; eine Beute von über 70000 Pfund Sterling fiel den Engländern in die Hände, die Befestigungen wurden geschleift. Im Juni machte er von Jamaika aus vergeblich den Versuch, ein spanisches Geschwader von 5 Schiffen (das eben erwähnte zweite Geschwader von Cadiz?) abzufangen, wurde aber durch Mangel an Vorräten aller Art festgehalten. Diese trafen zwar, von 2 Linienschiffen begleitet, im September ein, zugleich mit Truppen aus Nordamerika, aber der Admiral fühlte sich jetzt zu schwach, ohne die zugesagte große Verstärkung etwas zu unternehmen, nachdem er die Ankunft des spanischen Geschwaders (de Torres) in Cartagena und die des französischen (Rochalart) in Martinique erfahren hatte.

Die große Verstärkung hatte England im August verlassen, wurde aber durch Sturm zurückgetrieben und dann zurückgehalten, weil sie den nach Westindien entsandten französischen und spanischen Geschwadern gegenüber zu schwach an Linienschiffen erschien. Erst Anfang Oktober lief sie unter Kontreadmiral Sir Chaloner Ogle aus. Sie bestand aus 1 Schiff zu 80 Kanonen, 20 Linienschiffen der dritten Klasse, 4 der vierten Klasse, einigen Fregatten, Brandern und Mörserbooten; auf Transportern waren 9000 Soldaten (die erwähnten 8 Regimenter Infanterie und Seesoldaten, sowie technische Truppen) eingeschifft. Der Chef der Truppen, General Lord Cathart, ein sehr tüchtiger Offizier, starb leider auf der Ausreise zu Dominica, im Dezember; sein Nachfolger General Thomas Wentworth konnte ihn nicht ersetzen. Am 20. Januar 1741 traf die Flotte in Jamaika ein; eine derartig starke englische Macht war noch nie in Westindien aufgetreten, sie hätte sehr viel ausrichten können. Laird Clowes führt den Ausspruch eines älteren englischen Schriftstellers an: „Vernons Hände waren nicht gebunden, wie die der Admirale in den europäischen Gewässern. Wäre er sofort gegen Havanna vorgegangen, so würde er die Stadt vor der Orkanzeit genommen haben. Seine Instruktionen wiesen stark darauf hin, und seine Freunde in England rieten sehr dazu. Es wäre besser gewesen, wenn er strikte Befehle in dieser Hinsicht gehabt hätte.“ Von den Franzosen drohte ihm in der Tat keine Gefahr mehr. Der Verlust Havannas wäre ein großer Schlag für Spanien gewesen, aber die englischen Führer wählten einen anderen Platz zum Angriff.

[63]

Auf der Fahrt Ogles von Dominica nach Jamaika ereignete sich ein Zusammenstoß zwischen Engländern und Franzosen. Auf der Höhe von Kap Tiburon (Westende von Haiti) sichtete die englische Flotte am 18. Januar 1741 vier große Schiffe; Ogle sandte sechs Linienschiffe zur Erkundung ab. Die Fremden heißten ihre Flagge, aber die Engländer argwöhnten, es seien Spanier, und gingen näher heran. Auf Anruf (um zehn Uhr abends) in englischer, dann in französischer Sprache erfolgte keine Antwort; nun griffen die sechs Engländer, weit schwerere Schiffe, die vier Franzosen an und es wurde mehrere Stunden scharf gefochten. Am andern Morgen entschuldigten die Engländer das Vorgehen mit dem Ausbleiben der Antwort auf ihren Anruf; die Franzosen behaupteten aber, Auskunft erteilt zu haben. — Ein ganz ähnlicher Fall trug sich in demselben Jahre in der Straße von Gibraltar zu. Vier Engländer stießen auf drei Schiffe, die auf Anruf antworteten, sie seien Franzosen, die aus Westindien zurückkämen. Als die Engländer ein Boot absandten, um sich davon zu überzeugen, wurde das Anbordkommen nicht erlaubt; auch hier folgte ein scharfes Gefecht von einigen Stunden[44].

Man kann über derartige Fälle kaum erstaunt sein. Bei der Haltung Frankreichs im allgemeinen waren die englischen Offiziere gewiß nicht geneigt, große Rücksicht auf die französischen Schiffe zu nehmen; die Franzosen ihrerseits waren sicherlich berechtigt, barsche Anforderungen zurückzuweisen.

Die Anwesenheit der großen französischen Flotte in Westindien hatte für Spanien nur den Nutzen, daß Vernon weder gegen die spanischen Kolonien noch gegen de Torres etwas unternahm, bis die große Unterstützung eintraf. Die französischen Quellen behaupten, daß d'Antin zwar den Befehl gehabt habe, die nach Westindien segelnden Schiffe und die Besitzungen der Spanier zu decken, aber nur zu fechten, wenn er selber angegriffen würde.

Englische Schriftsteller behaupten, der französische Admiral habe sich allein durch den Zustand seiner Schiffe zur Untätigkeit gezwungen gesehen; diese seien schlecht ausgerüstet und durch stürmisches Wetter auf der Fahrt von Europa sowie später von Martinique nach Haiti sehr beschädigt gewesen. d'Antin habe außerdem Rückberufungsbefehl erhalten, als der Österreichische Erbfolgekrieg drohte; Fleury hätte den Bruch mit England vermeiden wollen, das ja noch zwischen den Parteien schwankte. Diese Auffassung scheint richtig zu sein; auch die französischen Quellen heben den schlechten Zustand der Schiffe hervor, auf denen außerdem das gelbe Fieber herrschte, und sprechen mit Bedauern aus, Fleury habe bald nur noch dem bevorstehenden Landkriege Aufmerksamkeit geschenkt. Schließlich hätte ja auch der französische Admiral triftigen Grund gehabt, angriffsweise vorzugehen; hatten doch die Engländer am Kap Tiburon die Feindseligkeiten eröffnet und auch sonst französische Schiffe aufgebracht. Tatsächlich segelte d'Antin am 7. Februar 1741 von Haiti nach Frankreich ab und ließ nur 6 Linienschiffe unter Comte de Roquefeuil in Westindien zurück; er sah seine Aufgabe als gelöst an und war auch wohl von der bevorstehenden Ankunft der großen englischen Flotte unterrichtet.

[64]

Admiral Vernon scheint noch keine bestimmten Pläne gehabt zu haben, als Ogle zu ihm stieß; er hat wahrscheinlich solche mit dem Lord Cathart[ beraten wollen. Gegen Wentworth faßte er von vornherein ein ungerechtes Vorurteil, denn dieser war zwar nicht so fähig wie Cathart, aber doch von bestem Willen beseelt. In einem Kriegsrate wurde beschlossen, zunächst nach Haiti aufzukreuzen, um die Franzosen zu beobachten. Viele englische Kritiker sehen hierin einen großen Fehler: „In drei Tagen hätte man von Jamaika das unter dem Winde liegende Havanna erreichen können!“ Hiergegen erhebt Colomb mit Recht Einwendungen. In Cartagena befanden sich 6, in Havanna 12 spanische Linienschiffe, bei Haiti 22 französische. Vernon verfügte über 29 Linienschiffe, war also nicht imstande, die feindlichen Seestreitkräfte zu beobachten oder gar in Schach zu halten und gleichzeitig Havanna anzugreifen; von dem schlechten Zustande der französischen Schiffe sowie von der Absicht d'Antins, abzusegeln, wußte er nichts. So ging denn die englische Expedition Ende Januar von Jamaika in See. Am 8. Februar wurde dem Admiral beim Kap Tiburon durch einen Kreuzer gemeldet, die französische Flotte läge noch bei Aux Cayes — dies war ein infolge Nebels entstandener Irrtum —, aber am 12. überzeugte man sich von der Abfahrt d'Antins.

Nun ward auf Vernons Vorschlag im Kriegsrat ein Angriff auf Cartagena beschlossen. (Warum jetzt nicht auf Havanna? Sämtliche englische Quellen schweigen hierüber, obgleich sie sich bis dahin mit diesem Plane beschäftigen.) Mit Erlaubnis der französischen Behörden wurde auf Haiti Wasser und Brennholz genommen und ein Linienschiff nebst kleineren Fahrzeugen nach Cartagena gesandt, um einen Ankerplatz für die Flotte zu suchen; diese folgte am 25. Februar, ankerte am 4. März in einer Bucht westlich von der bedrohten Stadt und begann am 9. die Berennung. Das Schicksal Cartagenas mußte nach den Erfolgen gegen Puerto Belo im Vorjahre bei der großen Macht, die jetzt zur Verfügung stand, von vornherein als besiegelt angesehen werden, aber trotz eines anfänglich guten Verlaufes wurde das Unternehmen durch Mißhelligkeiten zwischen den Führern der Land- und Seestreitkräfte, sowie auch infolge von Mißgriffen beider zu einem verlustreichen Fehlschlag.

Der Angriff auf Cartagena, März–April 1741[45]. Die Stadt war stark befestigt und nur zu nehmen, ja nur wirksam zu beschießen, wenn die Befestigungen niedergekämpft waren (siehe Plan). Flaches Wasser bis auf etwa drei Seemeilen, sowie der Mangel an jeglichem Schutz gegen nördliche und westliche Winde hinderten eine genügende Annäherung unmittelbar von See aus; da die Boca grande für größere Schiffe zu flach ist, mußte man durch die Boca chica einlaufen, die aber nur je einem Schiffe den Durchgang gestattete. Diese Einfahrt wurde beherrscht durch das Fort Luis (82 Kanonen und drei Mörser) nebst den Außenwerken Felipe (acht Kanonen), Jago (15 Kanonen) und de Chamba (vier Kanonen), ferner durch die Faschinenbatterie La Baradera (15 Kanonen) mit einer kleineren (4 Kanonen) und durch das Fort José (21 Kanonen) auf einer kleinen Insel. Von Luis nach José war eine Balkensperre gelegt und hinter dieser vier Linienschiffe (Geschwader Don Blas de Leso) mit den[65] Breitseiten nach See zu verankert. — Bei dem Eingang in den inneren Hafen lagen die starke Befestigung Castillo Grande (vier Bastionen mit 59 Kanonen) und die Batterie Mancinilla (12 Kanonen); in dieser Einfahrt befindet sich eine flache Stelle, an deren beiden Seiten große Schiffe versenkt waren. — Die Stadt selber, auf zwei Inseln gelegen und mit Wällen (300 Kanonen) umgeben, wurde gedeckt durch das etwa 20 m hoch gelegene Fort Lazare, das allerdings von einem unbefestigten Hügel eingesehen werden konnte. — Die Garnison zählte 4000 spanische Soldaten nebst einer größeren Zahl von Negern und Indianern.

see caption

A. Fort Luis nebst Aussenforts. B. Baradera.
C. José. D. Castillo Grande. E. Mancinilla.
F. Lazare.

Cartagena.

Die englische Streitmacht bestand aus 29 Linienschiffen — 8 zu 80, 5 zu 70, 14 zu 60, 2 zu 50 Kanonen —, 11 Schiffen zu 20 Kanonen und kleineren Fahrzeugen, 9 Brandern und Mörserbooten sowie vielen Transportern; insgesamt 124 Segel mit einer Besatzung von 15000 Mann und 12000 Soldaten. Auf dem Ankerplatz in der benachbarten Bucht angelangt, ordnete Vernon für die leichteren Fahrzeuge Bewegungen an, die auf eine Landung schließen ließen, so daß die Spanier Truppen aus der Stadt dorthin zogen und Schanzen aufwarfen. Bis zum 9. März unternahmen die Engländer nichts; die Gegner konnten ungestört ihre Verteidigungsmaßregeln ausführen: die Sperre ziehen, die Linienschiffe postieren, Schiffe versenken, die Batterien fertig armieren u. dgl. Frühmorgens am genannten Tage setzte sich die englische Flotte in Bewegung. Eine Division — zehn Linienschiffe und sechs kleinere Fahrzeuge unter Sir Chaloner Ogle — war für den Angriff auf die Außenforts von Luis bestimmt; durch Erkundungen war festgestellt, daß man vor diesen auf Pistolenschußweite ankern konnte, ohne dem Feuer des Hauptforts und der Befestigungen der Boca chica ausgesetzt zu sein. Dieser Division folgte die zweite — Vernon mit zehn Linienschiffen, zehn kleineren Fahrzeugen und den Transportern voll Soldaten. Der Rest der Flotte blieb unter Kommodore Lestock vorläufig vor Anker, um den Anschein einer beabsichtigten Landung hier aufrecht zu erhalten.

Vier der schwersten Schiffe Ogles ankerten vor den Werken und brachten diese bald zum Schweigen; Landungsabteilungen besetzten sie. Der Verlust der Engländer war sehr gering; nur ein Schiff, dem das Ankertau durchschossen war und das nicht schnell genug einen zweiten Anker fallen ließ, trieb vor die Einfahrt und litt beträchtlich durch das Feuer der dortigen Befestigungen. Im Laufe des 9. und 10. März landete General Wentworth mit dem größten Teil der Soldaten, Geschützen und Belagerungsmaterial auf der Insel Tierra Bomba, dann wurde ein Lager aufgeschlagen und zwei Batterien — eine Mörser- und eine Batterie 24-Pfünder Schiffsgeschütze — gegen Luis gebaut. Schon am 9. abends begannen die Mörserboote das Fort zu beschießen, am 13. griff auch die Mörserbatterie ein. Jetzt aber traten die ersten Mißhelligkeiten zwischen den beiden Führern auf; Vernon beklagte sich über zu langsames Fortschreiten der Unternehmung am Lande, der General über mangelhafte Unterstützung durch die Flotte. Am Lande brachen bald nach der Ausschiffung infolge ungünstiger Bodenverhältnisse und schlechter Verpflegung Krankheiten aus, wodurch die Tätigkeit der Gelandeten gelähmt wurde. Die Flotte war reichlich mit Wasser und frischem Fleisch versehen, auch versorgte sie sich mit Schildkröten, vernachlässigte aber die Truppen. Vernon ließ am 19. durch eine Landungsabteilung die Batterie Baradera im Rücken angreifen und erstürmen, weil sie das Lager unter Feuer nehmen konnte, die Kanonenbatterie gegen Luis wurde aber trotzdem und obgleich der Admiral 500 Seeleute zur Mitarbeit stellte, erst am 21. fertig. Vernons Ungeduld war[66] berechtigt, denn die stürmische Jahreszeit rückte heran, der Ankerplatz war völlig ungeschützt, der Grund felsig, so daß die Ankertaue häufig durchgescheuert wurden; auch war die Nachricht eingelaufen, de Torres beabsichtige mit dem Havannageschwader, verstärkt durch das französische (Comte de Roquefeuil), zum Entsatz heranzukommen. Er ließ daher, nachdem die Landbatterien am 21. und 22. einen heftigen Kampf mit Luis geführt hatten, am 23. sechs Linienschiffe — mehr konnten nicht zur Verwendung kommen — das Feuer gegen Luis, José und gegen die Schiffe hinter der Sperre aufnehmen. Drei von diesen litten schwer und auch die übrigen wurden am 24. zurückgezogen.

Aber am Lande war Bresche gelegt und Luis wurde am 25. leicht gestürmt. Vernon hatte zur Ablenkung des Feindes eine Abteilung bei Baradera landen lassen; als ihr Führer sah, daß die Spanier nach dem Fall des Forts den Eindruck von Ratlosigkeit machten und sich anschickten, die Schiffe hinter der Sperre zu versenken oder zu verbrennen, ging er auf eigene Faust mit den Booten weiter, stürmte ohne Schwierigkeit José, sprengte die Sperre und nahm eins der Schiffe; den Spaniern gelang es, die andern zu vernichten. Vom 26. bis 30. März lief dann die ganze englische Flotte in den sichern äußern Hafen ein. Der Feind versenkte seine beiden letzten Linienschiffe im Eingang zum inneren Hafen, sprengte Fort Mancinilla auf und räumte auch Castillo Grande, das am 31. von den Engländern besetzt wurde.

So lagen zwischen dem Angreifer und der Stadt nur noch die versenkten Schiffe und das Fort Lazare; völliger Erfolg schien gesichert, wenn man sofort kräftig weiter nachstieß. Aber es kam anders. Die gelandeten Truppen hatten durch Krankheit sehr gelitten; schon am 25. März zählte man 500 Tote und 1500 Kranke. Wentworth stand von jetzt an, gereizt durch die Vernachlässigung und durch das abstoßende und herrische Wesen Vernons, dem Admiral mürrisch und ablehnend gegenüber; dieser aber ließ im weiteren Verlauf der Unternehmung gleichfalls seinen bisherigen, oft wagehalsigen Schneid vermissen.

So mangelte überall die Tatkraft und die Zeit ging verloren. Am 1. und 2. April eröffneten zwar die Mörserboote vom inneren Hafen aus sowie die Geschütze des Castillo Grande das Feuer auf die Stadt, und am 3. gingen auch größere Schiffe durch die Enge, um eine Landung decken zu können, aber erst am 5. und 6. wurde diese durch 5000 Mann der von Tierra Bomba wieder eingeschifften Truppen ausgeführt, wahrscheinlich innerhalb des Forts Mancinilla. Die Gelandeten lagerten auf einer Ebene etwa eine Seemeile von Lazare entfernt. Die Landoffiziere hielten den Bau einer Batterie für notwendig, und der General bat, die Beschießung auch mit den Mörserbooten und einem Linienschiffe aufzunehmen. Der Admiral erklärte, bei der geringen Wassertiefe sei es nicht möglich, Schiffe nahe genug zur wirksamen Beschießung heranzubringen (was nach den jetzigen Karten nicht zutrifft), man könne das schwache Werk überhaupt mit Sturm nehmen.

Es scheint, als ob Vernon der Ansicht war, die Truppen müßten jetzt alles tun, während die Landoffiziere wohl mit Recht auf einen raschen Erfolg nur bei Unterstützung durch die Flotte rechneten. Man verlor drei Tage, in denen die Krankheiten unter den Soldaten, die ohne Zelte und Gepäck sowie wiederum auf ungesundem Boden und fast ohne Wasser lagerten, reißend zunahmen, während die Spanier Zeit gewannen, sich von ihrer Bestürzung zu erholen und ihre Verteidigungsmittel zu verstärken; an die Ausnutzung des Hügels, der das Fort überhöhte, scheint man englischerseits nicht gedacht zu haben. Gereizt durch höhnische Vorwürfe des Admirals, ließ Wentworth endlich, gegen die Ansicht der meisten seiner Offiziere, am 9. April vor Tagesanbruch stürmen. Der Angriff wurde trotz großer Tapferkeit mit einem Verluste von 179 Toten, 459 Verwundeten und 16 Gefangenen zurückgeschlagen; es war ein ungeeigneter Punkt zum Angriff gewählt, die Offiziere waren ungenügend instruiert, die Sturmleitern erwiesen sich als zu kurz.

Nach diesem Mißerfolg ging alle Tatkraft verloren. Erneuten Bitten der Landoffiziere um Unterstützung durch die Schiffe gegenüber verhielt sich Vernon taub[67] und stumm. In einem stürmisch verlaufenden Kriegsrat beider Waffen am 14. April wurde dann die sofortige Einschiffung der Truppen beschlossen, von denen nur noch 3500 Mann dienstfähig waren; sie erfolgte am 15. und 16. Am 16. ließ Vernon noch durch das spanische Schiff, das in der Boca chica genommen und zu einer schwimmenden Batterie hergerichtet war, die Stadt beschießen; es wurde jedoch derartig beschädigt, daß es beim Zurückgehen sank. Vielleicht sah sich der Admiral hierzu veranlaßt, um dem General die Unmöglichkeit eines wirksamen Eingreifens mit den Schiffen zu beweisen. Nach der Desarmierung und Zerstörung der genommenen Werke wurden die Truppen eingeschifft und die Flotte segelte ab.

Nur sechs spanische Linienschiffe und einige Werke hatte man zerstört, während bei richtiger Verwendung der vereinten starken Streitkräfte Cartagena hätte genommen werden müssen — nach dem übereinstimmenden Urteil der besten englischen Quellen; diese heben ferner hervor, es sei nicht zu verstehen — und auch scheinbar jetzt nicht mehr aufzuklären —, weshalb man zunächst die Landung nur gegen einen Teil der Befestigung gerichtet habe und dann nach den Erfolgen nicht tatkräftiger vorgegangen sei, und weshalb die Flotte nicht größere Anstrengungen gemacht habe. Vielleicht ist Vernon durch die Anwesenheit des spanischen und französischen Geschwaders in Westindien bestimmt worden, seine Schiffe nicht zu sehr einzusetzen.

Am 19. Mai 1741 traf die Flotte wieder in Jamaika ein. Hier wurden 11 Linienschiffe, darunter 7 zu 80 Kanonen, mit einem großen Konvoi von Kauffahrern nach England zurückgesandt. Vernon behielt mithin 18 Linienschiffe, und Wentworth hatte an Truppen nur noch 3000 Mann nebst 1000 in Jamaika ausgehobenen Negern. Trotzdem wurde der Beschluß zu einem Angriff auf Santiago de Cuba gefaßt. Der Gouverneur von Jamaika hatte eine Expedition über den Isthmus von Panama vorgeschlagen, die englische Regierung hätte den Angriff auf Havanna am liebsten gesehen, jedoch sowohl die Seeoffiziere wie auch Wentworth hielten Santiago für den geeignetsten Angriffspunkt, wohl weil dessen Landbefestigungen nur schwach waren.

Absicht der Regierung war es sicher, Kuba zu erobern und festzuhalten. Man hatte schon Kolonisten Nordamerikas zur Übersiedlung dorthin aufgefordert, und auch der Umstand spricht dafür, daß Vernon der Bucht, in der er landete, ihren alten Namen „Cumberland harbour“ wiedergab. Um so auffallender ist es, daß die Führer ihren Stoß nicht auf Havanna richteten; diese Stadt war damals noch mehr als jetzt das Herz der Insel, Santiagos kommerzielle und strategische Bedeutung dagegen noch gering. Bei dem nur verfügbaren schwachen Landungskorps scheint man Havanna, wo auch 12 spanische Schiffe lagen, für zu stark gehalten zu haben; man wollte wohl zunächst nur auf Kuba festen Fuß fassen und Truppenverstärkungen abwarten, deren Ankunft in Aussicht stand.

Admiral Vernon ließ 6 Linienschiffe zum Schutz Jamaikas zurück; mit 11 sowie 12 kleineren Fahrzeugen und 40 Transportern, die 3400 Soldaten führten, segelte er am 30. Juni nach Kuba; 3 noch mit Ausbesserungen beschäftigte Linienschiffe sollten nachkommen. Am 13. Juli ankerte die Flotte in der geräumigen und sicheren Bucht von Guantanamo, etwa 40 Seemeilen östlich von Santiago; von hier aus sollte zu Lande gegen diese Stadt vorgegangen werden, da ein Angriff von See aussichtslos erschien.

[68]

Die Einfahrt von Santiago de Cuba war eng, befestigt und durch eine Floßsperre geschlossen. Vor allem aber traten an einzelnen Stellen häufig Wirbelwinde auf, so daß man wahrscheinlich genötigt gewesen wäre, ein Schiff nach dem andern unter dem Feuer der (allerdings nicht sehr starken) Befestigungen durch die Einfahrt hindurchzuwarpen.

Dann wurden 6 Linienschiffe in eine Verteidigungsstellung am Eingang der Bucht zum Schutz der Transporter gelegt, 5 abgezweigt, um Santiago zu blockieren, und einige kleine Fahrzeuge zur Beobachtung des spanischen Havanna-Geschwaders entsandt. Man hat diesen 12 spanischen Schiffen gegenüber das ganze Unternehmen, insbesondere die Teilung der englischen Streitkräfte, als gewagt bezeichnet, jedoch war die Gefahr, der sich Vernon aussetzte, nicht bedeutend. Beabsichtigte de Torres während der Abwesenheit Vernons Jamaika anzugreifen, so konnte dieser leicht dorthin zurückkehren, weil Santiago über dem Winde von Jamaika liegt. Kam die spanische Flotte heran, um der Kubaexpedition entgegenzutreten, so waren bei gleicher numerischer Stärke die Engländer wohl sicher den Spaniern überlegen; überrascht konnten sie nicht werden, weil die Gegner gegen den Wind aufkreuzen mußten und die englischen Schiffe hier auch nicht, wie z. B. im Hafen vor Cartagena, unbedingt an die Belagerung gefesselt waren. Eine Vereinigung der Spanier mit den Franzosen von Haiti her konnte gleichfalls verhindert werden.

Der Angriff auf Santiago hatte aber noch weniger Erfolg als der auf Cartagena. Die Landung ging zwar ohne jede Störung vor sich, auch zeigten sich keine nennenswerten spanischen Truppen zwischen dem Landungsplatze und der Stadt, aber dennoch drang man kaum halbwegs bis zu dieser vor. Obgleich der Admiral Unterstützung durch die Flotte zusagte, erklärte es der General in Übereinstimmung mit seinen Offizieren für unmöglich, weiter vorzugehen: das Gelände sei zu dicht bewaldet; die Wege seien für den Transport der Geschütze zu schlecht; die Leute litten zu sehr unter Krankheiten. Vernon erkundete nochmals persönlich Santiago; er sah aber die Unmöglichkeit ein, allein von See her etwas zu erreichen, und fand auch keine geeignete Landungsstelle in der Nähe der Stadt. So mußte er auch seinerseits das Unternehmen aufgeben. Ende November wurden die Truppen wieder eingeschifft und die Flotte segelte nach Jamaika zurück; an Krankheiten hatte die Expedition mehr Leute verloren, als wahrscheinlich ein rasches, tatkräftiges und darum erfolgreiches Vorgehen gekostet haben würde.

Inwieweit bei diesem Mißerfolge das schlechte Verhältnis zwischen den beiden Führern von Einfluß gewesen ist, läßt sich nicht ersehen. Vernon hatte schon nach Cartagena um seine Ablösung gebeten und wiederholte die Bitte jetzt unter lebhafter Beschuldigung Wentworths, der „wechselnder als der Mond sei“. Trotzdem ließ man beide im Kommando, tadelte sie nur in milder Weise und ermahnte sie zu besserem Einvernehmen.

Angriffe der Engländer 1742 und 1743. Auch in den beiden nächsten Jahren wurden noch einige ebenso erfolglose Angriffe auf Küstenstädte angesetzt; wir können uns darüber kurz fassen, weil sie kaum erwähnenswert[69] sind[46]. Im Januar 1742 gebot Wentworth durch Nachschub aus England wieder über etwa 3000 Mann; man plante jetzt eine Landung bei Puerto Belo, um von dort nach Panama vorzudringen. Die Uneinigkeit zwischen dem General und Vernon verzögerte die Ausführung, erst am 28. März traf die Expedition in Puerto Belo ein; die Stadt wurde zwar leicht besetzt, dann aber gab man das Unternehmen auf, weil die Landoffiziere es für unausführbar erklärten. Auch ein ehemaliger Filibustierführer, der als gut unterrichtet in den Verhältnissen mitgenommen war und der einige Hundert Mosquito-Indianer (vom jetzigen Britisch-Honduras, den Engländern wohlgesinnt) anwerben sollte, riet nach näherer Erkundung ab.

Nach diesem Fehlschlage wurden endlich Vernon und Wentworth abberufen, Vernon mit einem Teil der Truppen. Den Befehl auf der Station übernahm Admiral Ogle, dem auch die zurückgebliebenen Soldaten unterstellt wurden. Die einzigen Erfolge dieses Jahres waren die Inbesitznahme und Besiedlung der Insel Roatan in der Honduras-Bucht und die Abwehr eines Landungsversuchs der Spanier von Florida aus in Georgia. Im Februar 1743 sandte Ogle den Kapitän Knowles, der sich unter Vernon ausgezeichnet hatte und von diesem öfters mit wichtigen Aufträgen betraut war, mit 5 größeren Schiffen (50–70 Kanonen) und 5 kleineren gegen La Guayra. Die Vorbereitungen hatten jedoch lange gedauert, so daß die Spanier Zeit gewannen, ihre vernachlässigten Befestigungen zu verstärken. Der hohe Seegang unter der Küste hinderte sowohl ein nahes Herangehen der Schiffe wie auch eine Landung. Eine Beschießung am 18. Februar mußte abgebrochen werden; die Stadt und ihre Verteidiger hatten zwar sehr gelitten, aber auch die angreifenden Schiffe waren schwer beschädigt und büßten gegen 400 Tote und Verwundete ein.

Nachdem Knowles seine Schiffe in Curaçao ausgebessert hatte, wandte er sich gegen Puerto Cabello, das jedoch noch besser auf seinen Empfang vorbereitet war. Die Hafeneinfahrt war gesperrt und wurde durch ein starkes Fort beherrscht, zu dessen Unterstützung man noch zwei Behelfsbatterien erbaut hatte. Die Besatzung zählte 300 Soldaten, 1200 Seeleute von den im Hafen liegenden Schiffen sowie zahlreiche Neger und Indianer, insgesamt gegen 5500 Mann. Knowles erachtete die Behelfsbatterien für ungünstig angelegt und leicht zu nehmen, aber für geeignet zur Verwendung gegen das Fort; er beschloß, sie zunächst zu erobern. Sie wurden am 16. April beschossen, nachts landeten dann 400 Matrosen, 400 Seesoldaten und 400 Landsoldaten. Die eine Batterie wurde leicht gestürmt, als sie aber von den anderen Befestigungen Feuer erhielten, trat Verwirrung unter den Gelandeten ein. Die Abteilungen beschossen sich gegenseitig und gingen dann in wilder Flucht zu ihren Booten zurück. Bei einer Beschießung am 24. verbrauchte man fast die gesamte Munition, ohne die Befestigungen niederzukämpfen.[70] Ende des Monats segelte die Expedition nach Jamaika zurück. — Dies war das letzte derartige Unternehmen.

Von 1744 an, als Frankreich offen in den Krieg eintrat, verlor Westindien seine Bedeutung als größerer Kriegsschauplatz. Die Seestreitkräfte der Gegner hielten sich hier bis 1747 ungefähr die Wage und erst 1748 gewannen die Engländer das Übergewicht. (Vgl. „Der Krieg in den Kolonien. Westindien“.)

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George Lord Anson.

Der Kleine Krieg in Westindien. Infolge des Zusammenhaltens der englischen Seestreitkräfte zu den fruchtlosen Angriffen auf spanische Städte litt der englische Handel in den westindischen Gewässern sehr. Zwar brachten auch englische Kreuzer und Kaper manche spanischen Kauffahrer auf, aber bei dem umfangreicheren englischen Handel und der weit größeren Zahl der spanischen Freibeuter fiel die Bilanz im Kleinen Kriege doch zum Nachteil Englands aus.

Ansons[47] Zug 1740–1743, berühmt wegen der Ausdauer seines Führers unter den schwierigsten Verhältnissen. 1739 wurde beschlossen, die spanischen Kolonien auch vom Stillen Ozean her anzugreifen. Kapitän Anson sollte diese Expedition führen, doch lief sie, wohl infolge der rückständigen Verwaltung der Marine, erst am 18. September 1740 aus. Sie bestand aus dem Flaggschiff zu 60 („Centurion“), 2 Schiffen zu 50, 1 zu 40, 1 zu 28 Kanonen und einer Sloop; die Schiffe zu bemannen war so schwierig gewesen, daß auf 500 ältere Halbinvaliden zurückgegriffen werden mußte, die aber sämtlich auf der Reise starben. Das Geschwader hatte eine Reihe der schwersten Stürme abzuwettern, als es Kap Hoorn in der schlechtesten Jahreszeit umsegelte; es wurde zerstreut, das eine 50-Kanonenschiff und das 40-Kanonenschiff gingen nach[71] England zurück. Das Flaggschiff erreichte am 11. Juni 1741 die Insel Fernandez (Küste von Chile); es hatte 130 Kranke an Bord und schon 200 Mann begraben. Hier stieß der Rest der Schiffe in ähnlichem Zustande zu ihm, das 28-Kanonenschiff war jedoch an der chilenischen Küste gestrandet. Nachdem die Besatzungen sich erholt hatten, begann Anson vor den spanischen Kolonien zu kreuzen. Er machte verschiedene wertvolle Prisen und plünderte die Stadt Payta. Im Dezember erreichte er die Insel Coiba vor dem Golf von Panama. Seine Absicht war, den von Westindien ausgehenden Unternehmungen die Hand zu reichen, als er aber von deren Fehlschlagen die Nachricht erhielt, beschloß er, durch den Stillen Ozean zu segeln, um der Galeone, die jährlich zwischen Manila und Acapulco in Mexiko fuhr (daher oft „Acapulcoschiffe“ genannt), den Weg zu verlegen. Zunächst kreuzte er zu diesem Zwecke mit seinen zwei Kriegsschiffen — die Sloop war als seeuntüchtig aufgegeben — und drei seiner Prisen, die armiert worden waren, vor Acapulco.

Am 5. Mai 1742 setzte er den Kurs auf China, nachdem den Gefangenen die Prisen überlassen waren. Bald mußte er auch das letzte Schiff wegen Seeuntüchtigkeit verbrennen, und auf dem Flaggschiff brach der Skorbut aus, der viele Opfer forderte. Nach einer Erholungszeit auf den Ladronen erreichte Anson Macao, wo er überwinterte. Im Frühjahr 1743 nahm er dann das Kreuzen gegen die Galeone bei den Philippinen wieder auf, und es gelang ihm wirklich, diese am 20. Juli zu fangen. Nach anderthalbstündigem, hartnäckigem Kampfe wurde sie genommen und in ihr fast 1½ Millionen Dollar Wert an Münze sowie Silberbarren gefunden. Über China heimsegelnd, traf Anson am 15. Juni 1744 in Spithead ein. Der Zug hatte zwar keine militärischen Erfolge, rief aber Schrecken und Bestürzung in den spanischen Kolonien hervor; die Kenntnis der ostasiatischen Gewässer wurde durch ihn erweitert, weshalb man ihn mehr zu den Entdeckungsreisen rechnet. Hervorzuheben ist endlich, daß eine große Zahl der an ihm beteiligten Seeoffiziere sich später im Siebenjährigen Kriege hervorragend auszeichnete, wie es ihr Führer im Österreichischen Erbfolgekriege getan.

Der Krieg in den europäischen Gewässern 1740–1744.

Den Krieg mit Spanien führte England zunächst sehr lau. Wenn auch nach der langen Friedenszeit in der Marine nicht alles so stand, wie es hätte sein sollen, so besaß es doch eine derartige Übermacht, daß es wohl weit tatkräftiger hätte vorgehen können.

1740. Vom Mittelmeer aus nahm der Kontreadmiral Haddock nach der Kriegserklärung die Blockade von Cadiz auf, als er aber durch den Zustand seiner Schiffe gezwungen war, im Frühjahr nach Port Mahon zu gehen, das man außerdem von den spanischen Häfen am Mittelmeer bedroht glaubte, fanden die in Cadiz liegenden spanischen Schiffe Gelegenheit zu entschlüpfen; wie erwähnt, langten sie in Westindien teils direkt, teils über Ferrol unter Admiral de Torres an. Im Juli, als man die Schwäche der Spanier genauer erkannt hatte, wurde ein Teil der englischen Mittelmeerflotte nach der Heimat zurückgezogen.

Von England aus wurde im April ein Geschwader entsandt, um die heimkehrende Silberflotte abzufangen. Diese (Admiral Pizarro, vgl. Seite 61) war jedoch durch ein ihr entgegengesandtes Schiff gewarnt, setzte ihren Kurs auf Kap Ouessant und lief wohlbehalten in Santander ein, während das englische Geschwader auf dem sonst üblichen Wege Madeira-Cadiz kreuzte. Spanien entsandte gegen dieses eine stärkere Macht, doch kehrten die Engländer[72] unbelästigt nach dem Kanal zurück. In Spithead war nach und nach eine starke Flotte unter dem Admiral of the Fleet Sir John Norris[48] zusammengezogen — 21 Linienschiffe zu 60–100 Kanonen —, deren „geheime Order“ aber auch jetzt noch unbekannt ist. Einige Quellen glauben, Ferrol hätte angegriffen werden sollen, da man die Anwesenheit der zahlreichen spanischen Schiffe dort mit einem Gerücht in Verbindung gebracht habe, nach dem Spanien einen Einfall in Irland zugunsten des Kronprätendenten Jakobs III. ins Werk setzen wollte. Wahrscheinlicher ist es, daß die Flotte nur die Schiffahrt vor und in dem Kanal sichern und für alle Fälle (auch gegen Angriffe von Frankreich?) bereit gehalten werden sollte. Tatsächlich hat sie 1740 den Kanal nicht verlassen.

1741 lief Norris mit der Kanalflotte im Juli sowie im Oktober aus und kreuzte an der Nordküste Spaniens, wobei jedoch nur einige kleinere Prisen gemacht wurden. Im Mittelmeer schlugen sogar zwei wichtige Unternehmungen fehl. Frankreich hatte im Juli in Toulon 12 Linienschiffe (50–74 Kanonen) unter Lieutenant-Général de Court in Dienst gestellt, um sich mit 16 spanischen Schiffen unter Admiral Don José de Navarro zu vereinigen und dann 15000 Mann von Barcelona nach Norditalien zu führen (vgl. Seite 51); die englische Flotte sollte dies hindern. Aber Haddocks Kreuzer ließen die Spanier aus Cadiz entschlüpfen und sichteten sie erst beim Cap de Gata. Als dann die Engländer herankamen (am 19. Dezember neuen Stils), war die Vereinigung mit den Franzosen vor Barcelona schon erfolgt. Der Kriegsrat auf der nur etwas über halb so starken englischen Flotte glaubte sowohl von einem Angriff wie selbst von weiterem Folgen absehen zu müssen, da man der Neutralität der Franzosen nicht sicher war. Die französisch-spanische Flotte führte den Truppentransport von Barcelona die französische und italienische Küste entlang nach Genua und Toskana; sie ging dann nach Toulon, wo sie am 22. Februar 1742 eintraf.

Das französische Geschwader war, was Schiffe und Besatzungen anbetrifft, in mangelhaftem Zustande. Die Verfassung des spanischen muß aber, nach französischen Angaben, ganz trostlos gewesen sein: „Die Schiffe verfallen; die Mannschaft halb nackt und halb verhungert; viele Kranke; Monate waren nötig, um das Geschwader in einigermaßen brauchbaren Zustand zu setzen.«

Die englische Flotte war auch kaum imstande, den Handel wirksam zu schützen. Da ist es nicht zu verwundern, daß die Fehlschläge im Mittelmeer im Verein mit den Mißerfolgen der kostspieligen Unternehmungen in Westindien, sowie der Verlust des Handels dort das englische Volk gegen die laue Kriegführung Walpoles aufbrachten und dadurch dessen Rücktritt herbeiführten. England trat jetzt offen für Österreich auf.

1742 und 1743 gewann die Kriegführung im Mittelmeer etwas mehr Leben. Im Februar 1742 traf eine bedeutende Verstärkung unter Kontreadmiral[73] Lestock ein, der das Kommando für den erkrankten Haddock übernahm, und Spanien mußte die geplante Absendung eines neuen Truppentransportes vorläufig aufgeben. Bald darauf, im Mai, wurde der Vizeadmiral Mathews Oberbefehlshaber im Mittelmeer. Dieser führte nun während 22 Monaten eine strenge Blockade von Toulon durch, hinderte weiter die Verstärkung der spanischen Armee in Italien und übte auch einen Druck auf das Königreich beider Sizilien aus. Der Admiral lag mit der Flotte stets segelfertig in Villafranca, eine Division unter Lestock blockierte von den Hyèrischen Inseln aus Toulon; man erklärte, es gälte nur dem spanischen Geschwader dort, aber man nahm auch dahin bestimmte französische Handelsschiffe weg. Die Franzosen brachten die Befestigungen in Kriegszustand, zogen die Schiffe in den innern Hafen zurück und sperrten die Einfahrt.

Im Juli 1742 jagte ein englisches Linienschiff 5 spanische Galeren, die Kriegsvorräte längs der Küste nach Italien bringen wollten, in den französischen Hafen von St. Tropez und vernichtete sie durch einen Brander, als sie auf ihren Verfolger feuerten; wenige Monate später wurde diese Stadt mit Beschießung bedroht, falls sie zwei dort eingelaufene spanische Transporter beherbergen würde. „Die Vernachlässigung der Marine“, so klagen französische Schriftsteller „hatte es dahin gebracht, daß Frankreich dieses alles dulden mußte.“

Wie erwähnt, hatte der König beider Sizilien Hilfstruppen für Spanien nach Norditalien gesandt. Im Juli 1742 schickte Mathews den Kommodore William Martin mit einem kleinen Geschwader, 4 Kriegsschiffe und 3 Mörserboote, nach Neapel. Martin erschien dort am 19. August mit der Forderung, diese Truppen zurückzurufen und verlangte unter Androhung einer Beschießung der Stadt Antwort binnen einer halben Stunde. Der König konnte nun zwar in der kurzen Frist nicht erreicht werden, da er auf einem Landgute weilte, erfüllte aber schon am 20. das Verlangen. 1759 bestieg er als Karl III. den spanischen Thron; die Erinnerung an die Vergewaltigung in Neapel zog ihn nun in den beiden nächsten Kriegen auf die Seite Frankreichs. — Martin zerstörte bald darauf im genuesischen Alassio Magazine für das spanische Heer. Ferner wurden durch englische Schiffe spanische Transporter in den Häfen der katalonischen Küste vernichtet; 1743 mußte ein Linienschiff im Hafen von Ajaccio in die Luft gesprengt werden, um den Engländern nicht in die Hände zu fallen, und Genua ward gezwungen, die Ladung von 15 spanischen Transportern, die von Majorka aus in seinen Hafen eingelaufen waren, nach Corsica zu schaffen, wo die Vorräte bis zum Friedensschluß lagerten.

1744. Endlich, im Jahre 1743, raffte Frankreich sich auf, als es nach Fleurys Tode das Bündnis mit Spanien erneuert hatte; man faßte sogar nun große Pläne für einen Seekrieg: Vertreibung Englands aus dem Mittelmeer, Wiedereroberung Minorkas und Gibraltars für Spanien; die Vereinigung sämtlicher Seestreitkräfte in den nördlichen Gewässern, um hier die Seeherrschaft zu erringen und durch einen Einfall in Großbritannien[74] die Familie Stuart wiedereinzusetzen, jedenfalls England zum Zurückziehen seines Heeres vom Festlande zu zwingen.

Versuch einer Landung in England 1744. Im November 1743 begannen die Rüstungen hierfür. Prinz Karl Eduard (vgl. Seite 53) sollte mit 16 Bataillonen Infanterie und vier Schwadronen Dragoner — insgesamt gegen 15 000 Mann — unter dem Marschall Moritz von Sachsen in 32 Transportern von Dünkirchen nach der Themsemündung, wenn möglich nach London, übergeführt werden, der Lieutenant-Général Comte de Roquefeuil mit der Brestflotte — 19 Linienschiffe und 5 Fregatten — die englischen Seestreitkräfte festhalten, sowie Einschiffung und Überfahrt des Heeres decken. Am 6. Februar 1744 verließ diese Flotte Brest, wurde aber etwa 10 Tage durch Gegenwind beim Kap Lizard festgehalten. Ein englischer Kreuzer, der vor Brest lag, hatte schon das Auslaufen des Feindes gemeldet, ein Begleitschiff eines Konvois nach Westindien brachte wenige Tage später die Nachricht von seinem Erscheinen vor dem Kanal nach London. In England scheint man zwar vorher über den französischen Plan nicht genauer unterrichtet gewesen zu sein, da man sich aber auf den Krieg mit Frankreich vorbereitet hatte, so vermochte man rechtzeitig eine überlegene Flotte an den Downs zusammenzuziehen; nämlich 49 Segel, darunter 21 Linienschiffe von 60 Kanonen aufwärts. Sir John Norris, der sie kommandierte, ging jedoch dem Feinde nicht entgegen, da er fürchtete, dieser könne ihm bei Nacht oder unsichtigem Wetter vorbeilaufen.

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Admiral Thomas Mathews.

Am 27. Februar war Roquefeuil bei der Insel Wight; hier zweigte er, seiner Order entsprechend, 4 Linienschiffe und eine Fregatte nach Dünkirchen ab, denen insbesondere die Deckung der Einschiffung und Überführung zugedacht war, er selber sollte die englischen Schiffe festhalten. Am 4. (oder 5.) März ankerte er, durch mehrtägigen Sturm aufgehalten, bei Dungeness. Hier trat ihm am nächsten Tage die englische Flotte entgegen; zum Glück für die Franzosen war sie jedoch genötigt, wegen schwachen Windes zu ankern, als sie schon auf sechs Seemeilen heran war, weil die Flut einsetzte. Der sofort berufene Kriegsrat des französischen Geschwaders beschloß, das Unternehmen aufzugeben. Bei Eintritt der Ebbe und gleichzeitig der Dunkelheit ging man schleunigst unter Segel und hatte das Glück, daß mit der Ebbe starker nordwestlicher Wind aufkam, der bald zum Sturm wurde. Als Norris am andern Morgen die Flucht des Gegners bemerkte, war keine Aussicht mehr, ihn einzuholen. Die Franzosen erreichten, wenn auch mehr oder weniger vom Sturm beschädigt, Brest; nur die Wetterverhältnisse hatten sie aus einer argen Klemme befreit. Die nach Dünkirchen abgezweigten Schiffe waren am 29. Februar dort angekommen und man hatte sogleich mit der Einschiffung der Truppen begonnen. Die Leute mußten mit Fischerbooten und Küstenfahrzeugen an Bord der auf der Rhede liegenden Transporter gebracht werden, was schon bei mäßig starkem Wind und Seegang sehr gefährlich war. So richtete der Sturm am 6. und 7. März natürlich viel Unheil an; mehrere Boote sowie auch Transporter sanken oder wurden auf den[75] Strand geworfen. Als die Nachricht vom Rückzug der Flotte eintraf, schiffte man die Truppen wieder aus und die Kriegsschiffe gingen nach Brest.

So war der Plan eines Einfalls in England gescheitert; ähnlich wie die früheren war er aussichtslos gewesen. Wenn auch England beträchtliche Seestreitkräfte im Mittelmeer und in Westindien hatte, so verblieben ihm doch genug, um Roquefeuil mit Erfolg entgegenzutreten.

Die Schlacht vor Toulon, 22. Februar 1744. Im Mittelmeer war inzwischen die erste Seeschlacht geschlagen. Lieutenant-Général de Court erhielt im November 1743 Befehl, das spanische Geschwader nach Genua (oder nach spanischen Häfen?) zu geleiten; Admiral Navarro war jedoch nicht geneigt, in See zu gehen und auch die französische Flotte scheint noch nicht bereit gewesen zu sein. Erst im Januar 1744 unternahm de Court eine kurze Erkundungs- oder Übungsfahrt vor dem Hafen, bei der er von Mathews höflich salutiert wurde. Dieser hatte kurz vorher in Turin, wo er über gemeinsames Handeln mit dem Landheer beriet, die falsche Nachricht erhalten, die Brestflotte sei in See gegangen und die französisch-spanische Flotte wolle auslaufen, um sich mit ihr zu vereinigen. Er zog deshalb alle Schiffe im Mittelmeer bei den Hyèrischen Inseln zusammen, übernahm selber die Leitung der Blockade von Toulon und trat der feindlichen Seemacht entgegen, die am 19. Februar auf die äußere Rhede gegangen war und am 21. in See erschien. Der französische Oberbefehlshaber hatte, wie der Admiral d'Antin 1740 in Westindien, Anweisung, nur zu fechten, wenn er angegriffen würde; die Instruktionen des englischen Admirals werden diesem dagegen auch den Angriff gestattet haben.

Die englische Flotte unter Thomas Mathews[49] zählte 28 Linienschiffe zu 60 Kanonen und darüber; die Vorhut führte Kontreadmiral Rowley,

[76]

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Plan zur Schlacht vor Toulon.

Die Schlacht vor Toulon, 22. Februar 1744.
Englische Französisch-Spanische  
deco deco deco
Flotte Flotte
Schiffe Kanonen Schiffe Kanonen
 
Vorhut
Castle 70 Borée   64
Warwick 60 Toulouse   60
Nassau 70 Duc d'Orleans   74
Barfleur 90 Espérance   74
(Adm. Rowley)   (Adm. Gabaret)  
Caroline 80 Trident   64
Berwick 70 Alcion   54
Chichester 80 Aquilon   48
Boyne 80 Eole   64
Kingston 60    
 
Mitte
Dragon 60 Furieux   60
Bedford 70 Serieux   64
Somerset 80 Ferme   74
Princesa 74 Tigre   50
Norfolk 80 Terrible   74
Namur 90 (Adm. de Court)  
(Adm. Mathews)   St. Esprit   74
Marlborough 90 Diamant   50
Dorsetshire 80 Solide   64
Essex 70 Oriente1)   60
Rupert 60 America1)   60
Royal Oak 70 Neptuno1)   60
 
Nachhut
Dunkirk 60 Poder   60
Cambridge 80 Constante   70
Torbay 80 Real Felipe 114
Neptune 90 (Adm. Navarro)  
(Adm. Lestock)   Isabela   80
Russel 80 Hercules   64
Buckingham 70 Retiro 54
Elisabeth 70 Brillante   60
Revenge 70 Fernando 64
    Sobiero 60

1) Spanische Schiffe, die der Division de Court zugeteilt waren.

Zu den Schiffen der Tabelle traten als nicht in die Schlachtlinie eingestellt: bei den Engländern 5 Schiffe mit 50, 2 mit 40, 2 mit 20 Kanonen und 2 Brander; bei den Verbündeten 4 Schiffe mit 20 Kanonen und 3 Brander.

[77]

die Nachhut Vizeadmiral Lestock[50]. Die verbündete Flotte unter de Court[51] bestand gleichfalls aus 28 Linienschiffen; die Vorhut führte der Chef d'Escadre Gabaret, die Nachhut Admiral Navarro. Diese bestand aus den spanischen Schiffen, von denen jedoch drei der Mitte zugeteilt waren. Man sagt, de Court habe sie sämtlich zwischen die französischen Schiffe verteilen wollen, doch sei Navarro hierauf nicht eingegangen. An Zahl der Linienschiffe waren beide Flotten gleich, aber die Engländer besaßen schwerere Schiffe und ihre Überlegenheit wurde dadurch noch größer, daß sie über 4 Schiffe zu 50 Kanonen, 2 zu 40, sowie 2 zu 20 (dazu 2 Brander) verfügten, die auf die Divisionen verteilt waren, während die Gegner zwei Schiffe zu 50 Kanonen in die Linie eingestellt hatten und außer der Linie nur 4 Schiffe zu 20 Kanonen (sowie drei Brander) besaßen (vgl. die Angaben auf der Skizze der Schlacht). Die Überlegenheit der Engländer kam aber nicht zur Geltung, da sich ihre Nachhut nicht am Kampfe beteiligte.

Der Verlauf der Schlacht vor Toulon[52]. Die französisch-spanische Flotte hatte schon am 20. Februar auslaufen wollen, sah sich jedoch durch den Zusammenstoß zweier Schiffe zum Wiederankern genötigt. Die englische Flotte hatte an diesem Tage gleichfalls Anker gelichtet, gegen schwachen westlichen Wind aufgekreuzt und abends wieder in der Bucht von Hyères geankert. Am 21. gingen die Verbündeten in See; die Engländer versuchten heranzukommen; dies war ihnen aber bei dem zu schwachen, jetzt östlichen Winde mit schwerem westlichen Seegange nicht möglich; sie konnten nicht einmal eine gute Ordnung einnehmen. Am Abend gab Mathews, 4–5 Seemeilen vom Feinde entfernt, den Befehl zum Beidrehen; Lestock stand mit der Nachhut noch weit von der Mitte ab, dennoch folgte er dem Befehle, anstatt erst näher heranzusegeln. Während der Nacht vergrößerte der Feind die Entfernung, ohne daß die englischen Beobachtungsschiffe es bemerkten. Am 22. bei Tagesanbruch standen die Engländer in loser Ordnung — über neun Seemeilen vom vordersten bis zum hintersten Schiffe — etwa 12 Seemeilen SSO. vom Kap Sicié und acht Seemeilen nordöstlich vom Gegner, der bei leichtem östlichem Winde in Kiellinie über Steuerbordbug nach Süd steuerte. Lestock mehrte nun allerdings sofort Segel, um zur Mitte heranzukommen; da aber Mathews schon um 6½ Uhr vormittags den Befehl zum Segelmehren für die ganze Flotte gab, blieb die Nachhut auch weiterhin etwa fünf Seemeilen von der Mitte ab. Um 8 Uhr folgte der Befehl, über Steuerbordbug die Kiellinie zum Angriff zu bilden, und als dieses Manöver, infolge des flauen Windes nur langsam und unvollständig, um 11½ Uhr von Vorhut und Mitte ausgeführt war, auch das Signal[78] „Angreifen“, wobei jedoch das für „Kiellinie“ wehen blieb; Lestock beantwortete das Signal „Angreifen“ nicht. Die Verbündeten waren in leidlich guter Ordnung, nur die Nachhut stand etwas zurück und in dieser wieder die letzten fünf Schiffe.

Langsam überholten die Engländer den Gegner. Um 1 Uhr nachmittags war Mathews („Namur“) querab von Navarro („Real Felipe“) und Rowley „Barfleur“) von de Court („Terrible“). Jetzt hielt Mathews mit dem Flaggschiff aus der Kiellinie ab und legte sich auf Pistolenschußweite neben Navarro; er ward unterstützt durch seinen Vordermann „Norfolk“ und seinen Hintermann „Marlborough“, die „Constante“ und „Isabela“ angriffen. Die Besorgnis, der Gegner könne sich dem Kampfe entziehen, verleitete Mathews zum Angriff, ehe die Flotte in guter Ordnung und ehe die Nachhut herangekommen war. Admiral Rowley folgte dem Beispiel und hielt auf de Court ab, auch er wurde durch seine beiden Hinterleute unterstützt; hier fochten also „Barfleur“, „Prinzeß Carolina“ und „Berwick“ gegen „Terrible“, „Esprit“ und „Diamant“. Das Gefecht scheint jedoch ein laufendes gewesen zu sein (auch nicht auf so nahe Entfernung wie bei Mathews), denn die Lücke zwischen Nachhut und Mitte der Verbündeten vergrößerte sich; der Kampf der englischen Schiffe mit den spanischen erfolgte dagegen mit kleiner Fahrt, und die letzten fünf Spanier kamen infolgedessen nach und nach auf.

Die sämtlichen übrigen englischen Schiffe beteiligten sich, wenig oder gar nicht am Kampfe. Die drei Spitzenschiffe der Vorhut griffen nicht an, denn sie wollten dadurch die Vorhut der Verbündeten hindern, zu wenden und dann die englische Flotte von Luward her zu dublieren. Die drei Schiffe hinter „Berwick“ blieben auch in der Kiellinie und so weit ab, daß sie nur ein wenig erfolgreiches Feuer mit den drei Spaniern wechseln konnten, die als letzte der französischen Mitte zugeteilt waren. Ebenso verfuhren die vier ersten Schiffe der englischen Mitte, die nur anfangs auf die ebenerwähnten Spanier und dann auf „Poder“ feuerten; dieser scheint schwer beschädigt worden zu sein. Von den letzten vier Schiffen der englischen Mitte (Dorsetshire und Hinterleute) berichten die Quellen beim ersten Angriff nichts; da sie ihren Platz in der Kiellinie nicht verließen und da ihre Gegner noch nicht heranwaren, blieben sie wohl ganz untätig.

Hervorzuheben ist das Verhalten des Kapitäns Hawke, des später berühmten Flottenführers. Als Kommandant des „Berwick“ hatte er den weit schwächeren „Diamant“ gegenüber, der dem Kampf auswich; als er nun sah, daß „Poder“ zwar lebhaft beschossen, aber doch nicht im Nahkampf angegriffen war, verließ er seinen Platz in der Vorhut, segelte zu dem genannten Schiffe nahe heran und zwang es zur Übergabe. Heiß war der Kampf bei Mathews. Zwar trieb „Norfolk“ den „Constante“ nahezu als Wrack aus der Linie und „Real Felipe“ sowie „Isabela“ erlitten großen Verlust an Mannschaft, aber auch die englischen Schiffe wurden so schwer in der Takelage beschädigt, daß sie ihren Vorteil nicht ausnutzen konnten. Der Admiral gab einem Brander den Befehl, das spanische Flaggschiff anzuzünden. Dieser ging unter furchtbarem Feuer des Gegners vor, als er jedoch, schon fast sinkend, genötigt war, selber zu schießen, um spanische Boote abzuwehren, geriet er durch das eigene Feuer in Brand und flog auf, ehe er sein Opfer erreicht hatte.

Etwa drei Stunden waren verflossen, seit Mathews den Kampf begonnen hatte, da gab de Court seiner Vorhut und Mitte den Befehl zu wenden, um den Spaniern Hilfe zu bringen; die englische Vorhut wendete gleichfalls. Zu dieser Zeit waren die fünf letzten Spanier aufgesegelt und griffen in das Gefecht bei ihrem Admiral ein; Lestock, der nun auch näher herangelangt war, bemühte sich infolge zu flauen Windes mit schwerer See vergeblich, dies zu hindern. Jetzt brach Mathews den Kampf ab und gab das Signal, die Kiellinie über Backbordbug zu bilden; er wollte vor allem die Ordnung herstellen, weil er eine Wiederaufnahme des Kampfes durch die langsam herankommenden Franzosen erwartete. Das Manöver erfolgte und führte zu einem Gefecht zwischen den letzten Schiffen der englischen Mitte und den letzten Spaniern, als sie sich auf entgegengesetzten Kursen begegneten.

[79]

Die Franzosen, die beim Herankommen den entmasteten „Poder“ wiedergenommen hatten, waren in Unordnung geraten, und die spanischen Schiffe lagen in einem wirren Haufen um ihren Admiral. Infolge des flauen Windes hatten alle Manöver sehr viel Zeit gekostet: das Wenden der Schiffe (viele hatten halsen müssen), das Abbrechen des Kampfes seitens der Engländer („Marlborough“ mußte mit Booten weggeschleppt werden), das Entwirren auf beiden Seiten. So brach die Nacht herein, ehe die Ordnung hergestellt war, und der Kampf war zu Ende.

Die Gegner lagen die Nacht über in Sicht voneinander. Am anderen Morgen stieß das englische Schiff „SSomerset“ auf das spanische „Hercules“; beide waren von ihren Flotten versprengt. Der Engländer griff an, mußte jedoch bald abbrechen, da einige Franzosen herankamen.

Die Verluste waren auf englischer Seite nicht groß. Zwar waren drei Schiffe stark beschädigt (Mathews mußte am nächsten Tage seine Flagge auf einem anderen setzen), aber der Mannschaftsverlust war unbedeutend. Von den hauptsächlich beteiligten Schiffen hatten die drei der Vorhut etwa 80, die drei der Mitte 200 Tote und Verwundete (davon „Marlborough“ allein 160), darunter zwei Kommandanten. Die Spanier verloren den „Poder“, der zwar zurückerobert war, aber am nächsten Tage wegen Seeuntüchtigkeit verbrannt werden mußte; die am Kampf beteiligten Schiffe hatten sehr gelitten, „Real Felipe“ mußte geschleppt werden. Der Mannschaftsverlust war sehr bedeutend, so hatten z. B. „Isabela“ 300, „Real Felipe“ 500 Tote und Verwundete. Der Kommandant des Flaggschiffes wurde schon bei Beginn des Kampfes schwer verwundet; nach französischen Angaben verließ mit ihm auch der leicht getroffene Admiral das Deck, und nur dem zweiten Kommandanten, einem französischen Seeoffizier de Lage, soll der heldenmütige Widerstand des Schiffes zu danken sein. Der Verlust der Franzosen ist nicht bekannt. Er wird unbedeutend gewesen sein; die französischen Quellen bezeichnen nämlich das Feuergefecht, das ihre Schiffe führten, als „ziemlich matt“, und die englischen Schiffe, die mit ihnen fochten, haben ja auch nur geringe Verluste gehabt.

Die Schlacht blieb taktisch unentschieden; beide Flotten behaupteten vorläufig das Feld. Meist wird sie als ein Sieg der Engländer bezeichnet, doch nicht mit Recht. Allerdings gaben die Verbündeten die Fahrt nach Genua auf — falls sie diese überhaupt beabsichtigt haben —, aber sie nahmen am 23. Februar Kurs nach Spanien, wobei die Franzosen zwischen den Spaniern und dem Gegner segelten, und kamen unbelästigt nach Cartagena; die französische Flotte ging dann im April gleichfalls ungestört nach Toulon zurück, auf der Fahrt fielen ihr einige englische Kauffahrer in die Hände. Hieraus sowie aus dem längeren Stilliegen der englischen Flotte in Port Mahon leiten die Franzosen als Erfolg der Schlacht ab, daß sie für einige Zeit die See freigemacht hätten. Mathews war nämlich am 23. dem Feinde gefolgt, gab dies aber am nächsten Tage auf. Er hatte erfahren, daß in Spanien neue Verstärkungen für das Heer in Italien zusammengezogen seien, und wollte diesen nicht dadurch den Weg freigeben, daß er sich nach Süden abziehen ließ. Hätte er die Verfolgung fortgesetzt, so wären ihm wahrscheinlich einige der in der Takelage beschädigten Schiffe zum Opfer gefallen oder der Feind hätte sich aufs neue zum Kampf stellen müssen, um diese zu decken. So aber zeigte sich Mathews nur noch in der Bucht von Rosas und ging dann nach Port Mahon; hier entsetzte er Lestock vom Kommando und sandte ihn nach England.

[80]

Die Bedeutung der Schlacht vor Toulon für die Seekriegsgeschichte liegt nicht in ihren kriegerischen Ergebnissen, sondern in dem Einblick, den sie in den Stand der Taktik (vgl. Seite 36) und in einige Verhältnisse der Marinen gewährt. In England war man entrüstet über ihren geringen Erfolg, und auf Drängen des Parlaments wurden Mathews, Lestock sowie elf Kommandanten der Vorhut und Mitte in kriegsgerichtliche Untersuchung[53] gezogen. Dem Flottenchef warf man grobe Verstöße gegen die Gefechtsvorschriften vor. Diese verlangten bekanntlich, die Flotte in Kiellinie neben die feindliche Linie zu führen, Spitze neben Spitze, und dann Schiff gegen Schiff zum Angriff abzuhalten, jedes Schiff sollte bis dahin auf seinem Platze in der Linie bleiben. Mathews hatte aber das Beispiel für den Angriff gegeben, ehe Spitze gegen Spitze stand; durch kriegsgerichtlichen Spruch wurde er kassiert. Allerdings hat er gegen den Buchstaben der Vorschrift verstoßen, aber er handelte doch mit Überlegung und würde voraussichtlich großen Erfolg gehabt haben, wenn seine Untergebenen ihm sämtlich gefolgt wären. Der Augenblick zum Angriff war sicher günstig gewählt. Die Schiffe beim spanischen Admiral waren dem Angriff der ganzen englischen Mitte ausgesetzt; gegen das Zurückkommen der Franzosen, das bei dem flauen Winde lange gewährt haben würde, deckte die Vorhut, und die zurückgebliebenen spanischen Schiffe wären zur Unterstützung zu spät gekommen, auch würde ihnen die englische Nachhut entgegengetreten sein, wenn Lestock sofort mit raumem Winde abgehalten hätte. Der Admiral wurde ein Opfer des Streites zwischen den Verteidigern einer freieren Auffassung und denen der schematischen Befolgung der taktischen Vorschriften, bei dem diese die Überhand behielten. Die Verurteilung des Admirals Mathews trug aber dazu bei, daß von nun an die englischen Flottenführer sich peinlich an den Wortlaut der Vorschriften hielten, und Clerk (vgl. Quellenverzeichnis) sagt in seinem berühmten Werke über Taktik mit Recht: „Dieses kriegsgerichtliche Urteil muß als die eigentliche Quelle der späteren Mißerfolge zur See angesehen werden.“ Die erste Schlacht im nächsten Kriege (bei Minorka 1756) wird ein schlagendes Beispiel hierfür geben. — Der Admiral Lestock und die 11 Schiffskommandanten wurden der Nichtbefolgung der Befehle oder der mangelhaften Beteiligung am Kampfe angeklagt. Lestock führte an, daß die beiden Signale: „Kiellinie bilden (bzw. halten)“ und „Angreifen“ gleichzeitig geweht hätten. Er habe mithin den zweiten Befehl nicht ausführen können, ohne gegen den ersten zu verstoßen, auch sei ja die Flotte noch nicht in der für den Angriff vorgeschriebenen Stellung gewesen. Auf diese künstliche Verteidigung hin wurde er freigesprochen.

Die englischen Quellen urteilen schroff über Lestock. So schreibt Clowes, Lestock habe sich wohl gesagt: „Laß Mathews tun, was er will; wenn es auch zum Schaden ausschlägt, halte ich mich an die Vorschrift und bin so sicher.“

[81]

Von den angeklagten Kapitänen starb einer, ein anderer wurde fahnenflüchtig, zwei (die von „Somerset“ und „Princesa“) wurden freigesprochen; sieben aber wurden entlassen oder im Dienstalter zurückgesetzt. Von den Entlassenen stellte der König drei sofort wieder an; es waren dies die Kommandanten der 3 Spitzenschiffe, die nicht angegriffen hatten, um die französische Vorhut am Dublieren zu hindern. Das schwächliche Verhalten der übrigen Angeschuldigten hat wohl tatsächlich seinen Grund darin gehabt, daß sie bei der Wahl zwischen dem Befolgen des Beispiels ihres Admirals und dem Festhalten an der Norm nicht zum Entschluß kommen konnten; jedenfalls zeigt ihr Benehmen Mangel an Verständnis für die Absichten ihres Führers und läßt zu dieser Zeit den alten Schneid im englischen Offizierkorps vermissen.

Hieraus sind wichtige Lehren zu ziehen. Mahan sagt (Band I, Seite 256 ff., hier gekürzt): „Die Untüchtigkeit der englischen Kommandanten, die sich hier, aber auch bei anderen Gelegenheiten zeigte, erklärte zum Teil, daß England aus seiner Überlegenheit zur See in diesem Kriege nicht den vollen Nutzen zog. Man kann nun nicht annehmen, daß so viele englische Seeleute aus Feigheit — einer so niedern und seltenen Untugend — versagt haben; vielmehr trug Mangel an geistiger Vorbereitung und an militärischer Leistungsfähigkeit die Schuld daran. Dies gibt allen Offizieren die Lehre, wie notwendig es ist, im Frieden den Geist durch das Überdenken der Lagen, in die sie im Kriege kommen können, vorzubereiten und zu festigen, damit die Stunde des Kampfes sie nicht unvorbereitet findet und vielleicht in Unehre bringt.“

Wir müssen wohl noch hinzufügen, daß die Offiziere auch im Frieden durch möglichst kriegsmäßige Gefechtsmanöver hierin zu unterstützen sind. Die englischen Kommandanten in der Schlacht vor Toulon verstanden die Absicht ihres Chefs nicht; Manöver im Frieden müssen anstreben, ein gegenseitiges Verstehen zwischen Vorgesetzten und Untergebenen herbeizuführen, die Entschlußfähigkeit zu fördern, sowie endlich und nicht am wenigsten dahin zu wirken, daß die formale Taktik nicht verknöchert, sondern als eine angewandte im Geiste aller selbständigen Führer lebt.

Mahan führt weiter an: „Auch hat vielleicht das teilweise vorhandene Übelwollen der Kommandanten gegen ihren schroffen Vorgesetzten mitgewirkt. Es ist wohl am Platze, auf den Einfluß einer gewissen Herzlichkeit und des Wohlwollens seitens der Vorgesetzten gegen ihre Untergebenen hinzuweisen. Sie gehören vielleicht nicht notwendig zum militärischen Erfolge, aber sie geben dem zu diesem nötigen Elemente einen belebenden Hauch, der möglich macht, was sonst unmöglich wäre. Sie erzeugen einen Grad von Hingebung und Heldentum, den die schärfste, aber nicht so veredelte Manneszucht niemals erreicht. Zweifellos ist dies natürliche Anlage beim Vorgesetzten; wohl das leuchtendste Beispiel dieser Art unter den Seeleuten war Nelson.“

Auch für die anderen Marinen bieten die Ereignisse der Schlacht Bemerkenswertes. In Frankreich und in Spanien erregte ihr Verlauf gleichfalls Entrüstung. Spanien beschwerte sich über ungenügende Unterstützung seiner Schiffe durch die Franzosen. Der Admiral de Court wandte dagegen ein, die Unordnung im spanischen Geschwader habe den Angriff der Engländer überhaupt nur hervorgerufen, er habe dann Navarro vor der Vernichtung bewahrt. Trotzdem wurde de Court vom Kommando abgelöst und nicht mehr verwendet, wenn er auch noch 1750 den Titel des Viceadmirals du Ponant[82] erhielt. Gegenüber dem Schicksal Mathews und de Courts wirkt der Umstand fast erheiternd, daß der spanische Admiral Navarro „wegen seines Sieges“ zum Vizeadmiral befördert wurde.

Die völlige Untätigkeit der französischen Schiffe, die nicht selber angegriffen wurden, bleibt allerdings auffällig. Keine Quelle spricht sich über den Grund hierfür aus, nur Lacour deutet an, daß die Kommandanten vielleicht unter dem Einfluß des Befehls für den Admiral gestanden hätten: nur zu fechten, wenn er angegriffen werde. Dies wäre seltsam, denn ihr Admiral war ja im Kampfe. Erwarteten sie nun trotzdem ausdrücklichen Befehl zum Eingreifen; wagten sie ohne solchen nicht, die Linie zu verlassen; hielten sie den Versuch, an den zu Luward stehenden Feind heranzukommen, bei dem flauen Winde für aussichtslos? Einige Quellen (Mahan; Chevalier I, vgl. Quellenverzeichnis) sagen, de Court habe schon, ehe er später mit der ganzen Flotte wendete, der Vorhut Befehl zum Wenden gegeben, um den Gegner zu dublieren. Wenn dies richtig ist, warum befolgte Gabaret, der Führer der Vorhut, den Befehl nicht? Hielt auch er es bei den Windverhältnissen für unausführbar oder sah er sich tatsächlich durch das Verhalten der englischen Spitzenschiffe daran gehindert?

Vielleicht sprach ein anderer wichtiger Umstand bei dem Verhalten der französischen Schiffe mit. Wir erwähnten schon, daß während der langen Friedenszeit die Beförderung in der französischen Marine vollständig stockte. Nun gibt Lacour (Seite 464 ff.) Personalangaben über die Offiziere der in den Kriegen Ludwigs XV. verwendeten Schiffe. Danach war bei Toulon der Admiral de Court 78 Jahre alt, Admiral Gabaret hatte eine Dienstzeit von 56 Jahren, die eine Hälfte der Kommandanten eine solche von 52, die andere von 40–45 Jahren; es kommen mithin, wenn man den Diensteintritt mit 15 Jahren annimmt, Lebensalter von 70–67 und 55–60 heraus, und wir wissen, daß die Offiziere seit langen Jahren wenig zur See gefahren hatten. Da konnte man hervorragende Unternehmungslust von den französischen Kommandanten allerdings wohl kaum erwarten. Der englische Admiral Rowley war 54 Jahre alt; die Kommandanten, die sich besonders auszeichneten, der des „Berwick“ zählte 39, der des „Norfolk“ 30 Jahre.

Der Krieg in den europäischen Gewässern 1744–1748.

Erst nach der Schlacht vor Toulon erklärte Frankreich am 15. März 1744 den Krieg, England antwortete am 29. Es forderte jetzt von Holland die vertragsmäßige Hilfe, die jedoch nur schwach ausfiel[54].

Das Jahr 1744 brachte weder im Atlantik noch im Mittelmeer Ereignisse von Bedeutung, obgleich größere Flotten beider Gegner tätig waren. Von England gingen im Frühjahr Verstärkungen nach Ostindien (Kommodore[83] Barnet), sowie nach Westindien (Vizeadmiral Davers) ab. Ferner segelten im April ein Konvoi Kauffahrer und mehrere Transporter mit Vorräten für die Mittelmeerflotte und die österreichisch-sardinische Armee unter dem Schutz des Vizeadmirals Hardy mit 11 Linienschiffen nach Lissabon; Hardy führte seine Schutzbefohlenen nach Lissabon, von wo sie unter schwächeren Bedeckungen gruppenweise ihre verschiedenen Wege einschlagen sollten, und kehrte im Mai nach England zurück; aber bald nachdem er Lissabon verlassen hatte, wurden die Kauffahrer und Transporter dort von einem französischen Brestgeschwader, 14 Linienschiffen unter dem Chef d'Escadre Rochambeau, blockiert.

Im Kanal standen die englischen Seestreitkräfte, die den Handel in und vor diesem Meere schützen sollten, unter dem Admiral Sir John Balchen. Als Anfang August das holländische Hilfsgeschwader zu diesem stieß, unternahm er mit 14 englischen und 8 holländischen Linienschiffen eine Kreuztour vor dem Kanal, auf der am 23. August 6 reichbeladene französische Westindienfahrer gefangen wurden. Anfang September erhielt Balchen Kenntnis von der Blockade Lissabons, ging dorthin und führte die Transporter nach Gibraltar; Rochambeau hatte beim Nahen der Engländer die Blockade aufgegeben und war in Cadiz eingelaufen; Balchen segelte, ohne auf den Feind zu stoßen, nach England zurück.

Auf dieser Rückfahrt zerstreute ein schwerer Sturm am 13. Oktober 1744 die Flotte, und das Flaggschiff „Victory“ ging mit der ganzen Mannschaft verloren. Es galt als das stolzeste und beste Kriegsschiff jener Zeit, führte 110 Kanonen und gegen 1000 Mann, darunter 50 Volontäre aus guten Familien. Der Unfall wurde vielfach auf Konstruktionsfehler zurückgeführt und als ein Beispiel für die Unhandlichkeit und Unsicherheit der großen Dreidecker angesehen. Wahrscheinlich aber ist das Schiff auf Klippen in der Nähe von Alderney gescheitert; man hat auf der Insel Notschüsse gehört.

Im Mittelmeer hatte die englische Flotte ihre durch die Schlacht vor Toulon erlittenen Beschädigungen in Mahon ausgebessert und dann die Beobachtung der französischen Flotte in Toulon, die der spanischen in Cartagena, die Unterbindung der Zufuhren nach Italien und vor allem auch den Schutz des englischen Handels wieder aufgenommen; Mathews wurde im September nach England zurückgerufen, und Rowley übernahm das Kommando. In Spanien erwartete man um diese Zeit die Rückkehr der Silberflotte. Um deren Eintreffen zu sichern, lief Ende September ein französisches Geschwader von 16 Linienschiffen unter dem Chef d'Escadre Gabaret von Toulon aus; es sollte sich mit der spanischen Flotte oder mit Rochambeau vereinigen. Rowley erhielt erst nach 14 Tagen hiervon Nachricht; er ging mit einem Teil seiner Flotte zur spanischen Küste und bis Gibraltar, fand hier die erwähnten Transporter, stieß aber nicht auf den Feind. Scheinbar ist Rochambeau von Cadiz aus dem Toulongeschwader entgegengegangen, infolge eines schweren Sturmes aber segelten beide nach ihren Ausgangshäfen zurück, ehe sie sich getroffen hatten. Vom Toulongeschwader wurde eine Division (Chevalier de Caylus) nach Westindien abgezweigt.

[84]

Die Angaben über 1744 und 1745 sind in den englischen wie in den französischen Quellen ungenau und lückenhaft. So führen die englischen Quellen und auch Troude den Admiral Gabaret als Chef des erwähnten Geschwaders an, während er nach Lacour bereits am 21. Juni 1744 gestorben ist, kurz nachdem er für de Court das Kommando in Toulon übernommen hatte. Lacour sagt, der Minister Maurepas sei im Mai in Toulon gewesen, um verschiedene Mängel abzustellen. Nach Gabarets Tode habe er dann keinen neuen Oberbefehlshaber für das Mittelmeer ernannt, sondern die Flotte hier in fünf selbständige Divisionen zu je 4–5 Linienschiffen geteilt; diese Maßregel habe sich durch erfolgreiche kleine Unternehmungen, Handelsschutz, Verbindung mit Italien u. dgl., in den nächsten Jahren bewährt. Wenn dies richtig ist, so hat die Streitkraft an der spanischen Küste 1744 vielleicht aus einigen dieser Divisionen bestanden; es werden nämlich auch Entsendungen nach Cadiz und Gibraltar erwähnt, sowie daß eine der Divisionen von de Caylus geführt sei, von dessen Abfahrt nach Westindien vorhin berichtet wurde.

Im Jahre 1745 fiel der englischen Flotte im Mittelmeer auch noch die Beobachtung des französischen Geschwaders in Cadiz zu; sie wurde deshalb in drei Hauptgeschwader zur Bewachung von Cadiz, Cartagena und der Küste Italiens geteilt. Außerdem mußte sie eine größere Division (Vizeadmiral Townsend) für Westindien abgeben. Diese Umstände erklären wohl, daß den Franzosen, wie ihre Quellen sagen, in diesem Jahre verschiedene kleinere Expeditionen nach der Küste Italiens geglückt sind. Ihr Landheer drang in Norditalien siegreich vor, auch neapolitanische Truppen waren wieder im Felde. Ferner trat Genua auf Frankreichs Seite; eine Division der englischen Flotte beschoß deshalb einige Küstenplätze dieser Republik und unterstützte die gegen sie aufgestandenen Corsicaner bei der Eroberung von Bastia.

Vom Kanal und Atlantik berichten die Quellen für das Jahr 1745 außer Zusammenstößen zwischen einzelnen Schiffen oder ganz kleinen Divisionen[55] wenig. Erwähnenswert ist, daß es den Franzosen auch von Brest aus glückte, zweimal Verstärkungen an Kriegsschiffen nach Westindien zu senden, deren eine einen großen Konvoi von Kauffahrern und Transportern deckte; dagegen war es nicht gelungen, rechtzeitig eine Unterstützung nach Nordamerika auslaufen zu lassen, um die bedrohte Festung Louisbourg zu retten. Ferner fällt in dieses Jahr die Erhebung Schottlands. Ihr Verlauf ist auf Seite 53 geschildert, hier sei das seemännisch Bemerkenswerte hinzugefügt.

Prinz Karl Eduard In Schottland 1745. Der Prinz schiffte sich Mitte Juni in St. Nazaire auf einem kleinen Fahrzeuge („Dentelle“, 18 Kanonen), mit nur wenigen Begleitern, mit Waffen für 2000 Mann und etwa 2000 Lstrl. an Geldmitteln, ein. Ein für Freibeuterzwecke ausgerüstetes Schiff der Königlichen Marine („Elisabeth“, 64 Kanonen) sollte zum Schutz dienen und schlug auch auf der Höhe von Brest den Angriff des englischen Kreuzers „Lion“ von 50 Kanonen ab; ohne weitere Belästigung erreichte dann der Prinz im Juli Schottland. Seine anfänglichen Erfolge sind bekannt, doch[85] erhielt er von Frankreich zu geringe Unterstützung. Die meisten der kleineren Fahrzeuge (Freibeuterschiffe), mit denen seine Anhänger in Frankreich ihm Freiwillige sowie Hilfsmittel senden wollten, wurden von den englischen Geschwadern weggefangen, die im Kanal und an der schottischen Küste kreuzten; das Gros der Kanalflotte unter Admiral Vernon beobachtete von den Downs aus Dünkirchen und Calais auf eine ernstere Bedrohung durch Frankreich. Es gereicht aber der englischen Marine nicht gerade zum Ruhme, daß es im Dezember 1745 einer Flottille von 7 Fahrzeugen gelang, bei Montrose 700 Mann zu landen und einen Angriff englischer Schiffe abzuweisen; auch im Mai 1746 schlugen zwei Freibeuter kleine englische Kriegsschiffe aus dem Felde und brachten einige schottische Rebellenführer nach Frankreich. Im Herbst desselben Jahres holte ein französischer Freibeuter den Prinzen von den Hebriden nach der Bretagne zurück; dies war der dritte Versuch, den Prinzen zu retten.

Die französischen Marineschriftsteller vertreten die Ansicht, daß für Frankreich nie, weder zur Zeit Ludwigs XIV. noch später während der Republik und des Kaiserreichs, eine so günstige Gelegenheit zu einem Einfall in England sich geboten habe, wie bei dieser Erhebung Schottlands; auch englische Autoren bezeichnen die damalige Lage als gefährlich. England war von Truppen entblößt und in Belgien geschlagen; die englischen Seestreitkräfte scheinen anfangs schwach und zerstreut gewesen zu sein. (Der Oberbefehlshaber Vernon, allerdings durch seine Opposition bekannt, sprach der Admiralität gegenüber spöttisch von „zwei Flaggoffizieren in den Downs mit noch einem 40-Kanonenschiff, um damit die Schlachtlinie zu bilden“.) Auch in Frankreich erhoben sich gewichtige Stimmen für die Benutzung der günstigen Gelegenheit und für die Ausführung des Planes von 1744. Vorbereitungen wenigstens wurden getroffen. Lacour berichtet hierüber (A. a. O. Seite 158 ff; hier im Auszuge):

„Dem Prinzen Karl Eduard war von einflußreichen Personen gesagt, wenn er in Schottland gelandet sei, so könne der König nicht umhin, ihn zu unterstützen. Der Marschall de Noailles erklärte dem Könige, wenn er in London wirklich die Messe lesen lassen wolle, so müsse er jetzt 30000 Mann hinübersenden. — Gegen 30000 Mann waren unter dem Herzog von Richelieu bei Calais versammelt und man traf Vorbereitungen zur Überführung, ja es scheint einige Male schon mit der Einschiffung begonnen zu sein; Voltaire hatte einen Aufruf an das englische Volk entworfen. — Während 72 Stunden, vom 31. Dezember 1745 bis zum 3. Januar 1746, wehte SSO-Wind, den Weg freimachend von der englischen Flotte und der Überfahrt günstig; Vernon schrieb in jener Zeit an den Kommandanten von Deal, er würde nicht imstande sein, unter diesen Umständen die Überfahrt der Franzosen zu hindern. Jetzt hatte aber weder der König, noch die Minister, noch Richelieu mehr Interesse für den Plan, und im Februar erklärte Moritz von Sachsen, daß Richelieu ihm von unüberwindlichen Hindernissen berichtet und ihm die für das Unternehmen bestimmten Truppen zurückgesandt habe.“

Lacour schließt mit der Bemerkung, man höre in den Aufzeichnungen jener Zeit das Echo der allgemeinen Entrüstung in Frankreich über das Aufgeben[86] des Planes. Nun, so ganz leicht wäre die Ausführung doch wohl nicht gewesen und im Winter 1745/46 war es sicher schon zu spät. Um diese Zeit hatte man in England die Verteidigung planmäßig geordnet; die Hauptflotte lag in den Downs und je ein Geschwader in Plymouth, in der Themsemündung sowie vor der schottischen Küste, abgezweigte Divisionen und einzelne Kreuzer schwärmten auf See.

Im Jahre 1746 stand der Krieg in Flandern für England schlecht; die Franzosen hatten sich Belgiens bemächtigt und bedrohten Holland; dabei hatte man von diesem Kriegsschauplatze Truppen gegen die Schotten abberufen müssen. Man beabsichtigte deshalb, durch einen Vorstoß gegen die französische Küste (gegen Lorient) französische Truppen aus Flandern wegzuziehen und so gleichzeitig der öffentlichen Meinung Rechnung zu tragen. Schon früher waren Vorbereitungen getroffen, den Kolonisten in Amerika eine ansehnliche Hilfstruppe zu einem Angriff auf Quebec zu senden. Frankreich erhielt hiervon Kenntnis und traf die gleiche Maßregel, sandte zur Wiedereroberung Louisbourgs von Brest Ende Juni 11 Linienschiffe unter dem Duc d'Anville nebst einem Truppentransport ab, während die englische Expedition unterblieb. Um die dadurch in England hervorgerufene Entrüstung zu besänftigen, erklärte die Regierung, daß die für die Kolonie gesammelten Kräfte jetzt gegen Frankreich selber verwendet werden würden.

Nach einigen englischen Quellen ist es bis jetzt nicht aufgeklärt, weshalb die Unterstützung für Amerika nicht entsendet wurde; andere führen an, die Expedition sei zunächst durch „gewisse Umstände“ verzögert und später wegen zu weit vorgeschrittener Jahreszeit aufgegeben. Es ist möglich, daß man zu Anfang des Jahres 1746, ehe der schottische Aufstand niedergeschlagen war, Schiffe und Truppen der Heimat nicht zu entziehen wagte, aber im April war Karl Eduards Sache durch die Niederlage bei Culloden bereits völlig verloren und Frankreich hatte den Einfall in England schon früher aufgegeben. Da ist es verwunderlich, daß die Expedition nicht abging, ja daß man nicht einmal versuchte, die französische Unternehmung zu verhindern, die doch ein Gegenstoß gegen die beabsichtigte eigene sein sollte. Aber es wurde nichts Ernstliches gegen das Sammeln der feindlichen Kriegsschiffe und Transporter getan, die in verschiedenen Häfen ausgerüstet werden mußten. Nur durch ein Blockieren von St. Malo ist ihr Zusammentritt um einige Wochen verzögert, gegen das Auslaufen der großen Flotte im Juni wurde nicht vorgegangen. Daß England hierzu nicht imstande gewesen wäre, kann man bei der Überlegenheit seiner Marine kaum annehmen. Colomb („naval warfare“) erblickt hierin wohl mit Recht einen strategischen Fehler. Mit dem Vorstoß gegen Lorient wollte man nun diesen einigermaßen wieder gut machen.

Aber wäre der Angriff auch wirklich mit Erfolg gekrönt worden, so würde es doch nur ein Ausgleich gegen etwa von den Franzosen in Amerika errungene Vorteile gewesen sein, nur ein geringer Gewinn für die überlegene Seemacht. Man wählte Lorient als geeignetsten Angriffspunkt, da die Stadt einerseits nur[87] schwach befestigt war und anderseits als Hauptstapelplatz der französisch-ostindischen Kompagnie reiche Beute versprach; man hoffte ferner, daß man von hier aus in der Bretagne den protestantischen Teil der Bevölkerung (besonders in La Rochelle) zum Aufstand bringen und dann, von der See her stets unterstützt, weiter in die Provinz eindringen könne. Nicht genügend vorbereitet und mangelhaft durchgeführt, schlug das Unternehmen völlig fehl.

Der englische Angriff auf Lorient 1746. In Portsmouth wurden auf 40 Fahrzeugen 7000–8000 Mann unter Generalleutnant St. Clair eingeschifft; Admiral Lestock deckte den Transport mit einem Teil der Kanalflotte, sandte einige Schiffe zur Erkundung der Küste voraus und folgte Mitte August mit dem Transport; er erreichte aber widriger Winde halber erst Ende September die Insel de Groix. Nach französischen Angaben hätte er leicht in die Bucht von Lorient einlaufen können, da die Orte Port Louis und Lorient kaum befestigt und nur von wenigen Kompagnien Küstenwache (Miliz) besetzt waren. Seestreitkräfte waren gar nicht zur Stelle, in Brest scheint man weder das Passieren der Erkundungsdivision, noch das der 50 Segel starken Flotte bemerkt zu haben; die englischen Führer scheinen aber auch hiervon weder durch ihre Behörden daheim noch durch Erkundung Kenntnis gehabt zu haben. Man versuchte gar kein gewaltsames Eindringen, sondern landete am 1. Oktober etwa 15 Kilometer westlich von Lorient an der Mündung des Quimperlé. Der Kommandant der bedrohten Stadt bot in Eile alle erreichbaren, wenn auch kaum regelrecht bewaffneten Milizen auf und verstärkte die Befestigungen, war aber doch zur Übergabe geneigt, wenn der Gegner vom Beutemachen absehen wollte. Die Engländer gingen hierauf nicht ein, sondern rückten auf Lorient vor; sie kamen jedoch wegen ungünstigen Geländes nur langsam vorwärts, und der Angriff stockte vor der Stadt, weil jegliches Belagerungsmaterial fehlte. Am 7. Oktober gaben sie die Berennung auf und schifften die Truppen wieder ein; wie französische Angaben sagen, zum Erstaunen des Kommandanten, der gerade beschlossen habe, die Stadt auf jede Bedingung hin zu übergeben. Als Beispiel der mangelhaften Ausrüstung der englischen Expedition sei erwähnt, daß der General auf seine Bitte um eine Karte der Bretagne durch Eilboten eine solche der Gascogne erhielt.

Darauf landeten die Engländer bei Quiberon, gaben aber auch hier nach wenigen Tagen die Operationen auf, nur die Inseln Houat und Hoedik wurden gebrandschatzt und ihre Befestigungen zerstört. Am 23. Oktober ging die Flotte nach England zurück.

Ruhm gewannen die Engländer bei diesem Unternehmen nicht. Moritz von Sachsen erhielt allerdings Befehl, Truppen nach der Bretagne zu werfen, doch inzwischen hatte er durch seinen Sieg bei Rocoux neue große Erfolge errungen und fühlte die Schwächung nicht. Bemerkenswert ist die berechtigte Klage französischer Quellen über die traurige maritime Verfassung Frankreichs, infolge deren eine so wichtige Küstenstadt fast widerstandslos gelassen war, und die nicht einmal starke feindliche Flotte wochenlang unter der Küste bleiben und mehrfach landen konnte, ohne von Brest oder Rochefort aus bedroht zu werden.

Im Mittelmeer beherrschten 1746 die englischen Seestreitkräfte, insgesamt etwa 30 Linienschiffe, die See und unterstützten das österreichisch-sardinische Heer bei der Einnahme von Genua und dem Vordringen in die Provence. Eine Flottille leichterer Fahrzeuge deckte im Dezember den Übergang über den Grenzfluß Var, die gegen 20 Linienschiffe starke Flotte[88] zwang die Lerinischen Inseln zur Übergabe und beschoß die Stadt Antibes, die vom Heere berannt wurde. Die Franzosen setzten schleunigst die sehr vernachlässigte und nur schwach besetzte Stadt Toulon in notdürftigen Verteidigungszustand.

Im Jahre 1747 kam das Vordringen des verbündeten Heeres allerdings bald zum Stehen, da sich Genua in ihrem Rücken wieder empörte. Der Marschall Belle-Isle entsetzte dann am 3. Februar Antibes und trieb die Gegner über den Var zurück. Auch gelang es, trotz der englischen Flotte die Lerinischen Inseln im Mai wiederzunehmen, sowie einige Male über Corsica auf kleinen Fahrzeugen nach Genua Unterstützung zu bringen. Im allgemeinen blieben jedoch die Engländer bis zum Ende des Krieges (1748) Herren der See im Mittelmeer und hielten die spanischen und französischen Kriegsschiffe in ihren Häfen fest. Zur Unterbindung des Verkehrs zwischen Frankreich und Italien rüsteten sie eine große Anzahl kleinerer Fahrzeuge aus, die dicht unter der Küste kreuzten. Die Marinen ihrer Gegner unternahmen im Mittelmeer nichts. Französische Quellen sagen: „1748 war die Erschöpfung an Schiffen, Ausrüstungsgegenständen jeder Art, sowie an Personal in Toulon vollständig.“

Die beiden Seeschlachten bei Kap Finisterre 1747[56]. Auch in den atlantischen Gewässern wurde die französische Flotte in diesem Jahre völlig lahmgelegt. Die englische Admiralität scheint von nun an über die Absichten und Bewegungen des Feindes besser unterrichtet zu sein als bisher und war auch imstande, ihm kräftig entgegenzutreten. Zunächst hatten die Franzosen zwei Geschwader ausgerüstet, von denen das eine, 3 Linienschiffe, 2 Fregatten, unter dem Chef d'Escadre de la Jonquière etwa 30 Transporter von Brest nach Kanada begleiten, das andere, 3 Linienschiffe und einige größere Schiffe der ostindischen Kompagnie unter Grout de St. George, einem Offizier genannter Kompagnie, mit einigen Kauffahrern von Lorient nach Ostindien segeln sollte.

Beide Geschwader gingen im März 1747 in See, wurden jedoch durch Sturm genötigt, auf der Rhede von l'Ile d'Aix, zwischen der Mündung der Charente und der Insel Oléron, einem beliebten Anker- und Sammelplatz für größere Verbände, zu ankern. Sie beschlossen, der größeren Sicherheit halber, von hier aus vorläufig gemeinsam weiter zu segeln und liefen am 10 Mai aus. Ein Linienschiff unter Kapitän Bouvet de Lozier und 4 Ostindienfahrer des zweiten Geschwaders, die im Sturm abgekommen waren, hatten die Reise fortgesetzt und erreichten Indien. Von England waren Mitte April Vizeadmiral George Anson und Kontreadmiral Peter Warren mit 17 Schiffen in See gegangen; sie kreuzten auf der Höhe von Kap Finisterre und stießen am 14. Mai etwa 75 Seemeilen nordwestlich des Kaps auf die Gegner. Auffallenderweise haben die sonst bisher stets so gut unterrichteten[89] Franzosen keine Kenntnis von der Anwesenheit Ansons in den spanischen Gewässern gehabt und in dem nun folgenden, höchst ungleichen Kampfe wurden sie vernichtend geschlagen.

Die erste Schlacht bei Kap Finisterre, 14. Mai 1747. Als die Gegner einander sichteten, standen die Engländer bei nördlichem Winde östlich von den Franzosen. De la Jonquière ließ durch eine Fregatte die Stärke des Feindes feststellen und befahl dann den Kriegsschiffen sowie den armierten Schiffen der Kompagnie, die Schlachtlinie zu bilden, der Konvoi sollte unter Deckung der einen Fregatte, eines kleineren Kriegsschiffes und eines Kompagnieschiffes mit raumem Winde das Weite suchen. Seine Linie bestand aus einem Schiffe zu 74 Kanonen (dem Flaggschiff Grouts), 1 zu 64 (das eigene Flaggschiff), 1 zu 52, 2 zu 50, 1 zu 40 und 5 Kompagnieschiffen zu 18–30 Kanonen.

Auch Anson hatte die Schlachtlinie angeordnet, sobald er aber die Schwäche des Feindes erkannte, befahl er „allgemeine Jagd“; seine Flotte — 1 Schiff zu 90, 1 zu 74, 9 zu 60–66, 3 zu 56, 1 zu 40 Kanonen sowie einige kleinere — ging nun ohne besondere Ordnung so schnell wie möglich an den Feind. Dieser blieb nicht lange in Ordnung; 2 Kompagnieschiffe brachen sofort aus, 2 andere sowie auch ein 50-Kanonenschiff strichen schon nach kurzem Kampfe die Flagge. So wurde es den Engländern leicht, die feindliche Linie an verschiedenen Stellen zu durchbrechen und den Rest der Franzosen von beiden Seiten anzugreifen. De la Jonquière gab nun den Befehl zum Rückzug mit raumem Winde; es folgte ein laufendes Gefecht in der Melée, in dem nach bewundernswerter Gegenwehr innerhalb von drei Stunden sämtliche französische Schiffe der Übermacht erlagen. Um 7 Uhr abends drehte Anson bei, ließ aber bis zur völligen Dunkelheit durch drei Schiffe den Konvoi verfolgen, wobei noch die beiden ausgebrochenen Kompagnieschiffe, das kleine Kriegsschiff und 6 Fahrzeuge des Konvois genommen wurden.

Der Verlust der Franzosen betrug also 5 Linienschiffe, 1 Fregatte, 1 Kriegsfahrzeug und 5 große Kompagnieschiffe. Von der tapferen Gegenwehr zeugten die großen Beschädigungen der Schiffe und der Verlust von 800 Toten und Verwundeten, unter den letzteren der Admiral und sein Flaggkapitän. Auch die Engländer büßten 520 Mann ein, aber die auf den feindlichen Schiffen gemachte Beute hatte einen Wert von 300 000 Lstrl.

Die zweite Schlacht erfolgte im Herbst. Am 6. Oktober 1747 verließen 250 nach Westindien bestimmte Kauffahrer die Rhede von l'Ile d'Aix; sie wurden gedeckt durch ein Brestgeschwader von 8 Linienschiffen, 1 Fregatte unter dem Chef d'Escadre de l'Etanduère[57]. Von England war am 20. August eine Flotte, 14 Linienschiffe und einige Fregatten, unter Kontreadmiral Edward Hawke[58] zum Abfangen des Konvois ausgesandt[90] und sichtete ihn in der Biscaya am 25. Oktober — etwa 270 Seemeilen nördlich vom Kap Finisterre auf 47° 49′ Nordbreite. Der französische Admiral nahm den Kampf gegen den weit überlegenen Gegner auf, opferte seine Kriegsschiffe und rettete dadurch den Konvoi.

Die zweite Schlacht bei Kap Finisterre, 25. Oktober 1747. De l'Etanduère wußte um die Anwesenheit der englischen Flotte in der Nähe von Kap Finisterre. Er steuerte deshalb nach Verlassen der französischen Küste zunächst nordöstlich, um das Kap auf weitere Entfernung als sonst üblich zu umsegeln, wurde jedoch von zwei versprengten oder abgezweigten englischen Schiffen gesehen; diese riefen Hawke herbei. Als sich die Gegner am 25. Oktober in der Frühe sichteten, segelte der Konvoi mit raumem westlichen Winde zwischen zwei deckenden Kolonnen, von denen die eine in Lee aus den 8 Linienschiffen, die andere zu Luward aus einem 64-Kanonenschiff der westindischen Kompagnie, der Fregatte und 6 gut segelnden Kauffahrern bestand; diese Kolonnen sollten also wohl nur die große Zahl der Fahrzeuge zusammenhalten. Der Admiral gab dem Konvoi und der Luvkolonne den Befehl, sich in Lee der Linienschiffskolonnen zu begeben und dann nach NO hin auszuweichen; mit den Linienschiffen bildete er die Schlachtlinie über Steuerbordbug.

Bei der großen Zahl der Kauffahrer erforderte dies Manöver längere Zeit; die Linienschiffe mußten ihre Entfernungen voneinander erweitern, um die Kauffahrer durchzulassen, und dann wieder schließen. So fanden die Engländer Zeit, heranzukommen. Hawke hatte zuerst allgemeine Jagd befohlen, bildete dann aber vorsichtshalber die Schlachtlinie, da man viele große Schiffe sah; als er näher herankam und die geringe Zahl der Kriegsschiffe erkannte, gab er wieder den Befehl zur allgemeinen Jagd. Die Franzosen nahmen den Angriff unter Marssegeln auf, ihre vordersten Schiffe braßten sogar back, um den hintern das Aufschließen zu erleichtern. Die englische Flotte kam von hinten auf, ihre Schiffe verteilten sich nach eigenem Gutdünken auf beide Seiten der wohlgeordneten französischen Linie, bis diese in ihrer ganzen Länge zwischen zwei Feuer genommen war. In der Linie lagen 1 Schiff zu 80 Kanonen (das Flaggschiff), 4 zu 74, 2 zu 64 und 1 zu 50, während die englische Flotte 1 Schiff zu 74, 1 zu 70, 10 zu 60–66 und 2 zu 50 Kanonen zählte. Gegen diese Übermacht fochten die Franzosen mit einer Ausdauer, die auch beim Gegner höchste Anerkennung fand. — Gegen Mittag hatten die vordersten englischen Schiffe das Feuer auf die feindlichen Schlußschiffe eröffnet, erst um 4 Uhr nachmittags strich das erste französische Schiff die Flagge, und es war 7 Uhr abends, als 6 Schiffe, zerschossen und entmastet, genommen waren; dem Flaggschiff und dem Vierundsiebziger gelang es sogar, sich aus dem Gefecht zu ziehen und unbelästigt Brest zu erreichen, wobei das Flaggschiff zeitweise von seinem Kameraden in Schlepp genommen wurde.

Der Verlust an Mannschaften betrug auf französischer Seite 800, auf englischer 712 Mann. Nach französischen Angaben haben die Franzosen 1842 Schuß, die Engländer gegen 4000 abgegeben. Diese sollen viel Kartätschen und Kettenkugeln (besonders wirksam gegen die Takelage), verfeuert haben, Geschoßarten, von denen die Franzosen nur wenig an Bord hatten. Die englischen Schiffe hatten gleichfalls so gelitten, daß sie nicht daran denken konnten, den Konvoi zu verfolgen. Admiral Hawke sandte jedoch sofort einen Schnellsegler nach Westindien, um dort den Stationschef von der bevorstehenden Ankunft des Konvois zu benachrichtigen, und so wurden immerhin durch Kriegsschiffe noch 20 Kauffahrer (im Wert von 100 000 Lstrl.) und von Freibeutern weitere zehn aufgebracht.

In den eben geschilderten Schlachten Ansons und Hawkes siegten die Engländer durch ihre Überlegenheit an Zahl, und die Führer handelten richtig, wenn sie allgemeine Jagd anordneten. Mahan[91] sagt hierzu: „Wenn sich der Feind infolge einer Schlacht oder erheblicher Unterlegenheit zur Flucht genötigt sieht, so soll man die Rücksicht auf eigene Ordnung bis zu einem gewissen Grade außer acht lassen; der hierin vom Admiral Tourville nach der Schlacht bei Beachy Head 1690 gemachte Fehler ist dort erwähnt“ (auch von uns, vgl. Band I, Seite 439). „Es kommt dann darauf an, den Gegner zu überholen oder festzuhalten, und dies kann mit Sicherheit nur erreicht werden, wenn man die schnellsten oder die zur Verfolgung in günstigster Lage befindlichen eigenen Schiffe ihren Vorteil ausnutzen läßt; diese werden die langsamsten Schiffe des Gegners einholen, die dann verloren sind oder die Gesamtstreitmacht nötigen, sich zu stellen.“

Auch die französischen Admirale verfuhren in beiden Schlachten richtig, wenn sie sich mit den Kampfschiffen zwischen ihre Schutzbefohlenen und den Feind legten. Jonquière erreichte seinen Zweck nicht ganz, weil er von verschiedenen Schiffen im Stich gelassen wurde; der glänzenden Verteidigung l'Etanduères aber war die Rettung des wertvollen Konvois zu danken. — Daß die deckenden Geschwader so klein bemessen waren, spricht nicht für die Leitung der französischen Marine oder bezeugt ihre Schwäche. Im ersten Falle handelte es sich allerdings nur um kleine Unterstützungen für die fernen Kriegsschauplätze, und solche waren in den letztverflossenen Jahren häufig dem Gegner entgangen; im zweiten Falle aber hätte man, durch den ersten Verlust gewitzigt, dem ungeheuer großen Konvoi, der viel schwerer unbemerkt durchschlüpfen konnte, doch einen stärkeren Schutz zuteil werden lassen müssen.

Das Jahr 1747 brachte zwischen beiden Schlachten noch weitere bemerkenswerte Verluste der Franzosen. Am 1. Juli 1747 stieß Kapitän Fox mit 4 Linienschiffen und 2 schweren Fregatten in der Bucht von Biscaya auf einen großen Konvoi heimkehrender französischer Westindienfahrer, dem er schon seit Mai auflauerte. Der Führer der Bedeckung (3 Linienschiffe und 1 Fregatte), Kapitän Dubois de Lamotte, machte zwar zunächst Miene, durch Aufnahme des Kampfes den Feind festzuhalten, führte diese Absicht aber nicht durch, sondern gab den Kauffahrern den Befehl, sich auf eigene Faust zu bergen. Er räumte mit seinen Kriegsschiffen das Feld und führte diese wohlbehalten nach Brest, aber 47 seiner Schutzbefohlenen fielen den Engländern in die Hände. — Wenige Tage später jagte Admiral Warren, zweiter Admiral auf Ansons Flotte, ein französisches Kriegsschiff nebst 5 Handelsschiffen bei Kap Finisterre auf den Strand und nahm oder verbrannte sie.

Nach dem Verlust von 11 Linienschiffen in den beiden Schlachten scheint Frankreichs Marine auch im Atlantik erschöpft gewesen zu sein, und es zeigen sich dort keine Seestreitkräfte von Bedeutung mehr. Man hört nur — es klingt fast wie ein Scherz — von der Indienststellung eines zwei Fregatten starken „fliegenden Geschwaders“ zum Schutz der atlantischen Küste. Diese kleine Macht fing zwar einige Freibeuter und bestand sogar ein Gefecht mit stärkeren Kriegsschiffen, konnte aber selbstverständlich nicht hindern, daß die eigenen Kaper genommen und der Handel schwer geschädigt wurde. Nach der zweiten Schlacht bei Finisterre kreuzten nämlich in den Jahren 1747 und auch 1748 bis zum Friedensschluß stets[92] mehrere englische Geschwader, von Flandern bis Gibraltar verteilt, vor der französischen und spanischen Küste.

Die Beteiligung der holländischen Marine am Kriege beschränkte sich auf die europäischen Gewässer und bot tatsächlich kaum eine Unterstützung für England[59]. Beim Ausbruch des Krieges mit Frankreich 1744 war dies berechtigt — insbesondere infolge des französischen Versuches, in Großbritannien zu landen —, auf Grund des alten Vertrages von 1678 von Holland 23 Kriegsschiffe zur Unterstützung zu fordern. Die Generalstaaten wollten dem Verlangen zwar entsprechen, aber der traurige Zustand der Marine und der Geldmangel bei den Admiralitäten erlaubten dies zunächst nicht. Erst Anfang August gingen 8 Linienschiffe — 1 zu 72, 1 zu 64, 6 zu 54 Kanonen — unter dem Leutnant-Admiral Grave, 2 Vize- und einem Kontreadmiral nach Spithead; 4 Fregatten, die noch bereit waren, mußten in die Nordsee gesandt werden, um die zurückerwarteten Ostindienfahrer aufzunehmen.

Kennzeichnend für die jetzige Bedeutungslosigkeit der holländischen Marine ist, daß die Schiffe die englische Gösch auf dem Bugspriet führten; allerdings sagte man, es geschehe nur, um Frankreich gegenüber ausdrücklich hervorzuheben, die Schiffe seien ein vertragsmäßiges Hilfsgeschwader, nicht aber Streitkräfte einer selbständig kriegführenden Macht. (Also ein ähnliches Verhältnis wie das der französischen Schiffe vor 1744 zu Spanien.) Die Linienschiffe machten 1744 die Reise des Admirals Balchen in die spanischen Gewässer mit, doch fielen drei bald aus, da sie wegen ihres schlechten Zustandes und Krankheit an Bord Lissabon als Nothafen anlaufen mußten. Im Laufe des nachfolgenden Winters wurde das holländische Kontingent nach und nach wirklich auf 15 Linienschiffe und 5 schwere Fregatten gebracht, der Zustand der Schiffe war jedoch derart, daß sie sich nur einige Male und noch nicht vollzählig an den Kreuzfahrten der englischen Geschwader beteiligen konnten; meist lagen sie untätig in den Häfen, und schon im April 1746 wurden mit Bewilligung Englands 8 Schiffe wieder zurückgezogen.

Das Verhältnis zwischen England und Holland in maritimen Angelegenheiten war schlecht. Holland erhob Klage, daß die Engländer in den auswärtigen Gewässern bei ihrer Jagd auf französische und spanische Kauffahrer auch holländische belästigten; die holländischen Seeoffiziere waren empört, daß ihre älteren Flaggoffiziere unter jüngere englische gestellt wurden und warfen ihrem Chef zu großes Entgegenkommen vor. Im Winter 1745/46 kehrte der Rest der Schiffe nach Holland zurück und damit unterblieb die Gestellung eines Hilfsgeschwaders vorläufig ganz, weil man die schwachen Kräfte notwendig selber gebrauchte. — Schon von 1745 an waren ältere Linienschiffe (sogenannte „Ausleger“, d. i. wohl „Wachtschiffe“) nebst kleineren Fahrzeugen in der Schelde stationiert, hier unter österreichischer Flagge, wiederum nur als Hilfskräfte; als 1746 die Franzosen näher an Holland herankamen, wurden diese vermehrt, nur unter holländischer Flagge. Die anderen Küsteneinfahrten besetzte man ähnlich; man zog dazu auch noch Schiffe der ostindischen Kompagnie und sonst geeignete Kauffahrer heran.

An eigentlichen Kriegsschiffen sind in den Jahren 1746 und 1747 einige zwanzig im Dienst gewesen, von denen aber der größere Teil zum Schutze des Handels in auswärtigen Gewässern Verwendung fand. An der eigenen Küste kreuzten nur wenige (3 oder 5), so daß man sich genötigt sah, 1747 England um Unterstützung durch ein Geschwader zu bitten, als man einen französischen Angriff von Sas van Gent aus gegen Walcheren befürchtete. De Jonge klagt: [93]„Fremde Schiffe mußten herbeigerufen werden, um Vlissingen, den Geburtsort unserer großen Admirale Ruyter, Evertsen, Bankers, zu schützen!“ Im Juli 1747 und im Januar 1748 wurden nochmals kleine Geschwader von 6 Schiffen nach England gesandt, die sich an Kreuzfahrten beteiligten.

Der Krieg in den Kolonien 1744–1748[60].

Nordamerika. Mit der Kriegserklärung zwischen England und Frankreich entbrannten sogleich wieder die Kämpfe unter ihren Kolonien in Nordamerika. Die Franzosen waren hierbei die ersten auf dem Platze, obgleich um 1744 Kanada nur 50000 weiße Einwohner gegen eine Million — in den vier Neuenglandstaaten allein schon 400000 — in den englischen Kolonien zählte. Auch die militärische Macht Frankreichs war gering. Der Generalgouverneur von Kanada verfügte nur über 600 Soldaten und 1200 Milizen; die Grenzforts hatte man zwar verstärkt, aber ernsten Angriffen konnten sie kaum standhalten. Die Befestigungen Quebecs waren noch nicht vollendet. Als wirklich starke Festung konnte nur Louisbourg auf der Insel Breton gelten; hier standen 650 Soldaten und 800 Milizen.

Da aber die Kriegserklärung in Kanada weit früher bekannt wurde als in Neuengland, glaubte der Kommandant von Louisbourg, Duquesnel, dem Gegner durch Überraschung einen empfindlichen Schlag beibringen zu können. Er ließ im Mai 1744 den englischen Militärposten Canseau auf Neuschottland durch 400 Mann überrumpeln und die dortigen Fischereianlagen zerstören; der Versuch, sich auch der Stadt Annapolis, des ehemaligen Port Royal, zu bemächtigen, mißlang, die kleine Truppe mußte abziehen, als ein englisches Kriegsschiff sowie Verstärkungen aus Boston herankamen. Immerhin aber schien Neuschottland gefährdet, dessen Kolonisten vielfach zu Frankreich neigten, und auch die Wegnahme verschiedener englischer Handelsschiffe und Fischerfahrzeuge durch französische Freibeuter erregte die englischen Kolonien. Sie hatten anfangs keine kriegerischen Absichten und wären unter dem Einfluß religiöser Streitigkeiten, Zwiste der Kolonien mit den Gouverneuren sowie untereinander lieber neutral geblieben. Nur der Gouverneur von Massachusetts-Maine (Hauptstadt Boston), Shirley, hatte in Voraussicht eines Krieges Vorbereitungen getroffen und brachte jetzt auch die übrigen Neuenglandstaaten zu einem Angriff auf Louisbourg zusammen. Man bat die Regierung in England um Unterstützung durch Seestreitkräfte und zwar des schnelleren Eintreffens wegen durch die in Westindien stationierten; diesem Wunsche wurde entsprochen.

Die Einnahme von Louisbourg, Mai–Juni 1745. Louisbourg liegt am Eingange eines kleinen vorzüglichen Hafens an der Ostküste der Insel Breton. Die Umwallung der Stadt war für 148 Kanonen eingerichtet, von denen man jedoch nur 64 aufgestellt hatte. Dazu traten 2 Batterien mit 10 und 6 Mörsern, 2 Außenwerke mit 16 und 30 Kanonen (24-Pfünder), die auch den Landzugang deckten, sowie 2 Batterien zu 35 und 34 Kanonen (42-Pfünder), die den Hafen und seinen Eingang bestrichen[94] und deren eine auf einer kleinen Insel lag. Aber die Befestigungen auf der Landseite waren noch nicht ganz fertig, und das schlechte Material ihres Mauerwerkes konnte einer andauernden Beschießung nicht genügend widerstehen.

Die vier Neuenglandstaaten sammelten in Boston 4000 Mann Milizen unter dem Befehl Sir William Pepperels, eines reichen Kaufmanns in Maine, und führten diese, sobald die Nachricht vom Nahen eines Geschwaders eingetroffen war, Anfang April 1745 auf 80 Fahrzeugen, gedeckt durch 11 Freibeuter (zu je 20 Kanonen) nach Canseau. Hier wurden die Truppen eingeübt, bis zu Ende des Monats Kommodore Warren mit 4 Schiffen (1 zu 60, 3 zu 40 Kanonen) eintraf, zu denen im Laufe der Operationen noch einige stießen. In den ersten Tagen des Mai landeten dann die Engländer etwa vier Seemeilen südwestlich von Louisbourg in der Gabarusbucht; sie wurden nicht weiter belästigt, nachdem das Feuer ihrer kleineren Schiffe schwache feindliche Abteilungen vertrieben hatte.

Die Verhältnisse lagen für die Franzosen sehr ungünstig. Zunächst scheinen sie überrascht worden zu sein. In Frankreich hatte man zwar von dem beabsichtigten Angriff Wind bekommen und sofort eine der schnellsten Fregatten zur Benachrichtigung nach Louisbourg abgesandt, aber diese wurde durch die Freibeuter Pepperels gehindert, die Festung zu erreichen und ging nach Frankreich zurück. Ferner war einige Monate vorher infolge schlechter Behandlung und ungenügender Löhnungszahlung unter den französischen Soldaten eine nur mühsam unterdrückte Meuterei entstanden; der Kommandant wagte nicht, die unzuverlässigen Leute dem Feinde entgegenzuführen, um diesen am Landen und Festsetzen zu hindern. Endlich befanden sich auch die Befestigungen der Stadt — von den Franzosen stolz das „amerikanische Dünkirchen“ genannt — keineswegs in der Verfassung, die man nach den ungeheuren Ausgaben dafür (30 Millionen?) hätte erwarten müssen. Die beiden letzten Umstände waren dem Gouverneur Shirley bekannt und hatten ihn in seinem Plane bestärkt.

Die englischen Truppen nahmen die Belagerung auf, während die Schiffe den Hafen blockierten und jede Zufuhr abschnitten. Warrens Kräfte bestanden bald aus 3 Schiffen zu 60, 1 zu 50, 3 zu 40 Kanonen und mehreren kleineren, so daß er unbedingt Herr der See war. Er nahm verschiedene Schiffe, so auch ein Linienschiff zu 64 Kanonen, das Kriegsvorräte in die Stadt werfen sollte; dies war das einzige Kriegsschiff, das zur Unterstützung von Frankreich kam, nachdem die entsandte Fregatte die Nachricht vom Angriff dorthin überbracht hatte. Wahrscheinlich sah man sich außerstande, mehr zu senden, teils weil die Heimatshäfen blockiert wurden, teils weil in diesem Jahre zwei größere Divisionen nach Westindien abgegangen waren.

Warren versuchte, die Batterie auf der Insel mit Booten zu nehmen, aber der erste Angriff scheiterte infolge von Nebel und der zweite wurde blutig abgeschlagen, da die Franzosen die Besatzung beträchtlich verstärkt hatten. Dagegen erbaute die Flotte gegenüber der Stadt an der nur eine Seemeile breiten Einfahrt eine die Insel beherrschende Batterie, und die Truppen nahmen einige Werke der Landseite ein. In der Festung begannen Munition und Proviant knapp zu werden, auch erfuhr man, daß auf eine Unterstützung von der Heimat nicht zu rechnen sei, während die Belagerer Zufuhr an allem Nötigen erhielten. So kapitulierte denn die Stadt am 26. Juni, als die Belagerer nach wirksamer Beschießung einen allgemeinen Sturm vorbereiteten. Die Berennung hatte 44 Tage gedauert, 600 Bomben und 9000 Kugeln waren verfeuert; die Franzosen erlitten einen Verlust von 240 Toten, während die Engländer nur 100 Mann einbüßten.

Um Louisbourg besser als eigenen Stützpunkt verwerten zu können, entfernten die Engländer die gefangenen Soldaten sowie die Einwohner, schifften sie ein und landeten sie einige Monate später an der Küste der Bretagne. — In Anerkennung des Erfolges ward Pepperel die Würde eines Baronets verliehen und Kommodore Warren zum Kontreadmiral befördert.

[95]

Die Einnahme von Louisbourg gilt als eins der besten Beispiele für richtiges Zusammenwirken von Land- und Seestreitkräften bei Berennung einer Küstenstadt. Jede Waffe blieb in ihrem Wirkungskreise: die Landtruppen übernahmen die Hauptaufgabe; die Flotte versorgte, deckte und unterstützte sie. Der Fall der Festung hatte wichtige Folgen. Für England war es von großer Bedeutung, den Ausrüstungshafen für die Freibeuter, den Stützpunkt zur Beherrschung des Eingangs in den Lorenzgolf, genommen zu haben. Unter dem Eindruck des Erfolges bewilligten nun auch die Mittelstaaten reiche Geldmittel für den Krieg; das englische Parlament gestand den Kolonien den Ersatz ihrer Kosten für das Unternehmen zu und zeigte sich jetzt geneigt, einen Angriff auf Kanada tatkräftig zu unterstützen. Frankreich verlor mit der Stadt die ganze Insel Breton, auch fiel eine große Zahl von Handelsschiffen, die ohne Kenntnis der Ereignisse von Westindien nach Louisbourg kamen, in die Hände des Gegners, eine Beute von 25 Millionen Lstrl. Quebec befand sich in ernster Gefahr, seine Befestigungen wurden in Eile vervollständigt, sowie Bündnisse mit Indianerstämmen abgeschlossen, auch bat man dringend in Frankreich um Hilfe.

Wie bereits erwähnt, führte die Absicht auf der einen Seite, den Erfolg auszunützen, auf der andern, die Scharte auszuwetzen, im Jahre 1746 zu Rüstungen in den Marinen Englands und Frankreichs. Während aber die englische Unterstützung nicht abging, entsandte Frankreich, allerdings verzögert, eine große Expedition. Unter dem Befehl des Herzogs d'Anville verließen Ende Juni 1746 7 Schiffe zu 64 Kanonen, 4 zu 50–56, 3 Fregatten, 2 Korvetten und 52 Transporter mit 3500 Mann und reichem Kriegsmaterial Frankreich; man wollte Louisbourg wiedererobern, mit Hilfe der Kanadier ganz Akadien (vor allem Annapolis) wegnehmen und endlich Boston angreifen. Als Sammelplatz der gesamten See- und Landstreitkräfte war Chibouctu (das jetzige Halifax) bestimmt. Infolge verschiedener Umstände schlug das Unternehmen fehl; zwei vorausgesandte Kriegsschiffe trafen im Juli auf dem Sammelplatz ein, aber die große Flotte ließ lange auf sich warten und war dann leistungsunfähig.

Die Expedition d'Anvilles nach Kanada 1746. D'Anville war wohl nicht der geeignete Mann hierzu; zur Galerenflotte gehörig, deren Chef er zuletzt gewesen war, stand er der Hochseeschiffahrt fern. Die Ausrüstung der Expedition war sehr schlecht, teils infolge Geldmangels, teils weil sie dem Intendanten übergeben war, der durch seine Unzuverlässigkeit die erwähnte Meuterei in Louisbourg verschuldet hatte. Die Flotte verließ am 22. Juni Frankreich, erreichte aber erst am 10. September die Küste Neuschottlands. Hier wurde sie am 13. durch einen schweren Sturm zerstreut, der zwei Fregatten bis in die Mitte des Atlantiks trieb, von wo sie nach Frankreich zurückkehrten, einige Schiffe wurden bis zu den Antillen verschlagen. Die übrigen ankerten am 27. September vor Halifax. Sie befanden sich in traurigem Zustande; 800 Soldaten und 1500 Matrosen lagen krank an Skorbut und Pocken, der Rest konnte nicht vollen Dienst tun. D'Anville war am 25. einem Schlagfluß erlegen, unter seinem Nachfolger d'Estournelle wurde zunächst in einem Kriegsrate erwogen, ob man den Angriff auf Louisbourg durchführen oder die Kräfte zu einem solchen auf Annapolis sowie zur Deckung von Quebec teilen solle; der Streit hierüber erregte den erkrankten[96] Chef derart, daß er in Irrsinn verfiel und einen Selbstmordversuch machte. Der auf ihn folgende Oberbefehlshaber de la Jonquière raffte sich dann auf und führte Ende Oktober 4 Kriegsschiffe nebst einigen Transportern mit 1100 Mann gegen Annapolis. Als er aber Kap Sable umsegelte, litten die Schiffe sehr durch einen Sturm; er gab nun jede weitere Unternehmung auf und ging nach Frankreich zurück, wo nach und nach sämtliche Schiffe der Expedition, überfüllt mit Kranken, eintrafen.

Wenn so die Pläne Frankreichs scheiterten, Louisbourg wiederzunehmen und in Akadia einzudringen, hatte doch auch England mit seinen Absichten für das Jahr 1746 kein Glück. Unter Hinweis auf den allgemeinen Wunsch der Neuengländer, Kanada zu erobern, war es dem Gouverneur Shirley gelungen, die Kolonien und das Mutterland zu entschiedenem Vorgehen zu bewegen; die Nachrichten über Frankreichs Rüstungen, sowie über Angriffe der Kanadier auf die Grenzen hatten ihn dabei unterstützt. England versprach die Entsendung einer starken Flotte mit Truppen, um Quebec anzugreifen, gleichzeitig sollten die Milizen der Kolonien von New York aus zu Lande gegen Kanada vorgehen. Aber die Flotte blieb eben aus, nur einige Schiffe von Westindien unter Vizeadmiral Townsend trafen im Frühjahr ein; d'Anville würde diesem weit überlegen gewesen sein, wenn seine Flotte schlagfertig geblieben wäre. Als nun die französische Expedition erschien, sahen sich die Kolonien genötigt, die bei Albany am Hudson zum Vorstoß auf Kanada zusammengezogenen Milizen (10000 Mann) nach Akadia und nach Boston zu werfen. Man vermochte aber trotzdem nicht, die Kanadier völlig aus Neuschottland zu vertreiben, und mußte es außerdem hinnehmen, daß die Grenzgebiete der Staaten New York, Connecticut und Massachusetts durch die Franzosen sowie deren Indianerhorden fürchterlich heimgesucht wurden.

So war im Frühjahr 1747 die Lage für die Franzosen trotz ihrer geringen Zahl und trotz des Fehlschlagens der großen Expedition nicht ungünstig; kam jetzt rechtzeitig Hilfe aus Frankreich, so konnten die Pläne des Jahres 1746 noch ausgeführt werden. Bekanntlich war man in Paris hierzu entschlossen, aber das Geschwader de la Jonquières wurde bei Kap Finisterre durch Anson vernichtet (14. Mai). Später war dann Frankreich nicht mehr imstande, etwas für seine Kolonien zu tun, und Kanada hätte einem ernstlichen Angriff nicht widerstehen können, aber ein solcher erfolgte nicht; es kam in Nordamerika überhaupt nicht mehr zu größeren Feindseligkeiten. Die Kolonien waren nach dem Verrauchen ihres ersten Eifers ergrimmt über den Mangel an Unterstützung seitens des Mutterlandes. Sie beschuldigten dieses sogar, die Eroberung von Kanada gar nicht ernstlich zu wollen; tatsächlich scheint man in England durch die ungünstige Lage der Dinge in Indien zu sehr in Anspruch genommen und zum Frieden geneigt gewesen zu sein, um für Amerika noch weitere Aufwendungen zu machen.

Die Bedingungen des Friedens zu Aachen erregten die Entrüstung der englischen Kolonisten, da das durch ihre Milizen eroberte Louisbourg zurückgegeben wurde und nicht einmal die Grenzfragen Erledigung fanden. Sie sahen den Frieden geradezu als auf ihre Kosten geschlossen an;[97] es soll allerdings in England die Ansicht laut geworden sein, daß nur die Furcht vor der Nachbarschaft der Franzosen die Kolonien noch an das Mutterland fessele, und daß man deshalb gut tue, sie nicht durch die Eroberung Kanadas noch mächtiger und übermütiger zu machen.

Westindien. Wie bereits erwähnt (Seite 70), behielt Westindien nach Ausbruch des förmlichen Krieges zwischen England und Frankreich 1744 als Kriegsschauplatz nicht mehr die Bedeutung, die es während des Krieges zwischen England und Spanien allein gehabt hatte. Engländer wie Franzosen sandten zwar des öfteren nicht unbedeutende Seestreitkräfte in diese Gewässer, doch hatte keine Partei jemals eine derartig überlegene Flotte draußen, um größere Schläge zu planen. Es muß besonders für England wundernehmen, daß es in den nächsten Jahren nicht imstande gewesen ist, die volle Seeherrschaft zu erringen. Aber die Streitkräfte der Jamaikastation waren meistens denen der Spanier bei Kuba und denen der Franzosen bei Haiti nur eben gewachsen und die Antillenstation war häufig sogar schwächer; von dieser wurden in den Jahren 1745 und 1746 mehrfach Geschwader zur Verwendung in Nordamerika abgezweigt.

So beschränkten sich denn die Gegner darauf, die eigenen Besitzungen, sowie abgehende und ankommende Konvois zu decken und den Verkehr des Feindes zu stören. Die Engländer waren wohl häufiger die Angreifer, und es gelang ihnen auch zuweilen, größere französische Konvois zu nehmen oder doch zu zerstreuen, mehrfach aber glückte es auch den Franzosen, Handelsgeschwader hinaus- oder heimzuführen. Hierin zeichnete sich besonders der Kapitän de Conflans aus; 1745 machten sie sogar einen Angriff auf die Insel Anguilla und landeten 600 Mann, die jedoch von den Einwohnern selber zur Wiedereinschiffung gezwungen wurden, obgleich diese nur über 100 Bewaffnete geboten. Auf die Bewegungen der kleinen Geschwader und der Konvois sowie auf die unbedeutenden Zusammenstöße näher einzugehen, würde ermüden; man findet sie in den Spezialquellen (z. B. Clowes, Band III, Troude, Band I, Lacour, Band I). Der Kleine Krieg, die Schädigung des feindlichen Handels durch Freibeuter und einzelne Kriegsschiffe, dürfte — wie es bis 1744 der Fall gewesen, weil die Engländer ihre Kräfte damals zu den Unternehmungen gegen spanische Städte zusammenhielten — weiter zu ihrem Nachteil ausgefallen sein, solange sich die Seestreitkräfte der Gegner ungefähr die Wage hielten, da der größere englische Handel eben mehr Angriffsgelegenheiten bot.

Erst im letzten Jahre des Krieges wurde es anders, als die Marine Frankreichs lahmgelegt war. Das Jahr 1748 bringt denn auch größere Unternehmungen der Engländer, und zum ersten Male seit langer Zeit läßt die spanische Flotte wieder von sich hören, und zwar Günstiges.

Angriffe der Engländer auf Port Louis und Santiago de Cuba. Im Februar 1748 verließ Kontreadmiral Knowles mit 7 Linienschiffen, 1 Schiff zu 50 Kanonen und 2 kleineren Jamaika, um Santiago[98] de Cuba anzugreifen. Andauernde nördliche Winde hinderten ihn jedoch, dieses Ziel zu erreichen und er wandte sich gegen Port Louis an der Südküste Haitis. Hier konnten die Schiffe auf Pistolenschußweite an die Befestigungen herangeführt werden und kämpften diese bald nieder. Den 257 Kanonen einer Breitseite des englischen Geschwaders standen nur 78 in den Werken gegenüber; der Angriff eines spanischen Branders wurde durch Boote abgeschlagen, zwei andere Fahrzeuge dieser Art vernichtete man auf ihren Liegeplätzen, ehe sie zum Angriff kamen. Die Stadt kapitulierte am 8. März; die Angreifer hatten 70 Tote und Verwundete verloren, die Spanier 160 von den 600 Mann der Garnison. Dann segelte Knowles nach Santiago de Cuba. Dies war stärker befestigt als zur Zeit der Berennung durch Vernon. Trotzdem wollte Knowles die Einfahrt erzwingen, mochte auch Vernon der Windverhältnisse wegen einen derartigen Versuch für aussichtslos gehalten haben. Als jedoch die dazu bestimmten Schiffe festgestellt hatten, daß die Einfahrt mittels einer Floßsperre und dahinter bereitgehaltener Brander verteidigt war, gab man die Angriffe auf und kehrte nach Jamaika zurück.

Das Gefecht vor Havanna, 1. Oktober 1748. Später erfuhr Knowles, daß in Havanna die Silberflotte von Vera Cruz erwartet würde. Er ging mit 5 Linienschiffen in See und kreuzte bei den Tortugasbänken. Kurz vorher hatte ein nach England bestimmter Konvoi, gedeckt durch ein Linienschiff, Jamaika verlassen und war wegen der Windverhältnisse gleichfalls durch die Floridastraße gesegelt, anstatt wie üblich durch die Windwardpassage. Dieser Konvoi traf am 29. September auf ein spanisches Geschwader; der Führer des Linienschiffes befahl seinen Schutzbefohlenen, sich zu zerstreuen, während er selber Knowles aufsuchte und auch schon am nächsten Tage fand. Das englische Geschwader — 1 Schiff zu 80 Kanonen (das Flaggschiff), 1 zu 70, 4 zu 60, 1 zu 50 — stieß am 1. Oktober zwischen den genannten Bänken und Havanna auf das spanische — 2 Schiffe zu 74 Kanonen, 4 zu 64, 1 Fregatte zu 36 unter Kontreadmiral Spinola — griff sofort an und trug den Sieg davon.

Die Spanier nahmen den Angriff in guter Ordnung, Kiellinie beim Winde, auf, während von den Engländern zwei Schiffe noch zurückstanden; als um 2 Uhr nachmittags das Nahgefecht begann, scheint der Kampf anfangs nicht günstig für die Engländer verlaufen zu sein. Das englische Flaggschiff wurde von dem spanischen so warm empfangen, daß es schon nach einer halben Stunde die Linie verlassen mußte. Während es ausbesserte, trieb durch Zufall auch ein beschädigtes spanisches Schiff (64 Kanonen) in seine Nähe und wurde nun nach hartnäckiger Verteidigung durch das weit überlegene englische genommen. Dieser Erfolg wird besonders dem Umstande zugeschrieben, daß der Spanier dreimal durch Mörserfeuer[61] des Engländers in Brand geschossen wurde. Inzwischen hatten die zurückgebliebenen englischen Schiffe in[99] den Kampf eingegriffen und der spanische Admiral brach um 8 Uhr abends das Gefecht ab. Die Spanier verloren 86 Tote und 197 Verwundete, die Engländer 59 und 120. Erstere erreichten Havanna, büßten aber noch ein zweites Schiff ein, das wegen seiner Beschädigungen vor dem Hafen ankern und zwei Tage später verbrannt werden mußte, als sich die Engländer näherten.

Der Sieg war aber bei etwa gleichen Kräften für die Engländer ungewohnt schwer zu erringen gewesen. Admiral Knowles wurde denn auch vor ein Kriegsgericht gestellt unter der Anklage, angegriffen zu haben, ehe sein Geschwader zusammen und in der vorgeschriebenen Ordnung gewesen sei (also ähnlich wie Mathews bei Toulon). Er kam aber mit einem Verweise davon, obgleich man ihm auch noch vorwarf, daß er nach dem Ausfall seines Flaggschiffes nicht auf ein anderes Schiff übergegangen sei.

Nach dem Gefecht kreuzte das Geschwader weiter, um die Silberflotte abzufangen, bis der Befehl eintraf, die Feindseligkeiten wegen bevorstehenden Friedensschlusses abzubrechen.

Ostindien[62]. Hier stand Frankreichs Sache vor Ausbruch des Krieges sehr günstig. Die französische Kompagnie schien der englischen den Rang ablaufen zu wollen; um 1740 beschäftigte sie 40 Schiffe, und auch der Handel mit China hatte bedeutend zugenommen. Ihr Besitz bei Pondichery war unter dem Gouverneur Dumas in den Jahren 1739–1741 auf friedlichem Wege durch Gewinnung der Stadt Karikal bei Negapatam sehr erweitert; die Station Chandernagor am Ganges hatte unter Dupleix große Fortschritte gemacht; die Inseln Isle de France und Bourbon waren unter Labourdonnaye leistungsfähige Stützpunkte auf dem Wege nach Indien geworden. 1741 übernahm Dupleix an Stelle des erkrankten Dumas die Station Pondichery; in ihm und Labourdonnaye besaß Frankreich bei Ausbruch des Krieges zwei hervorragende Männer in Indien. Wenn diese in richtiger Weise zusammengearbeitet hätten und von der Heimat genügend unterstützt worden wären, so hätten sie die englischen Niederlassungen vielleicht zugrunde richten können, beides aber traf nicht zu.

Bertrand François Mahé de Labourdonnaye, Offizier der ostindischen Kompagnie und seit 1735 Gouverneur der Maskareneninseln, befand sich 1740 in Frankreich. Da der Krieg mit England vorauszusehen war, stellte er der Regierung vor, wie wichtig es sei, sich bei dessen Ausbruch mit starken Seestreitkräften sofort die Herrschaft in den indischen Gewässern zu sichern, um den Handel Englands lahmzulegen und die englischen Besitzungen wegzunehmen. Die Regierung ging hierauf ein und bewirkte, daß ihm die Kompagnie bei seiner Rückreise (April 1741) fünf große wohl ausgerüstete Schiffe mit 1200 Seeleuten zur Verfügung stellte. Dieses Geschwader sollte auch alsbald nützlich werden; mit seiner Hilfe wurde im Dezember 1741 Mahé befreit, das auf Betreiben der Engländer durch einige indische Fürsten bedroht war. Als aber Labourdonnaye dann wieder in Isle de France eintraf, erhielt er Befehl, die Schiffe nach Frankreich zurückzusenden. Die Kompagnie war nämlich dem Kriege abgeneigt. Sie hoffte, sich mit der englischen Kompagnie über Neutralität zu einigen;[100] sie fürchtete auch wohl, von der eigenen Regierung zu abhängig zu werden, wenn die Gouverneure, wie es bei Labourdonnaye geschehen war, zuviel Gewalt über die Beamten der Kompagnie erhielten. Die Regierung, schwankend, wie sie unter Ludwig XV. stets war, ließ sich davon überzeugen, daß sich bei dem Interesse, das beide Kompagnien am Frieden hätten, ein Kampf in Indien sicher vermeiden lassen würde. So sah sich Labourdonnaye bei Ausbruch des Krieges auf seine eigenen Kräfte angewiesen.

Der Gouverneur Joseph François Dupleix, Sohn eines Direktors der Kompagnie und in deren Verwaltungsdienste aufgewachsen, hatte gleichfalls große Pläne. Er beabsichtigte, ohne die Handelsbeziehungen außer acht zu lassen, in Indien ein Reich zu gründen, in dem Frankreich über eine große Anzahl eingeborener Vasallenfürsten herrschen sollte. Aber auch dieser Plan fand keinen Anklang bei der Kompagnie. Sie wollte sich möglichst auf den Handel beschränken und fürchtete auch wohl, daß ein derartiges Vorgehen die Erhaltung des Friedens unmöglich machen würde. 1743 erhielt Dupleix den Befehl, alle Ausgaben für Bauten, Befestigungen usw. tunlichst einzuschränken. So war auch er auf eigene Kraft allein angewiesen; die von ihm auf höhere Anordnung 1744 eingeleiteten Unterhandlungen mit dem englischen Gouverneur in Madras behufs eines Neutralitätsabkommens wurden abgelehnt, da die Engländer eine Flotte erwarteten.

Labourdonnaye und Dupleix gerieten im Verlauf der Ereignisse durch eine ernste Meinungsverschiedenheit über die Maßregeln zur Durchführung des Kampfes in Zwiespalt. Labourdonnaye sah als Seeoffizier den Kampf um die Seeherrschaft als die erste und wichtigste Aufgabe an, Dupleix hatte mehr die Eroberungen am Lande im Auge. Es ist wohl sicher, daß die Seeherrschaft nicht nur für den Krieg, sondern auch für die großen Pläne Dupleix' überhaupt nötig war; auch ein französischer Autor, der sonst diese Pläne hoch einschätzt, Henry Martin, sagt in seiner „Histoire de France“: „Schwäche zur See war der Hauptgrund, der die Fortschritte Dupleix' hemmte.“

Anfangs waren beide Männer von feurigem Patriotismus beseelt, einig, und beide bereiteten sich mit den ihnen zu Gebote stehenden Mitteln auf den Krieg vor. Dupleix befestigte auf eigene Faust und zum Teil auf eigene Kosten Pondichery und knüpfte enge Verbindungen mit indischen Fürsten. Der Nabob von Carnatic erklärte infolgedessen, daß Pondichery unter dem Schutz des Mogul stehe und daß dieser jeden Angriff der Engländer auf französische Besitzungen an der Koromandelküste verbiete, aber allerdings auch die Franzosen hindern werde, gegen die englischen Niederlassungen vorzugehen. Labourdonnaye hielt in Isle de France alle Schiffe an, rüstete die dazu geeigneten so gut wie möglich zum Kriegsdienste aus und bildete sich aus den Besatzungen Kriegsschiffsmatrosen sowie Soldaten heran. Da dies jedoch geraume Zeit erforderte und da auch die Engländer sich vorläufig noch nicht stark genug zum Angriff fühlten, verliefen die Jahre 1744 und 1745 ohne besondere Ereignisse. Die englische Kompagnie hatte wohl die Absicht gehabt, gegen Pondichery vorzugehen, gab sie jedoch infolge der Drohung des Nabob von Carnatic auf; ein englisches Geschwader unter Kommodore Barnet, das 4 Linienschiffe und 2 Fregatten stark 1744 eingetroffen war, begnügte sich damit, im Golf von[101] Bengalen französische Schiffe aufzubringen und Pondichery von der See abzuschneiden.

Als Anson nach England zurückgekehrt war, sandte man Barnet den Befehl, wenn möglich auch 1744 die spanische Galeone wegzufangen, die jährlich zwischen Manila und Mexiko fuhr, wie es ersterem 1743 geglückt. Die Verhältnisse in Indien gestatteten aber dem Kommodore nicht, sich so weit zu entfernen, jedoch es gelang ihm im Januar 1745, in der Bankastraße drei große Schiffe der französischen Kompagnie zu nehmen, deren bevorstehende Rückkehr von China man erfahren hatte.

Im Jahre 1746 aber fühlte sich Labourdonnaye, zu dem im Januar ein Linienschiff und mehrere Schiffe der Kompagnie gestoßen waren, stark genug zum Handeln. Im April verließ er Isle de France; in einem Zyklon wurden seine Schiffe zwar übel zugerichtet, das Linienschiff völlig entmastet, aber er besserte sie in der Bucht von Antougill auf Madagaskar aus und erschien Ende Juni an der Koromandelküste. Hier kreuzte seit einiger Zeit das englische Geschwader unter Kommodore Peyton, der nach Barnets Tode den Befehl übernommen hatte, zwischen dem Fort St. David[63] und Negapatam. Labourdonnaye beschloß, anzugreifen, obgleich seine Schiffe, wenn auch zahlreicher, an Gefechtskraft weit zurückstanden, und schlug den Gegner aus dem Felde.

Gefecht bei Negapatam, 7. Juli 1746. Das französische Geschwader zählte 1 Linienschiff zu 74 Kanonen und 8 Kompagnieschiffe: 1 zu 38, 1 zu 36, 6 zu 30 Kanonen. Es ist schon früher erklärt (Seite 57), weshalb man die Schiffe der Kompagnie trotz ihrer Größe nicht als vollwertige Schlachtschiffe ansehen kann; an Zahl und Kaliber der Geschütze waren sie weit unterlegen, dagegen hatte sie Labourdonnaye stark bemannt und besonders auf Entern eingeübt. Peyton verfügte über 1 Schiff zu 60 Kanonen, 3 zu 50, 1 zu 40 und 1 zu 20 Kanonen. Labourdonnaye lag am 7. Juli vor Negapatam, einer holländischen Ansiedlung, zu Anker, und ging sofort in See, als das englische Geschwader bei nördlichem Winde zu Luward in Sicht kam. Er hatte die Absicht, den Enterkampf herbeizuführen, konnte aber nicht herankommen, da sich Peyton mit seinen besser segelnden Schiffen dicht am Winde hielt. So entspann sich nur von 4 bis 7 Uhr nachmittags ein Feuergefecht auf mittlere Entfernungen, in dem die Engländer etwa 60 und die Franzosen gegen 70 Tote und Verwundete einbüßten; die Schiffe wurden wenig beschädigt. Peyton räumte während der Nacht das Feld; er wurde später durch seinen Nachfolger unter Arrest nach England gesandt, aber dort nicht weiter zur Verantwortung gezogen.

Das englische Geschwader gab dem französischen nicht nur den Weg nach Pondichery frei, es ließ sogar Madras ohne Schutz, indem es nach Ceylon segelte. Labourdonnaye, der auf seinen Schiffen bedeutende Gelder und Vorräte für Pondichery an Bord hatte, ging nach diesem Hafen und trat mit Dupleix über weitere Maßnahmen in Beratung.

Von jetzt an wurde das Verhältnis zwischen den beiden Führern gespannt. Labourdonnaye wollte vor allem die englischen Seestreitkräfte vernichten. Er bat zu diesem Zweck um Überlassung von 60 schweren[102] Geschützen für seine Schiffe; Dupleix gab ihm nur leichte, weil er die Werke der Stadt nicht zu sehr schwächen wollte. Das Geschwader lief am 4. August aus, um die Engländer zu suchen. Die Gegner sichteten sich auch, wieder vor Negapatam, am 17.; es kam aber zu keinem Zusammenstoß, obgleich sie drei Tage in Sicht voneinander blieben, da Peyton beständig auswich. Dieser ging dann auf die Rhede von Pulicat (nördlich von Madras), lag dort längere Zeit untätig und segelte schließlich sogar Anfang September nach Bengalen (bei den vorherrschenden Winden nach Lee!), obgleich Madras inzwischen bedroht war.

Labourdonnaye hatte bei seiner Rückkehr nach Pondichery den Vorschlag gemacht, das Fort St. David anzugreifen; Dupleix hielt diesen Platz für zu unwichtig und verlangte die Vernichtung des englischen Geschwaders oder einen Angriff auf Madras; hiergegen wandte der Admiral wieder ein, die Engländer wichen ihm zur See stets aus, so lange sie jedoch gegenwärtig wären, sei ein Unternehmen gegen Madras zu gewagt — es scheint, als ob er doch die besseren Schiffe des Gegners gefürchtet habe. Durch den Gouverneur mit seinem Rat vor die Wahl gestellt, entweder eine der geforderten Aufgaben zu übernehmen oder sein Kommando niederzulegen, entschloß sich Labourdonnaye endlich Ende August zum Angriff auf Madras. Kurz vorher waren seine Schiffe — er selber lag krank — vor Madras gewesen und hatten die Stadt kurze Zeit beschossen; da nun Peyton selbst daraufhin nicht erschien, ja sogar nach Bengalen ging, von wo er des Windes halber so leicht nicht zurückkommen konnte, brauchte Labourdonnaye mit ihm nicht mehr zu rechnen.

Die Einnahme von Madras durch die Franzosen. 21. September 1746. Am 12. September ging die Expedition von Pondichery ab, am 14. wurden 2000 Mann (1000 Europäer und 1000 Indier) gelandet. Madras war in keiner Weise auf eine Belagerung vorbereitet. Als das französische Geschwader in Pondichery eintraf, bat der Gouverneur, General Morse, den Nabob von Carnatic um Beistand, wie es vor zwei Jahren die Franzosen getan hatten; der englische Agent verstieß aber derartig gegen die üblichen Formen, daß er nur eine ausweichende Antwort erhielt und vom Nabob kein Verbot an die Franzosen erging. Dennoch, obgleich auch das Fort St. Georg nur 300 Mann Besatzung hatte, und man von den Seestreitkräften im Stich gelassen war, lehnte der Gouverneur eine Übergabe zunächst ab und kapitulierte erst nach mehrtägiger Beschießung am 21. September. Die Garnison und sämtliche Engländer wurden kriegsgefangen, alle Waren und Güter wie Fort und Stadt Eigentum der Franzosen. Aber bei Abschluß des Übergabevertrages hatte Labourdonnaye durchblicken lassen, daß er geneigt sei, die Stadt gegen ein Lösegeld zurückzugeben; nach der Übergabe begann er darüber mit Morse zu verhandeln, trotzdem Dupleix und sein Rat in Pondichery dem Gedanken auf das schärfste entgegentraten. Diese Angelegenheit führte zum völligen Bruch zwischen Labourdonnaye und Dupleix.

[103]

Dupleix hatte gerade am 21. September vom Nabob von Carnatic die Weisung erhalten, die Belagerung sofort aufzuheben, widrigenfalls dieser eingreifen würde. Er antwortete, er wolle Madras, sobald es eingenommen sei, dem Nabob ausliefern; hiervon gab er dem Admiral Kenntnis. Dieser hatte inzwischen dem Gouverneur den Sieg gemeldet und hinzugefügt: „Wenn man die Stadt zerstöre, würden sich die Engländer an einem anderen Platze niederlassen; sie zur französischen Kolonie zu machen, verböte seine Instruktion von 1741, nach der er keine Eroberungen behufs dauernder Inbesitznahme machen dürfe. Er sei für ein Lösegeld; dieses wäre für die Kompagnie und auch für den siegreichen Führer sowie seine Offiziere und Soldaten(!) ein großer Vorteil, und der englische General sei bereit, es in Wechseln auf England zu erlegen.“ Dupleix wollte hiervon nichts hören. Er mußte fürchten, daß England die Wechsel nicht einlösen und daß die nächste englische Flotte die Stadt zurückerobern würde. Er wollte also diese zerstören und durch Zurückgabe ihrer Trümmer dem Nabob gefällig sein, sowie den Engländern schaden. Labourdonnaye setzte aber seine Verhandlungen fort, obgleich Dupleix immer schärfere Sprache brauchte und sogar eine neueingetroffene Verfügung der Kompagnie sandte, nach der der Admiral zwar eine Stimme im Rat haben solle, aber verpflichtet sei, die Beschlüsse dieser Körperschaft durchzuführen. Der Admiral erklärte hierauf, er nähme nur Befehle vom Minister an; die Beamten, die der Gouverneur zur Übernahme der Geschäfte in Madras gesandt hatte, setzte er gefangen[64].

Abgesehen von der Meinungsverschiedenheit über das Schicksal der Stadt und die Art der Kriegführung, haben sicher auch persönliche Beweggründe zum Bruch zwischen den Führern beigetragen. Der Admiral wollte sich nicht unter den Befehl des Rates stellen; der Gouverneur sah sich durch Labourdonnaye in seiner Würde sowie in seinen Rechten verletzt und seine ganze Politik dem Nabob gegenüber in Frage gestellt; auch ging das Gerücht, der Admiral sei von den Engländern bestochen.

Dupleix hatte nicht die Macht, seine Ansicht durchzusetzen, da die Offiziere der Expedition zum Admiral hielten und auch die dreier Linienschiffe, die am 8. Oktober von Frankreich ankamen, sowie die von verschiedenen Kompagnieschiffen, die bisher bei Sumatra gekreuzt hatten, auf dessen Seite traten. Labourdonnaye schloß am 27. September den Vertrag über ein Lösegeld von 421 666 Lstrl. ab, der am 18. Oktober bestätigt und dahin ergänzt wurde, daß Madras am 1. Januar 1747 zurückzugeben sei. Der Admiral hatte sich beeilen müssen, da er der Jahreszeit halber nicht länger an der Küste bleiben konnte; schon am 13. Oktober waren in einem Sturme drei Schiffe gesunken und mehrere schwer beschädigt. Nach notdürftiger Ausbesserung traf er dann am 27. Oktober vor Pondichery ein; er war durch die erwähnten Verstärkungen trotz der Verluste immer noch in der Lage, den Beschlüssen des Gouverneurs und des Rates zu trotzen. Die Uneinigkeit dauerte fort. Um im nächsten Jahre dem Feinde zur See wieder kräftig entgegentreten zu können, verlangte Dupleix, die Schiffe sollten in Atchin überwintern; Labourdonnayes Plan war, sie in Goa gründlich auszubessern und dort noch einige zum Kriegsdienst auszurüsten. Da ihm der Gouverneur Geldmittel, Geschütze und Leute zu diesem Zweck verweigerte, ging er mit den Schiffen seines ursprünglichen Geschwaders über Isle de France nach[104] Frankreich zurück[65]. Die neu herausgekommenen Linienschiffe begaben sich zum überwintern nach Atchin.

Dupleix war jetzt Herr des eroberten Madras und blieb es während der Dauer des Krieges trotz verschiedener Bedrohungen. Schon Ende des Monats Oktober sandte der Nabob von Carnatic, durch die Engländer veranlaßt, ein Heer von 10000 Mann, da die Franzosen keine Miene machten, die Stadt auszuliefern; Dupleix würde dies getan haben, wenn Labourdonnaye die Befestigungen geschleift hätte, so aber fürchtete er, daß sie wieder in die Hand der Engländer fielen. Er befahl indes, einen Zusammenstoß mit den Indern zu vermeiden. Als diese dann aber eine französische Verstärkung von 1000 Mann auf ihrem Marsche von Pondichery nach Madras angriffen, wurden sie am 4. November blutig zurückgewiesen; dies war der erste entscheidende Sieg von Europäern über Truppen des Mogul. Nun fühlte sich Dupleix sicher in Madras; er erklärte den Vertrag Labourdonnayes für ungültig, beschlagnahmte aufs neue Vorräte und Waren und wies die Engländer aus, die Frankreich nicht huldigten. Diese zogen nach Fort St. David ab.

Angriff der Franzosen auf Fort St. David 1747. Hier und in der benachbarten Stadt Cuddalore befand sich jetzt die englische Verwaltung der Koromandelküste, und von hier aus wurde weiter gegen die Franzosen beim Nabob intrigiert. Dupleix wollte deshalb diese letzten englischen Plätze nehmen. Er sandte im Dezember 1746 von Pondichery 1600 Mann mit 12 Geschützen ab; wider Willen mußte er den Befehl dem General de Bury, als dem dienstältesten Offizier, übertragen, einem wenig befähigten und überalterten Manne. Die Engländer verfügten nur über 300 Europäer und 1000 Inder; sie würden wohl unterlegen sein, aber de Bury ließ sich durch den Nabob überfallen und zum Rückzug nötigen.

Als im Januar 1747 die Schiffe von Atchin zurückkamen, hätte ein Angriff wohl Erfolg gehabt, Dupleix sah aber, wohl im Hinblick auf die geringe Befähigung seines Generals, vorläufig davon ab. Er benützte zunächst die Anwesenheit der Schiffe zur Einschüchterung des Nabobs. Dieser, trotz des letzten Erfolges entmutigt und des Krieges müde, ließ sich auch bestimmen, auf die Rückgabe der Stadt Madras zu verzichten und sich von den Engländern loszusagen. Nun erst beschloß Dupleix, vorzugehen. Die Schiffe, die den englischen Seestreitkräften doch nicht gewachsen gewesen wären, schickte er zwar nach Goa, aber er setzte beim Rate die Ernennung eines jungen und befähigten Offiziers — des Schweizer Paradis, von Beruf Ingenieur — zum Oberbefehlshaber durch und ließ ihn am 13. März gegen St. David marschieren. Der günstige Augenblick war jedoch verpaßt. Als die Truppen vor dem Fort erschienen, fanden sie auf der Rhede ein starkes englisches Geschwader —[105] 3 Schiffe zu 60, 3 zu 50, 3 zu 40, 1 zu 20 Kanonen — vor; zu den Schiffen in den bengalischen Gewässern war nämlich kurz vorher eine Verstärkung unter Kontreadmiral Thomas Griffin gestoßen, der auch den Oberbefehl an Peytons Stelle übernommen hatte. Paradis mußte nach Pondichery zurück, das nun selber bedroht schien. Die Engländer fühlten sich jedoch zu einem Vorgehen auf dem Lande zu schwach und begnügten sich damit, die französischen Besitzungen von der See abzuschneiden. Dupleix beorderte seine Schiffe in Goa nach Isle de France, um dort Verstärkungen zu suchen. So verging das Jahr 1747 ohne besondere Ereignisse.

Im Juni 1748 erschien ein französisches Geschwader, 9 Schiffe stark, von Isle de France an der Koromandelküste; es bestand aus den bei der Insel bereits befindlichen Schiffen und den fünf, die unter dem Befehl des Kapitäns Bouvet de Lozier der Vernichtung bei Kap Finisterre (vgl. Seite 88) entgangen waren. Wieder überwog das englische Geschwader an Gefechtswert, aber Bouvet gelang es, durch geschickte Manöver, den englischen Führer Griffin zu täuschen. Er landete unbelästigt 300 Mann, Vorräte sowie eine größere Geldsumme in Madras und kehrte dann nach Isle de France zurück, weil er Kenntnis von der bevorstehenden Ankunft eines weiteren starken englischen Geschwaders hatte. Während Griffin in See gewesen war, um Bouvet zu treffen, hatte Dupleix den Versuch gemacht, St. David zu überrumpeln; er mißlang, da der neue Kommandant, Major Lawrence, kurz zuvor mit geringen Verstärkungen aus England eingetroffen, auf seiner Hut gewesen war.

Angriff der Engländer auf Pondichery 1748. Jetzt wurde die Lage der Franzosen in Indien bedenklich. Sie waren von Frankreich abgeschnitten und konnten bei dem Zustand der Marine keine Verstärkung ihrer Seestreitkräfte mehr erwarten; der Gegner beherrschte die See und sah neuem Zuzug entgegen. Wäre der letzte Überfall auf St. David gelungen, so hätten die Engländer wenigstens keinen Stützpunkt am Lande gehabt. Aber Dupleix verlor den Mut nicht. Er befestigte Pondichery weiter und schuf zwei Meilen von der Stadt einen wichtigen Außenposten, Ariancopan, den er Paradis unterstellte.

In England hatte der Fall von Madras Empörung erregt und nicht nur die Kompagnie, sondern auch die Regierung zu großen Aufwendungen veranlaßt. Ende 1747 ging Kontreadmiral Boscawen mit 10 Linienschiffen sowie 11 Schiffen der Kompagnie, die viele Vorräte und 1500 Soldaten an Bord hatten, in See; am Kap der Guten Hoffnung schlossen sich 6 Schiffe der holländisch-ostindischen Kompagnie mit 400 Mann an. Eine derartig große europäische Flotte hatte der Osten bisher noch nicht gesehen.

Boscawen sollte zunächst die Inseln Isle de France und Bourbon wegnehmen. Er erschien am 4. Juli 1748 vor Isle de France, da er jedoch nach seinen Erkundungen die Insel für zu stark befestigt und besetzt hielt, segelte er drei Tage später nach Indien weiter, zumal da die Jahreszeit für Unternehmungen an der Koromandelküste schon reichlich vorgerückt erschien. Allerdings hatte man in Isle de France alles mögliche[106] für die Befestigungen getan, aber es standen nur 500 Soldaten und 1000 Seeleute zur Besetzung bereit; ein Angriff wäre mithin nicht aussichtslos gewesen. Am 11. August erreichte die Flotte St. David und vereinigte sich mit dem dort schon befindlichen Geschwader. Nachdem man einige Schiffe von diesem, die schon lange draußen waren, heimgesandt und einige andere zu besonderen Zwecken abgezweigt hatte, verfügte Boscawen an Kriegsschiffen über 1 zu 74, 1 zu 64, 4 zu 60, 4 zu 50, 4 zu 8–24 Kanonen und mit den vielen armierten Ostindienfahrern insgesamt über 30 gefechtsfähige Segel. Am Lande standen, einschließlich der Seesoldaten der Schiffe, gegen 5200 Mann Fußtruppen (darunter 3700 Europäer) und etwa 2000 eingeborene Reiter. Dupleix hatte nur 1800 Europäer und 3000 Inder. Trotzdem wurde der Angriff auf Pondichery abgeschlagen.

Admiral Boscawen leitete den Angriff am Lande. Am 18. August rückten die Truppen von St. David gegen Pondichery vor und schlossen die Stadt ein, die durch die Flotte unter Kapitän Lisle blockiert wurde. Dupleix verteidigte sich mit größter Bravour und verlor auch den Mut nicht, als Truppen des Nabob zu den Engländers stießen (wohl die schon erwähnte indische Reiterei). Ein Angriff auf das Außenwerk Ariancopan wurde blutig zurückgeschlagen und bei einem Ausfall aus ihm sogar der tüchtigste englische Offizier, Major Lawrence, gefangen genommen; leider fiel auch Paradis dabei. Das Fort mußte dann allerdings infolge einer Explosion geräumt werden; die weitere Berennung der Stadt machte jedoch keine Fortschritte, obgleich sich noch die Flotte an der Beschießung beteiligte. Die Schiffe konnten des flachen Wassers halber nicht nahe genug herankommen; die englischen Quellen schieben die Schuld im übrigen auf die Unfähigkeit der Landoffiziere, insbesondere der Ingenieure. Als die Regenzeit einsetzte und die Truppen schwer unter Krankheit litten, mußten die Engländer die Belagerung aufgeben; sie gingen am 14. Oktober nach St. David zurück. Die Franzosen hatten 200 Europäer und 50 Eingeborene verloren, die Engländer büßten 1065 Tote ein. Bemerkenswert ist, daß bei dieser Belagerung der Fähnrich Clive, der später so berühmte Gouverneur von Indien, zuerst von sich reden machte.

Dieser Mißerfolg war ein großer Schlag für die Engländer. Das Ansehen der Franzosen, insbesondere des Generalgouverneurs Dupleix, wuchs bei den eingeborenen Fürsten ungemein; viele dieser sandten Glückwünsche. Dupleix rüstete nun seinerseits wieder zum Angriff. Zu Anfang des Jahres 1749 trafen 200 Soldaten sowie einige Geldmittel von Frankreich ein, auch kamen 7 Schiffe von Isle de France nach Madras; ehe jedoch die Feindseligkeiten wieder aufgenommen wurden, erhielt man Kenntnis vom Friedensschluß. Die englische Flotte, die nach der Belagerung von Pondichery während der schlechten Jahreszeit nach Atchin und Ceylon gegangen war, kehrte im Januar 1749 gleichfalls nach St. David zurück; sie beschränkte sich jedoch, von dem Frieden schon unterrichtet, auf die Beobachtung des französischen Geschwaders in Madras.

Im Frieden zu Aachen wurde, wie schon bekannt, Madras gegen Louisbourg an England ausgeliefert. Die Übergabe erfolgte im August 1749 und war ein schwerer Schlag für Dupleix, der schon bedeutende Mittel für bessere Befestigung aufgewendet hatte. Die Engländer[107] ernteten nun die Früchte seiner Arbeit und besetzten auch sogleich noch den ehemalig portugiesischen Platz Sao Tomé, vier Meilen südlich von Madras gelegen.

Im übrigen Indien waren kriegerische Ereignisse nicht vorgekommen. In Bengalen, wo beide Völker Niederlassungen in naher Nachbarschaft besaßen, hatte dies der Nabob des Moguls verhindert; er erhob von beiden Seiten Kontributionen, von den Engländern etwa 100000 Lstrl. Der Handel der englisch-ostindischen Kompagnie hatte sich während des Krieges sogar gehoben, da die englischen Seestreitkräfte den der anderen Staaten lahmlegten. Die englische Ausfuhr nach Indien stieg von 568000 Lstrl. (1745) auf 834000 Lstrl. (1748).

Der Kleine Krieg.

Über den Kampf um den Handel — Schutz des eigenen, Schädigung des feindlichen — im Österreichischen Erbfolgekriege enthalten die Quellen nicht so genaue Angaben wie bisher. Gelegentliche Andeutungen rufen den Eindruck hervor, als ob diese Art der Kriegführung nach der langen Friedenszeit auf beiden Seiten nicht mit der gleichen Tatkraft betrieben worden sei wie in den früheren und auch wieder in den nächstfolgenden Kriegen[66]. In Frankreich fehlt das planmäßige Vorgehen mit eigens dazu gebildeten Divisionen, wie es die Minister Pontchartrin, Vater und Sohn, in den Kriegen 1688–1697 und 1702–1713 vorbereitet hatten; die Marine war bei ihrer jetzigen Schwäche durch die Bestrebungen zum Schutze der Kolonien vollauf in Anspruch genommen.

Auch England leistete im Kleinen Kriege nicht das, was man bei seiner Überlegenheit zur See hätte erwarten können; hier lag der Grund wohl in der zur Zeit herabgesetzten Leistungsfähigkeit der Marine. Der Kampf um den Handel in Westindien wurde, wie erwähnt, englischerseits nicht mit genügender Kraft durchgeführt, weil man bis 1744 die Seestreitkräfte zu schließlich doch unfruchtbaren Unternehmungen gegen spanische Niederlassungen zusammenhielt und weil man nach diesem Jahre den vereinigten Gegnern nicht überlegen genug war, um die See zu beherrschen.

Aber auch in den europäischen Gewässern waren die englischen Seestreitkräfte sowohl während des Krieges mit Spanien allein, wie später an der spanischen Küste und im Mittelmeer nicht imstande, den eigenen Handel genügend zu schützen; im Kanal und in der Biscaya war dies ja bei der günstigen Lage französischer Häfen als Stützpunkte für Kreuzer und Freibeuter auch früher schon schwierig gewesen. Erst von 1747 an wurde es überall leichter, als die Marine Frankreichs vom Meere verschwunden und auch seine Kaper größtenteils weggefangen waren. „20000 Matrosen, die[108] Besatzungen der Freibeuter,“ sagt Bonfils, „schmachteten in englischen Gefängnissen.“ Andrerseits war nach und nach frischeres Leben in die englische Marine gekommen und man hatte die Zahl der für den Kleinen Krieg besonders geeigneten Schiffe wesentlich vermehrt.

Damit soll nun aber keineswegs gesagt sein, daß der Kampf um den Handel keine bedeutende Rolle in diesem Kriege gespielt habe. Bei der Schilderung der kriegerischen Ereignisse sind die Operationen und Kämpfe um größere Konvois bereits zur Sprache gekommen. Von beiden Seiten kreuzten außerdem zahlreiche Kriegsschiffe und Freibeuter, und in Frankreich wurden, wie schon in den früheren Kriegen, Schiffe der königlichen Marine Privatpersonen zu diesem Zwecke überlassen. Die Verluste an Handelsschiffen bezeugen den bedeutenden Umfang des Kleinen Krieges. Es verloren: die Spanier 1249, die Franzosen 2185 = 3434 Schiffe. Die Engländer durch Spanier 1360, durch Franzosen 1878 = 3238 Schiffe. Man darf jedoch aus diesen Angaben weder schließen, daß die Gegner Englands tätiger gewesen seien, noch daß der englische Handel im großen ganzen ebenso gelitten habe wie der seiner Feinde. Da die Schiffahrt Englands weit bedeutender war, bot sie mehr Angriffsgelegenheit, und aus gleichem Grunde steht die Zahl der verlorenen Schiffe für England in einem ganz anderen Verhältnis zur Gesamtzahl der Handelsfahrzeuge, als bei Spanien und Frankreich. Die Schiffahrt dieser Länder war durch den Verlust nahezu lahmgelegt, ihr Handel vernichtet, der englische durchaus nicht. Da ferner viele den Spaniern abgenommene Schiffe einen ungeheuren Wert hatten, war der durch die Prisen gemachte Gesamtgewinn Englands größer als sein Gesamtverlust; man nennt einen Überschuß von 2 Millionen Lstrl. Ferner hemmte der Ausfall der verlorenen Schiffe keineswegs den Handel des Landes; dieser nahm sogar zu, je mehr der der andern Völker abnahm. Nach Zimmermann (Band II, Seite 311) hatte der Gesamthandel Englands 1744 einen Wert von 17791000 Lstrl., im Jahre 1748 aber einen solchen von 20487000 Lstrl.

Die Ergebnisse des Kleinen Krieges haben sicher dazu beigetragen, beide Parteien dem Frieden geneigter zu machen. In Frankreich verschlechterten sie die ohnehin schon bedenkliche Finanzlage noch wesentlich, aber auch in England wurden trotz der günstigen Bilanz zwischen Gewinn und Verlust sowie der Zunahme des Handels im allgemeinen die betroffenen Kreise des Krieges müde.

Schlußbetrachtungen.

Der besprochene Seekrieg ist der Anfang einer fast ununterbrochenen Reihe von Kämpfen zwischen England und Frankreich im 18. Jahrhundert, aus denen England schließlich als Alleinherrscherin auf dem Meere und als erste Kolonialmacht hervorging. Er brachte in letzter Beziehung noch keine Ergebnisse von Bedeutung, wie denn der Österreichische Erbfolgekrieg überhaupt nahezu ergebnislos blieb. Auch die Kriegführung selber in ihm erweckt[109] nicht das gleiche Interesse wie in den anderen großen Seekriegen. Er regt aber doch zur Betrachtung verschiedener Punkte an, die in geschichtlicher, insbesondere seekriegsgeschichtlicher Hinsicht bemerkenswert und lehrreich sind. Im Nachstehenden soll versucht werden, diesen kurz gerecht zu werden.

Das unmittelbare Eingreifen des Seekrieges in den Landkrieg war gering; es beschränkte sich auf den Kriegsschauplatz in Norditalien. Gemeinsame Waffentaten von Bedeutung, wie z. B. Angriffe auf Küstenstädte der See- und Landstreitkräfte, sind jedoch auch hier nicht zu verzeichnen und kommen nur im Kolonialkriege vor. Mehr tritt die Tätigkeit der Flotten bei den Versuchen Spaniens und Frankreichs hervor, die Verbindung ihrer in Italien fechtenden Truppen mit der Heimat aufrecht zu halten, sowie in dem Bestreben Englands, dieses zu verhindern. Der Einfluß der Seestreitkräfte auf den Verlauf des Landkrieges ist denn auch zu bemerken. Eine französisch-spanische Flotte deckte im Winter 1741/42 das erste Landen der Spanier in Italien. Aber schon das Versprechen Englands, im Mittelmeere eine starke Flotte halten zu wollen, brachte Sardinien auf die Seite Österreichs. Englische Geschwader hinderten dann tatsächlich 1742/43 den weiteren Nachschub von Verstärkungen für das spanische Heer und zwangen Neapel, seine Hilfstruppen zurückzuziehen; dem Vordringen der Spanier und Franzosen am Lande wurde um diese Zeit ein Ziel gesetzt. Nach der für Englands Seemacht nicht ruhmreichen Seeschlacht von Toulon (1744) dagegen, und als 1745 die verminderte englische Flotte im Mittelmeer ihre Aufgaben nicht voll zu lösen vermochte, beteiligte sich Neapel wieder am Kriege, und es gelang den Franzosen, ihr Heer in Italien auch über See zu unterstützen; wir finden die französisch-spanisch-neapolitanischen Truppen in Piemont und in der Lombardei im Vorteil.

1746 vertreiben die Österreicher ihre Gegner aus Italien und bedrohen sogar die Provence; allerdings hatten sie durch den Frieden mit Preußen freiere Hand gewonnen, aber auch die englische Flotte trat in diesem Jahre wesentlich verstärkt auf. In den meisten Schilderungen des Krieges wird der Einfluß der englischen Seemacht nur in Hinsicht auf das Verhalten Sardiniens und Neapels gewürdigt; es dürfte jedoch wohl kein Zufall sein, daß die Kriegslage überhaupt stets dann für Österreich günstiger stand, wenn die englische Flotte die See beherrschte. Wir wollen jedoch nicht behaupten, daß der Einfluß der Seemacht hierbei den Ausschlag gegeben habe.

Der mittelbare Einfluß des Seekrieges auf den großen europäischen Landkrieg ist bedeutend gewesen. Alles in allem wurde Frankreich durch den Mangel an einer starken und leistungsfähigen Marine gezwungen, die im Landkriege errungenen Vorteile aufzugeben, während England seine Stellung mit Hilfe der Seemacht rettete, obgleich es nicht einmal den besten Gebrauch von ihr machte. Um dies zu erweisen, müssen wir zunächst auf die Verhältnisse Frankreichs vor dem Kriege eingehen. In der langen Friedenszeit hatte dieser Staat aufs neue begonnen, seinen Seehandel und seinen Kolonialbesitz zu heben. Man behielt aber[110] stets eine europäische Gebietserweiterung im Auge und ließ sich dadurch bei der ersten geeigneten Gelegenheit in einen Festlandskrieg verwickeln, obschon ein gleichzeitiger Seekrieg mit England vorauszusehen war. Bei Ausbruch des Österreichischen Erbfolgekrieges spielte schon der Kampf auf dem Meere zwischen England und Spanien, und Frankreich war durch Vertrag gebunden, Spanien zu decken, außerdem bedrohte die Eifersucht zwischen den englischen und den französischen Kolonien stets den Frieden. Der große Landkrieg sog dann die Hilfsquellen des Landes auf; man hatte aber, um England nicht zu reizen, die Marine verfallen lassen und damit den Seehandel und die Kolonien, die Haupthilfsquellen, des Schutzes beraubt. Während des Krieges war man nicht imstande — auch wohl aus Mangel an Einsicht für die Bedeutung des Seekrieges kaum geneigt —, die Marine zu stärken; diese brach schließlich zusammen.

Da ist es kein Wunder, daß der Seekrieg für Frankreich so ungünstig verlief, daß die Vernichtung des Handels und die dadurch beschleunigte Erschöpfung des Landes sowie endlich der drohende Verlust der Kolonien wesentlich zu einem Friedensschluß beitrugen, der bei den Erfolgen im Landkriege eigentlich demütigend war. Hätte Frankreich eine Marine besessen, die der englischen entgegentreten konnte, wenn sie dieser auch nicht gewachsen war, so würde es dank seiner Gewalt über die österreichischen Niederlande und über Maastricht günstigere Friedensbedingungen haben durchsetzen können.

Die Kriegführung Frankreichs zur See entsprach der Schwäche seiner Marine; sie mußte sich auf die Verteidigung beschränken. So finden wir denn auch nur zwei ernstliche Versuche, zum Angriff überzugehen: das eine Mal, als man noch vor der Kriegserklärung beabsichtigte, überraschend in England einzufallen (1744), das andere Mal, als die starke Expedition nach Nordamerika entsandt wurde (1746). Die Vorbereitung zu einem Einfall in England (1745), um die Erhebung Schottlands zu unterstützen, ist wahrscheinlich mehr als eine Demonstration anzusehen. Die Marine beschränkte sich darauf, den eigenen Handel zu schützen, den englischen zu schädigen und den Kolonien Verstärkungen zuzuführen. Selbst wenn die Regierung der Seemacht höhere Aufgaben gestellt hätte und Führer von hoher Begabung vorhanden gewesen wären, würde ein Kampf um die Seeherrschaft kaum Erfolge erzielt haben, die von größerem Einfluß auf den Krieg im allgemeinen sein konnten; wahrscheinlich wäre nur der Zusammenbruch der Marine beschleunigt worden. Die untergeordneten Aufgaben hat sie aber einige Jahre hindurch nahezu gelöst.

Zwei neuere französische Marineschriftsteller äußern sich sehr verschieden hierüber: Lacour-Gayet schreibt (Seite 189): „Was fehlte, um die Führer von Verdienst und die tapfern Schiffsbesatzungen zum Erfolge zu führen? Der feste Wille der Regierung, die Marine ihren Teil an der großen Politik nehmen zu lassen! Man benutzte sie zu zwar bemerkenswerten, aber untergeordneten Unternehmungen, wie die Kreuzfahrten nach Westindien. Für die entscheidenden Kriegshandlungen aber, wie den Einfall in England, die Wiedereroberung von Louisbourg, die Kämpfe in Ostindien,[111] schien man sie nur widerwillig heranzuziehen; hier bewilligte man nur so ungenügende Mittel, daß das Mißlingen vorauszusehen war.“

Chabaud-Arnault sagt dagegen (Seite 158; hier gekürzt): „Die meisten unserer Geschichtschreiber verurteilen den Minister, der die Verwendung der Marine leitete. Sie gehen viel zu weit! Unsere Marine war infolge der schändlichen Politik Fleurys völlig ungenügend für ihre wichtige Aufgabe. Sie konnte nicht um die Seeherrschaft kämpfen und widmete sich deshalb der einzig möglichen Kriegführung: der Begleitung von Konvois und der Störung des feindlichen Handels. Hierbei ging sie zugrunde, aber sie hatte Erfolge, die nicht zu verkennen sind. England wollte uns die Kolonien nehmen; es ist ihm nicht gelungen und sein Handel ist zum Teil vernichtet.“ Die Auffassung Chabaud-Arnaults dürfte unserem Erachten nach den Verhältnissen entsprechender sein.

Die Kriegführung Spaniens war durchaus schwächlich. In den europäischen Gewässern verlautet mit Ausnahme der Truppenüberführung 1741 nach Italien und der Schlacht vor Toulon 1744 nichts von spanischen Flotten oder Geschwadern. Der Zustand der Marine muß trostlos gewesen sein. Welch eine lange Zeit gebrauchte die Flotte in Toulon, um segelfertig zu werden, obgleich die Franzosen sie mit Material, Mannschaften, ja selbst Offizieren unterstützten! In Westindien stand es ähnlich. Von den nicht unbedeutenden Kräften (18 Linienschiffe), die hier 1740 versammelt waren, wurde nur ein Drittel dazu bestimmt, die bedrohten Besitzungen in Mittelamerika zu decken; diese Schiffe (6) gingen in Cartagena verloren. Der Rest lag fast tatenlos, sich gewissermaßen an die Franzosen in Haiti anlehnend, in Havanna, nur auf den Schutz dieser Stadt und wohl auch auf den eigenen bedacht. Von hier aus scheinen sie, wie das Zusammentreffen mit den Engländern (1748) zeigt, in nächster Nähe gekreuzt zu haben, aber sie machten nicht einmal den Versuch, einzugreifen, als der Feind vor Santiago de Cuba stand. Infolge der Fehler der Engländer war Spanien längere Zeit erfolgreich im Kleinen Kriege durch Freibeuter und auch, besonders in den europäischen Gewässern, durch einzelne Kriegsschiffe; von diesen fielen jedoch manche den Engländern zum Opfer. In mehreren dieser Einzelgefechte haben sich übrigens spanische Schiffe tapfer geschlagen, so auch das Geschwader vor Havanna.

Die Kriegführung Englands entsprach nicht seiner Überlegenheit zur See. Die englische Marine war 1739 fast dreimal so stark als die spanische. Trotzdem hatten die Angriffe auf spanische Niederlassungen in Westindien — sonst richtig als die geeignetste Maßregel gegen Spanien ins Auge gefaßt — keine durchschlagenden Erfolge, im Mittelmeer wurde die Verbindung Spaniens mit Italien nicht völlig abgeschnitten und selbst im Kleinen Kriege war England nicht im Vorteil. Überall und besonders in Westindien hätte man mit stärkeren Streitkräften auftreten müssen, um so mehr, als man doch damit rechnen konnte und auch tatsächlich rechnete, daß die Franzosen eingreifen würden. Als der Krieg mit Frankreich dann wirklich ausbrach, war die Überlegenheit auf seiten Englands zwar nicht mehr so groß, aber immer noch vorhanden und wuchs fortlaufend beträchtlich; England trat aber auch weiterhin außerhalb des Kanals nur selten mit genügender Kraft[112] auf, und so währte es lange, bis die englische Marine die See beherrschte. Erst im letzten Jahre des Krieges vermochte England die französische Marine lahmzulegen, die Gegner von ihren Kolonien sowie von Italien völlig abzuschließen und den Vorteil im Kleinen Kriege ganz auf seine Seite zu bringen.

Hierdurch wurde nun allerdings Frankreich zum Frieden bestimmt, aber auch England wünschte ihn, da es seinen Verbündeten, Holland, arg gefährdet sah und weil der Krieg schon bedeutende Kosten verursacht hatte; das Geld begann knapp zu werden und jetzt versuchte sogar Holland bei ihm zu borgen. England hatte in dem langen Kampfe den Handel und die Marinen der Gegner für den Augenblick vernichtet; es mußte sich aber mit einem Frieden begnügen, der ihm keine Gebietserweiterungen brachte, ja der sogar die Hauptursachen des Krieges — die Entlastung seiner Schiffahrt von spanischem Drucke in Westindien, die Grenz- und Machtfragen zwischen seinen und den französischen Kolonien in Nordamerika und in Ostindien — unerledigt ließ. Bei seiner Überlegenheit zur See hätte man erwarten können, daß es England gelungen wäre, den eigenen Handel vor größeren Verlusten zu schützen, den Kampf in Nordamerika und Ostindien zu einem günstigen Austrag zu bringen, sowie den Gegnern wichtige Besitzungen in Westindien abzunehmen und mit diesen als Pfand einen schnelleren, jedenfalls aber vorteilhafteren Friedensschluß zu erzwingen. England machte jedoch unter einer schwachen Regierung von seiner Seemacht nicht den richtigen Gebrauch. Weder nach einem klaren strategischen Plane noch mit voller Kraft wurde die Marine eingesetzt; eine mittelbare Bestätigung dieser Behauptung wird uns der nächste Krieg bringen, in dem man unter William Pitts Leitung den richtigen Weg einschlug. Hierzu kam, daß auch die Leistungsfähigkeit der englischen Marine derzeit zu wünschen übrig ließ.

Die Gründe für die Lähmung der englischen Marine sind also in ihrer mangelhaften Verwendung und in ihrer derzeitigen geringeren Leistungsfähigkeit zu suchen; hierüber noch einige Worte. Es zeigte sich, daß England auf allen auswärtigen Kriegsschauplätzen mit ungenügenden Kräften auftrat. Dies ist wohl für die ersten Jahre neben der Abneigung Walpoles gegen den Krieg den unsicheren Zuständen in England zuzuschreiben. Die Sache der Stuarts war noch lebendig und man wagte nicht, die Heimat zu sehr von Truppen und Schiffen zu entblößen. Hierbei sprach wahrscheinlich noch eine falsche Einschätzung der spanischen und vor allem der französischen Marine mit, gegründet auf die zahlenmäßige Stärke dieser ohne Rücksicht auf ihren geringen inneren Wert. Bekannt ist Walpoles Erklärung vor dem Ausbruch des Krieges 1739, England sei dem vereinigten Spanien und Frankreich nicht gewachsen. Außerdem stand für den König Hannover und damit der Landkrieg im Vordergrund; sein dienstwilliges und schwaches Ministerium fügte sich hierin, anstatt den Seekrieg in richtige Bahnen zu lenken und ihn im richtigen Geist zu führen, selbst nicht, nachdem man die Schwäche der feindlichen Marinen erkannt hatte. William Pitts Auftreten schon in dieser Zeit zugunsten der wahren Interessen Englands gegen die hannoversche Politik gab den Anlaß, daß der König so lange zögerte, ihm eine leitende Stellung anzuvertrauen, obgleich die öffentliche Meinung dies forderte. Seine Neigung, das Augenmerk vorzugsweise auf den Landkrieg zu richten, wurde dann dadurch bestärkt, daß Frankreich (seit 1745) den Hauptkriegsschauplatz in die österreichischen Niederlande verlegte[113] und Holland bedrohte; Länder, die England ihm seines eigenen Handels wegen unter keinen Umständen preisgeben wollte. Man erkannte nicht, daß gegen die Erfolge Frankreichs hier gerade das beste Gegengewicht zu gewinnen war, wenn man ihm wertvolle auswärtige Besitzungen als Pfand abgenommen hätte.

Aber auch die Marine selber war nach der langen Friedenszeit nicht in der Verfassung, in der sie hätte sein sollen. Die Verwaltung stand nicht auf der Höhe. Die Zahl der Schiffe ist zwar ungemein groß und wird immer größer, aber mehrfach zeigt sich, daß für die fernen Gewässer bestimmte Geschwader weit später auslaufen, als ursprünglich geplant war. — Englische Quellen fügen oft hinzu: „wie gewöhnlich“ — und auch in den heimischen Meeren scheinen die Flotten nicht immer rechtzeitig bereit gewesen zu sein, so z. B. als im Jahre 1745 ein Einfall der Franzosen drohte. Ferner war der Nachrichtendienst mangelhaft, und so konnten französische Geschwader unbelästigt, ja öfters unbemerkt auslaufen. Auch die anfängliche Überschätzung der Gegner beruhte wohl hierauf. Die Franzosen waren stets weit besser unterrichtet, wie schon unter Ludwig XIV. wohl durch die Anhänger der Stuarts in England. Endlich fehlten im Offizierkorps zu dieser Zeit vielfach der frische Geist und Schneid, die militärische Vorbildung für den Krieg, ja sogar teilweise die Disziplin. Beweise hierfür liefern die Kriegsgerichte über Admiral Lestock und die Kommandanten nach der Schlacht vor Toulon, über Kommodore Peyton nach dem Gefecht bei Negapatam und sein Verhalten nach diesem, sowie über Admiral Knowles nach der Schlacht vor Havanna; ein ähnlicher Fall wie der Peytons ereignete sich noch 1746 in Westindien, wo ein Kommodore (Mitchel) dem Kampfe mit einem schwächeren französischen Geschwader auswich.

Über diese Schwächen im englischen Offizierkorps haben wir uns schon früher (vgl. Seite 80 ff.) näher ausgelassen und gleichfalls mehrfach darauf hingewiesen, daß bei dem englischen Seeoffizier lange Zeit im 18. Jahrhundert das Interesse für die seemännische Seite seines Berufes die für die militärische überwog; gerade für die Zeit unmittelbar nach den langen Friedensjahren trifft dies ganz besonders zu. Diese Mängel haben sicher nicht nur in einzelnen Fällen ihre Wirkung gezeigt, sondern auch im allgemeinen die Durchführung der Aufgaben der Marine gelähmt, denn bessere Zustände in der Marine und infolgedessen bessere Leistungen würden wohl auch die Tätigkeit des Ministeriums dahin beeinflußt haben, die Seemacht richtiger und kräftiger auszunutzen. Ein Läuterungsprozeß begann vor der Schlacht vor Toulon; seit 1747 ist ja auch schon ein Fortschritt zu erkennen, sein Endergebnis kam jedoch diesem Kriege nicht mehr zugute.

Für die Geschichte der Entwicklung der Taktik (vgl. Seite 36 ff.) bringt dieser Krieg noch nicht viel Bemerkenswertes; nur zwei rangierte Schlachten wurden geschlagen: Toulon 1744, Havanna 1748. Diese zeigen uns aber die beschränkte Auffassung der Taktik in der englischen Marine, nach beiden werden die Führer kriegsgerichtlich verurteilt, weil sie gegen den Buchstaben der Vorschrift verstoßen haben. — Die zwei Schlachten bei Finisterre gereichen beiden Gegnern zur Ehre. Die englischen Führer nutzen ihre Überlegenheit richtig dadurch aus, daß sie ohne Ordnung so schnell wie möglich angreifen und die Melee herbeiführen; die französischen Admirale halten mit eigener Aufopferung den Gegner fest, um den ihnen anvertrauten Konvois die Möglichkeit der Rettung zu geben.

Angriffe auf die feindliche Küste fanden in diesem Kriege vielfach statt und bestätigen die strategischen und taktischen Lehren, die sich aus den früheren Kriegen ergeben haben[67].

[114]

Zu erfolgreichen Unternehmungen gegen die Seegrenze des Gegners ist stets die Beherrschung des Meeres nötig. Der letztbesprochene Krieg bringt 1744 wieder einen Versuch Frankreichs, ein Heer nach England überzuführen und hierzu durch die Flotte den Weg freimachen zu lassen. Als ein vollwertiges Unternehmen, die Seeherrschaft vor der Überführung zu erringen, kann jedoch dieser Fall nicht gelten; Colomb sagt bezeichnend: »Es war nicht ein Fall von „Naval warfare“, sondern von „Naval gambling«.“ Denn wenn auch England nicht gerade eine Flotte in Spithead versammelt hatte und auch nicht genau über den französischen Plan unterrichtet war, so durfte Frankreich doch nicht annehmen, daß der Gegner, der schon im Kriege mit Spanien und vor einem solchen mit Frankreich stand, seine Küsten völlig unbewacht und unbeschützt gelassen hätte. Zu einem ernsten Kampfe um die Seeherrschaft war aber die französische Marine zu schwach, und selbst wenn man durch überraschendes Auftreten Teile der noch nicht zusammengezogenen englischen Streitkräfte vernichtet hätte, wäre der Erfolg eines Einfalles nicht gesichert gewesen, da England im Winter vorher zu Wasser und zu Lande stark gerüstet hatte. Tatsächlich trat ja auch eine überlegene Flotte der französischen entgegen, und diese konnte von Glück sagen, daß sie heil davonkam, durch die Witterungsverhältnisse begünstigt. Im Jahre 1745 wurde der gleiche Plan gar nicht ins Werk gesetzt, weil England die See beherrschte; dieses dagegen unternahm 1746 den aus anderen Gründen erfolglosen Angriff auf Lorient ganz richtig, als die französische Atlantikflotte zur Wiedereroberung Louisbourgs abwesend war. — In den Kolonien ging man gegen Küstenstädte nur vor, wenn der Angreifer sich vor feindlichen Seestreitkräften sicher wußte. So nahm Vernon 1739/40 Puerto Belo sowie Chagres und beschoß Cartagena, gab aber derartige Unternehmungen auf, sobald er Kenntnis vom Eintreffen spanischer und französischer Geschwader in Westindien erhielt.

Als die englischen Seestreitkräfte wesentlich verstärkt waren und die Franzosen die Station verlassen hatten, folgen in den Jahren 1741–1743 neue Angriffe auf Küstenstädte, dann aber sehen die Engländer wieder bis 1748 (Angriffe auf Port Louis und auf Santiago de Cuba) davon ab, da sie während dieser Zeit den Gegnern zur See nicht überlegen waren. Die Ereignisse auf den andern Kriegsschauplätzen liefern gleiche Beispiele. Die Engländer nehmen (1745) unter dem Schutz eines starken Geschwaders Louisbourg in Nordamerika. Wäre eine französische Entsatzflotte während der langdauernden Berennung herangekommen, so würde aus der belagernden englischen Flotte eine belagerte geworden sein oder sie hätte die gelandeten Truppen im Stich lassen müssen; die Franzosen wurden aber durch Blockade in den Heimatshäfen festgehalten. In Ostindien überwältigen die Franzosen[115] (1746) Madras, weil das englische Geschwader unter Peyton das Feld räumt — schon wenn es nur in der Nähe geblieben wäre, würde es den Angriff verhindert haben, sie müssen das Vorgehen gegen St. David (1747) aufgeben, als der Gegner wider Erwarten zur See auftritt; die Engländer greifen Pondichery an (1748), nachdem die Franzosen die ostindischen Gewässer völlig geräumt hatten.

Bei der Eroberung von Küstenstädten fällt die Hauptaufgabe den Landstreitkräften zu; die Flotte deckt, versorgt und unterstützt diese. Nach der Zusammenstellung Colombs haben Angriffe durch Seestreitkräfte allein nur in Ausnahmefällen zur Übergabe eines Platzes geführt, so in diesem Kriege bei Puerto Belo (1739), Chagres (1739) und Port Louis (1748). Dabei lagen aber die Verhältnisse besonders günstig für den Angreifer. Im ersten war die Besatzung schwach und entmutigt, in den beiden andern konnten die Schiffe auf ganz nahe Entfernung an die Befestigungen herangehen; in einer solchen Lage hatten aber zu jener Zeit die Schiffe wegen der ungeheuren Überzahl an Geschützen den Befestigungen gegenüber einen großen Vorteil. Die Angriffe auf La Guayra (1743), Puerto Cabello (1743) und Port Louis (1748) durch die Flotte allein führten nicht zur Übergabe. — Beispiele eines gemeinsamen Angriffes von Land- und Seestreitkräften sind die Berennungen von Cartagena (1741), Santiago de Cuba (1741), Pondichery, Louisbourg und Madras. Besonders in den beiden zuletzt genannten Fällen nahmen Flotte und Heer die ihnen zukommende Aufgabe wahr und erzielten einen Erfolg. Wenn solcher in den anderen Fällen ausblieb, so lag dies an Fehlern oder an mangelnder Tatkraft bei der Berennung vom Lande her; Uneinigkeit zwischen den einander gleichgestellten Führern der beiden Waffen sowie ungünstige Klimaverhältnisse traten hinzu. Das Unternehmen der Engländer gegen Lorient kann hier nicht herangezogen werden; es war schon in seiner Anlage verfehlt und ermangelte jeder Energie.

Ein bemerkenswerter Ausspruch Colombs sei noch angeführt. Er sagt (Seite 359 ff., hier kurz zusammengefaßt): „Dieser Krieg bringt uns den Anfang jener höheren Strategie, nicht an Ort und Stelle und unmittelbar unsere (Englands) fernen Besitzungen zu schützen und unsere Flotten in den fernen Meeren zu stärken, sondern mittelbar und in den heimischen Gewässern dadurch, daß man die wichtigen europäischen Häfen des Gegners bewacht und diesen hindert, Verstärkungen hinauszusenden. Von 1747 an geschah dies und mit Erfolg; man hatte wohl eine Lehre aus dem Fehler gezogen, den man 1746 begangen, indem man die große französische nach Nordamerika auslaufen ließ “.

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Fußnoten:

[36] Vgl. diese Punkte betreffend Band I, Seite 576, 598, 601.

[37] Zimmermann, Band II, Seite 192–205, schildert die englisch-spanischen Verhältnisse von 1713–1739 genauer.

[38] Der Schwedisch-Russische Krieg 1741–1743 wird später als „Nebenkrieg“ besonders besprochen.

[39] Seit dem Westfälischen Frieden war es stets ein Ziel der holländischen und der englischen Politik, die Sperrung der Schelde gegen freie Schiffahrt aufrecht zu erhalten und deshalb zu hindern, daß Antwerpen in französischen Besitz komme. Auch Englands Handel schien dadurch bedroht.

[40] Die innere Geschichte der Marinen Frankreichs und Englands ist schon im Kapitel II (Seite 24 ff.) behandelt; dort sind auch (Seite 33 ff.) die Marinen auf ihren inneren Wert — Material und Personal betreffend — gegeneinander abgewogen. So genügen hier die Angaben über den Schiffsbestand zur Zeit des zu besprechenden Krieges. Diese sind hauptsächlich nach Charnock, Teil III, zusammengestellt. Charnock gibt für den Anfang des Krieges nur summarische Mitteilungen, für die Verluste und den Bestand um 1748 Namen und Kanonenzahl der Schiffe. Ähnliche Zusammenstellungen über den Verlust von Schiffen wie in Charnock — englische, französische, spanische, auch mit den Schiffsnamen — sind in „Clowes“, Teil III, Seite 310, zu finden.

[41] Nach de Jonge, Teil IV, Seite 252 ff.; dort findet man die Fortsetzung der inneren Geschichte der holländischen Marine nach 1739.

[42] Besonders benutzte Quellen: Clowes Band III; Lacour I; Mahan Band I; Chab.-Arnault; Bonfils Band II; über die Angriffe auf Küstenstädte auch Colomb. — Die meisten englischen Quellen geben für diesen Krieg das Datum noch nach altem Stil, die französischen nach dem neuen. Bei unserer Schilderung ist die letztere Methode gewählt und nach bestem Wissen durchgeführt. Es sind jedoch Irrtümer, besonders bei weniger wichtigen Ereignissen, nicht ausgeschlossen, da die englischen Quellen anscheinend ihre Methode nicht immer genau durchgeführt haben.

[43] Warpen: Ein Schiff mit Hilfe von (Warp-) Ankern und Trossen fortbewegen.

[44] Näheres über diese beiden Fälle vgl. Clowes, Band III, Seite 64 und 270; Lacour, I, Seite 132 und 133.

[45] Eingehendere Schilderung vgl. Clowes, Band III, Seite 68, und Colomb, Seite 338.

[46] Eingehendere Schilderungen vgl. Clowes, Band III, Seite 78 und 85; Colomb, Seite 346 und 351.

[47] Lord George Anson, geboren 1697, machte als Leutnant die Operationen unter Norris und Byng in der Ostsee und im Mittelmeer mit, wurde 1723 Kapitän. 1740–1743 führte er seine Reise um die Welt aus, siegte als Vizeadmiral am 14. Mai 1747 bei Kap Finisterre über de la Jonquière, wofür er zum Peer erhoben wurde, war 1751 Erster Lord der Admiralität, kommandierte im Siebenjährigen Kriege längere Zeit die Flotte; wurde 1761 Admiral of the Fleet, starb 6. Juni 1762. — Eine eingehendere Schilderung obiger Reise z. B. in Clowes, Band III, Seite 320.

[48] Uns schon bekannt als Flottenführer zu Anfang des Jahrhunderts; vgl. Band I, Namenverzeichnis.

[49] Thomas Mathews, geb. 1676, Kapitän 1703, zeichnete sich im Spanischen Erbfolgekriege aus, wurde 1742 Vizeadmiral, 1743 Admiral; infolge der Schlacht vor Toulon durch kriegsgerichtlichen Spruch aus der Marine entlassen. Er war ein tüchtiger Offizier von vornehmem Charakter, gehorsam als Untergebener, fest, aber schroff als Vorgesetzter. Ehe er das Kommando übernahm, hatte er das Verlangen auf Abberufung Lestocks gestellt; das erfolgte Versprechen ward vergessen oder nicht beachtet.

[50] Richard Lestock, 1743 Kontre- und bald darauf Vizeadmiral, war sehr von sich eingenommen, hart als Vorgesetzter, schwierig als Untergebener, tapfer aber ohne weiten Blick; sehr unbeliebt in der Marine, hatte er sich auch gleich beim Eintreffen Mathews respektlos gegen diesen gezeigt. Nach der Schlacht vom Dienst suspendiert und in Untersuchung gezogen, wurde er freigesprochen und auch weiter verwendet und befördert.

[51] Labruyère de Court, geb. 1666, Gardemarine 1684, Leutnant 1689, Kapitän 1695, Chef d'Escadre 1715, Lieutenant-Général 1720, Vizeadmiral 1750, war ein tüchtiger Offizier, hatte unter Duquesne und Tourville gedient und in der Schlacht bei Malaga das Flaggschiff geführt; jetzt aber zählte er 78 Jahre und hatte im Laufe der letzten 34 Jahre nur ein Bordkommando gehabt.

[52] Schilderung nach: Mahan, Band I; Lacour, Band I; Clowes, Band III, in dem die genauesten Angaben und aus dem auch die Schiffsliste entnommen ist.

[53] Näheres über diese berühmten Kriegsgerichte, mit Angabe weiterer Quellen, vgl. Clowes, Band III, Seite 103.

[54] Vgl. Seite 59: Die Beteiligung der holländischen Marine an diesem Kriege, sowohl im Verein mit der englischen wie auch selbständig, war sehr unbedeutend; sie soll zu Ende dieser Schilderung des Krieges in den europäischen Gewässern kurz zusammengefaßt werden.

[55] Die zahlreichen kleinen Gefechte, die bei der Ausübung des Kleinen und Handelskrieges sowie auch bei der Beobachtung der französischen Häfen durch die Engländer vorfielen, übergehen wir. Man findet die bemerkenswertesten in den Spezialwerken, so z. B. in Clowes, Kapitel „Minor actions“, und in Troude.

[56] Nach Clowes, Band III; Troude, Band I; Bonfils, Band II; Lacour, Band I.

[57] Les Herbiers, Marquis de l'Etanduère, geb. 1682, Gardemarine 1697, Lieutenant 1705, Capitaine 1727, Chef d'Escadre 1745, gestorben 1750. Er hatte unter den tüchtigsten Führern gedient: Pointis, du Casse, Guay-Trouin (Zug nach Rio), 1741 in Westindien mit Auszeichnung, 1744 bei Toulon.

[58] Sir Edward Hawke, geb. 1705, Kapitän 1734, Kontreadmiral 1747, Vizeadmiral 1748, Admiral 1757, Admiral of the Fleet 1768, vom Dezember 1766 bis Januar 1771 Erster Lord der Admiralität, gestorben als Vizeadmiral von England 1781. Tat sich schon als Kommandant der „Berwick“ bei Toulon hervor und zeichnete sich später im Siebenjährigen Kriege als Flottenführer aus: Sieg bei Quiberon über de Conflans 1759. Vielfach kommandierte er die englische Hauptflotte vor der französischen Atlantikküste, und er hat wohl den Grund für die strikte Durchführung der Blockade gelegt, die in den napoleonischen Kriegen so großen Erfolg davontrug.

[59] Genaueres vgl. de Jonge, Band IV, Seite 182 ff. — Den traurigen Zustand der holländischen Marine um 1744 haben wir schon geschildert. Vgl. Seite 59 und Band I, Seite 500.

[60] Quellen vgl. Fußnote Seite 59; hierzu treten Zimmermann, Band II und IV. — Über die Stellung der kriegführenden Mächte in den Kolonien um 1740 vgl. Seite 7 ff.; die Geschichte der Kolonien bis 1740 vgl. Band I, Kapitel XII.

[61] In einigen seltenen Fällen führten die englischen Schiffe einige kleine Mörser — „Coehorns“ benannt nach ihrem Erfinder van Coehoorn, einem holländischen Ingenieuroffizier, geb. 1641, gest. 1704 — so hatte auch hier das Flaggschiff acht derselben an Bord.

[62] Siehe die Anmerkung Seite 93.

[63] Fort St. David deckte die Stadt Kudalur (englisch Cuddalore), zwischen Pondichery und der neuen französischen Besitzung Karikal gelegen; hier hatten die Engländer in einem der letzten Jahre eine neue Niederlassung gegründet.

[64] Genaueres über diesen Streit, der schon während der Belagerung begann und bis zum 18. Oktober dauerte, vgl. Zimmermann, Band II, Seite 303 ff., und Band IV, Seite 177 ff.

[65] Labourdonnaye wurde in die Bastille gesetzt, aber nach drei Jahren freigelassen. Die Bestechung konnte man ihm nicht nachweisen; in England ist sie später aktenmäßig festgestellt (40000 Lstrl.; vgl. Zimmermann, Band II, Seite 303). In einer Verteidigungsschrift regte L. noch die öffentliche Meinung gegen Dupleix auf. Er starb 1753.

[66] Auch Mahan, der (Band I, Seite 126, 188188 und 526) für seine Betrachtungen „über den Wert des Kreuzerkrieges“, die wir in unserem ersten Bande (Seite 304 und 471) teilweise wiedergegeben haben, die sämtlichen früheren sowie späteren Kriege benutzt, zieht hierbei den Österreichischen Erbfolgekrieg nicht heran.

[67] Im ersten Bande auf den Seiten 231, 300, 357, 484. Es ist dabei auf das sehr lesenswerte Werk des Admirals Colomb „Naval warfare“ verwiesen, in dem „der Kampf um die Seeherrschaft“ und „die Bedingungen, unter denen Angriffe auf Feindesland von See aus Erfolg haben“ an der Hand von Beispielen aus den großen Seekriegen kritisch beleuchtet worden. Auch nachstehenden Betrachtungen ist dieses Werk (Kapitel VII, Seite 131, sowie Kapitel XV und XVI) zugrunde gelegt.


[116]

deco

Viertes Kapitel.
Der Siebenjährige See- und Kolonial-Krieg zwischen England und Frankreich (Spanien) 1756–1763.

Die politischen Verhältnisse vor Ausbruch des Krieges.

Die Friedensschlüsse von Dresden (1745 zwischen Österreich und Preußen) und von Aachen (1748 zwischen den übrigen Gegnern im Österreichischen Erbfolgekriege) trugen den Keim zu neuen Kämpfen in sich.

Österreich wollte weder auf Schlesien verzichten noch Preußens Großmachtstellung anerkennen; von gleichen Gefühlen der Eifersucht war Rußland erfüllt. Besonders von ihm, wo seit der Thronbesteigung Elisabeths die altrussische Partei am Ruder war, ging der Anstoß zu einem neuen Kriege aus, schon 1749 versuchte man, Österreich, Sachsen, sowie England zum Angriff auf Preußen zu bestimmen. Standen diese Mächte auch seit 1748 im Bündnis unter sich und mit Rußland, so hatten sie doch zunächst noch keine Neigung, sich aufs neue in einen Krieg zu stürzen. Friedrich II. mußte in Frankreich seinen einzigen Bundesgenossen sehen, er blieb deshalb nach 1748 in enger Verbindung und schloß noch 1753 einen Handelsvertrag mit ihm.

England zu gewinnen, erschien für Friedrich aussichtslos. Georg II. blieb als Kurfürst von Hannover infolge der Machtentwicklung Preußens, sowie des Streites um Ostfriesland sein Gegner, aber auch mit der englischen Regierung bestanden Zwistigkeiten, da diese sich weigerte, Schadenersatz für im letzten Kriege unrechtmäßig aufgebrachte Handelsschiffe zu leisten. Das Verhältnis zwischen beiden Staaten spitzte sich so zu, daß sie 1750 ihre Gesandten abberiefen, auch verpflichtete sich England 1751, Sachsen auf vier Jahre Subsidien zu zahlen, wobei es hauptsächlich den Schutz Hannovers gegen Preußen im Auge hatte. Während nun aber der Bund zwischen Österreich, Rußland und Sachsen mit der ausgesprochenen Absicht, Preußen zu vernichten, immer festere Gestalt annahm, trat 1755 ein völliger Umschwung in der Politik Englands und Frankreichs und damit in ihrer Stellung zu Preußen ein.

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Die Nebenbuhlerschaft dieser beiden Staaten um Seehandel und Kolonialbesitz war der Anlaß. Nach dem Frieden von Aachen hatten die Schiffahrt sowie die Kolonien Frankreichs wieder einen bedeutenden Aufschwung genommen. Der Einfluß der Franzosen in Indien wuchs in einer für England bedenklichen Weise; in Westindien versuchte Frankreich sich in den alleinigen Besitz der sogenannten neutralen Inseln (Seite 9) zu setzen; in Nordamerika wurden die gegenseitigen Beziehungen unhaltbar. Hier nahmen auf beiden Seiten die Kolonisten ihre Sache selber in die Hand; schon 1754 kam es zwischen ihnen zu Blutvergießen. Die englische Regierung hatte nun zwar keine Neigung, wegen der nordamerikanischen Fragen einen Krieg mit Frankreich zu beginnen[68], als aber dieses in den Verhandlungen unannehmbare Bedingungen stellte, kam es überraschend schnell zum Zusammenstoß. Im Frühjahr 1755 entbrannte zwischen den Kolonien der offene Krieg, beide Staaten sandten starke, schon länger vorbereitete, See- und Landstreitkräfte hinüber und England griff bereits im Sommer den französischen Handel in den europäischen Gewässern an. Wenn auch die Kriegserklärung erst im Frühjahr 1756 erfolgte, nachdem die Franzosen Port Mahon angegriffen hatten (April), so war doch der See- und Kolonialkrieg schon im Gange, ehe der Siebenjährige Krieg auf dem Festlande ausbrach.

England sah sich angesichts dieser Verhältnisse nach Bundesgenossen zum Schutze Hannovers um. Im September 1755 wurde ein Vertrag mit Rußland geschlossen, der England gegen Subsidien ein russisches Heer zur Verfügung stellte. Dagegen ging das alte Bündnis mit Österreich in die Brüche. Sein Hauptwert hatte für England stets darin gelegen, daß Belgien (insbesondere Antwerpen) in österreichischem Besitze bliebe; Österreich zeigte sich jetzt aber geneigt, diese Provinz an Frankreich abzutreten, um dessen Hilfe gegen Preußen zu gewinnen. Gleichzeitig lockerte sich auch das gute Verhältnis zwischen Preußen und Frankreich. Dieses fühlte, es könne in dem Kriege mit England nicht auf Preußens Unterstützung rechnen. Friedrich II. durfte sich nicht an einem Kampfe um Hannover beteiligen, da er dann den sofortigen Angriff Österreichs zu gewärtigen hatte, zudem erfuhr er von den Verhandlungen Österreichs mit Frankreich.

Unter diesen Verhältnissen machte nun England den Versuch, Preußen wenigstens bedingungsweise für sich zu gewinnen, und Friedrich ging darauf ein, als er von dem Abkommen zwischen England und Rußland Kenntnis erhielt. So schlossen England und Preußen den Neutralitätsvertrag von Westminster (Januar 1756), in dem beide Mächte sich Frieden und Freundschaft gelobten und sich verpflichteten, ihre bisherigen Verbündeten von Angriffen auf Gebiete des anderen — also Rußland von Preußen, Frankreich[118] von Hannover — abzuhalten. Dieses Abkommen sollte mithin die letztgenannten Mächte einschränken, beförderte aber tatsächlich eine neue Gruppierung der Staaten, auf die Österreich unter Fürst Kaunitz schon lange hinarbeitete. Es gelang ihm, Rußland, Sachsen, Schweden, sowie die meisten deutschen Fürsten zu einem Angriffskriege gegen Preußen, auf dessen völlige Zerstücklung es abgesehen war, an sich zu ziehen und diesem Bunde die Unterstützung Frankreichs zu sichern. Es dauerte jedoch geraume Zeit, bis dies erreicht war; erst im Frühjahr 1757 kam die Koalition zustande und erst im Sommer waren die Rüstungen überall vollendet.

Frankreichs bisheriger Politik widersprach dieses Bündnis völlig, bezweckte es doch einen Krieg, der das österreichische Kaiserreich stärken sollte, für dessen Demütigung und Schwächung Frankreich bisher gekämpft hatte; es wurde auch nur durch die Hofpartei begünstigt. Als Preis versprach Österreich Belgien; ein Teil dieser Provinz sollte an Frankreich abgetreten werden, den Rest der in Parma regierende spanische Infant Philipp gegen Überlassung seines bisherigen Besitzes an Österreich erhalten. Noch mehr aber förderten persönliche Einflüsse das Zustandekommen dieses Vertrages. Man benutzte den religiösen Aberglauben Ludwigs XV., um ihn zu einem Kriege der beiden katholischen Großmächte gegen die neuentstehende protestantische zu begeistern, auch wurde die Pompadour, die durch den Spott Friedrichs II. gereizt war, für den Plan gewonnen. Im Mai 1756 schlossen Österreich und Frankreich zu Versailles ein Schutzbündnis als Antwort auf den englisch-preußischen Neutralitätsvertrag, und im Mai 1757 verpflichtete sich Frankreich, ein Heer nach Deutschland zu schicken, auch erklärte es gleichzeitig den Krieg an Preußen. — Bei der Teilung Preußens sollte Rußland Ostpreußen erhalten, an Schweden sollte Pommern, an Sachsen der Saalekreis sowie Magdeburg fallen, Österreich wollte natürlich Schlesien behalten. — Auch Rußland und Schweden erklärten erst im Sommer 1757 den Krieg, nur das Deutsche Reich hatte dies auf einen Notruf Sachsens schon im Januar getan und zwar an den „Kurfürsten von Brandenburg“.

Friedrich der Große hatte aber schon 1756 den als der Siebenjährige Krieg bekannten Kampf begonnen. Er war im Juli 1756 durch Holland von der ihm drohenden Gefahr unterrichtet und hoffte mittels eines schnellen Stoßes die Koalition zu sprengen, Österreich zu entmutigen, sowie dessen Bundesgenossen abzuschrecken; 1756 nahm er Sachsen in Besitz und drang im April 1757 in Böhmen ein. Ehe seine übrigen Gegner im Felde erschienen, hatte er auch mit England einen festeren Bund geschlossen (Januar 1757). Im Mai und Juni 1756 hatten England und Frankreich formelle Kriegserklärungen gewechselt; in dem neuen Vertrage mit Preußen verpflichtete sich England-Hannover, in Westfalen ein Heer aufzustellen, eine starke Flotte in die Ostsee zu senden und jährlich eine Million Lstrl. Subsidien zu zahlen; auch lieferte es Hilfsgelder an die wenigen deutschen Fürsten, die zu Preußen standen.

Dieser Vertrag war ein Verdienst des älteren Pitt, des späteren Grafen von Chatham, Staatssekretärs des Auswärtigen, des Leiters der englischen Politik vom November 1756 bis April 1757 und sodann vom Juni 1757 bis Oktober 1761. Er war trotz mancher Gegensätze ein begeisterter Verehrer Friedrichs II. und rechnete überdies ganz richtig, daß die im deutschen Kriege angelegten Gelder in Nordamerika, sowie in Ostindien Zinsen tragen würden. Mit dem Tode Georgs II. (Oktober 1760) schwand[119] sein Einfluß; Georg III. sah in ihm einen Feind der königlichen Rechte, bald wurde die Strömung gegen ihn so stark, daß er (5. Oktober 1761) sein Amt niederlegte, und damit hörten auch die Unterstützungen Englands an Preußen auf.

Durch dieses preußisch-englische Bündnis tritt der Seekrieg zwischen England und Frankreich in Verbindung mit dem Siebenjährigen Kriege. Der große König ward in seine gewaltigen Ringen durch englisches Geld sowie auch durch Truppen wesentlich unterstützt, und Frankreich war genötigt, neben dem Kampfe gegen Preußen einen See- und Kolonialkrieg zu führen und seine Küsten gegen englische Angriffe zu schützen. Englands Nutzen aus dieser Verbindung war jedoch noch größer, denn Frankreich verbrauchte im Landkriege so viel von seiner Kraft, daß es dem Gegner auf und über See nicht standhalten konnte. Die Truppen, die es zum Schutz seiner Küsten zurückbehalten mußte, sowie die Geldmittel, die es notgedrungen und nur widerwillig für den Seekrieg aufwandte, hätten in dem Kriege mit Preußen keine ausschlaggebende Rolle gespielt; dagegen muß man allerdings auch wohl anrechnen, daß Frankreich durch die Vernichtung seines Seehandels und durch den Verlust seiner Kolonien infolge des Seekrieges stark geschwächt und dadurch Preußen noch zur rechten Zeit von diesem gefährlichen Gegner befreit wurde, als es nach Pitts Rücktritt 1761 von England verlassen war.

In den See- und Kolonialkrieg trat auch Spanien ein, allerdings erst 1762. England sowohl wie Frankreich hatten lange versucht, diesen Staat zu einer engeren Verbindung zu bewegen; letzteres hatte ihm Minorka und Hilfe zur Rückeroberung Gibraltars angeboten, Pitt sogar die freiwillige Rückgabe dieses wichtigen Platzes, allerdings zu einer Zeit, 1757, als die Sache Englands in Nordamerika schlecht stand. Solange Ferdinand VI. regierte, war jedoch alles vergeblich, anfangs, weil der schwer gemütskranke König ganz unter dem Einfluß der einsichtigen Königin stand, dann, weil nach deren Tode alle Geschäfte ruhten. Erst als Karl III. den Thron bestiegen hatte (1759), gelang es Choiseul, ihn für Frankreich zu gewinnen und ihn zur Kriegserklärung an England am 1. Mai 1762 zu bestimmen; England kam dem jedoch durch die eigene Kriegserklärung schon im Januar zuvor.

Der Bourbonische Familienvertrag. Im ersten Bande ist (Seite 598) fälschlich ein Defensivbündnis zwischen Spanien und Frankreich schon mit diesem Namen belegt, während erst das jetzige vom 15. Oktober 1761, dem auch die spanischen Sekundogenituren Neapel und Parma beitraten, gewöhnlich so bezeichnet wird. In ihm garantierten sich sämtliche Herrscherhäuser bourbonischen Stammes ihren gegenseitigen Besitz; der Vertrag schuf ihnen die Grundlage für eine gemeinsame Politik bis zur französischen Revolution.

Karl III., bis 1759 König beider Sizilien, war ein Feind Englands, dem er die Demütigung im Österreichischen Erbfolgekriege (s. Seite 73) nicht vergessen konnte. Er gab die Neutralität auf, obgleich sie, wenn auch vielfach von England verletzt, Spaniens Finanzen und Handel zur Blüte gebracht hatte. Pitt erfuhr frühzeitig von den Verhandlungen und wollte sofort den Krieg erklären, aber sein Einfluß genügte nicht mehr, dies durchzusetzen. Als jedoch bald nach seinem Rücktritt die Silberflotte[120] des Jahres 1761 mit den für einen Krieg nötigen Mitteln unversehrt eingelaufen war, trat Spanien so anmaßend auf, daß England sich doch zur Kriegserklärung am 2. Januar 1762 genötigt sah.

Auch Portugal ward in den Krieg hineingezogen. Frankreich und Spanien forderten diesen Staat auf, ihrem Bunde gegen den „Tyrannen der See“ beizutreten und sich dadurch von England freizumachen, das ihm alles Geld aus dem Lande zöge (vgl. über den englisch-portugiesischen „Methuen-Vertrag“, Band I, Seite 490). Portugal ging aber nicht darauf ein in der richtigen Ansicht, daß ein gutes Einvernehmen mit England ihm nützlicher sei. Frankreich und Spanien fielen nun 1762 in das Land ein, wurden aber mit englischer Hilfe zurückgeschlagen.

Bei der alten Abneigung zwischen den beiden Staaten der Pyrenäischen Halbinsel hatte Portugal einen Verbündeten nötig, der zu jeder Zeit imstande und gewillt zu seinem Schutze, vor allem auch zu dem des so wichtigen brasilianischen Handels, war. Auf England konnte es sich verlassen, da für dessen Seemacht die Verfügung über die portugiesischen Häfen eine große Bedeutung hatte. So blieb Portugal dem bisherigen Verbündeten treu, obgleich es auch unter Verletzungen der Neutralität durch England litt. Man gab an, das Bündnis mit England sei rein defensiver Natur; Frankreich und Spanien erklärten es jedoch für offensiv, da Englands Flotte nur durch die Benutzung der portugiesischen Häfen imstande sei, zu allen Jahreszeiten die See zu halten und dadurch ihren Handel sowie die Bewegungen ihrer Flotten zu bedrohen.

Nur Holland blieb neutral im See- wie im Landkriege. Es war sich seiner Schwäche zu Wasser und zu Lande bewußt, auch sah es sich nicht bedroht, da infolge des Bündnisses zwischen Frankreich und Österreich in diesem Kriege Belgien nicht wie früher Streitobjekt war. Auf Einwirkung Frankreichs hin band es sich aber auch nicht an den alten Schutzvertrag mit England, was seinem Seehandel teuer zu stehen kam.

Der Verlauf des Siebenjährigen (Land-)Krieges.

Dieser Landkrieg steht mit unserem Seekriege in keiner näheren militärischen Beziehung. Wir wollen über seinen Verlauf jedoch soviel sagen, als nötig erscheint, um bei der Betrachtung des Seekrieges zu jedem Zeitpunkt den Stand des Landkriegs in Vergleich ziehen, sowie beurteilen zu können, welche Leistungen er von den Gegnern im Seekriege verlangte; auch ist dies notwendig für die Beteiligung der schwedischen und russischen Marinen am Landkriege, die wir später (Kapitel VI, „Nebenkriege“) behandeln werden.

1756. Friedrich II. wollte durch einen überraschenden Stoß in das Herz Österreichs hinein die ihn bedrohende Koalition sprengen. Er brach am 29. August in Sachsen ein, um sich dieses Land als Basis zu sichern. Am 10. September schloß er das sächsische Heer bei Pirna ein und schlug ein heranrückendes österreichisches am 1. Oktober bei Lobositz; ein zweites, das Schlesien bedrohte, wurde durch Graf Schwerin festgehalten. Die Sachsen ergaben sich am 14. Oktober, das ganze Land kam nun bald in Besitz des Königs, aber infolge des unerwartet langen Widerstandes war die Jahreszeit zu weit vorgeschritten, um den Stoß gegen den Hauptgegner noch unternehmen zu können; eine verhängnisvolle Verzögerung, denn im Winter wurden seine Gegner einig und sammelten ihre Kräfte.

[121]

1757. Unter Zurücklassung genügender Truppen zum Grenzschutz brach König Friedrich mit der Hauptmacht im April in Böhmen ein. Am 6. Mai wurde ein österreichisches Heer (Karl von Lothringen) geschlagen, in die Festung Prag geworfen und dort berannt, dann ging Friedrich dem unter Daun erscheinenden Entsatzheer entgegen, in der Hoffnung, durch einen zweiten Sieg dem Kriege ein Ende zu machen. Da er aber die Belagerung Prags aufrechterhielt, wurde er mit seinen unzureichenden Kräften am 18. Juni bei Kolin geschlagen. Dies war seine erste und zugleich seine folgenschwerste Niederlage, denn sie machte seinem Vorwärtsdringen ein Ende; von jetzt an bedrohte man ihn von allen Seiten, er konnte nur noch um den Bestand seines Staates kämpfen.

Friedrich II. war zu schwach, um allen Gegnern gleichzeitig und gleich kräftig entgegenzutreten, er strebte deshalb dahin, mit seiner Hauptmacht stets an der bedrohtesten Stelle zu erscheinen, dann errungene Vorteile durch die Grenzkorps festhalten zu lassen und sich selber gegen die nächste größte Gefahr zu wenden. Seine Feldherrnkunst, die Unterstützung durch tüchtige Generale, die Beherrschung der kürzeren inneren Linien sowie die erstaunliche Marschfähigkeit seiner Truppen ermöglichten ihm, die schwierigsten Lagen zu überwinden und die Gegner schließlich zu ermüden, obgleich auch er schwere Niederlagen erlitt. Zugute kam ihm, daß die Kräfte der Gegner nicht in einer Hand und daß ihre Führer oft uneinig waren, endlich auch deren Langsamkeit. Die Heere waren nach damaligem Brauch bei ihren Bewegungen an Magazine gebunden; der große König machte sich zuweilen durch unmittelbare Beitreibungen hiervon frei. Man sagt, er habe den Nutzen dieses Verfahrens voll gewürdigt, aber nur im äußersten Notfalle davon Gebrauch gemacht, um es nicht seine Gegner zu lehren, die ihn dann erdrückt haben würden.

1757 hatten Friedrichs Feinde 500000 Mann aufgebracht, denen dieser nur 250000 (einschließlich seiner Verbündeten und der Festungsbesatzungen) entgegenstellen konnte. Die Russen drangen in Preußen ein, zwangen mit Hilfe einer Flotte Memel zur Übergabe (5. Juli), siegten bei Groß-Jägersdorf (30. August) und bedrohten Königsberg; sie mußten aber im Herbst zurückgehen, da sie sich in dem verwüsteten Lande nicht halten konnten. Ein Vorstoß der Schweden in Pommern wurde zurückgeworfen. Die Franzosen griffen Westfalen an, schlugen die Hannoveraner (Herzog von Cumberland) bei Hastenbeck (26. Juli) und breiteten sich in Hannover und Braunschweig aus. Die Reichsarmee im Verein mit einem französischen Korps unter Prinz Soubise hatte durch einen Angriff über Thüringen auf Sachsen die Umklammerung Preußens schließen sollen; ihr galt der erste Stoß des Königs. Er kam von Kolin mit einem Teil des Heeres durch Sachsen heran — der andere Teil deckte Schlesien — und zerstreute die Verbündeten durch den Sieg bei Roßbach (5. November); dann befreite er durch die Schlacht bei Leuthen (5. Dezember) das schon fast ganz verlorene Schlesien bis auf Schweidnitz. Er hatte also in diesem Jahre seine Staaten sowie Sachsen behauptet. Das hannoversche Heer wurde im Winter, jetzt auch durch englische Truppen verstärkt, neu aufgestellt (Herzog Ferdinand von Braunschweig).

1758 stellten die Verbündeten 320000 Mann auf. Österreich sollte gegen Schlesien sowie Sachsen vorgehen, den Russen im Osten, den Franzosen im Westen die Hand reichen; Friedrich verfügte über 236000 Mann. Ferdinand von Braunschweig trieb im Februar die Franzosen über den Rhein und siegte am 22. Juni bei Krefeld; wenn er auch dann durch den Vormarsch eines französischen Korps von Hessen her zum Zurückgehen gezwungen wurde, so behauptete er sich doch das Jahr über in Westfalen. Ebenso wurden die Schweden, die fast schon Berlin erreicht hatten, bis Ende des Jahres nach Stralsund zurückgetrieben. Nur die Russen hatten im Januar Preußen besetzt und waren dann in Pommern bis Kolberg, in der Mark bis Küstrin vorgedrungen. Friedrich selber eröffnete den Feldzug mit der Eroberung von Schweidnitz, rückte in Mähren ein und belagerte Olmütz. Das seine Verbindungen bedrohende Vorgehen der Österreicher unter Daun zwang ihn, die Belagerung abzubrechen, doch gelang es ihm,[122] unbehindert Schlesien zu erreichen, um den Russen entgegenzutreten. Diese wurden durch den Sieg bei Zorndorf am 25. August aus der Mark sowie Pommern vertrieben und zogen sich bis hinter die Weichsel zurück. Der König eilte nach Sachsen, wo Prinz Heinrich von der Reichsarmee und Daun arg bedrängt war. Er zog diesen, dessen Verschanzungen unangreifbar waren, durch Bedrohung seiner Magazine nach der Lausitz, erlitt aber durch den Überfall bei Hochkirch (14. Oktober) eine schwere Niederlage. Trotzdem entsetzte er das belagerte Neiße und verhinderte Daun an einem zweiten Vorstoß auf Sachsen. Wieder hatte er seine Staaten bis auf die Provinz Preußen erhalten und Schwedisch-Pommern sowie Westdeutschland bis zum Rhein gewonnen.

1759 stellten die Verbündeten 392000 Mann, Preußen und England-Hannover 252000 auf. Die ersteren planten einen konzentrischen Stoß auf Berlin: Russen und Österreicher von der Oder her, Reichsheer und Franzosen über Sachsen, die Schweden von Norden, Franzosen über Hannover; ein zweites österreichisches Heer (Daun) sollte den König im Süden festhalten. Die vom Süden kommenden Franzosen besetzten schon am 2. Januar Frankfurt a. M. und schlugen Herzog Ferdinand bei Bergen (13. April). Dieser siegte jedoch bei Minden (1. August) über die von Westen heranrückenden Franzosen, sowie im November über die Württemberger; er behauptete das Jahr über Westfalen. Die Schweden breiteten sich in Schwedisch-Pommern aus. Für Friedrich wurde dies Jahr das unheilvollste. Er mußte abwarten, wo sein Eingreifen am nötigsten war oder wo die Gegner sich eine Blöße gäben. Die Russen unter Soltikof und die Österreicher unter Laudon vereinigten sich bei Frankfurt a. O.; der General Wedell wurde von den ersteren bei Key (23. Juli) geschlagen. Als der König dort hineilte, erlitt er die furchtbare Niederlage bei Kunersdorf (12. August). Dresden ging an das Reichsheer verloren. Da aber Daun und Soltikof nicht einig waren, versäumten sie die Gelegenheit, Friedrich zu erdrücken. Prinz Heinrich hielt Daun, der König Soltikof und Laudon fest, bis letztere im Oktober nach Polen abzogen; ein Versuch des Königs, Dresden wiederzugewinnen, gelang jedoch nicht. So blieben ein Teil Sachsens, Schwedisch-Pommern sowie Preußen in der Gegner Hände; der Feldzug 1759 hatte außerdem des Königs Heer stark gelichtet.

1760 konnte Friedrich II. sein Feldheer nur auf 90000 Mann, dazu 70000 unter Herzog Ferdinand, bringen, während die Verbündeten 430000 zählten; dennoch verlief das Jahr verhältnismäßig günstig. Herzog Ferdinand behauptete sich, wenn auch mit wechselndem Waffenglück, weiter, und die Schweden machten keine Fortschritte; die Russen in Pommern mußten eine Belagerung Kolbergs zu Wasser und zu Lande aufgeben. In Schlesien und in Sachsen stand es anfangs schlimm; hier standen Daun und das Reichsheer, dort strebten Russen und Laudon aufs neue nach Vereinigung. Laudon schlug Fouqué bei Landshut. Der König wandte sich von Sachsen nach Schlesien, Daun folgte ihm, kehrte dann aber plötzlich zur Eroberung Dresdens zurück. Da jedoch Laudon Glatz nahm, Breslau bedrohte, und die Russen gleichfalls im Anmarsch waren, mußte der König doch nach Schlesien gehen. Unmittelbar rechts vor und hinter ihm folgten zwei österreichische Korps (Daun und Lascy), während Laudon ihm entgegenkam; doch der große Feldherr zerriß dieses Netz durch den Sieg über Laudon bei Liegnitz am 15. August. Auch zu einer völligen Vereinigung der Österreicher mit den Russen kam es nicht. Nur eine abgezweigte russische Abteilung drang mit Lascy vereint bis Berlin vor (Einnahme am 9. Oktober), mußte aber wieder abziehen, als der König heranrückte; dieser trieb dann Daun, der inzwischen ganz Sachsen besetzt hatte, durch den Sieg bei Torgau (3. November) wieder auf Dresden zurück. Friedrich stand mithin nicht schlechter da als zu Ende 1761.

1761 waren die Streitkräfte der Gegner etwa die gleichen wie im Vorjahre und auch der Plan der Verbündeten war nahezu derselbe. Größere Ereignisse im Felde brachte das Jahr nicht. Der König konnte die Vereinigung der Russen unter Butturlin und der Österreicher unter Laudon in Schlesien nicht hindern, wich ihnen jedoch geschickt aus und bezog endlich eine sichere Stellung im Lager von Bunzelwitz; Uneinigkeit der[123] feindlichen Feldherren führte zum Abzug der Russen. Es gelang aber den Österreichern am 9. Oktober Schweidnitz, und den Russen am 16. Dezember Kolberg zu nehmen; damit hatten sie in Schlesien sowie Pommern festen Fuß gefaßt.

1762. Immer kleiner war das Gebiet geworden, das Friedrich noch behauptete, und jetzt fielen durch Pitts Rücktritt auch die englischen Hilfsgelder fort. Schon sahen die Gegner der Niederlage Preußens mit Zuversicht entgegen, da wandte sich das Blatt. Nach dem Tode der Kaiserin Elisabeth am 2. Januar schloß ihr Nachfolger Peter III. von Rußland Frieden mit dem König (Petersburg, 6. Mai) und stellte ihm sogar ein Hilfskorps unter Czernitschew in Schlesien zur Verfügung. Friedrich griff Schweidnitz an, das Daun in einer festen Stellung auf den Höhen bei Reichenbach deckte. Nach der Entthronung Peters wurde Czernitschew zurückberufen, ließ sich aber bestimmen, unter Geheimhaltung der Order noch einige Tage zu bleiben, damit Daun mit ihm rechnen müsse. Der König siegte bei Burkersdorf am 21. Juli über diesen und wies dann noch einen weiteren Entsatzversuch Dauns bei Reichenbach am 16. August zurück. Am 9. Oktober fiel Schweidnitz, Schlesien war wiedergewonnen. Prinz Heinrich hatte im Sommer in Sachsen die Reichstruppen von den Österreichern getrennt und nach Franken vertrieben; als sich beide in Böhmen wieder vereinigt hatten, schlug er sie bei Freiburg (29. Oktober). Herzog Ferdinand erfocht über die von Kassel aus vordringenden Franzosen zweimal einen Sieg bei Wilhelmsthal am 24. Juni, bei Lutterberg am 23. Juli. Kaiserin Katharina von Rußland zog sich vom Kriege zurück, bestätigte den Frieden Peters und räumte Preußen.

Der Krieg war zu Ende! England und Frankreich schlossen am 2. November den Präliminarfrieden zu Fontainebleau. England gab dabei Preußen völlig preis, es zog seine Truppen zurück und gestattete Frankreich, Kleve, Wesel sowie Geldern besetzt zu halten. Nur der Umstand, daß dieser Staat auch des kostspieligen Landkrieges müde war, bewahrte Preußen vor den Folgen der englischen Treulosigkeit, denn Österreich verzagte daran, allein Friedrich II. niederzuwerfen, schloß Waffenstillstand und trat in Friedensverhandlungen ein.

Der Frieden zu Hubertusburg, 15. Februar 1763, stellte den Besitzstand vor dem Kriege wieder her: Österreich verzichtete auf Schlesien und Glatz, Preußen räumte Sachsen. Friedrich II. versprach außerdem seine Stimme für die Kaiserwahl des Erzherzogs Joseph. Des großen Königs überlegener Geist, sowie die opferwillige Hingabe seines tapferen Volkes hatten den preußischen Staat und mit ihm die Zukunft Deutschlands gerettet.

Der allgemeine Verlauf des See- und Kolonialkrieges.

Der Seekrieg spielte sich auf verschiedenen Schauplätzen — in den europäischen, den nordamerikanischen, den west- und ostindischen Gewässern — ab. Um aber stets über die ganze Kriegslage im klaren zu sein, sowie auch weil England von Anfang an nach einem alle Schauplätze umfassenden Plane vorging, erscheint es angebracht, zunächst den allgemeinen Verlauf dieses Seekrieges etwas eingehender zu schildern, als dies bisher bei anderen geschehen ist.

Kennzeichnung der Kriegführung seitens der Gegner. Der vorherzusehende Zusammenstoß zwischen England und Frankreich erfolgte nur wegen Streitfragen auf oder über der See; dies wies deutlich genug auf den wahren Kriegsschauplatz hin, und man hätte einen reinen Seekrieg zwischen den beiden Mächten erwarten müssen. Aber nur[124] England besaß eine starke Flotte und erkannte das Richtige, Frankreich hatte Vorbereitungen für einen Seekrieg versäumt und ließ sich außerdem durch den Landkrieg vom Seekriege ablenken. Zu Anfang zeigten sich zwar Unternehmungslust und Tatkraft auf seiten der Franzosen und sie hatten schon wichtige Erfolge errungen, als sie 1757 in den Landkrieg eintraten. Durch die überraschende Einnahme von Port Mahon, durch die Gewinnung Korsikas (wo ihnen Genua zum eigenen Schutz gegen einen Aufstand die befestigten Plätze übergeben hatte) besaßen sie im Verein mit Toulon eine starke Stellung im Mittelmeer; in Nordamerika stand ihre Sache sehr günstig und in Indien war ihre Lage mittelbar dadurch gestärkt, daß die Engländer um ihren bengalischen Besitz mit den Eingeborenen in schwerem Kampfe lagen. Frankreich hätte nun ernstlich dahin streben müssen, durch Bündnisse seine Kraft zur See zu verstärken, Holland und Spanien zu gewinnen; dies geschah oder gelang aber nicht.

Englands rücksichtsloses Auftreten gegen die neutralen Staaten, das aus dem Gefühl seiner Macht zur See entsprang, gab hierzu Gelegenheit. Daß Holland den alten Bund nicht erneuert hatte, vergalt England mit harten Maßregeln gegen dessen Handel[69]. Es erklärte alle Häfen Frankreichs in Blockadezustand und ordnete an, daß sämtliche nach dort bestimmten Schiffe als gesetzliche Prisen zu nehmen wären. Ferner faßte es den Begriff der Kriegskontrebande weit schärfer als bisher und hielt sich nicht mehr an die mit Holland getroffene Abmachung „Frei Schiff“ — „Frei Gut«, sondern legte Beschlag auf holländische Schiffe mit französischer Ladung. Der holländische Handel mit französischen Kolonien, ja sogar der nach den holländischen wurde arg belästigt; Holland war genötigt, seine Kauffahrer durch starke Bedeckungen geleiten zu lassen. Auch andere Staaten, so insbesondere Spanien, litten unter Englands Vorgehen; der Versuch, Spanien zu gewinnen, scheint aber erst von Choiseul ernstlich gemacht zu sein.

Dagegen ließ sich Frankreich in den Siebenjährigen Landkrieg verwickeln, der seine Mittel stark in Anspruch nahm, da es nicht nur die eigenen Rüstungen, sondern auch die der deutschen Fürsten zahlen, sowie Österreich mit Geld unterstützen mußte. Deshalb vernachlässigte es nun trotz der ersten Erfolge seine schon an und für sich schwächere Marine schmählich, anstatt die für diese durch die Einnahme von Port Mahon im Lande hervorgerufene Begeisterung zu ihrer Hebung zu benutzen. So zeigen sich denn auch Frankreichs Flotten nur einmal, 1759, im Kampfe um die Seeherrschaft, und mit dem Verzicht auf diese gab es auch seine Kolonien auf. Spaniens Hilfe kam zu spät, seine Kolonien teilten nur das Schicksal der französischen.

Es mag sein, daß bei der geringen Bevölkerung der französischen Kolonien in Nordamerika gegenüber den englischen die Seemacht dort nichts am Ausgang des Kampfes geändert haben würde; bei der Lage der beiden Völker in Indien hing aber alles von der Beherrschung der See ab.

Ebenso ist es nicht sicher, ob Frankreich ohne den Landkrieg England hätte erfolgreich gegenübertreten können. Die Marine war vor 1755 noch nicht genügend vorbereitet, obgleich ein tüchtiger Marineminister für sie gearbeitet hatte. Die etwaigen Bundesgenossen waren gleichfalls schwach; Hollands Marine war unbedeutend, die[125] spanische besaß zwar eine stattliche Zahl von Linienschiffen, nach den früheren Leistungen darf man aber zweifeln, ob ihr Wert der Zahl entsprach.

England nutzte wohl anfangs seine überlegene Seemacht nicht mit der nötigen Tatkraft und Umsicht aus, aber bald nach Pitts Amtsantritt im November 1756 trat hierin eine Änderung ein; dieser erkannte, wo Englands wahre Vorteile lagen. Auf dem Festlande führte er den Kampf gegen Frankreich fast nur mit Geld, die Hauptkraft verwandte er auf den Seekrieg. England beherrschte bald alle Gewässer, schnitt den Gegner von den Kolonien ab und vernichtete dessen Handel; der eigene wuchs infolgedessen. So wurde Frankreich die finanzielle Kraft zur Kriegführung genommen, während England die Kosten leichter tragen konnte.

Ein Ausblick auf den Verlauf des Seekrieges veranschaulicht Vorstehendes. Als 1755 in Nordamerika zwischen den Kolonien der offene Krieg ausgebrochen war, von den Mutterländern unterstützt, rüsteten beide Gegner, wenn auch die Unterhandlungen noch fortliefen; England ließ bereits im Sommer an den Küsten Frankreichs Kriegs- und Handelsschiffe abfangen. Es geschah vielleicht, um den Gegner noch zum Nachgeben zu bewegen, aber vor allem, um ihn in seinen Rüstungen zu stören; wurden doch 500 Schiffe mit 6000 Seeleuten, also den Besatzungen von acht bis zehn Linienschiffen entsprechend, genommen. Dagegen gelang es den Franzosen 1756, durch Vorbereitung eines Einfalls in England die Aufmerksamkeit des Gegners vom Mittelmeer abzulenken und dessen Schwäche dort zur Eroberung von Port Mahon zu benutzen; der Versuch Englands, die belagerte Stadt zu entsetzen, wurde durch die Schlacht von Minorka vereitelt. Jetzt erst erklärte England den Krieg, entfaltete aber bald seine Seemacht in durchgreifender Weise.

Der Plan für das Vorgehen der englischen Flotte gipfelte in folgenden Maßnahmen:

1. Unterstützung des Kolonialkrieges in Nordamerika;

2. die französischen Häfen am Atlantik, besonders Brest, wurden mit überlegenen Kräften blockiert, so daß sich auslaufende Flotten oder Geschwader schlagen mußten.

Eine vollständige Blockade von Brest wurde in diesem Kriege zum ersten Male planmäßig betrieben. Die Lage dieses Hafens erleichterte eine solche. Wenn die Blockierenden durch schwere Westwinde zu ihrer Unterbrechung gezwungen wurden, konnten auch die Blockierten nicht auslaufen; die Engländer gingen dann nach einem ihrer Kanalhäfen, waren aber sicher, mit östlichen Winden ihre Station wieder zu erreichen, ehe eine große und mangelhaft gehandhabte Flotte wesentlichen Vorsprung gewinnen konnte. Außer ihrem eigentlichen Zweck hatte nämlich eine strenge Blockade noch eine wichtige Folge: Die französische Marine wurde dauernd außerstand gesetzt, die Handhabung ihrer Schiffe und Schiffsverbände zu üben; in diesen wie in den Kriegen zu Ende des Jahrhunderts — dargestellt in unserem fünften Abschnitt —, in denen die Blockaden jahraus, jahrein meisterhaft durchgeführt wurden, waren daher die Franzosen, selbst bei gleicher Stärke, beim Zusammentreffen den Engländern nicht gewachsen, während diese gerade durch den schwierigen Blockadedienst zu vorzüglichen Seeleuten herangebildet wurden.

[126]

3. Fliegende Geschwader unternahmen Angriffe auf Frankreichs Küsten, bisweilen mit kleineren Landungen verbunden. Diese Vorstöße, deren Ziel der Gegner nicht voraussehen konnte, sollten ihn zwingen, an vielen Stellen Truppen bereit zu halten und damit dem Kriege in Deutschland zu entziehen.

4. In der Nähe von Gibraltar wurde eine Flotte gehalten, um die Seestreitkräfte von Toulon zu hindern, sich mit der Atlantikflotte zu vereinigen oder die auswärtigen Stationen zu verstärken. Dieser Teil der englischen Streitmacht war zwar selbständig, hatte aber etwaigen Anforderungen der Atlantikflotte Folge zu leisten.

Auf die Wiedereroberung des Hafens von Port Mahon, ja selbst auf eine Unterbindung des Verkehrs mit ihm, scheint man keinen Wert gelegt zu haben. Der Besitz der Seeherrschaft im Mittelmeer spielte nicht die Rolle wie in den früheren Kriegen, die Hauptinteressen lagen anderswo.

5. Es wurden Züge gegen die französischen Besitzungen in Westindien sowie Afrika unternommen und in Ostindien ein ständiges Geschwader unterhalten, um die Herrschaft in jenen Meeren zu sichern, den Franzosen die rückwärtigen Verbindungen abzuschneiden und ihren Handel zu vernichten. Diese niemals ausgesetzte Tätigkeit nahm größeren Umfang an, als die französische Marine (1759) lahmgelegt war und als durch Spaniens Eintritt in den Krieg (1761) die Aussicht auf wertvolle Eroberungen sowie Beute größer wurde.

Frankreich versuchte in den ersten Jahren noch, seine auswärtigen Stationen zu verstärken, sowie die Kolonien zu unterstützen, und kleinere Geschwader schlüpften auch des öfteren, namentlich während der Wintermonate, durch die Blockade. Dem aber machte Englands Übermacht nach und nach ein Ende; selten nur noch gelang es, Kriegsschiffe oder Konvois nach den Kolonien abzusenden. In den europäischen Gewässern hatte man sich nach dem Vorstoß gegen Port Mahon auf den Kleinen Krieg mittels einzelner Kriegsschiffe und Kaper beschränkt. Erst als zu Ende des Jahres 1758 der feurige Choiseul ans Ruder gekommen war, raffte man sich auf. Herabgestimmt durch die Mißerfolge des Jahres im Landkriege, gereizt durch die englischen Küstenangriffe, faßte man den Entschluß, alle Kraft auf ein Ziel zu setzen und in Großbritannien zu landen; ein Plan, mit dem man sich vom Beginn des Krieges an getragen hatte. Gleichzeitig sollten Truppen nach Irland, England sowie Schottland geworfen und zu diesem Zwecke die gesamte Streitmacht zusammengezogen werden. Aber die Toulonflotte wurde auf dem Wege nach Brest von der englischen Gibraltarflotte vernichtend geschlagen (bei Lagos, August 1759). Trotzdem gab Choiseul den Plan nicht auf. Die Brestflotte lief aus, als die Blockade durch stürmisches Wetter unterbrochen war, aber auch sie wurde von dem rechtzeitig zurückkehrenden Gegner gestellt und aufgerieben. (Schlacht in der Quiberonbucht, November 1759.)

England errang inzwischen große Erfolge, da durch das Sammeln der französischen Seestreitkräfte die anderen Kriegsschauplätze für das[127] Jahr 1759 ganz ohne Unterstützung geblieben waren. Schon 1758 war die wichtige Festung Louisbourg in Nordamerika gefallen; 1759 eroberte England auch Quebec, in Westindien Guadeloupe, in Afrika Gorée und in Indien räumte das französische Geschwader, nach mehreren nicht unbedingt verlorenen Gefechten, das Feld, worauf bis Januar 1761 (Übergabe von Pondicherry) ganz Französisch-Indien verloren ging. Die Streitkräfte Frankreichs draußen mußten sich eben aufzehren. Die beiden großen Niederlagen 1759 nahmen nun der französischen Marine jegliche Kraft, während England infolge der geringen Beanspruchung daheim in den fernen Gewässern noch tatkräftiger auftreten konnte. Spaniens Hilfe für Frankreich kam zu spät, und auch das sonst erfolgreiche Streben Choiseuls, der 1761 das Marineministerium mit übernahm, die Marine zu heben, konnte für diesen Krieg keine Früchte mehr tragen. Nicht imstande, zur See etwas zu unternehmen, griffen die Verbündeten (1762) Portugal zu Land an, wurden jedoch mit Englands Unterstützung zurückgeschlagen. England dagegen nahm im Jahre 1762 Frankreich noch Martinique, die Perle der Antillen und ein wichtiger Stützpunkt für Freibeuterei, den Spaniern Havanna und die Philippinen ab. Frankreich hatte alle Kolonien bis auf seinen Anteil an Haiti verloren.

Der Kleine Krieg gegen den Handel in allen Meeren spielte auch im Siebenjährigen Kriege eine bemerkenswerte Rolle; er zeigte fast dieselbe Eigenart wie in den früheren englisch-französischen Kämpfen. Obgleich er wiederum von Frankreich mit großer Kühnheit und Ausdauer geführt wurde, um so tatkräftiger, je mehr die Marine zurückging, brachte er schließlich doch wie im österreichischen Erbfolgekriege den Niedergang des französischen Handels bis zur Vernichtung, dagegen ein Aufblühen der englischen Schiffahrt und Industrie. Damit wurde für Frankreich eine wichtige Hilfsquelle verstopft, die für England desto reichlicher floß.

Der Friede zu Paris. 10. Februar 1763.

Die Eroberung der Philippinen[70] war das letzte Ereignis dieses Krieges. Neun Monate hatten genügt, um Spanien niederzuwerfen; es bat um Frieden, und Frankreichs letzte Hoffnung war damit zertrümmert. Choiseul hatte schon 1761 Friedensvorschläge gemacht; es war ihm aber wahrscheinlich kaum Ernst damit und er wollte wohl nur England über seine Verhandlungen mit Spanien täuschen. Pitt durchschaute jedoch diese Absicht und war auch nicht gewillt, auf das Verlangen Frankreichs einzugehen, Preußen ganz fallen zu lassen; er rechnete im Gegenteil weiter damit, durch die Fortsetzung des Land- und Seekrieges Frankreich als See- und Kolonialmacht völlig zu vernichten. 1762 waren nun beide Gegner des Krieges müde, Frankreich war erschöpft und die englische Regierung glaubte, gegen Pitts und seiner Anhänger Ansicht, mit der augenblicklichen Vernichtung[128] der feindlichen Flotten und Wegnahme der Kolonien genügend erreicht zu haben. Die Friedensverhandlungen gingen nach Pitts Rücktritt sogar von der schwachen englischen Regierung aus und wurden trotz der glänzenden Erfolge mit unwürdiger Hast zu Ende geführt. Georg III. und der nunmehrige Leiter der Politik, Lord Bute, wünschten den Frieden aus anderen Gründen: Mangel an politischer Einsicht, Abneigung gegen Friedrich II., Verlangen nach Frieden von außen, um sich gegen Widersacher der Regierung im Lande wenden zu können. Sie schlossen schon am 3. November 1762 einen Präliminarfrieden zu Fontainebleau mit Frankreich und Spanien unter weit bescheideneren Bedingungen[71] ab, als die Gegner erwarteten und England nötig gehabt hätte; der Vertrag wurde am 10. Februar 1763 zu Paris bestätigt.

Die Friedensbedingungen. Frankreich gab alle Ansprüche auf Kanada, Neuschottland und Neubraunschweig — mit Kap Breton sowie den anderen Inseln im St. Lorenzstrom — auf; es trat das Ohiotal und das ganze Gebiet östlich vom Mississippi an England ab. Es gab auch Minorka zurück, und da es die Insel Spanien versprochen hatte, entschädigte es diesen Staat durch die Gebiete Louisianas, westlich vom Mississippi, einschließlich der Stadt New Orleans. Es war aus Nordamerika vertrieben. — In Westindien erhielt Frankreich sämtliche Inseln bis auf Grenada zurück. Die neutralen Inseln wurden geteilt: St. Lucia fiel an Frankreich, St. Vincent, Tabago, Dominica an England. — In Ostindien bekam Frankreich Pondicherry nebst den Besitzungen an der Koromandelküste wieder, die es 1749 besessen hatte, es mußte aber auf die seitdem hier sowie in Orissa gemachten Erwerbungen und auf das Recht verzichten, in Bengalen Befestigungen anzulegen und Truppen zu halten. Es konnte in Indien wohl in beschränktem Maße Handel treiben, aber sein politischer Einfluß — der Traum eines großen Reiches hier — war zu Ende. — In Afrika wurden die Niederlassungen im Senegal (mit Ausnahme von Gorée) an England abgetreten. — Das Recht, an den Küsten Neufundlands, sowie in einigen Teilen des Lorenzgolfes zu fischen, ward Frankreich zugestanden und ihm zu diesem Zweck die kleinen Inseln St. Pierre und Miquelon als Fischerstationen belassen. — Dünkirchen, der gefährliche Stützpunkt der Freibeuterei, mußte, wie nach dem Aachener Frieden, wieder entfestigt werden.

Spanien bekam Havanna sowie die Philippinen zurück, trat aber Florida an England ab und erhielt die französischen Teile von Louisiana. Von dem beanspruchten Rechte der Fischerei bei Neufundland wurde es ausgeschlossen. Es gestand zu, daß England in Honduras Holz holen dürfe, und erklärte sich mit der Aburteilung der Prisenfälle in England einverstanden.

England kam mithin durch den Frieden in den Besitz eines nordamerikanischen Reiches, das Kanada sowie die sämtlichen jetzigen Vereinigten[129] Staaten östlich des Mississippi umfaßte. Es gewann einige westindische Inseln und Senegal. In Ostindien wurden der englischen Kompagnie alle Eroberungen stillschweigend zugestanden; England war hier unbedingt die Vormacht geworden. Fast noch wichtiger als diese Gebietserweiterungen waren das Übergewicht zur See und das Ansehen, das England durch den Krieg erlangt hatte. Aber England hätte weit bedeutendere Forderungen durchsetzen können: solche, wie sie Pitt und seine Anhänger wünschten, um Frankreich aus der Reihe der Kolonialmächte zu streichen. Diese versuchten denn auch, die übereilten Friedensvorschläge rückgängig zu machen, das Parlament war jedoch größtenteils in der Hand der Regierung und bestätigte sie[72].

Captain Mahan äußert sich hierzu (Band I, Seite 309; hier gekürzt wiedergegeben): Pitt sagte: Frankreich ist uns hauptsächlich als See- und Kolonialmacht gefährlich. Was wir in dieser Hinsicht gewinnen, ist uns durch den Schaden wertvoll, den Frankreich davon bat. Jetzt läßt man ihm die Möglichkeit, seine Marine wieder ins Leben zu rufen. Die Zurückgabe der Kolonien in West- und Ostindien sowie des Rechtes der Fischerei in Nordamerika gaben Frankreich die Möglichkeit und den Antrieb, Schiffahrt, Handel und Marine wieder herzustellen, und waren geeignet, es von dem Pfade des Ehrgeizes auf dem Festlande, der so günstig für das Wachsen der Macht Englands auf den Ozeanen gewesen war, abzulenken. Die Opposition in England war auch der Ansicht, daß das noch öde Florida ein schlechter Ersatz für das wichtige Havanna sei; Portoriko war als solcher vorgeschlagen, Florida wurde angenommen.

Das Ministerium rechtfertigte seine Nachgiebigkeit mit dem ungeheuren Wachsen der Staatsschuld durch den Krieg (von 78 Millionen Lstrl. im Jahre 1748 auf 122); aber gerade weil dieser Wechsel auf die Zukunft gezogen war und sich dies durch die Erfolge im Kriege bewährt hatte, mußte man beim Friedensschluß alles nehmen, was man erhalten konnte. Auch brauchte England in dieser Hinsicht nicht in Sorge zu sein. Der zunehmende Handel und die wachsende Industrie, für die der große Kolonialbesitz ihm den Absatz sicherte, während im übrigen Europa Seehandel und Industrie daniederlagen, boten ihm genügende Garantie. Aber das Volk hatte keine Vertretung in der Regierung; der einzige Mann, der der Ausnutzung der günstigen Lage gewachsen war, Pitt, stand in Ungnade bei Hofe.“

Frankreich war über die geringen Forderungen erstaunt. Man hätte hier das reiche Martinique, Guadeloupe sowie das handelspolitisch und strategisch wichtig gelegene St. Lucia[73] geopfert; Guadeloupe gab aber Lord Bute sogar über den Kopf des Premierministers hin fort. Die ostindische Kompagnie war empört, daß sie die fast nur auf ihre Kosten eroberten Philippinen nicht behalten durfte; nicht einmal der volle Betrag der auferlegten Kontribution wurde ihr von Spanien gezahlt. Die Entrüstung auf Bute wuchs so rasch im Lande, daß er schon im April 1763 zurücktrat; man sagte ihm sogar nach, er sei von Frankreich bestochen worden.

[130]

Die Streitmittel.[74]

Frankreich trat dank den Bemühungen der Minister Maurepas und Rouillé mit einer größeren Zahl von Schiffen in den Siebenjährigen Krieg ein als in den vorigen.

Der Schiffsbestand betrug 1756: 6 Schiffe zu 84 Kanonen, 29 zu 74, 3 zu 70, 29 zu 64, 5 zu 60, mithin 72 Linienschiffe; ferner 10 Schiffe zu 50 sowie 6 zu 36–46 Kanonen, gewöhnlich Fregatten genannt, und an richtigen Fregatten 17 zu 32 sowie 24 zu 22–26 Kanonen, endlich 12 Korvetten zu 10–16 Kanonen und etwa 100 kleinere Fahrzeuge. Fast alle diese Schiffe, besonders aber die Linienschiffe, waren seit 1748 neu erbaut.

Zu den Linienschiffen zählen von dieser Zeit an nur solche, die über 50 Kanonen führen, doch stellte Frankreich noch manchmal 50-Kanonenschiffe in die Linie ein (England nur sehr selten). Frankreich scheint auch in diesem Kriege noch keine Dreidecker gehabt zu haben, dagegen die neuen, sehr starken Zweidecker zu 84 Kanonen (vgl. Seite 12 und 14). Mehrere Quellen geben für 1756 nur 60–70 Linienschiffe an.

Auch die Zahl der Seeoffiziere war von 660 um 1740 wieder auf 900 gewachsen, aber wie bei Beginn des vorigen Krieges fehlte ihnen die Übung, und bei den Mannschaften war dies noch mehr der Fall. Die traurigen Verhältnisse unter den späteren Ministern machten eine Stärkung der Marine während des Krieges unmöglich; der Aufschwung unter Choiseul (1761) kam zu spät. Im Siebenjährigen Kriege erhielt die königliche Marine noch Unterstützung durch die Ostindische Kompagnie, deren Schiffe und Offiziere jedoch nicht vollwertig waren (vgl. Seite 57).

Der Verlust an Schiffen betrug 20 Linienschiffe und 34 Fregatten, vom Feinde genommen, 14 und 22 Schiffe dieser Arten vernichtet oder sonst verunglückt; eine Anzahl kleinerer Fahrzeuge trat hinzu. Die Marine war also um 1763 wieder bis auf 40 Linienschiffe und, trotz einiger Neubauten, auf vielleicht 10 Fregatten zurückgegangen, wozu dann die 15 Linienschiffe im Bau, die die Nation der Regierung schenkte, traten.

Spanien hatte gleichfalls seine Marine seit 1748 sehr verstärkt. 1759 besaß es 49 Linienschiffe, nämlich: 2 zu 80 Kanonen, 6 zu 70, 30 zu 68, 8 zu 60, 3 zu 58. Hinzu kamen 2 Schiffe zu 50 Kanonen, 22 Fregatten zu 22–30 und 14 Korvetten. Die Schiffe waren fast sämtlich neu, jedenfalls die Linienschiffe erst nach 1750 erbaut. Es liegen aber keinerlei Andeutungen vor, die darauf hinweisen, daß die Schiffe besser imstande gehalten wären, noch daß das Personal auf einer höheren Stufe gestanden habe, als bisher. Spanien verlor in dem Kriege 9 Linienschiffe sowie 5 Fregatten, vom Feinde genommen,[131] und beim Angriff auf Havanna (1762) waren 3 Linienschiffe zur Sperrung der Einfahrt versenkt.

In England war der Schiffsbestand um 1756: 5 Schiffe zu 100 Kanonen, 10 zu 90, 6 zu 74, 27 zu 70, 5 zu 64, 36 zu 60, mithin 89 Linienschiffe; 30 Schiffe zu 50 Kanonen sowie 38 zu 40–44 (die letzteren oft Fregatten genannt); 59 Fregatten zu 20–24 Kanonen und viele kleinere Fahrzeuge. Insgesamt 274 Segel. Der Verlust betrug 15 Linienschiffe (aber nur eins vom Feinde genommen), 4 50-Kanonenschiffe, 3 zu 40 und 14 zu 20–28 Kanonen. Trotz dieses Verlustes und obgleich während des Krieges eine ziemlich große Zahl als abgenutzt aus den Listen gestrichen wurde, war doch durch Neubau oder Einstellung genommener Schiffe der Gesamtbestand um 1763 auf 340 Segel gewachsen. Die schon früher gegebene Tabelle (Seite 18) weist für 1762 an Linienschiffen 141 nach; aus ihr ist ferner zu ersehen, daß besonders Schiffe der dritten Klasse (zu 74 und 64 Kanonen) sowie Fregatten zu 28–38 Kanonen erbaut oder eingestellt sind, während man die verlorenen 50- oder 44-Kanonenschiffe nicht ersetzt hat. Auch begann man gegen Ende des Krieges in England nach dem Muster genommener französischer großer Zweidecker solche zu 80 Kanonen zu erbauen.

Im Gegensatz zum vorhergegangenen Kriege würde die englische Marine nicht überlegen gewesen sein, wenn das Bündnis zwischen Frankreich und Spanien sofort in Kraft getreten wäre. Auch nach den niedrigsten Angaben hätten diese Staaten über 100 Linienschiffe den englischen 89 (oder mit Einschluß der 50-Kanonenschiffe 120) entgegenstellen können. Gegen Frankreich allein trat England allerdings überlegen auf, und als Spanien (1761) den Krieg erklärte, hatte die französische Marine schon die angegebenen ungeheuren Verluste erlitten, die englische war dagegen bedeutend gewachsen.

Der Verlauf des See- und Kolonialkrieges.[75]

Die Ereignisse vor der Kriegserklärung.

Die Reibungen in den Kolonien begannen schon unmittelbar nach dem Frieden von Aachen. In Westindien besetzte der Gouverneur von Martinique 1749 die neutrale Insel Tabago und räumte sie erst wieder, als England sehr ernstlich Einsprache erhob; ein ähnlicher Fall ereignete sich an der Westküste von Afrika. In Ostindien aber hatten die Kompagnien und in Nordamerika die Kolonisten der beiden Länder den Kampf trotz des Friedensschlusses eigentlich ununterbrochen fortgesetzt, wie sich später bei der Schilderung des Krieges in den Kolonien ergeben wird. Um 1755 war der Kampf, in Amerika schon beträchtlich von den Mutterländern unterstützt, zu einem derartigen Umfange gediehen, daß die Regierungen[132] daheim Maßregeln ergriffen, die einen großen Krieg unabwendbar erscheinen ließen. Frankreich bereitete in Brest sowie Rochefort eine starke Expedition nach Kanada vor, und England rüstete daraufhin gegen 35 Linienschiffe aus, warb oder preßte Seeleute und ordnete die Aufstellung von 50 Kompagnien Seesoldaten an.

Am 3. Mai 1755 verließ Lieutenant-Général Comte de Macnemara Brest mit einer Flotte von 20 Linienschiffen und 6 Fregatten. Von den Linienschiffen waren jedoch nur 9 vollständig armiert, nämlich 6, die, zu einem Geschwader vereint, dem genannten Admiral unmittelbar unterstellt waren, und 3 zum Geschwader des Chef d'Escadre Dubois de la Motte gehörige. Dieser Flaggoffizier war der Führer der eigentlichen Expedition nach Kanada, und die ihm weiter unterstellten 11 Linienschiffe, die 12 Bataillone Infanterie (unter Baron Dieskau) sowie Kriegsmaterial in die Kolonie überführen sollten, waren nur als Flüten[76] armiert. Macnemara ging mit seinen Linienschiffen sowie 3 Fregatten nach Brest zurück, sobald er seine Aufgabe gelöst hatte und die Expedition sicher auf hoher See wußte. Nun sollte er an den Küsten Frankreichs kreuzen. Er legte aber krankheitshalber sein Kommando nieder und starb bald darauf, 65 Jahre alt; das Geschwader kreuzte dann unter dem Befehle des Comte Du Guay. Dubois segelte nach Nordamerika, zweigte bei Annäherung an die Küste 4 Linienschiffe nach Louisbourg ab und führte den Rest nach Quebec; 3 Schiffe waren im Nebel von ihm abgekommen, und nur diese stießen mit den Engländern zusammen.

In England war man nur oberflächlich von der französischen Expedition unterrichtet gewesen, hatte aber doch schon am 27. April den Vizeadmiral Edward Boscawen mit 11 Linienschiffen, einer Fregatte sowie einigen Transportern, die 2 Regimenter an Bord führten, nach Amerika gesandt. Als die Stärke der Franzosen bekannt wurde, folgte am 11. Mai ein Nachschub von 6 Linienschiffen unter Kontreadmiral Francis Holburne, die am 21. Juni auf den Neufundlandbänken zu Boscawen stießen. Dieser war zwar mit Dubois nicht zusammengetroffen, jedoch am 6. Juni den drei versprengten Franzosen begegnet, hatte sie mit dem ganzen Geschwader gejagt und am 8. zwei von ihnen, ein voll- und ein en flûte-armiertes Schiff, genommen; dem dritten, einem guten Segler, gelang es, im Nebel nach Louisbourg zu entkommen. Als Boscawen dann erfuhr, daß Dubois wohlbehalten Quebec erreicht habe, ging er nach Halifax, da seine Mannschaft sehr unter Krankheit litt; nur ein kleineres Geschwader unter Holburne blockierte Louisbourg. Nach Ausschiffung der Truppen begab sich Dubois auf die Rückreise und langte am 21. September in Brest an; auch den Schiffen in[133] Louisbourg gelang es, während eines Sturmes zu entschlüpfen und sich ihm anzuschließen. Nun ging auch Boscawen, dessen Bleiben in den nordamerikanischen Gewässern nicht mehr nötig erschien und der gegen 2000 Mann an Krankheiten verloren hatte, mit Holburne nach England und traf am 4. November in Spithead ein; nur wenige Schiffe unter Kommodore Spry überwinterten in Halifax.

Dubois wäre ohne Zweifel zu schwach gewesen, um gegen Boscawen aufzutreten, aber auch seine Instruktion verbot es ihm. Bemerkenswert ist hier die Verschiedenheit der Befehle für die Führer. Die französischen schrieben vor, jeden Zusammenstoß zu vermeiden, solange es die Ehre der Flagge zuließe; Boscawen hatte Order, die Kolonie zu schützen und das feindliche Geschwader anzugreifen, wo er es fände. Der Erlaß dieses Befehls war sogar dem französischen Gesandten bekannt gegeben.

Die Wegnahme der beiden französischen Schiffe erregte in Frankreich große Entrüstung, blieb aber nicht die einzige Gewalttat Englands vor der Kriegserklärung. Im Sommer 1755 erhielt der Kontreadmiral Sir Edward Hawke den Auftrag, mit einem starken Geschwader in der Biscaya zu kreuzen und jedes französische Linienschiff zu nehmen; im August wurde der Befehl auf alle feindlichen Kriegsschiffe, Kaper und Handelsschiffe ausgedehnt. Der gleiche Befehl erging an das Mittelmeergeschwader. Bis Ende des Jahres nahmen Hawke, später die Admirale Byng und Temple-West 500 Handelsschiffe im Wert von über einer Million Lstrl., sowie einige Kriegsschiffe; auf ihnen befanden sich 6000 französische Seeleute und 1500 Soldaten, einschließlich der Besatzungen der in Nordamerika genommenen Schiffe, in englischer Gefangenschaft. Diese entsprachen den Besatzungen von wohl 10 Linienschiffen, bedingten also einen schweren Verlust für Frankreich vor Eintritt in den Krieg.

Frankreich nimmt Minorka 1756. Trotz aller dieser Vorgänge und obgleich sich die Stimmung des englischen Parlaments im November 1755 sehr kriegerisch äußerte, setzte die französische Regierung die Verhandlungen über die amerikanischen Streitfragen fort; sie zeigte sich sogar so friedfertig, daß sie einen vor Brest genommenen englischen Kreuzer zurückgab und dem englischen Mittelmeergeschwader das Anlaufen von Toulon behufs Auffüllung von Vorräten gestattete. Hoffte man noch, den Frieden zu erhalten, oder wollte man die Zeit zu einem plötzlichen Schlage abwarten? Wie in den früheren Kriegen war in Frankreich große Stimmung für einen überraschenden Einfall in Großbritannien; See- und Landoffiziere sowie auch Private legten dem Marineminister Pläne zu einem solchen vor[77]. Mit Beginn des Jahres 1756 wurden Truppen an der Kanalküste zusammengezogen, und in Brest rüstete man eifrig. Es ist fraglich, ob dies Ernst war, aber man rief damit in England wieder die Furcht wach, die seit Ruyters Einfall hier so leicht die Gemüter erregte. Sogar die Regierung erließ eine Proklamation, die selbst englische Quellen (vgl. Laird Clowes, Band III, Seite 142) „foolish“ nennen, an die[134] Bevölkerung über Maßregeln bei einer Landung der Franzosen. Besonders aber wurde die Aufmerksamkeit Englands von den anderen wahrscheinlichen Kriegsschauplätzen abgelenkt, so besonders vom Mittelmeer. Der von allen früheren Strategen seit Drakes Zeiten längst als einzig richtig anerkannte Grundsatz, das Land vor einem Einfall durch entschieden angriffsweise Tätigkeit der Flotte zu schützen, geriet wieder einmal in Vergessenheit.

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Marquis de La Gallissonnière.

Und nun wählte Frankreich das Mittelmeer zu einem plötzlichen Vorstoß. Während man die Vorbereitungen im Norden möglichst geräuschvoll betrieb und dabei kleine Geschwader oder Divisionen von dort nach den Kolonien sandte, rüstete man in Toulon und Marseille ganz insgeheim eine mächtige Expedition gegen Port Mahon aus, um diesen wichtigen Stützpunkt vor der eigenen Küste den Engländern zu entreißen. Am 12. April 1756 ging der Lieutenant-Général Marquis de La Gallissonnière[78] mit 12 Linienschiffen und 5 Fregatten in See, er deckte eine Transportflotte von 176 Segeln mit 12000 Mann unter dem Herzog von Richelieu. Eine Woche später wurde das Heer auf Minorka gelandet, Port Mahon berannt und von der Flotte blockiert. Die erst spät zum Entsatz erscheinende englische Flotte unter Vizeadmiral John Byng wurde abgewiesen; die Festung ergab sich am 29. Juni.

Die Eroberung von Port Mahon 1756. Die Expedition war sehr geheim gehalten. Truppen, Artillerie-parks und Munition waren unter mannigfachen Vorwänden in Toulon und Marseille gesammelt. Der bezügliche Befehl erging an Richelieu, den derzeitigen Oberbefehlshaber der Truppen an der Mittelmeerküste, erst am 16. März, an Gallissonnière[135] am 22., sonst hatten selbst die höheren See- und Landoffiziere keine Kenntnis vom Zweck der Rüstungen. Die Schiffe waren schnell und gut ausgerüstet, man hatte dazu Arbeiter aus Genua und Venedig herangezogen. Die Einschiffung erfolgte vom 4. bis 8. April; die Gesamtflotte ging am 10. in See; sie mußte zwar wegen Gegenwindes wieder ankern, setzte aber am 12. die Reise fort und erreichte am 18. Minorka, ohne von einem englischen Schiffe gesehen zu sein. Des herrschenden Windes wegen wählte man Ciudadela als Landungsplatz; vom 18. abends bis zum 20. wurden die Truppen ausgeschifft.

Die Flotte blieb dann noch vor dieser Stadt liegen, um die Landung des Trains zu decken. Man hat dies dem Admiral zum Vorwurf gemacht; er habe die Deckung Fregatten überlassen können. Er versäumte nämlich dadurch die Gelegenheit, einige englische Schiffe abzufangen, die in Port Mahon lagen. Aus seiner Verteidigung[79] geht jedoch hervor, daß er sich genau an die ihm gewordene Order gehalten hat. Diese lautete: „Die Ausschiffungsstelle nicht zu verlassen, ehe der Marschall völlig zum Angriff auf Port Mahon bereit sei; seine Kräfte nie zu teilen und nur zum Schutz der Expedition zu verwenden.“ Erst vom 24. April ab kreuzte er dementsprechend vor der belagerten Stadt.

Marschall Richelieu besetzte die Stadt Port Mahon am 22. Die Garnison hatte sich in das Fort San Felipe zurückgezogen; sie war nur schwach, viele Offiziere befanden sich auf Heimatsurlaub und der sonst tüchtige Gouverneur, General Blakney, war alt und krank. Auf dessen Anfrage, was die Landung bezwecke, antwortete der Marschall: Das gleiche wie das Wegnehmen französischer Schiffe durch die englische Flotte. Die Beschießung des Forts und seiner Außenwerke begann erst am 11. Mai, da das Gelände die Belagerungsarbeiten sehr erschwerte; auch war noch Material verschiedener Art aus Frankreich nachzusenden. Man mußte mit dessen Beschaffung eilen, da täglich die Verbindung mit der Heimat durch englische Seestreitkräfte unterbrochen werden konnte. Eine englische Flotte erschien gegen Ende des Monats, wurde aber zurückgeschlagen. Die Besatzung kapitulierte nach tapferer Gegenwehr am 29. Juni unter ehrenvollen Bedingungen; sie wurde auf französischen Handelsschiffen nach Gibraltar gebracht.

Die Seeschlacht bei Minorka am 20. Mai 1756. In England hatte man mit Rücksicht auf die französischen Rüstungen im Norden das Mittelmeer ganz aus dem Auge gelassen, obgleich schon im Oktober 1755 das Gerücht von einem Plane des Feindes gegen Port Mahon aufgetaucht war und Schiffe genug zur Verfügung standen, um die nur schwache Mittelmeerstation zu verstärken. Auch war die Gefahr einer Landung in England keineswegs besonders drohend. Einige Kriegsschiffe, die im Januar 1756 Kauffahrer aus dem Kanal geleitet hatten, stellten auf ihrer Rückreise fest, daß in Brest sowie Rochefort nur 16 Linienschiffe bis zum Mai seeklar sein würden. Bis dahin aber konnte man mit Sicherheit über 50 bis 60 Linienschiffe verfügen. Erst am 6. April sandte man auf Drängen der öffentlichen Meinung den Vizeadmiral John Byng und den Kontreadmiral Temple-West nach dem Mittelmeer. Deren Flotte zählte aber nur 11 Linienschiffe, obgleich schon um diese Zeit 27 im Kanal und der Biskaya kreuzten und 28 in den Häfen lagen (außerdem waren gegen 40 Fregatten im Dienst). Byngs Schiffe hatten ein Regiment zur Verstärkung Port Mahons an Bord; um die Soldaten besser unterbringen zu können, waren die Seesoldaten der Besatzungen[136] zurückgelassen. Am 2. Mai traf der Admiral in Gibraltar ein und erfuhr hier von dem bisherigen Befehlshaber im Mittelmeer, Kommodore George Edgcumbe, die Landung der Franzosen.

Edgcumbe, der nur drei Linienschiffe und einige kleinere Kriegsfahrzeuge befehligte, hatte bei der Landung der Franzosen in Port Mahon gelegen, wohin er genommene französische Kauffahrer gebracht hatte; er hätte also leicht abgefangen werden können. Es gelang ihm aber, nach Gibraltar zu entschlüpfen, nachdem er noch seine Seesoldaten sowie eine Anzahl Seeleute der Garnison überwiesen hatte. Nur eins seiner Schiffe wurde durch französische Fregatten in Palma blockiert und erst durch die englische Flotte auf ihrer Fahrt nach Minorka befreit. Die Division Edgcumbe trat zu Byngs Flotte, zwei ihrer Linienschiffe finden wir in der Schlacht.

Admiral Byng versuchte in Gibraltar als Ersatz für die fehlenden Seesoldaten Landtruppen zu erhalten, der Gouverneur konnte jedoch bei der Schwäche der Garnison diesem Wunsche nicht voll entsprechen. Am 8. Mai ging die Flotte weiter und sichtete am 19. bei Tagesanbruch Minorka; Byng sandte Fregatten voraus, um mit Fort Philippe in Signalverbindung zu treten, mußte sie aber zurückziehen, als die französische Flotte herankam. La Gallissonnière hatte am 17. durch eine Fregatte das Nahen des Gegners erfahren und sich daraufhin dicht bei der Insel gehalten; da der Wind vom 18. an nördlich war, blieb er nordöstlich der Stadt, um sich die Luvstellung gegenüber dem Feinde zu sichern. Er benutzte die Zeit des Wartens, um seine Schiffsbesatzungen vom Lande her zu verstärken. Richelieu ließ am 18. mehrere Kompagnien auf Küstenfahrzeugen einschiffen, aber infolge flauen Windes und grober See erreichten nur einige von ihnen die Flotte; eins fiel sogar am 20. den Engländern in die Hände. Der 19. Mai, teilweise nebelig und fast windstill, verging mit Manövrieren der Flotten, um aneinander heranzukommen, wobei die Engländer die Luvstellung zu gewinnen, die Franzosen sich diese sowie ihre Lage zwischen dem Feinde und der Stadt zu erhalten suchten. Byng benutzte den Tag, um die Besatzung schwachbemannter Linienschiffe durch Leute der Fregatten zu ergänzen, sowie ein minderwertiges Schiff von 20 Kanonen zum Brander vorzubereiten. Am 20. Mai bei Tagesanbruch war es noch unsichtig und flau, als aber gegen Mittag der Wind nach Osten drehte und auffrischte, griff Byng an.

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Admiral The Hon. John Byng.

Die englische Flotte zählte: 1 Schiff zu 90 Kanonen (das Flaggschiff Byngs „Ramillies“), 1 zu 74, 1 zu 68 („Buckingham“, Flaggschiff Temple-Wests), 8 zu 60–66, 2 zu 50, insgesamt 13 Schiffe mit 834 Kanonen in der Linie; außerhalb dieser 1 Schiff zu 40, 3 zu 20, 1 zu 14 Kanonen. Die französische Flotte zählte: 1 Schiff zu 84 Kanonen (das Flaggschiff La Gallissonnières „Foudroyant“), 2 zu 74 („Redoutable“ und „Couronne“, Flaggschiffe der Chefs d'Escadre de Glaudevez, Vorhut, und de La Clue, Nachhut), weitere 2 zu 74, 5 zu 64, 2 zu 50, insgesamt 12 Schiffe mit 760 Kanonen in der Linie; außerhalb der Linie 1 Schiff zu 46 sowie 4 zu 26 Kanonen.

Die Schilderung der Schlacht bei Minorka ist in den verschiedenen Quellen nicht ganz gleich; diese weichen in den Angaben über Windrichtung und Bug der Flotten[137] während des Kampfes voneinander ab. Das stellt aber nur den Kurs in Frage, denn über die Lage zueinander und zum Winde stimmen die Quellen überein; einen Einfluß auf die Beurteilung des Verlaufes der Schlacht haben die Abweichungen also nicht. Die nachfolgende Darstellung versucht, alle sonstigen Widersprüche möglichst in Einklang zu bringen; sie fällt nahezu mit der Mahans (I, Seite 274) zusammen.

Als es am 20. Mai morgens aufklarte, lagen die Franzosen bei östlichem Winde mit SSO.-Kurs über Steuerbordbug zwischen den Engländern und der Insel. Byng führte nun seine Flotte über Backbordbug an der feindlichen vorüber, bis sie genau querab von ihr stand, und wendete dann mit allen Schiffen zugleich; er verfuhr also genau nach der englischen Instruktion für den Fall, daß man dem Feinde mit entgegengesetztem Kurse begegnet (vgl. Seite 39). Beide Flotten lagen jetzt querab voneinander über gleichen Bug, aber nicht parallel, sondern in einem Winkel von 30 bis 40 Grad. Ihre Spitzenschiffe waren etwa 2, die Schlußschiffe etwa 4 Seemeilen voneinander entfernt; die französische Linie lag unter kleinen Segeln dicht beim Winde und erwartete den Angriff, die englische steuerte raum auf sie zu. Als Byng gegen 2 Uhr nachmittags das Signal zum „Angriff“ gab, wie in der Schlacht bei Toulon 1744, blieb das vorher gegebene Signal „Gefechtslinie einnehmen“ stehen (Lage I des Planes). Nun traten die Nachteile der englischen Angriffsart im vollsten Maße ein, denn die Schiffe konnten nicht annähernd gleichzeitig an den Feind kommen.

Auf das Angriffssignal hielten die Schiffe der Vorhut beinahe senkrecht auf ihre entsprechenden Gegner in der französischen Linie ab; sie mußten auf eigenes Feuer fast ganz verzichten, erhielten dagegen drei furchtbare Breitseiten und wurden in der Takelage sehr beschädigt. Das sechste Schiff von vorn, „Intrepid“, verlor die Vormarsstenge und drehte in den Wind; damit brachte es die folgenden Schiffe in Unordnung, die rechts und links vorbeisegeln mußten, um Linie zu halten, und behinderte deren Feuer (Lage 2). Jetzt hätte Byng den Hinterschiffen ein Beispiel geben und hart auf den Feind abhalten müssen, aber eingedenk der Vorschrift und der Verurteilung Mathews nach der Schlacht bei Toulon wagte er es nicht. Er sagte zu seinem Flaggkapitän: »Sie sehen, daß ich vor „Louisa“ und „Trident« (Schiffe, die vor ihm sein sollten) bin. Ich kann doch als Admiral nicht abhalten, als wenn ich ein einzelnes Schiff angreifen wollte? Es war Mathews Unglück, daß er seine Streitmacht nicht zusammen heranführte; das will ich vermeiden.“

So staute sich der ganze Angriff und stockte. Inzwischen wichen die französischen Spitzenschiffe aus, um den Nahkampf zu vermeiden; der Rest der französischen Linie mehrte Segel, zog an der beschädigten englischen Vorhut vorüber und überschüttete sie mit Feuer. Sie konnte dies ohne Belästigung durch die übrigen englischen Schiffe ausführen, da diese Segel geborgen hatten, um die Linie wieder herzustellen (Lage 3). Die Franzosen halsten dann im Kontremarsch und nahmen über Backbordbug ihre[138] abwartende Stellung unter kleinen Segeln wieder ein. Ein zweiter Angriff erfolgte aber nicht, da die englische Flotte durch die Beschädigung der vordersten Schiffe zu sehr geschwächt war. Byng zog sich auf die Südseite der Insel zurück; Gallissonnière verfolgte ihn nicht.

Der Verlust der Franzosen in dem etwa dreistündigen Kampfe betrug 38 Tote und 184 Verwundete; nur ein Schiff war schwerer beschädigt. Die Engländer büßten 45 Tote und 162 Verwundete ein, die auf die vordersten sieben Schiffe entfielen; diese waren auch sehr zerschossen.

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Schlacht bei Minorka, 20. Mai 1756.

Die Schlacht muß wohl taktisch unentschieden genannt werden, aber der Erfolg war doch auf französischer Seite. Im englischen Kriegsrate kam man zu der Ansicht, man sei nicht imstande, die französische Flotte nochmals anzugreifen, ja man würde durch eine neue Schlacht, wenn sie ungünstig verliefe, sogar die Sicherheit Gibraltars sowie des Handels im Mittelmeer aufs Spiel setzen. So ging Byng nach Gibraltar zurück; der Entsatz Port Mahons war vereitelt. Die Franzosen fühlten sich jedoch keineswegs vor dem Wiedererscheinen der dann wohl verstärkten englischen Flotte sicher. La Gallissonnière blieb deshalb in der Nähe der Insel, bis Port Mahon gefallen war, und drang danach auf schleunige Einschiffung der Truppen. Diese erfolgte vom 4. bis 7. Juli; am 18. trafen das Gros der Expedition, am 21. die letzten Nachzügler wieder in Toulon ein. Tatsächlich erschien auch noch im Juli der englische Admiral Hawke bei Minorka.

Das weitere Schicksal Port Mahons in diesem Kriege sei gleich hier kurz berührt. Wenn Frankreich im Besitz einer leistungsfähigen Marine gewesen wäre, so würde dieser[139] Stützpunkt im Verein mit Toulon und Korsika eine Stellung von Bedeutung gewesen sein. Da man aber den Seekrieg bald nur schwächlich führte und seine Vorzüge nicht ausnutzen konnte, so wurde für Port Mahon nichts getan. Man überließ es seinem Schicksal; der Hafen war meistens blockiert und der Garnison mangelte oft das Notwendigste; die Engländer hielten eine Wiedereroberung nicht der Mühe wert. Beide Gegner waren überzeugt, daß Minorka beim Friedensschluß doch an England zurückfallen würde. Nach Ausspruch eines französischen Autors (Lacour I, Seite 277), plante man in Frankreich schon vor Ausführung der Expedition, nach der Einnahme die enge Einfahrt Port Mahons durch Verschüttung zu sperren, um den Hafen überhaupt als Stützpunkt unbrauchbar zu machen; es lag wohl stets die Absicht vor, bei vorteilhafter Gelegenheit Minorka an Spanien zurückzugeben.

Die Bedeutung der Schlacht bei Minorka für die Geschichte der Seetaktik ist noch größer als die der Schlachten vor Malaga (1704) und vor Toulon (1744). Sie gibt in geradezu vollkommener Weise ein Bild zu dem, was über die Taktik des Zeitabschnittes gesagt ist. Der englische Admiral führt seine Flotte genau nach den Gefechtsinstruktionen zum Angriff und verharrt, wie seine Kommandanten, in der buchstäblichen Befolgung dieser Vorschriften, obgleich der Verlauf des Kampfes, selbst nach seiner eigenen Erkenntnis, ein Abweichen erfordert hätte. Auch die unvermeidlichen Folgen der englischen Angriffsart, die bei dieser Gelegenheit wegen des großen Winkels der beiden Gefechtslinien besonders schwierig war, zeigen sich deutlich in allen Einzelheiten dieser Schlacht. Die vordere Hälfte der englischen Linie, die in ungünstiger Lage zunächst allein ins Gefecht eintritt, wird in ihrer Bewegungsfähigkeit gelähmt; eins ihrer Schiffe bringt die hintere Hälfte in Unordnung; infolge des Bestrebens, die Ordnung wiederherzustellen, kommt diese überhaupt nicht zu ernstlichem Kampfe.

Auch die Franzosen verfahren genau nach ihrer Taktik. Ihre vorderen Schiffe weichen aus, ehe die Gegner zum Nahkampf heran sind; die hinteren benutzen die Untätigkeit der gegenüberstehenden Feinde und ziehen in vollster Ordnung unter Ausnutzung ihres Feuers an den schon beschädigten Engländern vorüber; dann nimmt der französische Admiral außer Schußweite eine neue Stellung ein und erwartet das Weitere. Der englische Admiral fühlt sich aber zu schwach und bricht das Gefecht ab. — Endlich ist auch das Ergebnis der Schlacht so, wie es theoretisch beim Aufeinandertreffen der beiden Taktiken sein muß. Die Schlacht bleibt unentschieden; die Franzosen haben zwar mehrere feindliche Schiffe schwer beschädigt, aber keins vernichtet oder genommen; die Engländer müssen in Rücksicht auf den augenblicklichen Ausfall der Beschädigten von einem zweiten Angriff absehen. (Wenn in diesem Falle ihr Mannschaftsverlust fast ebenso groß war wie der der Franzosen, so ist dies wohl dem Umstande zuzuschreiben, daß ihre Schiffe durch die Soldaten für Port Mahon überfüllt gewesen sind.)

Neuere französische Marineschriftsteller tadeln den Admiral La Gallissonnière, daß er die Unordnung in der feindlichen Linie und die dadurch hervorgerufene Trennung der hinteren Hälfte von der vorderen nicht benutzt habe, mit den ihm folgenden Schiffen durch die Lücken auf die Luvseite[140] der vorderen englischen Hälfte zu gehen, um sie von beiden Seiten anzugreifen; seine vorderen Schiffe hätten standhalten müssen und durften nicht ausweichen. Dafür, daß nicht so verfahren sei, wird von anderer Seite als Entschuldigung angeführt, die hinteren französischen Schiffe seien zu sehr beschädigt gewesen, um ein solches Manöver auszuführen, auch seien die Engländer durch die Soldaten an Bord so stark bemannt gewesen, daß man französischerseits besser tat, einen Nah- oder gar Enterkampf zu vermeiden. Der erste Grund muß hinfällig erscheinen, da die fraglichen Schiffe nur wenig Feuer erhalten haben können; der zweite hat vielleicht mitgewirkt. Die bestimmende Ursache aber für den Führer wie den Oberbefehlshaber war die Hinneigung zur Vorsicht und damit zur Defensive, die sich in allen Orders und Instruktionen von höchster Stelle jenes Zeitabschnitts ausspricht und die damalige französische Taktik wie Strategie kennzeichnet. Man strebte mehr danach, sich augenblickliche Vorteile zu erhalten oder gemachte Eroberungen zu sichern, als durch kräftiges Vorgehen Errungenes weiter auszunützen und vor allem die feindlichen Seestreitkräfte zu vernichten; „niemals wollte man viel aufs Spiel setzen“.

Dieser zuerst wohl auf strategischem Gebiet als Folge der schwächeren Marine in den früheren Kriegen erwachte Gedanke hat wahrscheinlich ebenso zur Ausbildung einer defensiven Taktik beigetragen, wie die Erkenntnis der Schwächen in der englischen Taktik, die auf eine solche hinwiesen. Auch bei Minorka hat La Gallissonnière wohl sicher von der Offensive abgesehen, um seine Flotte zu schonen; daß er nach der Schlacht dem geschwächten Gegner nicht folgte, um ihm weitere Verluste beizubringen, geschah nach seiner eigenen Äußerung tatsächlich, um „seiner Instruktion gemäß“ das Landunternehmen nicht aus dem Auge zu lassen und zu dessen Schutz seine Flotte möglichst stark und schlagfertig zu erhalten.

Bei der allgemeinen Betrachtung des französischen Personals (Seite 43) wurde betont, daß die Orders unter Louis XV. nicht dazu geeignet waren, die Offiziere zu schneidigem Handeln zu erziehen. Schon während der Landung hatte sich der Admiral die Gelegenheit entgehen lassen, die englischen Schiffe im Hafen abzufangen, und jetzt nach der Schlacht verfolgte er nicht. Ein französischer Autor (Lacour I, Seite 264) sagt gerade bei Beschreibung der Minorka-Expedition: „Mais des instructions trop timides ont souvent paralysé dans notre histoire maritime l'ésprit d'initiative des chefs les plus capables.“

La Gallissonnière fand volle Anerkennung und Billigung seines Verfahrens; der Erfolg über das seemächtige England erregte in Frankreich großen Jubel und Begeisterung für die Marine. Er erhielt das Großkreuz des Ludwigsordens sowie eine hohe Pension; auch seine Ernennung zum Marschall war in Aussicht genommen, doch starb er schon am 26. Oktober 1756. — Der Admiral Byng dagegen wurde ein Opfer für die Fehler seiner Regierung, die ihm zu schwache Streitmittel gegeben hatte, und des Volksunwillens. Er wurde kriegsgerichtlich zum Tode verurteilt und erschossen.

Das Kriegsgericht über Byng. Nach dem Eintreffen in Gibraltar wurde der Admiral abberufen und in Untersuchung gezogen. Die Hauptanklagepunkte waren, daß er[141] nicht mit der ganzen Linie angegriffen, sondern mit den der „Intrepid“ folgenden Schiffen Segel gemindert habe, um die Ordnung herzustellen. Gewiß wäre dies richtig gewesen und hätte auch im allgemeinen wohl den Vorschriften entsprochen, aber man hatte doch nach Toulon den Admiral Mathews angeklagt, weil er aus der Linie gebrochen war, und ähnlich würde Byng auch haben handeln müssen. Ferner wurde ihm vorgeworfen, daß er nach notdürftiger Ausbesserung seiner Schiffe nicht bei Minorka geblieben sei und alles versucht habe, Port Mahon zu unterstützen. Dies hatte ja aber der Kriegsrat der Land- und Seeoffiziere für unmöglich erklärt.

Er wurde verurteilt nach dem Kriegsartikel, der mit dem Tode diejenigen bedrohte, die aus Feigheit, bösem Willen oder Nachlässigkeit es unterließen, alles daran zu setzen, feindliche Schiffe zu nehmen oder zu vernichten. Die Verurteilung zeigt, daß die englischen Gefechtsvorschriften mangelhaft und hemmend waren, sowie daß die meisten englischen Seeoffiziere dieser Zeit sie nur dem Buchstaben, nicht dem Sinne nach auffaßten. Das Kriegsgericht empfahl nun zwar den Angeklagten der Gnade des Königs, da er nicht aus Feigheit, noch mit Kopflosigkeit gehandelt, sondern, wenn auch irrig, kühl und mit Überlegung. Das Urteil wurde aber dennoch bestätigt, denn die Regierung hatte das Mittelmeer vernachlässigt, jetzt war der Schaden da und der Volksunwille groß; man brauchte einen Sündenbock. Nun hatte gar Byng, als er auf der Ausreise in Gibraltar die Landung der Franzosen erfuhr, in einem Bericht an die Admiralität die bisherige Vernachlässigung des Mittelmeeres sowie die Schwäche seiner Flotte kritisiert. Der mehrfach angezogene französische Autor (Lacour I, Seite 266) sagt treffend: „Einen solchen Brief verzeiht man wohl einem siegreichen, aber nie einem geschlagenen Admiral.“

Byng war ein tapferer, see- und diensterfahrener, ehrenwerter Mann, aber doch wohl kein bedeutender höherer Führer; sein Bericht über die Schlacht enthielt zu viele Entschuldigungen und zeigte zu wenig Selbstbewußtsein. Während der Untersuchung und bei seinem Tode trat er jedoch würdig auf. Am 17. März 1757 wurde er in Spithead auf dem Achterdeck des Linienschiffes „Monarch“ erschossen.[80]

Der Krieg In den europäischen Gewässern.

Am 17. Mai 1756, wenige Tage vor der Schlacht bei Minorka, als die Nachricht von der Landung der Franzosen auf dieser Insel eingetroffen war, erklärte England den Krieg.

Das Jahr 1756 brachte jedoch in der Biskaya und im Kanal keine Ereignisse von Bedeutung. England hielt aus Besorgnis vor einer Invasion seine Hauptmacht, die nach und nach auf über 50 Linienschiffe sowie gegen 40 Fregatten gebracht wurde, in den Kanalhäfen zusammen. Von hier aus beobachtete Ende Februar Admiral Sir Edward Hawke mit einem ziemlich starken Geschwader Brest; vorher war es zwei französischen Divisionen geglückt, nach Westindien auszulaufen. Diese Beobachtung, später unter den Admiralen Boscawen und dann Knowles, wurde bis zum November aufrechterhalten, doch man verringerte die dazu bestimmten Kräfte allmählich, da im Sommer ein Leutnant durch eine kühne nächtliche Bootsfahrt in den Hafen von Brest festgestellt hatte, daß dort nur wenige Schiffe lägen. Bald darauf entschlüpften wieder zwei französische Divisionen, die eine nach Westindien, die andere nach Westafrika. Die starke Streitmacht[142] Englands hatte also nicht einmal den Gegner von seinen Kolonien abgeschnitten. Frankreich vermochte indessen, außer den Entsendungen nach den Kolonien, nichts zu unternehmen.

Der Plan zu einer Invasion in England blieb in Frankreich während der Jahre 1756–1759 rege, in jedem Jahre wurden Rüstungen dazu angeordnet. Entweder konnte man aber die Mittel nicht aufbringen oder man betrieb die Sache nicht ernstlich; die Schiffe, die in Dienst gestellt wurden, gingen dann größtenteils nach den Kolonien. Im Jahre 1756 trug man sich auch mit der Absicht, die normannischen Inseln, die so wichtigen Vorposten Englands im Kanal, zu erobern, jedoch dies kam gleichfalls nicht zur Ausführung. All diese Gedanken wurden jedoch 1759 aufgegeben, als man sich stark genug glaubte, aber schon bei den ersten Schritten zu ihrer Ausführung die schweren Niederlagen von Lagos und Quiberon erlitt.

Im Mittelmeer verlief der Krieg 1756 schleppend. Admiral Byng traf nach der Schlacht bei Minorka am 19. Juni in Gibraltar ein, fand hier eine von England gesandte Verstärkung von 5 Linienschiffen und bereitete die Rückkehr ins Mittelmeer vor. Am 3. Juli langte jedoch Hawke mit dem Kontreadmiral Saunders an und brachte die Rückberufung Byngs sowie Temple-Wests mit. Er übernahm das Kommando und führte die jetzt 21 Linienschiffe starke Flotte nach Minorka, doch war es zu spät, um Port Mahon zu retten oder auch nur den Rücktransport des französischen Heeres anzugreifen. Hawke beschränkte sich darauf, den Hafen zu blockieren und den Handel im Mittelmeer zu schützen.

Die französische Toulonflotte zeigte sich nicht mehr, obgleich sie nach Rückkehr von Minorka instandgesetzt wurde und im August 16 Linienschiffe sowie 6 Fregatten zählte. So ganz unbedingt müssen jedoch die Engländer die See nicht beherrscht haben, denn es gelang den Franzosen wiederholt, Port Mahon zu verproviantieren sowie im November 3600 Mann von Antibes nach Korsika zur Unterstützung Genuas gegen die Aufständischen überzusetzen; genannte Republik übergab dann alle befestigten Hafenplätze dieser Insel den Franzosen. Im Dezember kehrte Hawke mit einem Teil der Flotte nach England zurück und überließ dem Kontreadmiral Charles Saunders den Befehl auf der Mittelmeerstation.

Auch im Jahre 1757 bieten die Operationen im Mittelmeer wenig Bemerkenswertes. Im März gingen 4 Linienschiffe unter Kapitän Durevest von Toulon nach Nordamerika. Saunders hatte Nachricht davon erhalten und lauerte ihnen in der Straße von Gibraltar mit 5 Linienschiffen auf. Am 5. April um 5 Uhr nachmittags sichteten sich die Gegner; es kam bei Einbruch der Dunkelheit zu einem zweistündigen Gefechte auf weitere Entfernung, aber in der Nacht entschlüpften die Franzosen und erreichten unbelästigt ihr Ziel (15. Juni in Louisbourg). Im Mai wurde die englische Station unter dem Kommando des Vizeadmirals Henry Osborne wieder verstärkt. Dieser nahm das Kreuzen wie im Vorjahre auf; er erschien im Juni mit 14 Linienschiffen vor Toulon und landete auch einmal bei Bormes, einem Küstenplatz östlich der Hyèren, zur gewaltsamen Eintreibung von Schlachtvieh sowie frischem Proviant.

[143]

In Toulon lagen nur 6 Linienschiffe unter dem Chef d'Escadre de La Clue; man beabsichtigte, weitere 8 in Dienst zu stellen, aber es fehlte an Material wie Mannschaften. Auch de La Clues Division, die über St. Domingo nach Louisbourg segeln sollte, war erst im Oktober seeklar und ging am 8. November in See. Der Admiral wagte jedoch wegen Osbornes Anwesenheit dort nicht, die Straße von Gibraltar zu passieren, sondern suchte Cartagena auf, um hier Verstärkungen zu erwarten; diese trafen aber erst im nächsten Jahre ein.

Im Atlantik wurde es 1757 etwas lebhafter. Obgleich die Engländer das Kreuzen vor den französischen Häfen im Frühjahr wieder mit verstärkten Kräften aufnahmen, gelang es doch drei Geschwadern, auszulaufen: Der Chef d'Escadre de Bauffremont verließ am 30. Januar Brest mit 5 Linienschiffen und einer Fregatte und traf am 23. Mai in Louisbourg ein; Chef d'Escadre Comte d'Aché segelte am 4. Mai mit einem Linienschiff sowie 7 großen Schiffen der Ostindischen Kompagnie nach Ostindien, er war am 11. Dezember in Isle de France; Lieutenant-Général Dubois de La Motte führte am 3. Mai 9 Linienschiffe nebst 4 Fregatten nach Louisbourg und erreichte es am 19. Juni. Im weiteren Verlauf des Jahres entwickelte aber England mehr Tatkraft, was sicher mit dem Eintritt Pitts in die Regierung zusammenhängt. Es wurden Angriffe auf die feindliche Küste ins Auge gefaßt, als Gegenstoß gegen französische Invasionspläne, mit denen man in England immer noch rechnete. Ein Angriff auf Rochefort schlug jedoch gänzlich fehl, was bei den bedeutenden Kosten, die er verursacht hatte, großen Unwillen im englischen Volke erregte.

Angriff der Engländer auf Rochefort 1757. Man wählte diese Stadt, da man hoffte, hier leicht die Docks, Magazine, Arsenale und Schiffe zerstören zu können. Im Jahre 1754 hatte ein Kapitän Clark, der von Gibraltar nach England reiste, die Stadt besucht und mit Erlaubnis der Behörden sämtliche Anlagen besichtigt. Er fand die Befestigungen fehlerhaft angelegt und seit sechzig bis achtzig Jahren vernachlässigt, entwarf danach einen Angriffsplan und legte diesen jetzt, im Juli 1757, William Pitt vor. Da nun ein verräterischer französischer Lotse, Thierry, die Angaben Clarks bestätigte und weitere über L'Ile d'Aix, die kleine befestigte Insel vor der Charente, von der die Reede von Rochefort (gewöhnlich Reede von L'Ile d'Aix benannt), sowie die Flußmündung beherrscht werden — sowie über Fouras, ein Fort an der Flußmündung, hinzufügte, glaubte man, hier leichtes Spiel zu haben.

Insgeheim wurde eine Flotte von 16 Linienschiffen, zahlreichen kleineren Fahrzeugen sowie Transportern mit 10000 Soldaten ausgerüstet; die Flotte befehligten Admiral Hawke, Vizeadmiral Knowles und Kontreadmiral Broderick, die Truppen standen unter Generalleutnant Sir John Mordaunt. Die Expedition segelte am 8. September und erschien am 20. überraschend in der Durchfahrt zwischen den Inseln Oléron und Ré. Noch am selben Tage ging Knowles mit 2 Mörserbooten gegen Ile d'Aix vor, zwei französische Schiffe, die auf der Rhede lagen, liefen in die Charente ein und alarmierten. Am 23. wurden die Befestigungen der Insel beschossen, leicht niedergekämpft, besetzt und zerstört. In der Zwischenzeit suchten kleinere Fahrzeuge einen geeigneten Landungsplatz auf dem Festlande. Sie fanden jedoch die Landung überall schwierig, bei Widerstand sogar unmöglich; ein Kriegsrat am 25. beschloß daher, von dem Unternehmen abzusehen. In einer zweiten Versammlung am 28. wurde zwar doch der Angriff wieder ins Auge gefaßt, obgleich der Gegner jetzt manche Verteidigungsmaßregeln[144] getroffen hatte, aber am 29. wehte heftiger Landwind, und man stand abermals davon ab. Am 1. Oktober ging die Flotte unter Segel und traf am 6. in Spithead ein.

Nach französischen Auffassungen hätte das Unternehmen gelingen müssen. So sagt ein Autor (Lacour I, der die Ereignisse Seite 305 genauer beschreibt): „Die Macht der Engländer war stark genug, den Erfolg sicherzustellen. Man fing 1757 eben an, die Insel Aix zu befestigen... Die Werke Rocheforts waren in dem Zustande, wie sie Clark beschrieben hatte... Im Fort Fouras war keine Batterie in Ordnung, und es lagen nur 300 Mann dort... Der Marinekommandant und der Intendant dieses Hafens waren so überrascht und von der Einnahme der Stadt so überzeugt, daß sie nur an die Rettung der Dokumente und Akten, nicht aber an Verteidigungsmaßregeln dachten. (Rettung der Kassen wird nicht erwähnt, in ihnen war wohl nichts?)... Aber was die Verteidiger aus Kopflosigkeit sowie Kleinmut verfehlten, das hoben die Angreifer durch Mangel an Tatkraft und schnellem Handeln auf. Der Befehlshaber der Truppen, Generalleutnant Langeron, gewann Zeit, die Garnison von Fouras zu verstärken, sowie an einigen Stellen am Strande Schanzen aufzuwerfen, auch verstand er es, seine schwachen Kräfte stärker erscheinen zu lassen; so wagten die Gegner nicht, etwas gegen das Festland zu unternehmen.“

Kurz nach der Rückkehr der Expedition ging Admiral Hawke am 22. Oktober aufs neue mit 15 Linienschiffen in See, um die französische Flotte abzufangen, die unter Dubois de La Motte von Louisbourg zurückerwartet wurde. Seine Schiffe wurden jedoch in der Biskaya durch einen Sturm zersprengt, und ehe sie sich wieder vereinigt hatten, lief der Gegner am 23. November in Brest ein.

Im Jahre 1758 fanden in England schon im Winter große Indienststellungen statt. Im Februar verließ Admiral Boscawen Portsmouth mit einer Expedition von 20 Linienschiffen, 18 Fregatten, vielen kleineren Fahrzeugen sowie über 100 Transportern mit 12000 Mann (14000?), die Louisbourg nahm. Kleinere Geschwader gingen nach West- und Ostindien sowie nach Westafrika ab. Die Admirale Lord Anson und Hawke wurden zur Blockade von Brest und zur Beobachtung der Kanalhäfen entsandt; man sammelte ein kleineres Geschwader unter Kommodore Richard Howe sowie Truppen auf Wight zu Vorstößen gegen die feindliche Küste. Endlich kreuzte Kommodore Holmes mit einigen Schiffen an der holländischen Küste.

Die Division Holmes griff durch die Eroberung Emdens unmittelbar in den Siebenjährigen Krieg ein. Die Stadt war am 4. Juli 1757 von den Franzosen besetzt, jetzt wurde sie im März 1758 mit Unterstützung der Seestreitkräfte zurückerobert.

Frankreich gelang es wiederum, von den atlantischen Häfen Verstärkungen nach Kanada zu senden, und zwar während der Wintermonate, als der Gegner die Blockade noch nicht in vollem Maße aufgenommen hatte oder sie auch wegen der Stürme nicht streng durchführen konnte. In drei Abteilungen — unter Führung der Kapitäne Des Gouttes, Beaussier de L'isle und Comte de Du Chaffault — segelten insgesamt 9 Linienschiffe ab, von denen aber nur 4 voll, die anderen als Flüten armiert waren, 2 Fregatten, ein schweres Schiff der Indischen Kompagnie, sowie einige Transporter mit Truppen und Kriegsmaterial. Im April sollte ein[145] weiterer Transport von Ile d'Aix aus folgen, wurde jedoch durch Hawke festgehalten.

Angriff auf französische Schiffe bei Ile d'Aix 1758. Am 3. April erschien Hawke vor der Insel; auf der Rhede lagen 5 Linienschiffe, 2 Fregatten und etwa 40 Transporter. Als er am 4. nachmittags herankam, kappten die Franzosen ihre Ankertaue und setzten sich auf Strand. Die Engländer mußten gleichfalls der geringen Wassertiefe halber ankern und vermochten sich auch am 5. bei Flut nicht so weit zu nähern, daß sie die feindlichen Schiffe hätten vernichten können. Die französischen Kriegsschiffe erleichterten sich dann durch Überbordwerfen der Kanonen und liefen in die Charente ein; ihre Gegner mußten sich damit begnügen, die Bojen auf den Kanonen zu entfernen. Immerhin war die Abfahrt der Verstärkung verhindert, was vielleicht die Eroberung Louisbourgs erleichtert hat.

Nun folgte eine Reihe von Angriffen auf französische Kanalhäfen. Ihr Zweck war angeblich, zugunsten Friedrichs II. französische Truppen vom Kriegsschauplatz in Deutschland abzuziehen, doch wollte wohl England, wie in den früheren Kriegen, hierdurch die Ausgangshäfen der französischen Freibeuterei vernichten. Der Flotte unter Anson, dem Hawke als zweiter im Kommando zur Seite stand, fiel die Aufgabe zu, jede Störung durch französische Seestreitkräfte von den atlantischen Häfen aus zu hindern; zur Ausführung war unter Howe ein Geschwader von Schiffen bestimmt, die besonders für die Küstengewässer geeignet waren; die Landungstruppen, 14000 Mann, befehligte General Herzog von Marlborough, an dessen Stelle im Juli General Bligh trat. Da die Ereignisse wenig Bemerkenswertes bieten, sollen sie nur kurz behandelt werden[81].

Angriffe auf französische Kanalhäfen 1758. Howes Geschwader zählte 1 Linienschiff, 4 Schiffe zu 50 Kanonen, 10 Fregatten, 5 Sloops, 2 Brander, 2 Mörserboote, viele kleine Fahrzeuge zu besonderen Zwecken sowie 100 Transporter für die Truppen; die Schiffe hatten eine große Zahl flachgehender Boote für Landungen an Bord. Am 1. Juni segelte Anson von England, um sich mit Hawke vor Brest zu vereinen, bald darauf ging Howe in See. Am 5. Juni nachmittags ankerte die Expedition in einer Bucht 6 Seemeilen östlich von St. Malo, 3 Fregatten sowie 1 Sloop setzten die dort befindliche Strandbatterie außer Gefecht und vertrieben am Strande befindliche Truppen, so daß die Landung ohne Verlust vor sich gehen konnte; sie war am 6. beendet und am 7. wurde auf St. Malo marschiert. Die Einnahme der Stadt zeigte sich jedoch undurchführbar, und am 11. sowie 12. schiffte man die Truppen wieder ein, nachdem die Umgebung gebrandschatzt war; das Unternehmen hatte 30 Tote und Verwundete gekostet. Durch ungünstigen Wind aufgehalten, langte die Expedition erst am 26. vor Le Havre an. Hier versuchte man eine Landung nicht erst, da der Gegner zu gut vorbereitet war. Man ankerte am 29. Juni zwei Seemeilen entfernt vor Cherbourg. Hier vereitelte aufkommender Sturm die schon vorbereitete Landung. Da die Wetteraussichten für die nächste Zeit ungünstig erschienen, und da auch auf den überfüllten Schiffen Krankheiten ausgebrochen waren, ging Howe nach Spithead zurück; eine französische Fregatte war während der Unternehmungen genommen.

In England wurden zunächst die Truppen zur Erholung ausgeschifft. Einen Teil derselben sandte man später zum Heere in Deutschland, mit dem Rest ging die Expedition am 1. August aufs neue in See. Am 6. wurde vor Cherbourg erkundet, am 7.[146] und 8. in einer Bucht 6 Seemeilen westlich der Stadt fast ungestört gelandet und diese dann ohne ernsten Widerstand besetzt. Stadt sowie Werke waren von den Franzosen geräumt. Man zerstörte nun die Befestigungen, Magazine und Schiffe im Hafen, doch war der Erfolg mehr moralischer Art, da Cherbourg damals nur eine unbedeutende Marinestation war; in kleinen Scharmützeln hatte man 20 Tote sowie 30 Verwundete eingebüßt. Am 16. nahm man die Truppen wieder an Bord und ankerte am 18. bei Portland, da aber der Regierung der Erfolg nicht genügte, wandte man sich wieder gegen St. Malo.

Am 4. September landete man in der Bucht von St. Lunaire, westlich der Stadt, sah aber auch diesmal vom Angriff auf die Stadt ab und beschränkte sich auf Brandschatzen. Da die genannte Bucht sehr felsigen Grund hatte, und das Wetter bedrohlich aussah, erachtete der Kommodore die Wiedereinschiffung hier für gefährlich; man wählte deshalb die Bucht von St. Cas, aber der Marsch dahin brachte eine schwere Niederlage. Aus Wäldchen und Hecken wurden die Truppen beschossen und sahen sich plötzlich am 11. September durch eine stärkere feindliche Streitmacht bedroht. In Eile wurde der Weg nach St. Cas fortgesetzt, aber hier gelang es nur noch, etwa ein Drittel der Truppen in Ruhe und Ordnung an Bord zu bringen, wobei man zuerst die Reiter und die Artillerie einschiffte. Da griffen die Franzosen mit allen Waffen an, und der Rückzug artete in Flucht aus. Der Gesamtverlust dieses Unternehmens bezifferte sich auf 822 Tote, Verwundete und Gefangene; darunter 4 Schiffskommandanten, die bei der Einschiffung befehligt hatten.

Bemerkenswert ist, daß der „Sieg am 11. September“ in der Bretagne wie in ganz Frankreich großen Jubel erregte; er wurde gefeiert, in Liedern besungen, und der Herzog von Aiguillon, der die Truppen von Brest herangeführt hatte, war der Held des Tages.

Die englische Hauptflotte unter Anson blockierte die französischen Kriegshäfen bis Mitte September. Als dann die Angriffe auf die Kanalhäfen aufgegeben wurden, ging sie heim und ließ ein kleineres Geschwader zurück, das erst im Dezember eingezogen wurde. Im Oktober kam Du Chaffault mit seiner Division — 4 Linienschiffen, 2 davon als Flüten armiert, dem Kompagnieschiff und einer Fregatte — von Kanada; er wäre wohl abgefangen worden, wenn die Blockade noch in vollem Umfange bestanden hätte. So erlitt er nur durch Zufall Verluste. Er traf nämlich vor dem Eingang des Kanals mit Boscawen zusammen, der mit einem Teile seiner Flotte gleichfalls auf der Heimreise von Nordamerika war. Zum Glück der Franzosen war diese durch einen Sturm versprengt; Boscawen hatte nur 4 Linienschiffe und 3 Fregatten bei sich. Die Gegner sichteten sich am 27. Oktober und es kam gegen Abend zu einem Gefecht, das jedoch wegen stürmischen Windes und hoher See bald abgebrochen wurde. In der Nacht kam Du Chaffault von seinen Schiffen ab und erreichte Rochefort. Seine übrigen Schiffe wurden am 28. von Boscawen gejagt; das Kompagnieschiff wurde aufgebracht, ein Linienschiff lief in Seenot Bristol an und wurde dort mit Beschlag belegt, der Rest rettete sich nach Brest.

Im Mittelmeer kreuzte 1758 die englische Flotte unter Vizeadmiral Henry Osborne. De La Clue lag seit November 1757 in Cartagena, wo er Verstärkungen erwartete. Im Januar stießen 2 Linienschiffe nebst einer Fregatte zu ihm, weitere 3 und eine Fregatte mußten noch in Toulon das Eintreffen einer Division von der Levante, die Kauffahrer heimführte,[147] abwarten, um ihre Besatzungen zu ergänzen. Sie erschienen am 27. Februar bei Cartagena und erhielten Befehl, vor dem Hafen zu bleiben, da de La Clue nunmehr die Reise nach Westindien sofort antreten wollte. In der Nacht aber wurden die Wartenden durch Sturm vertrieben und stießen am anderen Morgen beim Kap de Gata auf Osborne. Sie wurden einzeln gejagt: 2 Linienschiffe wurden genommen, das dritte auf den Strand getrieben, nur die Fregatte entkam. Da nun in Toulon keine Schiffe mehr bereit waren und de La Clue ohne Verstärkung die Ausfahrt aus dem Mittelmeer nicht wagen konnte, rief man ihn nach Toulon zurück, wo er am 26. April eintraf. Daß die geschilderten Bewegungen der Franzosen überhaupt möglich gewesen waren, spricht nicht zugunsten der Engländer; Osborne verfügte insgesamt über 14 Linienschiffe, je zwei zu 40 und 50 Kanonen, 6 Fregatten und 2 Sloops.

Der Versuch der Franzosen, 1759 in England einzufallen, macht dieses Jahr zu einem entscheidenden im See- und Kolonialkriege. Zwei große Niederlagen in den europäischen Gewässern brachten der französischen Marine derartige Verluste, daß ihre Tätigkeit auf allen Kriegsschauplätzen gelähmt war. Pläne zu einem Einfall in England beschäftigten Frankreich bereits seit 1756. Die verflossenen Jahre hatten nun erkennen lassen, daß man nicht imstande sei, in allen Meeren zu kämpfen, ja daß die Geldmittel den doppelten Krieg auf dem Festlande und auf der See überhaupt nicht erlaubten. Der eigene Handel lag hoffnungslos danieder, während der englische aufblühte und diesem Lande die Mittel zu reichlicher Unterstützung der Gegner Frankreichs lieferte.

Diese Erwägung im Verein mit der Verstimmung über die Mißerfolge des Jahres 1758 auf dem Lande brachten den feurigen Choiseul, der seit November dieses Jahres Frankreich leitete, zu dem Entschlusse, die ganze Kraft der Marine auf ein Ziel zu richten, auf den Einfall in England. Mit dem Kriegsminister, Marschall von Belle-Isle, entwarf er folgenden Plan[82]: Von Ostende aus sollten auf eigens dazu erbauten flachen Fahrzeugen 20 000 Mann unter General de Chevert nach der Mündung des Blackwater, nordöstlich von London, übergeführt werden; ein gleichstarkes Heer unter dem Herzog d'Aiguillon sollte bei Vannes gesammelt, in der Morbihanbucht[83] eingeschifft und in Schottland gelandet werden; ein kleineres Korps endlich wollte man von Dünkirchen aus nach Irland werfen, da man hier auf einen allgemeinen Aufstand rechnete. Die vereinigten Seestreitkräfte von Brest und Toulon — 35 bis 40 Linienschiffe — waren bestimmt, unter Marschall de Conflans zuerst die Expedition nach Schottland zu führen und dann den Übergang nach England zu decken;[148] für die Überführung nach Irland waren nur einige Kriegsschiffe vorgesehen. — Schon im Winter 1758/59 wurde mit den Vorbereitungen zu diesem großen Unternehmen begonnen, aber Beratungen über den Plan, Mangel an Geldmitteln, sowie der schlechte Zustand der Werften und Arsenale verzögerten die Ausführung; erst spät im Sommer glaubte man sich bereit. Inzwischen aber war eine Hauptsache, die Vereinigung der Toulonflotte mit den Streitkräften des Atlantik, durch die Schlacht bei Lagos verhindert, und England hatte Zeit zu nachdrücklichsten Abwehrmaßregeln gefunden.

Obgleich man sämtliche Schlachtschiffe in Brest zusammenziehen wollte, hatte man zu Anfang 1759 den Chef d'Escadre de Bompart mit 8 Linienschiffen und 3 Fregatten von Brest nach Westindien gesandt. Er sollte Truppen nach den bedrohten Inseln bringen und dann sofort zurückkehren. Durch die Ereignisse in Westindien wurde er zwar länger aufgehalten, als vorauszusehen war; da sich die Expedition aber verzögerte, so traf er noch vor deren Abgang in Brest wieder ein.

In England erfuhr man bald von der Absicht Frankreichs, und die Furcht vor der Invasion erregte wie gewöhnlich die Gemüter. Aber die leitenden Kreise hatten doch in strategischer Hinsicht gelernt und der einsichtsvolle Pitt stand an der Spitze. Man hielt nicht mehr, wie bisher so oft, die Streitkräfte ängstlich an der eigenen Küste zusammen, sondern verwendete sie jetzt ganz in der Art, wie sie in der Einleitung zu diesem Kriege (vgl. Seite 125) geschildert ist. Ein Geschwader (Kommodore Boys) kreuzte vor Dünkirchen und Ostende, eins (Kontreadmiral Rodney) vor der Küste der Normandie; hinter diesen lag ein Geschwader (Admiral Thomas Smith und Kommodore Sir Piercy Brett) in den Downs. Sir Edward Hawke blockierte Brest, und das Mittelmeergeschwader (Admiral Edward Boscawen) war verstärkt. Diese Streitkräfte zur Beobachtung und Abwehr des Gegners in den europäischen Gewässern gewannen im Laufe des Jahres mehr und mehr an Stärke. Genaue Zahlen stehen uns leider nicht zu Gebote, doch mag als Anhalt dienen, daß Hawke im Juni über 25 Linienschiffe (dazu 4 50-Kanonenschiffe) und Boscawen über 13 (dazu 2 50-Kanonenschiffe) verfügte; die kleineren Beobachtungsgeschwader waren aus nur wenigen Linienschiffen zu 60 Kanonen, sonst aus 50-Kanonenschiffen und Fregatten zusammengesetzt.

Aber auch die anderen Kriegsschauplätze wurden nicht vergessen. Nach Nordamerika ging im Februar eine Flotte unter Vizeadmiral Charles Saunders ab und brachte die dortigen Streitkräfte auf 20 Linienschiffe (dazu 2 50-Kanonenschiffe); zur Verstärkung der sonstigen Stationen waren schon im November 1758 8 Linienschiffe nach Westindien, 5 nach Ostindien ausgelaufen. Ferner sandte man Truppen nach diesen drei Kriegsschauplätzen sowie zum Festlandskriege; in England selber wurden die Milizen aufgeboten. Da die Franzosen nur an den Einfall in England dachten, blieben ihre Kolonien außer Westindien ohne Unterstützung und die Engländer errangen überall große Erfolge.

Die Schlacht bei Lagos, 18. August 1759. In Toulon rüsteten die Franzosen ein Geschwader von 12 Linienschiffen, darunter 2 50-Kanonenschiffe,[149] und 3 Fregatten aus, das der Chef d'Escadre de La Clue[84] nach Brest führen sollte. Dies war bei der Überlegenheit der Engländer eine schwierige Aufgabe, zumal diesen Gibraltar als Beobachtungsplatz zur Verfügung stand, wenn die Blockade von Toulon nicht durchführbar war. Gerade jetzt erwies sich die Wichtigkeit dieses Wachtturmes am Ausgange des Mittelmeeres, und es ist sehr befremdend, daß selbst der einsichtige Pitt noch 1757 die Rückgabe Gibraltars Spanien als Preis für ein Bündnis angeboten hat. Die englische Mittelmeerflotte war während des Winters und des Frühjahrs auf 13 Linienschiffe, 2 50-Kanonenschiffe, 10 Fregatten, 2 Sloops und 2 Brander gebracht.

Admiral Boscawen[85] übernahm am 16. Mai das Kommando und blockierte sofort Toulon streng; am 7. Juni ließ er sogar durch 3 Linienschiffe 2 französische Fregatten auf der Äußeren Rhede angreifen, die englischen Schiffe gerieten aber unter den Befestigungen in Windstille und litten schwer. Um sie auszubessern, sowie um Wasser und Vorräte der Flotte zu ergänzen, ging der Admiral Anfang Juli nach Gibraltar; er gebrauchte aber die Vorsicht, auf der Höhe von Malaga, sowie vor Ceuta je eine Fregatte auszulegen.

De La Clue verließ am 5. August, als seine Schiffe endlich segelfertig und mit genügender Mannschaft versehen waren, Toulon, traf am 17. August vor der Straße von Gibraltar ein und wurde hier durch die eine der Fregatten gesichtet. Diese meldete den Feind schon um 7½ Uhr abends in Gibraltar. Der französische Admiral beabsichtigte, sich jedem Zusammenstoße zu entziehen, aber Boscawen ging mit äußerster Beschleunigung unter Segel und bereitete ihm, der von einem Teil seiner Schiffe im Stich gelassen wurde, in einem Verfolgungsgefechte am 18. und 19. August eine schwere Niederlage.

Schilderung der Schlacht bei Lagos. Boscawen war nicht völlig seeklar gewesen, sein Flaggschiff hatte nicht einmal Segel untergeschlagen, dennoch gelang es, noch vor 10 Uhr nachts die Flotte in zwei einige Seemeilen voneinander getrennten Gruppen in See zu bringen. De La Clue hatte mit östlichem Winde die Straße in Kiellinie passiert; er beabsichtigte nun, unter vollen Segeln mit westlichem Kurse in die offene See zu steuern, um sich einer Verfolgung zu entziehen. Er minderte auf dem[150] Flaggschiff Segel und gab das Signal für den neuen Kurs; als dies von den nächsten Hinterleuten beantwortet war, löschte er die Admiralslaternen am Heck, mehrte Segel und steuerte WNW. Die Kiellinie war wohl bisher nicht gut geschlossen gefahren, denn die Segeleigenschaft der Schiffe war sehr verschieden, die des Flaggschiffes besonders gut, und so kam es, daß die letzten 5 Linienschiffe sowie die Fregatten das Signal nicht bemerkten; als sie die Admiralslaternen aus Sicht verloren, steuerten sie NNW, um Cadiz zu erreichen, da dieser Hafen durch einen früheren Befehl als Sammelpunkt bei verloren gegangener Fühlung bezeichnet war.

Am 18. August gegen 7 Uhr vormittags sichtete Boscawen mit seiner vorn segelnden Gruppe, 8 Linienschiffen, de La Clue mit 7 Linienschiffen unter vollen Segeln in Kiellinie; er gab seinen drei besten Seglern den Befehl, Segel zu pressen und die letzten Schiffe der Franzosen festzuhalten. Um 2½ Uhr nachmittags kam der vorderste Engländer mit dem hintersten Feinde ins Gefecht; zum Vorteil der Verfolger flaute der Wind für die westlicher stehenden Schiffe ab, während die nachfolgenden noch Wind genug hatten, so daß bis bald nach 4 Uhr die ganze Gruppe Boscawens eingreifen konnte.

Um 4½ Uhr kam es zum Kampf zwischen den beiden Flaggschiffen, in dem das englische, „Namur“ mit 90 Kanonen, von dem französischen, „L'Océan“ mit 80 Kanonen, im Laufe einer halben Stunde durch Beschädigung der Takelage außer Gefecht gesetzt wurde, so daß Boscawen auf ein anderes Schiff gehen mußte. Hervorragend focht auch das letzte französische Schiff, „Centaure“, mit 74 Kanonen unter Kapitän de Sabran, der 11 Wunden davontrug; es hielt stundenlang gegen 5 englische Schiffe stand, bis es wrack und halb voll Wasser die Flagge strich. Dieser Opfermut gab den anderen Franzosen Gelegenheit, ihre Flucht fortzusetzen. Boscawen warf später einigen seiner Kommandanten vor, nicht tatkräftig genug eingegriffen zu haben, doch wurden sie anscheinend durch Windstille zurückgehalten. Während der unsichtigen Nacht retteten sich dann zwei Franzosen durch Ausbrechen aus ihrem Geschwader; der Rest wurde am 19. in die Bucht von Lagos gejagt. Das Flaggschiff setzte sich hier auf den Strand, die anderen ankerten unter den portugiesischen Batterien. Boscawen, dessen zweite Gruppe (Vizeadmiral Broderick) nun auch herangekommen war, nahm aber keine Rücksicht auf die Neutralität Portugals und griff an; 2 feindliche Schiffe wurden genommen, 2 verbrannt. Unter den letzteren war das Flaggschiff; den an beiden Beinen schwer verwundeten Admiral hatten seine Leute vorher an Land geschafft.

Der Verlust der Franzosen betrug 5 Linienschiffe, sowie gegen 200 Tote und Verwundete allein auf „Océan“ und „Centaure“. Die Engländer büßten 175 Mann ein, und zwar fast nur auf den Schiffen der ersten Gruppe. Aber auch die entwichenen französischen Schiffe waren außer Gefecht gesetzt. Die nach Cadiz gesegelten wurden hier bis zum Januar 1760 blockiert gehalten; die beiden später geflohenen erreichten auf Umwegen erst im Oktober Rochefort.

Die Schlacht bei Lagos kostete Frankreich seine Mittelmeerflotte und ist bemerkenswert als gutes Beispiel eines reinen Verfolgungsgefechtes. Die französischen Streitkräfte waren den englischen an Schlachtschiffen nur wenig unterlegen; es standen 12 Franzosen mit 806 Kanonen gegen 15 Engländer mit 998. Dennoch handelte de La Clue richtig, wenn er ein Zusammentreffen unbedingt zu vermeiden suchte; seine Aufgabe war, die Flotte ungeschwächt und schnell zur Vereinigung nach Brest zu führen. Sich dem Kampfe durch Einlaufen in Cadiz, dem von ihm für alle Fälle angegebenen Sammelpunkt, zu entziehen, wäre zwecklos gewesen, da er dann hier wie bislang in Toulon blockiert worden wäre.

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Er hätte aber für Zusammenhalten der Flotte sorgen müssen, in der Nacht vor der Schlacht trennten sich jedoch die hintersten 5 Schiffe und segelten nach Cadiz. Von älteren französischen Quellen werden die Kommandanten dieser Schiffe des Ungehorsams, ja selbst der Feigheit, beschuldigt, neuere Schriftsteller urteilen mit Recht milder. Der Admiral mußte seine Absicht noch bei Tageslicht kundgeben oder hätte sich doch in der dunkeln Nacht erst überzeugen müssen, ob sein Signal allgemein verstanden sei, ehe er den beschleunigten Marsch antrat; bei dem noch unvollständigen Signalsystem[86] war dies unbedingt notwendig. Er hätte ferner schon vorher die Marschgeschwindigkeit der Flotte den langsamsten Schiffen anpassen müssen, um einem Zurückbleiben dieser vorzubeugen.

Den Nachteil, der einer Flotte durch ungleiche Marschfähigkeit ihrer Schiffe erwächst, wenn sie sich dem Kampfe entziehen will, nützte Boscawen richtig aus, als er am 17. folgte, ehe er seine Flotte aufgeschlossen hatte, und als er am 18. August ohne Rücksicht auf Ordnung durch seine schnellsten Schiffe die letzten des Gegners angreifen ließ, um diesen überhaupt festzuhalten. Der Kommandant des hintersten französischen Schiffes, Kapitän de Sabran, verdient das höchste Lob dafür, daß er hierbei durch heldenmütige Verteidigung und Aufopferung so viele Gegner festhielt, um seine Kameraden zu retten.

Kapitän de Sabran wurde während seiner Gefangenschaft in Gibraltar von den Engländern mit Auszeichnung behandelt und später in Toulon, in Paris sowie am Hofe sehr gefeiert. Den übrigen Kommandanten warf die öffentliche Meinung Ungeschick und Ungehorsam, ja sogar Feigheit und Verrat vor. Auch de La Clue fiel in Ungnade. Nach älteren Quellen soll er bald nach der Schlacht seinen Wunden erlegen sein, nach englischen Angaben schon in Lagos. Dies muß ein Irrtum sein, denn Lacour führt ausdrücklich an, er sei von Choiseul, der 1761 das Marineministerium übernahm, milder beurteilt und habe erst 1764 den Dienst verlassen.

Bezeichnend ist endlich noch das Auftreten des englischen Admirals an der Küste des neutralen Portugals; aber dieser Staat war so abhängig von England, daß man keine Rücksicht zu nehmen brauchte. Es erfolgte auch später nur eine förmliche Entschuldigung durch den englischen Gesandten; dieser war aber durch Pitt angewiesen, dabei keinen Zweifel zu lassen, daß man weder die genommenen Schiffe wieder ausliefern noch den Admiral tadeln würde.

Das Auslaufen der französischen Brestflotte 1759. Am 3. Juli erschien Kontreadmiral Rodney vor Le Havre mit einem Linienschiffe, 4 50-Kanonenschiffen, 5 Fregatten und 6 Mörserbooten, um die hier für die Expedition gebauten flachen Transportfahrzeuge, sowie die angehäuften Ausrüstungsgegenstände zu vernichten. Er überschüttete während 52 Stunden Stadt und Hafen mit 1900 Bomben und 1100 Brandgeschossen. Die Einwohner[152] flüchteten; die Kauffahrer im Hafen, sowie die Magazine erlitten großen Schaden, und die flachen Boote, die in einem benachbarten kleinen Seinehafen Schutz gesucht hatten, wurden verbrannt, um sie nicht in Feindeshand fallen zu lassen.

Admiral Hawke hatte die Blockade von Brest im Juni mit 25 Linienschiffen nebst zahlreichen Fregatten aufgenommen. Er ließ hierbei seine leichten Schiffe dicht vor dem Hafen kreuzen, während er sich mit den schweren in sicherer Entfernung von der Küste hielt. Später zweigte er eine kleine Division unter Kommodore Robert Duff zur Beobachtung der Morbihanbucht ab, wo sich die französische Expedition sammelte, und sandte bald darauf noch eine zweite unter Admiral Geary vor die Quiberonbucht, um dem von Westindien zurückerwarteten Geschwader de Bompart (siehe Seite 148) den Weg nach Rochefort zu verlegen. Nur einmal versuchten die Franzosen mit 4 Linienschiffen von Brest zur Morbihanbucht durchzubrechen; diese mußten jedoch wieder umkehren, da die innere Blockadelinie aufmerksam war und die Flotte heranrief.

Diese kleine französische Division unter Kapitän de Morogues sollte die unmittelbare Deckung des Transportes für den Einfall in England übernehmen. An diesem hielt man nämlich immer noch fest, obgleich die Rüstungen so langsam fortschritten, daß die Herbststürme herannahten, und obgleich mit der Mittelmeerflotte nicht mehr gerechnet werden konnte. Der Plan erlitt aber insofern eine Einschränkung, als von der Überführung eines Heeres über den Kanal abgesehen und nur die große Landung in Schottland, sowie die Diversion nach Irland im Auge behalten wurde. Auch diese Einschränkung scheint erst spät beschlossen oder überhaupt nur die Folge der weiteren Ereignisse gewesen zu sein, denn noch in einer Verfügung an Admiral Conflans in Brest vom 13. September ist von dem gegen England bestimmten Heere die Rede, als dessen Führer man jetzt den Prinzen Soubise nannte.

Das Mißgeschick bei Lagos sowie die sorgfältige Überwachung der Küsten durch die Engländer hätte wohl von dem ganzen Unternehmen abmahnen müssen. Aber man wünschte in Paris durch einen Erfolg auf dem Meere die im Landkriege erlittenen Scharten auszuwetzen und dadurch einen ehrenhaften Frieden herbeizuführen. Französische Quellen besagen, das Aufgeben des Planes nach den großen Vorbereitungen wäre für Frankreich ein volles Eingeständnis seiner maritimen Ohnmacht gewesen. Daraufhin aber sich in ein fast aussichtsloses Wagnis zu stürzen, spricht nicht für die Einsicht der leitenden Kreise. Doch kann dies kaum mehr wundernehmen als die Bestimmung des Prinzen von Soubise, der sich bei Roßbach ganz unfähig gezeigt hatte, zum Führer eines so schwierigen Unternehmens.

Im September hielt man das an der Morbihanbucht zusammengezogene Heer, sowie die Flotte in Brest für schlagfertig und erteilte am 15. d. M. dem Vizeadmiral der Levante, Marschall de Conflans[87], den Befehl,[153] von Brest in See zu gehen, die Truppen abzuholen und am Clyde oder an der Ostküste Schottlands zu landen. Doch wieder traten Verzögerungen ein, weil die Ansichten über die Ausführung des Planes auseinandergingen. Der Marineminister Berryer erachtete den Admiral taktisch für nicht geschickt genug, um das Vorgehen des Feindes zu hindern und die Überfahrt der Transportflotte ohne entscheidenden Kampf zu sichern. Sein Plan war daher, für die unmittelbare Begleitung der Transporter nur 6 Linienschiffe zu bestimmen, die Flotte aber vorauszusenden, um die Schlacht vorher zu schlagen; brachte diese einen entscheidenden Sieg, so wäre der Weg frei, verlief sie ungünstig, so würde wenigstens der Transport nicht gefährdet.

De Conflans — der sich übrigens stets darüber beklagt hatte, daß Heer und Transporter nicht bei Brest gesammelt seien und daß er so bei Benutzung einer günstigen Gelegenheit für das Auslaufen zu einem zeitraubenden Umweg gezwungen sei — war anderer Ansicht; er bestand darauf, den Transport mit der ganzen Flotte zu begleiten und, wenn nötig, auch so einen Angriff abzuschlagen. Am 14. Oktober erhielt er denn auch eine neue Order (wörtlich bei Lacour I, Seite 366), die ihm freistellte, „ganz nach seiner Ansicht und Erfahrung zu handeln“. Der Augenblick war günstig, da die englische Flotte wegen eines Sturmes die Blockade für kurze Zeit hatte aufgeben müssen. Aber Conflans zögerte immer noch und zwar, wie er berichtete, weil die Ausrüstung der Flotte nicht abgeschlossen und die Besatzungen nicht vollzählig, sowie zu wenig eingeübt seien; die meisten Schiffe hatten seit drei Jahren den Hafen nicht verlassen. Am 9. November sah sich die englische Flotte wiederum durch das Wetter genötigt, die Blockade abzubrechen und nach Torbay zu segeln; diese Gelegenheit benutzte das gerade vor Westindien anlangende Geschwader Bomparts, um in Brest einzulaufen. Es zählte 8 Linienschiffe und würde die Brestflotte auf 27 solcher gegenüber 23 der englischen Blockadeflotte gebracht haben; Conflans zog sie aber hierzu nicht heran, sondern füllte mit ihren seeerfahrenen Besatzungen seine Schiffe auf. Diese Maßregel wird sehr verschieden beurteilt, muß aber wohl als zweckentsprechend angesehen werden; sie läßt auf den traurigen Zustand der übrigen Schiffe schließen. Conflans ging dann am 14. November mit östlichem Winde in See und steuerte südwärts.

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Admiral Edward Lord Hawke.

Admiral Hawke hatte am 12. Torbay wieder verlassen, sobald das Wetter besser geworden, war aber nochmals zur Umkehr gezwungen; er trat dann auch am 14. die Fahrt nach Brest an und hörte vor dem Hafen,[154] daß der Feind im Süden mit östlichem Kurse gesehen sei; er schloß richtig, daß er zur Quiberonbucht wolle, und folgte unter einem Preß von Segeln.

Die Schlacht bei Quiberon, 20. November 1759[88]. Marschall de Conflans hoffte zwar eine Schlacht zu vermeiden, mußte aber eine solche sogar suchen, wenn er auf die englische Flotte stieß und dennoch die Expedition mit den Transportern durchführen wollte; die Vereinigung allein mit diesen in der Quiberonbucht würde sonst nur eine weitere Blockade von Flotte und Konvoi zur Folge gehabt haben, nunmehr in einem Hafen, also eine leichtere Aufgabe für den Gegner. In einem ausführlichen Flottenbefehle betonte er, daß man wahrscheinlich bald mit dem Feinde zusammenstoßen würde, und er erließ ausführlichste Gefechtsvorschriften für alle möglichen Verhältnisse, unter denen dies erfolgen könnte. Stets war mit tönenden Worten auf ein schneidiges Vorgehen hingewiesen. Mit Vorstehendem aber stimmte der weitere Verlauf der Dinge durchaus nicht; Conflans traf weder Maßregeln, um sich durch Aufklärer vor Überraschung zu sichern, noch trat er dem Feind entgegen, als dieser erschien. Südöstliche Winde hemmten die Fahrt der Flotte und versetzten sie westlich; erst am 19. November abends stand sie etwa 70 Seemeilen südwestlich von Belle-Ile.

Jetzt drehte der Wind nach Westen und Conflans nahm Kurs auf die Quiberonbucht; da der Wind schnell auffrischte, mußte er aber kleine Segel führen, um nicht während der Nacht vor der Einfahrt anzukommen. Bei Tagesanbruch am 20. wurden voraus einige Segel gesichtet. Es war die Division des Kommodore Duff, der die Quiberonbucht bewachte: 1 Linienschiff, 4 50-Kanonenschiffe, sowie 3 oder 4 Fregatten. Duff hatte hinter Belle-Ile vor Anker gelegen und war in wenigen Minuten, nach Kappen der Ankertaue, unter Segel gegangen, als er durch eine vor der Einfahrt kreuzende Fregatte das Nahen der Franzosen erfuhr. Conflans, der in Brest stets Nachrichten von der Morbihanküste erhalten hatte, schloß ganz richtig, daß er es nur mit Duff zu tun habe, und befahl allgemeine Jagd. Die englische Division teilte sich; einige Schiffe segelten über Backbordbug beim Winde nach Süden, die anderen unter Duff hielten raum wieder auf die Küste zu. Diesen folgte Conflans mit Vorhut und Mitte seiner Flotte, da sie den größeren Teil des Feindes ausmachten und auf seinem Kurse lagen; gegen den kleineren Teil sandte er die Nachhut. Bald darauf aber meldete diese zahlreiche Schiffe im NW und auch das Flaggschiff sichtete sie; es war Hawkes Flotte, die unter vollen Segeln herankam. Duff ging nun an den Wind und vereinigte sich mit Hawke; Conflans rief seine Nachhut zurück und gab Befehl zum Bilden der Kiellinie, sowie für Vorbereitung zum Gefecht.

Wenn er wirklich zunächst die Absicht gehabt hatte, den Kampf auf offener See anzunehmen, so gab er sie doch bald auf, da es mit allen Anzeichen[155] aufkommenden schweren Wetters hart aus WNW wehte und da die Flotte dicht unter einer Leeküste einem überlegenen Feinde gegenüber in Lee stand. Er entschloß sich, einzulaufen, in der sicheren Voraussetzung, daß Hawke nicht wagen würde, bei den Wetterverhältnissen ohne Lotsen und genaue Karten in das mit Bänken und Riffen besetzte Gewässer zu folgen. Er hoffte noch unbehelligt hineinzukommen und wollte dann dicht unter dem westlichen Ufer der Bucht ankern. So dachte er den Gegner, falls dieser doch folgen sollte, zu zwingen, zum Angriff nun seinerseits die Leestellung mit der Küste in Lee einzunehmen. Er setzte sich mit dem Flaggschiff an die Spitze der Flotte, um sie zu führen; auf seinen Platz für die Gefechtsformation in der Mitte beabsichtigte er erst später wieder zu gehen.

Aber keine seiner Voraussetzungen traf ein. Das Bilden der Linie dauerte lange, die Engländer kamen schnell näher, und Hawke ließ sich keinen Augenblick durch die vor ihm liegenden Gefahren beirren. Als erfahrener Seemann würdigte er sie vollauf, aber er war ein ruhiger und tapferer Mann und er schätzte den Schneid sowie die Erfahrung seiner, durch die harte Schule langer Blockaden erprobten Offiziere und Mannschaften höher ein als die der Franzosen; er wußte, daß sein Land die Vernichtung der feindlichen Flotte erwartete — wurde er doch, während er hier dieses Werk vollbrachte, in England in effigie verbrannt, weil er diese aus Brest hatte entschlüpfen lassen. Zweifellos rechnete er auch damit, daß die vorausfahrenden Franzosen ihm als Lotsen dienen oder zuerst auf den Grund kommen würden. Er nahm die Verfolgung auf, erreichte die feindliche Flotte noch in der Einfahrt und setzte sie durch einen Kampf in der Melée unter den schwierigsten Umständen — Sturm, schwere See, sowie Leeküste; eine ungeheure Zahl von Schiffen auf kleinem, gefährlichem Raum — für den weiteren Verlauf des Krieges außer Gefecht.

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Die Stärke der Flotten:
Kanonenzahl 100 90 80 74 70 64 60  
Englische Schiffe     1   3   7   5   2   5 = 23 Linienschiffe
Französische Schiffe   4   6   4   7 = 21

Hinzu traten auf englischer Seite: 4 50-Kanonenschiffe (Division Duff), 6 Fregatten zu 28–36 Kanonen; auf französischer Seite: 2 oder 3 Fregatten zu 30 Kanonen, 2 Korvetten mit 6 und 16 Kanonen.

Französische Flaggoffiziere: Vorhut Chef d'Escadre de Bauffremont, Prince de Linois; Mitte Marschall de Conflans; Nachhut Chef d'Escadre St. Andrée du Verger.

Englische Flaggoffiziere: Vizeadmiral Sir Charles Hardy; Admiral Hawke; Kommodore James Young.

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Quiberonbucht.

Der Verlauf des Kampfes wird in allen Quellen nur skizzenhaft gegeben, ergänzt durch Schilderung der Schicksale einzelner Schiffe; dies ist dadurch erklärlich, daß auf beiden Seiten bald jede Ordnung aufhörte. Die englische Flotte stand beim Sichten des Feindes gegen 10 Uhr vormittags WzS von Belle-Ile, die französische in SW dieser Insel und näher bei ihr. Hawke bildete Dwarslinie, um seine hinteren Schiffe aufkommen zu lassen, gab aber bald den 7 Schiffen, die dem Feinde am nächsten waren, Befehl zur Jagd. Auf französischer Seite dauerte das Bilden der Linie sowie das Aufnehmen der abgezweigten Vorhut längere Zeit, in der die Engländer vor dem stürmischen Westwinde schnell aufkamen. Conflans setzte dann schon frühzeitig so viel Segel als möglich, und während der nun folgenden Jagd gingen infolge der ungleichen Segelfähigkeit der Schiffe bald Fühlung und Ordnung in der französischen Linie verloren; die Nachhut war überhaupt noch nicht ganz herangekommen.

Gegen 2½ Uhr nachmittags passierte Conflans mit dem Flaggschiff die Felsen Les Cardinaux und ging näher an den Wind, um in die Quiberonbucht zu steuern; zu gleicher Zeit griff das vorderste englische Schiff südlich von Belle-Ile das letzte französische an und nach kurzer Frist waren 9 Engländer mit 4 oder 5 Franzosen der Nachhut in einem laufenden Gefecht. Bald darauf drehte der zum Sturm mit schweren Böen gewordene Wind nach NNW, wodurch die Ordnung der französischen Linie noch mehr gestört und dem Rest der Engländer das Herankommen erleichtert wurde; auch[157] die letzten Schiffe der französischen Mitte wurden nun angegriffen. Gegen 3½ Uhr wendete Conflans mit dem Flaggschiff, um sich nach der Mitte zu begeben, auch heißte er für die anderen Schiffe das Signal, im Kontremarsch zu wenden; er hoffte so eine geordnete Linie wieder herzustellen, scheint also die Absicht gehabt zu haben, den Kampf aufzunehmen, um seine Nachhut zu retten. Von diesem Augenblicke an ist es nicht mehr möglich, den Verlauf des Gefechtes zu übersehen. Bei dem Versuche, dem Befehle nachzukommen, trieben die französischen Schiffe in Haufen zusammen, und immer mehr Engländer kamen heran; dabei ging der kurze Novembertag zu Ende.

In dem Dreieck zwischen den Bänken Les Cardinaux und Le Four sowie der Insel Dumet fochten gegen 50 Schiffe in der Melée. Manche, namentlich französische, sind wohl kaum zum Feuern gekommen, weil sie sich gegenseitig behinderten, wie denn auch verschiedene Zusammenstöße erfolgten; dazu kamen der schwere Sturm sowie die hohe See, die die Manöver erschwerten und viele Schiffe zwangen, die Pforten der untersten Batterie geschlossen zu halten. Die 7 Schiffe der französischen Nachhut, die den Kampf wacker aufnahmen, hatten schon zu Anfang schwer gelitten. St. Andrée fiel und ebenso sein Flaggkapitän (sein Bruder), aber das Schiff strich erst um 4½ Uhr die Flagge, als es 200 Tote verloren hatte und fast wrack war; ein zweites war genötigt, die Flagge zu streichen und zu ankern, da es jedoch des schweren Wetters wegen vom Gegner nicht besetzt wurde, heißte es die Flagge wieder und zog sich aus der Melée; ein drittes endlich floh schwer beschädigt und sank vor der Loiremündung. Von der französischen Vorhut kenterte ein von beiden Seiten hart bedrängtes Schiff, da in einer schweren Bö das Wasser durch die Leepforten der untersten Batterie hineinströmte; ein anderes wurde durch das Feuer des englischen Flaggschiffes zum Sinken gebracht.

Nach Eintritt der Dunkelheit löste sich das Gewühl. Conflans wollte seine Flotte wieder ins offene Meer hinausführen, konnte sich jedoch zuerst nicht aus dem Knäuel lösen, fürchtete dann, unklar von Le Four zu kommen und ankerte in der Nähe dieser Bank. 7 Schiffe, unter ihnen der Führer der Vorhut, Bauffremont, entwichen nach Süden und fanden sich später vor Rochefort zusammen; 7 andere sowie die Fregatten ankerten vor der Mündung der Vilaine. Admiral Hawke, der in der Dunkelheit an keine Verfolgung denken konnte, ging ungefähr in der Mitte des Kampfplatzes vor Anker, seinem Beispiele folgten aber nur die Schiffe in seiner Nähe, die dies bemerkten. Das Nachtsignal zum Ankern, zwei Kanonenschüsse, wurde nicht verstanden, da auch sonst noch gefeuert wurde; so suchten die anderen Schiffe sich Ankerplätze nach Belieben, einige gingen auch in See hinaus.

Am 21. November bei Tagesanbruch hatte Hawke nicht viele Schiffe beisammen und englische Quellen sagen, hier sei für die Franzosen Gelegenheit gewesen, mit Übermacht aufzutreten. Dabei wird angenommen, daß die sieben nach Süden entwichenen französischen Schiffe während der Nacht in der Nähe, vielleicht südlich Le Four, vor Anker gelegen hätten; nach Andeutung einer französischen Quelle (Lacour) scheint dies der Fall gewesen zu sein, doch schweigen die anderen hierüber. Conflans sah sich am Morgen fast allein nicht weit von Hawke liegen, nur das Schiff der Nachhut, das die Flagge wieder geheißt hatte, war in seiner Nähe; er glaubte nicht mehr entkommen zu können und setzte sein Schiff in der Bucht von Croizic auf den Strand, wie es kurz vor ihm das eben genannte Schiff getan. Hawke hatte tatsächlich ein Schiff gegen diese beiden beordert, doch strandete dies auf Le Four, wo schon ein anderes englisches seit dem Tage vorher festsaß. Weitere Versuche, den Sieg auszunutzen, konnte Hawke des Wetters wegen am 21. noch nicht machen und infolgedessen gelang es den französischen Schiffen vor der Vilaine an diesem und dem folgenden Tage, nachdem sie sich durch Überbordwerfen von Geschützen sowie Material möglichst erleichtert hatten, die Barre vor dem Flusse zu überschreiten, diesen eine Strecke hinaufzulaufen und sich so vor Angriffen von See her zu sichern. Als am 22. das Wetter besser geworden war, wollte Hawke die Schiffe bei Croizic verbrennen, die Franzosen zündeten[158] sie aber selber an; es wurde ihnen dadurch unmöglich, die wertvolle Artillerie des Flaggschiffes zu bergen.

Beurteilung der Franzosen. Der 20. November 1759 war kein Ruhmestag für diese, weder für den Admiral noch für die meisten Kommandanten. Daß die französischen Seeoffiziere im allgemeinen tapfere Männer waren, wie es bei dem Charakter ihres Volkes und bei ihrer Abstammung von dem alten kriegerischen Adel von vornherein anzunehmen ist, beweist die ehrenvolle Verteidigung der Nachhutschiffe, die noch unter einigermaßen normalen Verhältnissen in den Kampf eintraten; aber fast allgemein fehlte es ihnen an Umsicht und an Selbstvertrauen. In Frankreich wurden dann auch Klagen erhoben, die von französischen Schriftstellern zum Teil noch jetzt als begründet angesehen werden[89].

Dem Admiral Conflans wirft man zunächst vor, daß er sich auf seinem Marsche nicht gesichert habe; überrascht, habe er dann den Kopf verloren. Er hätte — wie es auch de La Clue bei Lagos hätte tun müssen — beim Ansteuern der Quiberonbucht die Geschwindigkeit der Flotte nach der des langsamsten Schiffes regeln und vor allem die Nachhut herankommen lassen müssen. Als diese angegriffen wurde, hätte er sofort wenden sollen; vielleicht war dann noch Zeit, sie zu retten, ehe die Gesamtmacht des Feindes in Gefechtsordnung auftreten konnte. Oder er hätte sie opfern und seinen Plan, eine Verteidigungsstellung in der Bucht einzunehmen, mit Mitte und Vorhut zur Ausführung bringen müssen; durch den zu späten Versuch, dem Gegner entgegenzutreten, habe er die völlige Unordnung der Flotte und damit deren Ohnmacht hervorgerufen. Es wird dem Marschall endlich vorgeworfen, sein Schiff, das gar nicht sehr gelitten hatte und ein vorzüglicher Segler war, vorzeitig ohne Fluchtversuch auf den Strand gesetzt und später ohne jeden Kampf verlassen zu haben. — Den Chef der Vorhut, Bauffremont, traf der Vorwurf der Indisziplin, sogar auch, wie zu allen Zeiten in Frankreich bei Katastrophen üblich, der des „Verrates“, weil er „mit seiner Division“ den Marschall im Stich gelassen habe. Wörtlich trifft dies aber nicht zu; die nach Rochefort geflüchteten Schiffe kamen einzeln und teilweise vor Bauffremont dort an und zwar nicht nur Schiffe der Vorhut, sondern auch solche der Mitte und der Nachhut, ebenso wie sich die nach der Vilaine gesegelten aus allen drei Divisionen zusammensetzten. Aus diesem Umstande geht hervor, daß jeder französische Kommandant selbständig seine Rettung aus dem Gewirr gesucht hat. Wohl aber hätte Bauffremont als Zweiter im Kommando am 21. versuchen müssen, möglichst viel Schiffe zu sammeln und seinen Chef zu unterstützen. — Der gleiche Vorwurf der Indisziplin und des Mangels an Tatkraft wurde allen Kommandanten gemacht.

Diese Beschuldigungen sind gewiß nicht ganz unberechtigt, aber man muß sich auch die Lage der französischen Offiziere vergegenwärtigen. Der größere Teil der Schiffe ging zum ersten Male seit Jahren in See, die Besatzungen waren ungeübt, die Flotte hatte noch niemals im Verbande gesegelt, und nun sollten schwierige Manöver unter den ungünstigsten Umständen ausgeführt werden. Welch ein Zustand mag dabei auf den Schiffen geherrscht haben. Das niederdrückende Gefühl der Flucht vor einem überlegenen Feinde trat hinzu; da kann es nicht wundernehmen, wenn den Verantwortlichen die Nerven versagten und sie alles verloren glaubten. Hinterher entschuldigten sie sich mit der Pflicht, in solcher Lage wenigstens ihr Schiff dem Könige zu erhalten. Eine wirkliche Untersuchung fand nicht statt, wohl weil die beiden Admirale dem Kreise der Pompadour nahestanden; die öffentliche Meinung aber verhöhnte den Oberbefehlshaber dadurch, daß sie die Schlacht „den Tag des Marschalls de Conflans“ nannte. Es war ein eigenartiger Zufall, daß das Flaggschiff „Le Soleil Royal“ hieß, wie das des Admirals Tourville, das bei La Hogue verbrannt wurde, dessen Vernichtung jedoch der zwar unglückliche, aber höchst ehrenvolle Kampf bei Cap Barfleur[159] vorhergegangen war. De Conflans zog sich vom Dienste zurück; Bauffremont mußte, wohl unter dem Druck der öffentlichen Meinung, bis 1764 auf seine Beförderung zum Lieutenant-General warten.

Der Erfolg der Engländer — mit einem Verluste von nur zwei gestrandeten Schiffen, 50 Toten und etwa 250 Verwundeten erkauft — war entscheidend. Drei französische Schiffe waren gesunken, eins genommen und zwei verbrannt, acht Schiffe nach Rochefort und sieben nebst den Fregatten in die Vilaine geflüchtet. Diese konnten ebenfalls als verloren gelten, da es erst nach langer Zeit gelang, sie paarweise wieder aus dem Flusse zu bringen. Zwei Linienschiffe und zwei Fregatten passierten die Barre im Januar 1761, zwei weitere am 28. November und die letzten erst im April 1762. Alle erreichten Brest, obgleich die Engländer die Mündung der Vilaine bewachten, doch waren sie kaum mehr kriegsbrauchbar[90]. Die Schlacht bei Quiberon legte die französische Marine im Atlantik lahm, wie es die bei Lagos für das Mittelmeer getan hatte; infolgedessen sah Frankreich von der Expedition gegen England ab und löste das Heer bei Morbihan auf. England war diese Sorge los und konnte sich mit größerer Kraft dem Kriege in den Kolonien zuwenden. Mahan nennt Quiberon „das Trafalgar des Siebenjährigen Krieges“, der französische Autor Guérin „das La Hogue, aber ohne wie dort Ruhm und Ehre Frankreichs gewahrt zu haben“.

Die englische Flotte wurde wenige Tage nach der Schlacht noch durch 6 Linienschiffe verstärkt, die auf die Nachricht vom Inseegehen des Marschalls de Conflans von England abgesandt waren. Hawke zweigte Ende November eine Division nach der Quiberonbucht ab, um die Vilaine zu blockieren, eine zweite nach Rochefort, um die Schiffe dort zu vernichten. Diese hatten sich jedoch so weit in die Charente zurückgezogen, daß man ihnen ebensowenig wie denen in der Vilaine beikommen konnte. Die Blockierung der atlantischen Küste wurde aber den Winter über aufrechterhalten, an Hawkes Stelle bald durch Admiral Boscawen.

Die Ereignisse der Jahre 1760–1762 in den europäischen Gewässern können wir kurz zusammenfassen. Im Mittelmeer ging Admiral Boscawen, nachdem er in Gibraltar ausgebessert hatte, mit 8 Linienschiffen nebst den bei Lagos gemachten Prisen nach England zurück; er äußerte sich über seinen Sieg: „Es war gut, aber es hätte besser sein können“. Vizeadmiral Broderick blockierte mit dem Rest der Mittelmeerflotte die nach Cadiz geflüchteten Franzosen; als er jedoch zu Ende des Jahres durch einen Sturm gezwungen war, von der Küste abzustehen, brachen diese am 2. Januar 1760 aus und erreichten unbelästigt am 17. Toulon. Bald darauf übernahm Vizeadmiral Charles Saunders die Mittelmeerflotte, beschränkte[160] sich aber auf die Sicherung des eigenen und die Störung des feindlichen Handels. Wie schon angedeutet, scheint England nicht einmal Wert darauf gelegt zu haben, die Verbindung Frankreichs mit Minorka zu verhindern.

Im Jahre 1762, als Spanien in den Krieg eintrat, verstärkte England die Mittelmeerflotte noch einmal erheblich. Sie kam aber auch jetzt kaum zur Geltung, da sich weder die spanische noch die französische Flotte zeigte, und brachte nur viele Kauffahrer auf. In diesem Jahre faßte Frankreich unter Choiseuls Einfluß noch einmal den Plan zu größeren Kreuzfahrten von Toulon aus, ja sogar zu einem Angriff auf Gibraltar. Vielleicht glaubte man wirklich, einen solchen mit Spaniens Unterstützung unternehmen zu können, vielleicht hoffte man auch nur, durch derartige Gerüchte einen schnelleren und günstigeren Friedensschluß herbeizuführen; ähnliches war auch in den nördlichen Gewässern im Gange. Nach dem Friedensschluß ging der größere Teil der englischen Flotte heim; Kontreadmiral Sir Piercy Brett nahm mit dem Rest Minorka wieder in Besitz.

In den atlantischen Gewässern waren 1760 die englischen Streitkräfte zur Blockade sowie zum Handelsschutz ähnlich verteilt wie im Vorjahre: Kommodore Brett befehligte in den Downs und in der Nordsee; Rodney kreuzte im Kanal; Hawke und Boscawen[91] bewachten wechselweise die Quiberonbucht, die jetzt an Stelle Brests als Mittelpunkt des Blockadebereichs Rochefort, Lorient und Brest angesehen wurde. Außerdem verstärkte man die ostindische sowie die nordamerikanische Station und nahm auf der westindischen die nötigen Ablösungen vor. Die Franzosen hatten alle größeren Unternehmungen aufgegeben, nicht einmal Verstärkungen nach den Kolonien gingen ab; nur vereinzelt liefen Kriegsschiffe aus, um gegen den Handel des Gegners zu kreuzen. Die englische Blockade zeitigte keine großen unmittelbaren Erfolge; sie hinderte zwar Frankreichs Verbindung mit den Kolonien, brachte aber wenig Beute, da der französische Handel schon völlig daniederlag; den kleinen Freibeutern konnte sie das Handwerk nicht völlig legen. Aufzeichnungen über Zusammenstöße zwischen den Kreuzern beider Parteien bringen die Spezialwerke (z. B. Troude I und Laird Clowes III, Kap. „Minor Actions“).

Der Einfall der Franzosen in Irland 1760 ist das einzige bemerkenswerte Ereignis dieses Jahres; er war als Diversion geplant, die gleichzeitig mit der großen Expedition gegen Schottland ins Werk gesetzt werden sollte. Man hatte dazu in Dünkirchen 1300 Soldaten unter General Flobert gesammelt und eine Flottille von 4 Fregatten (zu 24–44 Kanonen), sowie 2 Korvetten (18 Kanonen) unter Kapitän Thurot ausgerüstet. Dieser war ein Freibeuter von Ruf, 1726 als Sohn eines kleinen Gastwirtes geboren, im Jesuitenseminar erzogen, dann als Apotheker tätig und 1744 als Arzt auf einem Freibeuter in englische Gefangenschaft geraten. Aus dieser entfloh er, widmete sich ganz der Freibeuterei und erhielt wegen seiner Verdienste im Österreichischen Erbfolgekriege ein Offizierspatent (als Transporterkapitän) in der königlichen Marine. Beim Ausbruch des Siebenjährigen Krieges rüstete er 2 Fregatten und 2 Korvetten[161] aus, mit denen er vom 16. Juli 1756 bis Februar 1759 ununterbrochen in der Nordsee sowie dem Kanal kreuzte, mehrere Gefechte bestand und zahlreiche Prisen machte. Ihm war schon eine Rolle bei dem geplanten Angriff auf die Kanalinseln (s. Seite 142) zugedacht gewesen, jetzt wurde er mit der seemännischen Führung der Expedition gegen Irland betraut, wo man mit einer Erhebung der Bevölkerung rechnete. Er erhielt seine Instruktion am 17. Juni 1759, es gelang ihm, am 15. Oktober auszulaufen, während das englische Blockadegeschwader durch Sturm vertrieben war; also gerade zu der Zeit, als man mit dem Inseegehen der großen Expedition rechnete. Um den Feind zu täuschen, lief Thurot zuerst Gothenburg, dann Bergen an; auf der stürmischen Reise wurde eine Korvette versprengt und eine Fregatte genötigt, wegen Beschädigungen nach Frankreich zurückzukehren.

Am 1. Januar 1760 ankerte er bei den Färöerinseln und erschien dann am 25. bei Londonderry an der irischen Küste. Die Wetterverhältnisse machten eine Landung unmöglich und auch die zweite Korvette wurde von der Flottille getrennt, so daß die anderen Kapitäne Thurot beschworen, das Unternehmen aufzugeben. Aber dieser blieb fest und ankerte nach einer kurzen Erholung auf der Insel Islay am 19. Februar in Belfast-Lough. Am 21. zwang General Flobert mit 600 Mann die nur schwach besetzte Stadt Carrickfergus zur Übergabe. Thurot konnte ihn aber nicht bewegen, gegen Belfast vorzugehen; dies wäre auch wohl ein hoffnungsloses Wagnis gewesen, man hatte schon 30 Tote und 60 Verwundete eingebüßt. Nachdem man Proviant beigetrieben und einige kleine Fahrzeuge verbrannt hatte, wurde am 27. die Rückfahrt nach Frankreich angetreten. Natürlich waren alle benachbarten irischen sowie schottischen Häfen alarmiert und von Kingsale liefen 3 englische Fregatten (zu 36 Kanonen) unter Kapitän John Elliot aus. Diese stießen am 28. Februar in der Nähe der Insel Man auf die Franzosen; zwei dieser strichen fast sogleich die Flagge, nur Thurot kämpfte mit seinem Flaggschiff (44 Kanonen) tapfer, bis er fiel und seine Fregatte dem Sinken nahe war. Er hat selbst bei den Engländern als ein Freibeuter von ehrenhaftem Charakter gegolten, der stets Edelmut und Menschlichkeit zeigte.

Die Blockade wurde den Winter über aufrechterhalten, doch scheint man 1761 die Geschwader nach und nach verkleinert zu haben, so wurde z. B. Admiral Rodney nach Westindien befehligt und durch einen Kommodore ersetzt. Auch Hawke verließ im März mit dem größeren Teile seiner Flotte die Biskaya, doch traf dafür eine neue Flotte mit einer besonderen Aufgabe ein.

Die Einnahme von Belle-Ile, April/Mai 1761. Schon im Herbst 1760 befand sich eine Flotte mit Landungstruppen in Ausrüstung, die man anfangs gegen die Inseln Isle de France und Bourbon, später aber gegen die französische Küste verwenden wollte. Durch den Tod König Georgs II. (27. Oktober) traten jedoch Verzögerungen ein und Pitt verlor an Einfluß, so daß man die Sache für dieses Jahr aufgab. Im Frühjahre 1761 wurde sie mit Erfolg, allerdings auch mit großem Kraftaufwand, ins Werk gesetzt. Ein Geschwader von 13 Linienschiffen nebst drei Fregatten wurde vor Brest stationiert, um jede Störung von dort aus zu hindern, und eine Flotte von 15 Linienschiffen, 8 Fregatten, 3 Sloops, 2 Brandern, 3 oder 4 Mörserbooten und zahlreichen Transportern mit 10000 Mann segelte am 29. März (einige der Schiffe etwas später) von St. Helens, Insel Wight, ab, um Belle-Ile zu erobern. Die Flotte führte Kommodore Augustus Keppel, die Truppen General Hodgson. Am 6. April sichtete man die Insel und Keppel zweigte 6 Fregatten[162] ab, um sie von der Verbindung mit dem Festlande abzuschneiden. Am 7. ankerte die Flotte vor dem Haupthafen Le Palais auf der Nordostseite der Insel. Diese Stadt wurde durch eine Zitadelle nebst einigen Außenwerken verteidigt, an anderen Landeplätzen lagen schwache Forts oder Batterien; Erkundungen ergaben, daß die beste Landungsstelle in einer kleinen Bucht an der Südostspitze der Insel sei.

Hier warf man am 8. Truppen an Land, nachdem die Batterie niedergekämpft war, sie fanden aber derartigen Widerstand, daß sie sich wieder zurückziehen mußten; das Wetter hinderte dann 14 Tage lang einen neuen Versuch. Dem Kommandanten von Belle-Ile, Chevalier de Saint-Croix, standen nur zwei Regimenter nebst einigen Bataillonen Miliz zur Verfügung, trotzdem benutzte man die Frist nicht, Verstärkungen vom Festlande (Lorient) heranzuziehen; auch französische Quellen können nicht angeben, ob man es nicht wagte oder nicht konnte. Am 22. landeten die Engländer aufs neue an drei Stellen der Bucht, zwei Landungen waren nur Scheinangriffe; die Franzosen wurden durch das Feuer der Flotte vertrieben und mußten sich auf Le Palais zurückziehen. Die Angreifer schritten nun zur regelrechten Belagerung der Stadt, am 13. Mai wurden die Außenwerke genommen und vom 16. an die Zitadelle auf das heftigste beschossen. Als am 7. Juni Bresche gelegt war und zum Sturm geschritten werden sollte, kapitulierte St. Croix mit allen militärischen Ehren. Die Angreifer verloren in den Kämpfen 310 Tote und 500 Verwundete, aber außerdem viele Leute durch Krankheiten.

Die englischen Quellen heben besonders hervor, daß bei diesem Unternehmen stets völliges Einverständnis zwischen dem Admiral und dem General geherrscht habe, ein bisher selten vorgekommener Fall. — Die Insel blieb bis zum Friedensschluß in den Händen der Engländer, diese hatten damit einen Stützpunkt für die Blockade der atlantischen Häfen Frankreichs gewonnen; französische Schriftsteller weisen darauf hin, daß Belle-Ile im Verein mit den Kanalinseln ihren Gegnern einen Einfall in die Bretagne möglich gemacht haben würde.

Bald nach der Landung hier hatte Keppel den Kapitän Sir Thomas Stanhope mit 7 Linienschiffen nach der Rhede von Ile d'Aix gesandt. Dieses Geschwader fand dort zwar keine feindlichen Schiffe vor, zerstörte aber am 21. und 22. Juni die Befestigungen der Insel. Der Versuch der Franzosen, dies von der Charente aus mit Kanonenschaluppen zu hindern, schlug fehl, ebenso ein Unternehmen im Dezember, die blockierenden Engländer mit Brandern zu vertreiben.

Für das Jahr 1762 sind keine Ereignisse von Bedeutung in den europäischen Gewässern zu verzeichnen, obgleich Spanien im Januar auf seiten Frankreichs in den Krieg eintrat. England beschloß, ohne Zaudern auf das schärfste gegen den neuen Gegner vorzugehen und ihn an seiner verwundbarsten Stelle, seinen Kolonien, anzufassen. Es sandte sofort eine bedeutende Verstärkung nach Westindien, zog dort unter Admiral[163] Pocock eine Expedition gegen Havanna zusammen und schickte auch nach Ostindien Streitkräfte, um die Philippinen anzugreifen. In Europa beschränkten sich die Maßnahmen außer auf die Verstärkung der Mittelmeerflotte darauf, daß man den größeren Teil der bisher für die Blockade der französischen Küsten verwendeten Kräfte unter Hawke, später unter Admiral Hardy, in den spanischen Gewässern stationierte. 8000 Mann wurden nach Lissabon gesandt, mit deren Hilfe Portugal den Angriff der Franzosen und Spanier zurückwies.

Wie im Mittelmeer, so zeigte sich die spanische Marine auch nicht im Atlantik. Wohl weil die Blockadegeschwader in der Biskaya schwächer als bisher gehalten wurden, gelang es in diesem letzten Jahre des Krieges nochmals zwei französischen Geschwadern, bei Sturm durchzuschlüpfen. Früh im Jahre verließ der Chef d'Escadre de Blenac mit 7 Linienschiffen, 4 Fregatten nebst 7 Bataillonen Infanterie Brest und segelte nach Westindien; das englische Blockadegeschwader versuchte zwar, ihn einzuholen, mußte jedoch die Verfolgung aufgeben, da die Proviantbestände zu Ende gingen, und sich damit begnügen, den Admiral in Westindien von der bevorstehenden Ankunft Blenacs in Kenntnis zu setzen. Im Mai lief dann der Kapitän de Ternay mit 3 Linienschiffen, deren eins als Transporter (Flüte) diente, 1 Fregatte und 600 Soldaten von Brest nach Nordamerika aus und erreichte sein Ziel. Diese beiden letzten Anstrengungen Frankreichs, den Kolonien Hilfe zu bringen, hatten aber auf den Krieg in den fernen Gewässern keinen Einfluß mehr; dort war schon alles verloren.

Pläne für einen Einfall in England entwarf man auch noch in den Jahren 1761 und 1762. Es befinden sich Arbeiten darüber in den Archiven des französischen Marineministeriums und ebenso in einem Briefwechsel zwischen Choiseul, der im Oktober 1761 dieses Ministerium übernahm, und dem Gouverneur der Bretagne, Herzog d'Aiguillon, der schon 1759 zum Chef des Einfallheeres bestimmt gewesen war.

Näheres über einige dieser Arbeiten findet man in Lacour I, Seite 354. Ein Plan ist bemerkenswert, da er dem gleicht, der den Bestimmungen und Bewegungen der französisch-spanischen Seestreitkräfte vor der Schlacht von Trafalgar 1805 zugrunde lag. Aus den verschiedenen französischen und spanischen Häfen sollten Geschwader zu Vorstößen in den kolonialen Gewässern auslaufen, um England zur Teilung seiner Kräfte zu verleiten. Sie sollten sich aber an einem bestimmten Termin in Ferrol vereinigen, die in Europa verbliebenen Schiffe aufnehmen und dann dem Übergang eines Heeres über den Kanal den Weg freimachen.

Der Krieg in den Kolonien[92].

Nordamerika. 1748–1755. Hier blieben die englischen und die französischen Kolonien nach dem Frieden von Aachen 1748 eigentlich im Kriegszustande, während von ihren Mutterländern Verhandlungen über die unerledigt[164] gelassenen Grenz- sowie Machtbereichsfragen geführt wurden, wie es beim Friedensschluß bestimmt war. Die englischen Kolonien mußten Wert darauf legen, daß Neuschottland stärker von Engländern besiedelt und die nicht zuverlässige alte französische Bevölkerung dort verdrängt würde. Die englische Regierung sträubte sich anfangs dagegen, sowohl der Kosten wegen als auch in der Besorgnis, Neuengland könne zu mächtig werden; sie mußte aber doch nachgeben, bot nun Auswanderern nach Neuschottland große Vorteile und baute 1749 die Festung Halifax.

Deren erster Gouverneur begann dann sofort, die Indianer auszurotten und die französischen Ansiedler zum Anschluß an England oder zur Auswanderung unter Verlust ihres Eigentums zu zwingen. Noch wichtiger war es, dem Vordringen der Franzosen im Ohiotale Einhalt zu tun, das die Ausdehnung der Neuenglandstaaten über das Alleghanygebirge nach Westen hin unmöglich zu machen drohte, während den Nebenbuhlern die Aussicht erwuchs, durch den Mississippi mit der Kolonie Louisiana in Verbindung zu treten und so die englischen Kolonien ganz ein- und abzuschließen. Schon 1748 wurde deshalb in Virginia die Ohiokompagnie gegründet, deren Agenten und Kolonisten sich im Ohiogebiet zwischen den Flüssen Monongahela und Kenewka festsetzten.

Die französischen Gouverneure in Kanada, de la Gallissonnière (1747), de la Jonquière (1749), de Menneville (1752), bemühten sich eifrig, die französischen Interessen zu behaupten.

Ihre Agenten waren im ganzen Hinterlande Neuenglands tätig und bemühten sich, in Akadien die französischen Sympathien zu nähren; man baute sogar Befestigungen auf der Landzunge zwischen Neuschottland und Neubraunschweig, um das Vordringen der Engländer zu hindern, obgleich die Friedensbedingungen das Gebiet bis auf einen nördlichen noch strittigen Strich England zugesprochen hatten. Endlich wurde die Kette von Forts, die sich von Quebec zum Mississippi — am Ontario- und Eriesee, sowie am Ohio und seinen Nebenflüssen entlang — ziehen sollte, in den Jahren 1749 bis 1754 weitergeführt und ausgebaut. Es würde zu weit führen, näher auf die beiderseitigen Maßnahmen sowie auf die dabei vorgekommenen kleineren Zusammenstöße einzugehen; von ihnen soll aber derjenige erwähnt werden, der Frankreich für den Augenblick zum Herrn im Ohiotale machte und zum Ausbruch des offenen Krieges führte. Bei ihm tritt auch zum ersten Male Washington in der Geschichte auf.

Der erste Zusammenstoß im Ohiotale 1754. Im Jahre 1753 hatten sich die Verhältnisse bereits soweit zugespitzt, daß die englische Regierung gestattete, dem Eindringen der Franzosen in das Ohiogebiet mit Gewalt entgegenzutreten. 1754 führte der Milizmajor Washington etwa 500 Mann mit einigen Kanonen vor, um den Bau eines Forts der Ohiokompagnie am Zusammenfluß des Alleghany und des Monongahela zu schützen, wo jetzt Pittsburg liegt. Ehe er aber eintraf, hatten die Franzosen den Platz überfallen und sich dort festgesetzt (Fort Duquesne). Sie sandten dann Washington eine Abteilung mit der Forderung entgegen, das von Frankreich beanspruchte Gebiet zu räumen; es kam zu einem Gefechte, in dem der französische[165] Führer fiel und 21 seiner Leute gefangen wurden. Washington verschanzte sich nun in der Hoffnung auf Verstärkung, wurde aber vom Fort Duquesne aus durch 600 Kanadier nebst 100 Indianern angegriffen und am 3. Juli zur Übergabe gezwungen.

Nach diesem Ereignis, das in ganz Europa Aufsehen erregte, war an einen friedlichen Austrag der Streitigkeiten nicht mehr zu denken. England brach zwar die Verhandlungen noch nicht ab, rüstete aber stark zur See, und auf sein Betreiben faßten die nordamerikanischen Kolonien zum ersten Male den Plan einer Bundesverfassung sowie ein gemeinsames Vorgehen in ihrem Hinterlande ins Auge. Ende 1754 sandte die Regierung den General Braddock mit zwei Regimentern nach Virginia. Frankreich tat zunächst noch nichts, da die Kassen leer waren; man empfand aber wohl, daß Kanada den vereinten englischen Kolonien nicht gewachsen[93] war und suchte durch Fortführung der Verhandlungen Zeit zum Rüsten zu gewinnen.

Frankreich erbot sich im Januar 1755, die Verhältnisse dem Aachener Frieden (1748) gemäß herzustellen, England verlangte den Utrechter Frieden (1713) als Grundlage. Ersteres erklärte sich im Februar bereit, auch das Ohiogebiet preiszugeben; ernst war es ihm jedoch kaum damit, denn gleichzeitig wies es seinen Gouverneur an, die englischen Forts am Kennebec zu nehmen. Die englische Regierung, die dies wußte und zum Bruche entschlossen war, forderte jetzt, im März, daß Frankreich das Ohiogebiet räume, die Forts am Niagara schleife, die Neutralisierung des Ontario-, Erie- sowie des Champlainsees und auch des Südufers des St. Lawrencegolfes bewillige, endlich den noch strittigen nördlichen Teil von Neubraunschweig abtrete. Darauf konnte Frankreich nicht eingehen, setzte aber die Verhandlungen noch fort.

Der offene Krieg brach in Amerika bald aus. Braddock, der im Februar 1755 gelandet war, stellte im April im Verein mit den Gouverneuren der wichtigsten Kolonien einen Kriegsplan auf, nach dem der Gouverneur von Neuschottland die Gebiete bis zum Lawrencegolf besetzen, die Milizen von New York und New Jersey, Crown Point (Fort St. Frederic, am Südende des Champlainsees) nehmen, und der schon aus dem vorigen Kriege bekannte Gouverneur von Boston, Shirley, Fort Niagara (an der Mündung des Niagara in den Ontariosee) angreifen sollte, während Braddock mit der Hauptmacht sich die Unterwerfung des Ohiogebietes vorbehielt. In Akadien glückte der Plan. Im Juni wurden die französischen Forts auf der Landzunge genommen und 7000 Einwohner, die den vollen Untertaneneid verweigerten, unter Beschlagnahme ihres Eigentums, sowie ohne jede weitere Fürsorge gewaltsam nach südlicheren Kolonien geschafft. Braddocks Zug gegen das Fort Duquesne schlug jedoch völlig fehl; er fiel am 9. Juli in einen Hinterhalt und kam mit einigen hundert Mann ums Leben; ohne Washingtons Geschick wären alle verloren gewesen.

Inzwischen hatten auch die Franzosen Unterstützung erhalten. Im Mai 1755 hatte ein Geschwader unter Dubois de la Motte Truppen[166] unter dem deutschen General Baron Dieskau (mit ihm kam als neuer Gouverneur de Vaudreuil nach Kanada) nach Louisbourg und Quebec gebracht, ohne daß das englische Geschwader unter Boscawen es hatte hindern können. Diese Verstärkung vereitelte auch die beiden anderen Vorstöße. Der Zug gegen Crown Point war zwar vorgedrungen und hatte am oberen Hudson sowie am Lake George Befestigungen angelegt, dann aber trat ihm Dieskau entgegen. Zwar erlitt dieser eine Niederlage, in der er selber fiel, aber auch die Engländer wurden so geschwächt, daß sie stehen blieben und nur ihr Lager, Fort William Henry am Lake George, ausbauten. Infolgedessen kam auch der Zug gegen Fort Niagara zum Stillstand. Hier hatte man den Ontariosee erreicht, begnügte sich aber nun damit, die dort befindlichen englischen Stationen, Oswego und Ontario, zu verstärken.

Frankreich hatte sich also 1755 außer in Akadien überall behauptet, obgleich es nur 2800 Reguläre und 5000 Milizen gegen 15000 Mann, worunter etwa 7000 Reguläre, ins Feld führen konnte.

Trotz alledem ward der Krieg noch nicht erklärt. In England erwog man wiederum, ob nicht in den Kolonien bei weiterem Wachsen ihrer Macht Selbständigkeitsgelüste auftreten würden. Gouverneur Shirley erklärte aber, eine Vereinigung der Kolonien sei bei der Verschiedenheit der Verfassung, der Interessen sowie der Stimmung in den einzelnen unwahrscheinlich, auch könnten derartige Bestrebungen leicht durch die Besatzungstruppen niedergehalten werden; es gelang ihm, die Regierung zur Vertreibung der Franzosen aus Kanada zu bestimmen. Shirley erhielt nun die oberste Leitung sämtlicher Milizen und faßte den Plan, 1756 Quebec von zwei Seiten anzugreifen, sowie gleichzeitig alle vorgeschobenen Forts der Franzosen im Westen zu nehmen. Die Mittel der Kolonien würden jedoch hierzu trotz ihrer Wohlhabenheit und starken Bevölkerung nicht hingereicht haben; den Milizen mangelten Übung und gute Offiziere. In England zweifelte man auch an der Befähigung Shirleys als Führer; man rief ihn deshalb unter dem Vorwande ab, seinen Rat nötig zu haben, und ersetzte ihn 1756 durch den Earl of Loudoun. Dieser sollte, unabhängig von den Gouverneuren, den Befehl über sämtliche Streitkräfte übernehmen, aber auch die Eigenwilligkeit der Kolonien brechen. Zu diesem Zweck erließ man Verfügungen, die in bestehende Vorrechte eingriffen. Anderseits brachte Loudoun eine Million Lstrl. mit, um den Kolonien die Kosten des Krieges 1755 zu ersetzen, sowie Mittel und Offiziere zur Errichtung zweier königlicher Regimenter.

Frankreich hatte zwar nach dem Auftreten des Admirals Boscawen im Juli 1755 die Verhandlungen abgebrochen, verhielt sich aber sonst doch friedlich und ergriff nicht einmal Gegenmaßregeln, als England überall französische Schiffe aufbrachte. Aber nach Nordamerika sandte man doch Verstärkungen; im April 1756 traf General Marquis de Montcalm mit drei Fregatten und drei Flüten dort ein, die 1500 Mann nebst Kriegsmaterial und Geldmitteln erhielten. Der neue Oberbefehlshaber fand ungünstige Verhältnisse vor. Der Feldzug hatte die Kolonie erschöpft, da die Milizen der Bestellung der Felder entzogen gewesen waren; zwischen diesen tüchtigen, aber wenig disziplinierten Kriegern und den Regulären herrschte schlechtes Einvernehmen; die Beamten der Kolonie wirtschafteten unredlich.

Das Jahr 1756 brachte für England nur weitere Rückschläge. Loudoun zeigte sich seiner Aufgabe nicht gewachsen. Statt schleunigst zu handeln, lag er mit 10000 Soldaten und 7000 Milizen untätig in Albany. Die englischen[167] Seestreitkräfte waren nur schwach; die von Boscawen zurückgelassenen Schiffe unter Kommodore Spry kreuzten zwar in den Gewässern bei Louisbourg, es gelang ihnen aber nicht, die französischen Schiffe mit Verstärkungen zu fassen. Der französische Oberbefehlshaber, Montcalm, war dagegen sehr tätig. Von den Forts Crown Point, Frontenac (am Niagara) und Niagara aus beunruhigte er die vorgeschobenen englischen Posten und deren Rückverbindungen; er nahm sogar Oswego sowie Ontario, wobei 1640 weiße Soldaten nebst 113 Kanonen und große Vorräte in seine Hände fielen. So faßte er festen Fuß am Ontariosee und bereitete weitere Angriffe vor, während verbündete Indianer die englischen Grenzgebiete verwüsteten.

Jetzt wäre es für Frankreich an der Zeit gewesen, Kanada mit aller Kraft zu unterstützen, aber man hatte in Paris mehr Vorliebe für Pläne gegen England in Europa und für den Krieg in Deutschland. Ganz ohne Erfolg blieben Montcalms Bitten um Hilfe indessen nicht. Bekanntlich gelang es im Frühjahr 1757 drei französischen Geschwadern mit Truppen und Material, die Blockade zu brechen. Bauffremont traf am 23. Mai mit 4 Linienschiffen, Durevest am 25. mit 4, und Dubois de la Motte am 19. Juni mit 9 in Louisbourg ein; von nun an waren die französischen Seestreitkräfte den englischen stets gewachsen, zuzeiten überlegen. Dubois verfügte im Juni über 18 Linienschiffe und 5 Fregatten, während die Engländer erst im Juli, nach Eintreffen einer Verstärkung, 15 Linienschiffe zählten.

Der Hauptplan Loudouns für 1757 ging denn auch durch die Überlegenheit der Franzosen zur See in die Brüche. Zu einem kräftigen Vorgehen gegen die Forts an den Seen war der General auch in diesem Jahre nicht geneigt, aber er hatte einen Angriff auf Louisbourg vorgeschlagen und dafür die Billigung der Regierung erhalten; diese bestimmte den Gouverneur von New York, Kontreadmiral Sir Charles Hardy, zum seemännischen Führer des Unternehmens. In New York wurden im Mai 3500 Mann zusammengezogen, aber erst im Juni nach Halifax übergeführt, weil sich bis dahin französische Schiffe dort gezeigt hatten; mit den Truppen in Halifax zählte das Angriffskorps nunmehr 11000 Mann. Es wurden aber Wochen mit Exerzitien und Paraden verloren, vielleicht wollte man auch die eben erwähnte Verstärkung erwarten, die längst in Aussicht gestellt war; hatte man Anfang Juni die französische Flotte für zu stark erachtet, um in See zu gehen, so war dies nach Dubois' Eintreffen noch mehr der Fall.

Es fällt auf, daß Dubois diese Gelegenheit nicht benutzte, seinerseits anzugreifen. Er hatte jedoch nach dem französischen Brauche zu jener Zeit wieder den gemessenen Befehl, „Louisbourg nur zu verteidigen; die feindlichen Seestreitkräfte nur anzugreifen, wenn er derartig überlegen sei, daß der Erfolg unbedingt sicher stände“; er hatte außerdem viele Kranke auf seinen Schiffen und war 65 Jahre alt. Am 7. Juli traf endlich die Verstärkung unter Vizeadmiral Francis Holburne ein, der den Oberbefehl zur See übernahm. Dieser ließ durch Fregatten die Kräfte der Gegner erkunden[168] und daraufhin wurden die Truppen am 1. und 2. August eingeschifft, um sie in der Gabarusbucht, 6 Seemeilen westlich von Louisbourg, zu landen. Als man aber auf einer Prise Papiere fand, die höhere und richtigere Angaben über die Stärke der Franzosen enthielten, sah man doch von dem Unternehmen ab; die Truppen wurden wieder ausgeschifft und teilweise nach New York zurückgeführt.

Auf den anderen Kriegsschauplätzen brachte das Jahr 1757 den Engländern nur Verluste. Montcalm hatte schon im Winter versucht, sich des Forts William Henry am Georgesee zu bemächtigen, und im August gelang es ihm, dieses zu zerstören; dann stellte er allerdings die Operationen ein, da er die Milizen zum Einbringen der Ernte entlassen mußte, und da unter den Indianern die Blattern ausbrachen. Immerhin blieben die Franzosen Herren des Hinterlandes von New York und Loudoun tat auch nach Aufgabe des Angriffs auf Louisbourg hiergegen nichts. Er glaubte genügendes zu leisten, wenn er die über die mangelhafte Kriegführung entrüsteten Kolonisten zum Befolgen seiner Verordnungen anhielt und über etwaige Selbständigkeitsgelüste wachte. Die Entrüstung wuchs aber noch, als die englische Flotte bald heimsegelte.

Admiral Holburne hatte schwer durch Sturm gelitten. Er war am 26. August vor Louisbourg erschienen, um in Person die Verhältnisse zu erkunden, ging aber nach Halifax zurück, als Dubois Miene machte, herauszukommen. Hier fand er eine neue Verstärkung von 4 Linienschiffen vor, die seine Flotte auf 19 Linienschiffe und 2 50-Kanonenschiffe brachte. Jetzt dem Gegner überlegen, ging er abermals in See, um Dubois durch Abschneiden aller Zufuhren zum Kampfe zu zwingen. Aber als die Flotte am 24. September etwa 60 Seemeilen südlich von Louisbourg stand, kam ein schwerer Oststurm auf, der am 25. zum Orkan anschwoll; die Flotte wäre wahrscheinlich verloren gewesen, wenn der Wind nicht nach Norden gedreht hätte. So schon scheiterte ein Linienschiff, eine Sloop kenterte und die anderen Schiffe litten schwer, 12 wurden entmastet. Der Admiral sah sich genötigt, einen Teil der Flotte sofort nach England zu senden; er folgte bald darauf mit dem Rest und ließ nur eine kleine Division in Halifax, die Louisbourg die Zufuhren abschneiden sollte. Nun verließ im Oktober auch Admiral Dubois die Station, er entging dem Blockadegeschwader Hawkes und lief am 22. November in Brest ein. Den Gesundheitszustand auf seinen Schiffen kennzeichnet die Tatsache, daß er nach seiner Ankunft 4000 Kranke ausschiffte, wodurch in Brest eine Epidemie ausbrach, die täglich 50–80 Opfer forderte.

England erobert Louisbourg 1758. In diesem Jahre wandten sich die Verhältnisse zugunsten Englands: als Pitt ans Ruder gelangt war, der gerade auf den Kolonialkrieg Wert legte, kam ein anderer Geist in die englische Kriegführung.

Pitt änderte vor allem die innere Politik in Nordamerika: Loudoun wurde abberufen; alle gegen die Freiheiten der Kolonien gerichteten Maßregeln wurden aufgegeben;[169] den Milizoffizieren bewilligte man gleiche Rechte wie denen des Heeres; anstatt Kriegssteuern zu fordern, ersuchte man die Neuenglandstaaten, gegen Rückerstattung der Kosten so viel Leute als möglich ins Feld zu stellen. — Pitt wandte sich mit Erfolg an die Vaterlandsliebe der Kolonisten.

Pitt entwarf mit Benjamin Franklin, der sich gerade in England aufhielt, einen Kriegsplan: Mit einer Hauptmacht, einer starken Flotte unter Admiral Boscawen nebst 12000 (14000?) Mann Landungstruppen, sollten Louisbourg und dann Quebec genommen werden, eine weitere Expedition unter General Abercromby gleichzeitig gegen Crown Point und eine dritte unter John Forbes gegen Fort Duquesne vorgehen. Die Kräfte der beiden letztgenannten Unternehmen waren auf 50000 Mann, Reguläre und Milizen, veranschlagt. Aber auch Frankreich hatte in den Wintermonaten Verstärkungen hinausgesandt; in drei Abteilungen segelten 4 voll armierte Linienschiffe, 2 Fregatten, 5 als Flüten ausgerüstete Linienschiffe, sowie ein schweres Schiff der indischen Kompagnie mit Truppen und Vorräten nach Louisbourg und Kanada.

Was wollte dies jedoch gegen die Übermacht sagen, mit der England auftrat. Als der Angriff erfolgte, standen in Louisbourg nur 3000 Soldaten, mit den Schiffsbesatzungen und einigen Milizen wahrscheinlich 7000 Verteidiger insgesamt; Montcalm verfügte in Kanada über 6000 Reguläre und 15000 Milizen, die auf viele weitentlegene Stationen verteilt waren, sowie über Indianerhorden. Er konnte daher nicht mehr angriffsweise vorgehen und hielt auch die Kolonie ohne schleunige Hilfe oder Friedensschluß für verloren. Wohl wollte Frankreich noch weitere Verstärkungen senden, aber Hawke machte dies durch sein Auftreten auf der Rhede von Ile d'Aix am 3. April 1758 (Seite 145) unmöglich. Dennoch verlor Montcalm den Mut nicht; am 16. Juni schrieb er nach Paris: „Wir werden fechten und uns unter den Trümmern der Kolonie begraben lassen.“ — Trotz der üblen Lage der Gegner gelang den Engländern nur der Angriff auf Louisbourg vollständig; im Landkriege ward nur ein Teilerfolg erzielt.

Die Einnahme von Louisbourg[94] 1758. Lage sowie Befestigungen der Stadt sind bereits Seite 93 beschrieben. Die Befestigungen waren jetzt besser im Stande als damals, besonders auf der Seefront, aber der Gouverneur, Kapitän zur See Chevalier Drucourt, verfügte nur über 3000 Soldaten und einige Milizen. Im Hafen lagen 5 Linienschiffe, davon 3 als Flüten armiert, 2 Fregatten und 2 Korvetten. Diese vier kleineren Schiffe wurden in der Hafeneinfahrt versenkt und die Linienschiffe hinter der so hergestellten Sperre mit der Breitseite nach See zu verankert. Die letzte Abteilung der obenerwähnten Verstärkung, Kapitän Du Chaffault, war angelangt, als der Hafen schon gesperrt war; er gab die für die Festung bestimmten Truppen sowie Vorräte ab und ging nach Quebec weiter.

Die englische Expedition unter Admiral Boscawen hatte im Februar Portsmouth verlassen; sie zählte 20 Linienschiffe, 18 Fregatten, einige leichtere Schiffe sowie über 100 Transporter; insgesamt 167 Segel mit 12000 Mann Landungstruppen. Diese befehligte Generalmajor Jeffrey Amherst, unter ihm stand als Brigadegeneral James Wolfe, der spätere Held von Quebec. Auf der Überfahrt durch[170] Sturm teilweise versprengt, fand sich die Expedition erst am 2. Juni in der Gabarusbucht wieder zusammen. Mehrere Tage lang verhinderte starke Brandung das Landen, erst am 8. gelang es. Fregatten und Sloops hielten den Strand unter heftigem Feuer; an zwei Stellen wurde eine Scheinlandung vorgetäuscht, an einer dritten setzte Wolfe Truppen an Land. Obgleich mehrere Boote kenterten und ihre Besatzungen teilweise ertranken und obwohl fast alle Munition naß geworden war, trieben die Gelandeten den Feind mit dem Bajonett zurück und faßten festen Fuß. Abends waren alle Truppen ausgeschifft; — zum Glück, denn bald frischte der Wind auf und die Verbindung mit den Schiffen wurde auf mehrere Tage unterbrochen.

Am 13. Juni begann die regelrechte Belagerung der Festung, wozu man auch die Seesoldaten der Flotte heranzog. Das Feuer der Linienschiffe hinter der Sperre belästigte die Angreifer sehr, aber am 21. Juli wurde das stärkste von ihnen in Brand geschossen, flog auf und entzündete noch zwei andere. In der Nacht zum 25. ließ Boscawen die beiden letzteren durch 600 Mann in Booten angreifen; trotz heftigen Feuers der Schiffe sowie der Befestigungen gelang es, das eine zu verbrennen, das andere zu nehmen und von der Sperre wegzuschleppen. Dies führte zur Entscheidung. Als Boscawen Vorbereitungen traf, mit Linienschiffen in den Hafen einzudringen, trat Drucourt in Verhandlungen ein und übergab am 27. Juli die fast in Trümmern liegenden Befestigungen[95]; gegen 800 Mann waren gefallen oder schwer verwundet, 1200 lagen krank. Die Garnison und die Schiffsbesatzungen, gegen 4000 Mann, wurden kriegsgefangen, 216 Kanonen sowie einige Mörser erbeutet; die Einwohner der Stadt (wahrscheinlich auch die Milizen) sandte man nach Frankreich. Die Engländer sollen nur 400 Mann verloren haben. Erwähnenswert ist, daß es einem französischen Freibeuter gelungen war, während der Belagerung in den Hafen einzulaufen und ihn auch wieder zu verlassen.

Mit Louisbourg fiel die ganze Insel Kap Breton und auch die benachbarte, St. Jean (englischerseits später Prince Edwards Insel benannt), und den Engländern stand die Mündung des St. Lawrencegolfes offen; den Franzosen war damit einer ihrer besten Fischgründe sowie ein Ausgangspunkt der Freibeuterei genommen, die bisher den Handel der Kolonien schwer geschädigt hatte. Der Angriff auf Quebec wurde aber noch vertagt, weil die Jahreszeit zu weit vorgeschritten erschien und weil der General Amherst durch ungünstige Nachrichten vom General Abercromby zu dessen Unterstützung abgerufen wurde. Admiral Boscawen ließ nach dem Fall von Louisbourg zunächst französische Niederlassungen auf den Magdaleneninseln sowie auf dem Festlande von Neubraunschweig zerstören, die Insel St. Jean besetzen und den General Amherst nebst einigen Bataillonen nach Boston bringen. Später segelte er mit dem größeren Teile der Flotte nach England, nur wenige Schiffe blieben unter Kontreadmiral Durell in Nordamerika. Daß Boscawen vor dem Kanal zufällig mit der aus Kanada heimkehrenden Division Du Chaffault zusammenstieß, ist bereits erzählt (Seite 146).

Auf dem Landkriegsschauplatze 1758 hatte General Abercromby 15000 Mann, darunter 6000 Reguläre, am Lake George zusammengezogen, um Fort Carillon (später Ticonderoga genannt) am Nordende[171] dieses Sees, sowie dann Crown Point zu nehmen und sich so den Weg nach Montreal zu bahnen. Montcalm, der sich persönlich in Carillon befand, war zwar nur ein Viertel so stark, aber infolge falscher Maßnahmen der Engländer auf dem Marsche und besserer Geländekenntnis gelang es ihm, diesen im Juli eine Niederlage beizubringen und dann einen Sturm so kräftig abzuschlagen, daß sie sich mit großem Verluste zurückzogen und nichts weiter wagten. Nur einen kleinen Erfolg errangen sie. Einer Truppe von New York, 3000 Mann, war es geglückt, im August das fast ganz von Verteidigern entblößte Fort Frontenac zu nehmen. Sie konnte sich dort zwar nicht halten und mußte sich mit der Zerstörung des Werkes begnügen, aber dieser Erfolg zog den Fall des Forts Duquesne nach sich, das mit seiner Versorgung ganz auf Frontenac angewiesen war. Brigadier Forbes, der Duquesne angreifen sollte, hatte längere Zeit mit dem Bau einer Straße zum Ohio verloren und war bereits entschlossen, den Angriff für dieses Jahr aufzugeben; von Waldläufern über die traurige Lage des Forts unterrichtet, sandte er Washington mit Milizen hin. Dieser fand das Werk schon verlassen und aufgesprengt vor; der Ort ward mit Garnison belegt und nunmehr Pittsburg benannt. Abercromby wurde im Herbst abberufen und General Amherst übernahm den Oberbefehl an seiner Statt.

England erobert Quebec, 17. September 1759. Der teilweise Mißerfolg des Vorjahres hinderte Pitt nicht an der Verfolgung seines Planes. Das Parlament bewilligte ihm 12 Millionen Lstrl. und früh im Jahre 1759 wurde eine neue starke Flotte unter Vizeadmiral Sir Charles Saunders mit Truppenverstärkungen abgesandt; begeistert für Pitt und unter dem Eindruck der englischen Erfolge in Westindien boten auch die Kolonien alle ihre Kräfte auf. General Stanwix wurde mit der Unterwerfung des Gebietes westlich von Pittsburg bis zum Eriesee beauftragt; Brigadier Prideaux erhielt Befehl, das Fort Niagara zu nehmen; Amherst wies man an, über den Champlainsee nach Montreal vorzudringen; Wolfe sollte, unterstützt durch die große Flotte, Quebec erobern. — Montcalm sah jetzt das Ende voraus; er soll schon beabsichtigt haben, sich nach Louisiana zurückzuziehen, um dort bessere Zeiten abzuwarten. Aber er tat, was in seinen Kräften stand; er verstärkte die Stellung am Champlainsee mit 2000, die am Ontariosee mit 900 Mann und hielt sich bereit, mit 14000 Mann Quebec zu verteidigen.

Montcalms Bitten um Unterstützung hatten keinen Erfolg, man war in Frankreich nur mit dem Einfall in England und mit dem Festlandskriege beschäftigt. 1759 lief kein Kriegsschiff nach Kanada aus, nur einigen Freibeutern gelang es, 600 Rekruten sowie wenige Vorräte hinüberzuschaffen. Der Kriegsminister schrieb an Montcalm, der König sei außerstande, genügend Truppen zu senden, um den Engländern gewachsen zu sein, Verstärkungen würden diesen ja doch nur in die Hände fallen oder, falls sie glücklich ankämen, nur die Hungersnot in Kanada steigern.

Die englischen Vorstöße hatten trotz tapferster Gegenwehr überall Erfolg. Stanwix und Prideaux erfüllten ihre Aufgaben. Auch Amherst[172] nötigte seinen Gegner, Bourlamagne, Carillon sowie Crown Point zu räumen; dann allerdings verschanzte sich dieser beim Fort Isle aux Noix am Flusse Richelieu und hielt hier Amherst stand. Dieser aber ging zur Winterruhe nach Crown Point zurück; er war ohne Kenntnis von dem Stande des Angriffes auf Quebec, dem er über Montreal hatte die Hand reichen sollen.

Die Einnahme von Quebec 1759. Das Gros der Flotte unter Admiral Saunders hatte England am 17. Februar verlassen, nachdem einige Schiffe unter Kontreadmiral Holmes bereits im Januar gesegelt waren, um in Halifax Vorbereitungen für die Expedition zu treffen; diese sammelte sich dann in Louisbourg. Mit Einschluß der Schiffe Durells, die vom Vorjahre her auf der Station waren, zählte die Flotte 20 Linienschiffe, 2 50-Kanonenschiffe, 17 Fregatten und Sloops, 8 Brander und Mörserboote sowie zahlreiche Transporter. An Truppen verfügte General Wolfe über 10 Bataillone Infanterie und einige Kompagnien Artillerie; insgesamt 9200 Mann. Am 1. Juni ging die Expedition nach dem Lorenzstrome in See und erreichte am 23. die Insel Bic, etwa 120 Seemeilen von Quebec. Hier lag seit dem 23. Mai die Division Durell, die bereits im Frühjahr, sobald die Witterung es erlaubte, in den Fluß eingedrungen war. Die Gesamtflotte ging nun weiter stromauf. Bei der Insel Condres, etwa 60 Seemeilen von Quebec, wurde Durell zurückgelassen, noch durch einige Linienschiffe (wahrscheinlich die schwersten weil tiefgehendsten) verstärkt, um hier den Fluß abzusperren. Saunders setzte seine Flagge auf einem kleinen Linienschiff (64 Kanonen) und führte die Flotte bis zur Insel d'Orleans, die wenige Seemeilen vor der Stadt den Fluß in zwei Arme teilt; auf dieser Insel wurde das Lager für die Truppen aufgeschlagen.

Montcalm hatte zwar die Bojen und Marken des Fahrwassers entfernen lassen, sonst aber nichts getan, um dem Gegner an geeigneten Stellen entgegenzutreten, obgleich Brander und Kanonenboote vorbereitet waren. Die Stadt, am linken Ufer gelegen, wurde nur durch die Zitadelle und vor allem durch ein verschanztes Lager auf ihrer Nordostseite verteidigt; das rechte Ufer war unbesetzt gelassen. Das Lager, in dem fast das ganze französische Heer, 14000 Mann, stand, konnte der steilen Ufer wegen vom Flusse her nicht angegriffen werden, auf der anderen Seite war es durch die Täler der Flüsse Montmorency sowie St. Charles gesichert; in dem letzteren lagen zwei armierte Hulks zur Verbindung mit der Stadt. Zwischen Montcalm und dem Gouverneur Vaudreuil, einem Seeoffizier, bestanden andauernd Zwistigkeiten. Montcalm wünschte Maßregeln für einen etwaigen Rückzug zu treffen, Vaudreuil hielt dies mit der Begründung für unnötig, daß der Gegner höchstens einige Häuser der Stadt zerstören könne, wenn die ganze französische Macht vereinigt sei. So waren außer dem Lager nur die Zitadelle und mehrere Punkte stromaufwärts der Stadt besetzt, die zu einer Landung geeignet schienen.

Nach der Landung legte Saunders einige Linienschiffe und Fregatten weiter stromauf der Stadt gegenüber an das rechte Ufer und Wolfe landete dort (bei Point Levis) Soldaten. In der Nacht zum 29. Juni schickten die Franzosen 7 Brander und Brandflöße gegen die Flotte, doch diese hatte Vorbereitungen getroffen, und die gefahrdrohenden Fahrzeuge wurden durch Boote unschädlich gemacht; ebenso mißlang den Franzosen am 1. Juli der Versuch, mit schwimmenden Batterien die bei Point Levis Gelandeten zu vertreiben. Der Angriff wurde durch das Feuer der dort liegenden Schiffe abgewiesen. Wolfe baute hier eine Batterie, und in wenigen Tagen lag der größte Teil der Stadt in Trümmern. Die hochgelegene Zitadelle war aber nicht unter wirksames Feuer zu nehmen und ein Sturm auf die Stadt der steilen Ufer wegen ausgeschlossen; Montcalm ließ sich nicht herauslocken und wartete, daß sich der Feind eine Blöße gäbe. Wolfe legte nun Batterien am Montmorency an und beschoß von dort das Lager, doch auch dies blieb ohne Erfolg und zum Sturm fand sich keine geeignete Stelle. Man sandte einige kleine Schiffe an der Stadt vorbei, aber ein Landungsversuch dieser ward abgeschlagen,[173] ebenso ein endlich am 31. Juli doch unternommener Sturm am Montmorency. Die Angreifer kamen nicht vorwärts, und die Zuversicht der Verteidiger wuchs so, daß man 3000 von ihnen unter dem fähigsten Offizier, de Levis, nach Montreal sandte, um Bourlamagne zu verstärken. Montcalm hoffte jetzt, seine Stellung halten zu können, bis die Herbststürme den Feind zum Abbruch der Belagerung nötigten; er wurde in seiner Hoffnung durch die Nachricht bestärkt, daß Wolfe fieberkrank daniederläge.

Aber dieser dachte nicht an Rückzug. Weitere Erkundungen oberhalb der Stadt wurden vorgenommen und eine derselben, von ihm in Person geleitet, ließ einen zum Landen geeigneten Punkt im Westen der Stadt finden. Die Flottille stromaufwärts wurde nun verstärkt und in der Nacht des 4. September sandte man soviel Soldaten dorthin, als die vorhandenen flachen Fahrzeuge sowie alle entbehrlichen Schiffsboote der Flotte fassen konnten; um den Feind zu täuschen, setzte man in den nächsten Tagen die Erkundungsfahrten fort. In der Nacht vom 12./13. drangen dann die Boote weiter den Fluß hinauf vor und lockten dadurch die zur Verteidigung des Ufers bestimmten Franzosen unter Bougainville[96] mit sich. Eine Stunde vor Tagesanbruch aber wendeten sie plötzlich und ruderten mit aller Kraft, jetzt unterstützt durch die Strömung und die Ebbe, so schnell stromab zu dem beabsichtigten Landungspunkte, daß die Franzosen am Ufer nicht folgen konnten. Mit Tagesanbruch wurde unter Wolfes Führung gelandet, die Wache überrumpelt, das steile Ufer erstiegen und oben eine kleine Batterie genommen; bald standen die Engländer auf der Höhe vor den Toren der Stadt. Jetzt erst erfuhr Montcalm, was geschehen war. Er eilte mit einigen Truppen über den Charlesfluß herbei und sandte Befehl an Bougainville, den Gegner im Rücken anzugreifen. Aber dieser konnte seine Leute nicht schnell genug sammeln und Vaudreuil hielt den größeren Teil des Heeres im Lager zurück, da die englische Flotte mit den Seesoldaten in den noch vorhandenen Schiffsbooten eine Scheinlandung am Montmorency unternahm.

So hatte Montcalm um 10 Uhr vormittags nur 4500 Mann zur Verfügung; er griff dennoch Wolfe an, um ihm keine Zeit zur Verschanzung sowie zur Verstärkung zu lassen. Aber trotz der Tapferkeit des Generals und seiner Offiziere schlugen die Engländer den Angriff ab; Montcalm selber ward tödlich verwundet, der nächstälteste Offizier fiel und die an den Kampf im offenen Gelände nicht gewöhnten Kanadier wichen in Stadt und Lager zurück. Bei der herrschenden Verwirrung hätten die Engländer mit kräftigem Nachdringen wohl das Lager nehmen können, aber jetzt erschien Bougainville, und auch bei ihnen ging die Oberleitung verloren, da Wolfe sowie dessen Nachfolger gefallen waren. Bougainville war aber allein zu schwach zum Angriff, so daß sich die Engländer in ihrer Stellung verschanzen und die Verbindung zwischen Lager und Stadt durch den Bau einer Batterie unterbrechen konnten.

Vaudreuil gab nach einem Kriegsrate Lager und Stadt auf und zog sich auf Montreal hin zurück. In Quebec blieben nur 1700 Mann mit dem Befehl, sich nach Erschöpfung ihrer Vorräte zu ergeben. Dies geschah schon am 17. September, als die Engländer Miene machten, die Beschießung vom Lande und von der Flotte aufzunehmen. Den Einwohnern der Stadt sowie den Milizen war Erhaltung ihres Besitzes und Religionsfreiheit zugesichert; nur die Soldaten wurden kriegsgefangen. Vaudreuil traf auf seinem Marsche bald de Levis, der nach der Kunde von dem Geschehenen stehen geblieben war. Dieser übernahm nun den Oberbefehl und führte das Heer zum[174] Entsatze Quebecs heran, ging aber nach Montreal zurück, als er die Übergabe der Stadt erfuhr.

Nach dem Falle Quebecs ging Saunders mit der Flotte nach England heim; nur 5 Linienschiffe nebst einigen Fregatten und Sloops verblieben unter Kommodore Lord Colville in den amerikanischen Gewässern. Als die Flotte den Lorenzstrom verlassen hatte, entschlüpften einige französische Freibeuter, die sich vor der Belagerung stromaufwärts der Stadt verborgen hatten. Diese brachten die Nachricht von den Ereignissen mit neuen Bitten um schleunigste Hilfe nach Frankreich.

Letzter Kampf um Kanada. Montreal fällt 1760. General de Levis, der nach Montcalms Tode den Oberbefehl übernahm, gab trotz der verzweifelten Lage den Kampf nicht auf. Er zog alle verfügbaren Truppen bei Montreal zusammen und beunruhigte von dort aus während des Winters die englischen Posten. Im Frühjahr 1760 machte er sogar den Versuch, Quebec wieder zu nehmen, da hier nur 3000 Engländer unter General Murray lagen. Er führte 5000 Mann[97] auf Fahrzeugen verschiedener Art den Fluß hinunter, landete etwas oberhalb der Stadt, schlug die Gegner zurück und schloß sie ein. Dieser Erfolg wurde nur durch die Unentschlossenheit des Feindes ermöglicht. Englischerseits hatte man geplant, die Franzosen in Montreal zu erdrücken: Amherst sollte mit 11000 Mann vom Champlainsee vorrücken, ihm zur Seite Oberst Havyland mit 5000 Mann und Murray von Quebec aus; Colvilles Geschwader sollte wieder nach Quebec gehen, sobald die Jahreszeit es erlaubte. De Levis war ihnen zuvorgekommen; die Stadt stand schon vor dem Fall, als endlich am 15. Mai die ersten Schiffe eintrafen und sofort den Kampf gegen die französischen Belagerungsbatterien aufnahmen.

Jetzt mußte de Levis nach Montreal zurück, er verstand es aber, noch monatelang die Wege dorthin zu verteidigen. Amherst hatte nicht die gerade, kaum noch streitig gemachte Straße nach Montreal eingeschlagen, sondern war zum Ontariosee marschiert, auf dem man im Winter eine Flottille von Segelkuttern und Ruderfahrzeugen gebildet hatte. Er nahm hier und bei dem Vordringen flußabwärts nach und nach die letzten kleinen französischen Posten und langte erst am 7. September vor Montreal an. Am selben Tage erschienen auch Havyland, der Bougainville hatte zurückdrängen müssen, und Murray, der nur langsam, von kleinen Kriegsschiffen unterstützt, flußaufwärts hatte herankommen können. Jetzt war allerdings das Schicksal der Franzosen entschieden. De Levis wollte es zwar noch auf einen Kampf ankommen lassen, mußte sich aber auf Vaudreuils Befehl am 8. September ergeben. Bald darauf fielen auch die letzten Posten Frankreichs am Eriesee und Colvilles Schiffe säuberten den St. Lawrencegolf von französischen Freibeutern, die noch zahlreich in den verschiedenen Buchten gelegen hatten. Die Beamten und Offiziere Kanadas mit ihren Angehörigen,[175] sowie die Soldaten wurden nach Frankreich geschafft; gegen 500 der angesehensten Ansiedler folgten ihnen, und England begünstigte deren Abzug. Kanada war für die Franzosen verloren[98].

In Frankreich erregte der Verlust Kanadas die größte Empörung. Das Volk wußte nicht, daß die Regierung schon lange damit gerechnet hatte; es fühlte nur die Schmach und den Schmerz über die nutzlosen Opfer. Der Hof beschloß deshalb, was schon früher hätte geschehen müssen, die pflichtvergessenen Beamten zur Rechenschaft zu ziehen. Vaudreuil sowie der Intendant und zahlreiche Beamte kamen in die Bastille; sie wurden später verbannt oder sonst bestraft, auch mußten sie 11½ Millionen veruntreuter Gelder ersetzen. Frankreich hatte von 1749–1760 für Kanada 123 Millionen aufgewendet; von 40 Millionen, die man der Kolonie schuldig war, wurden nur 12 zurückgezahlt. Die Tapferkeit der Offiziere dagegen fand Anerkennung; viele von ihnen fanden später noch eine ehrenvolle Laufbahn.

England hatte ein Hauptziel des Krieges erreicht; der sehnliche Wunsch der Kolonien war erfüllt, ihrer Ausdehnung stand nichts mehr im Wege. Allerdings erklärte die Regierung das Hinterland der Neuenglandstaaten vom Alleghanygebirge bis zum Mississippi für Kronland, während es zu diesen Kolonien hätte geschlagen werden müssen, da nach den alten Chartres bei Gründung der Niederlassungen stets ein Landstreifen vom Atlantik bis zum Stillen Ozean verliehen war. Aber die Staaten brauchten doch ihre Männer sowie ihr Geld nicht mehr für Kriege gegen die Kanadier zu verwenden und ein großer wirtschaftlicher Aufschwung mußte die Folge sein. Ebenso zweifellos aber war eine außerordentliche Steigerung des Selbstgefühls dieser schon so eifersüchtig über ihre Rechte wachenden Kolonien. Es wurden deshalb auch in England beim Friedensschlusse Stimmen laut, die rieten, Kanada an Frankreich zurückzugeben und lieber Guadeloupe zu behalten. Frankreich erhielt aber nur die beiden kleinen Inseln Saint Pierre und Miquelon an der Südküste Neufundlands als Stützpunkte seiner Kabeljaufischerei zurück; sie gehören ihm noch heute. Ihre Kolonie Louisiana traten die Franzosen an Spanien ab; von Nordamerika war Frankreich damit ausgeschlossen.

Westindien 1755–1757. Dieser Kriegsschauplatz bietet in den ersten Jahren des Krieges wenig Bemerkenswertes, obgleich auch hier schon bald nach dem letzten Friedensschluß Streitigkeiten eintraten, so zunächst um die neutralen Inseln.

Wie bereits erwähnt, hatte man 1730 die Inseln Tabago, Sta. Lucia, St. Vincent und Dominica als neutral erklärt. Beim Friedensschluß 1748 erhielt Frankreich das Besitzrecht auf Sta. Lucia, wurde aber von England stets gedrängt, die Insel wieder aufzugeben; anderseits machten die Franzosen schon 1748 den Versuch, von Martinique aus Tabago zu besetzen und zu befestigen, den sie nur auf ernstliche Vorstellungen Englands unterließen. Im Frieden 1763 erhielt Frankreich aufs neue Sta. Lucia zugesprochen, während die drei anderen neutralen Inseln an England fielen; ebenso das bisher französische Grenada; Sta. Lucia kam erst 1814 endgültig an England.

[176]

Besonders eifersüchtig aber war England auf das Aufblühen der französischen Inseln in den letzten Jahren, so daß Frankreich wohl auf Angriffe gegen diese beim Ausbruch des Krieges gefaßt sein mußte. Es wurden deshalb überall die Befestigungen verstärkt und neue angelegt. 1755 stellte man auf allen Inseln Miliz- und Negertruppen auf und rüstete Kaperschiffe aus; um dem Mangel an Nahrungsmitteln vorzubeugen, wurden die Häfen neutralen Schiffen geöffnet. Anfang 1756 sandte man von Frankreich je ein Geschwader nach den beiden Stationen, St. Domingue und Martinique für die Antillen, die Truppen sowie Vorräte hinausbringen und den feindlichen Handel schädigen sollten.

England dachte jedoch vorläufig noch nicht an Unternehmungen gegen die feindlichen Kolonien; man hielt zunächst aus Besorgnis vor einer Invasion die Seestreitkräfte in Europa zusammen. Man verstärkte zwar die beiden westindischen Stationen (Jamaika und Barbados für die Kleinen Antillen) aber auch nur mit dem Zwecke, den Handel des Gegners lahmzulegen und seinen Inseln die Zufuhren abzuschneiden, in der Hoffnung, sie mit der Zeit auszuhungern.

Somit führte man nur den Kleinkrieg, denn keine Partei war zu größeren Unternehmungen genügend stark. Aber auch in diesem war keine ausgesprochen im Vorteile; wahrscheinlich litt England mehr, wie wir es meistens bei Beginn der Kriege gesehen haben. Wenn auch die Engländer viele Kauffahrer abfingen, so sorgten doch Holland und Spanien für die Einfuhr und Ausfuhr der französischen Inseln, und das Lahmlegen des französischen Handels wurde wenig fühlbar; anderseits fielen mehr englische Schiffe in Feindeshand, weil Englands Schiffahrt beträchtlich größer war als die der Franzosen und weil diese über mehr Freibeuter verfügten. Namentlich im Jahre 1756 scheinen die Engländer in den westlichen Gewässern schwere Verluste erlitten zu haben; die Jamaikastation war nur schwach besetzt, und die Schiffe wurden aus Furcht vor einem Angriff auf die Insel zusammengehalten. Außer Zusammenstößen einzelner Schiffe kam es in den ersten Jahren nur zu einem größeren Gefechte.

Seegefecht bei Le Cap[99] am 21. Oktober 1757. Im November 1756 war ein französisches Geschwader unter Kapitän de Kersaint von 3 Linienschiffen, 2 Fregatten und einer Korvette aus Brest über Westafrika nach Westindien ausgelaufen und hatte nach Berühren von Martinique im Sommer 1757 Le Cap erreicht; von hier sollte es einen Konvoi Handelsschiffe nach Frankreich geleiten. Um dies zu hindern, sandten die Engländer im Herbst von Jamaika den Kapitän Forrest mit drei Linienschiffen zum Kreuzen vor Le Cap, Kersaint hatte aber hier andere Schiffe vorgefunden und trat dem Gegner, wider dessen Erwarten, am 21. Oktober mit Überlegenheit entgegen. Es standen französischerseits 2 Schiffe zu 74 Kanonen, 1 zu 64,[177] 1 zu 50, 1 zu 44 und 2 zu 32 Kanonen gegen 1 Schiff zu 64 und 2 zu 60 englischerseits. Als die Franzosen in Sicht kamen, rief Forrest die beiden anderen Kommandanten zu sich an Bord und sagte ihnen: „Well, gentlemen, you see they are come out to engage us“, worauf Kapitän Suckling antwortete: „It would be a pity to disappoint them“. Dann griffen die Engländer um 3½ Uhr nachmittags an, wobei Suckling führte, und nach scharfem, zweistündigem Kampfe mußte sich Kersaint mit seinem Schiffe durch eine Fregatte aus dem Gefecht schleppen lassen, worauf auch die anderen Franzosen abbrachen.

Die Engländer verloren an Toten und Verwundeten 119 Mann; ihre Schiffe waren in der Takelage so beschädigt, daß sie zum Ausbessern nach Jamaika zurückfuhren. Die Franzosen sollen gegen 500 Mann verloren haben; Kersaint konnte jedoch seinen Konvoi nach Frankreich führen und hatte somit den strategischen Erfolg auf seiner Seite. Trotzdem gilt das Gefecht bei den Engländern als eines der ruhmreichsten ihrer Geschichte, und wohl mit Recht. Suckling war der Oheim Nelsons, und auf seinem Schiff trat dieser ein. Als 48 Jahre später am gleichen Datum Trafalgar geschlagen wurde, gedachte Nelson dieses Gefechtes und sah es als eine gute Vorbedeutung an.

Im Jahre 1758 brachte Pitts Einfluß auch in Westindien wie auf den übrigen Kriegsschauplätzen durch Belebung der Tatkraft einen Umschwung zugunsten Englands hervor. Zunächst erklärte dieses jegliche Zufuhr von Lebensmitteln in französische Kolonien seitens spanischer oder holländischer Schiffe für Neutralitätsbruch und handelte dementsprechend. Zwar beschränkte man sich noch auf den kleinen Krieg, wohl weil die Expedition gegen Louisbourg große Aufwendungen erforderte, aber man übertraf den Gegner doch schon an Zahl der Streitkräfte. Frankreich sandte 1758 nur insgesamt 6 Segel nach Westindien; ein größeres Geschwader unter de La Clue wurde durch die Engländer im Mittelmeer festgehalten. Gegen Ende des Jahres faßte man denn auch das Vorgehen gegen die französischen Inseln ins Auge.

England nimmt Guadeloupe und andere Inseln 1759. Im November 1758 segelten 8 Linienschiffe mit einem Transport von 8000 Soldaten nach Barbados und traten hier im Januar 1759 unter den Befehl des Kommodore John Moore, der nun über 10 Linienschiffe zu 60–80 Kanonen, 2 Schiffe zu 50 und 2 zu 44 Kanonen, sowie 4 Fregatten, 4 Sloops, 4 Mörserboote verfügte. Am 13. Januar ging die Expedition in See und wandte sich zunächst gegen Martinique, doch blieb dieser Vorstoß erfolglos. Am 15. ankerte die Flotte in der Bucht von Fort de France und am 16. beschossen die kleineren Schiffe ein Fort sowie einige schwächere Batterien an der zum Landen geeignetsten Stelle in der Bucht Cas des navires, etwa 5 Seemeilen von der Stadt; es wurden auch 4500 Mann gelandet. Als man aber erfuhr, daß die Stärke des Gegners einschließlich Milizen 10000 Mann betrüge, schiffte man die Gelandeten wieder ein. Die Flotte segelte nun vor den Hafen von St. Pierre, jedoch nur ein Schiff ging am 19. näher heran, wohl nur zur Erkundung, und wechselte einige Schüsse mit den Befestigungen. Dann aber ging Moore gegen Guadeloupe vor und hier mit Erfolg.

Die Eroberung von Guadeloupe Januar/April 1759. Am 22. Januar erschien die englische Flotte vor der Stadt Basse-Terre, auf Basse-Terre, dem östlichen Teile[178] der Insel Guadeloupe gelegen. Schon am 23. wurden die Befestigungen durch sechs schwere Linienschiffe zum Schweigen gebracht und am 24. legten die Mörserboote die Stadt fast in Trümmer. Am gleichen Tage landeten die Truppen und besetzten sie, rückten aber so langsam vor, daß die Franzosen Zeit hatten, sich in die Berge zurückzuziehen. Es war überflüssig, die Schiffe dem Kampfe mit den Befestigungen auszusetzen, denn man hätte gleich im Norden der Stadt landen und diese einnehmen können, da sie nach Land zu nicht befestigt war; noch weniger Zweck hatte die Beschießung durch die Mörserboote. Moore ließ dann noch durch einige Schiffe am 23. Februar St. Louis, auf Grande-Terre, dem westlichen Teil der Insel, nehmen, aber der Kampf in den Bergen zog sich als Guerillakrieg noch lange hin; die Franzosen ergaben sich erst am 23. April auf Basse-Terre und am 1. Mai auf Grande-Terre.

Auch dieser Erfolg wäre fast noch in Frage gestellt worden oder hätte doch größere Opfer kosten können. Am 8. März war in Martinique der Chef d'Escadre de Bompart mit 8 Linienschiffen und 3 Fregatten nebst Truppen von Frankreich angekommen. Moore sah sich dadurch genötigt, mit seiner Flotte in die Prinz-Rupert-Bucht (Dominica) zu gehen, um von hier aus die Bewegungen Bomparts zu überwachen. Dieser wurde jedoch vom Gouverneur von Martinique, de Beauharnais, der wohl für seine Insel fürchtete, sechs Wochen lang festgehalten; als er am 23. April endlich segelte und bei Guadeloupe erschien, war dessen Schicksal schon entschieden. Moore versuchte vergeblich, seinen Gegner zu treffen; Bompart war sofort nach Martinique zurückgegangen, segelte später nach St. Domingue, wo er Truppen landete, und dann nach Frankreich zurück; hier traf er kurz vor der Schlacht in der Quiberonbucht im November ein.

Nach dem Fall von Guadeloupe ergaben sich die umliegenden kleineren Inseln, Marie-Galante, Les Saintes und Petite-Terre, gleichfalls den Engländern. Diese hatten nach Bomparts Abfahrt wieder die See frei, waren durch die letzte Verstärkung sehr viel mächtiger geworden und konnten mithin den kleinen Krieg mit gutem Erfolge führen. So blieb die Lage auch 1761, wo weiter keine Ereignisse von Bedeutung vorfielen.

England nimmt Dominica 1761 und Martinique, sowie den Rest der französischen Inseln 1762. Im Jahre 1761 verstärkten die Engländer ihre westindischen Stationen weiter durch Schiffe — besonders kleine Linienschiffe, sowie 50 Kanonenschiffe und Fregatten — und Truppen, die in Nordamerika freigeworden waren. Der kleine Krieg gewann noch an Kraft und von der Antillenstation aus besetzte man im April ohne jedes Hindernis die neutrale Insel Dominica. Im Spätherbst trafen auch noch Truppen von der Belle-Ile-Expedition ein. Am 22. November übernahm Kontreadmiral Rodney bei den Antillen den Oberbefehl zu einem Angriff auf Martinique. Er sandte sofort den bisherigen Stationschef, Kommodore Douglas, mit einer Division ab, um die Insel von jeder Zufuhr abzuschneiden, folgte mit der Hauptmacht am 5. Januar 1762 und vereinigte sich am 7. mit Douglas bei der genannten Insel. Am 1. März war Martinique im Besitz der Engländer.

[179]

Die Einnahme von Martinique Januar/Februar 1762. Rodneys Streitmacht zählte 13 Linienschiffe zu 60–84 Kanonen, 4 50- und 3 44-Kanonenschiffe, 11 Fregatten, 5 Sloops, sowie 4 Mörserboote; auf 150 Transportern waren gegen 14000 Mann unter General Monkton eingeschifft. Bei dem schwierigen Gelände der Insel wäre es richtig gewesen, zum Angriff auf die Stadt Fort de France, damals Fort Royal genannt, in deren möglichster Nähe zu landen; dieser Umstand war aber nicht genügend bekannt, und der Admiral wünschte, die Stadt ohne Kampf mit ihren Seebefestigungen zu nehmen. Er sandte daher nur eine kleine Division vor die Bucht von Fort de France, ließ einen Scheinangriff in der Bucht von La Trinité machen und ging mit der Hauptmacht in die Bucht von St. Anne. Hier wurden die schwachen Befestigungen bald niedergekämpft und die Truppen gelandet. Nun aber stellte sich heraus, daß der Marsch auf Fort de France sehr schwierig sein würde; man schiffte daher wieder ein, und die ganze Flotte ging zur Fort-de-France-Bucht. Am Vormittag des 16. Januar wurden die Befestigungen zum Schweigen gebracht, dann landeten die Soldaten in der Bucht Cas des Navires, 5 Seemeilen von der Stadt. Am Abend waren zwei Drittel des Landungskorps ausgeschifft, der Rest sowie die Seesoldaten folgten am nächsten Morgen. Gegen eine hartnäckige Verteidigung, die jeden Fels und jeden Baum, sowie auch künstliche Hindernisse benutzte, gelang es erst am 24., unterstützt durch die armierten Boote der Flotte, bis an die Stadt vorzudringen.

Am 25. begann die Beschießung der Zitadelle aus schnell aufgeworfenen Batterien, aber erst am 4. Februar ergab sie sich. Am 13. unterzeichnete der Gouverneur der Insel, der sich am 28. Februar von Fort de France nach St. Pierre begeben hatte, einen Waffenstillstand mit der Zusage, die Insel am 1. März zu übergeben, wenn er bis dahin keine Unterstützung erhielte. Und so geschah es; ein auf dem Wege befindliches französisches Geschwader kam 8 Tage zu spät.

Schon während der Belagerung von Fort de France sandte Rodney kleinere Divisionen gegen Grenada und Sta. Lucia, und auch diese Inseln mußten sich ergeben. Dagegen gelang es ihm nicht, ein französisches Geschwader abzufangen. 1762, als Spanien auf seine Seite getreten war, machte Frankreich noch einen letzten Versuch, den Kolonien Hilfe zu bringen, und der Chef d'Escadre de Blenac entschlüpfte aus Brest. Dieses Geschwader, 7 Linienschiffe und 4 Fregatten mit 7 Bataillonen, erschien am 8. März an der Ostküste von Martinique. Das Blockadegeschwader vor Brest hatte zwar Rodney von der bevorstehenden Ankunft Blenacs in Kenntnis gesetzt, aber sein Versuch, diesen zu treffen, schlug fehl. Blenac war schon am 10. nach St. Domingue weiter gesegelt, als er sich vom Falle Guadeloupes überzeugt hatte.

Die Kolonie St. Domingue war noch allein in Frankreichs Besitz, doch griff Rodney diese nicht an. Er erhielt die Nachricht vom Ausbruche des Krieges mit Spanien, vom Eintreffen eines starken spanischen Geschwaders in Havanna und mußte auf einen Angriff gegen Jamaika gefaßt sein. Er warnte daher den Chef dieser Station und beorderte ihn zu einem Zusammentreffen beim Kap St. Nicolas an der Nordwestspitze Haitis; er wollte wohl dem neuen Gegner entgegentreten und gleichzeitig dessen Vereinigung mit Blenac hindern. Ehe er aber selber seeklar war, traf am 26. März der Befehl für ihn und General Monkton ein, vorläufig nichts zu unternehmen, sondern die Ankunft des Admirals Sir George Pocock abzuwarten; dieser sei mit Verstärkungen unterwegs und solle ein großes, vorläufig noch[180] geheim gehaltenes Unternehmen führen. Rodney sandte nun den Kommodore Douglas mit 10 Linienschiffen nach Jamaika, um die dortigen Schiffe zur Vereinigung mit Pocock nach Kap St. Nicolas zu geleiten; er schickte eine kleine Division für den Handelskrieg in die spanischen Gewässer Mittel- und Südamerikas und erwartete mit dem Rest seiner Flotte den neuen Oberbefehlshaber in Martinique.

England erobert Havanna. Juni/August 1762. Admiral Pocock traf am 20. April in Barbados ein und übernahm am 26. in Martinique den Befehl. Er ließ dann Rodney mit einigen Schiffen bei den Kleinen Antillen zurück und trat am 6. Mai mit der Flotte den Marsch nach Havanna an. Diese Stadt war das geheime Ziel; England beabsichtigte, gleich einen schweren Schlag gegen Spanien zu führen. Nachdem Pocock am 8. Mai bei der Monastraße einen Teil der Schiffe der Jamaikastation, die von Douglas zur Beobachtung Blenacs dorthin abgezweigt waren, und am 23. beim Kap Nicolas den Rest an sich gezogen hatte, zählte seine Streitmacht: 22 Linienschiffe zu 60–90 Kanonen, 4 Schiffe zu 50 und 3 zu 40, 12 Fregatten, 8 Sloops, 3 Mörserboote, Hospital- und Vorratsschiffe, sowie zahlreiche Transporter, auf denen 15500 Mann unter dem General Earl George of Albemarle eingeschifft waren; insgesamt gegen 200 Segel.

Pocock wählte vom Kap St. Nicolas nach Havanna nicht den üblichen Weg südlich der Insel Kuba, sondern den kürzeren durch den alten Bahamakanal. Dieser ist navigatorisch für Segelschiffe schwieriger und galt damals wegen der noch wenig genauen Karten als nicht ungefährlich, aber der Admiral beabsichtigte, möglichst schnell und überraschend vor Havanna zu erscheinen, sowie auch zu verhindern, daß der Stadt auf diesem Wege Nachrichten und Unterstützung durch die Franzosen in St. Domingue zugingen. Er benützte auf dieser Fahrt eine von Anson aufgenommene Karte, auch sandte er Boote voraus, die gefährliche Stellen markierten. Am Morgen des 6. Juni stand die Flotte 15 Seemeilen östlich von Havanna; die Stadt wurde nach zehnwöchiger Belagerung genommen.

Die Einnahme von Havanna 1762. Noch am 6. Juni gab Pocock die Anordnung für die Landung, die östlich der Stadt erfolgen sollte. Zu ihrer Deckung blieb Kommodore Keppel mit 6 Linienschiffen und einigen Fregatten zurück; der Admiral segelte mit der Hauptflotte vor die Einfahrt des Hafens, in dem man 12 Linienschiffe zählte; drei waren im Eingange versenkt. Havanna wurde nach See zu hauptsächlich durch das starke, hochgelegene Fort Moro auf der Ostseite der Einfahrt und durch ein Werk auf der Westseite verteidigt; nach Land zu waren die Befestigungen nur unbedeutend. Am 7. morgens ließ Pocock durch die Seesoldaten der Schiffe eine Scheinlandung, etwa vier Seemeilen westlich der Stadt, ausführen, während Albemarle das ganze Heer sechs Seemeilen östlich von Havanna zwischen den Flüssen Coximar und Boca Nao landete.

Hier fand man erst beim Vormarsch gegen Fort Moro, als man den Coximar überschritt, Widerstand, der jedoch bald durch das Eingreifen der Fregatten gebrochen wurde. Man begann dann sogleich mit der regelrechten Berennung Moros. Um diese zu fördern, beschossen am 1. Juli drei schwere Linienschiffe das Fort, mußten sich aber nach sechsstündigem Kampfe, stark beschädigt mit einem Verluste von 42 Toten[181] und 130 Verwundeten, zurückziehen und das Niederkämpfen des Forts der Belagerungsartillerie überlassen; am 30. Juli war Bresche gelegt, und man nahm das Werk im Sturm. Nach weiterer Beschießung der kleinen Befestigungen der Landseite, sowie der Stadt selber ergab sich diese am 14. August. Den Engländern kostete die Belagerung 1790 Tote und Verwundete; sie verloren außerdem viele Leute an Krankheiten in der ungesunden Gegend bei ungünstigster Jahreszeit.

Wegen dieses starken Verlustes wurden den Führern Vorwürfe gemacht: Pocock habe die Schiffe unnötig dem Kampfe mit dem Fort ausgesetzt, Albemarle ebenso unnötig das starke Werk als Angriffsobjekt gewählt, auch ohnedies wäre die Stadt leicht zu nehmen gewesen und Moro dann von selbst gefallen. Hervorgehoben wird das gute Einvernehmen zwischen den Führern beider Waffen während des ganzen Unternehmens.

Der Fall Havannas war ein Erfolg von großem, moralischem Werte Spanien gegenüber und fügte diesem schweren Schaden zu; er brachte England aber auch bedeutenden materiellen Gewinn. Die erbeuteten Gelder und Güter hatten einen Wert von drei Millionen Lstrl; 9 Linienschiffe — 5 zu 70, 4 zu 60 Kanonen — waren genommen, zwei noch auf Stapel liegende verbrannt; drei nebst einer großen Galere hatten die Spanier versenkt.

Pocock ging im November mit 4 Linienschiffen und einem Teil der Prisen nach England, 5 weitere folgten etwas später mit dem Rest der genommenen Schiffe. Der große Krieg in Westindien war zu Ende; zu einem wahrscheinlich ins Auge gefaßten Angriff auf St. Domingue kam es infolge des Präliminarfriedens vom 12. November 1762 nicht mehr. Frankreich erhielt durch den Frieden von Paris seine Inseln bis auf Grenada zurück. Sta. Lucia wurde ihm aufs neue zugesichert, aber die neutralen Inseln Tabago, St. Vincent und Dominica fielen an England. Spanien bekam gleichfalls Havanna wieder, trat aber Florida an England ab, wofür ihm Frankreich Louisiana überließ.

Westafrika. Über dieses als Kriegsschauplatz ist nur wenig zu sagen. Englands Hauptniederlassungen lagen am Golf von Guinea, nur wenige (zwei Forts) an der Sierra-Leone-Küste, und in Senegambien besaß es fast gar keinen Einfluß (ein Fort an der Mündung des Gambia). Hier war Frankreich die vorherrschende Macht mit vielen Forts vom Kap Branco bis etwas südlich vom Gambia; Hauptstützpunkte waren St. Louis am Senegal und Gorée beim Kap Vert[100]. Stärkere Seestreitkräfte wurden von keinem der beiden Länder hier gehalten; England scheint meist einige Kriegsschiffe an der Guineaküste gehalten zu haben.

Im Februar 1757 erschien der französische Kapitän de Kersaint auf seinem Wege nach Westindien mit 3 Linienschiffen, 2 Fregatten und einer Korvette in den westafrikanischen Gewässern; er brachte einige englische Sklavenschiffe auf und beunruhigte die Niederlassungen an der Guineaküste, ein ernstlicher Angriff auf Cap Coast Castle wurde jedoch abgeschlagen. England dagegen sandte 1758 kleinere Expeditionen hinaus, um die französischen[182] Niederlassungen wegzunehmen, und bemächtigte sich Senegambiens.

Einnahme von Port Louis und Gorée 1758. Am 9. März 1758 verließ Kapitän Marsh mit einem Linienschiff (64 Kanonen), einem 50-Kanonenschiff, sowie drei kleineren zu 8, 16 und 20 Kanonen England, erschien am 23. April vor der Mündung des Senegal, drang bei nur geringem Widerstande durch Küsten- und Flußfahrzeuge über die Barre nach Port Louis vor und zwang mit Hilfe vorher gewonnener eingeborener Fürsten das Fort am 1. Mai zur Übergabe; mit ihm fielen auch die anderen, weiter stromauf gelegenen Plätze. Es mutet seltsam an, daß die Anregung zu diesem Kriegszuge von einem Quäker ausging, der in Afrika ansässig gewesen war; dieser hatte auch die einheimischen Fürsten gewonnen. Marsh versuchte dann im Mai vergeblich, das besser befestigte Gorée zu nehmen. Aber schon am 28. Dezember trafen unter Führung des Kommodore Augustus Keppel 3 Linienschiffe, je ein 50- und ein 44-Kanonenschiff, verschiedene kleinere Fahrzeuge, zwei Mörserboote, sowie Transporter mit Soldaten vor Gorée ein, und die Niederlassung fiel bereits am nächsten Tage. (Näheres über diese Vorgänge siehe Laird Clowes, Band III, Seite 186 ff.)

Frankreich trat beim Friedensschluß Senegambien an England ab, erhielt aber Gorée zurück.

Ostindien[101]. Ereignisse vor Ausbruch des Krieges. Sicher bestand nach dem Frieden von Aachen bei den Leitern der ostindischen Kompagnien in London wie in Paris der Wunsch, neue Zerwürfnisse zu vermeiden, denn der letzte Krieg hatte große Kosten verursacht und dem Handel sehr geschadet. Aber die erfolgreiche Einmischung des französischen Gouverneurs Dupleix in die Streitigkeiten der indischen Fürsten hatte das frühere System der Kompagnien, von befestigten Niederlassungen aus nur Handel zu treiben, unmöglich gemacht. Die Europäer hatten die Überlegenheit ihrer Waffen zu gut kennen gelernt, um den indischen Fürsten weiter nur als Bittende entgegenzutreten, und diese strebten dahin, sich der unbesiegbaren Europäer gegen ihre einheimischen Feinde zu bedienen. Wollten die Kompagnien also weiter Geschäfte machen, so mußten sie Partei nehmen und ihren Freunden Waffen und Soldaten stellen. Wenn nun die Kompagnien selbst noch in den ersten Jahren nicht miteinander im Streit lagen, so unterstützte doch eine jede einheimische Fürsten, die vielleicht mit den Schützlingen der anderen Krieg führten; so mußten bald auch die Truppen der beiden Kompagnien in diese Kämpfe verwickelt werden.

[183]

Bis zum Jahre 1751 zog Frankreich aus der Einmischung in indische Angelegenheiten bei weitem den größeren Vorteil. England gewann zwar 1749 bei einer Thronfolgefrage im Staate Tanjore die Stadt Devicotta, an der Mündung des Coleroon, etwa 30 Seemeilen südlich von Cuddalore, aber dem Gouverneur von Pondicherry, Dupleix, gelang fast die Verwirklichung seiner langgehegten Absicht, die Gründung eines Vasallenstaats von großer Ausdehnung für Frankreich. Um das Dekan — ein Vizekönigreich des Großmogulstaats, das fast ganz Vorderindien umfaßte und in viele kleine Gebiete, jedes unter einem Nabob, zerfiel — erhob sich 1749 gleichfalls ein Thronfolgestreit. Hier nahm Dupleix Partei und wandte Politik wie Waffengewalt so geschickt an, daß sein Schützling Sieger blieb.

Dieser machte als Vizekönig des Dekan 1750 Dupleix zum Nabob der Küstenstaaten von Masulipatam bis zum Kap Komorin, erweiterte das Gebiet der französischen Kompagnie bei Pondicherry sowie bei Karikal und trat ihr neues Land bei Masulipatam ab; auch erhielt der Gouverneur selber reichen Landbesitz als Eigentum. Der Vizekönig huldigte ihm sogar am 26. Dezember 1750 in Pondicherry, und sein Nachfolger dehnte 1751 durch ein weiteres Zugeständnis die französische Macht an der Orissaküste aus. Dupleix beherrschte tatsächlich den ganzen Süden Vorderindiens, da er als mächtiger Nabob beratende Stimme in allen wichtigen Angelegenheiten besaß, und da der Vizekönig wie die meisten anderen Nabobs seiner Hilfe ihre Stellungen verdankten. Mit nur 800 Mann Europäer und 3000 Sepoys hatte Dupleix seinen Einfluß über 35 Millionen Inder zur Herrschaft gebracht; die Engländer waren an der Ostküste Vorderindiens lahmgelegt, ihre völlige Austreibung schien nur noch eine Frage der Zeit.

Bis zum Jahre 1755 gingen diese Errungenschaften Frankreichs jedoch wieder verloren. Die Stellung Dupleix' und seines Verbündeten war nicht fest genug, als sich 1751 England unmittelbar einmischte und in Robert Clive[102] ein ebenbürtiger Gegner für Dupleix erwuchs. Der Vizekönig besaß noch nicht die volle Herrschaft im ganzen Dekan; er hatte im Norden mit widerspenstigen Fürsten zu schaffen und auch im Süden behauptete sich der von ihm abgesetzte Nabob des Carnatic in einigen festen Städten. Dieser gewann die Engländer für sich. Als der Vizekönig versuchte, ihn mit Hilfe der Franzosen niederzuwerfen, unterstützten ihn die Engländer von Madras, sowie von St. Davids aus mit Truppen. Hiermit war von Mitte Juli 1751 der Krieg zwischen den Kompagnien entbrannt. Es folgten zunächst vier Jahre des Kampfes im Carnatic, in denen mit wechselndem Kriegsglück bald die eine, bald die andere Partei[184] im Vorteil war, je nachdem sich die unzuverlässigen indischen Fürsten gruppierten — auch die Mahratten an der Westküste Vorderindiens, die alten Feinde des Mogulreiches, traten in den Kampf ein; zuerst auf englischer, später auf französischer Seite.

Wohl war die französische Kompagnie anfangs an Europäern wie an Sepoys stärker, aber die Engländer zogen Truppen aus Bengalen heran, und ihre Führer Lawrence, sowie Clive waren den Franzosen d'Auteuil und Law (Sohn des berüchtigten Finanzmannes, s. Band I, Seite 595) weit überlegen. Dupleix erhielt von der Heimat keine wesentlichen Unterstützungen, auch mußte er seinen fähigsten Offizier, de Bussy, mit einem Teil der Truppen abgeben, um den Vizekönig im Norden zu verstärken und an dessen Hofe Frankreichs Vorteil gegen eine von England gewonnene Partei wahrzunehmen. Zu Ende des Jahres 1752 stand es für die Franzosen sehr schlecht; ein Unternehmen gegen St. Davids — der erste unmittelbar gegen die Engländer selber gerichtete Stoß — wurde schon auf dem Anmarsch mit großem Verluste zurückgewiesen.

Anfang 1752 lagen im Carnatic nur noch 360 Franzosen gegen 700 Engländer im Felde; die erste, jetzt erwartete, bedeutendere Verstärkung von der Heimat, 700 Mann, blieb aus, da das Schiff unterwegs verbrannte. Dennoch behauptete sich Dupleix das Jahr über und errang sogar einige Vorteile, als Clive aus Gesundheitsrücksichten nach England gegangen war. Wegen Mangels an Truppen sowie an Geld — er hatte schon bedeutende Summen aus eigenem Vermögen vorgeschossen —, sowie auf Drängen der Kompagnie, die des kostspieligen Krieges müde war, trat Dupleix im Januar 1754 mit dem Gouverneur von Madras, Saunders, in Unterhandlungen. Diese zerschlugen sich aber schon nach wenigen Tagen, da dieser unter keinen Umständen Dupleix als Nabob des Carnatic anerkennen wollte und auch erfahren hatte, daß dessen Stellung in Paris schwer erschüttert sei. Dennoch verlor der tapfere Mann nicht den Mut. Der Nabob von Tanjore, ein mächtiger Fürst, schien geneigt, sich auf seine Seite zu schlagen, im Februar wurde ein Sieg über die besten englischen Truppen erfochten und de Bussy hatte mit dem neuen Vizekönig, dem zweiten Nachfolger des ersten Freundes der Franzosen, ein vorzügliches Verhältnis hergestellt. Wiederum erhielt die Kompagnie große Gebiete an der Orissaküste, die vier Circars, die durch ein Einkommen von 400 000 Lstrl. genügende Geldmittel sicherten. So schöpfte Dupleix neue Hoffnung, da wurde er am 1. August 1754 abberufen.

Die Abberufung Dupleix' war die Folge von Verhandlungen, die schon seit 1752 zwischen den Kompagnien unter Teilnahme der Regierungen geführt wurden. Die englische Regierung machte Dupleix für alle Wirren in Indien verantwortlich und forderte unter Androhung schärfster Maßregeln seine Entfernung; auch Clive vertrat diesen Standpunkt energisch, als er sich 1753/54 in England aufhielt. So lange draußen alles gut ging, war die französische Regierung mit Dupleix ganz zufrieden gewesen und die Kompagnie hatte über die schlechten Geschäftsergebnisse hinweggesehen; als aber von 1752 an eine Hiobspost nach der anderen eintraf und die Mittel zusammenschrumpften,[185] ließ man den tüchtigen Mann fallen. Bei seiner Abberufung erhielt er weder ihm noch zustehende Gelder, noch die von ihm vorgeschossenen 6–7 Millionen Francs, selbst die Einkünfte aus seinem Privatbesitz enthielt man ihm vor, so daß er beinahe mittellos die Heimreise antreten mußte. Ohne daß seine gerechten Ansprüche befriedigt waren, starb er 1764 verlassen und vergessen, während man in England annahm und noch annimmt, daß die Engländer in den nun noch folgenden Kämpfen wahrscheinlich aus Indien verdrängt worden wären, wenn man Dupleix nicht abberufen hätte.

In Europa waren die Regierungen sowie die Kompagnien übereingekommen, beide Gouverneure abzuberufen und die Streitigkeiten durch besondere Kommissäre zu schlichten. England ernannte aber den bisherigen Gouverneur zu seinem Vertreter, während Frankreich einen früher in Bengalen tätig gewesenen Beamten, Godeheu, der stets gegen Dupleix intrigiert hatte, zum Kommissar bestellte. Dieser traf am 1. August 1754 mit 2000 Soldaten in Pondicherry ein und übernahm schon am 2. die Geschäfte. Er wies sofort die im Felde stehenden Befehlshaber an, die Feindseligkeiten einzustellen, schloß am 26. Oktober einen Waffenstillstand und im Januar 1755 einen für die französische Kompagnie höchst ungünstigen Frieden.

Godeheu folgte bei den Verhandlungen in keiner Hinsicht einer ihm von Dupleix hinterlassenen Denkschrift, in der die politische wie die militärische Lage dargestellt und die erforderlichen Maßnahmen entwickelt waren; auch sah er darüber hinweg, daß England gegen die Abmachung seinen früheren Gouverneur als Kommissar bestellt hatte. Er lieferte die Gefangenen aus, begann die an Frankreich abgetretenen Gebiete zu räumen und benachrichtigte den Vizekönig, daß er sich nicht mehr in dessen Angelegenheiten mischen dürfe; er ließ de Bussy zwar noch im Lager bei diesem, sandte ihm aber weder Truppen noch Geld.

Das Ergebnis der Verhandlungen war, daß sich beide Kompagnien verpflichteten, sich nicht mehr in die Streitigkeiten der indischen Fürsten zu mischen, auch keine Würden oder Ämter vom Großmogul anzunehmen. England sollte St. George (Madras), St. Davids (Cuddalore) und Devicotta, Frankreich Pondicherry, Carical und Nizampatam behalten; das Gebiet von Masulipatam, das ansehnliche Einkünfte lieferte, wurde geteilt. England behauptete somit alles, was es besessen und hinzugewonnen, Frankreich gab an Besitz und an Einfluß auf, was ihm Dupleix erworben hatte. In den Augen der indischen Fürsten mußte dieser Friedensschluß als ein völliger Sieg Englands erscheinen.

Schon im Februar 1755 sah Godeheu seine Aufgabe als erledigt an, gab die Geschäfte an den neuen Gouverneur, de Leyrit, einen alten Beamten der Kompagnie, ab und kehrte nach Frankreich zurück. De Leyrit hatte zwar den Auftrag und die Absicht, Godeheus Politik fortzuführen, aber die Ereignisse zwangen ihn bald in andere Bahnen, und die Verwicklungen begannen abermals.

Die Jahre 1756/57. Schon im Februar 1755 brachen die Engländer den Vertrag, indem sie dem Nabob von Carnatic, der nun von den Franzosen nicht mehr bekämpft wurde, wiederum Soldaten stellten, um seine Macht zu befestigen; de Leyrit nahm darauf auch seinerseits Partei, verstärkte de Bussy und stellte die Räumung des Orissagebietes ein. Das alte Spiel begann von neuem. Zwar traf Clive, zum Kommandanten von St. Davids ernannt,[186] 1755 mit einem Geschwader von 3 Linienschiffen, einem 50-Kanonenschiffe, einer Fregatte und einer Sloop unter Kontreadmiral Charles Watson nebst Truppen in Indien ein, um im Einverständnis mit dem Gouverneur von Madras von Bombay aus den Vizekönig des Dekan anzugreifen, wozu auch die Unterstützung der Mahratten gewonnen war, aber die Behörden in Bombay wollten mit Rücksicht auf den eben geschlossenen Frieden nichts davon wissen. Sie benützten die Streitkräfte Clives lieber zur Befestigung ihrer Macht an der Westküste durch Niederwerfung eines Seeräuberstaates.

Der Seeräuber Angria war das Haupt einer Mahrattenfamilie, die seit etwa 100 Jahren an der Westküste Vorderindiens Seeraub trieb und zu großem Landbesitz gekommen war. Sie belästigte sowohl den europäischen Handel wie den der Inder und griff selbst größere Kriegsschiffe an. Jetzt verband sich die englische Kompagnie mit den übrigen Mahratten zur Vernichtung Angrias. Schon im März 1755 nahmen ihre Schiffe den nördlichsten Hafen des Seeräuberstaates, Bencote (später Fort Victoria auf 18° Nordbreite), ein und im Januar 1756 gingen Clive und Watson mit ihrer Kriegsflotte, einigen Schiffen der Kompagnie sowie Fahrzeugen der Mahratten und einem Landungskorps gegen die Hauptstadt Geriah (auf 16½° Nordbreite) vor. Diese nebst ihren Befestigungen mußte zwei Tage regelrecht beschossen werden, ehe sie sich am 14. Februar ergab. Man erbeutete 100000 Lstrl. an barem Gelde, sowie 30000 an Gütern, und verbrannte die Seeräuberflotte, die aus einigen größeren Segelschiffen und zahlreichen Rudergaleren bestand. Die Engländer behielten die ganze Beute und auch den festen Platz, da die Mahratten sich unzuverlässig gezeigt hatten.

Im Mai 1756 trafen Clive und Watson dann vor St. Davids ein, und der Gouverneur von Madras wollte nun angriffsweise gegen die Franzosen vorgehen, insbesondere gegen de Bussy, der durch englische Einwirkung zur Zeit mit dem Vizekönig entzweit war. Dies wurde zwar durch die Ereignisse in Bengalen verhindert, aber der offene Krieg zwischen den Kompagnien brach gleichwohl in Bengalen wie im Carnatic aus.

England wirft Frankreich in Bengalen nieder 1756/57. Bengalen war lange Zeit von einem Vizekönig — wie der im Dekan ein ziemlich unabhängiger Vasall des Großmogul — regiert, der beide Kompagnien gleich begünstigte, um seinen Vorteil daraus zu ziehen; während des vorigen Krieges hatte er alle Feindseligkeiten zwischen ihnen verhindert. Im Jahre 1756 kam sein Enkel auf den Thron, dem der wachsende Einfluß der Europäer ein Dorn im Auge war. Dieser fiel schon im ersten Jahre über die Engländer her, nahm die Faktorei Cosimbazar ein und griff am 18. Juni Kalkutta an, wo nur 260 englische Soldaten und 250 Milizen standen. Sie riefen die Holländer in Chinsura, sowie die Franzosen in Chandernagore um Hilfe an, aber jene lehnten rundweg ab, diese rieten Aufgabe der Stadt und Rückzug nach Chandernagore. Die Engländer beschlossen nun allgemeine Flucht auf den vorhandenen Schiffen. Zuerst sollten die Familien mit der wertvollsten Habe an Bord gehen, aber man verlor den Kopf, und nur der Gouverneur sowie die höheren Offiziere retteten sich. Bei dem Sturm der Inder auf Kalkutta fielen 95 Engländer, die Soldaten flohen, und nach Einnahme der Stadt kamen von den übriggebliebenen 146 Männern 123 in dem berüchtigten Black Hole um; einem 18 Fuß langen und 14 Fuß breiten Raume, in dem sie für eine Nacht[187] eingesperrt waren. Der Vizekönig besetzte die Zitadelle Fort William und zwang die Franzosen wie die Holländer zur Zahlung hoher Summen.

Auf die Nachricht von diesen Ereignissen, die im August 1756 in Madras eintraf, beschloß man hier, vor allem in Bengalen Rache zu nehmen. Schiffe, Mannschaft sowie tüchtige Offiziere, Clive und Lawrence, waren vorhanden, aber zwei Monate dauerte der Streit der maßgebenden Personen über die Stellung von Flotte und Heer zueinander, über den Oberbefehl, ja sogar über die Verteilung der Beute. Hervorzuheben ist, daß Admiral Watson die soeben erhaltene Anweisung, mit dem Geschwader nach England zurückzukehren, in richtiger Würdigung der Verhältnisse in Indien nicht befolgte. Erst am 16. Oktober segelte die Expedition ab. Clive, der die Truppen führte, erhielt den Befehl, im April 1757 wieder in Madras zu sein, weil in Europa der Krieg ausgebrochen war, und Frankreich beabsichtigte, große Verstärkungen nach Pondicherry zu senden. Watsons Geschwader zählte die obengenannten Kriegsschiffe (mit Ausnahme der Sloop) und ein Mörserboot; Clive befehligte 906 englische und 1500 indische Soldaten.

An der Koromandelküste blieben nur die schwachen Besatzungen der festen Plätze sowie einige Schiffe der Kompagnie zurück. Die Expedition war am 27. Dezember an der Mündung des Ganges versammelt, wo man die Flüchtlinge von Kalkutta fand; dann drang man zu Wasser und zu Lande ohne erheblichen Widerstand stromaufwärts vor, nahm am 2. Januar 1757 nach zweistündiger Beschießung Kalkutta nebst Zitadelle und wenige Tage darauf die Stadt Hugly, 30 Seemeilen weiter stromauf. Der Vizekönig war mit seinem eigentlichen Heere noch nicht herangekommen, sondern versuchte, die Franzosen vorher auf seine Seite zu ziehen. Diese zeigten sich unschlüssig, da sie hofften, die Bedrängnis der Engländer wie im vorigen Kriege zum Abschluß einer Neutralität ausbeuten zu können. Geschickt hielt nun Clive die Franzosen mit Verhandlungen hin, bis er einen bedeutenden Sieg über die Truppen des Vizekönigs errungen und diesen am 9. Februar zu einem Friedensschluß bewogen hatte, in dem England alle früheren Vorrechte zurückerhielt.

Clive hatte seine Aufgabe erfüllt und konnte nun nach Madras zurückgehen. Er erachtete aber die Gelegenheit für günstig, die Franzosen anzugreifen und schloß am 14. März 1757 im Verein mit Watson die Stadt Chandernagore ein, die gut befestigt, aber nur von 446 Europäern und 300 Sepoys verteidigt war. Am 19. zerstörten die Boote der Flotte einige diese bedrohende Brander; am 23. wurde die Stadt vom Lande wie vom Flusse her beschossen, worauf die Franzosen sie übergaben. Damit war die französische Macht in Bengalen vernichtet und der Kampf der Kompagnien hier beendet.

Weitere Ereignisse in Bengalen bis 1763. Clive wollte jedoch noch seine Stellung den indischen Fürsten gegenüber befestigen und blieb deshalb in Bengalen, trotz mehrfacher, dringender Mahnungen aus Madras. Er hatte einen Angriff des Vizekönigs zu erwarten, der über die Einnahme von Chandernagore empört war und mit dem Rest[188] der von dort nach Bhagulpore, etwas weiter stromauf geflohenen Franzosen sowie mit de Bussy im Dekan in Verbindung trat. Durch Verhandlungen und Intrigen gelang es Clive, eine Verschwörung gegen den Vizekönig in dessen Lager anzuzetteln und ihn mit nur 1000 Europäern nebst 2000 Sepoys gegen eine zwanzigfache Übermacht bei Plassey vernichtend zu schlagen. Dann setzte er einen England ergebenen Mann an dessen Stelle.

Die Schlacht bei Plassey am 23. Juni 1757 gilt als der Anfang der englischen Herrschaft in Indien. Noch fast das ganze Jahr 1758 über hielt Clive seine Landstreitmacht in Bengalen zusammen, um die Herrschaft des neuen Vizekönigs zu befestigen; erst im Oktober sandte er 500 Europäer und 2000 Sepoys nach Vizagapatam an der Orissaküste. Er selber ward jetzt zum Gouverneur von Bengalen ernannt, und damit weiter unabkömmlich; bald wurde auch der Vizekönig ihm feindlich gesinnt. Als im August 1759 sieben holländische Ostindienfahrer mit 1500 Soldaten für die Niederlassung Chinsura vor dem Ganges eintrafen, mußte er befürchten, daß der Vizekönig diese für seine Zwecke benützen würde. Er verlangte deshalb, daß ihnen die Einfahrt in den Strom verboten wurde, und als dies nicht geschah, ließ er sie auf ihrer Fahrt stromauf durch englische Ostindienfahrer und durch seine Truppen wegnehmen; auch zwang er die holländische Niederlassung zur Verpflichtung, keine Befestigungen anzulegen sowie keine Truppen zu halten, und gab die Schiffe nur gegen Zahlung einer Entschädigung zurück, die seine Kriegskosten deckte. Alles dies geschah, obgleich England mit Holland im Frieden war.

Anfang 1760 kam Clive nach England, wo er als Baron v. Plassey zum Peer von Irland ernannt und ins Parlament berufen wurde; sein Vermögen zählte mehrere Millionen. Erst 1764 kehrte er infolge auftretender Unruhen als Generalgouverneur und Chef aller Truppen nach Kalkutta zurück, wo sich bis dahin seine Nachfolger, wenn auch unter schwierigen Verhältnissen und mancherlei Kämpfen, behauptet hatten. 1767 ging Clive aus Gesundheitsrücksichten abermals nach England; er wurde 1772 wegen Mißbrauch seiner Gewalt in Indien zur Untersuchung gezogen, verteidigte sich aber so glänzend, daß die Verhandlung niedergeschlagen und seine großen Verdienste förmlich anerkannt wurden. Krank am Körper und verbittert im Gemüt, ergab er sich dem Opiumgenuß und endete durch Selbstmord am 22. November 1774.

In Vorderindien dagegen stand 1757 die Sache der Engländer schlecht. De Leyrit hatte Ende 1756 gleichfalls die Nachricht erhalten, daß man daheim eine große Expedition ausrüste, um die Engländer aus Indien zu vertreiben; er beschloß, schon vor Eintreffen derselben die Entsendung der englischen Truppen nach Bengalen zum Vorgehen zu benutzen. Vom April 1757 an bemächtigte er sich verschiedener fester Plätze im Carnatic, und auch de Bussy, der seine Stellung am Hofe des Vizekönigs trotz aller englischer Umtriebe behauptet hatte, nahm englische Niederlassungen im Norden genannter Provinz sowie an der Orissaküste fort, hier z. B. Vizagapatam. De Bussy war dadurch verhindert, dem Rufe des Vizekönigs von Bengalen Folge zu leisten; als ihm dies 1758 möglich gewesen wäre, wurde er beordert, seine Truppen zu einem großen Schlage im Carnatic heranzuführen, da die erwartete Expedition aus Frankreich eingetroffen war.

Im Jahre 1758 gewinnt die Kriegführung zur See an Bedeutung. Schon am 6. März 1757 waren 3 Schiffe der französisch-indischen Kompagnie mit 2 Bataillonen von Lorient nach Isle de France gesegelt, hier vereinigte sich der Gouverneur Bouvet de Loziers nebst drei weiteren Kompagnieschiffen mit ihnen und landete die Truppen im[189] August bei Pondicherry, ohne Behinderung durch das englische Geschwader in Bengalen oder eine eben für dieses in Bombay eingetroffene Verstärkung von 3 Linienschiffen unter Kommodore Charles Stevens. Er kehrte dann nach Isle de France zurück, um das Gros der Expedition zu erwarten. Dieses verließ, durch Änderungen in seiner Zusammensetzung aufgehalten, erst am 2. Mai Lorient. Die Seestreitkräfte bestanden aus einem Linienschiffe und 6 (oder 10?) größeren Schiffen, sowie 2 Fregatten der Kompagnie unter dem Chef d'Escadre Comte d'Aché; eingeschifft waren 1200 Soldaten unter Generalleutnant Comte de Lally, der zum Oberbefehlshaber in Indien ernannt war.

Infolge ungünstiger Windverhältnisse — man spricht auch von Ungeschicklichkeit der Kommandanten —, sowie einer Epidemie an Bord, die zu einem sechswöchentlichen Aufenthalt in Rio de Janeiro zwang, erreichte die Expedition erst am 16. Dezember Isle de France. Der Admiral stellte hier aus den besten aller versammelten Schiffe ein Geschwader von 11 Segeln zusammen, übte es in den dortigen Gewässern, ging dann nach Indien und ankerte am 28. April 1758 vor der Stadt Cuddalore; er überraschte hier zwei englische Fregatten, die genötigt waren, sich auf den Strand zu setzen und zu verbrennen. Graf de Lally segelte auf 2 Schiffen (einem zu 74 Kanonen und einer Fregatte) mit seinem Stabe nach Pondicherry weiter, um von hier aus Cuddalore zu Lande anzugreifen.

Comte de Lally, Baron de Tollendale, ein Irländer von Geburt, der England glühend haßte, galt im französischen Kriegsministerium als ein hervorragender Offizier. Er hatte schon 1755 als einziges Mittel, Englands Herr zu werden, eine Landung dort oder unbedingte Sicherung Kanadas oder die Vertreibung des Gegners aus Indien empfohlen — mit anderen Worten, die Hauptkraft auf ein Ziel zu richten. Lange zögerte man mit einem Entschlusse, als man endlich überzeugt war, daß England unbedingt Kanada zu erobern strebte, wurden 3 Linienschiffe, mehrere Schiffe der Kompagnie nebst 3000 Mann für Indien bestimmt. De Lally erhielt den Oberbefehl, obgleich er den indischen Verhältnissen ganz fremd war, auch wurden die an sich schon genügenden dafür bestimmten Kräfte zugunsten des Krieges in Nordamerika auf die oben angegebene Stärke von Schiffen und Truppen herabgesetzt. Es trat hinzu, daß zwischen Lally und Aché das denkbar schlechteste Einvernehmen herrschte und daß ihr dienstliches Verhältnis zueinander keineswegs genügend geregelt war.

Was Lallys Stellung in Indien anbetraf, so erteilte man ihm die weitgehendste Vollmacht und stellte ihm als Hauptaufgabe die Vertreibung der Engländer und die Hebung des Handels hin; er sollte nicht etwa die Politik Dupleix' verfolgen, die doch de Leyrit sowie de Bussy notgedrungen hatten wieder aufnehmen müssen. Da Lally außerdem von schroffem, wenn auch ehrenwertem Charakter war, kann es nicht wundernehmen, daß er dem Gouverneur von Pondicherry, sowie den Beamten und Offizieren sehr ungelegen kam. In der Stadt angelangt, traf er sofort seine Anordnungen, ohne jemand um Rat zu fragen.

Die Seeschlacht vor Cuddalore, 29. April 1758. Das englische Geschwader in Indien führte jetzt Vizeadmiral George Pocock, da Watson im August 1757 gestorben war; er lag am 24. März in Madras, als die Verstärkung unter Stevens zu ihm stieß. Am 17. April ging er in See, um Cuddalore vor dem erwarteten französischen Geschwader zu schützen, traf aber erst am[190] 29. vor der Stadt ein. D'Aché lichtete, als die Engländer zu Luward in Sicht kamen, Anker, bildete die Kiellinie beim Winde — der Wind war SO — über Backbordbug und erwartete den Angriff. Dieser erfolgte genau nach der englischen Gefechtsinstruktion (vgl. Seite 39) und die Schlacht blieb infolgedessen, wie gewöhnlich, unentschieden, wurde aber ein strategischer Erfolg der Franzosen.

Der Verlauf der Schlacht vor Cuddalore[103]. Um 2¼ Uhr nachmittags hatte auch Pocock etwa drei Seemeilen querab vom Feinde die Kiellinie beim Winde über Backbordbug gebildet und steuerte nun mit seinem Flaggschiff schräg auf das feindliche zu, um so sein Geschwader Spitze auf Spitze und Flaggschiff gegen Flaggschiff auf nahe Entfernung neben das feindliche zu legen. In den Gefechtslinien traten sich 9 französische Schiffe mit 476 Kanonen und 7 englische mit 404 Kanonen in folgender Reihenfolge, nach Zahl der Geschütze bezeichnet, entgegen:

Die französische Linie: 58 54 44 56 74 (Flagge) 50 44 36 60
Die englische 60 50 56 64 (Flagge) 56 50 60    

Bei der scheinbaren Überlegenheit der Franzosen durch größere Zahl der Schiffe und Kanonen muß man aber berücksichtigen, daß nur ihr Flaggschiff der Königlichen Marine angehörte und daß die Kompagnieschiffe aus verschiedenen Gründen (vgl. Seite 57) Kriegsschiffen gleicher Größe an Gefechtskraft nicht ebenbürtig waren.

Die Angriffsart brachte für die Engländer die ihr anhaftenden Nachteile mit sich. Die vordersten vier Schiffe einschließlich des Flaggschiffes kamen zwar gut an die feindliche Linie heran, hatten aber auf dem Wege dahin fast deren ganzes Feuer auszuhalten, ohne es erwidern zu können, bis sich etwa um 3¾ Uhr Pocock querab von Aché wieder an den Wind legte und das Signal zum Nahgefecht gab. Die drei Schiffe hinter Pocock traten nicht sogleich in dieses ein; sie waren beim Heransegeln etwas zurückgeblieben, sei es durch Ungeschick, sei es dadurch, daß der unmittelbare Hintermann des Admirals ein schlechter Segler war. Dies konnte für die vorderen Schiffe bedenklich werden, doch auch in der französischen Linie traten Mißstände hervor: das dritte Schiff von vorn verlor sogleich sein Ruder und verließ die Linie; das kleine Schiff von 36 Kanonen wurde durch eine Breitseite aus ihr vertrieben; das Schlußschiff zu 60 Kanonen hatte sich von Anfang an nicht auf seinem Posten, sondern weiter in Lee gehalten. Auf erneutes Signal Pococks kamen die hinteren Schiffe zögernd näher, besonders das sechste zeigte sich so langsam, daß das siebente endlich an ihm vorbeisegelte. Beim Herankommen dieses großen Fahrzeuges scheint das schwache französische Schiff zu 44 Kanonen etwas aus der Linie gewichen zu sein. Hinter Pocock war so in der englischen Linie eine Lücke entstanden und sein Schiff wurde auch vom Hintermann d'Achés beschossen, während es wie seine Vorderleute unter langsamer Fahrt in scharfem Gefecht weitersegelte. Gegen 6 Uhr kamen die beiden französischen Schiffe in Sicht, die Lally nach Pondicherry gebracht hatten.

Bis zu diesem Zeitpunkt sind die verschiedenen Angaben über den Verlauf des Gefechtes wohl in Übereinstimmung zu bringen, über das nun folgende Manöver des französischen Admirals weichen die Meinungen ab. D'Aché erteilte nämlich jetzt den Befehl zum Halsen, wartete jedoch nicht ab, bis das Signal beantwortet war, sondern führte das Manöver mit dem Flaggschiff sofort aus. Die Schiffe hinter ihm folgten seinem Beispiele, wobei sein dichtaufgeschlossener Hintermann Gelegenheit hatte, dem englischen Flaggschiffe beim Vorbeisegeln nochmals eine Breitseite zu geben; die Schiffe vor ihm brache365 n das Gefecht erst etwas später ab, so daß die Ordnung der französischen Linie gestört war.

Einige Quellen erzählen nun, d'Aché habe durch „gleichzeitiges Halsen“ aller Schiffe schnell die Linie über Steuerbordbug bilden, dann in der Lücke der englischen[191] Linie durchbrechen und so deren letzte Schiffe abschneiden wollen; diese Absicht sei durch seine Ungeduld vereitelt. Andere nehmen an, er habe das Gefecht abgebrochen, um die ausgefallenen sowie die von Pondicherry kommenden Schiffe an sich zu ziehen und weiter in Lee aufs neue den Angriff abzuwarten; er habe dazu den Befehl „im Kontremarsch Halsen“ gegeben. Diese Ansicht hat für sich, daß ein derartiges Manöver fast ganz der späteren Taktik der Franzosen (vgl. Seite 42) entsprechen würde, auch ist es bei dieser Annahme leichter zu erklären, daß der Hintermann des Admirals „beim Vorbeisegeln“ nochmals eine Lage auf den englischen Admiral abgeben konnte. Tatsächlich wurde das Gefecht durch das Manöver abgebrochen und nicht wieder aufgenommen, denn die Nacht kam herauf. Aber auch sonst wäre Pocock zu einem zweiten Angriffe nicht in der Lage gewesen, da seine vordersten Schiffe zu sehr beschädigt waren — eine weitere gewöhnliche Folge der englischen Angriffsart; der schon gegebene Befehl zur Verfolgung des Feindes mußte aus diesem Grunde widerrufen werden.

Der Verlust der Engländer betrug nur 29 Tote, sowie 89 Verwundete; der der Franzosen 162 und 360. Dieser große Unterschied war einerseits die Folge der verschiedenen Taktik — bekanntlich schossen die Franzosen auf die Takelage, die Engländer auf den Rumpf —, anderseits aber auch des Umstandes, daß die französischen Schiffe mit Soldaten Lallys überfüllt waren.

Erwähnt sei, daß d'Aché den Kommandanten seines letzten Schiffes wegen Lauheit im Gefecht des Kommandos entsetzte, und daß auch von den drei Kommandanten der letzten englischen Schiffe durch kriegsgerichtlichen Spruch einer entlassen, ein zweiter vom Kommando enthoben und der dritte auf ein Jahr im Dienstalter zurückgestellt wurde.

Die Franzosen nehmen St. David 1758. Nach der Schlacht segelte Pocock nach Sadras, um seine Schiffe auszubessern, gab also den Schutz von Cuddalore auf. D'Aché ankerte zunächst bei Lampraavy, 20 Seemeilen südlich von Pondicherry; — hier ging ein Kompagnieschiff zu 74 Kanonen verloren, das infolge beschädigten Ankergeschirrs strandete — und segelte dann nach Pondicherry; er stand also noch immer zwischen Cuddalore und dem Feinde. De Lally hatte aber schon am 29. April Truppen gegen diese Stadt in Bewegung gesetzt, nahm sie am 3. Mai und schritt zur Belagerung des Forts St. David. Die Engländer verfügten hier nur über 619 weiße und 1600 indische Soldaten, die Franzosen fast genau über dieselbe Gesamtzahl, aber im umgekehrten Verhältnis. Am 16. begann die Beschießung, bald fielen die Außenwerke, und am 2. Juni ergab sich das Fort; die Besatzung wurde kriegsgefangen.

Die Engländer räumten kurz darauf auch Devicotta; von wichtigeren Plätzen behielten sie nur noch Madras und Trichinopoly. Pocock hatte versucht, St. David zu entsetzen; er war am 10. Mai von Sadras in See gegangen, infolge ungünstigen Windes aber erst am 30. bis auf die Höhe von Pondicherry gekommen. D'Aché erhielt von de Lally den Auftrag, den Gegner zu schlagen; er ging zwar in See, hielt sich aber zu Luward vom Feinde und kehrte bald auf Verlangen der Behörden in Pondicherry — de Lally war nach St. David abgegangen — zum Schutz dieser Stadt zurück. Pocock hatte seinerseits nicht an den Feind herankommen können; als er am 6. Juni die Nachricht von dem bevorstehenden Falle St. Davids erhielt, segelte er nach Madras, um wenigstens diesen Platz zu schützen.

[192]

Die Schlacht vor Negapatam am 3. August 1758. Nach der Einnahme von St. David wäre es de Lally bei seiner großen Überlegenheit an Soldaten wahrscheinlich leicht geworden, Madras zu erobern, und er forderte auch d'Aché zur Mitwirkung hierbei auf; dieser lehnte jedoch mit der Begründung ab, daß er in Ceylon Vorräte auffüllen müsse und dabei gegen den englischen Handel kreuzen wolle. De Lally zog nun am 18. Juni gegen Tanjore zu Felde, um hier eine alte Schuldforderung einzutreiben. Er erreichte die Stadt erst am 18. Juli, wurde dann durch Verhandlungen sowie kleine Teilzahlungen hingehalten, und als er endlich zum Sturme schreiten wollte, erhielt er die Nachricht, daß das französische Geschwader vor Negapatam geschlagen und Karikal, von wo aus sein Heer allein verpflegt werden konnte, sowie Pondicherry in Gefahr seien. Er ging deshalb am 10. August auf diese Stadt zurück. Am 17. Juli war Pocock dort erschienen, und d'Aché, der so lange untätig gelegen hatte, ging nun in See, anscheinend, um sich einem Kampfe zu entziehen, und steuerte, von Pocock gefolgt, südwärts. Die nächsten Tage brachten nur Manöver der beiden Geschwader, teils in Sicht, teils außer Sicht voneinander, aber am 3. August erfolgte der Zusammenstoß. Die Streitkräfte waren dieselben wie bei Cuddalore; französischerseits traten die damals nach Pondicherry gesandten Schiffe jetzt an die Stelle des gestrandeten und des kleinsten zu 36 Kanonen; wieder standen 9 Franzosen gegen 7 Engländer.

Der Verlauf des Kampfes vor Negapatam. Am 3. August um 5 Uhr vormittags sichtete Pocock den Gegner, der tags zuvor aus Sicht gewesen war, zu Luward in Gefechtslinie vor Negapatam. Während er sein Geschwader ordnete, wären infolge flauen Windes und zeitweiser Stille fast seine beiden letzten Schiffe abgeschnitten. Um Mittag sprang Seebrise auf, wodurch die Engländer die Luvstellung erhielten, und um 12½ Uhr griff Pocock in der üblichen Weise an. Es kam zu einem zweieinhalbstündigen Kampfe, der zwar ganz nach Vorschrift begonnen, aber nicht lange so durchgeführt zu sein scheint. Gleich nach dem Zusammenstoß fing das vorderste französische Schiff am Kreuzmast Feuer, mußte diesen kappen und wäre verloren gewesen, wenn sein Hintermann es nicht gedeckt hätte. Dem französischen Admiralschiff wurde das Ruderrad zerschossen, es trieb auf ein anderes, und auch hier legte sich ein drittes zwischen diese beiden und den Gegner; die zwei 44-Kanonenschiffe wurden bald aus der Linie vertrieben. So war die französische Ordnung schnell gelöst und d'Aché, dessen Schiff gleich nach Ausbesserung des Ruders in Brand geriet, gab gegen 2 Uhr nachmittags den Befehl, das Gefecht abzubrechen. Die Schiffe hielten in Unordnung ab. Pocock gab zwar den Befehl zur allgemeinen Jagd und führte bis 3 Uhr noch ein laufendes Gefecht, aber die Franzosen entkamen; einige englische Schiffe waren wieder so in der Takelage zerschossen, daß man das Überbordgehen der Masten befürchten mußte. Der Verlust der Engländer betrug 31 Tote und 166 Verwundete gegen 250 bzw. 600 der Franzosen; beide Geschwaderchefs waren verwundet.

Die Schlacht vor Negapatam muß als taktisch unentschieden bezeichnet werden und schließt für die nächste Zeit den Seekrieg in Indien, der französischerseits aufgegeben wurde. D'Aché ging nämlich nach Pondicherry, fand hier auch noch Material zur Ausbesserung seiner Schiffe, hielt es aber noch für nötig, diese zu kalfatern, was hier bei Anwesenheit des Feindes nicht angängig war. Obgleich er Befehl hatte, bis[193] zum 15. Oktober in den indischen Gewässern zu bleiben, lehnte er die erneute Aufforderung zu einem Angriff auf Madras ab und erklärte, er dürfe die Schiffe in ihrem jetzigen Zustande weder einem neuen Kampfe noch den Unbilden der schlechten Jahreszeit aussetzen, er müsse sie, die so wichtig für Indien seien, erhalten. Trotz de Lallys Einsprache und den Bitten der Behörden ging er am 3. September nach Isle de France in See. Wahrscheinlich haben sein schlechtes Einvernehmen mit de Lally sowie die Überzeugung von der Überlegenheit der englischen Seestreitkräfte zu diesem Entschluß beigetragen. Pocock hatte nach der Schlacht vor Karikal gelegen und dadurch wohl zum Abbruch der Belagerung von Tanjore mitgewirkt, blieb aber sonst untätig; schon am 20. August ging er zum Überwintern nach Bombay. Dies muß befremden, da er nichts von d'Achés Absicht wußte, Indien zu verlassen, und da doch die englische Sache am Lande recht ungünstig stand. Alle englischen Quellen übergehen diesen Punkt! Während er in Trincomali auf Ceylon Wasser nahm, wurde ihm durch eine Ausguckfregatte das Passieren der Franzosen auf ihrem Wege nach Isle de France gemeldet; er ging sofort in See, konnte den Gegner aber nicht mehr erreichen.

Niederlagen der Franzosen 1759. Obgleich von d'Aché im Stich gelassen und durch Geldmangel gelähmt, gab de Lally seinen Plan nicht auf. Nach Heranziehen de Bussys aus dem Dekan eroberte er im Oktober 1758 Arcot, die Hauptstadt des Carnatic, um sich Geld zu verschaffen, und wenn er auch hier fast nichts fand — seine ganzen Mittel bestanden in 94000 Rupien und das Heer allein kostete im Monat 40000 —, zog er doch Anfang November mit 2700 Europäern sowie 5000 Sepoys gegen Madras, das durch Major Lawrence mit 1760 Engländern nebst 2400 Indern besetzt war. Da sich die Engländer in die Zitadelle, Fort George, zurückzogen, fiel die Stadt sogleich, am 12. Dezember, in die Hände der Franzosen, die hier eine Beute von 15 Millionen Francs gemacht haben sollen, von denen aber nur 92000 in die amtliche Kasse geflossen sind. Infolge mangelnder Mannszucht, ja des stillen Widerstandes vieler Offiziere, auch de Bussys, der über die Abberufung von seiner so wichtigen Mission im Dekan empört war, sowie der Tapferkeit der Engländer zog sich die Belagerung des Forts lange hin. Im französischen Lager herrschte bald Mangel, während die Belagerten trotz der Winterstürme über See aus Bengalen Zufuhren erhielten.

Am 16. Februar 1759 wollte de Lally einen Sturm wagen, da trafen in der Stadt zwei englische Fregatten nebst 6 Fahrzeugen mit Soldaten, Munition und Proviant von Bombay ein, so daß er die Belagerung abbrechen und das schwere Geschütz im Stich lassen mußte. An der Orissaküste errangen die Engländer gleichfalls Erfolge. Die im Oktober 1758 von Clive aus Bengalen dort hingesandten Truppen schlugen die Franzosen im Dezember vernichtend und zwangen im Januar 1759 in Masulipatam ihre Trümmer zur Übergabe. Der Vizekönig vom Dekan trat jetzt auf seiten Englands, wies die Franzosen aus seinem Reiche aus und teilte das ihnen früher überlassene Land, diese wichtige Errungenschaft Dupleix', den Engländern zu.

[194]

De Lally sah sich auf wenige feste Plätze außer Pondichery beschränkt und für den Sommer 1759 zur Untätigkeit verdammt; seine letzte Hoffnung war das Geschwader d'Achés, dessen Rückkehr längst fällig war. Glücklicherweise vermochte auch der Gegner nichts zu unternehmen, denn die Kompagnie sandte kein Geld, in der Meinung, daß die bengalische Beute alles bezahlt mache.

Die Schlacht vor Porto Novo, 10. September 1759. Pocock hatte mit seinem Geschwader am 7. April Bombay verlassen und kreuzte in Erwartung des Gegners an der Koromandelküste; zu ihm stieß im Juni, von der Heimat kommend, Kontreadmiral Charles Stevens mit 2 Linienschiffen. D'Aché erschien erst im September wieder in Indien. Wenn er somit gerade ein Jahr vom Felde seiner Tätigkeit entfernt blieb, so ist dies keineswegs ihm allein zur Last zu legen. Bei seiner Ankunft in Isle de France im Oktober 1758 fand er zwar 3 Linienschiffe vor, die von Frankreich mit einigen wenigen Soldaten (90 oder 180 Mann), etwas Munition sowie 800000 Francs für Indien angekommen waren, aber die Zustände auf Isle de France und Bourbon waren derart, daß er sein Geschwader nur mit Mühe und in langer Zeit wieder schlagfertig machen konnte.

Auf Isle de France herrschte eine Hungersnot, die durch die Ankunft des Geschwaders noch fühlbarer wurde. Der Admiral mußte im November 9 Schiffe nach Kapstadt senden, um Nahrungsmittel zu holen; die dort erlangten Vorräte genügten aber nicht im geringsten, so daß der Gouverneur den Admiral des öftern bat, mit den Schiffen die Insel zu verlassen. Es fehlte ferner an Ersatzmannschaften, an Munition sowie an jeglichem Material; man war genötigt, aus Ankertauen Tauwerk für die Takelage anzufertigen. Schließlich schleppte man einige Schiffe auf, um mit deren Personal und Material den anderen auszuhelfen. — Diese Mißstände beweisen die Unfähigkeit und Kurzsichtigkeit, mit denen Frankreich den Seekrieg führte; man wollte in Indien stark auftreten und hatte nichts zur Erhaltung der Schlagfertigkeit seiner Streitmittel vorgesehen. D'Aché schrieb nach seiner Ankunft in Port Louis: „Ich verließ Indien, da es dort an allem mangelte, ich kam hier an und geriet in noch größere Not.“ Vor seiner Rückfahrt nach Indien berichtete er: „Ich bin im Begriff, abzusegeln, um meine Besatzungen vor dem Hungertode zu retten, aber man kann von dem Geschwader nichts erwarten, wenn keine Hilfsmittel gesandt werden.“

Am 17. Juli 1759 ging d'Aché endlich von Port Louis in See, lief Bourbon sowie Madagaskar an, um sich noch nach Möglichkeit mit Vorräten zu versehen, erreichte am 30. August Batticaloa auf Ceylon und stieß am 2. September an der Nordostspitze dieser Insel auf das englische Geschwader. Wieder vergingen einige Tage mit Manövrieren; erst der 10. September brachte die dritte Schlacht zwischen Pocock und d'Aché auf der Höhe von Porto Novo.

Vom Verlauf der Schlacht vor Porto Novo bringen die Quellen beider Völker nur Angaben über die Zusammenstöße einzelner Schiffe, jedoch nichts über die Taktik[104]. Die Streitmittel bestanden auf englischer Seite in 9 Schiffen zu 50–68 Kanonen nebst einer Fregatte, auf französischer Seite in 4 Linienschiffen zu 64–74 Kanonen,[195] 5 Kompagnieschiffen zu 54–68 Kanonen, nebst 2 Fregatten. Wieder also waren die Franzosen an Zahl der Schiffe wie der Geschütze überlegen, und das Verhältnis der Königlichen Schiffe zu denen der Kompagnie hatte sich günstiger gestaltet als in den beiden früheren Gefechten. Beide Geschwader lagen in Kiellinie über Backbordbug, und die Engländer griffen um 11 Uhr vormittags von Luward her an. Der Angriff scheint gut gelungen zu sein, so daß der Kampf bald auf der ganzen Linie im Gange war. Etwa um 4 Uhr hielt das französische Flaggschiff auf Befehl des zweitältesten Offiziers ab — der Kommandant war gefallen, der Admiral zum Verbinden einer Wunde unter Deck gegangen — und die übrigen Schiffe folgten dem Beispiel in der Annahme, das Gefecht solle abgebrochen werden. Die Engländer waren aber nicht imstande zu folgen, da ihre vordersten Schiffe wie gewöhnlich stark beschädigt waren. Die Nacht über lag das englische Geschwader in Gefechtslinie bei, die beschädigten Schiffe besserten hinter ihr aus. Am nächsten Tage sahen sich die Gegner nur auf weitere Entfernung und verloren sich gegen Abend aus Sicht, da die Franzosen nach Norden aufkreuzten, während die Engländer nach Süden segelten; letztere hatten dabei drei Schiffe im Schlepp, waren also wohl nicht imstande, am Feinde zu bleiben. Der Verlust betrug auf englischer Seite 569 Tote und Verwundete, auf französischer gegen 1500.

Auch diese Schlacht blieb taktisch unentschieden, beendete aber durch ihre Folgen den Krieg zugunsten der Engländer. Pocock besserte seine Schiffe vor Negapatam notdürftig aus und segelte dann nach Madras. Auf dem Wege hielt er sich den 27. September über vor Pondichery auf, dem Gegner vergeblich den Kampf anbietend. Hierher war d'Aché gesegelt und hatte seine Truppen gelandet; er erschien auch vor dem Hafen, aber wohl nur, um nicht vor Anker angegriffen zu werden. So hatte de Lally zwar eine kleine Verstärkung erhalten, Unterstützung durch die heißersehnte Flotte sollte ihm jedoch nicht zuteil werden. D'Aché erklärte wiederum, der Zustand seiner Schiffe erlaube ihm nicht, dem Feinde nochmals entgegenzutreten, um so weniger, da dieser in nächster Zeit aufs neue eine Verstärkung erwarte. Er gab zwar 900 Mann von den Schiffsbesatzungen ab, ging aber am 30. September nach Isle de France unter Segel, und nach seiner Abfahrt kamen keine französischen Seestreitkräfte mehr nach Indien[105].

Die Absicht, d'Achés Geschwader im Jahre 1760 dort wieder auftreten zu lassen, hat wohl bestanden, aber man hielt es zurück, da es hieß, England rüste eine Expedition gegen Isle de France aus (vgl. Seite 161). Außerdem waren durch einen Orkan im Januar 1760 mehrere Schiffe kriegsunbrauchbar geworden. D'Aché segelte dann im Dezember dieses Jahres mit dem größeren Teile des Geschwaders nach Frankreich; die zurückbleibenden Schiffe mußten wegen Mangels an Ankergeschirr auf den Strand geschleppt werden.

Beurteilung d'Achés. Dieser Admiral — geboren 1702, 1717 in die Marine eingetreten, 1743 Kapitän, 1756 Chef d'Escadre — wird von den meisten französischen Schriftstellern zwar als ein tüchtiger Seemann, aber als ungeeignet für höhere Stellungen bezeichnet; auch werden ihm Kleinlichkeit und Halsstarrigkeit vorgeworfen. Diese soll er schon 1748 dadurch gezeigt haben, daß er das Kommando eines Schiffes ablehnte,[196] das er „ohne Grund“ als seeuntüchtig erklärt hatte, und auch beim Antritt seines Kommandos nach Indien machte er Schwierigkeiten, da ihm die Seestreitkräfte dort zu gering erschienen. Er hat nun wohl, wenigstens im zweiten Falle, recht gehabt, aber sein Verhalten de Lally gegenüber zum Schaden der allgemeinen Sache spricht allerdings nicht für ihn. Sein Auftreten als Admiral darf dagegen nicht zu schroff beurteilt werden. Der französische Grundsatz, das Geschwader nicht zu gefährden, war ja falsch; denn was nützte die Erhaltung der Flotte, wenn sie nicht verwendet wurde. Aber diese Ansicht entsprach dem allgemeinen Bestreben in der französischen Marine jener Zeit (auch in der Taktik) und war durch häufige dahin zielende Befehle und Instruktionen hervorgerufen, die den Wagemut der höheren Führer herabstimmen mußten. Sogar jetzt noch nennen einzelne französische Autoren d'Achés Verfahren in dieser Hinsicht richtig, da er seine Schiffe in Indien nicht hätte ausbessern können. Man muß ferner in Betracht ziehen, daß sein Geschwader durch das Überwiegen von Kompagnieschiffen dem englischen entschieden unterlegen war, und daß er mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, um es schlagfertig zu erhalten.

Ein bedeutenderer Mann hätte sich wohl von all diesem freigemacht — Suffren überwand im nächsten Kriege die gleichen Schwierigkeiten — und mehr geleistet; gelang es doch selbst d'Aché, wenn er auftrat, dem Gegner die Seeherrschaft streitig zu machen, und im letzten Jahre erschien sein Geschwader durchaus nicht mehr als minderwertig. Zu dieser Zeit war er aber wohl tatsächlich seiner Aufgabe nicht mehr gewachsen. 1758 erklärte er in Port Louis, der mit der Verstärkung herausgekommene Chef d'Escadre de L'Eguille wäre geeigneter zum Oberbefehlshaber, er selber sei durch die vielen Widerwärtigkeiten ermüdet. D'Aché wurde übrigens noch 1761 zum Lieutenant-Général und 1770 zum Vizeadmiral des Atlantik befördert; er starb 1780.

Pocock ging am 16. Oktober zum Überwintern nach Bombay, traf unterwegs die herausgesandte Verstärkung von 4 Linienschiffen unter Kontreadmiral Samuel Cornish und führte dann einen wertvollen Konvoi nach England. Auf der Station verblieben jedoch unter Cornish und Stevens genügend Schiffe, die in den nächsten Jahren erfolgreich in den Landkrieg eingreifen konnten.

Der Zusammenbruch der französischen Macht in Indien 1760/61. Nach d'Achés Abfahrt gingen die Engländer am Lande mit fast ununterbrochenem Erfolge angriffsweise vor; sie erhielten ständig Verstärkungen aus der Heimat, die Franzosen nie. Ihre Führer waren denen der Gegner überlegen; de Lally war längere Zeit krank und de Bussy wurde im Januar 1760 gefangen genommen, auch sank die Mannszucht bei den Franzosen. Die Engländer eroberten im November 1759 Wandewash, im Februar 1760 Arcot, im April Karikal und Cuddalore; wo es anging, wirkte das Geschwader unmittelbar oder durch Landung von Mannschaften mit. Am 1. Mai schritten sie zur Belagerung von Pondichery, das gleichzeitig vom Admiral Stevens blockiert wurde; die Stadt verteidigte sich aber hartnäckig, immer noch in der Hoffnung auf Entsatz durch d'Aché. Das englische Geschwader hielt die Blockade auch im Winter aufrecht, verlor dabei jedoch in einem Orkan am 1. Januar 1761 4 Linienschiffe, 2 Fregatten sowie 2 kleinere Fahrzeuge mit insgesamt 1100 Mann Besatzung. Am 15. Januar mußte die Stadt kapitulieren; sie wurde zerstört und 1100 Europäer gerieten in Kriegsgefangenschaft. Bald nach Pondichery fielen die letzten festen Plätze im[197] Carnatic. Im Februar hatte Admiral Cornish mit 4 Linienschiffen die französische Stadt Mahé an der Malabarküste genommen.

De Lally wurde gleichfalls kriegsgefangen. Bei seiner Abreise verhöhnten ihn die eigenen Offiziere und Beamten. Sein Intendant, der Beweise für die Mißwirtschaft und Untreue der Beamten gesammelt haben soll, wurde erstochen. Später nach Paris zurückgekehrt, wollte de Lally die Beamten anklagen, diese kamen ihm jedoch zuvor und wurden von den Offizieren unterstützt; nach langem Prozeß wurde er 1766 wegen Verrates an der Sache des Königs und der Kompagnie enthauptet. De Leyrit, viele Beamte und auch de Bussy sollen große Vermögen erworben haben.

Frankreich hatte alles verloren; der Traum eines französischen Indiens war zu Ende. Wenn es auch beim Friedensschluß Pondichery mit den dazugehörigen Küstenfaktoreien zurückerhielt, so waren doch die Plätze der Befestigungen beraubt, verarmt und einflußlos geworden. England war Herr in Indien, im Carnatic und in den ehemaligen französischen Provinzen. In Bengalen erhielten zwar die Franzosen Chandernagore gleichfalls zurück, aber auch hier durften sie keine Befestigungen anlegen und mußten die von England eingesetzten Nabobs anerkennen. Englands Stellung in Indien wurde nicht wieder erschüttert, selbst nicht durch Suffrens Kraft und Führertalent im nächsten Kriege.

Die französisch-ostindische Kompagnie löste sich 1770 auf. Die Regierung kaufte ihr schon 1764 die Inseln Isle de France und Bourbon, sowie den Hafen von Lorient ab, hob 1769 ihr Monopol auf und gab allen Franzosen den Handel nach Indien frei. Die Kompagnie soll von 1725–1769 ein Kapital von 169 Millionen Francs verloren haben.

England erobert die Philippinen 1762. Wie bereits erwähnt, hatte England bei Ausbruch des Krieges mit Spanien beschlossen, tatkräftig gegen dessen Kolonien, insbesondere die Philippinen, vorzugehen. Die Anregung dazu gab der Oberst, später General, Sir William Draper, ein indischer Offizier. Er hatte von Indien aus einen Krankheitsurlaub in Manila verbracht und dabei erkundet, daß im Vertrauen auf die Entlegenheit dieser Kolonie die Befestigungen vernachlässigt waren. Mit einem Regiment Infanterie sowie einer Kompagnie Artillerie wurde er sodann nach Indien gesandt und hier auf dem Geschwader des Admiral Cornish — 8 Linienschiffe, 3 Fregatten und 2 Ostindienfahrer — eingeschifft; mit Einschluß der Schiffslandungsabteilungen standen ihm 2300 Mann zur Verfügung.

Die Vorbereitungen in Indien wurden sehr schnell getroffen, auch sandte man sogleich eine Fregatte voraus, die alle nach Manila bestimmten Schiffe abfangen und so verhindern sollte, daß die Spanier gewarnt würden. Am 1. August 1762 segelte die Expedition ab und traf am 23. September vor Manila ein, wo der Ausbruch des Krieges noch gar nicht bekannt war. Die Stadt wurde von nur 600 Soldaten mit 80 Kanonen verteidigt, weigerte aber die Übergabe. Vom 24. bis 26. landeten die Engländer trotz schwerer Brandung, aber sonst fast ohne Widerstand; Batterien wurden aufgeworfen und durch diese, von flankierenden Fregatten unterstützt, vom 29. an die Stadt beschossen. Am 5. Oktober war Bresche gelegt; die Stadt fiel durch Sturm und die Zitadelle ergab sich. Die Übergabebedingungen waren im allgemeinen[198] günstig, aber die Stadt wurde drei Stunden geplündert. In die Übergabe wurden ganz Luzon sowie die übrigen Inseln eingeschlossen, doch beschränkte sich die Herrschaft der Engländer tatsächlich auf die Küstenplätze, da die Spanier im Innern die Übergabe nicht anerkannten und bis zum Friedensschluß einen Guerillakrieg führten. Ebenso vermochten die Engländer von der bedungenen Kriegskontribution, 4 Millionen Pesos, nur etwa die Hälfte zu erhalten; sie wurde nie voll bezahlt. Dagegen fiel ihnen eine andere Beute zu. Der Admiral hatte ein Schiff abgesandt, um das erwartete Acapulcoschiff[106] abzufangen. Dies gelang zwar nicht, aber man traf das im August mit Werten von fast 3 Millionen Pesos von Manila abgegangene Schiff und nahm es. Der Verlust der Engländer vor Manila betrug nur 150 Tote und Verwundete.

Die Philippinen wurden beim Friedensschluß an Spanien zurückgegeben, zum größten Unwillen der ostindischen Kompagnie, die hier fast die ganzen Kosten der Expedition getragen hatte.

Der Kleine Krieg[107].

Wie in allen vorhergegangenen englisch-französischen Kriegen, so spielt auch in diesem der Angriff auf den Handel des Gegners eine große Rolle, und wiederum scheint es, als ob hierbei die Franzosen den größeren Erfolg erzielt hätten, sogar in noch höherem Maße als früher; während im Kriege 1702–1713 Frankreich mehr Kauffahrer verlor als England, und 1739–1748 der Verlust auf beiden Seiten, Spanien und Frankreich zusammengenommen, ungefähr gleich war, stellt er sich im Siebenjährigen Kriege für England sehr viel höher.

Die Umstände, die diese Kriegführung für Frankreich begünstigten, seien kurz hervorgehoben. Die Häfen am Kanal, besonders Dünkirchen und St. Malo, boten vorzügliche Stützpunkte für die Freibeuter, in Westindien dienten Martinique und Guadeloupe dem gleichen Zweck; je mehr die französische Schiffahrt durch den Angriff der Engländer niederging, um so mehr wurde die Freibeuterei ein Erwerbszweig der Reeder sowie der seemännischen Bevölkerung; das Lahmlegen der Kriegsmarine wies die Regierung darauf hin, den Kreuzerkrieg durch ihre Schiffe betreiben zu lassen — wenn sie auch nicht wie in den Kriegen des vorigen Abschnittes besondere Geschwader dazu aufstellte — und die Freibeuterei durch Überlassen von Schiffen sowie Personal zu unterstützen. Vor allem aber kommt wiederum und in diesem Kriege mehr als je zuvor in Betracht, daß die englische Handelsschiffahrt der französischen an Zahl sehr überlegen war, also ein weit leichter zu schädigendes Angriffsobjekt bot; auch wird englischerseits[199] hervorgehoben, daß viele Verluste dem Ungehorsam der Handelsschiffe gegen die Anordnungen der sie begleitenden Kriegsschiffe zuzuschreiben seien.

Einige Angaben sollen den Umfang des Kleinen Krieges, sowie die Verluste auf beiden Seiten veranschaulichen. Im Jahre 1755, vor Ausbruch des Krieges, nahm England 500 französische Handelsschiffe im Werte von über einer Million Lstrl; gegen 6000 Seeleute, einschließlich der Besatzungen einiger Kriegsschiffe, wurden kriegsgefangen. Dieses Vorgehen sollte Frankreich zum Nachgeben bewegen und ihm die Mobilmachung erschweren, denn der Verlust an Seeleuten entsprach der Besatzung von 10 Linienschiffen. Anderseits aber brachten in der Zeit vom Juni 1756 bis Juni 1760 die französischen Freibeuter 2500, die englischen Kreuzer nur 950 feindliche Kauffahrer auf; bis 1761 waren 240 französische Kaper weggefangen trotzdem Frankreich keine Geschwader mehr auf See hatte, nahmen deren Kameraden in diesem Jahre noch 812 Handelsschiffe, über dreimal so viel, als der eigene Verlust betrug; im Jahre 1762 fielen nur 120 französische Freibeuter und Kauffahrer den Engländern in die Hände.

Im ganzen hat England während des Krieges über 4000 Handelsschiffe verloren, 1400 davon wurden in Westindien und hauptsächlich von Martinique aus genommen; der Verlust Frankreichs soll sehr viel geringer gewesen sein, was die Anzahl der Fahrzeuge anbetrifft. Es ist dies aber kein Beweis für den größeren materiellen Erfolg. Unter den Prisen, die Frankreich machte, zählen viele kleinere und Küstenfahrzeuge, während die Engländer größere, wertvollere Schiffe sowie Freibeuter fingen. Außerdem stand der Verlust auf beiden Seiten in ganz anderem Verhältnis zur Gesamtschiffahrt. Der Handel und die Freibeuterei Frankreichs wurden nach und nach lahmgelegt. Ein französischer Autor (Troude) sagt: „1759 verursachte die glückliche Ankunft des westindischen Konvois bei den französischen Kaufleuten Überraschung und Freude; ein Zeichen, wie selten ein solches Ereignis geworden war in Meeren, die Englands Geschwader pflügten.“ Der englische Handel aber blühte wie in den Jahren 1744–1748 so auch gerade während dieses Krieges auf; 1760 und 1761 befuhren 8000 englische Handelsschiffe die Meere. Der Seehandel und die gleichfalls gedeihende Industrie lieferten reichlich die Mittel für den eigenen Krieg wie für die Unterstützung der anderen Gegner Frankreichs.

England vollendete die Vernichtung des französischen Handels durch die Wegnahme der Kolonien, durch die Blockade der Häfen des Gegners und durch sein Auftreten neutralen Mächten gegenüber. (Seite 124.) Es band sich weder an den bisherigen Brauch hinsichtlich der als Kriegskontrebande anzusehenden Güter noch an den alten Grundsatz „Frei Schiff — frei Gut“, sondern nahm neutrale Schiffe mit den Erzeugnissen französischer Kolonien und sah die französischen Häfen als in Blockade befindlich an, auch ohne daß eine solche tatsächlich bestand. Schon 1758 nahm England auf Grund dieser Auffassung 176 neutrale Schiffe fort, namentlich spanische, aber auch holländische.

[200]

Einige kleinere Expeditionen, die den abenteuerlichen Zügen früherer Kriege gleichen, seien noch angeführt. Im Jahre 1759 rüstete der Brigadegeneral d'Estaing, bisher im indischen Heere de Lallys, in Isle de France zwei Schiffe der Kompagnie aus, ging am 1. September in See, nahm einen wertvollen englischen Ostindienfahrer in Maskat, zerstörte dann am 14. Oktober das englische Fort Gombroon am Persischen Golf und im Februar 1760 die Niederlassungen auf Sumatra. Nach einer Kreuzfahrt von 22 Monaten kehrte er nach Port Louis zurück.

Als Choiseul die Leitung der Marine übernommen hatte und mit Hilfe Spaniens den Krieg zur See wieder zu beleben gedachte, unternahm er einen Versuch, in Nordamerika nochmals Fuß zu fassen. England hatte den größten Teil seiner Truppen von dort nach Westindien gezogen und auch die Seestreitkräfte sehr verringert. Am 18. Mai 1762 entschlüpfte Kapitän de Ternay, uns schon durch die Flottmachung und Überführung der in der Vilaine nach der Schlacht von Quiberon eingeschlossenen Schiffe bekannt, mit 2 Linienschiffen, einer Fregatte sowie einer Flüte mit 570 Soldaten aus Brest. Er erschien am 20. Juni im Hafen von St. John auf Neufundland, besetzte die Stadt und fügte von hier aus den Engländern durch Aufbringen von Fischerfahrzeugen großen Schaden zu. Bald allerdings blockierten ihn herbeigerufene englische Kriegsschiffe, es gelang ihm aber doch, während eines Sturmes auszulaufen und Frankreich wohlbehalten wieder zu erreichen. Die kleine französische Garnison mußte sich allerdings am 18. September den von Louisbourg herangerückten Truppen ergeben. — Ohne Aussicht auf Beute unternommen, ist dieser Zug lediglich ein Beweis kühnsten Wagemuts.

Im gleichen Jahre bereitete Frankreich eine größere Expedition gegen Rio de Janeiro vor, um Portugal für seine Begünstigung Englands zu strafen. Als Chef des Geschwaders — 9 Linienschiffe und 10 Transporter mit Soldaten — war Kapitän Beaussier de l'Isle bestimmt, als Führer des Landungskorps General d'Estaing. Dieser erhielt den Oberbefehl, er wurde gleichzeitig zum Chef d'Escadre ernannt und in das Seeoffizierkorps eingereiht (im nächsten Kriege war er Flottenchef). In seiner Instruktion wurde er auf das Beispiel Duguay-Trouins, 1712, hingewiesen; es galt also in erster Linie, Beute zu machen, die hier ja auch zu finden war. Im November 1762 fast segelfertig, wurde die Expedition des bevorstehenden Friedensschlusses wegen zurückgehalten.

Schließlich finden wir noch eine englische Expedition ähnlicher Art, die ganz den Raubzügen zur Zeit der Königin Elisabeth entspricht. 1762 rüstete eine Gesellschaft von Edelleuten und Handelsherren einen Zug gegen die spanische Kolonie Buenos Aires aus. Mit zwei Kriegsschiffen, eins zu 50, eins zu 28 Kanonen, von der Admiralität gekauft, und 2 Transportern mit 500 Soldaten, traf ein Seeoffizier der ostindischen Kompagnie, Macnemara, am 2. November im La Plata ein, fand aber die Spanier besser vorbereitet, als er erwartet hatte. Zwei Versuche, die Stadt Colonia zu nehmen, wurden abgeschlagen; bei dem zweiten, am 6. Januar 1763, ging das größere Schiff in Flammen auf und mit ihm fanden der Führer sowie 270 Mann ihren Tod, die anderen entkamen nach Rio.

Schlußbetrachtungen.

Über Strategie[108]. Der Zusammenstoß zwischen England und Frankreich wegen maritimer sowie kolonialer Interessen war unvermeidlich und wurde auch von beiden Staaten seit dem letzten Friedensschluß vorausgesehen.[201] Frankreich hatte deshalb während der Friedensjahre viel für seine Marine getan, aber sie bis 1755 doch noch nicht der englischen ebenbürtig machen können. Es gab aus diesem Grunde scheinbar überall nach, als in Nordamerika und Ostindien die Reibungen zwischen den beiderseitigen Kolonien bereits bis zum Kriege gediehen waren; vielleicht hatte man wirklich die Hoffnung, den allgemeinen Krieg noch hinausschieben zu können, vielleicht beabsichtigte man nur, einen günstigeren Augenblick abzuwarten.

Nach französischer Auffassung suchte England dagegen den Krieg herbeizuführen, ehe die feindliche Marine mächtiger wurde, und Englands Forderungen bei den weiterlaufenden Verhandlungen sowie sein schon ausgesprochen kriegerisches Auftreten gegen französische Kriegs- und Handelsschiffe im Jahre 1755 lassen allerdings glaubhaft erscheinen, daß es den Franzosen den Krieg aufzwingen wollte, falls diese nicht bedingungslos nachgaben. Unter diesen Umständen hätte Frankreich seine ganze Kraft auf den bevorstehenden Seekrieg richten müssen, um wenigstens auf einem Kriegsschauplatze bald Erfolge zu erringen; zu einem klaren Entschlusse in dieser Hinsicht kam man aber nicht. Zwar gelang es 1756 die Aufmerksamkeit des Gegners abzulenken und durch überraschendes Vorgehen ihm Minorka, den wichtigen Stützpunkt im Mittelmeer zu entreißen; dann aber beschränkte man sich auf die Unterstützung der Kolonien. Durch den altüberlieferten Wunsch auf Ausdehnung nach Osten ließ sich ferner Frankreich verleiten, in den siebenjährigen Festlandskrieg einzutreten und diesem seine Hauptaufmerksamkeit wie seine Hauptkraft zuzuwenden, obgleich gerade jetzt, Anfang 1757, seine Sachen in Nordamerika sowie in Westindien recht günstig standen.

Auch England ergriff Partei in diesem Kriege, schon um das mit ihm verbundene Kurfürstentum Hannover gegen Frankreich zu schützen, besonders aber, weil sein Gegner dadurch eben vom Seekriege abgelenkt wurde; es beteiligte sich jedoch am Landkriege fast nur durch die Hilfsgelder, die es an Preußen und dessen Verbündete zahlte. Zur See entfalteten die Engländer dagegen ihre ganze Macht nach einem einheitlichen strategischen Plane, dessen Richtigkeit sich in den beiden letzten Jahren des vorangegangenen Krieges gezeigt hatte. Sie blockierten die französischen Seestreitkräfte in den atlantischen Häfen und hielten die in Toulon versammelten von Gibraltar aus im Mittelmeere fest; liefen französische Flotten aus, so stießen sie mit ihren seeentwöhnten Besatzungen auf stärkere, durch den schweren Blockadedienst erprobte englische Kräfte. Eine Vereinigung der französischen Flotten wurde so verhindert, und auch der Weg nach den Kolonien ward ihnen verlegt, während Englands stets wachsende Seemacht gestattete, in den fernen Gewässern nach und nach immer stärker aufzutreten.

Das Jahr 1757 brachte für England zwar noch keine Erfolge, sondern es gelang Frankreich, die Machtmittel seiner Kolonien zu verstärken. In Nordamerika waren die französischen Seestreitkräfte überlegen und verhinderten größere Unternehmungen des Gegners. In Ostindien stand sogar die englische Sache infolge des Krieges mit den Eingeborenen in Bengalen[202] recht schlecht; aus Vorderindien würden die Engländer wahrscheinlich ganz vertrieben sein, wenn Frankreich seine Verstärkungen so bemessen hätte, wie es ursprünglich beabsichtigt gewesen war.

Aber schon 1758 wandte sich das Blatt, da die Unterstützung der Kolonien französischerseits ungenügend wurde. In Nordamerika gewannen die Engländer die Seeherrschaft, und der wichtigste Stützpunkt der Franzosen, Louisbourg, fiel, wodurch der Verlust Kanadas bedingt war; in Ostindien wurde zwar noch um die Seeherrschaft gekämpft und die Franzosen errangen Erfolge am Lande, aber hier wie zur See schwanden ihre Kräfte dahin. Im Jahre 1759 fiel dort Quebec, hier kamen alle Unternehmungen der Franzosen auf dem Festlande zum Stillstand und ihre Seestreitkräfte räumten, völlig erschöpft, zu Ende des Jahres endgültig die indischen Gewässer. Auch in Westindien, wo sich die Gegner bis 1758 die Wage gehalten und auf den kleinen Krieg beschränkt hatten, bekamen die Engländer in diesem Jahre die Übermacht und eroberten 1759 Guadeloupe.

Man sah in Frankreich endlich die Unmöglichkeit ein, auf allen Kriegsschauplätzen mit Erfolg zu fechten, ja überhaupt den Land- und Seekrieg gleichzeitig weiterzuführen, und war zu dem Entschlusse gekommen, alle Seestreitkräfte zu einem Hauptschlage zusammenzuraffen. Einsichtsvolle Männer hatten ihre Ansicht dahin ausgesprochen, daß England als Frankreichs gefährlichster Gegner anzusehen sei, daß der deutsche Krieg das Land nur an Geld und Menschen ruiniere, und daß ein Einfall in England die einzige Möglichkeit sei, den unheilvollen Kampf günstig zu beenden. Jetzt aber war es zu einem solchen Unternehmen zu spät; von einer Überrumpelung des Gegners konnte keine Rede mehr sein, und das Verhältnis der Stärke zur See hatte sich noch viel ungünstiger für Frankreich gestaltet. Trotzdem es die fernen Gewässer aufgab, standen ihm nur 12 Schlachtschiffe in Toulon und 21 in Brest zur Verfügung; England konnte diesen, ohne seine anderen Aufgaben zu vernachlässigen, 15 und 27 entgegenstellen und behielt dann noch Reserven übrig. Wie es mit der Brauchbarkeit der französischen Streitkräfte bestellt war, zeigt der Umstand, daß de Conflans die aus Westindien zurückgekehrten Schiffe, die seiner Brestflotte dem Gegner an Zahl überlegen gemacht hätte, nicht einstellte, sondern deren Besatzungen zum Auffüllen seiner Besatzungen benutzte. Beide Teile der französischen Flotte wurden von ihren Gegnern bei Lagos und Quiberon vernichtend geschlagen.

Von nun an gab Frankreich alle größeren Unternehmungen zur See auf und England heimste seine Ernte ein. 1760 fiel Montreal und damit Kanada, 1761 Pondichery, mit ihm Ostindien; in Westindien wurde 1762 Martinique nebst fast allen übrigen französischen Inseln erobert; England gewann 1761 sogar einen Stützpunkt für seine Blockade an der feindlichen Küste selbst durch die Einnahme der Insel d'Aix. Die letzte ferne Besitzung Frankreichs, sein Teil der Insel Haiti, St. Domingue — Senegambien war schon 1758 verloren gegangen, — wäre wohl nach Martinique an die Reihe gekommen, wenn sich England nicht zunächst gegen Spanien, seinen neu hinzugetretenen[203] Feind, gewandt hätte. Diesem Staate kostete seine Verbindung mit Frankreich, ehe es diesem irgendwie hatte nützen können, 1762 Havanna sowie die Philippinen. Außerdem war Frankreichs Seehandel vernichtet und damit die Hauptquelle für die zur Kriegführung nötigen Gelder versiegt; Englands Handel und Industrie wuchsen dagegen während des Krieges und lieferten ihm reiche Mittel.

England verdankte seine Erfolge nur der richtigen Verwendung seiner überwältigenden Seemacht, die während des Krieges fortlaufend an Kraft gewann; kaum je hat sich der Einfluß einer solchen durchschlagender gezeigt, als in diesem großen See- und Kolonialkriege.

Frankreich unterlag, weil es seine Marine nicht genügend für den unabwendbaren Waffengang vorbereitet hatte, und sie dann während des Krieges vernachlässigte; wurde doch sogar im Februar 1757 ein tüchtiger Marineminister seines Postens enthoben, bis 1761 durch ungeeignete Persönlichkeiten ersetzt (vgl. 30), und der dann folgende Aufschwung kam für diesen Krieg zu spät. Die vorhandenen Kräfte wurden aber auch nur schwächlich verwendet. Hervorragende französische Schriftsteller schieben die Schuld hierfür besonders den höheren Führern zu, doch geschieht dies zu Unrecht. Einmal ist es Aufgabe der Regierung, tüchtige Männer auf die wichtigen Posten zu stellen — und tüchtige Offiziere besaß die Marine zweifellos —, sowie diesen die nötigen Mittel in brauchbarem Zustande in die Hand zu geben. Dann aber spricht für die Beschuldigten der Umstand, den wir schon mehrfach berührt haben. Ihre Aufgaben waren meistens eng begrenzt und ihre Instruktionen wiesen darauf hin, vorsichtig zu verfahren, es nicht zu zweifelhaften Kämpfen kommen zu lassen, sondern das kostspielige Material zu schonen. Nach solchen Bestimmungen handelten La Gallissonnière nach der Schlacht bei Minorca 1756 und Dubois de la Motte 1757 in Nordamerika, wenn sie ihre augenblickliche Überlegenheit nicht ausnutzten. Derartige Mahnungen, schon im vorigen Kriege üblich, mußten aber nach und nach den Schneid und den Wagemut der höheren Führer überhaupt lähmen und sie auf stete Verteidigung hinführen; sie eigneten sich die Gewohnheit an, freiwillig das Feld zu räumen, sobald es ihnen ein Gegner, selbst ein schwächerer, in kühner Weise streitig machte, obgleich doch sonst eine ängstliche Defensive wahrlich nicht dem französischen Charakter entspricht.

Nach diesen Leitsätzen handelten dann die Führer, auch wenn sie nicht ausdrücklich darauf hingewiesen waren, so z. B. de Conflans bei Quiberon 1759 und d'Aché in Indien 1758/59; bei diesen sprach auch noch der berechtigte Mangel an Vertrauen auf ihre Streitkräfte mit. Diese von der Oberleitung der französischen Marine in den Kriegen Ludwigs XV. vertretene Auffassung, die den Admiralen aufgab, ihre Schiffe zu schonen, beruht auf völligem Verkennen der Grundsätze für eine Kriegführung, die durchschlagenden Erfolg erringen will, besonders einer solchen zur See. Die Betrachtung der früheren Seekriege (im ersten Bande) lehrt, wie sich die Strategie naturgemäß derartig entwickelte, daß die Niederwerfung der feindlichen[204] Seestreitkräfte und damit die Erringung der Seeherrschaft immer mehr in den Vordergrund trat.

Es ist auffallend, daß Frankreich fast stets den Seekrieg anders aufgefaßt hat. Schon unter Ludwig XIV. zeigen sich Beispiele dafür und auch unter Ludwig XVI. blieb es ähnlich, obgleich die Marine weit stärker geworden war. Noch 1802 schrieb eine französische Autorität in bezug auf Seekriegführung (A. Ramatuelle, Cours élémentaire de tactique naval; Paris 1802): „Die französische Marine hat stets den Ruhm höher geschätzt, eine Eroberung zu sichern oder zu halten, als den vielleicht glänzenderen, aber tatsächlich weniger nützlichen, einige Schiffe zu nehmen; sie hat sich damit mehr dem wahren Ziele genähert, das man sich im Kriege steckt.“

Mahan[109] sagt hierzu (gekürzt): „Die Richtigkeit dieses Schlusses hängt von der Ansicht ab, die man vom wahren Zweck des Seekrieges hat. Kommt es nur darauf an, eine Stellung an der Küste zu sichern, so wird die Marine für diesen besonderen Zweck ein Teil der Armee und ordnet sich deren Tätigkeit unter. Ist jedoch der wahre Zweck der, des Gegners Seeherrschaft zu brechen, ihm die Verbindung mit sonstigen Besitzungen abzuschneiden und seinen Handel abzugraben, so bildet dessen Marine das Angriffsobjekt. Diesem Verfahren verdankt England seine Seeherrschaft; hier sagte schon Monk, wer die See beherrschen wolle, müsse stets angreifen. — Gallissonnière hielt die Unterstützung der Belagerung von Port Mahon für wichtiger als die Vernichtung der englischen Flotte; England erhielt aber Minorca nur infolge seiner Seeherrschaft zurück. Schon die Seeschlacht bei der Insel und die Einnahme der Festung hatte im französischen Volke Begeisterung für die Flotte erregt; hätte Gallissonnière dem Gegner auch noch 4 oder 5 Schiffe abgenommen, so wäre dieselbe vielleicht gleich der von 1760 geworden und die Regierung hätte sie schon damals zum Ausbau der Flotte ausnützen können.“ Allerdings hat der Erfolg damals, nach Äußerung eines französischen Autors, auf den Marineminister so wenig Eindruck gemacht, „daß er es für angebracht hielt, die Schiffe und Takelagen zu verkaufen, die wir noch in unseren Häfen hatten“.

Aber selbst wenn ein Staat die strategische Offensive nicht zu ergreifen vermag, um die Seeherrschaft zu erringen — in welcher Lage sich Frankreich im besprochenen Kriege bald befand —, so muß er doch auch in der strategischen Defensive gegen die feindlichen Streitkräfte vorgehen, wo es irgend möglich ist; das Vermeiden des Kampfes, um die teuern Schiffe zu schonen, kann auch hier keine Erfolge zeitigen.

Über Taktik. Die rangierten Schlachten dieses Krieges — Minorca 1756, Cuddalore sowie Negapatam 1758, Porto Novo 1759 — liefern gute Beispiele für die Taktik, die diesen Abschnitt kennzeichnet[110]. In ihnen folgen die Engländer genau ihrer Gefechtsinstruktion — gleichzeitiger Angriff auf die ganze feindliche Linie unter strenger Aufrechterhaltung der Ordnung —, deren Schwächen sich in jedem Falle deutlich zeigen. Sie sind infolgedessen nie imstande, den Gegner niederzuwerfen, auch wenn sie ihn durch Ungestüm erschüttert haben. Der Verlauf der Schlacht bei Minorca führt über den Admiral wieder ein Kriegsgericht herbei, aus dessen Spruch die engherzige Auffassung der Gefechtsinstruktion zu ersehen ist. Diese große rangierte[205] Schlacht zeigt auch zum ersten Male die französische Taktik in ihrer vollen Eigenart: Das Erwarten des Angriffs in freiwillig gewählter Leestellung; das Ausweichen der Spitze, sobald der Gegner zum Nahkampf heran ist; das Vorbeiziehen der ganzen Linie an den vordersten, schon beschädigten feindlichen Schiffen; das Einnehmen einer neuen Stellung, um einem zweiten Angriff zu begegnen. Auch bei den drei Kämpfen in Indien tritt die rein defensive Taktik der Franzosen, hier wohl noch mehr im Widerspruch zum Volkscharakter, hervor. Wie schon mehrfach angedeutet, entsprang diese nicht nur der Überlegung, die Schwächen der englischen Angriffsart auszunutzen, sondern auch dem Bestreben, das Material zu schonen; die Führer hielten sich für verpflichtet, abzubrechen, ehe der Kampf eine zu ernste Wendung nahm. Da nun die Engländer infolge starker Beschädigung eines Teiles ihrer Schiffe nie zum zweiten Angriff schreiten konnten, so blieben die rangierten Schlachten sämtlich unentschieden.

Die beiden großen und ausschlaggebenden, ja sogar für den Krieg entscheidenden Kämpfe — Lagos und Quiberon 1759 — waren, wie die beiden Entscheidungsschlachten bei Finisterre im vorhergegangenen Kriege, Verfolgungsgefechte. In ihnen verdankten die Engländer dem Schneid ihrer Admirale sowie der seemännisch-militärischen Tüchtigkeit ihrer Offiziere und Mannschaften den Sieg; die Franzosen unterlagen infolge taktischer Fehler ihrer Führer und der Minderwertigkeit des übrigen Personals. In beiden Fällen zeigt sich der große Nachteil, der einer verfolgten Flotte aus ungleicher Geschwindigkeit der Schiffe erwächst. Sie beweisen aber auch, daß der Führer diesem Umstande Rechnung tragen muß; aus einem Rückzuge wird sonst leicht eine regellose Flucht mit ihrem niederdrückenden Einfluß; eine moralische Überlegenheit besitzt der Verfolger ja schon von vornherein. Es tritt in diesen Schlachten auch wieder die Richtigkeit des Grundsatzes hervor, daß der Verfolger eines fliehenden Feindes auf die eigene Ordnung nur soweit Rücksicht nehmen soll, als nötig ist, um den Schiffen gegenseitige Unterstützung zu sichern; in beiden Fällen handelten die Engländer hiernach.

Die Angriffe auf feindliche Küsten[111] in diesem Kriege bestätigen weiter die schon früher gezogenen Lehren. Die Eroberung Minorcas 1756 gelang, weil Frankreich die See beherrschte. Dies war nur eine Folge der Nachlässigkeit Englands; hätte dessen Mittelmeerstation 12 anstatt 3 Linienschiffe gezählt, so würde der Gegner wahrscheinlich nicht einmal den Versuch gewagt haben. Dieser Fehler ist weder mit völliger Unkenntnis noch mit Mangel an Kräften zu entschuldigen. — In dem Versuch Frankreichs, in England zu landen, 1759, findet Colomb vor allem einen Verstoß gegen den Grundsatz des Seekrieges, daß ein solches Unternehmen nur nach Eroberung der See nicht gleichzeitig mit dieser sicheren Erfolg verspricht. Colomb führt aus (hier gekürzt):

[206]

„Frankreich hatte Geschwader in Brest, Rochefort, Toulon und Westindien; gute Anordnungen vorausgesetzt und von Fehlern sowie unglücklichen Zufällen abgesehen, war Möglichkeit vorhanden, die getrennten englischen Beobachtungsgeschwader einzeln mit Übermacht zu schlagen. Hieraufhin mußte der Plan gemacht werden, reichten die Kräfte dazu nicht aus, so genügten sie noch weniger zu dem Versuche, ein Heer angesichts anerkannt überlegener Seestreitkräfte über das Meer zu führen. Glaubte man aber an die Möglichkeit, daß der Transport unbelästigt durchschlüpfen könne, so war es unnötig, ihn durch die Hauptflotte begleiten zu lassen. — Bei der Ausführung des Versuches treten weitere Fehler auf. Es war falsch, die Transportmittel für den Teil der Invasion, der über den Kanal erfolgen sollte, in Havre zu sammeln, wo sie leicht vom Gegner vernichtet werden konnten (wie es tatsächlich durch Rodney geschah) und auch de la Clue durfte für sein Geschwader auf dem Marsche von Toulon nach Brest nicht Cadiz als Sammelpunkt bestimmen; dieser Umstand (zu große Nähe bei dem englischen Beobachtungsposten Gibraltar) rief die anderen Fehler hervor, die zu seiner Niederlage bei Lagos führten. Weshalb endlich ging de Conflans zum Abholen des Transportes zur Quiberonbucht? Seine Aufgabe wäre gewesen, die englische Flotte, als sie die Blockade hatte unterbrechen müssen, zu suchen und sie möglichst fern von dem Transporte zu engagieren. Mit den von Westindien zurückgekehrten Schiffen wäre er dem Gegner überlegen gewesen, aber selbst wenn er geschlagen wäre, hätte er denselben vielleicht so geschwächt, daß der Transport nun tatsächlich unter dem Schutz der besonders dazu bestimmten Bedeckung das Ziel unbelästigt hätte erreichen können. Dadurch aber, daß de Conflans zur Quiberonbucht ging, zog er den Gegner gerade zum Transport hin und machte dessen Segeln unmöglich.“

Colombs Ausführung enthält viel Bemerkenswertes, sie rechnet aber auch mit verschiedenen Umständen, die auf französischer Seite nicht vorlagen. So wissen wir, daß Conflans die westindischen Schiffe aus berechtigtem Grunde nicht zur Verstärkung seiner Flotte heranzog, daß das zur besonderen Bedeckung des Transportes bestimmte Geschwader nicht von Brest zur Quiberonbucht hatte gelangen können, und daß die Engländer diesen Platz ebenfalls blockierten; hätte Conflans die Bedeckung nach seinem Inseegehen abgezweigt, so wäre er um so viel Schiffe schwächer gewesen. — Während der später noch vorgekommenen großen Landungen — auf Guadeloupe, Martinique und Belle-Ile — waren die Engländer stets unbestritten Herren der See ebenso bei den Belagerungen von Küstenstädten — Louisbourg, Havanna, Manila —, für deren Eroberung dann naturgemäß den Landstreitkräften wieder die Hauptaufgabe zufiel. Mit einfachen Beschießungen von Küstenplätzen (am Kanal) haben die Engländer wohl stets die Schädigung des feindlichen Landes wie die Schwächung der Freibeuterei bezweckt, wenn auch als Hauptgrund für die Bedrohung der französischen Küsten das Ablenken Frankreichs vom deutschen Kriege angegeben wird.

Fußnoten:

[68] Französische Geschichtschreiber sagen dagegen, England habe den baldigen Ausbruch eines Krieges gewünscht, um sein Ziel, die Vernichtung der französischen See- und Kolonialmacht, zu erreichen, ehe die französische Flotte ausgebaut sei. Dies dürfte, wenn auch nicht der Ansicht der damaligen Regierung, so doch wohl der eines großen Teils des englischen Volkes entsprochen haben.

[69] Näheres hierüber, so auch einzelne, besonders hervortretende Fälle, vgl. de Jonge, Band IV, Seite 314 ff.

[70] Clowes, Band III, Seite 238, setzt diese Eroberung (mit sonst gleichen Monats- und Tagesangaben) wohl irrtümlich auf 1761 und beschreibt sie unter den Ereignissen dieses Jahres im Gegensatz zu allen anderen Geschichtsbüchern.

[71] Die Bedingungen, soweit sie die Kolonien betrafen (und dies war die Hauptsache), sehr genau in Zimmermann, Band II, sowie Band IV.

[72] Der Einfluß des Pariser Friedens auf die Beendigung des Siebenjährigen Krieges ist bereits Seite 123 geschildert.

[73] St. Lucia, zu Luward von Guadeloupe und Martinique gelegen, war vorzüglich geeignet, diese wichtigen französischen Inseln zu überwachen, wie sich 1782 zeigen sollte.

[74] Die innere Geschichte der Marinen Frankreichs und Englands ist schon im Kapitel II (Seite 24 ff.) behandelt, dort sind auch (Seite 33) die beiden Marinen auf ihren Wert an Material und Personal verglichen. Wir beschränken uns hier deshalb fast ganz auf Angaben über die Schiffsbestände und Schiffsverluste in diesem Kriege. Diese Angaben stützen sich auf Charnock, Teil III, Seite 174, 178, 183, 196, der auch die Namen der Schiffe angibt (über Spanien ebenfalls). Die Verluste der drei Marinen vgl. auch Clowes III, Seite 310 ff. (gleichfalls mit Namen).

[75] Besonders benutzte Quellen: Clowes, Band III; Lacour I; Mahan I; Troude, Band I; Bonfils, Band II; für die politischen Verhältnisse sowie den Krieg am Lande in den Kolonien Zimmermann. Band II und IV.

[76] Es war in Frankreich üblich, Linienschiffe „en flûte“ zu armieren, wenn sie Truppen und Material nach den Kolonien brachten. Es waren dann, um Raum zu gewinnen, nur 20–22 Kanonen aufgestellt, die anderen wurden zurückgelassen oder in den Lasten verstaut. — Französische Quellen sagen, im vorliegenden Falle sei es auch aus Sparsamkeit geschehen, sowie, um England nicht zu reizen.

[77] Lacour I, Seite 244 ff., bringt einige dieser Pläne.

[78] Roland Michel, Marquis de La Gallissonnière, geboren 1693, trat 1710 in die Marine, wurde, da er keine besondere Protektion besaß, nur langsam befördert: 1726 Leutnant, 1738 Kapitän, 1750 Chef d'Escadre, 1755 Lieutenant-Général. Er diente unter Gabaret und de Court mit Auszeichnung im Österreichischen Erbfolgekriege; war 1747–1750 Gouverneur von Kanada und sorgte für die Befestigungen an dessen Grenzen; einige Jahre in Landstellungen der Marine, führte er 1754 und 1755 Schulgeschwader im Mittelmeer und machte sich verdient um Geschwaderübungen sowie Signalwesen. Er kommandierte in der Schlacht bei Minorka 1756 und starb am 26. Oktober desselben Jahres. Gallissonnière war ein tüchtiger Offizier, aber doch kein höherer Führer und auch jetzt wohl zu alt, sonst hätte er seinen Erfolg bei Minorka besser ausgenutzt.

[79] Näheres vgl. Lacour I, Seite 263.

[80] Näheres über Byngs Bericht, das Kriegsgericht und seinen Tod vgl. Clowes, Band III, Seite 152–160.

[81] Genaueres bieten Clowes III, Seite 192–195; Lacour I, Seite 312–317.

[82] Näheres über die verschiedenen Entwürfe, die in den verflossenen Jahren sowie jetzt in Erwägung gezogen sind, vgl. Lacour I, Seite 293–303 sowie Seite 318 bis 322. Wir geben auch den nachstehenden Plan nach dieser Quelle; andere französische oder englische Angaben weichen nur unwesentlich ab.

[83] Morbihanbucht ist der Sammelname für die verschiedenen Meerbusen, die östlich der Quiberonbai in das Land eindringen.

[84] De La Clue-Sabran trat 1715 in die Marine, wurde 1727 Enseigne, 1734 Lieutenant, 1742 Capitaine, war Schiffskommandant bei Toulon (1744), wurde 1755 Chef d'Escadre und führte bei Minorka (1755) die Nachhut. Bei Lagos schwer verwundet, wurde er nicht mehr aktiv verwendet, schied aber erst 1764 mit der Pension eines Lieutenant-Général aus dem Dienste.

[85] R. Honorable Edward Boscawen, geboren 1716, hatte sich schon im österreichischen Erbfolgekriege bei Vernons Expedition in Westindien und in der Schlacht bei Finisterre (1747) als Kommandant, dann als Kontreadmiral und Befehlshaber in den indischen Gewässern (vor Pondicherry 1748) ausgezeichnet. Im Siebenjährigen Kriege war er als Vizeadmiral 1755 Chef der Station in Nordamerika, 1756/57 leitete er zeitweise die Blockade von Brest, 1758 nahm er als Admiral Louisbourg. Nach dem Siege von Lagos wurde er zum „General of Marines“ (nur ein Ehrentitel) befördert. 1760 leitete er wieder (abwechselnd mit Hawke) die Blockade von Brest; er starb am 10. Januar 1761.

[86] Nach Colomb, Seite 139, gab es zu dieser Zeit in der französischen Marine noch keine genauen Nachtkurssignale; der Admiral konnte in vorliegendem Falle für seinen Zweck nur etwa signalisieren: „Raum segeln über Backbordbug“.

[87] Hubert de Brienne, Chevalier (später Comte) de Conflans, trat 1706 in die Marine ein, wurde bei dem damals schlechten Avancement erst 1712 Enseigne, 1727 Lieutenant de vaisseau, 1735 Capitaine (1747 Gouverneur von St. Domingue), 1748 Chef d'Escadre, 1752 Lieutenant-Général, 1756 Vizeadmiral der Levante und 1758 Marschall. Im Österreichischen Erbfolgekriege zeichnete er sich dadurch aus, daß er mehrmals mit nur wenig Kriegsschiffen starke Konvois von Kauffahrern oder Transportern glücklich nach und von Westindien führte. Im Siebenjährigen Kriege Chef der Streitkräfte am Atlantik, hatte er bisher keine Gelegenheit zu kriegerischer Tätigkeit gehabt, da die verfügbaren Schiffe stets überseeisch verwendet waren. Jetzt war er gegen 70 Jahre alt und, wenn auch ein tüchtiger Offizier, seiner hohen Stellung und schweren Aufgabe wohl kaum noch gewachsen; er starb am 22. Januar 1777 in Paris.

[88] Nach Troude I (dort Seite 381 ff. wörtlich der Flottenbefehl Conflans' vor der Abfahrt, sowie dessen Bericht über seine Absichten, als er den Gegner sichtete, und über den Verlauf der Schlacht); Clowes III; Lacour I; Mahan I; Colomb. — Die Schlacht wird in Frankreich auch „La bataille des Cardinaux“ genannt.

[89] Vgl. Lacour I, Seite 330 ff.; Verteidigungen der Betroffenen vgl. Troude I, Seite 385 ff. und 399.

[90] Näheres über das Schicksal dieser Schiffe, die mit Geschick die Blockade brachen, vgl. Lacour I, Seite 347, und Troude II, Seite 403 und 415. Bei Troude, Seite 405, auch Bemerkenswertes über den Versuch des Admirals Hawke, durch Verhandlungen in den Besitz der Artillerie des „Soleil Royal“ zu kommen und die Besatzung des anderen gestrandeten Schiffes als kriegsgefangen ausgeliefert zu erhalten.

[91] Boscawen führte das Kommando vom Frühsommer bis August 1760; er starb im Januar 1761.

[92] Im Anschluß an die Ereignisse des Krieges 1744–1748 (93 ff.); Hauptquellen vgl. 131.

[93] Kanada zählte 1756 ungefähr 80000 Weiße gegen 425000 in den Neuenglandstaaten, 457000 in den mittleren und 283000 in den Südstaaten. Die letztgenannten kamen allerdings bei einem Kriege nicht in Betracht, da sie der starken Negerbevölkerung wegen keine Milizen ausrücken lassen konnten. In den mittleren Staaten lebten gegen 70000, in den südlichen gar 178000 Farbige, in den Nordstaaten nur 11000.

[94] Nach Clowes III, Seite 183; Lacour I, Seite 361; Troude I, Seite 369.

[95] 1760 zerstörten die Engländer die Befestigungen von Louisbourg vollständig; sie sind nicht wieder erbaut, aber noch kenntlich.

[96] Louis Antoine de Bougainville, später als Seefahrer berühmt, war ursprünglich Jurist und 1755 Gesandtschaftssekretär in London; bei Quebec Adjutant Montcalms; 1763 Kapitän zur See, umsegelte er 1766–1769 die Erde und entdeckte den Salomons- sowie den Bismarckarchipel; diente im nordamerikanischen Befreiungskriege als Chef d'Escadre und wurde 1791 Lieutenant-Général. Während der Revolution zog er sich zurück; er wurde von Napoleon zum Senator ernannt und starb 1811.

[97] Nach Zimmermann, der wohl nur die regulären Soldaten zählt, denn englische Angaben sprechen von 14000 Mann.

[98] Ein abenteuerlicher Versuch Frankreichs, 1762 nochmals in Neufundland Fuß zu fassen, soll zu Ende des „Kleinen Krieges“ geschildert werden.

[99] Hafenstadt an der Nordwestküste der Insel Haiti, im damaligen französischen Teile St. Domingue und Cap Français genannt; jetzt eigentlich Le Cap Haiti, oft aber nur Le Cap bezeichnet. Cap Français war der Haupthafen für die französische St. Dominguestation sowie Sammelplatz der französischen Westindienfahrer vor ihrer Abreise im Konvoi nach Europa.

[100] Genaueres über die Besitzungen beider Länder in Westafrika vgl. Band I, Seite 619 ff., sowie Zimmermann, Band III, Seite 361 und Band IV, Seite 217.

[101] Im Anschluß an Seite 97–107. — Die Verhältnisse in Indien, die sehr verwickelten Streitigkeiten der indischen Herrscher, in die die englische und französische Kompagnie des eigenen Vorteils halber eingriffen, geben wir nur soweit, als es zum Verständnis der kriegerischen Unternehmen nötig erscheint, insbesondere, um das Auftreten der Seestreitkräfte zu verstehen und zu würdigen. Genaueres findet man in Zimmermann, Band III, Seite 311 und Band IV, Seite 188 ff., wo die Geschichte der englischen und französischen Kolonie in Indien von 1748 an fortgeführt wird. Diese ist sehr lesenswert und man ersieht aus ihr, wie die Kompagnien mit wenig hundert Mann Europäern und einigen tausend Sepoys Einfluß über Staaten gewannen, deren Heere nach Zehn- ja Hunderttausenden zählten.

[102] Robert Clive, geboren 1725, kam 1743 als Beamter der jüngsten Klasse (Schreiber) der Kompagnie nach Madras, ging aber bald zum Kriegsdienst über und zeichnete sich schon als Fähnrich bei der Belagerung von Pondicherry 1748 aus. Jetzt war er erst 26 Jahre alt, aber mit scharfem, militärischem Blick begabt und in den indischen Angelegenheiten sehr erfahren. Durch seine Erfolge in Bengalen in diesem Kriege wurde er der Begründer der englischen Macht in Indien.

[103] Nach: Mahan I; Bonfils II; Clowes III; Troude I.

[104] So sagt z. B. Clowes, die Schlacht biete nichts taktisch Bemerkenswertes; Bonfils schreibt, nähere Angaben seien nicht vorhanden.

[105] Ein geringer Erfolg des Comte d'Estaing in den indischen Gewässern 1759/60 soll bei Schilderung des Kleinen Krieges erwähnt werden.

[106] Bekanntlich lief jährlich ein Schiff mit Schätzen und Waren von Manila nach Acapulco in Mexiko aus und umgekehrt kam von dort ein Schiff mit Geld für die Waren, sowie mit der jährlichen Subvention für die Kolonie von Acapulco nach Manila; diese nannte man Acapulcoschiffe.

[107] Vgl. hierzu das über den Handelskrieg, sowie über den Wert des Kreuzerkrieges im ersten Bande, Seite 304 und Seite 471 Gesagte. — Hervorragende Zusammenstöße von Kriegsschiffen im Kleinen Kriege sowie sonstige bemerkenswerte Angaben über diesen findet man in den englischen und französischen Spezialwerken; so z. B. Clowes III, Kapitel Minor actions, und Troude I.

[108] Bei dieser Betrachtung sei zur Ergänzung auf die Auslassungen hingewiesen, die wir schon vor der Schilderung des Kriegsverlaufes (Seite 123 ff.) über die Kriegführung der Gegner, sowie ihre strategischen Pläne und Maßnahmen aus dem dort angeführten Grunde genauer gegeben haben, als es bei den früheren Kriegen geschehen ist.

[109] Mahan I, Seite 276. Dieser Autor läßt sich, dem Zwecke seines Werkes entsprechend, überhaupt sehr eingehend über den hier angeregten Punkt aus; vgl. z. B. Seite 73/75, 276/77, 324/25.

[110] Über diese Taktik vgl. Seite 36 ff., sowie Seite 113.

[111] Anschließend an Seite 113 ff.; wie dort ist hier weiter dem Werke Colombs, Kapitel VII, Seite 135 ff., und Kapitel XVI, Seite 356 ff., gefolgt.


[207]

deco

Fünftes Kapitel.
Der Nordamerikanische Freiheitskrieg 1775–1783.

Entstehung des Krieges[112].

England und die Kolonien bis zu ihrer Erhebung. Bekanntlich fand die Erwerbung Kanadas im Frieden von Paris keineswegs den Beifall aller Politiker in England; viele hätten eine Erweiterung des englischen Besitzes in Westindien lieber gesehen und betonten, die eigenen Kolonien in Nordamerika könnten zu kräftig und selbstbewußt werden, wenn sie die Nachbarschaft der Franzosen nicht mehr zu fürchten brauchten; erzeugten sie doch fast alle ihre Bedürfnisse schon selber und ihre Abhängigkeit von England verminderte sich stetig. Die öffentliche Meinung und die meisten Staatsmänner teilten aber diese Befürchtung nicht, sie wollten Frankreich aus Nordamerika verdrängen. Pitt war gleicher Ansicht, denn er plante, Frankreich sämtlicher Kolonien zu berauben und es von der Hochseefischerei auszuschließen, um ihm Antrieb und Grundlage zur Aufstellung einer starken Marine zu nehmen. Auch der Amerikaner Benjamin Franklin trat öffentlich für die Erwerbung Kanadas ein. Bei der Verschiedenheit der englisch-amerikanischen Kolonien erklärte er es für ausgeschlossen, daß diese jemals gemeinsame Sache gegen das Mutterland machen würden, eher könne ein Aufgeben Kanadas sie zum Abfall führen. Seine wahre Ansicht wird dies wohl kaum gewesen sein.

Tatsächlich wuchs das Selbstvertrauen der Kolonisten außerordentlich nach den Erfolgen, die sie während des Krieges und durch ihn erreicht hatten. Sie zeigten sich zwar in allerhand Äußerlichkeiten dankbar für Englands militärische und finanzielle Unterstützung — sogar Massachusetts, die ungefügigste der Kolonien, versicherte in einer Adresse dem Könige ewige[208] Treue, errichtete dem gefallenen General Lord Howe ein Denkmal und taufte Fort Duquesne um in Pittsburg —, aber sie hielten eifersüchtig fest an jedem ihrer wirklichen oder vermeintlichen Rechte dem Mutterlande gegenüber und verlangten vor allem, das englische Parlament, in dem die Kolonien nicht vertreten seien, solle auch keine Gesetze für sie machen, sondern das ihren eigenen gesetzgebenden Körperschaften überlassen. Ganz besonders sträubten sie sich gegen Zahlung direkter Steuern und erhoben Einspruch gegen die Beschränkung ihres Handels sowie ihrer Industrie zugunsten des Mutterlandes.

Die innere Lage der Kolonien ist bereits im ersten Bande (Seite 606) erörtert. Im Laufe des 18. Jahrhunderts war sie großenteils nach den Wünschen der Kolonisten gestaltet; diese regierten sich in der Hauptsache selbständig. Die Gouverneure wurden zwar vom Könige ernannt, da aber ihre Besoldung von den Kolonien gezahlt wurde und jährlich bewilligt werden mußte, so waren sie von diesen abhängig; ähnlich verhielt es sich mit den Richtern. Die stehenden Truppen beschränkten sich auf schwache englische Besatzungen in den Forts, die Kolonialmilizen traten für Englands Zwecke nur auf besondere Abmachung sowie Soldzahlung ein. Die Zollbeamten allein wurden von England ernannt und besoldet, über Zollvergehen urteilten nicht die Geschworenen, sondern Admiralitâtsgerichte ab.

Dieser Entwicklung der Dinge hatte man in England lange ihren Lauf gelassen, da sich die Kolonien in manches fügten, das zu Englands Vorteil diente, so in die Zoll-, Handels- und Schiffahrtsgesetze. Schwierigkeiten ergaben sich naturgemäß häufig aus der verschiedenartigen Stellung der Regierung und der Gouverneure zu diesen Fragen. So hielt es der Minister Walpole zu Englands Nutzen für vorteilhaft, die Kolonien sich frei entwickeln zu lassen; der tüchtige, langjährige Gouverneur Shirley, uns von den beiden letzten Kriegen her bekannt, verlangte dagegen tatkräftigeres Auftreten der Regierung, Einführung direkter Steuern zur Besoldung der Beamten sowie eines stehenden Heeres u. dgl. Während des letzten Krieges wurde 1756 der Earl of Loudoun mit scharfen Anordnungen gegen Eigenmächtigkeiten der Kolonien hinausgesandt, während Pitt später auf alle schroffen Maßregeln verzichtete und einzig den Patriotismus der Neuengländer anrief.

Diese Meinungsverschiedenheiten gestalteten sich seit dem Regierungsantritt Georgs III. zu ernsten Zerwürfnissen zwischen England und den Kolonien. Wie der König Minister und Parlament seinem Willen unterordnen wollte, so erstrebte er dies auch bei den Kolonien. Hier sollte nicht nur die strenge Beachtung der bislang vielfach umgangenen Handelsgesetze durchgeführt, sondern auch Geld zur Erhaltung eines stehenden Heeres aufgebracht werden. Beides war an sich nicht unberechtigt, denn bisher überschritten die Erhebungskosten der Zölle deren Einkünfte um das Vierfache, und England hatte doch auch im Kriege gegen Kanada ungeheure Geldopfer gebracht; aber die Maßnahmen Englands führten Schritt für Schritt bis zur offenen Empörung seiner Pflanzstaaten, die mit dem sog. Theesturm in Boston am 18. Dezember 1773 ihren Anfang nahm.

Die Streitigkeiten Englands mit den Kolonien waren in ihren Hauptpunkten folgende: Unter dem Minister Grenville beschloß das Parlament im April 1764 für die sämtlichen englischen Kolonien eine Einfuhrsteuer auf verschiedene Produkte, deren Ertrag nebst „anderen Abgaben“ nach Anordnung des Parlamentes für die Auslagen verwendet werden sollten, die England aus dem Schutze der Kolonien erwüchsen. Als[209] eine dieser „anderen Abgaben“ war für Nordamerika die Einführung einer Stempelsteuer in Aussicht genommen, falls die Kolonien nicht auf andere Weise die nötigen Gelder aufbringen würden; gleichzeitig ward strenge Durchführung der Handelsgesetze und scharfe Unterdrückung des Schleichhandels angeordnet. In Amerika sträubte man sich gegen die Maßnahmen der Zollbeamten und Massachusetts erklärte jede Steuer ohne seine Einwilligung für ungesetzlich. Dennoch erließ England im Frühjahr 1765 die Stempelakte.

Darauf berief Massachusetts einen Kongreß von Deputierten aller 13 Staaten nach New York, auf dem 9 Kolonien vertreten waren, einen Protest gegen die Akte abfaßten und beschlossen, keine der besteuerten Waren mehr zu kaufen, sowie sich den Stempelabgaben zu widersetzen. Tatsächlich wurden beim Inkrafttreten des Gesetzes im November überall die Stempelpapiere vernichtet, so daß die Gouverneure das Gesetz nicht durchzuführen vermochten, da Gerichtsverfahren sowie Handel stillstanden. Die Regierung in England, das Ministerium Rockingham, sah sich 1766 genötigt, die Stempelakte und auch die neuen Zollgesetze wieder aufzuheben, nicht am wenigsten auf das Drängen der Kaufmannschaft und der klugen Vermittlung Franklins, des Agenten für Pennsylvanien in London.

Pitt wurde durch schweres körperliches Leiden in seinem Wirken für einen Ausgleich behindert, und so gewann der Schatzkanzler Townsend das Übergewicht im Ministerium und setzte im Mai 1767 ein neues Zollgesetz auf Tee sowie andere Waren durch. Auch sein Nachfolger, Lord North, hielt daran fest. Wieder weigerten sich die Kolonien, die besteuerten Artikel zu kaufen, und die Stimmung ward noch erregter. Schon forderten vereinzelte Stimmen Lossagung von England sowie Widerstand mit den Waffen, und im Juni 1768 kam es bereits zum Zusammenstoß englischer Zollpolizeibeamten mit leidenschaftlich erregten Amerikanern — sons of liberty, Söhne der Freiheit —, die sich der Beschlagnahme eines Handelsschiffes widersetzten.

Die englische Regierung schien jedoch Ernst machen zu wollen; im Sommer 1768 wurden die Truppen in Boston verstärkt und man drohte mit Verhaftung der Hauptagitatoren. Es ist wohl tatsächlich die letzte Gelegenheit für England gewesen, durch völliges Nachgeben oder durch äußerste Gewalt sich die Kolonien zu erhalten, aber keins von beiden geschah. Die angedrohten Maßnahmen blieben Schreckschüsse, bei Wiederaufhebung der Steuern 1769 ließ man anderseits die auf den Tee bestehen, teils um den Grundsatz zu wahren, teils zugunsten der ostindischen Kompagnie und hielt hierdurch die einmal erregte Widersetzlichkeit wach. Mißhelligkeiten zwischen den Gouverneuren und den Kolonisten an verschiedenen Orten kamen hinzu.

Die Bewegung wurde in Boston sowie in New York, wo es schon zu Reibungen mit dem durch Beschimpfung erbitterten Militär kam, immer stürmischer und ergriff auch die anderen Provinzen. Franklin, der bisher in England öffentlich versöhnlich gewirkt hatte, goß jetzt dadurch Öl ins Feuer, daß er vertrauliche Briefe der Gouverneure und England ergebener Personen, die schroffe Urteile über die Kolonien enthielten, zur Kenntnisnahme nach Boston sandte. Endlich wurde der nur geringe Teezoll der Anlaß zum Ausbruch offener Empörung. Wieder waren die Kolonien einig geworden, keinen Tee zu kaufen, und als nun die ostindische Kompagnie versuchte, ihn durch gewinnsüchtige Spekulanten doch in den Handel zu bringen, trat man diesen überall entgegen. In den meisten Staaten hinderte man nur die Ausschiffung, in dem demokratisch schroffsten Massachusetts aber brauchte man Gewalt. Am 18. Dezember 1773 drangen in Boston die „Söhne der Freiheit“ als Indianer verkleidet auf die Teeschiffe und warfen die Ladungen, 342 Kisten, über Bord.

Diese Gewalttat der Kolonisten machte den Bruch mit dem Mutterlande unheilbar; Regierung und öffentliche Meinung in England stimmten darin überein, daß jetzt rücksichtslos, besonders gegen Massachusetts, vorgegangen[210] werden müsse. Das Parlament faßte im März 1774 drei Beschlüsse: Sperrung des Hafens von Boston für alle Waren außer Bedürfnissen des königlichen Dienstes; Aufhebung der demokratischen Verfassung in Massachusetts und Einführung einer vorläufigen Militärdiktatur; Ausdehnung der Grenzen Kanadas mit seiner absolutistischen Verfassung auf Gebiete, die von den Neuenglandstaaten beansprucht wurden.

Zugleich ward General Gage mit vier Regimentern Mitte Mai als neuer Gouverneur nach Boston gesandt; er schloß den Hafen, sperrte die Stadt ab, verlegte die gesetzgebende Versammlung nach Salem und löste sie bald hernach ganz auf. Die Einwohner von Massachusetts begannen jetzt, sich überall zu widersetzen, den Engländern die Beschaffung von Lebensmitteln zu erschweren und durch Anhäufung von Kriegsmaterial sowie Übungen der Milizen den Kampf vorzubereiten; der gesetzgebende Körper forderte vor seiner Auflösung die übrigen Kolonien auf, Deputierte zu einem allgemeinen Kongreß in Philadelphia zu senden.

Dieser Kongreß ward im September 1774 von zwölf Staaten[113] beschickt, nur Georgia schloß sich erst im folgenden Jahre an. Ein Ausschuß der bedeutendsten Männer des Kongresses verfaßte mit Mäßigung, großer Beredsamkeit, sowie mit steter Berufung auf die englischen Gesetze eine Anzahl von Staatsschriften, die eine Abhilfe der Mißstände, aber immer noch auf loyalem Wege anbahnen sollten; sie erschienen im Herbst 1774. Die wichtigsten sind: Eine Schilderung der Verhältnisse der in ihrer Verfassung bedrohten Provinz Massachusetts; eine „Erklärung der Rechte der Kolonien“ nach Art der einst vom englischen Parlament gegen Karl I. ergangenen „Petition of rights“; eine Bittschrift an den König; eine Adresse an das englische Volk, in der zu beweisen versucht wurde, daß die Amerikaner Verteidiger der Rechte aller Engländer gegen die Übergriffe der Regierung seien.

In den Schriften lagen jedoch auch versteckte Drohungen, u. a. die Erklärung, die Kolonien würden jede Verbindung mit England abbrechen, bis ihren Beschwerden abgeholfen wäre. Der Kongreß sprach ferner den Einwohnern von Boston seine Zustimmung für ihr bisheriges Auftreten aus und ermutigte sie, den Widerstand fortzusetzen, auch wurden die Kanadier aufgefordert, sich den Kolonien anzuschließen. In England fanden diese Erklärungen und Petitionen kein Gehör, obgleich sie durch den Handelsstand sowie durch Pitts Partei warm unterstützt wurden. Im übrigen Europa, besonders in Frankreich, erregten sie große Begeisterung für die Amerikaner.

[211]

Der König wies die Bittschrift geringschätzig ab, und das Parlament erklärte im Februar 1775 Massachusetts für im Aufstande befindlich, untersagte allen Verkehr mit Neuengland, sowie die Ausübung der Fischerei auf den Neufundlandbänken seitens der Amerikaner, um so deren Handel lahmzulegen, und bewilligte 6000 Mann neue Truppen. Nun brachte zwar Lord North noch den Zusatz durch, die Zwangsmaßregeln sollten erlöschen, sobald eine Kolonie sich unterwerfe und einen festen Steuerbetrag bewillige, aber diesen schwachen Versöhnungsversuch wiesen die Amerikaner zurück und den Regierungsmaßregeln setzten sie Gewalt entgegen. Die Mehrzahl des Volkes erklärte sich gegen England, nur wenige, die sogenannten „Loyalisten“ blieben ihm treu. England dagegen gab seinen Beschlüssen keinen genügenden Nachdruck durch die Tat, sondern hoffte immer noch durch bloße Drohungen Nachgiebigkeit zu erreichen und ließ so dem Gegner Zeit zum Rüsten. Dies wurde besonders in Massachusetts eifrig betrieben. Die Milizen wurden besser gegliedert; mit Hilfe fremder Offiziere und vieler Amerikaner, die bisher im englischen Dienst gestanden hatten, stellte man stehende Truppen auf; Arsenale, Waffen- und Pulverfabriken wurden eingerichtet. Im Winter 1774/75 standen in Massachusetts bereits so viel Amerikaner unter Waffen, daß sich General Gage auf Boston beschränkt sah; in Newhampshire bemächtigten sich (Dezember) die Milizen zweier kleiner Forts und in Rhode-Island nahmen sie 40 Kanonen.

Im Mai 1775 trat der Kongreß in Philadelphia wieder zusammen. Er sandte nochmals Adressen an König und Parlament, traf aber gleichzeitig Maßregeln für den Krieg. Es wurde die Ausgabe von drei Millionen spanischer Dollars Papiergeld festgesetzt, jeder Verkehr mit England und dessen anderen Kolonien verboten, sowie die Aufstellung eines Nationalheeres angeordnet; zum Oberbefehlshaber ward am 16. Juni George Washington ernannt — der rechte Mann an der rechten Stelle. Tatsächlich hatte der Krieg mit einem blutigen Zusammenstoß bei Lexington am 18./19. April schon begonnen und gleich darauf setzte Massachusetts Truppen gegen Boston und gegen die Grenzen Kanadas in Marsch. Als der Kongreß unter dem Einfluß des aus England zurückgekehrten Franklin, sowie in sicherer Hoffnung auf französische Hilfe am 4. Juli 1776 die Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten von Amerika erklärte, dauerte der Krieg bereits ein Jahr.

England, Frankreich und Spanien bis zum Aufstande der Kolonien. Wenn man in England mit Recht über die Ergebnisse des Pariser Friedens (vgl. Seite 127) mißgestimmt war, so hatte man doch in Frankreich noch mehr Grund, mit dem Ausgange des letzten Krieges unzufrieden zu sein. Englands Gewinn entsprach nahezu dem Verluste Frankreichs und dieses mußte die Einbuße Spaniens, die Abtretung Floridas an den Sieger, auch noch durch Überlassung Louisianas an seinen Verbündeten wettmachen. Der Ingrimm über die erlittenen Niederlagen trat hinzu, um in Frankreich den Gedanken an Wiedervergeltung in der Zukunft wachzuerhalten. Der[212] Herzog von Choiseul arbeitete auf dieses Ziel hin, solange er am Ruder blieb. Er verstärkte die Streitmacht zu Wasser wie zu Lande und pflegte das Bündnis mit Spanien (der Bourbonische Familienvertrag von 1761; vgl. Seite 119), das auch diesem Staat durch die Familienbande zwischen den Herrscherhäusern wie durch die Furcht vor Englands Seemacht nahelag; hierzu trat der Haß wegen alter wie neuer Verluste an England — Jamaika, Gibraltar, Minorca, Florida. Für den letzten Krieg war das Bündnis zu spät gekommen, aber bei rechtzeitiger Vorbereitung versprach es Erfolg. Den beiden benachbarten Königreichen mit ihren vorzüglichen Kräften mußte es gelingen, gemeinsam eine Seemacht aufzustellen, die der englischen gewachsen war; vielleicht fanden dann auch schwächere Seestaaten den Mut, sich gegen die Seeherrschaft Englands aufzulehnen.

Nur die ungünstigen inneren Verhältnisse Englands bedingten es, daß dem Siebenjährigen Kriege nicht sehr bald ein neuer Seekrieg mit den alten Gegnern folgte. Französische Geschichtschreiber behaupten, England habe den Ausbruch des genannten Krieges beschleunigt, um den Ausbau der französischen Marine zu verhindern. Der gleiche Grund lag jetzt vor und um so schwerwiegender, da man in England wußte, daß Frankreich und Spanien entschlossen seien loszuschlagen, sobald man sich stark genug fühle und eine günstige Gelegenheit sich biete. Auch hat es für England nicht an Anlässen gefehlt. Solchen bot zunächst die Erwerbung Corsicas durch Frankreich, dessen maritime Stellung im Mittelmeer dadurch sehr gestärkt wurde.

Corsica von Frankreich erworben. Die kriegerischen Corsen waren, auf die Unzugänglichkeit ihrer Gebirge trotzend, schon seit 1730 gegen die aussaugende Herrschaft Genuas im Aufstande, der nicht ohne kaiserliche oder französische Hilfe und dann immer nur auf kurze Zeit niedergeworfen werden konnte. Müde der vergeblichen Kämpfe, trat endlich die Republik im Vertrage vom Compiègne 1768 Corsica förmlich an Frankreich ab; um Österreich und England gegenüber diese Gebietserweiterung Frankreichs zu verschleiern, erfolgte sie in Form eines Unterpfandes für aufgewandte Kriegskosten. Frankreich unterwarf dann mit 30000 Mann in kurzer Zeit die Insel. Pasquale Paoli, der tapfere Führer der Aufständischen, mußte 1769 nach England fliehen, wo er begeistert aufgenommen wurde und von der Regierung eine Pension erhielt.

Wohl wies u. a. Burke auf die hierdurch für England geschaffene Gefahr hin, und der Admiral Sir Charles Sounders erklärte im Unterhause, es wäre besser, Frankreich den Krieg zu erklären, als ihm Corsica zu überlassen. Die Regierung führte auch anfangs eine geharnischte Sprache, verschleppte aber dann die Sache, bis Frankreich im sicheren Besitz war. Die Aufhebung einer englischen Niederlassung auf den Falklandinseln hätte noch leichter Anlaß zum Kriege geben können.

Englisch-spanischer Streit um die Falklandinseln. 1764 hatten die Franzosen durch den Weltumsegler Bougainville auf diesen Inseln eine Kolonie Port Louis gegründet, die Engländer folgten 1766 mit der Niederlassung Port Egmont. Gegen beide erhob Spanien Einspruch, und Frankreich holte seine Kolonisten wieder ab, die Engländer wurden mit Gewalt vertrieben. Die Spanier verlangten von dem englischen[213] Befehlshaber dort die Räumung der Ansiedlung innerhalb von sechs Monaten und erzwangen diese, ehe noch Weisung von London ergangen war, im Juni 1770 mit fünf Fregatten und 1600 Mann; die schwache Garnison, die keinen Widerstand hatte leisten können, ward nach England geschickt.

Dieser Gewaltakt erregte die öffentliche Meinung in England heftig, während der corsicanische Zwischenfall mehr nur die Staatsmänner beschäftigt hatte. Choiseul und die spanischen Minister erwarteten und erhofften eine Kriegserklärung, da sie sich schon stark genug glaubten. England rüstete auch eine Flotte von 40 Linienschiffen, zeigte sich aber doch mit einer leichten Genugtuung zufrieden. König Karl III. mochte zwar anfangs nicht nachgeben, aber Ludwig XV. wollte keinen Krieg, und Choiseul, dessen Stellung durch die Freunde der Dubarry schon erschüttert war, wurde im Dezember 1770 gestürzt. Sein Nachfolger, der Herzog d'Aiguillon[114] — der „Held von St. Cas“ (vgl. Seite 146) —, der nur den Willen des Königs ausführte, wurde schnell mit Lord North einig, und England gab Port Egmont als zu kostspielig freiwillig auf.

Die Schwäche der englischen Politik, die sich bei beiden Gelegenheiten offenbarte, war eine Folge der inneren Zwistigkeiten in England, die ja auch den übereilten Frieden von Paris verschuldet hatten. König Georg III. strebte seit seiner Thronbesteigung (25. Oktober 1760) danach, eine selbständige, persönliche Politik zu führen, besaß aber weder die Geistes- noch die Charaktereigenschaften dazu. Er wollte die Macht der Krone erweitern und das Parlament in ihr gefügiges Werkzeug verwandeln; Männer von festem Charakter waren ihm zuwider, jede republikanische Gesinnung verhaßt. Er verdrängte den tatkräftigen Pitt durch seinen Günstling Lord Bute, der ihm ein gefügiges Werkzeug war. Dieser mußte zwar gleich nach dem mißliebigen Friedensschlusse wieder zurücktreten, aber das System blieb dasselbe.

Viele dem Volke mißliebige Regierungsmaßregeln, so auch das schroffe Vorgehen gegen die amerikanischen Kolonien, sind auf des Königs persönliche Anregung zurückzuführen. Seiner inneren Politik folgte eine Auflösung aller Parteiverhältnisse und statt fester langjähriger Ministerregierungen wie bisher, fand ein ununterbrochener Wechsel statt; erst Lord North blieb von 1770 an 12 Jahre im Amte. Immer lauter erscholl im Lande der Ruf nach einer Reform der Volksvertretung, immer heftiger wurden Regierung und Parlament angegriffen und gleichzeitig spitzte sich der Streit mit den Kolonien immer mehr zu.

Die englische Regierung war unter diesen Umständen weder kampflustig noch fühlte sie sich kriegsbereit, und auch in Frankreich erlosch die[214] Kriegsneigung nach dem Falle Choiseuls bis zum Tode Ludwigs XV.; die unfähige Regierung hatte auch hier genug mit den inneren Verhältnissen zu tun. Doch ist es von Wichtigkeit, Choiseuls Pläne gegen England kennen zu lernen, da man späterhin mehrfach auf sie zurückkam.

Choiseuls Pläne gegen England. Choiseul suchte nicht nur die Streitmittel Frankreichs und Spaniens für die nächste günstige Gelegenheit zur Abrechnung mit England bereitzustellen, sondern traf auch sonst alle Maßnahmen für den Krieg. Da er Streitigkeiten Englands mit seinen Kolonien voraussah, sandte er 1764 und 1766 einen Seeoffizier nach Nordamerika, um die Küstenverhältnisse zu erforschen, sowie 1767 den Baron von Kalb, den späteren amerikanischen General und Freund Lafayettes, um sich über die Stimmung in den Kolonien zu unterrichten.

Vor allem aber ließ er Pläne für einen Einfall in England entwerfen. Man findet in Lacour (I, Seite 416 ff.) verschiedene derselben, von denen besonders zwei bemerkenswert sind. Auch nach England waren Offiziere zur Untersuchung geeigneter Landungsplätze geschickt. Einer dieser, ein Landoffizier de Berille, schlug nun vor, Spanien solle für sich Demonstrationen oder Diversionen unternehmen, um die Nachteile gemeinsamer Operationen auszuschalten, Frankreich aber an vier Stellen — Lime, Dartmouth, Fowey und Looe — landen und auf Bristol marschieren, um diesen wichtigen Handelsplatz zu nehmen, dann würde London vom Könige und Parlament den Friedensschluß verlangen. Die Expedition solle von den kleinen Häfen der Bretagne ausgehen und auf Fischerfahrzeugen in einer der langen Nächte gegen Ende des Winters, „plötzlich und heimlich wie Schmuggler“ übergeführt werden, wenn ein Sturm die englische Flotte vertrieben habe.

Auch Choiseul selber entwarf einen Plan mit genauer Verteilung der französischen Flotte, die dazu bis 1770 auf 80 Linienschiffe und 40 Fregatten zu bringen sei; Spanien sollte 20 Linienschiffe dazu stellen und gleichzeitig Portugal erobern. Ein ähnlicher Plan, und zwar der bemerkenswerteste, stammte vom Graf Broglie, dem Bruder des berühmten Marschalls. Wie Ludwig XV. sich ihm allein bekannte Agenten im Auslande hielt — man sagt, nur um das Vergnügen zu haben, besser unterrichtet zu sein als seine Minister —, so hatte er auch Broglie heimlich mit der Aufstellung eines Planes betraut und einen Ingenieuroffizier nach England gesandt, der die Mündung der Themse sowie die Häfen, Arsenale und die Marschwege nach London von der Küste von Cornwallis an erkundete.

Nach Broglies Entwurf sollte Spanien Jamaika und Nordamerika mit einer Flotte bedrohen, mit einer andern Irland und gleichzeitig Gibraltar angreifen, während Frankreich Seestreitkräfte von Toulon gegen Minorca und Ostindien, von Brest gegen Schottland zu senden habe. Es waren dies aber nur Diversionen. Zum Hauptangriff sollte das Gros der Brestflotte 60000 Mann über den Kanal führen und sie zwischen Dungeness und Beachyhead landen; der Marsch gegen London war tagweise festgelegt. Broglie arbeitete den Plan 1763–1766 aus, legte ihn aber 1768 mit Genehmigung des Königs Choiseul vor, wohl aus Furcht vor dessen Zorn und auch, um nicht nur zum Vergnügen des Königs gearbeitet zu haben. Choiseul billigte ihn, er wurde auch 1777 Ludwig XVI. unterbreitet, und endlich nahm Napoleon I. Kenntnis von ihm.

Eingehende Tabellen über die nötigen Streitkräfte und Transportmittel, sowie über die Maßregeln, die England voraussichtlich zur Abwehr ergreifen müsse, waren aufgestellt; wir geben einige Auszüge aus ihnen[115].

[215]

Frankreich sollte stellen:   England brauche dagegen
für den Einfall 40 Liniensch., 20 Freg., 60000 Mann   45 Liniensch., 25 Freg., 40000 Mann
Schottland       6     800         6 5–6000
Minorca 10 10 15000   15       4500
Ostindien (dieselben Schiffe)   1500   10        
Insgesamt 50 Liniensch., 36 36 Freg., 77300 Mann.    
Spanien:    
Gegen Gibraltar 12 Liniensch.,   8 Freg., 20000 Mann   d. v. Minorca einige   4000 Mann
Westind. 15 10 12000     20   8000
Irland 15 20 15000     15 10000
Insgesamt 42 Liniensch., 28 Freg., 47000 Mann   101   72000 Mann

Die Truppen für den Einfall in England — 54000 Mann Infanterie, 3000 Kavallerie, 3000 technische Waffen, eingeteilt in vier Divisionen — sollten in Dünkirchen, Calais, Boulogne auf 130 Transportern eingeschifft werden, in Dieppe und Havre auf 200, in Honfleur und Cherbourg auf 110, in St. Malo und Morlaix auf 150 solchen. Die Brestflotte, 40 Linienschiffe, hatte die englischen Seestreitkräfte in den heimischen Gewässern, die mit Sicherung der ganzen Küste betraut und nicht vereint sein würden, zu schlagen, um den Weg freizumachen.

Es ist bemerkenswert, daß bei Ausbruch des Krieges 1778 in Frankreich wie in Spanien das in diesem Plane verlangte Schiffsmaterial reichlich vorhanden und daß auch die Stärke der englischen Marine richtig eingeschätzt war. Wir werden dies aus den späteren Betrachtungen der Streitmittel der Gegner in diesem Kriege ersehen.

Die Entstehung des Seekrieges zwischen Frankreich, Spanien, Holland und England. Als Ludwig XVI. die Regierung antrat, näherten sich die Unruhen in Nordamerika ihrem Höhepunkt. Der drohende Bruch zwischen England und seinen Kolonien schien für Frankreich eine günstige Gelegenheit, die erlittenen Verluste wettzumachen, und der Minister des Äußern unter dem neuen König, Graf von Vergennes, der letzte tüchtige Staatsmann des alten Regimes, war bereit, sie auszunützen. Er stützte sich dabei auf weite Kreise des Volkes. Die französische Jugend der höheren und höchsten Stände brannte darauf, die militärische Ehre des Landes wiederherzustellen, und die sogenannte „aufgeklärte Gesellschaft“, begeistert für die Gedanken Montesquieus und Rousseaus, hegte die wärmste Teilnahme für die demokratischen Amerikaner. Die Erhebung der Kolonien 1775 erregte in Frankreich großen Jubel, und die geheimen Bemühungen der Amerikaner um Frankreichs Hilfe hatten Erfolg, wenn auch zunächst nicht offensichtlich.

Vergennes neigte zwar schon Anfang 1776 zur erklärten Parteinahme gegen England, aber der Finanzminister Turgot, mit durchgreifenden Reformen in seinem Ressort beschäftigt, riet zum Abwarten. Er scheute die Kosten, solange der Erfolg nicht ganz sicher schien, und äußerte die Ansicht, daß schon der Kampf Englands mit seinen Kolonien Frankreich Vorteile bringen würde. Er empfahl Beobachtung der Vorgänge in Großbritannien und Nordamerika, weitere Stärkung der Marine, sowie Vorbereitungen für einen Einfall in England und vorsichtige Unterstützung der Amerikaner mit Kriegsmaterial. Seine Ansicht wurde von bedeutenden[216] Männern geteilt, aber nicht von der Hofpartei, und als er von dieser wegen seiner Reformen gestürzt war (Mai 1776), die den privilegierten Ständen mißfielen, wurde aus der heimlichen Parteinahme bald eine offene. Nach der Unabhängigkeitserklärung traten an Stelle der bisherigen geheimen Agenten wirkliche Bevollmächtigte der „Vereinigten Staaten von Nordamerika“.

Im Dezember 1776 erschienen als solche Benjamin Franklin, Silas Deane und Lee in Paris, um von der französischen Regierung die Anerkennung des neuen Staates, sowie den Abschluß eines Bündnisses zu erlangen. Diese Verhandlungen gingen zwar vorläufig nur durch Mittelspersonen, da die französische Regierung noch nicht mit England brechen wollte — auch der neue Finanzminister Necker erklärte sich wegen der Finanznot gegen unmittelbare Einmischung; man war noch nicht genügend gerüstet und große militärische Erfolge hatten die Amerikaner bislang nicht aufzuweisen —, aber sie hoben doch die Begeisterung für Amerika in Frankreich noch mehr.

Die amerikanischen Agenten in Frankreich. Silas Dean, ein Mitglied des Kongresses, war schon vor dem Abfall der Kolonien als politischer Agent und Handelskommissär nach Frankreich gekommen, wo er mit der Regierung sowie Privaten unterhandelte, um Geld zu leihen, Kriegsmaterial zu kaufen, Offiziere und Freiwillige zu werben; er sammelte auch einen Kreis von Personen um sich, die von Begeisterung für die Sache der Amerikaner, von Haß gegen England und von Kriegslust erfüllt waren. Auf sein Betreiben gingen mit Erlaubnis der Regierung reiche Geldmittel, Kriegsmaterial, durch dritte Hand von der Regierung erhalten, sowie zahlreiche Offiziere nach Amerika. Die nach der Unabhängigkeitserklärung eingetroffenen Gesandten gewannen die öffentliche Meinung noch mehr für die amerikanische Sache. Ohne jede Kenntnis der engherzigen religiösen und politischen Ansichten der herrschenden Klasse in den Kolonien sah man in den Amerikanern Kämpfer für religiöse Freiheit und politische Ideale, selbst die recht nüchternen Nachrichten der nach Amerika gegangenen Offiziere blieben unbeachtet.

Franklin war der rechte Mann, diese Stimmung zu heben. Statt eines klugen und berechnenden Diplomaten, wie er es war, sah man in dem mit gesuchter Einfachheit, mit Ruhe und Milde auftretenden alten Manne das Vorbild des vollendeten Philosophen. Er wurde der Mann des Tages; Philosophen, junge Offiziere, Damen der Gesellschaft und Höflinge drängten sich zu ihm. Immer mehr gab man dem Bestreben der Gesandten nach, Frankreich zu offener Parteinahme zu bewegen, vernachlässigte die Vorsicht bei den Unterstützungen und versuchte kaum noch, England durch friedliche Versicherungen zu täuschen. Viele bedeutende Personen gingen von oder über Frankreich nach Amerika, so der junge Marquis de Lafayette, einer der glänzendsten und reichsten Edelleute, der in Begleitung des schon als Agent Choiseuls erwähnten deutschen Barons von Kalb und einer kleinen auserlesenen Schar auf eigenem Schiff hinübersegelte; die Regierung sandte ihm mit Rücksicht auf England der Form halber einen Haftbefehl nach und ließ ihn auch durch zwei Kriegsschiffe verfolgen. Ihm folgten später der ehemalige preußische Offizier und Adjutant Friedrichs II. von Steuben, der Pole Kosciusko sowie verschiedene Franzosen, die sich nachher in den Revolutions- sowie Napoleonischen Kriegen auszeichneten, z. B. Custine und Berthier.

Als dann am 4. Dezember 1777 die Nachricht von der Kapitulation des englischen Generals Burgoyne bei Saratoga eintraf, schien der günstige[217] Augenblick gekommen, Englands Verlegenheit auszunutzen. Vergennes empfing am 12. Dezember die Gesandten öffentlich, Frankreich erkannte am 6. Februar 1778 die neue Republik an, schloß mit ihr einen Handelsvertrag und verpflichtete sich, sie mit seiner ganzen Kraft zu unterstützen, bis sie ihre Unabhängigkeit errungen habe. Es stellte nur die Bedingung, daß die Amerikaner nicht Frieden schließen dürften, ehe ihre Unabhängigkeit gesichert sei, denn man nahm an, England werde um seine wertvollste Kolonie bis aufs äußerste kämpfen und so schwere Schädigung erleiden. Frankreich verzichtete dagegen feierlich für alle Zeiten auf jeden Besitz in Nordamerika, womit auch der Wiedererwerb Kanadas ausgeschlossen war; es behielt sich nur Eroberungen südlich der Bermudainseln, in Westindien, vor.

Dieser Vertrag wurde am 13. März an England bekanntgegeben mit dem Zusatz, daß sich die Vereinigten Staaten bereits im Besitz ihrer Unabhängigkeit befänden und daß Frankreich erwarte, England würde alles vermeiden, was seinen Handel mit denselben stören könne. Dies war eine ausgesprochene Kriegsdrohung, und England rief darauf ohne weiteres seinen Gesandten ab, der Paris am 16. März ohne Abschied verließ. Frankreich tat das gleiche am 17. Eine formelle Kriegserklärung erließ keine der Parteien, auch nicht, als die kriegerischen Unternehmungen begannen. Der König von Spanien versuchte noch zu vermitteln, von Frankreich hierzu angeregt, und dieses beging den Fehler, nicht gleich anzugreifen, obgleich es kriegsbereiter als England war. Der Krieg ward erst im Juni von diesem eröffnet, doch war schon am 13. April eine französische Flotte nach Amerika gesegelt.

Spanien zur offenen Parteinahme zu bewegen, war bisher nicht gelungen. Wenn auch die Minister den Krieg mit England wünschten, so war doch der König nicht geneigt, eine Republik anzuerkennen, geschweige denn, sich mit ihr zu verbünden, und so gab man vorläufig nur Geldunterstützungen für die Amerikaner; man sollte überhaupt annehmen, daß es einer Macht, die selber weitentlegene Kolonien besaß, nicht hätte ratsam erscheinen dürfen, aufständische Kolonien eines anderen Staates zu unterstützen, aber die Hoffnung Gibraltar, Minorca und vielleicht gar Jamaika wiederzuerringen, ließ wohl über diesen Punkt hinwegsehen. Frankreich und die spanischen Minister versuchten stetig weiter, den König umzustimmen, jedoch noch im März 1779 blieb der König von Spanien selbst eigenhändigen Briefen Ludwigs XVI. unzugänglich. Da benutzte man seine persönliche Eitelkeit, machte ihn glauben, es sei seine Pflicht, zwischen Frankreich und England zu vermitteln, und als dann seine Bemühungen an Englands unannehmbaren Bedingungen scheiterten, hatte man ihn gewonnen. Am 12. April 1779 unterzeichnete Spanien einen Vertrag mit Frankreich, demzufolge ein gemeinsamer Einfall in England oder Irland unternommen und Minorca erobert werden solle; beide Mächte verpflichteten sich, in keinen Frieden oder Waffenstillstand zu willigen, ehe Gibraltar genommen sei. Den Krieg erklärte Spanien erst am 16. Juni, um seine Rüstungen inzwischen zu vollenden.

[218]

Ziele des spanisch-französischen Bündnisses. In dem Vertrage wurden als Ziele des Krieges festgelegt: Für Spanien: die Wiedergewinnung von Gibraltar, Minorca, Pensacola nebst der Küste von Florida längs des Bahamakanales; Vertreibung der Engländer aus der Honduras- und Campeche-Bucht. Für Frankreich: Aufhebung der Verpflichtungen, Dünkirchen sowie die Niederlassungen in Ostindien nicht zu befestigen; Eroberung Dominicas.

An Holland erklärte England am 20. Dezember 1780 selber den Krieg, als sein Versuch 1779, auf Grund des nun gerade hundert Jahre alten Vertrages von den Niederlanden Unterstützung zu erhalten, wenn ein Einfall in England drohe, am Widerstand der französischen Partei der Republik gescheitert war. Dagegen hatten auch hier die Unterhändler Amerikas Erfolg. In Amsterdam war es ihnen gelungen, Anleihen unterzubringen, ja 1779 im geheimen einen Handelsvertrag abzuschließen. England erhielt 1780 Kenntnis davon und suchte nun einen Kriegsgrund, denn auf Hollands Hilfe konnte man nicht mehr rechnen, als Gegner aber fiel es bei der Schwäche seiner Marine nicht ins Gewicht, sein Handel und seine Kolonien boten dagegen lohnende Angriffsobjekte. Als nun Holland der gegen England gerichteten sogenannten „bewaffneten Neutralität der Ostseemächte“ beitreten wollte, war der Grund gefunden[116].

Die bewaffnete Neutralität der Ostseemächte und ihre seerechtlichen Forderungen. England hatte schon im vorigen Kriege das Recht beansprucht, feindliches Gut in neutralen Schiffen wegzunehmen (vgl. Seite 124 und 199). Dieser Grundsatz schädigte auch jetzt Holland und die Ostseemächte schwer, in deren Hände während des Krieges ein großer Teil des europäischen Handels überging; anderseits lag England daran, gerade die Produkte der Ostsee, Schiffsmaterialien (Bauholz) und Getreide, seinen Gegnern vorzuenthalten. Im Jahre 1780 traten auf Anregung der Kaiserin Katharina II. Rußland, Dänemark und Schweden zusammen und erließen eine Erklärung, in der gefordert wurde:

1. Neutrale Schiffe sollten das Recht haben, nicht nur nach unblockierten Häfen, sondern auch von Hafen zu Hafen einer kriegführenden Macht zu segeln (also den Küstenhandel dort im Gange zu halten).

2. Das Eigentum der Untertanen einer kriegführenden Macht an Bord neutraler Schiffe sollte unantastbar sein. („Frei Schiff — frei Gut“.)

3. Nur Waffen, Ausrüstungsgegenstände und Kriegsmunition sollten als Kontrebande gelten. (Dies schloß Lebensmittel und Schiffsmaterialien aus, soweit sie nicht der Regierung eines Kriegführenden gehörten.)

4. Die Blockaden sollten eine entsprechende Seestreitmacht in nächster Nähe des blockierten Hafens erfordern, um bindend zu sein.

Die verbündeten Mächte verpflichteten sich, diesen Forderungen durch Bereithaltung einer gemeinsamen Flotte von festgesetzter Mindeststärke Nachdruck zu verleihen. Dem Vertrage schlossen sich am 8. Mai 1781 Preußen und am 9. Oktober 1781 der Kaiser (mit Rücksicht auf die österreichischen Niederlande) an, später traten auch Portugal sowie Neapel bei. Frankreich und Spanien erklärten sich einverstanden.

[219]

England versprach Rußland, dessen übrigens geringfügigen Handel zu schonen und erhob zwar gegen die Erklärung keinen Widerspruch, dachte aber auch nicht daran, sie zu beachten, was bei seiner Stärke zur See kaum wundernehmen kann. Die Generalstaaten hatten sich nach langen Verhandlungen am 20. November 1780 entschlossen, dem Bunde der Ostseemächte beizutreten, ehe aber die Erklärung in Petersburg eintraf (24. Dezember), erklärte England den Krieg. Rußland lehnte nun den Beitritt Hollands — und damit die Verpflichtung, für dasselbe einzutreten — mit der Begründung ab, daß dieser Staat nicht mehr neutral sei; von England im geheimen beeinflußte Personen hatten dies bewirkt.

Kennzeichnung und Bedeutung des Seekrieges von 1778. Der Landkrieg in Nordamerika ist für uns nur soweit von Wichtigkeit, als Seestreitkräfte unmittelbar in ihn eingriffen und durch ihn Flottenbewegungen hervorgerufen wurden; wir werden ihn deshalb auch nicht eingehender schildern, als die Berücksichtigung dieser Punkte fordert. Der Seekrieg aber, der 1778 begann, ist von großer Bedeutung für die Seekriegsgeschichte. Es ist ein Kampf, wie ihn das 18. Jahrhundert noch nicht gesehen hatte. In den vorangegangenen Kriegen — dem Spanischen, dem Österreichischen Erbfolgekriege und dem Siebenjährigen — war Englands Macht zur See weit überlegen. Es fand in den beiden erstgenannten auch noch den Beistand der holländischen Marine, und wenn diese auch nur gering war, so glich er doch die Unterstützung Frankreichs durch Spanien aus, und im Siebenjährigen Kriege blieb Holland wenigstens neutral. Außerdem war England, besonders in den beiden letztgenannten Kriegen, an keinem Landkriege beteiligt, während Frankreich durch einen solchen abgelenkt und zu großen Opfern genötigt wurde. So war es England stets gelungen, durch früher oder später einsetzendes kräftiges Vorgehen die Marine Frankreichs niederzuwerfen und dann die Früchte unbedingter Seeherrschaft zu ernten, indem es dem Gegner die Hilfsquellen verstopfte und ihm seine fernen Besitzungen abnahm.

Jetzt mußte England mit seinen abgefallenen Kolonien einen ernsten Landkrieg führen und auch einen Teil seiner Seestreitkräfte in dessen Dienst stellen; Frankreich dagegen war am Lande frei. Es war England nicht geglückt, Verbündete zu finden, ja sogar die Anwerbung der durchaus nötigen Hilfstruppen in Deutschland wurde bald durch Preußen und den Kaiser eingeschränkt. Spanien trat diesmal beizeiten auf die Seite Frankreichs, und die vereinten Marinen dieser Länder, beide in den letzten Jahren wesentlich erstarkt, waren der englischen an Zahl der Schiffe überlegen. Später kam dann noch Holland als Gegner Englands hinzu, und dieses mußte auch mit den Kräften der „bewaffneten Neutralität“ bis zu einem gewissen Grade rechnen. Nicht zu unterschätzen ist endlich die Schädigung der englischen Marine durch den Wegfall der Seeleute aus den amerikanischen Kolonien, den man auf 18000 berechnet.

England war in einer gefährlichen Lage; es mußte neben dem Kampfe um Wiederherstellung seiner Oberhoheit in Nordamerika auch seine, während der letzten hundert Jahre errungene Seeherrschaft verteidigen. Diese Obmacht[220] zu brechen, die außer auf einer starken Marine auf den Kolonien, den Marinestationen draußen und dem Seehandel in allen Teilen der Welt beruhte, war das Ziel der Gegner. England befand sich in diesem Kriege in der Verteidigung und suchte seine außerheimischen Besitzungen überall durch eine genügende Macht zu sichern. Da nun seine Seestreitkräfte denen der Gegner zahlenmäßig anfangs unterlegen, später etwa gleich waren, hatten die Gegner mehrfach auf einem der Kriegsschauplätze, meistens auf dem europäischen, das Übergewicht. Englands Streitkräfte waren aber aus einem Guß und lagen in einer Hand, die der Verbündeten verstanden sich nicht immer und wurden oft getrennt zu Sonderzwecken eingesetzt; beides Schwächen der meisten Bündnisse. Zudem war auch der innere Wert der englischen Marine doch ein höherer als der der anderen, vornehmlich der spanischen, und so ging England schließlich unbesiegt aus dem schweren Kampfe hervor.

In den vorhergegangenen Kriegen des 18. Jahrhunderts tritt zwar der große Einfluß der unbeschränkten Seeherrschaft mehr hervor, das darauf fußende stolze Auftreten Englands kennzeichnet ihn, aber der jetzt zu besprechende ist seekriegsgeschichtlich bedeutungsvoller. Die europäischen Gewässer von England bis Gibraltar, die Küsten Nordamerikas, sowie West- und Ostindien bieten Kriegsschauplätze für große Flotten. Die Strategie beider Parteien gibt Anlaß zu eingehenden Betrachtungen, und auch in Hinsicht auf die Taktik bringt der Krieg viel Bemerkenswertes. Auf allen Kriegsschauplätzen messen sich Flotten gleicher Stärke in zahlreichen rangierten Schlachten, während die vorhergegangenen Kriege deren nur wenige brachten. Gerade in den Kämpfen des Seekrieges 1778–1783 erkennen wir deutlich die Entwicklung der Seetaktik, wie wir sie als eins der Kennzeichen des IV. Abschnittes hingestellt haben.

Die Streitmittel.

Die innere Geschichte der Marinen Frankreichs und Englands ist bereits im Kapitel II (Seite 24 ff.) behandelt, dort sind sie auch auf ihren Wert miteinander verglichen unter Hervorhebung einiger gerade für den vorliegenden Krieg bemerkenswerten Punkte. Wir können uns deshalb hier fast ganz auf Angaben über die Schiffsbestände und Schiffsverluste, sowie auf Hinweise betreffend die wichtigsten anderen Punkte beschränken.

Frankreich. Den Schiffsbestand um 1778 kann man mit einiger Sicherheit auf 70–80 Linienschiffe, 70 Fregatten und Korvetten, sowie etwa 100 kleinere Fahrzeuge annehmen. Zur Verwendung überhaupt sind während des ganzen Krieges 92 Linienschiffe gekommen: 6 des ersten Ranges (110 Kanonen), 2 des zweiten (86 Kanonen), 84 des dritten (7 zu 80, 48 zu 74, 29 zu 64 Kanonen). Diese Zahl ist gleichzeitig niemals vorhanden gewesen, in ihr sind Schiffe enthalten, die verloren gingen, und solche, die neu erbaut wurden. Der Verlust betrug 18 Linienschiffe, sowie etwa 50 Fregatten[221] und Korvetten; von den ersteren sind 12 vom Feinde genommen, die übrigen vernichtet oder sonst verunglückt[117].

Die Schiffe waren fast sämtlich neu, vorzügliche Seeschiffe und auch besser gehalten als in den vorangegangenen Kriegen, da Werften, sowie Arsenale leistungsfähiger waren, doch scheint hierin nach der Amtstätigkeit der beiden Choiseul schon wieder ein Rückschritt eingetreten zu sein. Frankreich hatte jetzt auch Dreidecker (Schiffe ersten Ranges), es stellte aber, wenn auch selten, noch immer 50-Kanonenschiffe in die Linie ein; seine Hauptkraft lag in Schiffen zu 74 Kanonen. Nur ein Bruchteil der Linienschiffe war gekupfert, und dies gereichte ihnen zum Nachteil gegenüber den englischen durchweg gekupferten, da die ungekupferten langsamer waren und dadurch häufig die schnelleren behinderten.

Die Seeoffiziere waren besonders theoretisch sehr gut ausgebildet. Ihre Zahl reichte aber bei der Indienststellung während dieses Krieges nicht aus, so daß man stark auf die Reserve aus der Handelsmarine (die sogenannten „officiers bleus“, vgl. Seite 31) zurückgreifen und auch Offiziere des Heeres in die Marine einstellen mußte. Auch an Mannschaften mangelte es, obgleich die seemännische Bevölkerung zugenommen hatte und gegen 67000 Mann in den Inskriptionslisten verzeichnet waren. Besonders später nach Verlusten, hauptsächlich durch Krankheiten infolge der schlechten gesundheitlichen Verhältnisse an Bord hervorgerufen, mußte man Fremde (Malteser, Genueser, ja Albaneser) anwerben, Seesoldaten sowie Mannschaften des Heeres an Stelle fehlender Matrosen einschiffen.

Spanien besaß 1778 70 Linienschiffe: 2 zu 110 und 114 Kanonen, 2 zu 86, 7 zu 80, 48 zu 70–74, 11 zu 64. Hinzu traten 2 Schiffe zu 60, 2 zu 50, sowie genügend Fregatten usw. Die Marine war mithin unter Karl III. stattlich gewachsen, auch waren die Schiffe neu und gut gebaut. Aber alle Quellen stimmen darin überein, daß es der spanischen Marine infolge der sonstigen Verhältnisse im Lande an einer gesunden Organisation gefehlt habe und daß, wie bisher, Werften und Arsenale nicht imstande gewesen wären, die Schiffe gut auszurüsten. Ebenso sollen Offiziere wie Mannschaften wie früher im allgemeinen minderwertig gewesen sein. Der Verlust an Linienschiffen betrug 8, darunter 4 vom Feinde genommen, und 18 andere Kriegsfahrzeuge[118].

Holland hatte kaum noch eine nennenswerte Marine.

Die innere Geschichte seiner Marine sei kurz berührt (anschließend an Seite 59; zusammengestellt nach de Jonge, Band IV, Seite 282, 392, 432, 472). Wilhelm IV., seit 1747 Statthalter, hatte versucht, die Marine wieder zu heben. Er schuf Einrichtungen zu besserer wissenschaftlicher Ausbildung der Seeoffiziere und sorgte für ihre Vermehrung, sowie schnellere Beförderung. Er ernannte 5 Leutnantsadmirale, 6 Vize[222]- und 8 Kontreadmirale, so daß die Marine mehr Flaggoffiziere zählte als zur Zeit ihres höchsten Glanzes. Er erstrebte ferner, die Admiralitäten von ihren Schulden zu befreien und die Zahl der Schiffe zu vermehren. Man faßte auch dahinzielende Beschlüsse, doch wurden diese weder während der kurzen Regierung Wilhelms (bis 1751) noch unter der vormundschaftlichen Regierung seiner Gemahlin Anna durchgeführt, und nach deren Tode (1759) schlief die Teilnahme für die Marine wieder völlig ein.

So kam es, daß Holland bei Ausbruch des Siebenjährigen Krieges, in dem nur einige Schiffe zum Handelsschutz Verwendung fanden, nicht stärker dastand als 1741 und daß 1772 der Schiffsbestand sogar nur noch 12 Schiffe über 60 Kanonen (also zeitgemäße Linienschiffe), 14 zu 50–54, 6 zu 44, 15 zu 36, 18 zu 20–24 und 1 zu 12 — also insgesamt 66 Segel — betrug. Wilhelm V., der 1766 die Regierung selbständig übernahm, versuchte den Bau der längst als notwendig erkannten Schiffe durchzusetzen, aber erst 1778, als der Krieg zwischen England und Frankreich ausbrach, beschlossen die Provinzen einstimmig, den Bau von 24 Linienschiffen (aber noch von 50 Kanonen an aufwärts gerechnet).

Im September 1780, also kurz ehe England den Krieg an Holland erklärte, war man wegen Mangels an Geld und Mannschaften nur imstande, von dem eben angeführten geringen Bestande 8 Schiffe zu 60–71 Kanonen, 10 zu 50–54, sowie 11 Fregatten von 36–44 und 20 kleinere Fahrzeuge in Dienst zu stellen. Der seit 1778 begonnene Bau von neuen Schiffen ging infolge Geldmangels und zu geringer Leistungsfähigkeit der Werften nur langsam vorwärts; erst 1783, vor dem Friedensschluß, zählte Holland im Bestande 9 Schiffe zu 70–76 Kanonen, 23 zu 60–64, 14 zu 50–54, 26 zu 36 bis 40, 12 zu 20 und 56 kleinere Fahrzeuge (Kutter, Advijsjagden und Küstenfahrzeuge). Um diese in Dienst zu stellen, wären 31000 Mann nötig gewesen; wirklich in Dienst waren jedoch nur 11 Linienschiffe über 60 Kanonen, 11 über 50, 21 schwere Fregatten, 11 Korvetten, sowie sämtliche kleineren Fahrzeuge mit einer Gesamtbesatzung von 19000 Mann. Man beabsichtigte die ganze Flotte mobil zu machen, aber infolge des Waffenstillstandes kam es nicht mehr dazu. Der Verlust an Schiffen im Kriege betrug 4 Schiffe von 50–64 Kanonen und 5 von 16–38; 7 dieser Fahrzeuge waren vom Feinde genommen.

Die bewaffnete Neutralität der Ostseemächte verpflichtete sich, an Seestreitkräften bereit zu halten:

Schiffe mit Kanonen 70–76 60–66 40–50 20–38
Rußland   3 16   6   9
Dänemark   6   6   4   9
Schweden   6   8   3 11
Gesamt 15 30 13 29
45 Linienschiffe.

England hatte 1775 einen Schiffsbestand[119]: von 131 Linienschiffen: 4 zu 100 Kanonen, 17 zu 90 und 98, 99 zu 64–80, 11 zu 60, 16 Schiffe[223] zu 54 und 4 zu 44; an Fregatten: 38 zu 32 und 36 Kanonen, 24 zu 28, 7 zu 24, 13 Schiffe zu 22 und 20, 38 Sloops zu 8–18 Kanonen. Insgesamt 269 Segel, zu denen noch eine große Zahl kleinerer Fahrzeuge (cutter, adviceboats) traten. Der Verlust im Kriege betrug 13 Linienschiffe (nur eins fiel in Feindeshand), 57 Schiffe von 20–50 Kanonen (16 genommen) und 100 Sloops sowie kleinere Fahrzeuge (50 in Feindeshand). Aber wiederum vermehrte England während des Krieges seine Flotte derart, daß um 1788 174 Linienschiffe und insgesamt 450, ja mit Einschluß der ganz kleinen Fahrzeuge 650 Segel vorhanden waren.

Hervorzuheben ist dabei, daß der Zuwachs an Linienschiffen vorwiegend in solchen zu 74 Kanonen (etwa 40 solcher) bestand; ferner waren die Schiffe zu 44 und 50 Kanonen (auch etwa um 40), sowie die Fregatten mit über 30 Kanonen (etwa um 50) besonders vermehrt. Die englischen Seeoffiziere zeichneten sich vor den französischen besonders durch seemännische Geschicklichkeit und Erfahrung, sowie infolge der vorhergegangenen siegreichen Kriege durch Kühnheit und Selbstvertrauen aus. Für die Mannschaften war gleichfalls vorzügliches Material vorhanden, hier aber trat im Gegensatz zu Frankreich bei Beginn des Krieges, wie auch früher stets, Mangel zutage, weil viele Seeleute mit den Handelsschiffen abwesend waren; es mußte beim Pressen auf minderwertiges Personal zurückgegriffen werden.

Wenn wir den Vergleich der Seestreitkräfte (vgl. Kapitel II, Seite 33) nochmals zusammenfassen, so ergibt sich, daß die Vorteile für Frankreich und Spanien aus den neueren und besseren Schiffen durch die Tüchtigkeit der englischen Besatzungen mehr als aufgewogen wurden; auch führte England während des Krieges die Kupferung der Schiffe allgemein durch und erreichte damit eine annähernd gleiche Geschwindigkeit dieser in den Flotten. An Schiffszahl aber konnte England in diesem Kriege nicht überlegen auftreten. Sein Gesamtschiffsbestand war zwar 1778 dem der vereinigten Gegner gleich und überwog ihn 1783 bedeutend. Aber in keinem Kriegsjahre hat England auch nur annähernd so viel Schiffe in Dienst gestellt, wie der Bestand aufwies, während Frankreich und Spanien dies taten.

Es ist möglich, daß England durch Mangel an Geld, Material und Leuten beschränkt wurde, wahrscheinlicher ist es jedoch, daß der Gesamtbestand eine große Zahl von Fahrzeugen enthielt (namentlich unter den Linienschiffen[120], die nicht mehr kriegsbrauchbar waren; ein Umstand, der bei den neugegründeten Marinen der Gegner fortfiel. Da nun Englands Strategie — häufig als unrichtig beurteilt — in diesem Kriege dahin strebte, auf allen Kriegsschauplätzen stets einem Angriff gewachsen zu sein, waren die Verbündeten in den europäischen Gewässern immer und auch auf den überseeischen Schauplätzen bisweilen die Stärkeren. Man hatte in England vor[224] diesem Kriege, obgleich er lange vorauszusehen war, den schon weit früher von Marineautoritäten aufgestellten Grundsatz aus dem Auge gelassen, die Marine stets der vereinigten Seemacht der beiden bourbonischen Königreiche gewachsen zu halten.

Eine Zusammenstellung der Indiensthaltungen während der Kriegsjahre möge Vorstehendes veranschaulichen. Die Angaben über England sind einer Tabelle aus Colomb, „Naval Warfare“, Seite 366 entnommen. Es ist die einzige ihrer Art, die in den Quellen zu finden war, und auch sie ist nach Angabe des Autors nur im allgemeinen genau, da infolge von Konvoibegleitungen, Ablösungen ausbesserungsbedürftiger Schiffe usw. beständig Verschiebungen vorkamen. Über Frankreich und Spanien war keine solche Zusammenstellung zu finden (mit Ausnahme der Angabe über Frankreich für das Jahr 1700, welche Lacour II, Seite 305 entnommen ist); wir mußten die Zahlen nach den Angaben über die bei kriegerischen Ereignissen zur Verwendung gelangten Schiffe annähernd errechnen.

Die so geschätzten Zahlen werden zu niedrig sein, denn wie bei England die Gesamtzahl der Schiffe auf den Stationen stets weit größer ist als die bei den großen Unternehmungen genannte, ist es auch bei den Verbündeten der Fall; auf beiden Seiten wurde eine gewisse Zahl von Linienschiffen durch Ablösungsfahrten, Handelsschutz und Handelskrieg, Schutz der Häfen usw. der Verwendung in den großen Schiffsverbänden entzogen. Immerhin werden die Angaben einigermaßen zu einem Vergleiche der von beiden Seiten aufgestellten Seestreitkräfte dienen können.

Englands Seestreitkräfte (Linienschiffe).
Heimische Gewässer Mittelmeer Westindien1) Nordamerika2) Ostindien Insgesamt
1778:    48 1 14 12   2   77
1779:    43 2 30 10   8   93
1780:    43 2 33 17   8 102
1781:    39 1 44 19 12 115
1782:    35 1 59 12 22 129

1) In Westindien waren zwei Stationen besetzt: die Kleinen Antillen (Barbados) und Jamaika; letztere war im allgemeinen die weit schwächere.

2) In Nordamerika lag der Schwerpunkt der Station in New York, doch war auch Halifax besetzt.

Streitkräfte der Verbündeten.
Brest bzw.
spanische Küste
Toulon bzw.
Mittelmeer
Westindien1) Nordamerika Ostindien Insgesamt2)
1778 Frankreich 32 5 23   2 62
1779 Frankreich 30 5 25   2 62 118
Spanien 38 18 56
1780 Frankreich 27 4 27 7   5 70 123
Spanien 35 18 53
1781 Frankreich 26 ? 29 8 11 74 125
Spanien 32 3 15 50
1782 Frankreich 15(min.) ? 36 13 64(?) 109(?)
Spanien 35 20 55

1) Die französische Flotte Westindiens trat auch in Nordamerika auf.

2) Zu diesen Zahlen sind nach oben Gesagtem sicher noch einige zuzurechnen. So gibt Campbel (Band 7, Seite 94) für Frankreich 1782 als in Dienst befindlich 89 Linienschiffe an; diese Zahl erscheint allerdings viel zu hoch, während anderseits die für dieses Jahr von uns angegebene wahrscheinlich sehr gering bemessen ist.

[225]

Die Vereinigten Staaten von Nordamerika[121] schufen während des Krieges eine kleine Marine; der 22. Dezember 1775 gilt als ihr Geburtstag. Der Kongreß befahl am 5. Oktober 1775 dem General Washington, zwei vor Massachusetts zum Kreuzen gegen Zufuhren der Engländer ausgerüstete Fahrzeuge in den Dienst der Allgemeinheit zu nehmen, um zwei mit Waffen und Munition erwartete Schiffe abzufangen, da dem Landheere besonders Pulver fehlte. Am 13. Oktober wurde dann eine Kommission eingesetzt, um die Ausrüstung von weiteren vier Fahrzeugen in die Wege zu leiten, und im November beschloß man, durch Aufbringen von englischen Kriegs- sowie Handelsschiffen den Krieg auch zur See zu führen.

Die Kommission ward dann zur festen Behörde für Angelegenheiten der Marine und erließ organisatorische Bestimmungen für eine solche; am 11. Dezember ordnete man den Bau von 5 Schiffen zu 32 Kanonen, 5 zu 28, 3 zu 26 an, die im März 1776 seeklar sein sollten. Sechs dieser Schiffe sind niemals in See gegangen, sie wurden schon in den Bauhäfen von den Engländern zerstört. Gleichzeitig wurden geeignete Handelsschiffe zu Kriegszwecken eingerichtet — 2 Vollschiffe zu 20 und 24 Kanonen, 2 Briggs, 1 Sloop und 2 Schoner — und am 22. Dezember 1775 die Offiziere für diese ernannt, nämlich ein Kommodore, 4 Kapitäne, 5 Leutnants I. Klasse (unter diesen der bald berühmte John Paul Jones), 8 II. Klasse. An einem der nächsten Tage heißte auf dem Flaggschiff „Alfred“ der erste Offizier (Jones) eigenhändig die neue Flagge: 13 Streifen, abwechselnd rot und weiß, mit dem britischen Union Jack[122]. Das kleine Geschwader konnte jedoch des Eises wegen nicht vor dem 17. Februar 1776 zum ersten Male in See gehen (zu einer Expedition gegen die Bahamainseln). Die 8 Fahrzeuge führten insgesamt 110 Kanonen, als schwerste aber nur 9-Pfdr. Zu Offizieren hatte man meist Personen ernannt, die sich schon auf den kleinen Kreuzern der Küstenstaaten ausgezeichnet hatten, unter den Mannschaften befanden sich dagegen viele Nichtseeleute, da die seemännische Bevölkerung den Dienst auf Freibeutern vorzog.

Als die Unabhängigkeitserklärung am 4. Juli 1776 erfolgte, zählte die Marine 24 Fahrzeuge aller Größen bis zur schweren Fregatte (32 Kanonen) mit 422 Geschützen. Während der Kriegsjahre wurde sie nach Kräften durch Neubau, Kauf und Einstellung genommener Fahrzeuge vermehrt, aber fast alle Schiffe fielen dem Feinde in die Hände, wurden vernichtet oder gingen sonst verloren; beim Friedensschluß waren nur noch 3 größere Schiffe mit insgesamt 84 Geschützen vorhanden. Der Verlust[123] betrug[226] 3 Schiffe zu 40–44 Kanonen, 13 zu 28–32, 6 zu 20–26, 11 zu 12–14 und 6 zu 4–10. Rühmend heben amerikanische Quellen hervor, daß kein Kriegsfahrzeug von englischen Freibeutern genommen sei, während amerikanische Freibeuter 16 englische Kriegsschiffe genommen hätten.

Verwendung fand die Marine nur in Verbindung mit Operationen am Lande sowie im Kleinen Kriege; die Angaben über die Größe der Schiffe machen dies selbstverständlich. Nach dem Kriege wurden die noch vorhandenen Fahrzeuge verkauft, da die öffentliche Meinung gegen jede stehende Waffe als eine monarchische Einrichtung war und auch deren Kosten scheute. Erst 1794 gaben die Schäden, die der Seehandel durch die Barbaresken erlitt, Anlaß zur Gründung einer neuen Marine.

Der Krieg in Nordamerika bis 1778[124].

Das Jahr 1775 verlief für England ungünstig. Dies hatte in Friedenszeiten in den Kolonien stets nur wenig Truppen, schwache Garnisonen in einigen Städten sowie in den kleinen Forts, und selbst als die Lage bedenklich wurde, sandte man nur geringe Verstärkungen hinaus, obgleich die Kolonien 1775 schon gegen 2 Millionen weiße Einwohner zählten. Es war für England auch nicht leicht, sofort größere Kräfte aufzubieten.

Die englische Landarmee betrug 1774 nur 17500 Mann — die Flotte war mit 20000 Seeleuten bemannt; für 1775 waren gar nur 18000 ausgeworfen —, für 1776 bewilligte das Parlament 55000 Soldaten, für die Marine 28000 Mann, von denen die größere Zahl nach Amerika bestimmt war, aber man vermochte sie nicht aufzustellen, da die Werbungen in Großbritannien und Irland wenig Rekruten brachten. Nur unter Entblößung der Heimat konnte man die nötigsten Verstärkungen hinaussenden, und der Kriegsminister empfahl, die aufständischen Kolonien allein durch Vernichtung ihres Handels sowie Zerstörung der Küstenstädte mürbe zu machen. Hiervon wollte jedoch der König nichts wissen, sondern kaufte für 1776 etwa 18000 Soldaten von den kleinen deutschen Fürsten; in den nächsten Jahren bis zu 25000 insgesamt. Als Kurfürst von Hannover sandte er ferner 2300 Hannoveraner nach Gibraltar und Minorca zur Ablösung englischer Regimenter. Auf diese Weise wurden noch mehr Truppen aufgestellt, als das Parlament bewilligt hatte, zum Teil aus Mitteln, die Korporationen und Private zur Verfügung stellten. — Wie Friedrich der Große über den Menschenhandel in Deutschland dachte, zeigte sein Ausspruch: „Es sei billig, wenn er für die durch sein Land ziehenden Soldaten den Viehzoll erhebe, da sie doch wie Vieh verkauft wären.“

Gefechte bei Lexington und Bunkershill. Als General Gage im Frühjahr den Gouverneursposten in Boston übernahm, hatte er nur etwa[227] 3500 Mann zur Verfügung, während in Massachusetts schon 12 000 Mann unter Waffen standen und eifrig weiter gerüstet wurde. Bei Concord, etwa 6 Stunden von Boston, war ein Magazin eingerichtet; um es aufzuheben, entsandte Gage Mitte April 800 Mann. Diese Truppe wies zwar auf dem Hinmarsche eine kleine Abteilung Milizen blutig ab, die sich ihr in den Weg stellte, und führte ihren Auftrag aus, wurde aber auf dem Rückmarsch durch große Scharen der durch das erste Blutvergießen erregten Bevölkerung bei Lexington am 19. April angegriffen, verlor 65 Tote, 180 Verwundete sowie 28 Gefangene und würde vernichtet worden sein, wenn ihr nicht von Boston 16 Kompagnien zu Hilfe gekommen wären. Dieses Gefecht gilt als der Anfang des Krieges; Gage erklärte das Kriegsrecht, mußte sich aber in Boston verschanzen, da die Stadt von jetzt an durch die Amerikaner eingeschlossen wurde.

Am 24. Mai trafen nun zwar die Generale Howe, Clinton und Burgoyne mit Truppen ein, wodurch das Heer auf 10000 Mann kam, unternahmen aber noch nichts. Dagegen erlitten die Engländer eine neue Niederlage. Als sie auf der durch den Charles-River von Boston getrennten Landzunge eine die Stadt beherrschende Höhe — Bunkershill — befestigen wollten (jetzt erst!), kamen ihnen die Gegner zuvor. Die von diesen am 16. Juni angelegte Befestigung wurde nun allerdings am 17. Juni von den Engländern genommen, aber der Angriff kostete ihnen, trotz Unterstützung durch das Feuer ihrer Kriegsschiffe, 1054 Mann, einschließlich 89 Offiziere, an Toten und Verwundeten, während die Amerikaner nur 449 Mann einbüßten und sich — wegen Munitionsmangels — in guter Ordnung zurückzogen. Nun trat George Washington an die Spitze des amerikanischen Heeres und brachte es auf 20000 Mann, aber die Disziplin ließ sehr viel zu wünschen übrig, und es mangelte an Kriegsmaterial jeder Art. Die Engländer, über die im Oktober Sir William Howe den Oberbefehl übernahm, versuchten nicht einmal, die Linie der Belagerer zu durchbrechen, obgleich diese später kaum 9000 Mann zählten, als die Milizen heimgingen, die ihren Dienst hinter sich hatten; sie hofften, durch verschärfte Maßregeln — Beschlagnahme aller amerikanischen Schiffe und Waren, sowie Blockade aller Häfen — die Kolonien zum Nachgeben zu zwingen.

Vordringen der Amerikaner gegen Kanada. In dem eben begonnenen Kriege war für beide Parteien die Hudsonlinie wichtig, die fast ununterbrochene Wasserstraße, die durch den Hudson, den George-, den Champlainsee und endlich den Richelieu-River von New York bis zum St. Lawrencestrom unterhalb Montreals gebildet wird. In der größtenteils noch unwegsamen Gegend bot sie den Weg für amerikanische Angriffe auf Kanada sowie für englische von dort; von den Engländern völlig beherrscht, setzte sie diese in den Stand, die gefährlichsten Kolonien — die Neuenglandstaaten — von den weniger feindseligen mittleren abzuschneiden. Deshalb und auch wohl in der Hoffnung, die widerstrebenden Kanadier doch noch herüberzuziehen, bemächtigten sich im Mai die Obersten Arnold und Allen von[228] Massachusetts aus mit nur 270 Mann des Forts Ticonderoga, an der Südspitze, und des Forts Crownpoint am Westrande des Champlainsees.

Von hier aus segelte Arnold in einem Schoner zur Nordspitze des Champlainsees bis zu dessen Ausfluß, dem Richelieu-River, und nahm hier das Fort St. Johns. Halten konnte er sich hier allerdings nicht, da eine starke englische Truppe im Anmarsch war, die der Gouverneur von Kanada, General Carleton, zur Verstärkung der Grenzforts abgesandt hatte, aber er verbrannte vor seinem Rückzuge alle Fahrzeuge im Norden des Sees und sicherte sich so Crownpoint und Ticonderoga. Der Kongreß, der im Mai wieder zusammengetreten war und mit England verhandelte, war zwar anfangs mit diesem Vorgehen nicht einverstanden, gab aber später Washington Befehl, Truppen für einen Einfall in Kanada bereitzustellen. Am 4. September schiffte General Montgomery in Crownpoint 2–3000 Mann ein, nahm Fort Chambly am Richelieu-River und zwang St. John am 3. November zur Übergabe. Er zog dann weiter, besetzte am 13. November Montreal ohne Kampf und ging den St. Lawrencestrom hinab gegen Quebec vor; hier traf er auf Arnold. Dieser war während des Oktober durch die Wälder vorgedrungen, wobei er infolge von Strapazen 500 Mann von 1200 verlor, hatte am 13. November oberhalb Quebec den Strom überschritten und dieselbe Höhe besetzt, die Wolfe 16 Jahre früher erklommen; Carleton zählte nur 1500 Mann und war zu schwach, ihn zu vertreiben. Nach Montgomerys Eintreffen, Anfang Dezember, ward die Stadt eingeschlossen. Zu einer regelrechten Belagerung waren aber keine Mittel vorhanden, und ein Sturm am 31. Dezember, bei dem Montgomery fiel, wurde abgeschlagen. Arnold mußte sich nun begnügen, dem Feinde die Zufuhren vom Lande her abzuschneiden; von See her tat dies das Eis. Die Kanadier zeigten keine Neigung, von England abzufallen.

Das Jahr 1776 brachte gleichfalls einige bemerkenswerte Ereignisse zur See. Auf die Nachricht von dem ersten Blutvergießen bei Lexington bemächtigten sich die Einwohner von Machias (Maine) mittels einer Sloop eines bewaffneten Regierungsschoners, der mit Mastenhölzern beladene Fahrzeuge nach Boston bringen sollte. Sie armierten mit seinen Kanonen die besser segelnde Sloop und nahmen dann zwei Kriegsschoner, die von Halifax zur Verhaftung des Rädelsführers der ersten Gewalttat geschickt waren. Diese drei Fahrzeuge ließen sie gegen Schiffe kreuzen, die den Engländers in Boston Proviant und Material brachten. In ähnlicher Weise wurde bei Rhode-Island ein Kriegsschoner genommen, dessen Kommandant wegen seiner Schroffheit beim Durchsuchen von Handelsschiffen verhaßt war. Wie Maine sandten auch Massachusetts und Rhode-Island kleine Kreuzer gegen die englischen Zufuhren aus; bald nahm der Kongreß diesen Kaperkrieg in die Hand (vgl. Seite 225). Besonders erwünscht war das Abfangen von Transportern mit Munition, da die eigenen Milizen hieran Mangel litten.

[229]

Diese Kreuzfahrten hatten mehr Erfolg[125] als man glauben sollte. Allerdings kamen die englischen Zufuhrschiffe ohne Deckung, und es ist kaum verständlich, weshalb die Engländer sich nicht besser vorsahen, da sie doch in Boston ganz auf Zufuhren von See her angewiesen waren. Wie stark ihre Seestreitkräfte an der Küste waren, ist leider nirgend zu ersehen, nur Laird Clowes sagt, sie seien weder stark genug noch geeignet gewesen, ihre Aufgabe zu erfüllen, und erst im Oktober habe der Chef der Station, Admiral Graves, den Befehl erhalten, seinerseits amerikanische Handelsschiffe aufzubringen. Um diese Zeit wurden schroffe Maßregeln ergriffen und zu diesen gehörten Expeditionen gegen Küstenstädte, die Feindseligkeiten begangen hatten. So bombardierte Kapitän Mouatt mit 4 Kriegsschiffen am 16. Oktober Falmouth (jetzt Portland; Maine) und legte es in Trümmer; später wurden noch andere Städte beschossen, z. B. Norfolk in Virginia, das den Gouverneur vertrieben hatte.

Die Kunde von der barbarischen Beschießung der offenen Stadt Falmouth traf am 31. Oktober gleichzeitig mit der Nachricht in Philadelphia ein, daß England deutsche Truppen angeworben habe. Beides erhöhte die Erbitterung in den Kolonien, so daß der Kongreß beschloß, eine Marine zu schaffen und den Krieg auch zur See zu führen.

Das Jahr 1776 brachte zunächst die Räumung Bostons. Die bisherige Untätigkeit der Engländer hatte den Amerikanern Zeit zur Durchführung ihrer Rüstungen gegeben; durch die von den Freibeutern gemachten Prisen hatten sie Waffen und Munition erhalten. Im März fühlte sich Washington stark genug, gegen Boston vorzugehen; Howe mußte, da Freibeuter und Winterstürme die Zufuhr an Lebensmitteln abschnitten, am 17. März die Stadt aufgeben. Er segelte auf 150 Fahrzeugen mit 7–8000 Mann nach Halifax ab, und etwa 1500 englisch gesinnte Einwohner schlossen sich ihm aus Furcht vor der Rache ihrer Landsleute an. Er überließ dabei dem Gegner ansehnliche Kriegsvorräte und später fielen diesem auch noch viele mit solchen beladene Schiffe in die Hände, die ohne Kenntnis von dem Abzuge der Engländer einliefen. Howe wollte in Halifax die Ankunft einer großen Verstärkung abwarten, die von England in Aussicht gestellt war.

Der Kriegsplan für 1776 war, mit der Hauptarmee von New York aus den Hudson hinauf nach Albany vorzugehen, bis wohin der Fluß schiffbar war, und dort einem von Kanada aus über die Seen geführten Angriff die Hand zu bieten. Außerdem war ein kleinerer Vorstoß gegen die Carolinastaaten geplant, da man hoffte, diese beiden südlichen Kolonien mit Unterstützung der zahlreichen Englandfreunde dort leicht wieder gewinnen zu können; wie aus Virginia hatten auch aus Nord- und Südcarolina die Gouverneure flüchten müssen. Im Laufe des Sommers trafen gegen 30000 Mann, darunter die deutschen Truppen, ein, so daß England einschließlich der kanadischen Milizen und der Loyalisten über etwa 40000 Mann verfügte. Gleichzeitig wurden die Seestreitkräfte vermehrt und unter den Befehl des Vizeadmirals[230] Sir Richard Howe, eines Bruders des Generals Sir William Howe, gestellt; an schwereren Schiffen sandte man den Küstenverhältnissen entsprechend nur kleinere Linienschiffe zu 64 Kanonen und 50-Kanonenschiffe hinaus. Zahlreich scheint die Verstärkung nicht gewesen zu sein, denn noch 1777/78 verfügte Howe nur über 7 oder 8 der ersteren und 6 oder 7 der letzteren an der ganzen nordamerikanischen Küste einschließlich Kanadas. Vor Darstellung der Begebnisse auf den verschiedenen Kriegsschauplätzen, auf denen überall Seestreitkräfte mitwirkten, sei das Nötigste über den Fortgang der politischen Verhältnisse gesagt.

Die Unabhängigkeitserklärung der Kolonien war schon im Mai 1775 auf dem Kongresse angeregt, und im Februar 1776 wurden sämtliche Provinzialversammlungen aufgefordert, ihren Deputierten beim Kongreß Vollmacht zur Zustimmung zu geben, als Franklin im Mai von England heimkam, Nachrichten über die schroffe Haltung des Parlaments sowie der maßgebenden Kreise dort mitbrachte und Mitglied des Kongresses ward, wurde es ihm leicht, diese Angelegenheit zu fördern. Die Zerstörung der Küstenstädte, die Anwerbung deutscher Truppen, maßlose Ausfälle der englischen Presse hatten die Erbitterung weiter geschürt, während anderseits die leicht erlangte Räumung Bostons sowie die Aussicht auf Frankreichs Unterstützung die Zuversicht hoben. Eine Kolonie nach der anderen entschied sich für die Lossagung vom Mutterlande. Ende Juni waren zwar die Deputierten von New York, Delaware, Pennsylvanien und Südcarolina, in welchen Provinzen besonders viele Loyalisten wohnten, noch nicht gewonnen, aber der Kongreßausschuß, der die Angelegenheit bearbeitete — Jefferson, Adams, Franklin, Sherman und Livingston —, wußte geschickt den Widerstand zu besiegen: Carolina fügte sich; Delaware sandte noch einen Deputierten, der für den Abfall stimmte; zwei Abgeordnete Pennsylvaniens blieben der Abstimmung fern.

So erhielten die Befürworter der Unabhängigkeit Stimmenmehrheit, und die von Jefferson entworfene Declaration of Independance ward in Abwesenheit der Abgeordneten New Yorks am 4. Juli 1776 einstimmig angenommen; aber auch die New Yorker unterzeichneten nachträglich. Man schickte nun die Gesandtschaft nach Frankreich, um sich dessen Beistand zu sichern, denn ein gewagter Schritt blieb der Abfall immerhin. Zwar rechnete man auf die Stimmung bei einem Teil des englischen Volkes und mit der Schwierigkeit der Kriegführung für England in dem schwer zugänglichen Innern der Kolonien, aber die eigenen Verhältnisse lagen auch nicht günstig. England hatte noch viele Anhänger und die übrigen Einwohner waren größerenteils zu Opfern an Gut und Blut wenig geneigt; für regelrechten Kriegsdienst waren sie weder begeistert noch geeignet, und als Milizen gingen sie heim, wenn sie ihrer zwölfmonatlichen Verpflichtung genügt hatten. Es fehlte an Mitteln; bares Geld war an und für sich wenig im Lande, etwa nur 12 Millionen Dollars, und dem Kongreß fehlte vorläufig jede gesetzliche Grundlage. Man suchte sich mit Beschlagnahme des Vermögens von Verrätern und Verdächtigen zu helfen und gab Papiergeld aus, aber die erste Quelle versiegte[231] schnell und das Papiergeld fiel bald im Werte[126]. Die Preise aller Waren stiegen; es fehlte an Kleidung, Waffen und Unterhaltungsmitteln für das Heer. Washington und seine Freunde kamen mehr und mehr zur Erkenntnis, daß nur die Ausnutzung der weiten, wenig bevölkerten Gebiete und die Aushungerung der Engländer den Freiheitskampf so lange hinhalten konnten, bis irgendwelche Hilfe kam. Die meisten dieser ungünstigen Zustände erhielten sich bis zum Ende des Krieges, und man kann wohl mit Recht sagen, daß die Freiheit Amerikas nicht durch den Heldenmut des Volkes, sondern durch die Einsicht, Tatkraft und Aufopferung einer kleinen Zahl hervorragender Männer sowie durch die Hilfe Frankreichs errungen ist.

Der Angriff auf Charleston (Südcarolina) 28. Juni 1776. Zuerst setzten die Engländer die Expedition gegen Carolina ins Werk. Im Januar 1776 segelten 2 50-Kanonenschiffe, 4 Fregatten zu 28 Kanonen, 4 kleinere Fahrzeuge und ein Mörserboot unter Kommodore Sir Peter Parker nebst 1000 Soldaten unter Lord Cornwallis von England und trafen nach stürmischer Überfahrt im Mai bei Kap Fear (Nordcarolina) ein. Hier befand sich bereits General Sir Henry Clinton, der von Howe im Januar mit 2000 Mann dorthin gesandt war. Bei seiner Ankunft hatten sich die Loyalisten zu erheben versucht, wurden aber von den Aufständischen niedergehalten, und Clinton fühlte sich nicht stark genug, in das Land einzudringen. Bei Ankunft der Verstärkung aus England übernahm er den Oberbefehl und beschloß, Charleston anzugreifen. Die Expedition segelte am 1. Juni weiter, ankerte am 4. außerhalb der Barre vor der Einfahrt zur genannten Stadt, passierte die Barre vom 7. bis 10. Juni, griff am 28. das Fort Moultrie an, das die Einfahrt deckte, vermochte es jedoch weder von See her niederzukämpfen noch von Land aus zu erstürmen.

Der Verlauf des Angriffes war kurz folgender. (Nach Colomb, Seite 417, mit Plan, und Clowes III, Seite 372, dort sehr eingehend.) Die Haupteinfahrt, der Mainshipchannel, führt zunächst zwischen einer langgestreckten nur an ihrem Südende passierbaren Barre, und Morris-Island etwa fünf Seemeilen nördlich und wendet sich dann zwischen der Nordspitze genannter Insel und Sullivan-Island, nahe unter dieser, nach Westen der Stadt zu. Diese engste Stelle der Einfahrt ist noch etwa 4 Seemeilen von der Stadt entfernt und wurde damals nur durch ein Werk auf Sullivan-Island beherrscht — später nach seinem jetzigen Verteidiger Fort Moultrie genannt. Das Fort besaß Bastionen auf den vier Ecken, die Wälle bestanden aus Sand und waren mit zusammengefügten Palmstämmen bedeckt. Nur die Hauptfront, die nach Süden die Einfahrt bestrich, und die Westfront waren fertig, die beiden anderen erst notdürftig gegen Ersteigen gesichert. 28 Geschütze (18- und 9-Pfünder) waren aufgestellt und zwar 21 in der Hauptfront; eine von Osten nach Westen laufende Traverse deckte diese gegen Rückenfeuer, doch ein Schutz gegen Enfilieren war nicht vorhanden und die Munition war sehr knapp. Letzterer Umstand war jedoch den Angreifern nicht bekannt. Parker ließ die tiefste Stelle der Barre ausloten und ausbojen; dann erfolgte die Durchfahrt, die Fregatten und die Transporter ankerten am 7. Juni innerhalb der Barre, ein 50-Kanonenschiff folgte erst am 10., da es zur Erleichterung Geschütze hatte abgeben müssen, das zweite 50-Kanonenschiff war noch nicht eingetroffen.

[232]

Vom 9.–15. landete Clinton seine Truppen auf Long Island, einer Insel, unmittelbar nördlich von Sullivan-Island. Man beabsichtigte, das Fort aus den Schiffen zu beschießen und vom Lande her zu erstürmen. Die Wasserrinne zwischen den Inseln war aber selbst bei niedrigstem Wasserstande noch 7 Fuß tief, und da man keine Mittel zum Überschreiten hatte, genügte ein kleiner, in niedrigem Gestrüpp liegender Trupp Amerikaner, jede Mitwirkung der Gelandeten beim Angriff zu verhindern. Die Verteidiger fanden noch Zeit, ihre Befestigungen zu verstärken, denn der Angriff erfolgte erst am 28., da das zweite schwere Schiff nicht vor dem 26. zur Stelle war und am 27. ungünstiger Nordwind wehte.

Am genannten Tage legten sich die 50-Kanonenschiffe sowie 2 Fregatten um 11 Uhr vorm. auf etwa 330 Meter Entfernung in Linie parallel der Hauptfront und eröffneten ein schnelles, gutgerichtetes Feuer; sie wurden durch das Mörserboot unterstützt. Die Entfernung war jedoch zu groß, um Kartätschen verwenden zu können; die Vollkugeln drangen nicht durch den Wall, wenn auch zuweilen 3 bis 4 gleichzeitige Breitseiten diesen so erschütterten, daß die Verteidiger fürchteten, er würde nach innen fallen; die Bomben des Mörserbootes richteten keinen Schaden an, da sie entweder tief in den Sand eindrangen oder in einen Morast im Innern des Werkes fielen. Das Mörserboot wurde überhaupt bald durch Zusammenbrechen seiner Geschützbettung gefechtsunfähig. Die Amerikaner unterhielten ein ruhiges, mit Rücksicht auf den geringen Munitionsbestand sehr langsames Feuer nur auf die 50-Kanonenschiffe, welche sehr in der Takelage beschädigt wurden und starke Mannschaftsverluste erlitten. Die beiden anderen Fregatten sowie eine Sloop hatten das Fort passieren und im Westen desselben ankern sollen, um die kämpfenden Schiffe gegen Branderangriffe von der Stadt her zu decken und um die Hauptfront zu enfilieren. Sie liefen jedoch sämtlich auf einer Bank in der Mitte des Fahrwassers auf; zwei von ihnen kamen nach einigen Stunden bei steigendem Wasser frei, aber eine Fregatte mußte verbrannt werden, als der Kampf aufgegeben wurde. Nach Aussage der Verteidiger würden ihre Leute von den Geschützen vertrieben sein, wenn diese Schiffe die richtige Stellung eingenommen oder wenn die anderen Kartätschen hätten verwenden können. So verloren sie nur durch einige Schartentreffer 37 Tote und Verwundete, während der englische Verlust 94 Mann betrug; Parker wurde leicht, sein Flaggkapitän tödlich verwundet. Nach Eintritt völliger Dunkelheit, 9 Uhr abends, brach der Kommodore den Kampf ab und ging auf seinen Ankerplatz an der Barre zurück.

Parker hat wohl auf einen leichteren Erfolg und auch bis zuletzt auf Mitwirkung der Gelandeten gerechnet. Es wäre gar nicht nötig gewesen, das Werk zu nehmen, um nach Charleston zu gelangen. Bei dem Angriff 1780 liefen die Schiffe ohne Schwierigkeit an dem Fort vorbei und auch bei dieser Gelegenheit hatten die Verteidiger ein Gleiches erwartet.

Der Angriff wurde nicht erneuert, da die Schiffe sehr beschädigt und die Munitionsvorräte fast erschöpft waren. Es wurde auch sonst kein Versuch gemacht, sich ohne Rücksicht auf das Fort der Stadt zu bemächtigen; die Führer erachteten doch wohl das Landungskorps für zu schwach, um sich in der Kolonie halten zu können, da in dieser zahlreiche Milizen unter General Lee zusammengezogen waren. Die Expedition segelte nach der nötigsten Ausbesserung der Schiffe wieder ab und traf gerade rechtzeitig am 4. August vor New York ein, um an der Einnahme dieser Stadt teilzunehmen.

Der Angriff der Engländer von Kanada aus, 1776[127], hatte mehr Erfolg. Im April ward General Carleton aus seiner gezwungenen Untätigkeit in[233] Quebec erlöst. Am 12. traf ein kleines Geschwader unter Kapitän Charles Douglas mit einigen Transportern an der Mündung des St. Lawrencestromes ein. Er preßte seine Schiffe durch das mürbe gewordene Eis den Fluß hinauf und erschien am 6. Mai vor der Stadt. Die Amerikaner hatten während des Winters unter Entbehrungen und Krankheiten schwer gelitten und Arnold verfügte nur über 1500 Mann. Carleton drang nun vor und Arnold wich langsam zurück; er traf am 3. Juli in Crownpoint ein, die Engländer folgten bis St. Johns. Sie wollten auf der Hudsonlinie bis Albany vorgehen, um hier dem Vorstoß von New York aus die Hand zu reichen; dies erschien durchführbar, da das Heer in Kanada mit dem Eintreffen der großen Verstärkungen aus Europa Ende Oktober fast 13000 Mann betrug, während die Amerikaner nur schwache Kräfte bei Crownpoint stehen hatten. Aber der Marsch an den Ufern des Champlainsees war wegen der völligen Unwegsamkeit des Geländes unmöglich, man mußte den Wasserweg wählen. Dies führte zu einem Kampfe um den See, und hierfür schufen sich beide Parteien eine Flottille. Bei ihrem Rückzuge hatten die Amerikaner sämtliche Fahrzeuge vom Norden mit sich genommen, so auch einen englischen Schoner aus St. Johns; vorläufig beherrschten sie den See.

Die Flottillen auf dem Champlainsee. Arnold hatte durch Briefe schon während seines Rückzuges den Bau von Fahrzeugen vorbereitet. Er ließ Schiffszimmerleute, Segelmacher sowie Material von der Küste nach Crownpoint kommen. Zwei Schoner zu 12 Kanonen waren bereits vorhanden; nun wurden noch ein Schoner, eine Sloop zu 10 und 3 Galeonen zu 6–8 und 8 Gondolas zu 3–5 Kanonen gebaut. Die 15 Fahrzeuge führten insgesamt 88 Geschütze und waren mit 700 Mann, allerdings meist Nichtseeleuten, bemannt. Die Galeren und Gondolas waren Ruderfahrzeuge, erstere auch zum Segeln eingerichtet, und führten ein oder 2 schwerere Geschütze im Bug. Die anderen Fahrzeuge hatten nur wenig schwere Geschütze (12- und 18-Pfünder), meist nur 4-Pfünder oder 9-Pfünder; die Munition war knapp. Die Schoner, die Sloop und 5 Gondolas waren Mitte August bereit.

War es für die Amerikaner schwierig, Material und Personal zu beschaffen, so konnten sie doch in genügend tiefem Wasser bauen. Den Engländern hingegen standen zwar die genannten Bedürfnisse durch das Geschwader in Quebec reichlich zur Verfügung, aber die Aufstellung im See machte Schwierigkeiten. Der Wasserweg von Quebec war für größere Fahrzeuge nur bis Fort Chambly am Richelieu-River, etwa zehn Seemeilen unterhalb St. Johns, schiffbar. Carleton und Douglas ließen nun in Quebec die Hölzer für zwei Schoner vorbereiten, sowie ein schon fertiges Vollschiff von 180 tons wieder auseinandernehmen; dieses Material wurde dann zu Wasser nach Chambly, von dort über Land nach St. Johns gebracht, um hier die Fahrzeuge zusammenzusetzen. Anfang Oktober waren bereit: 1 Schiff zu 18 Kanonen (12-Pfünder); zwei Schoner mit 14 oder 12 (6-Pfünder); 1 floßartiges Blockschiff mit 6 (24-Pfünder), 12 (6-Pfünder), 2 Haubitzen, allerdings ein sehr unhandliches Fahrzeug; 1 Gondola und 12 Boote mit je einem Geschütz, 24-Pfünder bis zum kleinsten Feldgeschütz hinab. Munition war reichlich vorhanden, und unter der 1000 Mann starken Besatzung der Flottille befanden sich 8 Offiziere nebst 700 ausgesuchten Matrosen der Kriegsschiffe in Quebec.

Schon Anfang September erschien Arnold mit 8 Fahrzeugen vor St. Johns, um den Gegner zu beobachten und das Fahrwasser zu sperren, er konnte sich aber hier nicht halten, als die Engländer an den Ufern Batterien errichteten. Er ging deshalb bis etwa 14 Seemeilen südlich des Forts zurück[234] und nahm hinter der Insel Valcour — zwischen Grand-Island und dem Weststrande des Sees, wo jetzt Platsburg liegt — Stellung; hier sammelten sich nach und nach die 15 Fahrzeuge seiner Flottille. Als am 10. Oktober Meldung vom Nahen des Feindes eintraf, riet der nächstälteste Offizier, unter Segel zu gehen und ein Rückzugsgefecht zu führen, um nicht von beiden Seiten angegriffen zu werden; Arnold glaubte jedoch, daß er dann sicher vernichtet werden würde, da der Gegner durch Größe und Schnelligkeit der Schiffe überlegen war. In der engen Straße, in der er sich befand, war er gegen Norden durch eine Untiefe gedeckt, und glaubte bei einem Angriffe von Süden günstige Aussichten für den Kampf zu haben, da fast stets nördlicher Wind wehte, der Gegner also aufkreuzen mußte und seine Fahrzeuge voraussichtlich ohne Ordnung und nur einzeln heranführen konnte. In der Hauptsache kam es auch so.

Gefechte auf dem Champlainsee am 11. und 13. Oktober 1776. Am 11. Oktober in der Frühe passierte Carleton, als seemännischer Führer unter ihm Kommander Pringle mit der englischen Flottille die Straße zwischen Grand- und Valcour-Island bei frischem Nordostwinde. Als er die Amerikaner entdeckte, ging er gegen den Wind zum Angriff vor, aber das Vollschiff vermochte in der Enge kaum zu manövrieren, und das Blockschiff sowie die Gondolas kamen überhaupt nicht zum Kampf. Arnold ging ihm mit einem Schoner und den Galeren entgegen, während die anderen Fahrzeuge in Halbmondformation vor Anker blieben; es entspann sich ein blutiges Gefecht, das von 10 Uhr vormittags bis zum Eintritt der Dunkelheit dauerte. Der vorderste englische Schoner mußte schwer beschädigt zurückgehen, 3 Kanonenboote sanken, und die Engländer verloren gegen 40 Mann. Die Amerikaner büßten den vorgeschickten Schoner, der auf Valcour strandete, eine Gondola und 60 Mann ein, doch waren auch die anderen Fahrzeuge beschädigt und die Munition erschöpft.

Bei Einbruch der Nacht ankerte Carleton in einer die Straße im Süden absperrenden Linie, um am nächsten Tage das Vernichtungswerk zu vollenden oder die feindlichen Schiffe zur Übergabe zu zwingen. Über Land konnten ihre Besatzungen nicht entweichen, da die englische Flottille von Indianertrupps begleitet war, die schon vom Lande her mit Gewehrfeuer in den Kampf eingegriffen und auf Valcour die Leute des gestrandeten Schoners unter den üblichen Martern getötet und skalpiert hatten. Arnold aber führte während der dunkeln Nacht und in nebeligen Morgenstunden seine Schiffe, eins dicht hinter dem anderen, unbemerkt durch die feindliche Linie und erreichte Schuylers Island, einige Meilen südlicher, wo er durch Gegenwind zum Ankern gezwungen wurde. Zwar setzte er noch am selben Tage die Flucht fort, ward aber am 13. Oktober von den Engländern eingeholt und mußte nach hartnäckiger Gegenwehr eine Galere und vier Gondolas verbrennen. Er deckte die Ausführung selbst mit einer Galere und verließ diese erst, als auch sie gut in Brand war; mit den Besatzungen erreichte er trotz der Indianer glücklich Crownpoint. So war zwar die amerikanische Flottille[235] nahezu vernichtet, aber das Vorgehen der Engländer kam doch für dieses Jahr zum Stehen. Die Amerikaner zogen sich nach Ticonderoga zurück; Carleton führte seine Truppen zunächst nach Crownpoint, ging aber dann wieder nach St. John und bezog hier Winterquartiere. Er hielt die Jahreszeit nicht mehr für geeignet, die starke Stellung bei Ticonderoga anzugreifen. Der rechtzeitige Bau der amerikanischen Flottille, die Schwierigkeit, selber eine solche aufzustellen, aber auch wohl der hartnäckige Widerstand Arnolds hatten den Plan der Engländer vereitelt.

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New York und Umgebung.

Der Kampf der Hauptheere um New York, New Jersey und die Narragansett-Bucht (Rhode-Island) 1776 brachte den Engländern bedeutende Erfolge. General Howe traf mit den Truppen aus Halifax am 29. Juni bei Sandy Hook ein und landete am 3. Juli auf Staten Island; am 12. kam Vizeadmiral Howe von England an und bald darauf auch die erwartete große Verstärkung, die das englische Heer auf diesem Kriegsschauplatze auf 24000 Mann brachte; etwa ein Drittel davon bestand aus Hessen. Am 3. August stieß Clinton mit den 3000 Mann der Charlestonexpedition zu ihm. Washington war von Boston mit 18000 Mann herangeeilt und hatte in der Stadt New York sowie auf Long Island eine Verteidigungsstellung eingenommen. Ehe jedoch General Howe die Feindseligkeiten eröffnete, versuchte er nochmals durch ein Manifest an die Bevölkerung sowie durch Verhandlungen mit dem Kongreß die Amerikaner zum Nachgeben zu bewegen; vier Wochen gingen darüber hin, erst gegen Ende August schritt man zum Angriff. Admiral Howe hatte gleich nach seiner Ankunft vier Kriegsschiffe unter Kapitän Hyde-Parker 25 Seemeilen den Hudson hinaufgeschickt, wohl zur gewaltsamen Erkundung; die Schiffe erhielten schweres Feuer von Befestigungen auf beiden Seiten, ließen sich aber dadurch nicht aufhalten.

Die Einnahme von Long Island, 22.–29. August 1776. Die Stadt New York nahm damals nur die Spitze der Insel Manhattan ein, die vom Hudson, hier Northriver genannt, im Westen, dem Eastriver, der Fortsetzung des Long Island-Sound, im Osten, dem Harlemriver, der Verbindung zwischen North- und Eastriver, und von der oberen Bucht von New York im Süden umgrenzt wird; von der letzteren führen die Narrows, die Wasserstraße zwischen Staten- und Long Island, zur unteren Bucht von New York zwischen Staten Island und Sandy Hook. Diese Bucht war in den Händen der englischen Seestreitkräfte, und Staten Island hatte leicht besetzt werden können, da Washington die Insel wegen Mangel an Kräften nicht mehr in den Bereich seiner Stellung gezogen hatte. Am Strande von Manhattan, am North- und am Eastriver waren kleine Forts erbaut und[236] ebenso kleine Redouten im Norden der Stadt zwischen beiden Flüssen. Etwa 18 Kilometer nördlich lagen zwei stärkere Werke am Hudson zur Sperrung des Stromes — Fort Washington am Ost- und Fort Lee am Westufer —, die jedoch bei der Verteidigung der Stadt noch nicht in Betracht kamen. Der Schlüssel der amerikanischen Stellung lag auf Long Island New York gegenüber, wo der Strand den von Manhattan überhöhte. Washington hatte deshalb hier eine Linie von Schanzen angelegt, die sich mit ihren Flügeln an die Narrows und an den Eastriver lehnte; in dieser lag die Hälfte seines Heeres (9000 Mann). Auch Governors Island, eine kleine Insel in der oberen Bucht zwei Kilometer südlich der Stadt, war besetzt, sie flankierte diese Linie.

Am 22. August brachte Howe unter dem Schutze der Kriegsschiffe 15000 Mann nebst 40 Feldgeschützen von Staten Island nach Long Island hinüber. Er ging nach seiner Art sehr behutsam vor, so daß die Truppen, nach und nach auf 25000 Mann verstärkt, erst am 27. der ganzen feindlichen Linie gegenüber in Stellung waren. Die Amerikaner verloren während dieser Tage in Scharmützeln gegen 1500 Mann; Washington ließ sie durch 2000 ersetzen, da er einen Sturm erwartete und erhoffte; Howe leitete aber den förmlichen Angriff ein.

Am 27. versuchte Kommodore Sir Peter Parker mit drei schweren Schiffen und zwei Fregatten in die obere Bucht aufzukreuzen, um die feindliche Linie flankieren oder gar in den Rücken fassen zu können, aber es gelang ihm weder an diesem noch an den beiden nächsten Tagen; am 28. begannen am Lande die Belagerungsarbeiten. Da Washington sich nicht imstande fühlte, hiergegen die Stellung zu halten, führte er in der Nacht des 29. August seine Truppen über den breiten und schnellfließenden Eastriver nach Manhattan und räumte auch Governors Island; die Soldaten eines aus Fischern gebildeten Regimentes leisteten dabei treffliche Dienste. Es war heller Mondschein, und wenn auch ein nebeliger Morgen folgte, so ist es doch kaum verständlich, daß die Engländer weder am Lande noch auf dem Wasser den Abzug bemerkten. Dieser Tadel trifft besonders die Schiffe, denn leicht hätten sie durch Boote mit umwickelten Riemen auch bei Nacht die Wasserstraße beobachten können. Als der Nebel sich hob, sah man gerade die letzten Boote hinüberfahren und feuerte noch einige wirkungslose Kanonenschüsse hinterher.

Nach dem Rückzuge von Long Island nahm Washington eine Stellung am Harlemriver ein, die sich mit ihrem rechten Flügel an Fort Washington am Ostufer des Hudson anlehnte; 4000 Mann blieben in New York. Wieder unterhandelte Howe und traf erst am 13. September Maßnahmen zur Eroberung der Stadt. Er sandte Schiffe gegen die Werke am North- und Eastriver, teils als Diversionen, teils um das Übersetzen der Truppen vorzubereiten; diese litten zwar wie bei der Erkundung im Juli nicht unbedeutend, aber man konnte doch am 15. auf der Ostseite von Manhattan landen, und Washington gewann die Überzeugung, daß die Befestigungen Schiffe bei günstigem Winde nicht an der Durchfahrt aufhalten könnten, und daß daher die Stadt nicht zu halten sei. Wiederum gelang es ihm, die Garnison während der Nacht am Westrande der Insel unbemerkt zur Hauptmacht heranzuziehen[128].

[237]

Howe besetzte nun New York ohne Kampf, befestigte sich hier und nahm am 12. Oktober die Offensive wieder auf. Da er die feindliche Stellung für einen Frontangriff zu stark erachtete, bedrohte er sie durch Vorgehen vom Long Island-Sound aus im Rücken. Diese Bewegungen nötigten Washington zunächst zu einem Frontwechsel und schließlich, Anfang November, zum Rückzuge über den Fluß nach New Jersey hinein; zwischen dem Hudson und dem Sound konnte er sich nicht halten, da beide Wasserstraßen von den englischen Schiffen beherrscht wurden. Aufs neue waren schwere Fregatten an den Forts Washington und Lee vorübergelaufen, die Zufuhren über den Hudson waren aber für sein Heer die wichtigsten. Bei diesem Rückzuge trafen ihn zwei schwere Mißgeschicke. Sein Befehl, Fort Washington rechtzeitig zu räumen, war nicht befolgt; das Werk ward am 16. November vom General Knyphausen erstürmt, wobei 2700 Mann in Gefangenschaft gerieten. Ferner kam auch der Führer einer Heeresabteilung von 7000 Mann seinem Befehl, über den Fluß zu gehen, nicht rechtzeitig nach, sondern blieb im Staate New York.

So war Washington, mit nur 6000 Mann, nicht mehr imstande, eine gute Stellung im Hudsontale bei Westpoint einzunehmen, sondern mußte eilig durch New Jersey bis hinter den Delaware zurückgehen. Um diese Zeit verließ ihn ein Teil der Milizen, deren Dienstzeit abgelaufen war; ebenso ging es dem in New York zurückgebliebenen Korps. Als dieses ihn endlich erreichte und auch noch einige Bataillone von Ticonderoga zu ihm gestoßen waren, zählte sein Heer wieder nur 6000 Mann. Howe besetzte New Jersey bis an den Delaware.

Die Engländer bemächtigten sich ferner noch der Narragansett-Bucht, mit ihren Inseln Rhode-Island, Conanicut und Prudence, sowie der Stadt Newport. Am 1. Dezember 1776 ging ein Geschwader von fünf 50-Kanonenschiffen nebst acht kleineren Fahrzeugen unter Sir Peter Parker mit 7000 Mann unter General Clinton nach dort ab und besetzte Newport am 8. ohne Widerstand. Hierdurch ward den Amerikanern ein wichtiger Ausgangspunkt für ihre Kreuzer gegen die englischen Zufuhren genommen, die Engländer aber gewannen einen vorzüglichen Stützpunkt für ihre Seestreitkräfte. Die Narragansett-Bucht war der geräumigste und sicherste Ankerplatz an der ganzen Küste, zu jeder Zeit ohne Rücksicht auf Ebbe und Flut zugängig; von ihr aus waren die wichtigsten Städte der Kolonien — Boston, New York, Philadelphia — in wenigen Tagen zu erreichen.

Das Jahr 1776 hatte den Engländern also wesentliche Erfolge gebracht. Bei ihrer Überlegenheit kann man diese aber kaum hoch einschätzen, und selbst englische Quellen sagen, daß der Bathorden, den Howe erhielt, nie leichter verdient war. Und noch im Dezember traten Rückschläge ein. Anstatt die Erfolge auszunutzen und gegen Philadelphia vorzugehen, ließ Howe Winterquartiere beziehen und erfreute sich selber der Annehmlichkeiten New Yorks. Der Feind gewann Zeit zur Erholung und Rüstung.

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Der Kongreß hatte eingesehen, daß die Schaffung eines stehenden Heeres nötig sei, und ordnete als Kern eines solchen die Aufstellung einer Anzahl Bataillone an, deren Mannschaften sich auf drei Jahre verpflichteten. Die Offiziere wurden nicht mehr von den Soldaten gewählt, sondern durch die einzelnen Staaten ernannt. Für Offiziere und Soldaten wurden Prämien an Geld sowie Grundeigentum ausgesetzt, aber man verschärfte auch die Dienstvorschriften, und Washington erhielt mit dem Titel Brigadier-General größere Vollmachten. Doch alle diese Beschlüsse trugen nur allmählich ihre Früchte, und es fehlte nach wie vor an Geld.

Washington zog bald aus der Sorglosigkeit der Engländer in ihren Winterquartieren Nutzen. Am 25. Dezember ging er nachts über den eistreibenden Delaware, überfiel bei Trenton drei hessische Regimenter, machte gegen 1000 Gefangene und zog sich wieder zurück. Acht Tage später erschien er nochmals am selben Orte; diesmal aber stieß er auf den tüchtigen General Cornwallis, wich ihm indessen durch einen geschickten Nachtmarsch aus und überraschte bei Princetown vier englische Regimenter, denen er schwere Verluste beibrachte. Die Folge dieser Siege sowie weiterer klug berechneter Bewegungen war, daß Howe seine Truppen mehr auf die Stadt New York, bis nach New Brunswick, zurückzog und Washington im mittleren, hügeligen Teile von New Jersey eine gute Stellung einnehmen konnte, die den Weg von New York nach Philadelphia flankierte.

Für 1777 hielt die englische Regierung an dem Kriegsplane des Vorjahres fest und beauftragte General Burgoyne, der an Carletons Stelle getreten war, wiederum mit einem Angriff von Kanada aus. Burgoyne brach Ende Juni von St. Johns mit 10000 Mann — 8000 Reguläre, darunter viele Braunschweiger, der Rest kanadische Milizen und Loyalisten der Neuenglandstaaten — nebst einer starken Artillerie sowie Indianerhorden auf und erschien am 2. Juli vor Ticonderoga. Die Amerikaner wurden bald zum Rückzuge gezwungen, den sie unter großen Verlusten auf dem Wasserwege antraten und bei dem die englische Seenflottille am 6. Juli den Rest der amerikanischen vernichtete. Die erstere fand ferner nur noch Verwendung zur Schaffung und Deckung eines Nachfuhrdepots auf dem Georgesee; Burgoyne setzte seinen Marsch nicht auf dem Wasserwege fort, sondern drang durch die Wildnis vor. Dies war fehlerhaft, denn er mußte angesichts des allerdings nur schwachen Feindes — anfangs unter Schuyler, später unter Gates — Wege bahnen, Bäume fällen und Brücken über Flüsse, Moräste, Schluchten bauen. Er gelangte erst am 30. Juli nach Fort Edward am Hudson, noch etwa 40 englische Meilen von Albany entfernt. Hier mußte er längere Zeit verweilen, um die Verpflegung sicherzustellen, wobei kleine abgezweigte Abteilungen empfindliche Verluste erlitten; erst Mitte September drang er weiter vor.

Am 19. stieß er bei Stillwater (20 Meilen von Albany) auf General Gates mit 5000 Mann. Das Gefecht blieb zwar unentschieden, aber Burgoyne wurde doch festgehalten und war mit Rücksicht auf die nach und nach erlittenen Verluste, auf viele Kranke sowie Mangel an Proviant genötigt,[239] am 9. Oktober den Rückmarsch nach Fort Edward anzutreten. Man beziffert seine Verluste auf 4000 Mann, worin aber wohl die kanadischen Milizen eingerechnet sind, die ihn nach Stillwater größtenteils verlassen hatten; auch die Indianer waren abgezogen. Am 10. Oktober wurde er bei Saratoga mit nur noch 6–7000 Mann, darunter viele Kranke, vom Feinde eingeschlossen; Gates hatte von Washington bedeutende Verstärkungen erhalten und alle Übergänge über den Hudson vor und hinter den Engländern besetzt. Burgoyne konnte auf Unterstützung von New York her nicht hoffen; seit drei Wochen waren seine Leute auf halbe Rationen gesetzt und dadurch erschöpft, der Proviant reichte nur noch auf 5–6 Tage. Er mußte die Waffen strecken. Besonders wertvoll für den Gegner war die erbeutete Artillerie.

Die Kapitulation bei Saratoga am 17. Oktober 1777 wurde dadurch bedeutungsvoll, daß sie Frankreich auf die Seite der Amerikaner führte. Sie wog reichlich die Erfolge auf, die Howe auf dem anderen Kriegsschauplatze erzielte, und sie würde vermieden sein, wenn dieser General dem Kriegsplane der Regierung entsprechend gehandelt hätte.

Der Angriff auf Philadelphia 1777. Der ausdrückliche Befehl für Howe, den Hudson hinauf vorzudringen und Burgoyne die Hand zu reichen, war zwar in London ausgefertigt, aber nicht rechtzeitig abgesandt worden[129]. Howe hielt es nun aus politischen Gründen für richtiger, den Angriff auf Philadelphia als Sitz des Kongresses und wegen der günstigen Volksstimmung in Pennsylvanien zu erneuern. Aber auch diesen betrieb er lässig, obgleich Washington anfangs nur schwach war.

Der Zuzug zu Washingtons Heer blieb zunächst gering und es litt unter mangelhafter Verpflegung sowie schlechten Quartieren; im März zählte es nur 4500 Mann. Nun trafen allerdings aus Frankreich Geld, Material und Menschen ein, so langte im Mai Lafayette mit seinen Begleitern an und wurde sogleich zum amerikanischen General ernannt. Dies schuf aber auch neue Schwierigkeiten. Die Milizen wollten nicht unter fremden Führern dienen und viele amerikanische Offiziere traten aus. Es bedurfte großen Taktes sowie unerschöpflicher Geduld auf seiten Washingtons, hier zu vermitteln und die verschiedenen Elemente dem Gemeinwohle dienstbar zu machen.

Bis zum Juni blieb Howe in New York; als er dann den Vormarsch beginnen wollte, war Washington gegen 10000 Mann stark geworden und ließ sich nicht aus seiner festen Stellung zur offenen Schlacht hervorlocken. Trotz seiner Übermacht von insgesamt 30000 Mann wagte der englische General ihn nicht anzugreifen, scheute sich aber auch, mit dem Feinde in der Flanke durch New Jersey auf Philadelphia vorzudringen; er beschloß, über See den Delaware hinaufzugehen und segelte mit 14000 Mann in etwa 250 Transportern am 23. Juli von Sandy Hook ab. Admiral Howe deckte den Transport mit 5 Linienschiffen (64 Kanonen), einem 50-Kanonenschiffe und 10 kleineren Fahrzeugen; der Rest des Heeres blieb unter Clinton[240] in New York und auf Rhode-Island. Washington, der nicht annehmen konnte, daß Howe von dem Plane der englischen Regierung abgehen würde, hielt die Bewegung nur für eine scheinbare, um ihn aus der Stellung zu locken, und rührte sich nicht.

Am 31. Juli stand die englische Expedition vor der Delaware-Bucht; da der Fluß unterhalb Philadelphias gesperrt war, beschloß man, am Nordende der Chesapeake-Bucht zu landen. Infolge Gegenwindes und Stillen gelang dies erst am 25. August und erst Anfang September begann der Vormarsch auf genannte Stadt. Washington, der schließlich doch zu ihrer Deckung herbeigeeilt war, hatte am Brandywine, einem bei Wilmington in den Delaware fallenden Fluß, mit 14000 Mann Aufstellung genommen, ward aber hier am 11. September umgangen und völlig geschlagen; das englische Heer hatte nach seinem Abzuge aus New Jersey Verstärkung erhalten. Abermals verfolgte Howe seinen Sieg nicht und die Amerikaner konnten sich wieder sammeln. Er besetzte am 26. Philadelphia, wobei eine amerikanische Fregatte vernichtet wurde; Washington zog sich in die nahen Wälder zurück, machte am 3. Oktober noch einen erfolglosen Vorstoß und nahm dann eine feste Stellung bei Valley-Forge, unweit Philadelphia ein. Auch Howe bezog Winterquartiere.

Die englischen Seestreitkräfte hatten inzwischen auch noch den Delaware als kürzesten Zufuhrweg für das Heer bei Philadelphia freigemacht. Admiral Howe war nämlich am 14. Dezember mit dem Geschwader und den Transportern von der Chesapeake-Bucht nach der Mündung des genannten Flusses gegangen. In diesem hatte der Feind zwei Linien von Sperren gelegt und durch Batterien am Ufer gedeckt; Howe sandte ein Linienschiff, 2 Fregatten und 2 Sloops den Fluß hinauf. Die unterste Sperre ward leicht aufgeräumt und die Batterien genommen. Schwieriger war die Überwältigung der oberen Stellung etwa 10 englische Meilen unterhalb Philadelphias. Hier befanden sich auf dem Ostufer das Fort Redbank und am Westufer ein Werk auf einer kleinen Insel, Mud-Island; zwei schwimmende Batterien sowie eine Anzahl von Galeren und Branderflößen verstärkten die Linie.

Ein Angriff der Engländer am 22. Oktober wurde sowohl zu Lande wie auf dem Wasser abgeschlagen; das Linienschiff und eine Sloop kamen auf Grund und wurden verbrannt. Man baute nun Batterien am Lande und armierte sie mit Schiffsgeschützen. Mud-Island fiel jedoch am 15. November hauptsächlich dadurch, daß die andere Sloop und eine schwimmende Batterie mit schweren Geschützen am Westufer entlang segelten und die Kehle des Werkes bedrohten; in der Nacht räumten die Amerikaner das Werk und gaben auch Redbank am 21. auf. Die englischen Schiffe drangen nun nach Philadelphia vor und vernichteten hier eine zweite Fregatte sowie fünf kleinere Fahrzeuge der eben geschaffenen amerikanischen Marine.

Unter Beihilfe der Kriegsschiffe hatte endlich noch General Clinton am 3. Oktober mit einigen Fregatten und 3000 Mann von New York einen Vorstoß den Hudson hinauf unternommen. Er zerstörte leicht alle[241] Uferbefestigungen, Depots und Fahrzeuge, auch zwei Kriegsschiffe und kam in einer Woche nach Westpoint; von hier gelangte ein Teil der Truppen auf kleinen Fahrzeugen bis auf 40 englische Meilen an Albany heran, gerade als Burgoyne von Stillwater den Rückzug antrat. Dieser hatte mehrere Boten mit der Nachricht über seine Lage an Clinton abgesandt, von denen allerdings nur einer sein Ziel erreichte. Clinton hielt sich aber für weiteres Vorgehen zu schwach und kehrte nach New York zurück. Verschiedene Autoren behaupten, er habe die Kapitulation von Saratoga doch wohl hindern können. Jedenfalls zeigt sein leichtes Vordringen, daß Howe mit seiner ganzen Macht die Vereinigung bei Albany erreicht haben würde; er hätte es dann zwar auch mit Washingtons Heere zu tun gehabt, im Besitze des Flusses aber seine Übermacht gut zur Geltung bringen können.

Der Nutzen der englischen Seestreitkräfte 1777 war bei sämtlichen Unternehmungen groß gewesen; sie hatten die Landtruppen an den Ort ihrer Verwendung gebracht, deren rückwärtige Verbindungen gesichert und auch in die Kämpfe eingegriffen. Daneben kreuzten einzelne Kriegsschiffe gegen feindliche Handelsfahrzeuge und Kreuzer, nicht nur an den Küsten Nordamerikas, sondern auch in den westindischen und europäischen Gewässern; seit 1776 gab England auch Kaperbriefe aus.

Die amerikanischen Seestreitkräfte[130] dehnten den Kleinen Krieg, der 1775 durch Freibeuter der einzelnen Staaten begonnen war, schon 1776 keck weiter aus. Am 17. Februar 1776 verließ das erste amerikanische Geschwader von 6 Fahrzeugen (vgl. Seite 225; 2 Schoner blieben zurück) unter Kommodore Hopkins den Delaware und segelte nach den Bahama-Inseln, um dort aufgespeicherte englische Kriegsvorräte wegzunehmen. Auf der Insel Abaco bemächtigte sich Hopkins der Küstenfahrzeuge und führte auf ihnen 300 Mann nach New Providence hinüber, in der Hoffnung, diese Insel zu überraschen. Die Garnison war jedoch auf ihrer Hut, so daß die Landung unter Deckung durch die größeren Kriegsschiffe erzwungen werden mußte. Dann wurden die Forts erstürmt, gegen hundert Kanonen sowie viel Material erbeutet und bei der Rückfahrt, Mitte März, der Gouverneur nebst angesehenen Einwohnern als Geiseln mitgenommen, da England alle auf amerikanischen Kaperschiffen gemachten Gefangenen für Piraten erklärte und sie, wenn auch nicht gerade hängte, doch sehr schlecht behandelte.

Die Kriegsschiffe, zu denen bald Neubauten oder Neuerwerbungen traten, wurden einzeln oder in Gruppen zum Kleinen Kriege verwendet, auch die Zahl der Freibeuter wuchs ungemein. Beide machten den Engländern an der Küste Nordamerikas und in Westindien viel zu schaffen, 1777 erschienen sie sogar in der Biskaya und bei England. In Westindien fanden sie Zuflucht auf den französischen und holländischen Inseln, in Europa stützten sie sich auf französische Häfen. In diesen verkauften sie ihre Prisen; um die Neutralität Frankreichs wenigstens scheinbar zu wahren, ward der Kauf auf offener See[242] abgeschlossen und das Geld dem amerikanischen Gesandten in Paris ausgezahlt. Dieser Krieg führte zu vielen Gefechten, in denen auch kleinere englische Kriegsschiffe genommen wurden, doch büßte die schwache amerikanische Marine im Laufe der späteren Jahre so viel Schiffe dabei ein, daß sie trotz aller Neubauten nie größere Macht erlangen konnte. Der englische Handel erlitt jedoch bedeutenden Schaden. In den Jahren 1776/77 wurden 560 englische Kauffahrer aufgebracht, während die Engländer nur 60 Handelsschiffe und 24 Freibeuter wegnahmen. Auf den westindischen Inseln trat schließlich Mangel an Sklaven und an Nahrungsmitteln ein; die Einfuhrartikel stiegen sehr im Preise, die der Ausfuhr fielen entsprechend; die Versicherung der Schiffe ging auf 23%. Der Gesamtschaden des Handels durch unmittelbaren Verlust oder Behinderung betrug in diesen Jahren über 1½ Millionen Lstrl.

Das Jahr 1778 brachte bis zur Teilnahme Frankreichs am Kriege nichts von Bedeutung. General Howe blieb auch noch im Frühjahr, bis auf kleinere Vorstöße zur Verproviantierung, untätig in den Winterquartieren, obgleich Washingtons Streitkräfte in traurigster Verfassung waren. Wo die Engländer standen und wohin sie kamen, wandte sich nämlich die Mehrheit der Bevölkerung von ihm ab; er erhielt von ihr weder Nachrichten noch Lieferungen. Sein Heer verlor während des Winters so viel Leute durch Krankheit und Fahnenflucht, daß es im Februar nur noch 5000 Waffenfähige neben 4000 Kranken zählte, die kaum die nötigste Kleidung hatten. So mußte auch er sich darauf beschränken, seine Truppen zu verstärken und zu verbessern[131].

Anfang Mai bekam er Nachrichten aus England, daß wegen des Erscheinens einer französischen Flotte die plötzliche Räumung Philadelphias nötig werden würde. Er zog daraufhin einen Teil seiner Kriegsschiffe in der Delaware-Bucht zusammen und verlud sämtliche Vorräte der Truppen bei Philadelphia bis auf den Bedarf für 14 Tage auf Transporter.

Der Rückzug der Engländer vom Delaware — General Howe leitete ihn nicht mehr; er war am 24. Mai vom General Clinton im Oberbefehl abgelöst und nach England gegangen — trat tatsächlich schon im Juni als eine Folge der veränderten politischen Verhältnisse ein. Frankreich trat nach Saratoga offen auf die Seite der Amerikaner und sandte am 13. April eine längst vorbereitete Flotte ab, die ihnen zunächst am Delaware Luft schaffte. England machte zwar noch einen letzten Versuch zur Versöhnung mit den Kolonien, jedoch gingen diese nicht mehr darauf ein, sondern nahmen nach Eintreffen der französischen Hilfe den Krieg mit erneuter Zuversicht wieder auf.

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Der letzte Versuch Englands zur Versöhnung. In England hatte man bislang sicher gehofft, den Aufstand bald niederzuschlagen. Die öffentliche Meinung, empört über die erfolgreiche Freibeuterei der Amerikaner, hieß alle harten Maßregeln der Regierung gut; nur die strengsten Whigs, damals in heftigem Streit mit der Regierung, traten für die Kolonien ein, erbitterten aber dadurch die große Menge nur noch mehr. Die Niederlage von Saratoga führte jedoch einen völligen Umschwung der öffentlichen Meinung herbei; man fand plötzlich die Wünsche der Kolonien billig und forderte schleunigen Frieden. Auch der König und die Regierung wurden nachgiebig, da Schwierigkeiten finanzieller Art sowie für die Beschaffung weiterer Soldtruppen aus Deutschland und endlich der Krieg mit Frankreich drohten.

Im Februar 1778 brachte Lord North eine Anzahl Bills vor das Parlament zur Bewilligung früherer Forderungen der Kolonien: Aufhebung der Verfassungsänderungen sowie des Teezolles; Befreiung von Steuern und Verwendung der Zolleinkünfte nach den Beschlüssen der Kolonien; Bevollmächtigte sollten darüber mit dem Kongreß verhandeln. Diese Beschlüsse verblüfften zwar sogar die Anhänger der Regierung, fanden aber keinen ernstlichen Widerspruch und wurden am 11. März vom Könige vollzogen. Doch die Demütigung war umsonst. Zwei Tage später übergab Frankreich die bekannte Erklärung (vgl. Seite 217) in London und die Gesandten wurden beiderseits abberufen. Der schwerkranke Pitt sprach bei seinem letzten Auftreten im Oberhause am 7. April kurz vor seinem Tode in einer gewaltigen Rede gegen die Unabhängigkeit der Kolonien und entschied den Entschluß, auch mit Frankreich den Krieg aufzunehmen.

Die trotzdem nach Amerika abgehenden Bevollmächtigten trafen im Mai in Philadelphia ein. Obgleich sie ihre Vollmacht überschritten und Vertretung der Kolonien im Parlament wie die Verpflichtung anboten, nie wieder europäische Truppen herüberzusenden, fanden sie kein Gehör. Der Kongreß hatte den Vertrag mit Frankreich unterzeichnet und bestand auf der Unabhängigkeitserklärung. Während die Bevollmächtigten noch unterhandelten, traf der Befehl zur Räumung Philadelphias ein, der ihre Aufgabe wahrlich nicht förderte, da er den Amerikanern als ein Zeichen der Schwäche Englands erscheinen mußte und ihnen den Rücken steifte. Einige Quellen sagen, North habe die ganz aussichtslosen Unterhandlungen nur wieder aufgenommen, um bei den Franzosen Mißtrauen gegen die Amerikaner zu erwecken.

Mit dem Auslaufen der französischen Flotte nach Amerika sind wir beim Beginn des großen Seekrieges angelangt und wenden uns diesem zu. Den weiteren Verlauf des Landkrieges flechten wir in die Schilderung des Seekrieges ein, soweit es zum Verständnis der unmittelbaren Mitwirkung von Seestreitkräften oder zur Beurteilung der durch ihn hervorgerufenen Bewegungen großer Flotten nötig ist.

Der grosse Seekrieg[132].

Über Anordnung der Schilderung nach den Kriegsschauplätzen. Der Seekrieg spielte sich wie die letztvorhergegangenen auf vier Schauplätzen ab: den[244] europäischen, den nordamerikanischen, den west- und den ostindischen Gewässern. In den früheren Kriegen war der erstgenannte der wichtigste; der Verlauf hier war für den Krieg auf den anderen ausschlaggebend. Wir konnten deshalb, ohne die Übersicht zu verlieren, zunächst die Ereignisse auf diesem zusammengefaßt geben und dann in gleicher Weise die auf den übrigen folgen lassen. Bei dem jetzt zu besprechenden Kriege müssen wir einen anderen Weg wählen, da das Ringen auf den verschiedenen Meeren gleich folgenschwer ist und eng ineinander greift. Bei einer streng chronologisch durchgeführten Schilderung der Ereignisse auf allen Kriegsschauplätzen zugleich würde nun aber infolge des reichen Materials der strategische Faden verloren gehen, und so bleibt nur eine Verbindung beider Wege übrig. Für eine solche geben die militärische Lage, sowie die Ziele der Gegner in den verschiedenen Weltteilen einen guten Anhalt.

In Europa beschränkte sich England im Gegensatz zu den früheren Kriegen ganz auf die Verteidigung, da es bei dem Bestreben, auch in allen fernen Meeren die Herrschaft zu wahren und Angriffen entgegenzutreten, hier den Gegnern nicht gewachsen war. Diese hatten es auf Einfälle in England sowie auf die Eroberung von Port Mahon und Gibraltar abgesehen; zum Glück für England lag die erste Aufgabe Frankreich, die zweite Spanien mehr am Herzen, und dieses Auseinandergehen der Ziele schwächte das Zusammenwirken der Verbündeten.

In Nordamerika handelte es sich für die Engländer um die Unterwerfung der Kolonien. Sie waren 1778 im Besitze New Yorks, der Narragansettbucht, Philadelphias und Kanadas. New York war politisch wertvoll als die größte Stadt neben Boston und militärisch durch seine Lage am Ausgangspunkte der Hudsonlinie. Die Narragansettbucht gab den besten Hafen der Küste, vorzüglich gelegen zu ihrer Beherrschung. Der Besitz von Philadelphia bildete jedoch eine Schwäche in der englischen Stellung, da das Heer hier von dem in New York über Land getrennt und auch in Hinsicht auf Zufuhren ganz auf die See angewiesen war; von dieser abgeschnitten, schwebte es in der Luft. Hierher richtete denn auch Frankreich den ersten Stoß seiner Flotte, und England mußte die mühsam errungene Stellung am Delaware aufgeben, sobald es seine Seeherrschaft bedroht sah. Bei den späteren Unternehmungen Englands gegen die südlichen Kolonien spielte der Besitz der Chesapeakebucht eine ähnliche Rolle. Da an dieser keine Befestigungen lagen, fiel sie der seebeherrschenden Partei zu und wurde deshalb Streitobjekt für die beiderseitigen Flotten. Kanada zu erobern oder für ihre Sache zu gewinnen, war den Amerikanern nicht gelungen, sie versuchten dies auch nach 1777 nicht mehr — vielleicht trauten sich die neuen Verbündeten, Frankreich und Amerika, in dieser Beziehung nicht recht — und so blieb die Kolonie eine feste Basis für England.

In Westindien war der Besitz der Engländer und der Franzosen auf den Kleinen Antillen ungefähr gleich. Der Kampf entspann sich zunächst um strategisch besonders wichtige Inseln (Dominica, Sta. Lucia); später erstrebte[245] Frankreich die Eroberung englischen Gebietes überhaupt, wohl in der Hoffnung, sich hier ein großes Kolonialreich schaffen zu können. Dieser Versuch ging auf Kosten des Kampfes in den europäischen Gewässern. Auf den großen Inseln würde Spanien das Übergewicht gehabt haben, da es Kuba, Portoriko und mit Frankreich gemeinschaftlich Haiti besaß, während England nur Jamaika gehörte. Es trat jedoch nicht kräftig auf. Verschiedene Pläne Frankreichs und Spaniens, zusammen gegen diese Insel vorzugehen, kamen nicht zur Durchführung, und England hatte anderwärts zu viel zu tun, um gegen spanische Besitzungen wirksam zu werden. Jamaika lag außerdem so weit in Lee des Hauptkriegsschauplatzes, daß die Gegner ungern eine größere Streitmacht dorthin führten. Spaniens Waffen machten sich nur in dem Gebiete östlich von Mississippi, das damals Florida hieß und in englischem Besitze war, sowie gegen die Bahamainseln fühlbar. Sein Auftreten war hier, wie in den europäischen Gewässern das Vorgehen gegen Gibraltar ein Ausfluß von Sonderinteressen, wodurch der gemeinsamen Sache nur Kräfte entzogen wurden.

Die Kriegsschauplätze Nordamerika und Westindien berührten sich, die Ereignisse auf beiden griffen ineinander. Nicht nur ihre Nachbarschaft bedingte dies, sondern auch die Wetterverhältnisse trugen dazu bei. Die Winterstürme setzten in den nördlichen Breiten den Unternehmungen der Seestreitkräfte eine Grenze, und in Westindien ließ man sie ungern während der Orkanzeit; so fanden sie je nach der Jahreszeit an der Küste der nördlichen Staaten, an der der südlichen oder in Westindien Verwendung. Deshalb fallen bei Schilderung der Kämpfe diese beiden Schauplätze zusammen.

In Ostindien hatte England seit dem letzten Kriege seine Macht wesentlich ausgebreitet und gestärkt. Es war aber ständig mit mächtigen eingeborenen Feinden beschäftigt, und Frankreich hätte bei Ausbruch des Krieges hieraus Nutzen ziehen können. Es tat dies nicht, während England sofort mit Erfolg über die französischen Besitzungen herfiel. Die Seestreitkräfte beider Parteien waren hier anfangs unbedeutend; von 1779 an erhielten die englischen das Übergewicht, und mit ihrer Hilfe wurden auch die holländischen Besitzungen genommen. Erst 1782 trat Frankreich überlegen auf (Admiral Suffren) und es folgte ein Kampf um die Seeherrschaft. Da die Ereignisse dieses Schauplatzes ganz für sich dastehen, können sie und mit ihnen die auf dem Wege nach Indien (Kapland) am Schlusse für alle Jahre zusammengefaßt betrachtet werden.

Die Einteilung für den Verlauf des Seekrieges wird nach vorstehendem diese sein:

Die europäischen Gewässer 1778. Die Franzosen vor dem Kanal.

Nordamerika und Westindien 1778/79. Der Feldzug der ersten französischen Flotte (d'Estaing).

Die europäischen Gewässer 1779/80. Bedrohung der englischen Küste durch die Verbündeten; Beginn der Belagerung von Gibraltar; die Festung versorgt (Rodney).

[246]

Westindien und Nordamerika 1780. Die zweite französische Flotte (de Guichen) in Westindien; erstes Auftreten Rodneys; die französische Hilfsarmee in Nordamerika.

Die europäischen Gewässer 1781. Gibraltar aufs neue versorgt (Darby); die Verbündeten vor dem Kanal; Eintreten Hollands in den Krieg.

Westindien und Nordamerika 1781. Die dritte französische Flotte (de Grasse) in Westindien; Kampf um die Chesapeakebucht und Fall von Yorktown.

Europa 1782. Die Verbündeten vor dem Kanal; der große Angriff auf Gibraltar; Howe rettet die Festung endgültig.

Westindien 1782. Rodney und de Grasse; der Krieg beendet.

Ostindien 1778–1783.

Die Rüstungen der Gegner. Frankreich bereitete den Krieg frühzeitig vor. Vom August 1775 an wurde zwischen Versailles und Madrid ein Briefwechsel über gemeinsame Rüstungen geführt und solche auf den Werften von Brest und Toulon sowie Cadiz und Ferrol begonnen. Vergennes' erste Sorge war, zu verhindern, daß England wie im Jahre 1755 vor Ausbruch des Krieges einen großen Schlag gegen den französischen Handel führe. Schon 1776 erhielt deshalb das kleine Geschwader, das jährlich in Brest zu Übungszwecken zusammentrat, den Befehl, seine Fahrten auf die Gewässer zwischen Ouessant und Finisterre zu beschränken und die Schiffe zu beobachten, die England in diesem Jahre gegen amerikanische Kauffahrer sowie Freibeuter kreuzen ließ. Im Jahre 1777 lag sogar in Brest eine Flotte von 15 Linienschiffen seeklar, um einer etwa an der Küste erscheinenden englischen entgegentreten zu können, und leichtere Schiffe kreuzten außerdem wie im Vorjahre. Diese Flotte hielt man jedoch auf der Reede fest, aus Furcht, daß schon ihr Auslaufen zu einer Kreuzfahrt Anlaß zum Kriege geben könne. Im August wurde ein Fahrzeug nach den Neufundlandbänken gesandt, um die Fischerflottillen zurückzurufen. Als die Nachricht von Saratoga eintraf und man sich zum Kriege entschloß, hatte Frankreich 48 Linienschiffe, 31 in Brest, 17 in Toulon, zur Indienststellung bereit; bei dem Versuche, auch Spanien zum Losschlagen zu bewegen, wurde diesem schon ein Plan zur Verwendung der vereinten Kräfte mitgeteilt. Vergennes hob hierbei nochmals hervor, daß der Druck der englischen Seemacht nicht länger zu ertragen sei.

Übergriffe der Engländer auf See. Die englischen Schiffe, die an Frankreichs Küsten kreuzten, gingen mit größter Rücksichtslosigkeit vor. Sie hielten alle Kauffahrer an und nahmen sie beim leisesten Verdacht auf Kriegskontrebande, deren Begriff sie weit ausdehnten, in Beschlag. 1777 und während der ersten Monate 1778, vor dem Ausbruch des Krieges, brachten sie gegen 130 Fahrzeuge mit einem Werte von 16 Millionen Franken auf. Sogar Kriegsschiffe hielten sie unter dem Vorwand an, sich vergewissern zu müssen, ob es tatsächlich französische wären, da die amerikanischen Freibeuter oft die französische Flagge zeigten. 1776 waren sogar englische Schiffe in ihrem Übermut durch die Formation des französischen Übungsgeschwaders hindurchgesegelt. Frankreich ließ sich alles dies gefallen, um nur den Bruch noch hinzuhalten. Die französischen Seeoffiziere waren darüber empört und klagten mit Recht, daß die Anmaßung der Engländer infolgedessen immer größer würde; verwunderlich ist, daß es nicht zu blutigen Zusammenstößen kam, denn die Schiffe beider Völker waren beim Begegnen stets[247] gefechtsklar. Die Empörung in Frankreich über die Schärfe des englischen Beobachtungsdienstes war übrigens ungerechtfertigt, denn man unterstützte die Amerikaner mit Kriegsmaterial und gestattete ihren Freibeutern den Aufenthalt in französischen Häfen.

Als jedoch Spanien noch nicht am Kriege teilnehmen mochte, mußte Frankreich allein seine weiteren Maßregeln treffen. Mit der Abberufung der Gesandten (März 1778) erging der Befehl zur Indienststellung der gebrauchsbereiten Schiffe. Im April schon konnten 12 Linienschiffe unter Vizeadmiral d'Estaing von Toulon nach Nordamerika auslaufen, in Brest waren im Juni 20 und im Juli 30 unter Lieutenant-General Comte d'Orvilliers segelfertig. Man hatte ferner in den vorangegangenen Monaten Truppen und Kriegsmaterial nach Westindien und vier Fregatten nach Isle de France gesandt; 30000 Mann hatte man in der Normandie zusammengezogen. Marschall de Broglie übernahm im Mai den Oberbefehl über dieses Heer unter dem Vorwande, mit ihm Übungen zur Klärung taktischer Fragen anzustellen. Frankreich war also gut gerüstet.

England dagegen hatte seit dem letzten Kriege versäumt, seine Seestreitmittel stets denen der vereinten beiden bourbonischen Königreiche überlegen zu halten, die vorhandenen Schiffe waren auch nicht so bereit, wie sie bei der Wahrscheinlichkeit eines Krieges hätten sein müssen, und die Vorbereitungen für den Kampf begannen zu spät. Schuld hieran wird dem Minister des Äußern, der die Nähe und Größe der Gefahr unterschätzte oder der inneren Streitigkeiten halber verheimlichte, sowie der Sorglosigkeit des Ersten Lords der Admiralität gegeben.

John, Earl of Sandwich, bekleidete diesen Posten von Januar 1771 bis März 1782. Für die Jahre 1776 und 1777 waren die Geldmittel der Marine nur soweit erhöht, als es der amerikanische Krieg und das Kreuzen in den europäischen Gewässern erforderte. Im November 1777 erklärte der Erste Lord im Parlamente auf eine Klage der Opposition über die zu geringe Stärke der Kanalflotte, er glaube nicht, daß Frankreich und Spanien feindselige Gesinnungen hegten, im übrigen seien in der Heimat 42 Schiffe in Dienst, 35 derselben bereit, sofort auszulaufen; er fühle sich zu der Erklärung berechtigt, daß man damit den Flotten des Hauses Bourbon gewachsen sei. Dies wäre, wie wir wissen, nicht der Fall gewesen, aber auch gegen Frankreich allein konnte man sich kaum behaupten. Als nämlich nach Abbruch des diplomatischen Verkehrs eine Flotte von 13 Linienschiffen unter Admiral Byron für Amerika in Dienst gestellt war und etwa 3 Schiffe unter den Admiralen Barrington nach Barbados, sowie Sir Peter Parker nach Jamaika segelten, fand Admiral Keppel die Kanalflotte bei Übernahme des Kommandos, nach seinem Ausdrucke mit „Seemannsauge gemustert“, recht schwach vor; bei einem ersten Auslaufen im Juni verfügte er nur über 21 und erst im Juli über 30 Schiffe.

Also nicht einmal eine Übermacht Frankreich allein gegenüber war vorhanden. Byron stand mit 13 Schiffen gegen d'Estaing mit 12; Keppel mit 30 gegen d'Orvilliers mit 32. Schiffe sowie Werften waren eben nicht in Ordnung; es sollen[248] (nach Campbell) Monate nötig gewesen sein, um das seit Jahren auf den Werften verrottende Material zu sichten, Masten und Raaen zu flicken. Auch der Mannschaftsmangel war groß, obgleich für 1778 vom Parlamente 60000 Mann (darunter 11000 Seesoldaten) für die Marine bewilligt waren. Da der Krieg noch nicht erklärt war, scheute man sich anfangs, zu scharfem Pressen zu schreiten, man wollte lieber die Rückkehr der Handelsschiffe aus allen Weltteilen im Frühjahr und Sommeranfang abwarten. Um wenigstens die Flotte Byrons bald seeklar zu machen, mußten Leute sowie Material von der Kanalflotte genommen werden. An Geldmitteln waren für 1778 fünf Millionen bewilligt; sie umfaßten die Kosten für Indiensthaltungen, Reparaturen sowie Neubauten und 1 Million Überschreitungen vom Vorjahre.

Bei Ausbruch des Krieges legten beide Parteien Beschlag auf die Handelsschiffe des Gegners in ihren Häfen und hielten die eigenen zurück. Letzteres geschah, um das Personal für die Kriegsschiffe zu gewinnen und um sie selber nicht der Wegnahme auszusetzen. Das englische Volk, bisher so stolz auf seine Marine, war empört über ihre hierdurch eingestandene augenblickliche Schwäche. Kaufleute und Reeder tadelten die Admiralität scharf; mit Recht, denn es mußten beispielsweise 100 Westindienfahrer drei Monate auf Bedeckung warten, wodurch ein Schaden von 90000 Lstrl. erwuchs und in Westindien Mangel am nötigsten eintrat.

Bei dem unfertigen Zustande der Marine kann es nicht verwundern, daß England weder den Krieg erklärte noch losschlug, obgleich es den diplomatischen Verkehr abgebrochen hatte; wäre es in der Lage gewesen, würde es sicher wie 1755 über Frankreichs Handel hergefallen sein. So hielt man sogar Byrons Flotte bis zum Juni fest, um die heimischen Gewässer nicht zu entblößen, und auch die Kanalflotte lief dann erst aus. Gegen Frankreichs Truppen in der Normandie hatte England Milizen an den Küsten aufgeboten, und schon im März war über Suez der Befehl nach Ostindien gesandt, die französischen Besitzungen anzugreifen. Aber auch Frankreich begann den Krieg nicht; man wollte vorläufig nur den Amerikanern an Ort und Stelle Hilfe leisten, die Brestflotte bereithalten und die Küsten durch Kreuzer bewachen lassen. Erst als Keppel französische Kriegsschiffe aufgebracht hatte, erhielt d'Orvilliers Befehl, dies zu vergelten.

Der Krieg in den europäischen Gewässern 1778.

Die Eröffnung des Krieges. Am 13. April ging die Flotte des Vizeadmirals d'Estaing von Toulon mit versiegelten Ordres in See. Man hatte verbreitet, sie sei nach Brest bestimmt; ein Mitglied der amerikanischen Gesandtschaft in Paris, sowie der für die neue Republik bestimmte Gesandte Frankreichs waren unter falschen Namen eingeschifft, um das Ziel nicht zu verraten. Infolge ungünstigen Windes passierte sie erst am 17. Mai die Straße von Gibraltar, und am 20. wurden 120 Seemeilen westlich vom Kap St. Vincent die Ordres geöffnet. Die Flotte war nach Amerika bestimmt und sollte von jetzt an schon die Feindseligkeiten gegen englische Kriegs- wie Handelsschiffe beginnen. Eine englische Fregatte war ihr von Gibraltar aus gefolgt, behielt sie noch weitere 150 Seemeilen in Sicht und überbrachte am 7. Juni die Meldung[249] in England. Am 8. segelte dann die Flotte des Vizeadmirals John Byron gleichfalls nach Amerika ab.

Zu gleicher Zeit (am 8. oder 12. Juni) ging Admiral Augustus Keppel[133] mit der Kanalflotte — 21 Linienschiffe, 3 Fregatten, 2 Kutter, ein Brander — in See, um vor Brest zu kreuzen. Er hatte den Befehl, die Brestflotte zu beobachten, den Kanal für die eigenen Handelsschiffe offenzuhalten und die Vereinigung der Toulon- mit der Brest-Flotte durch Waffengewalt zu verhindern. Am 17. Juni traf er vor dem Kanal auf eine kleine französische Flottille, die Fregatten „La Belle Poule“, Kapitän de la Clocheterie, „La Licorne“, die Korvette „L'Hirondelle“ und den Lugger „Le Coureur“. Wenn auch der Krieg noch nicht erklärt war, hielt es Keppel doch für nötig, die Schiffe anzuhalten, sowohl um zu verhindern, daß seine Bewegungen dem Gegner bekannt würden, als auch um Nachrichten über diesen zu erhalten. Er jagte die Fahrzeuge mit der ganzen Flotte und ließ sie durch vorauseilende Fregatten auffordern, längsseit seines Flaggschiffes zu kommen.

„Licorne“ tat dies, versuchte aber später zu entwischen, antwortete auf Warnungsschüsse mit einer Breitseite und strich dann die Flagge. „Hirondelle“ entkam, „Coureur“ ward bald genommen. „Belle Poule“ führte ein hartnäckiges laufendes Gefecht mit der englischen Fregatte „Arethusa“ und lief unter die französische Küste; hier konnten ihr die Engländer nicht beikommen, und sie erreichte am 21. Juni Brest. Am 19. Juni nahm Keppel noch die Fregatte „Pallas“. Aus den Papieren der Prisen ersah er, daß die französische Flotte der seinigen überlegen war oder es doch bald werden würde, er kehrte deshalb nach Spithead zurück, um Verstärkungen an sich zu ziehen.

Diese Wegnahme von Kriegsschiffen sah man in Paris als Kriegserklärung an. Man bezeichnete sie als verräterisch und gegen das Völkerrecht verstoßend, obgleich doch auch d'Estaing den Befehl hatte, die Feindseligkeiten zu eröffnen. Spanien wurde benachrichtigt, daß Frankreichs Geduld nunmehr erschöpft sei und man den Krieg beginne; Kaperbriefe[250] wurden ausgegeben und d'Orvilliers erhielt am 2. Juli den Befehl, in See zu gehen. Aber trotz vorher erlassener Kabinettsordres, deren hochgemute Worte auf eine besonders kräftige Verwendung der Seestreitkräfte hatten schließen lassen und in denen den kommandierenden Offizieren der Marine die größte Unerschrockenheit bei ihrem Auftreten ans Herz gelegt wurde, war die Instruktion für den Flottenchef eine recht beschränkte. Er sollte einen Monat kreuzen und als Repressalie Kriegs- und Handelsschiffe aufbringen. Später, schon auf See, ging ihm sogar in einer Verfügung vom 12. Juli noch die Mahnung zu, daß der König bei der jetzt bekanntgewordenen Stärke der feindlichen Flotte sehr auf die Klugheit des Admirals rechne; die Minister wälzten also die Verantwortlichkeit ganz auf ihn ab.

Befehle Ludwigs XVI.[134] In einem Schreiben des Marineministers Sartines an d'Orvilliers vom 2. April 1778 findet man die Sätze: „Sie (der Chef, die Flaggoffiziere und die Kommandanten) müssen sich bewußt sein, daß die Augen Europas auf das erste Geschwader gerichtet sind, das nach dem letzten Kriege unsere Häfen verläßt. Ihre Pflicht ist es jetzt, der französischen Flotte wieder den alten Ruhm zu verleihen, der sie einst umstrahlt hat. Nur durch die glänzendsten Waffentaten können die letzten Unglücksfälle und Fehler gutgemacht werden; die zur Verfügung stehenden Mittel sichern ihnen die Überlegenheit, ihr Mut muß das übrige dazu tun...“ „Aber in welche Lage auch immer die Flotte kommen mag, der König erwartet, daß seine Schiffe mit der größten Unerschrockenheit angreifen und sich stets bis aufs äußerste verteidigen werden.“

In diesem Sinne folgt noch mehr, und Troude sagt hierzu richtig: „Wie verschieden war diese Sprache von jener, die unsere Admirale im letzten Kriege zu hören bekamen“; wir sind mehrfach auf die früheren Befehle eingegangen, die stets zur Vorsicht mahnten. Diesen tapferen Worten folgten aber bald wieder solche in abschwächender Tonart, so der obenerwähnte Befehl, den d'Orvilliers vor dem Inseegehen erhielt. Hierzu wurden die französischen Minister Vergennes und Sartines durch die Erwägung gebracht, daß ein Fehlschlag beim ersten Auftreten der Flotte sehr schädlich wäre. Wahrscheinlich überschätzten sie auch die Stärke des Gegners. Man ließ sich durch die große Schiffszahl Englands einschüchtern, ohne die ungünstigen Verhältnisse dort in Rechnung zu ziehen — obwohl der Mannschaftsmangel durch Berichte aus London allerdings bekannt war — auch glaubte man, daß Byron nur einen Konvoi ins offene Meer zu führen habe und sich dann mit Keppel vereinigen würde.

In ihrem Hange zu ängstlicher Schonung der Seestreitkräfte wurden die leitenden Personen durch hervorragende Seeoffiziere bestärkt. Diese empfahlen, durch Zurückhalten der Flotte und durch die Truppenansammlung England zu zwingen, seine Seestreitkräfte gleichfalls zusammenzuhalten; dies müsse dann durch Entsendung zahlreicher Kreuzer gegen den englischen Handel ausgenutzt werden. D'Orvilliers schlug aber in einem Brief vom 22. Juni vor, mit der Flotte auszulaufen. Zwar wollte auch er nicht zum entscheidenden Kampfe in den Kanal gehen, „wo er keine Zufluchtshafen habe und durch die vorherrschenden Winde leicht an der englischen Küste festgehalten werden könnte“, sondern eine Kreuztour gegen den Handel vor demselben aufnehmen. Er wollte dabei versuchen, die Vereinigung Byrons und Keppels zu verhindern, diese gegebenenfalls einzeln schlagen, beiden vereint aber ausweichen. Ihm schwebte die „Campagne au large“ des Admirals Tourville 1691 vor, der wochenlang die überlegene englische Flotte hinter sich herzog und dadurch lähmte. (Vgl. Band I, Seite 441.) Diese Kreuztour sollte gleichzeitig zur Ausbildung der Flotte dienen. Die ihm zugegangene[251] Instruktion — sie hatte sich mit seinem obenerwähnten Briefe gekreuzt — entsprach also gewissermaßen seinem Gedanken, der Nachtrag vom 12. Juli machte ihn aber für alle Folgen verantwortlich.

D'Orvilliers antwortete auf den letzten Befehl, er werde, wie zuerst angeordnet sei, einen Monat kreuzen, falls er nicht ausdrücklich zurückgeworfen würde, und auch einen Kampf annehmen; nur falls Keppel sehr überlegen aufträte, werde er ausweichen, dies könne aber unter Umständen schwierig sein, wenn der Gegner den Kampf ernstlich suche. Es ist bemerkenswert, daß die Flaggoffiziere und Kommandanten, als ihnen am 9. Juli der Befehl bekannt gegeben wurde, in den Chef drangen, er möge die Erlaubnis nachsuchen, in den Kanal einzulaufen und den Feind, selbst auf der Reede, anzugreifen.

Die Schlacht bei Ouessant 27. Juli 1778. Admiral Keppel lief am 9. Juli zu einer zweiten Kreuzfahrt von Portsmouth mit 24 Linienschiffen aus und auf dem Wege kanalabwärts stießen noch 6 von Plymouth zu ihm. Erregt durch den Umstand, daß er das erste Mal das Feld hatte räumen müssen, sowie durch die deshalb von der öffentlichen Meinung ihm gemachten Vorwürfe, war er fest entschlossen, den Feind aufzusuchen und zum Kampfe zu zwingen. Lieutenant-Général Comte d'Orvilliers[135] war nach Empfang seiner Instruktion durch Gegenwind einige Tage festgehalten, erst am 8. Juli ging er mit 32 Linienschiffen in See, von denen jedoch drei als zu schwach für die Linie erklärt und wie die Fregatten während der Schlacht in Feuerlee von ihr gehalten wurden. Er nahm seinen Kurs nach dem Kanaleingange und benützte die Fahrt zu taktischen Übungen. Mit deren Ausfall war er durchaus nicht zufrieden, und es ist wohl anzunehmen, daß dies im Verein mit der erhaltenen Mahnung sein Verhalten in der Schlacht beeinflußt hat.

Am Nachmittage des 23. Juli sichteten sich die Gegner etwa 100 Seemeilen westlich der Insel Ouessant; bei frischem WNW-Winde lagen die Franzosen nordöstlich der Engländer, also in Lee von ihnen, aber während der Nacht gewannen sie die Luvstellung nordwestlich des Gegners. Diese Lage befriedigte beide Führer, denn Keppel sah sich zwischen dem Feinde und Brest, während d'Orvilliers durch seine Luvstellung im Sinne seines Befehles zu handeln vermochte, nämlich die See zu halten und doch nur zu[252] fechten, wenn er es für vorteilhaft hielt; er sollte aber sein Bedenken bestätigt finden, daß dies bei einem kampfesmutigen Gegner nicht leicht durchzuführen sei. In der Nacht waren außerdem drei seiner Schiffe von der Flotte abgekommen, in Lee der Engländer geblieben und konnten bis zur Schlacht nicht mehr herankommen, so daß bei dieser nur 27 Schiffe in der Linie standen.

Während der nächsten Tage manövrierten beide Teile in Sicht voneinander; Keppel, um an den Feind heranzukommen, d'Orvilliers wahrscheinlich, um dies zu verhindern. Zwar sagen französische Quellen, er habe sich nur die Luvstellung wahren wollen, aber sie deuten auch an, daß seine Geschwaderchefs ihn erst zu dem Entschlusse gebracht hätten, den Kampf aufzunehmen. Am 27. Juli kam es zur Schlacht, die aber nur in einem zwei- bis dreistündigen Feuergefecht im Passieren bestand.

Der Verlauf der Schlacht bei Ouessant kann in groben Zügen gegeben werden, ohne auf Einzelheiten einzugehen; die für uns bemerkenswerten Punkte treten trotzdem genügend hervor[136].

Die englische Flotte zählte 32 Linienschiffe: Vorhut, Vizeadmiral Sir Robert Harland, 10 Schiffe; Mitte, Keppel, 11 Schiffe; Nachhut, Vizeadmiral Sir Hugh Palliser, 11 Schiffe. Die französische Flotte hatte 27 Schiffe in der Linie: Vorhut, Lieutenant-Général Comte Duchaffault, 9 Schiffe; Mitte, d'Orvilliers, 9 Schiffe; Nachhut, Lieutenant-Général Duc de Chartres, 9 Schiffe.

Am 27. Juli wehte frischer westlicher Wind mit heftigen Regenböen. Bei Tagesanbruch waren die Flotten etwa 6 Seemeilen voneinander entfernt, beide lagen über Steuerbordbug, die französische „in Kiellinie beim Winde“ genau in der Windrichtung zu Luward der englischen; diese hatte kurz vorher „alle Schiffe zugleich“ gewendet, über den neuen Bug aber die Kiellinie nicht wieder hergestellt, so daß sie in einer Peilungslinie segelte, aus der jedoch durch abermals gleichzeitiges Wenden sofort die Kiellinie über Backbord-Bug gebildet werden konnte. Keppel hatte keine Zeit mit Ausrichten verlieren wollen, um schnell an den Feind heranzukommen; auch befahl er allgemeine Jagd. Die Ordnung in seiner Flotte war nicht gut, besonders der rechte Flügel (über Steuerbordbug die Nachhut) war während der Nacht nach Lee geraten; sie erhielt jetzt Befehl, möglichst Luv zu gewinnen. Um 9 Uhr vorm. ließ d'Orvilliers im Kontremarsch, also ein Schiff nach dem anderen auf der gleichen Stelle, halsen, um den Feind besser beobachten und seine Stärke genauer erkunden zu können; er verlor hierdurch allerdings beträchtlich an Luv, aber doch nicht so viel, daß er nicht unter normalen Verhältnissen nach Belieben hätte den Kampf vermeiden oder angreifen können, sobald es ihm günstig schien.

Jetzt aber drehte der Wind südlicher, die englische Flotte konnte mehr auf die französische zuhalten, stand um 10¼ Uhr in deren Kielwasser, als sie eben die Kiellinie über Backbord-Bug gebildet hatte, und Keppel wendete mit allen Schiffen zugleich; er segelte nun also gleichfalls in Kiellinie über Backbord-Bug hinter seinem Gegner her. D'Orvilliers mußte fürchten, daß seine letzten Schiffe eingeholt und mit Übermacht angegriffen werden könnten, er ließ deshalb mit allen Schiffen zugleich wenden, wodurch seine eigentliche Nachhut, der Herzog von Chartres, zur Vorhut wurde, und segelte dem Feinde über Steuerbordbug entgegen. Nun folgte ein Passiergefecht, bei dem die Franzosen zu Luward standen, und zwar in leidlich guter Ordnung, während die Engländer infolge der Jagd schlecht ausgerichtet waren; in der Nachhut hinderten sich die Schiffe[253] sogar gegenseitig im Feuer. Keppel hatte nach der letzten Wendung das Signal „Schlachtlinie bilden“, worauf diese ausgerichtet worden wäre, gar nicht gegeben, sondern nur das zur Eröffnung des Kampfes. Während des Passierens zielten die Franzosen, wie stets, besonders auf die Takelage, die Engländer auf den Rumpf der Schiffe.

Als die englische Vorhut gegen 1 Uhr die französische Linie passiert hatte, ließ Harland sie wenden, um am Feinde zu bleiben, und Keppel befahl der Mitte das gleiche, als sie soweit war. Da aber viele Schiffe der beschädigten Takelage halber das Manöver nicht ausführen konnten und ihr Halsen der nachfolgenden wegen schwierig und damit zeitraubend wurde, entstand große Unordnung, besonders in der Mitte. Der Admiral holte deshalb gegen 2 Uhr nachm. das Signal zum Gefecht nieder und heißte „Schlachtlinie bilden“. Die Linien hatten sich passiert, der Kampf war zu Ende.

Gleichzeitig gab d'Orvilliers den Befehl zum Halsen in Kontremarsch. Er wollte seine Linie aufs neue am Feinde vorüberführen und zwar in Lee derselben; mit Recht versprach er sich großen Erfolg von seinem Feuer auf die ungeordneten feindlichen Schiffe, und um so mehr, da er nun von Lee aus auch seine untersten Batterien hätte gebrauchen können, deren Pforten beim Passieren zu Luward der hohen See wegen hatten geschlossen bleiben müssen. Dieser Befehl ward jedoch nicht sofort ausgeführt, denn die Spitzenschiffe sahen das Signal nicht; der Führer der Vorhut, Herzog von Chartres, segelte sogar mit seinem Flaggschiff längsseit des Oberbefehlshabers, um nach dessen Absichten zu fragen. Dann erst begann das Manöver gegen ½3 Uhr, aber nun war die rechte Zeit verpaßt; Keppel hatte seine Linie, wenigstens aus Vorhut und Mitte wiederhergestellt und segelte auf einige beschädigt in Lee liegende Schiffe zu, um sie zu decken. D'Orvilliers gab deshalb seine Absicht auf, hielt ab und nahm weiter in Lee eine abwartende Stellung ein, also entsprechend der alten französischen Taktik.

Keppel hatte auch die Absicht, aufs neue anzugreifen, aber ihm fehlte seine Nachhut. Die Schiffe dieser hatten sich auf das Signal zur Herstellung der Ordnung vorschriftsmäßig auf das Flaggschiff ihres Führers, Palliser, formiert, das etwa 2 Seemeilen zu Luward der Mitte lag. Palliser aber führte sein Geschwader nicht heran, obgleich er den Befehl dazu nicht nur durch Signal, sondern auch durch eine Fregatte erhielt; er entschuldigte dies später damit, daß sein Schiff nicht manövrierfähig gewesen wäre. Erst als Keppel die einzelnen Schiffe der Vorhut zu sich rief, trafen sie nach und nach ein, jetzt aber, gegen 7 Uhr, war es zu spät zur Wiederaufnahme des Kampfes geworden.

Die Verluste werden sehr verschieden angegeben. Die französischen Quellen nennen für die Franzosen 163 Tote und 517 Verwundete, für die Engländer 407 Tote, 789 Verwundete; die englischen geben für sich nur 133 bzw. 373 zu und behaupten, der Gegner habe weit mehr verloren als er zugestanden, erkennen jedoch die stärkere Beschädigung ihrer Schiffe an. Bei der verschiedenartigen Verwendung der Artillerie auf beiden Seiten ist anzunehmen, daß die Franzosen den größeren Verlust an Leuten gehabt haben.

Die Schlacht blieb unentschieden. In der folgenden Nacht entfernten sich die Flotten voneinander; beide Parteien aber schrieben sich den Sieg zu und behaupteten, der Gegner habe das Feld geräumt. Die Franzosen sagten aus, sie hätten am Morgen des 28. Juli den Gegner nicht mehr gesehen; er habe während der Nacht das Weite gesucht, ohne Lichter zu zeigen. Die Engländer behaupten, sie hätten die Nacht über gefechtsbereit gelegen; der Feind habe zur Täuschung drei Schiffe mit Admiralslichtern in Geschwaderabstand voneinander liegen lassen, sei dann abgesegelt und am anderen Morgen in der Richtung auf Ouessant nur noch von den Mastspitzen gesehen worden. Tatsächlich sind beide Flotten in ihre Häfen zurückgegangen, die französische traf am 29. Juli in Brest, die englische am 31. in Plymouth ein.[254] Daß d'Orvilliers nichts weiter unternahm, ist leicht mit seiner Instruktion und mit der in der französischen Marine herrschenden Auffassung von der Verwendung der Flotten zu erklären: Er hatte die Ehre der Flagge gewahrt, seine Schiffe in brauchbarerem Zustande als die des Gegners erhalten und diesen vorläufig außerstand gesetzt, an der französischen Küste zu kreuzen. Er hatte durchgeführt, was er versprochen, und auch die Leistungen seiner Schiffe waren besser gewesen, als er nach dem Ausfall der Vorübungen erwartet hatte. Nun wollte er die beiden versprengten Schiffe aufnehmen und dann ausbessern, ehe er die Kreuzfahrt wieder aufnahm. Es ist mithin wohl möglich, daß er das Feld geräumt hat.

Die englische Behauptung gewinnt auch dadurch an Zuverlässigkeit, daß sie sich auf Angaben stützt, die von vielen als Zeugen in der Untersuchung gegen Keppel vernommenen Kommandanten unter eidlicher Bekräftigung gemacht sind, während der französischen Schilderung wohl nur die üblichen Berichte zugrunde liegen.

Auch Keppel hatte insoweit seinen Zweck erreicht, als er den Feind zum Kampfe nötigte. Es liegt auch kein Grund zum Zweifel an seiner Absicht vor, diesen am Nachmittag wieder aufzunehmen. Es ist ihm allerdings vorzuwerfen, daß er die Schiffe der Vorhut nicht gleich einzeln heranrief, aber er hatte keine Meldung von Palliser über dessen Manövrierunfähigkeit und wartete wohl von Minute zu Minute auf die Befolgung seiner Befehle. Daß er es am folgenden Tage für aussichtslos hielt, mit seinen beschädigten Schiffen den Feind einzuholen, und auch für gefährlich, mit ihnen an der feindlichen Küste zu bleiben, ist als berechtigt anzusehen.

Die öffentliche Meinung in beiden Ländern war mit dem Ergebnis der Schlacht nicht zufrieden. In Frankreich hatte zwar zuerst die Vertreibung des Gegners von der Küste großen Jubel erregt, als aber die näheren Umstände bekannt wurden, fand man, daß viel mehr hätte erreicht werden müssen. Man schob die Schuld auf den Herzog von Chartres, weil er den Befehl des Flottenchefs nicht sofort ausgeführt habe; man beschuldigte ihn des Ungehorsams, ja der Feigheit. Er wurde aus der Marine entfernt.

Louis Philippe, Duc de Chartres — nach seines Vaters Tode Herzog von Orleans, während der Revolution als Bürger Philippe Egalité bekannt —, war bestimmt, später Admiral von Frankreich zu werden. Er hatte keine seemännische Erfahrung, weshalb man ihm in seinem Flaggkapitän, dem Chef d'Escadre de Lamotte-Picquet, einen hervorragend tüchtigen Seeoffizier zur Seite gestellt hatte; so wird er während der Schlacht kaum von irgendwelchem Einfluß gewesen sein. Die neueren französischen Marineautoren lehnen denn auch die gegen ihn erhobenen Vorwürfe bestimmt ab. Wie man sagt, erfolgte seine Entfernung auf Betreiben der Königin, und dies trug zur Vergrößerung der schon bestehenden Spannung zwischen dieser und dem Herzoge bei, obgleich letzterer zum Generaloberst der Husaren ernannt wurde — ein für ihn neugeschaffener Titel.

In England war schon der erste Rückzug Keppels übel vermerkt worden. Jetzt hatte man die Vernichtung des Gegners erwartet und der Ausfall der Schlacht zog eine Flut von maritimen sowie von politischen Erörterungen nach sich; je nach dem Parteistandpunkte der Kritiker richteten[255] sich die Vorwürfe gegen die Regierung und die Admiralität oder gegen Keppel, und dieser ward schließlich im Januar 1779 in kriegsgerichtliche Untersuchung gezogen. Wenn auch in allen Ehren freigesprochen, so legte er doch sein Kommando nieder.

Kriegsgericht über Keppel. Der Admiral hatte Palliser nicht angeschuldigt, war aber gezwungen, zu Äußerungen der Presse über die Schlacht Stellung zu nehmen, und als er dabei das Verhalten seines Untergebenen zur Sprache brachte, erhob dieser Anklage gegen ihn; diese lautete auf zwei grobe Verstöße Keppels gegen die Gefechtsinstruktion dadurch, daß er zum Angriff vorgegangen sei, ehe die Gefechtslinie ordnungsmäßig gebildet war, sowie insofern, als er nach dem Passieren der Flotten nicht den Angriff sofort erneuert habe, sondern sogar vom Feinde fortgesegelt sei (wie bekannt zur Deckung einiger Schiffe), also nicht alles zur Vernichtung des Gegners getan habe.

Keppel wurde jedoch vom Kriegsgericht in allen Ehren freigesprochen; die Mehrzahl der englischen Seeoffiziere und die öffentliche Meinung standen gleichfalls auf seiner Seite. Palliser dagegen ward genötigt, seinen Abschied zu nehmen. Er hatte versucht, sich damit zu entschuldigen, daß er das Signal nicht gesehen habe und daß sein Schiff bewegungsunfähig gewesen sei; beides wurde ihm widerlegt und ihm außerdem vorgeworfen, wenn letzteres wirklich der Fall gewesen wäre, hätte er dies seinem Chef melden und ihm die anderen Schiffe senden müssen. Die Stimmung war derart, daß man nach Bekanntwerden des Urteils zu Ehren Keppels Feuerwerke abbrannte, während der betrunkene Pöbel das Haus Pallisers zerstörte und seinen Freunden die Fenster einwarf. (Näheres über das Kriegsgericht vgl. Campbell Band V, Seite 432, und Clowes Band III, Seite 423.)

Für die Geschichte der Seetaktik ist die Schlacht bei Ouessant bemerkenswert als ein wichtiges Glied in der Entwicklung der englischen Taktik. Bei Toulon 1744 trat Mathews gleichfalls ins Gefecht, ehe er die Linie gebildet hatte, da er fürchtete, daß ihm der Gegner sonst entweichen könne; als das Ergebnis der Schlacht den Erwartungen nicht entsprach, ward er für diesen Verstoß gegen die Gefechtsinstruktion aus dem Dienste entlassen. Nach diesem Vorgange wagte Byng bei Minorca trotz günstiger Gelegenheit nicht von der Vorschrift abzuweichen; er wurde erschossen, weil er nicht alles zur Vernichtung des Feindes getan habe. Beide Kriegsgerichte standen im englischen Offizierkorps noch gut in Erinnerung, Keppel war selber ein Mitglied des zweiten gewesen. Trotzdem griff er an, ohne die Linie völlig hergestellt zu haben, damit der Feind sich ihm nicht entziehe. Ihn sprach das Kriegsgericht frei; die meisten seiner Kommandanten hatten seinem Handeln mit der Begründung zugestimmt, daß es sonst nicht zur Schlacht gekommen wäre.

Ähnliches zeigt sich bei der Beurteilung der Unterführer. Lestock, der seinen Chef bei Toulon im Stich gelassen hatte, wurde freigesprochen, da er sich auf den Buchstaben der Instruktion berufen konnte, Palliser wurde jetzt wegen des gleichen Verhaltens wenigstens gemaßregelt. Dies sind doch Anzeichen, daß man in England die Notwendigkeit zu erkennen begann, mit der buchstäblichen und schematischen Befolgung der Gefechtsvorschriften zu brechen. Durchgedrungen war dieser Gedanke noch nicht. Keppel war sich wohl bewußt, welche Gefahr er lief; er äußerte, daß sein Handeln eine Frage um Leben und Tod für ihn sei. Auch das Verhalten der Schiffe der Vorhut[256] zeigt, daß eine freiere Auffassung noch nicht genügend Platz gegriffen hatte, sonst würden sie ohne Befehl zur Mitte gesegelt sein, wenn ihr Geschwaderchef bewegungsunfähig war. Es ist übrigens bemerkenswert, daß Keppel nach der Schlacht befahl, in Zukunft hätten auf das Signal „Schlachtlinie bilden“ die einzelnen Schiffe auf den Flottenchef und nicht wie bisher auf die Geschwaderchefs ihre Posten in der Linie einzunehmen.

Das Verhalten der Franzosen zeigt gleichfalls, wie schwer es ist, mit eingewurzelten Überlieferungen zu brechen; sie blieben bei ihrer defensiven Fechtart, wenn sie auch diesmal in der Luvstellung den Kampf annahmen. Hierdurch waren sie beim Passieren imstande, den Nahkampf herbeizuführen. Sie taten es nicht, obgleich sie der weniger geordneten englischen Linie gegenüber wahrscheinlich großen Erfolg gehabt hätten; sie blieben auch bei ihrem Feuer auf die Takelage, um dem Gegner die Offensivkraft zu nehmen. D'Orvilliers hatte nach dem Passieren zwar den richtigen Gedanken, dessen ungünstige Lage zum Angriff zu benutzen, die Durchführung versprach jedoch nur bei sofortigem Beginn der Manöver Erfolg und der Flottenchef war genötigt, seine Absicht erst den Untergebenen klar zu machen, so fern lag diesen ein tatkräftiges angriffsweises Vorgehen. Als sich inzwischen ein Teil der englischen Flotte geordnet hatte, sah d'Orvilliers vom Angriff ab und nahm die übliche Verteidigungsstellung ein.

Die Schlacht zeigt endlich, daß es zur See einem ausdauernden Verfolger oft gelingen wird, den Gegner zur Schlacht zu stellen, da für ihn günstige Umstände eintreten können; hier wurde es den Engländern durch die Windänderung möglich, obgleich sie in Lee standen. (Vgl. Hostes Regeln, Seite 37.)

Weitere Ereignisse von Bedeutung brachte das Jahr 1778 in den europäischen Gewässern nicht mehr. D'Orvilliers ging aufs neue am 17. August mit 28 (29?) Linienschiffen zum Handelsschutz in See. Seine Instruktion hielt sich jetzt ganz nach der vorsichtigen Art früherer Zeiten, sie befahl ihm nicht gerade das Vermeiden, aber verbot ihm doch das Suchen eines Kampfes; Vergennes schrieb, daß man es nicht für richtig erachte, Schlachten herbeizuführen, „die doch oft nur Verluste brächten“. Vielleicht ist man dabei von dem Gedanken geleitet, die Kräfte für den Versuch einer Landung in England im nächsten Jahre zu erhalten. Die Flotte kreuzte sechs Tage vor dem Eingange des Kanals, später zwischen Ouessant und Finisterre und lief am 18. September wieder in Brest ein. Bis in den November hinein kreuzten dann mit Ablösung einige Linienschiffe bei Ouessant, Fregatten in der Biskaya und kleinere Fahrzeuge in der Nordsee sowie an der portugiesischen Küste. Keppel war gleichfalls vom 22. August bis zum 28. Oktober in See, meist am Eingange des Kanals. Beide Parteien behaupten, der Gegner sei einem Zusammenstoß ausgewichen. Die französische Flotte scheint, dem Befehle entsprechend, den Kanal verlassen zu haben, als Keppel erschien, und in England wollte man die schwache Heimflotte wahrscheinlich nicht zu weit von den eigenen Küsten entfernen.

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Die Kriegführung in den europäischen Gewässern 1778 zeigte auf beiden Seiten keine Tatkraft. In England war dies eine Folge der mangelhaften Vorbereitungen, man mußte sich ganz auf den Schutz der eigenen Gewässer beschränken. Das Ausrüsten wie das Auslaufen der Toulonflotte erfuhr man frühzeitig genug und war doch nicht imstande, Gegenmaßregeln zu ergreifen. Hätte d'Estaing nicht so ungewöhnlich lange Zeit von Toulon bis Gibraltar gebraucht, so würde er bei einer Bestimmung nach Brest seine Vereinigung mit der Flotte dort ohne Zweifel unbelästigt erreicht haben; nach Nordamerika beordert, wie es der Fall war, trat er mit Erfolg auf und sein Erscheinen würde ohne die erwähnte lange Reise noch verhängnisvoller für England geworden sein. Dies hätte seine Rüstungen darauf einrichten müssen, daß es die Straße von Gibraltar sperren oder sich wenigstens dort an die Toulonflotte hängen konnte. Die beim Beginn fast eines jeden Krieges auftretende Furcht vor einer Invasion wirkte übrigens mit, die englische Tatkraft zu lähmen; alle Schiffe wurden vorläufig daheim festgehalten. Nach Entsendung Byrons war England dann zu schwach, um aus den heimischen Gewässern herauszutreten.

Frankreich hatte den Krieg besser vorbereitet und auch rechtzeitig Befehle erlassen, um überall an erster Stelle im Felde erscheinen zu können, aber nur der Vorstoß in Amerika wurde durchgeführt. Alle neueren französischen Autoren stimmen, gestützt auf Aussprüche der Marineautoritäten jener Zeit, darin überein: „Frankreich wäre imstande gewesen, auch in Brest rechtzeitig eine den englischen Seestreitkräften weit überlegene Flotte aufzustellen, Schiffe lagen genügend auf den Werften bereit und an Leuten fehlte es nicht. Man hätte die Engländer in den Häfen blockieren und über deren Handel herfallen müssen, wie diese 1755 getan hatten; das würde nicht nur große Beute gebracht, sondern ihnen auch die Mobilmachung noch mehr erschwert haben. Vielleicht wäre wirklich eine Invasion, jedenfalls aber die Wegnahme der Kanalinseln ermöglicht worden. Die französische Marine sei für ein derartiges Vorgehen mit äußerster Kraft begeistert gewesen.“

In dem hierzu nötigen Umfange wurden die Rüstungen jedoch nicht angeordnet. Überschätzte man die Kraft Englands, und glaubte man, ohne die Mitwirkung Spaniens Großes nicht wagen zu dürfen? Aber auch mit den vorgenommenen Rüstungen blieb Frankreich monatelang überlegen und durfte angriffsweise vorgehen. Man konnte wenigstens Byrons Abfahrt nach Nordamerika hindern; hierdurch würde d'Estaing, wenn er auch zur Lösung seiner ersten Aufgabe zu spät kam, für sein weiteres Auftreten freiere Hand gehabt haben. Statt dessen hielt man die Brestflotte zurück, solange England sich nicht rührte, Byron konnte segeln und auch Keppel erschien als erster auf dem Plane. Und selbst noch nach den ersten Gewalttaten des englischen Admirals wäre es Zeit gewesen, loszuschlagen, aber Wochen vergingen, bis d'Orvilliers den Befehl zum Auslaufen erhielt, und nun war die feindliche Flotte ihm gewachsen. Der französischen Regierung fehlte hier wieder, wie wir es in den früheren Kriegen so oft gesehen haben, Verständnis[258] dafür, daß ein durchschlagender Erfolg gegen England nur durch eine kräftige Offensive, hauptsächlich gegen die Seestreitkräfte des Gegners, zu erzielen war. Sie hatte zwar oft große Pläne, führte dann aber die Kriege im allgemeinen defensiv mit nur vereinzelten Offensivstößen — wie hier in Nordamerika —, über die sie die großen Ziele aus dem Auge verlor. So blieb auch der Vorteil unbenutzt, den Frankreich in diesem Kriege durch bessere Vorbereitung hatte, und dies war bei den großen Hilfsquellen Englands ein schwerwiegender Fehler.[137]

Der Krieg in Nordamerika und Westindien 1778/1779.

Die Räumung Philadelphias (anschließend an Seite 242). General Clinton erhielt im Juni 1778 Befehl, die Stellung am Delaware zu räumen; sie mußte als unhaltbar angesehen werden, sobald die französische Flotte d'Estaings in den nordamerikanischen Gewässern auftrat und England die Seeherrschaft streitig machte. Der Rückzug, vom Admiral Howe schon vorbereitet, begann am 18. Juni und wurde über Land durch New Jersey angetreten. Wenn man auch diesen Marsch angesichts des Feindes im Vorjahre für zu gefährlich angesehen hatte, so mußte er jetzt doch gewählt werden, denn der Transport der Truppen über See erschien noch gewagter, da die französische Flotte jeden Tag erscheinen konnte. Howe deckte den Übergang des Heeres über den Delaware und führte dann die Transporter mit Material den Fluß hinab. Widriger Winde halber beanspruchte dies die Zeit bis zum 28. Juni, ein frischer Wind führte dann die Schiffe in kaum 48 Stunden nach Sandy Hook und auch Clinton traf am 30. mit dem Heere dort ein. Washington, jetzt sehr verstärkt, hatte zwar den Marsch beunruhigt, konnte ihn aber nicht aufhalten und wagte auch keine entscheidende Schlacht. Von Sandy Hook wurden die Truppen durch die Flotte bis zum 5. Juli nach New York übergeführt. Es war die höchste Zeit. Schon am 29. Juni erhielt Howe durch ein Postschiff die bestimmte Nachricht, daß d'Estaing unterwegs sei; das Fahrzeug hatte ihn sogar gesichtet. Am 7. Juli meldete einer der vom Admiral entsandten Kreuzer, daß er die Franzosen an der Küste gesehen habe, und am 9. traf die Nachricht ein, daß sie tags zuvor in der Delawarebucht geankert hätten.

Vizeadmiral Graf d'Estaing[138] traf zu spät ein, er hätte sonst großen Erfolg erringen können. Wie seine Fahrt von Toulon nach Gibraltar, so hatte auch[259] die über den Ozean außergewöhnlich lange gedauert. Seine Order, die er am 20. Mai 120 Seemeilen westlich vom Kap St. Vincent öffnete, trug ihm auf, von nun ab die Feindseligkeiten zu beginnen, nach Nordamerika zu segeln und dort etwas zum Ruhme der französischen Flagge sowie zu nennenswertem Vorteile der Amerikaner zu unternehmen. In erster Linie war er angewiesen, die weit schwächere Flotte Howes in der Delawarebucht zu suchen und zu vernichten; sollte sie schon abgesegelt sein, so wäre sie zu verfolgen und anzugreifen, wo sich Gelegenheit biete. Man nahm an, mit der Vernichtung der Seestreitkräfte sei auch das englische Heer verloren. Nach Lösung dieser Aufgabe sollte der Admiral den Umständen gemäß handeln, also etwa Angriffe der Amerikaner auf Neubraunschweig unterstützen und ihre Küsten von Kreuzern sowie Freibeutern reinhalten. Erlange die englische Flotte durch Verstärkungen die Überlegenheit, so sollte d'Estaing Boston als Ausrüstungshafen und Stützpunkt aufsuchen und bei passender Gelegenheit nach Westindien (Kleine Antillenstation) segeln. Infolge der späten Ankunft ging die günstigste Aussicht auf einen großen Erfolg verloren; das einzige Ergebnis des Erscheinens vor der Delawarebucht war die Vernichtung zweier englischer Ausguckfregatten, die sich dort überraschen ließen.

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Comte d'Estaing.

Die auffallend lange Reise der französischen Flotte wird vielfach dem Admiral zur Last gelegt, seinem Mangel an seemännischer Erfahrung sowie dem Umstande, daß er während der Fahrt durch unnötige Übungen viel Zeit verloren habe. Es mag etwas Wahrheit hierin liegen, aber von anderer Seite wird er mit der sehr ungleichen Segelfähigkeit seiner Schiffe entschuldigt. Er selber hat berichtet, daß seine besten Segeler häufig nur gereffte Marssegel hätten führen dürfen, wenn die schlechtesten mit Gefahr für die[260] Masten Segel gepreßt hätten. Die Behauptung, einige, ihm übelgesinnte Kommandanten hätten absichtlich durch fehlerhaftes Manövrieren sowie schlechtes Steuern die Fahrt aufgehalten, ist nach neueren Forschungen haltlos. D'Estaing hat in allen Berichten, Tagebüchern und Briefen stets den Eifer der Kapitäne anerkannt, obgleich er ihnen sonst nicht wohlwollend gegenüberstand; er klagt immer nur über die Schiffe. Eher ist anzunehmen, daß dieser Umstand gar nicht so schwer ins Gewicht fiel, daß dagegen die mangelnde Erfahrung der Offiziere im Segeln in großen Verbänden das Zusammenhalten der Flotte erschwert hat. (Vgl. Lacour II über die Personalien und über diese Reise d'Estaings.)

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Richard Earl Howe.

Bei dem Stärkeverhältnis der Flotten war die Lage für Frankreich sehr günstig. Die französischen Streitkräfte zählten 12 Linienschiffe, 1 zu 90 Kanonen, 1 zu 80, 6 zu 74, 3 zu 64 und 1 zu 50, sowie vier Fregatten; 1000 Mann Infanterie waren für Landungen eingeschifft. Die englische Flotte bestand aus 6 Schiffen zu 64 Kanonen, 3 zu 50, 2 zu 44 und einigen Fregatten (in Halifax lagen noch drei oder vier kleinere Linienschiffe nebst mehreren Fregatten). Von diesen befand sich aber nur ein Teil in der Delawarebucht, der Rest lag in New York und in der Narragansettbai. Wäre d'Estaing 10–12 Tage früher angekommen, so hätte er den durch die Transportflotte noch behinderten Teil leicht vernichten können. Die dann nur von dem anderen Teile beschützte Bucht von New York wäre darauf voraussichtlich auch den Franzosen in die Hände gefallen und Clintons Heer, von den französischen See- und den amerikanischen Landstreitkräften in die Mitte genommen, zur Übergabe gezwungen gewesen.

D'Estaings erfolgloser Angriff auf New York und Rhode-Island. Die Überlegenheit der französischen Flotte hätte zwar auch jetzt noch ausgenutzt werden können, aber d'Estaing war zu vorsichtig und zu langsam, fand dagegen in seinem Gegner einen umsichtigen, tatkräftigen und schnell entschlossenen Führer. Admiral Sir Richard Howe[139] hatte inzwischen[261] seine sämtlichen Schiffe in der unteren Bucht von New York zusammengezogen, nur 4 Fregatten verblieben vor Newport an der Narragansettbucht. Brander wurden hergestellt und die nicht vollzähligen Schiffsbesatzungen durch zahlreich sich meldende Freiwillige der Transport- und Handelsschiffe sowie des Heeres aufgefüllt. Schiffer und Steuerleute von Kauffahrern liefen mit kleinen Fahrzeugen aus, um für New York bestimmte Schiffe zu warnen. Sobald die Truppen Clintons am 5. Juli nach der Stadt übergeführt waren, ließ der Admiral die Kriegsschiffe nach einem bereits aufgestellten Plane eine Verteidigungsstellung bei Sandy Hook einnehmen, die den Feind schon beim Einsegeln in die untere Bucht mit starkem, enfilierenden Feuer bedrohte und später die ganze eigene Kraft zur Verteidigung entfaltete.

Für Howes Stellung vor New York (vgl. Plan von New York, Seite 235) genügt eine kurze Schilderung, da es nicht zum Kampfe kam; sie ist genau und lesenswert beschrieben in Elkins, Naval Battles. Der über die Barre in die untere Bucht führende Kanal für tiefergehende Schiffe läuft in der Richtung Ost-West rechtwinklig auf Sandy Hook zu und dicht unter dieser Landspitze vorbei. Howe erbaute auf ihr eine Batterie und legte seine Hauptmacht, 5 Schiffe zu 64 Kanonen, 1 zu 50 und einen armierten Transporter, von Sandy Hook nach Westen in Linie. Die Schiffe lagen jedoch nicht genau in Kiellinie, sondern ein jedes war etwas nördlicher verankert als sein Vordermann, und hatte vom Heck aus einen Anker querab Backbord-Bug ausgefahren. Die Franzosen konnten nur bei westlichem Winde in Kiellinie passieren und den Kanal westwärts hinaufsegeln, wenn dann die Engländer ihre Springankertaue festhielten und die Bugankertaue fierten, so schwoiten sie mit der Breitseite nach Osten und bestrichen sämtlich den Kanal, ohne sich gegenseitig im Feuer zu hindern. Die Franzosen konnten das Feuer nicht erwidern und mußten schwer leiden; gelang es ihnen trotzdem, querab von den Engländern zu kommen, so brauchten diese nur die Springankertaue loszuwerfen, um wieder die geschlossene Ost-West-Linie herzustellen, die an ihren Flügeln nicht umgangen werden konnte. Hinter der Linie lagen als Reserve ein 64-Kanonenschiff nebst einigen Fregatten; auf der Barre selber, etwa 2–3 Seemeilen von der Landspitze, war ein 50-Kanonenschiff nebst kleineren Fahrzeugen stationiert, um den Feind schon hier zu enfilieren und sich dann zurückzuziehen; mit gleicher Bestimmung lagen vier Galeren im Kanal querab von der Huk. Bei der großen Übermacht der Franzosen blieb aber die Lage der Engländer immer gefährlich, und sie mußten eines harten Kampfes, vielleicht der Vernichtung gewärtig sein, wenn der Gegner zum Nahkampf herangelangte.

Diese Vorbereitungen waren noch nicht beendet, als am 11. Juli die Nachricht vom Nahen der französischen Flotte eintraf, doch blieb Zeit genug, sie durchzuführen. D'Estaing hatte zwar die Absicht, seiner Instruktion entsprechend die englische Flotte zu suchen, war aber erst am 10. Juli von der Delawarebucht aufgebrochen und ankerte am 11. abends etwa 4 Seemeilen südlich von Sandy Hook unter der Küste, um den Angriff auf Howe einzuleiten.[262] Hier trat er mit Washington in Verbindung, der gleichzeitig die Stadt New York angreifen wollte. Die Verhältnisse lagen also noch günstig genug, um das englische Heer zur Übergabe zu zwingen, aber d'Estaing glaubte, ohne Lotsen nicht in die Bucht von New York eindringen zu können. Erst am 16. Juli trafen solche ein, erklärten jedoch, daß ein Passieren der Barre für die schweren Schiffe mit einem Tiefgange von 23 bis 25 Fuß unmöglich sei, da man selbst unter den günstigsten Verhältnissen nur auf 22 Fuß Wasser rechnen könne. In den nächsten Tagen von ihnen unter Aufsicht französischer Offiziere vorgenommene Lotungen ergaben auch nur 22½ Fuß. Ein am 20. Juli zusammentretender Kriegsrat der Kommandanten, in dem den Lotsen ohne Erfolg 150 000 Francs angeboten wurden, beschloß, daß unter diesen Umständen sowie in Hinblick auf die starke Stellung der Engländer am Einfahrtskanal von einem gewaltsamen Eindringen abgesehen werden müsse, daß man sich dagegen im Verein mit dem amerikanischen Heere in Besitz der Stadt Newport mit der seemännisch und strategisch wichtigen Narragansettbucht setzen wolle. Washington hatte dies vorgeschlagen, falls der Plan gegen New York nicht auszuführen sei. Am 22. Juli zeigte sich die französische Flotte vormittags bei Sandy Hook, segelte aber nachmittags nach Süden ab; Howe ließ ihr kleinere Fahrzeuge zur Beobachtung folgen, da er zunächst nicht glaubte, daß sie den Angriff aufgegeben habe.

Englische Berichte über die Lage besagen, daß ein Eindringen durchaus möglich gewesen wäre. Infolge der Gezeiten sei vom 20. Juli an bei Flut genügend Wasser auf der Barre gewesen, am Nachmittag des 22. bei Springflut sogar 30 Fuß, und dabei habe der Wind aus günstigster Richtung zum Einsegeln geweht; spätere Beobachtungen haben festgestellt, daß genannte Wassertiefe bei Springflut gewöhnlich vorhanden ist. Schon daß Howe nach genauen Lotungen so vorsorglich seine Verteidigungsstellung einnahm, beweist, daß er ein Eindringen für möglich hielt. Wenn die Lotsen anderer Ansicht waren, so ist dies erklärlich, da sie bislang keine Gelegenheit gehabt hatten, mit so schweren Schiffen zu rechnen, weil nur kleinere englische Linienschiffe an der Küste stationiert gewesen waren; französische Angaben deuten allerdings auch an, es seien Männer gewesen, die nicht warm zur amerikanischen Sache hielten. Die englische Flotte hat am 22. mittags den Angriff sicher erwartet.

D'Estaing verlor so die zweite Gelegenheit zu einem durchschlagenden Erfolg. Er wählte nun südlichen Kurs, um den Angriff auf Newport vorläufig zu verschleiern, und setzte ihn bis zur Delawarebucht fort. Nachdem ihn hier die englischen Beobachtungsfahrzeuge verlassen hatten, steuerte er nach Norden und ankerte am 29. Juli drei Seemeilen südlich von Rhode-Island. Er drang auch in die Narragansettbucht ein, sah sich aber genötigt, sie wieder zu verlassen, ehe es ihm oder den amerikanischen Truppen gelungen war, die Insel Rhode-Island nebst der Stadt Newport zu nehmen und sich so festzusetzen.

Die Narragansettbucht an der Küste des Staates Rhode-Island wird nach See zu durch die Inseln Rhode-Island und Conanicut abgeschlossen, so daß drei Einfahrten entstehen. Die östlichste zwischen Rhode-Island und dem Festlande ist oberhalb genannter Insel nicht schiffbar; die mittlere zwischen den beiden Inseln ist die Haupteinfahrt und vereinigt sich oberhalb Conanicut mit der westlichen, die durch diese Insel und das westliche[263] Festland gebildet wird. Die Stadt Newport liegt auf der Westseite Rhode-Islands etwa 4 Seemeilen vom Anfang der Haupteinfahrt. Ihr innerer Hafen wird durch die kleine Goatinsel geschützt, deren Batterien mit denen auf Rhode-Island im Norden und Süden der Stadt die Haupteinfahrt bestrichen; auf Conanicut befanden sich kleine Werke zur Beherrschung der Westeinfahrt.

Die englische Stellung an der Narragansettbucht befehligte General Sir Robert Pigot, dem 5–6000 Mann, sowie 5 Fregatten, 2 Sloops und einige Galeren unterstanden. Als d'Estaing vor der Haupteinfahrt geankert hatte, erhielt er von dem amerikanischen General Sullivan, der auf dem Festlande östlich der Bucht stand, die Nachricht, er sei noch nicht zum Angriff bereit und erwarte noch Milizen. So ging die Überraschung verloren und der Admiral mußte sich zunächst auf eine Art Blockade beschränken, um das Entweichen der englischen Schiffe, sowie das Einlaufen von Unterstützungen zu hindern. Am 30. Juli sandte er 2 Linienschiffe unter dem Befehle des später berühmten Kapitäns Suffren in die westliche Einfahrt; sie ankerten am Nordende dieser Insel, kaum behindert von den Batterien auf Conanicut. Gleichzeitig drangen 2 Fregatten, sowie eine Korvette in die östliche Einfahrt und zwangen hier zwei englische Fregatten, eine Sloop sowie einige Galeren, sich zu verbrennen, da sie nicht entrinnen konnten. Pigot rief jetzt seine Truppen von Conanicut zurück und zog seine ganze Kraft um Newport zusammen. Am 5. August durchsegelte Suffren die westliche und ankerte am Nordende der Haupteinfahrt; an seiner Stelle übernahmen zwei weitere Linienschiffe die Sperrung der Westeinfahrt. Der bei Newport befindliche Rest der englischen Schiffe war nebst fünf Transportern somit eingeschlossen; man versenkte sie zur Sicherung des inneren Hafens bei der Goatinsel, doch nahm man vorher Geschütze nebst Munition an Land, und die Besatzungen, gegen 1000 Mann, verstärkten die Garnison. — Am 8. August erfuhr d'Estaing, daß Sullivan zum Angriff bereit sei; er lief nun mit den ihm verbliebenen 3 Linienschiffen, Schüsse mit den Befestigungen wechselnd, durch die Haupteinfahrt, ankerte an deren Nordende außerhalb des feindlichen Feuerbereichs in Linie und traf Vorbereitungen, sich durch Springanker mit den Breitseiten nach See legen und einen Angriff der englischen Flotte wirksam empfangen zu können. Sullivan führte in der Nacht vom 8./9. August 10 000 Mann nebst zahlreichen Feldgeschützen unter Deckung der dort liegenden Fregatten über die östliche Einfahrt nach dem Nordende von Rhode-Island und am 9. morgens landete der Admiral 4000 Soldaten sowie Seeleute auf Conanicut; dieses Landungskorps sollte hier formiert, etwas eingeübt und im gegebenen Augenblick zum gemeinsamen Angriff nach Rhode-Island gebracht werden. Das Wetter am 9. war nebelig, als aber die Sonne durchbrach, sah man die Schiffe vor der Westeinfahrt mit vollen Segeln in diese einlaufen; die englische Flotte war in Sicht. D'Estaing schiffte sein Landungskorps wieder ein und ließ die Schiffe quer zur Haupteinfahrt legen.

[264]

Admiral Howe hatte abermals schnell entschlossen gehandelt, auch war er inzwischen um vier Schiffe verstärkt. Am 26. Juli war ein 50-Kanonenschiff, zu seinem Geschwader gehörig, von Westindien eingetroffen, bald darauf stieß ein gleiches von Halifax zu ihm und am 30. Juli ein 74-Kanonenschiff; dieses war von Byrons herannahender Flotte im Sturm abgesprengt. Zwei Tage vorher war noch ein 64-Kanonenschiff von Halifax eingelaufen und hatte gemeldet, es habe die französische Flotte am 27. nach Norden steuern sehen. Alle diese Schiffe hätten also dem Feinde in die Hände fallen können. Howe faßte sofort den Entschluß, Newport zu entsetzen. Er war auch bereits am 1. August seeklar, konnte aber erst am 6. morgens die Barre bei Hochwasser passieren und erschien am 9. vor Rhode-Island. Seine Flotte zählte jetzt 1 Schiff zu 74 Kanonen, 7 zu 64, 5 zu 50, 2 zu 44, 4 Fregatten, 3 Sloops, 3 Brander, 2 Mörserboote, 4 Galeren und einige Transporter mit Truppen, Proviant und Munition. An Zahl der Schiffe von 50 Kanonen aufwärts war er so dem Gegner gleich, aber dieser gebot doch über weit schwerere. Trotzdem hielt d'Estaing seine Lage für gefährlich, da die vorherrschenden südlichen Winde einen Angriff der Engländer, besonders ihrer Brander, begünstigten, als daher der Wind in der Nacht vom 9. auf 10. August ausnahmsweise aus NO wehte, ließ er um 7 Uhr morgens die Ankertaue kappen, ging in See und steuerte auf Howe zu. Die Fregatten in der Osteinfahrt blieben zurück, um Sullivans rückwärtige Verbindungen zu sichern. Der englische Admiral hatte sich am 9. für einen Angriff zu schwach gefühlt und wollte aus gleichem Grunde jetzt in der Leestellung, in der er seine Brander nicht verwenden konnte, nicht fechten; er wich aus. Fast zwei Tage vergingen nun mit Manövrieren. Am Nachmittage des 11. August wäre es beinahe zur Schlacht gekommen, aber ein Sturm trennte die Gegner und versprengte ihre Flotten.

Die Manöver der beiden Flotten. Howe steuerte beim Herauskommen der Franzosen südlich in der Hoffnung, daß der Wind bald wieder nach Süden drehen und ihm die Luvstellung geben würde; d'Estaing folgte, um den Kampf zu erzwingen. Der Wind blieb aber ostnordöstlich und der Morgen des 11. August fand beide Flotten über Steuerbordbug nach SO liegen, die französische im Nordosten der englischen. Howe wollte sich nicht zu weit von Rhode-Island abziehen lassen und bildete nachmittags die Schlachtlinie über Backbordbug mit nördlichem Kurse; es ist sehr bemerkenswert, daß er sein Flaggschiff verließ und sich auf einer Fregatte einschiffte, um im Fall des Kampfes seine Flotte besser leiten und so ihre Schwäche durch seine Geschicklichkeit ausgleichen zu können[140]. D'Estaing legte seine Flotte gleichfalls über Backbordbug (gegen 4 Uhr nachm.) und näherte sich nun schnell der englischen, da seine schweren Schiffe bei dem[265] zunehmenden Seegange besser liefen und er auch raumer steuern konnte. Er hat scheinbar beabsichtigt, an die englische Linie von hinten und von Lee aus heranzugehen, um so die Zahl der anzugreifenden Gegner bestimmen und auch seine untersten Batterien verwenden zu können; Howe ließ deshalb eng auf die Mitte schließen.

Aber jetzt frischte der Wind sehr auf und schwere Regenböen setzten ein. Als die französische Vorhut die englische Nachhut fast erreicht hatte (gegen 6 Uhr), sah sich d'Estaing genötigt, in einer schweren Bö mit dem Flaggschiffe beizudrehen. Die anderen Schiffe folgten seinem Beispiele; die ganze Flotte lag unter Sturmsegeln bei. Bald wehte schwerer Sturm. In der Nacht verlor das Flaggschiff Bugspriet, Besan- sowie Fockmast und das Ruder wurde beschädigt; auch die anderen Schiffe litten sehr und die Flotte wurde auseinandergesprengt. Der Sturm hielt bis zum Nachmittag des 13. an. Um diese Zeit sah sich das Flaggschiff ganz allein und wurde von einem unbeschädigten englischen 50-Kanonenschiffe angegriffen; ebenso erging es einem völlig entmasteten französischen 74-Kanonenschiff. Die Angegriffenen waren in ihrem wracken Zustande kaum fähig, sich zu verteidigen, da die beweglichen Gegner sie enfilierten, und nur der Einbruch der Nacht rettete sie; das Flaggschiff kam seinem Gegner aus Sicht, das andere erhielt Unterstützung. D'Estaing ankerte noch in der Nacht etwa 60 Seemeilen östlich vom Kap May am Eingang zur Delawarebucht und am 14. trafen die anderen Linienschiffe bei ihm ein, nur eins war nach Boston gesegelt. — Auch Howes Flotte hatte mit dicht gerefften Marssegeln beigedreht und wurde gleichfalls auseinandergesprengt. Ein 50-Kanonenschiff sah sich schwer bedrängt von einem französischen Linienschiff, das jedoch beim Nahen anderer Engländer absegeln mußte; eine Sloop und ein Mörserboot wurden aber genommen. Der Admiral mit seiner Fregatte und nur zwei Linienschiffen sichtete am 15. die Franzosen auf ihrem Ankerplatze und traf dann am 17. bei Sandy Hook mit den übrigen Schiffen zusammen. Auch die englische Flotte war schwer beschädigt, aber doch weniger als die französische.

Nachdem d'Estaing seine Flotte nahe beim Eingang zur Delawarebucht wieder gesammelt und die Sturmschäden notdürftig ausgebessert hatte, ging er am 17. August nach Rhode-Island zurück und traf hier am 20. ein. Sullivan hatte seine Truppen an die englische Stellung um Newport herangeführt und seine Batterien schon bis auf 1500 Yards an die feindlichen Werke vorgeschoben. Er bat nun den Admiral dringend, mit den Schiffen die alte Stellung einzunehmen und aufs neue Leute zu landen, da er allein zu einem Angriffe zu schwach sei. D'Estaing erklärte sich zu der Landung bereit, aber nur, wenn der Erfolg innerhalb zweier Tage zu erreichen sei. Er hatte erfahren, daß Byrons Ankunft bevorstehe, ja daß einige von dessen Schiffen schon in New York angekommen seien, auch hatten einige seiner Schiffe einen zu Howes Flotte nicht gehörenden Dreidecker gesehen, wahrscheinlich Byrons Flaggschiff. Da nun ein so schneller Erfolg nicht sicher stand, erklärte d'Estaing, er dürfe sich mit seinen Schiffen dem Erscheinen eines stärkeren Feindes nicht aussetzen, und seine Kommandanten pflichteten ihm bei; dies entsprach ja auch völlig der Instruktion. Am 22. segelte er nach Boston.

Die Amerikaner ließen den Angriff auf Newport fallen. General Sullivan zog zunächst geschickt seine schwere Artillerie auf das Festland zurück und folgte dann, die Engländer abwehrend, mit den Truppen; am 31. August war er in Sicherheit. Es war hohe Zeit gewesen, denn am 1. September kamen von New York über See 4000 Engländer auf Rhode-Island an. — Empört über die Abfahrt d'Estaings erließ Sullivan später einen Tagesbefehl, der die Bevölkerung der Nordstaaten, sowie die Milizen[266] aus diesen Kolonien gegen die Franzosen aufbrachte; er hatte anscheinend vergessen, daß der Mißerfolg größtenteils durch sein anfängliches Nichtbereitsein verschuldet war. In Boston wurden sogar infolgedessen bei einem Volksauflauf zwei französische Offiziere verwundet, von denen einer starb. Der Kongreß machte diese Vorfälle durch eine Adresse an d'Estaing wieder gut, in der er der französischen Flotte Dank für die bisherige Unterstützung aussprach; auch gab man den französischen Offizieren ein großes Festessen in Boston, ein richtiges Verbrüderungsfest, bei dem 25 Trinksprüche ausgebracht wurden (vgl. Lacour, Seite 174, Fußnote). In der Adresse wurde auch warm hervorgehoben, daß sich der französische Admiral bereit erklärt habe, von Boston aus durch gelandete Mannschaften einen Angriff auf New York zu unterstützen; ein sehr leichtsinniges Versprechen, wie französische Quellen mit Recht sagen, denn die Flotte würde die Mannschaften zur Verteidigung ihrer Stellung in Boston sehr nötig gebraucht haben.

D'Estaing traf am 28. August in Boston ein und ergriff sofort Verteidigungsmaßregeln. Drei schwer beschädigte Linienschiffe nebst den Fregatten legte er in den inneren Hafen, die übrigen nahmen in der äußeren Bucht eine halbmondförmige Stellung mit den Breitseiten nach See zu ein, die durch bereits vorhandene oder sofort aufgeworfene Batterien, armiert mit den Geschützen und bemannt durch die Besatzungen der im inneren Hafen liegenden Schiffe, auf den Inseln an der Einfahrt flankiert wurde. Schon am 31. war das notwendigste fertig. Es war auch die höchste Zeit, denn bald darauf erschien der unermüdliche Gegner.

Admiral Howe sammelte seine Flotte am 17. August bei Sandy Hook und ging schon am 22. wieder in See. Pigot hatte die Meldung gesandt, er könne sich gegen die Amerikaner wohl halten, sei aber verloren, wenn die französische Flotte aufs neue erscheine. Das englische Geschwader war zusammengesetzt wie beim ersten Auslaufen, nur trat an die Stelle eines schwer beschädigten Schiffes ein solches von Byron. Unterwegs hörte Howe, daß d'Estaing nach Boston gesegelt sei und folgte ihm. Die feindliche Stellung dort erschien ihm aber zu stark, und da er mit Hinblick auf den Zustand seiner Schiffe sowie auf die Wetterverhältnisse des herankommenden Herbstes auch eine längere Blockade für untunlich erachtete, kehrte er nach New York zurück. Bei seinem Eintreffen hier am 11. September fand er sechs weitere Schiffe Byrons vor. Bald darauf gab er sein Kommando an diesen ab.

Howe ging nach England. Er hatte schon früher aus Gesundheitsrücksichten die Erlaubnis hierzu erbeten und auch erhalten, jetzt nach Byrons Ankunft glaubte er die englische Sache auf diesem Kriegsschauplatze gesichert. Er kämpfte nur ungern gegen die Amerikaner, und allein die bevorstehende Ankunft der Franzosen bewog ihn zum Bleiben. Er war ferner, wie die meisten tüchtigen Seeoffiziere, empört über die Nachlässigkeiten und Fehler der Admiralität und trat in England schroff gegen den Ersten Lord auf, weshalb er auch erst nach dessen Rücktritt 1782 wieder aktiv verwendet wurde.

D'Estaing segelt nach Westindien. Die Engländer folgen. Mit dem Einlaufen der französischen Flotte in Boston und der Ankunft Byrons in Nordamerika schlossen die größeren Unternehmungen der Seestreitkräfte auf diesem Kriegsschauplatze für das Jahr 1778, denen allerdings auch der Eintritt der schlechten Jahreszeit ein Ende gemacht haben würde. D'Estaing mußte zunächst seine Schiffe gründlich ausbessern, bei dem Mangel an Material in[267] Boston eine schwierige Aufgabe. Der Kapitän Suffren schlug nun vor, aus einigen gefechtsbereiten Schiffen eine fliegende Division zu bilden und mit dieser Vorstöße gegen Neubraunschweig zu machen. Die Instruktion für den Admiral empfahl dies ja auch, aber doch mehr noch die Verwendung der Flotte in Westindien, zumal bei Überlegenheit der englischen Flotte; d'Estaing entschied sich hierfür und erwartete eine günstige Gelegenheit zum Segeln. Zunächst mußte er zwar noch auf einen Angriff gefaßt sein, da es hieß, Byron sei am 18. Oktober von New York in See gegangen, als dieser aber in den nächsten vierzehn Tagen nicht erschien und ein baldiges Auslaufen auch dadurch geboten war, daß man in Boston kaum noch Lebensmittel erhalten konnte, wurden die gelandeten Geschütze sowie Mannschaften eingeschifft und die Flotte seeklar gemacht. Am 2. November wehte ein schwerer Sturm, so daß man annehmen konnte, die englische Flotte sei aus der Nähe vertrieben. Kurz vorher waren amerikanische Freibeuter mit Prisen eingelaufen, die Lebensmittel für das englische Heer geladen hatten. Die Flotte wurde so wenigstens für die Reise versorgt und trat diese am 3. November an.

Vizeadmiral John Byron hatte am 8. Juni England mit 13 Linienschiffen — 1 zu 90 Kanonen, 11 zu 74, 1 zu 64 — und einer Fregatte verlassen. Stürmische Gegenwinde versprengten auf der Reise die Flotte. Die Schiffe waren mangelhaft bemannt, schlecht ausgerüstet — das Tauwerk vielfach nicht neu, sondern nur umgeschlagen — und litten in den Stürmen schwer. Nach 67 tägiger Reise traf das Flaggschiff allein bei Long Island ein und sichtete hier die auf ihrer zweiten Fahrt nach Rhode-Island befindliche französische Flotte. Gänzlich ohne Nachricht über die Lage in Nordamerika, wagte Byron weder New York noch die Narragansettbucht anzusteuern, sondern segelte nach Halifax; seine Schiffe sammelten sich teils hier, teils in New York. Seine Ankunft gab nun zwar den Engländern eine große Übermacht in den amerikanischen Gewässern, aber der Zustand, in dem sich sowohl Byrons wie Howes Schiffe befanden, schloß größere Unternehmungen vorläufig aus. Byron traf persönlich am 26. September in New York ein, vermochte aber erst am 18. Oktober mit 16 Linienschiffen in See zu gehen. Er nahm Kurs auf Boston, seine Schiffe wurden jedoch durch den Sturm am 2. November aufs neue beschädigt und teils nach New York teils nach der Narragansettbucht zurückgetrieben. So konnten die Franzosen segeln.

Das Auslaufen der englischen Flotte sollte anscheinend einer von New York nach Westindien bestimmten Expedition den Weg freihalten. Da auch der Landkrieg im nördlichen Amerika während des Winters zum Stillstand kam, hatte Clinton Befehl erhalten, 5000 Mann nach Westindien abzugeben. Mit diesen verließ ein Konvoi von Transportern am 4. November New York, gedeckt durch zwei 64-, zwei 50-Kanonenschiffe, zwei Fregatten und ein Mörserboot unter Kommodore William Hotham; diese Expedition segelte gleichzeitig und parallel mit der französischen Flotte, ohne daß die eine von der anderen wußte. Auf der Breite der Bermuda-Inseln fielen nach einem Sturme drei versprengte Transporter den Franzosen in die Hände, aber[268] die Besatzungen verrieten ihren Bestimmungsort nicht. D'Estaing nahm Antigua an, kreuzte auf seiner weiteren Reise zwei Tage bei dieser Insel, ohne etwas von dem Konvoi zu sehen, und traf dann am 9. Dezember in Martinique ein. Die englische Expedition erreichte am 10. Barbados. Der Aufenthalt bei Antigua hat vielleicht dazu beigetragen, daß die französische Flotte die Eroberung der Insel Sta. Lucia durch die Engländer nicht hindern konnte.

Byron segelte am 16. Dezember mit 10 Linienschiffen von der Narragansettbucht ab und traf am 6. Januar 1779 in Sta. Lucia ein; damit wurde für das Jahr 1779 Westindien zum Schauplatz des großen Seekrieges, wo bisher nur geringe Streitkräfte der Gegner tätig gewesen waren.


Der Landkrieg in Nordamerika 1778/79 brachte in den nördlichen Staaten keine Ereignisse von Bedeutung. Washington war zwar dem von Philadelphia abziehenden englischen Heere gefolgt und hatte dann eine Stellung im Norden und Westen New Yorks bezogen, sah aber von einem Angriff auf die Stadt ab, als die französische Flotte ihre Unterstützung verweigerte. Er mußte seine ganze Kraft daransetzen, Rekruten zu werben, den Kongreß zu Maßregeln zu bewegen, um die Offiziere an die Fahne zu fesseln, und den Widerstand zu brechen, den ihm einige höhere Führer entgegensetzten. Der General hielt um diese Zeit die amerikanische Sache fast für verloren. Aber auch die englische Armee unternahm nichts von Bedeutung, und so kam es zwischen den Hauptheeren nur zu kleineren Zusammenstößen. An den Grenzen von Kanada verwüsteten von den Engländern aufgereizte Indianer und Loyalistentrupps die amerikanischen Gebiete. Auch 1779 änderte sich nichts; die Gegner lagen sich nur beobachtend gegenüber. Zu erwähnen sind einige Unternehmungen der englischen Seestreitkräfte; sie waren gegen die Stellung Washingtons und gegen die Küstenstädte gerichtet, von denen die amerikanische Freibeuterei ausging.

Kleinere Unternehmungen der englischen Seestreitkräfte (Näheres hierüber vgl. Campbell, Band V, Seite 490 ff.). Am 30. Mai 1779 ging eine Flottille von einem Linienschiff und vier kleineren Fahrzeugen unter Kommodore Sir George Collier — Befehlshaber der Station von der Abfahrt Byrons bis zum Eintreffen des Vizeadmirals Arbuthnot am 3. November — den Hudson hinauf und zerstörte die Forts Stoney Point und Verplanks Neck, die Washington an den beiden Ufern des Flusses zur Sicherung des Verkehrs zwischen den Staaten östlich und westlich des Hudson erbaut hatte. Washington sah sich dadurch gezwungen, seine Stellung weiter nördlich in das hüglige Gelände bei Westpoint zu verlegen. — Im Juli führte Collier eine Expedition gegen die Städte Newhaven, New London, Fairfield und andere an der Küste von Connecticut und vernichtete zahlreiche Freibeuterschiffe, die von hier aus den Verkehr New Yorks unsicher machten, sowie Arsenale und Magazine; einige Orte wurden völlig eingeäschert. — Ende Juli berannten die Amerikaner mit Land- und Seestreitkräften einen starken Posten, den die Engländer von Halifax aus an der Mündung des Penobscot, fast an der Grenze zwischen Maine und Neubraunschweig, angelegt hatten. Collier erschien am 13. August mit einem Linienschiffe, drei Fregatten und drei Sloops zum Entsatz. Die ganze dort befindliche amerikanische Flottille, 3 Schiffe von 24–32 Kanonen, 16 von 10-22 und eine große Zahl von Transportern, ward vernichtet.

[269]

In den südlichen Staaten erzielten die Engländer 1779 einige Erfolge. Wie man von New York Verstärkungen nach Westindien abgezweigt hatte, so hielt man im Norden die Winterruhe für geeignet, auch den im Jahre 1776 gescheiterten Versuch zur Unterwerfung der Kolonien Carolina und Georgia zu wiederholen. Am 27. November 1778 segelte Oberst Campbell mit einem Truppentransport von New York, begleitet von einer Fregatte und drei kleinen Fahrzeugen, unter Kapitän Hyde Parker; vier Wochen später ward Savannah (Georgia) in Besitz genommen. Gleichzeitig rückte General Prevost von der treugebliebenen Kolonie Florida vor, vereinigte sich mit Campbell, übernahm den Oberbefehl und vertrieb die Amerikaner aus ganz Georgia. Nun verstärkte der Kongreß die Truppen hier, und General Lincoln trat den Engländern entgegen. Er hinderte deren Vordringen in Carolina und zwang sie, von Charleston, wo sie am 11. Mai 1779 erschienen waren, auf Savannah zurückzugehen. Dann trat für die heißen Sommermonate Waffenruhe ein, bis im September d'Estaing mit der französischen Flotte und dem amerikanischen Heere eine erfolglose Belagerung Savannahs eröffnete, deren Verlauf später zur Darstellung gelangt.

Im Mai 1779 unternahm Kommodore Collier eine Expedition nach Virginien, wo die Amerikaner an den Küsten der Chesapeakebucht Material für den Seekrieg anhäuften. Er verließ am 5. Mai mit einem Linienschiff, einer Fregatte, einigen kleineren Fahrzeugen, sowie 2500 Soldaten New York und erreichte am 9. Hampton. Hier blieb das Linienschiff, während die anderen Fahrzeuge in die südlichen Flüsse der Bucht eindrangen. Norfolk und Portsmouth, die wichtigsten Plätze, wurden besetzt, aber auch der James- sowie der Yorkfluß heimgesucht. Eine große Zahl von kleineren Kriegsschiffen, Freibeutern und Kauffahrern, sowie Vorräte für die amerikanischen Heere fiel den Engländern in die Hände. Brauchbares ward mitgenommen, alles übrige sowie Magazine und Arsenale zerstört. Collier schlug vor, in Norfolk einen Waffenplatz zu errichten, um dem Gegner die Chesapeakebucht als Zufuhrweg zu verlegen, aber Clinton scheint das damals noch nicht für zweckmäßig gehalten zu haben. Er rief die erfolgreiche Expedition schon Ende Mai zurück, wahrscheinlich hielt er die obenerwähnten Vorstöße auf dem Hudson und an der Küste von Connecticut zunächst für wichtiger.

Mit der Eroberung Georgias und dem Einfall in Virginien setzte im Jahre 1780 in den Südstaaten seitens der Engländer eine Kriegführung in großem Maßstabe ein. Sie schloß mit der Übergabe des englischen Heeres bei Yorktown (Oktober 1781), und diese Katastrophe beendete den Krieg. Mahan urteilt hierüber (Clowes, Band III, Seite 442): „daß die Aufnahme des Kampfes in den Südstaaten falsch gewesen sei; es sei derselbe Fehler, aber in noch größerem Maße, begangen, den General Howe gemacht, als er 1777 nach dem Delaware zog. Man habe das so schon ungenügende Heer in zwei Teile gespaltet, die ohne unmittelbare Verbindung gewesen wären.“ Das Urteil ist richtig, denn die Verbindung war nur gesichert, solange England die See beherrschte, da am Lande der Feind zwischen den beiden Heeresteilen stand; die Seeherrschaft ward aber den Engländern mehrfach, und gerade in entscheidenden Augenblicken, mit Erfolg streitig gemacht.

[270]

Bemerkungen zu der Kriegführung in den nordamerikanischen Gewässern 1778. Bei der Beurteilung der Kriegführung in Europa (Seite 257) wurde dargelegt, daß England selber verschuldet hat, wenn seine Lage in Nordamerika durch das Erscheinen der französischen Flotte dort mißlich wurde. Einen weiteren Fehler beging es dadurch, daß es New York und Newport nicht durch Anlage von Befestigungen gegen jeden Angriff von See aus unbedingt sicherte, was bei der damaligen Beschaffenheit der Schiffe möglich war; man hätte sich dadurch sichere Stützpunkte für die eigenen Seestreitkräfte geschaffen, deren Aufgaben sehr vereinfacht und auch das Heer entlastet. Wie die Sache tatsächlich lag, hat England es nur der Wachsamkeit, Schnelligkeit und Erfahrung seines Admirals zu verdanken, daß es nicht folgenschwere Niederlagen erlitt.

Howe erkannte die drohende Gefahr im Mai, einige Wochen nachdem die französische Flotte Toulon verlassen hatte. Er mußte nun seine auf der ganzen Küste verteilten Schiffe sammeln, den Troß eines ansehnlichen Heeres einschiffen und den Delaware hinabführen, nach Sandy Hook segeln und die Truppen von dort nach New York bringen, endlich eine Verteidigungsstellung einnehmen. Er löste diese vielseitige Aufgabe, indem er alles persönlich überwachte und durch seine Gegenwart den Eifer wie die Leistungen der Offiziere und Mannschaften belebte; mit diesen Eigenschaften bildete der Admiral einen scharfen Gegensatz zu seinem Bruder, dem General. Er gewann seinem Gegner beständig Zeit ab. Vor dem Delaware war d'Estaing 10 Tage gegen ihn im Rückstande, bei Sandy Hook schon 12. Sobald dann die französische Flotte nach Süden segelte, ohne anzugreifen, ließ Howe sie beobachten und rüstete sich schleunigst zu ihrer Verfolgung; obgleich 6 Tage durch ungünstige Wind- und Gezeitenverhältnisse in New York festgehalten, erschien er doch nur einen Tag nach d'Estaings Einsegeln in der Narragansettbucht vor dieser.

Seine Lage hier war vorzüglich. Die vorherrschenden Winde sicherten ihm die Luvstellung, und schon beim Herauskreuzen wären die feindlichen Schiffe der Gefahr ausgesetzt gewesen, einzeln angegriffen zu werden. Mutvoll und auf seine seemännische Geschicklichkeit vertrauend, nahm Howe auch die Gefahr in den Kauf, daß der Wind dem Feinde günstig sein könne. Wenn dies auch eintrat, so war das Glück doch dem englischen Admiral insofern hold, als ihm der Sturm zu Hilfe kam. Dann war seine Flotte schon nach 10 Tagen wieder see- und gefechtsbereit, obgleich die meisten der Schiffe seit zwei Jahren auf einer Station in Dienst gewesen waren, auf der es an leistungsfähigen Werften mangelte. So schlug Howe durch seine Tüchtigkeit d'Estaing auf allen Punkten; kaum ein Schuß war gewechselt und trotzdem hatte die schwächere Flotte entschiedene Vorteile errungen. Allerdings war der Führer der Franzosen dem englischen gerade in Seemannschaft nicht gewachsen und ähnlich standen die Besatzungen der beiden Flotten zueinander. Dies dürfte sich auch daraus ergeben, daß die französischen Schiffe in den Stürmen mehr litten als die englischen, obgleich sie weit später die heimischen Werften verlassen und doch Zeit genug gehabt hatten, sich einzuüben.

[271]

Die französische Expedition hätte den schwächern Engländern gegenüber großen Erfolg haben können, wenn d'Estaing schneller und unternehmender gewesen wäre, aber man darf diesen dennoch nicht zu hart beurteilen. Inwieweit die lange Überfahrt seine Schuld ist, läßt sich kaum entscheiden. Der Gegner gebot in Nordamerika immerhin über eine bedeutende Macht und die französische Flotte mußte unbedingt geschlossen an ihrem Ziele eintreffen; im Segeln in großen Verbänden hatten aber die Franzosen keine Übung, da mußte das Zusammenhalten die Reise verzögern. In welchem Zustande brachte denn Byron die Flotte der sonst an Seemannschaft so überlegenen Engländer über den Ozean? Nur Glück war es, daß nicht eine Anzahl seiner versprengten Schiffe dem Feinde in die Hände fielen; allerdings hatte er sehr schlechtes Wetter. D'Estaings Zögern bei Sandy Hook ist gleichfalls zu verstehen, denn er befand sich an einer Küste, die der französischen Marine völlig unbekannt war. Bei dem damaligen Stande des Kartenwesens konnte man Lotsen nicht entbehren, und für solche rechtzeitig zu sorgen, wäre Sache der Amerikaner gewesen.

D'Estaing mußte ferner zunächst mit Washington über ihr gemeinsames Vorgehen in Verbindung treten, und da gerade dieser den Angriff auf New York im Auge hatte, mußte der Admiral einen solchen mit Hilfe von Lotsen für aussichtsvoll halten, und es kam dann kaum in Betracht, wenn einige Tage mit den Vorbereitungen verloren gingen. Von dem Angriff sah d'Estaing infolge der Weigerung der Lotsen sowie der Ergebnisse der eigenen Auslotungen ab; die Annahme ist erlaubt, daß die meisten in seiner Lage ebenso gehandelt hätten. Bemerkenswert ist, daß sogar ein Seemann wie Suffren — gleicherweise andere tüchtige Offiziere des Kriegsrates — nicht für den Angriff eingetreten ist. Hätte er es getan wie bei Sta. Lucia 1779 in einer ganz ähnlichen Lage, so würde dies sicher überliefert sein, zumal da der Admiral unbeliebt war und ihm gerade Mangel in seemännischer Kenntnis vereint mit Nichtbeachtung technischer Ratschläge vorgeworfen wurde. Ein Nelson und ein Farragut haben allerdings gleich gefährliche Unternehmungen durchgeführt.

Man hat sich gefragt, ob d'Estaing zum Aufgeben des Angriffes, der schwere Opfer kosten und seine Flotte für lange Zeit lahmlegen konnte, nicht auch durch andere Rücksichten als rein militärische bestimmt worden sei. New York war der Mittelpunkt der englischen Macht, sein Fall mußte den Krieg mit den Kolonien schnell dem Ende nähern. Dies lag aber gar nicht im Interesse Frankreichs, da England dann ihm gegenüber die Hände freibekommen hätte. Sicher ist, daß die französische Regierung so dachte, mithin möglich, daß der Admiral geheime Weisungen in diesem Sinne erhalten hatte.

An der Verzögerung des Angriffes auf Newport war zunächst die Unfertigkeit der Amerikaner schuld. Daß d'Estaing sich dadurch hinhalten ließ und daß er das kaum begonnene Unternehmen beim Erscheinen der englischen Flotte wieder aufgab, beruht wohl auf seiner Unerfahrenheit zur See. Er war zweifellos ein tapferer und unternehmender Soldat, unterschätzte jedoch hier sowie späterhin die Kraft seiner Seestreitkräfte. Er wagte die nur schwache Stellung der Engländer ohne Mitwirkung der amerikanischen[272] Truppen nicht anzugreifen und fühlte sich auf seinem Ankerplatz unsicher, obgleich ihm kaum eine Gefahr drohte; tatsächlich hielt ja der erfahrene Seemann Howe die Stellung der französischen Flotte für zu stark. Er hätte sicher seine Aufgabe durchführen und dann erst bei günstigem Winde ausbrechen können. Auch daß er nach dem Inseegehen den Gegner nicht zum Gefecht bringen konnte, ehe der Sturm aufkam, scheint an seinem geringeren seemännischen Geschick Howe gegenüber zu liegen. Seine spätere Vorsicht und das Absegeln nach Westindien, als Byron erschien, entsprachen den erhaltenen Weisungen. Diese englische Verstärkungsflotte hätte Frankreich schon in Europa festhalten müssen und können (vgl. Seite 257).

Wenn nun auch die französische Expedition nicht die erwarteten Erfolge brachte, so nützte sie doch den Amerikanern. Sie zwang England zum Aufgeben der Stellung am Delaware, schaffte dadurch Washington Luft und ließ als ein Zeichen der Schwäche Englands dessen letzten Versuch zur Versöhnung scheitern. Der Aufenthalt der französischen Flotte an der Küste hielt ferner Clinton von tatkräftigem Vorgehen gegen Washington ab und erleichterte die Versorgung der Kolonien mit Zufuhren über See. Der den Engländern zugefügte unmittelbare Schaden — die Vernichtung einiger Kriegsschiffe, das Aufbringen von Transportern und Handelsfahrzeugen — war dagegen kaum nennenswert.


In Westindien hatten beide Parteien auf ihren zwei Stationen — England: Hauptstützpunkt Barbados für die Kleinen Antillen und Jamaika; Frankreich: Martinique für die kleinen Antillen und St. Domingue (Cap Français)[141] — nur geringe Streitkräfte, Fregatten und kleinere Fahrzeuge. In Frühjahr 1778 sandte England die Admirale Samuel Barrington[142] mit zwei Linienschiffen nach Barbados und Sir Peter Parker mit einem solchen nach Jamaika. Diese sollten die Feindseligkeiten erst auf Befehl beginnen, die Franzosen kamen ihnen aber zuvor.

Wie bereits erwähnt, spielten sich die größeren Ereignisse des Krieges auf der Station der Kleinen Antillen ab. Bei den Großen Antillen wurde nur der Kleine Krieg geführt, dessen Vorfälle — Aufbringen von Handelsschiffen, Einzelgefechte von Kriegsschiffen — man in den Spezialwerken der beiden Marinen findet.

Am 17. August 1778 überbrachte eine Fregatte dem Generalgouverneur der französischen Kleinen Antillen, Marquis de Bouillé, mit der Nachricht von den ersten Gewalttaten der Engländer im Kanal den Befehl zur Eroberung Dominicas. Diese vorher neutrale Insel war 1763 an England gefallen, Frankreich wollte sich jetzt ihrer bemächtigen nicht nur zur Erweiterung seines Besitzes, sondern auch um seine militärische Stellung zu[273] stärken, da sie zwischen den beiden wichtigsten französischen Inseln, Martinique und Guadeloupe, in Sicht von diesen lag. Ihre Befestigungen waren zwar stark, die Besatzung aber nur schwach. Bouillé segelte am 6. September mit drei Fregatten, einer Korvette, 1200 Soldaten und 1000 Freiwilligen, Kreolen und Farbigen, in wenigen Stunden von Martinique nach der Hauptstadt Dominicas, Le Roseau jetzt Charlottetown, hinüber, und der englische Gouverneur unterzeichnete schon am nächsten Tage die Übergabe, um unnützes Blutvergießen zu vermeiden. Gut gehaltene Werke mit 164 Kanonen sowie 48 Mörsern und reiche Vorräte fielen den Franzosen in die Hände; sie waren jetzt im Besitz der vier in einer Linie liegenden Inseln Sta. Lucia, Martinique, Dominica, Guadeloupe.

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Samuel Barrington.

Der Kampf um Sta. Lucia. Barrington hatte auf ausdrücklichen Befehl in Barbados auf Weisungen gewartet und auch nichts von dem schnell und geheim vorbereiteten Unternehmen Bouillés erfahren, sonst hätte er es wohl leicht verhindert, da er über zwei 74-Kanonenschiffe verfügte. Er erwies sich als tüchtiger und schnell entschlossener Führer. Als am 10. Dezember 1778 der Kommodore Hotham mit 7 Kriegsschiffen nebst dem Transporte von New York eintraf, beließ Barrington die Truppen an Bord, ging schon am 12. zum Angriff auf Sta. Lucia in See und sandte Kreuzer voraus, um zu verhindern, daß durch Handelsschiffe Nachricht dorthin gelange. Die Insel, gleichfalls früher neutral und 1763 an Frankreich gefallen, war strategisch wichtig für England, da man von ihr aus leicht Martinique mit dem Haupthafen der französischen Antillen, Fort Royal, beobachten konnte. Sie wurde fast ohne Kampf am 13. und 14. Dezember genommen.

Eroberung Sta. Lucias durch die Engländer. Am 13. Dezember 1778 ankerte Barrington in der Bucht Cul de Sac auf der Westseite der Insel, landete einen Teil der Truppen und besetzte die Batterien am Strande sowie eine Höhe, die von Norden die Bucht beherrschte; die schwache französische Besatzung konnte bei Räumung der Werke nicht einmal die Geschütze vernageln. Am nächsten Tage bemächtigten sich die Engländer ebenso leicht eines Werkes auf der Höhe Morne de La vierge im Norden der benachbarten Bucht La Carenage (an der jetzt die Hauptstadt der Insel, Castries, liegt).[274] wodurch sie auch diesen Ankerplatz beherrschten, und besetzten gleichfalls die damalige weiter im Innern gelegene Hauptstadt Morne fortuné. Der französische Gouverneur zog sich mit einigen hundert Soldaten und Milizen in die Berge zurück.

Aber bereits am 14. Dezember abends erschien Vizeadmiral d'Estaing mit den 12 Linienschiffen, die er von Nordamerika hergeführt hatte, und den Fregatten de Bouillés. Er war am 9. in Martinique angelangt und hatte den Oberbefehl zur See übernommen. Er sollte nicht Eroberungen machen, sondern nur englische Inseln überfallen, deren Befestigungen schleifen, Kriegsmaterial und Garnisonen hinwegführen. Hätte er nun sofort einen Aufklärungsdienst angeordnet, wo er wußte, daß Hotham angelangt sei, würde er die Wegnahme Sta. Lucias leicht haben hindern können. So erfuhr er erst am 13. durch einen amerikanischen Freibeuter die Abfahrt der Engländer von Barbados. Er ging nun mit etwa 3000 Soldaten und Milizen am 14. in See und sichtete abends das englische Geschwader bei Sta. Lucia, das er auf dem Wege nach Grenada geglaubt hatte. Trotz seiner großen Übermacht an Zahl und Stärke der Schiffe (vgl. Seite 260) vermochte er die Insel nicht zurückzuerobern, da Barrington bereits festen Fuß gefaßt hatte und sich jedem Angriffe zu Wasser wie zu Lande gewachsen zeigte.

Erfolgloser Angriff der Franzosen auf Sta. Lucia. Barrington war gerade in Besitz der Küste von La Vierge bis zum Südende des Cul de Sac gelangt und beabsichtigte, seine Schiffe in die sicherere Bucht Le Carenage zu legen, als eine Fregatte das Nahen der Franzosen meldete und diese auch von den Höhen gesichtet wurden. Er legte nun während der Nacht seine sieben Schiffe von über 50 Kanonen (nur zwei zu 74) in eine Linie am Eingange des Cul de Sac, wobei er die an den Strand sich anlehnenden Flügel durch Wahl der stärksten Schiffe und durch quer gelegte Fregatten gegen Umgehung sicherte; die Soldaten setzten die eben genommenen Werke in Gefechtsbereitschaft. D'Estaing steuerte am 15. mit Tagesanbruch in die Bucht Le Carenage, um von hier aus den französischen Garnisonen Hilfe zu bringen, ein lebhaftes Feuer von La Vierge belehrte ihn erst, daß auch diese Bucht schon im Besitz des Feindes sei, und daß es sich nicht um Entsatz, sondern um Wiedereroberung der Insel handele. Er beschloß, das englische Geschwader anzugreifen. Um 11½ Uhr vormittags führte er seine Flotte in großem Abstande an den englischen Schiffen vorüber, wechselte mit ihnen Schüsse und wiederholte dieses Manöver einige Stunden später; nennenswerte Verluste oder Beschädigungen erlitt keiner der Gegner, die Engländer verloren nur drei Tote.

Es ist nun wahrscheinlich, daß die Franzosen an diesem Tage wegen Windstille unter Land nicht näher herankommen konnten, aber auf eine günstige Gelegenheit hierzu war mit Sicherheit früher oder später zu rechnen. Trotzdem entschied sich d'Estaing, die englische Stellung zu Lande anzugreifen. Er ankerte in einer Bucht nördlich von Le Carenage, schiffte die Landtruppen sowie etwa 4000 Mann der Flotte aus und marschierte am 18. gegen La Vierge. Da aber der Hügel mit dem Fort auf dem Ende einer niederen Landzunge lag, gerieten die Franzosen in ein vernichtendes Feuer, und drei durch d'Estaing und de Bouillé persönlich geführte, mit größtem Mute unternommene Angriffe wurden unter Verlust von 41 Offizieren und 800 Mann an Toten und Verwundeten abgeschlagen. Noch am Abend des 18. schiffte man sich wieder ein. Der Admiral zog nun doch den Angriff des englischen Geschwaders in Betracht. Er ließ durch eine Fregatte vor dem Cul de Sac die Windverhältnisse beobachten, und als diese am 24. günstig erschienen, lichtete er Anker. Barrington hatte aber die Frist benutzt, seine Schiffe weiter in die Bucht zu legen, wohin die Seebrise seltener kam und wo er noch sicherer vor Umgehung der Flügel war; auch die Zahl der Batterien am Lande war vermehrt.[275] D'Estaing erachtete jetzt wohl die feindliche Stellung für zu stark oder den Tag zu weit vorgeschritten und nahm den alten Ankerplatz wieder ein. Als er hier am 28. Dezember erfuhr, daß Byron mit seiner Flotte in Westindien erwartet würde, gab er das Unternehmen gegen Sta. Lucia vorläufig auf.

D'Estaing segelte am 29. Dezember nach Martinique zurück und am 30. unterzeichnete der französische Gouverneur die Übergabe von Sta. Lucia. Die Insel blieb während des Krieges englischer Besitz und bewährte 1782 ihre strategische Wichtigkeit; von ihr aus beobachtete Rodney die französische Flotte vor seinem großen Siege.

D'Estaing erobert St. Martin, St. Barthélemy, St. Vincent und Grenada 1779. Die ersten Monate des Jahres verliefen ohne größere Ereignisse, obgleich die Seestreitkräfte auf beiden Seiten ansehnlich verstärkt wurden. Am 6. Januar traf Vizeadmiral John Byron[143] mit 10 Linienschiffen von Nordamerika in Sta. Lucia ein und übernahm den Oberbefehl; in der zweiten Hälfte des Februar führte ihm Kontreadmiral Joshua Rowley, der im Dezember England mit einem Konvoi Kauffahrer verlassen hatte, noch 7 Linienschiffe zu. Zu d'Estaings Flotte stieß am 12. Februar mit 4 Linienschiffen der Chef d'Escadre Comte de Grasse, der am 14. Januar von Brest abgesegelt war. Die Gegner waren zu dieser Zeit also annähernd gleich stark. Vorher hatte d'Estaing einen Erfolg gehabt. Am 11. Januar war er aufs neue vor Sta. Lucia erschienen, als aber seine Fregatten dort 15 Linienschiffe zählten und damit die Ankunft Byrons feststellten, ging er nach Martinique zurück, doch ließ er St. Martin und St. Barthélemy durch kleine Schiffe überrumpeln. Am 26. April traf eine neue französische Verstärkung von 2 Linienschiffen, 2 Fregatten sowie 3 Korvetten unter dem Chef d'Escadre Marquis de Vaudreuil ein; diese Division hatte schon im Dezember Brest verlassen, aber zunächst einen Vorstoß gegen die englischen Besitzungen in Westafrika gemacht.

Auch Byron war im Januar vor Fort Royal erschienen, um den Feind herauszulocken und ließ dann gegen französische Verstärkungen kreuzen; beides ohne Erfolg. Anfang Juni mußte er Sta. Lucia auf längere Zeit verlassen. Bei St. Christoffer hatte sich ein großer Konvoi von Handelsfahrzeugen[276] gesammelt, für dessen sichere Abfahrt er verantwortlich war; mit Rücksicht auf die große französische Flotte begab er sich mit sämtlichen Schiffen dorthin.

D'Estaing erhielt hiervon Kenntnis und benutzte die Gelegenheit. Am 9. Juni sandte er 2 Linienschiffe, 2 Fregatten und 6 kleinere Fahrzeuge mit 400 Soldaten gegen St. Vincent. Am 17. traf die Expedition bei der Insel ein und bemächtigte sich leicht der Hauptstadt Kingstown. Wenn auch die englische Garnison von 7 Kompagnien nicht als schwach gelten konnte, so mußte doch der Gouverneur mit den Eingeborenen rechnen, die den Engländern feindlich gesinnt waren, und den Franzosen ihre Hilfe angeboten hatten. Am 27. Juni stieß nun noch eine dritte Verstärkung zur französischen Flotte, der Chef d'Escadre La Motte-Picquet, der am 1. Mai mit 4 Linienschiffen, einem 50-Kanonenschiffe, 3 Fregatten und einem großen Konvoi von Transportern (Zufuhren für die Flotte und die Inseln) sowie Handelsschiffen Frankreich verlassen hatte. D'Estaing hielt sich jetzt für stark genug, größeres zu unternehmen. Ohne den angekommenen Schiffen nach der langen Reise Ruhe zu gönnen, ging er schon am 30. Januar mit seiner ganzen Flotte von 24 Linienschiffen in See, um den Hauptstützpunkt der Engländer, Barbados, anzugreifen; er hoffte, daß dann auch Sta. Lucia fallen würde. Da jedoch der Wind für den Kurs nach dieser Insel ungünstig war, bemächtigte er sich Grenadas. Am 2. Juli ankerte er vor Georgetown, setzte 1200 Mann an Land und nahm, auch hier persönlich führend, eine die Stadt beherrschende Höhe, nach der sich die nur etwa 70 Mann starke Garnison zurückgezogen hatte. Am 4. ward die Insel übergeben, eine Kriegssloop und 30 reichbeladene Kauffahrer fielen den Franzosen in die Hände.

Die Schlacht bei Grenada, 6. Juli 1779. Aber schon am 5. Juli erhielt d'Estaing die Nachricht, daß die englische Flotte St. Vincent passiert habe und herankomme. Byron war am 6. Juni mit dem Konvoi von St. Christoffer abgefahren, hatte ihn in Sicherheit gebracht und traf dann am 1. Juli in Sta. Lucia ein. Auf die Nachricht, St. Vincent sei gefallen und Grenada bedroht, ging er am 3. in See, um diese Insel zu schützen; von der letzten Verstärkung der Gegner wußte er noch nichts, von der vorletzten wahrscheinlich nichts Genaues. Am 6. morgens langte er an der Nordwestspitze Grenadas an und es kam noch am selben Tage zur Schlacht.

Die französische Flotte zählte nach Troude: 2 Schiffe zu 80 Kanonen, 11 zu 74, 7 zu 64, 4 zu 50 und einige Fregatten; die englische nach Clowes: 1 Schiff zu 90, 11 zu 74, 1 zu 70, 7 zu 64, 1 zu 60, 1 Fregatte als Signalwiederholer und 26 Transporter mit Truppen sowie Kriegsmaterial.

Als d'Estaing am 5. Juli das Nahen der englischen Flotte erfuhr, blieb er vor Anker liegen, um nicht bei den nur leichten östlichen Winden durch die Strömungen nach Lee vertrieben zu werden und so dem Gegner die Annäherung an die Insel preiszugeben. Erst als dieser am 6. morgens gegen 6 Uhr in Sicht kam, befahl er, die Schlachtlinie beim Winde über Backbordbug zu bilden; ein Schiff nach dem anderen lichtete Anker und nahm seinen Platz in der Linie ein. Barrington konnte in dem Knäuel der zu Anker liegenden[277] Schiffe deren Zahl nicht feststellen, wollte die scheinbare Unordnung zum Angriff ausnutzen, befahl deshalb „allgemeine Jagd“ und richtete diesen Vorstoß besonders auf die noch still liegenden Schiffe. Seine eigene Flotte befand sich nicht in Gefechtslinie. Drei Schiffe unter Kontreadmiral Rowley waren zur Bedeckung des Konvois abgezweigt (s. Plan A. a.), da es an Fregatten mangelte; drei Schiffe standen ziemlich weit in Lee der anderen (b.); auf den Befehl zur Jagd eilten das Flaggschiff des Vizeadmirals Barrington, des Zweiten im Kommando, nebst zwei anderen der Flotte voraus (c.). Aus diesen Umständen erwuchsen große Nachteile. Die Voraussegelnden erhielten bei ihrer Annäherung enfilierendes Feuer von sämtlichen Franzosen, die sich in Linie setzten, konnten es kaum erwidern und wurden schwer beschädigt. Von der weiter segelnden französischen Linie, die mit der englischen Flotte beim Passieren sonst nur auf weite Entfernung Kugeln wechseln konnte, wurden die drei in Lee stehenden englischen Schiffe sehr mitgenommen (Plan A. zeigt die Lage gegen 8 Uhr vorm.). Infolge des nur leichten Windes erreichten Barringtons Schiffe die Bucht erst, als auch das letzte feindliche bereits unter Segel war; sie halsten nun und steuerten gleichfalls über Backbordbug zu Luward der französischen Linie entlang.

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Grenada, 6. Juli 1779.

Byron sah jetzt, daß am Lande schon französische Flaggen wehten, er also zum Entsatz zu spät komme und vor allem an den Schutz des Konvois denken müsse. Er ließ seine übrigen Schiffe auf die Barringtons (B. c′) die Gefechtslinie regelrecht einrichten, um sich zwischen den Gegner und den Konvoi zu legen, und gab Befehl zum Nahgefecht. Die Linie wurde dadurch schneller gebildet, daß Rowley mit seinen drei Schiffen (oder nur mit zwei derselben?) nicht den voraussegelnden Kameraden folgte, sondern geradeswegs[278] auf die französische Spitze zu hielt (a.-a′.) und diese angriff, wobei aber zwei Schiffe arg zusammengeschossen, das eine bei dem Versuch, sich vor die feindliche Spitze zu legen, fast zum Wrack wurde. Die in Lee stehenden englischen Schiffe hatten so gelitten, daß sie das Manöver nicht mitmachen konnten und beinahe bewegungsunfähig nach Süden trieben (b′.). (Plan B. zeigt die Lage gegen 1 Uhr nachm.) D'Estaing gab nun den Befehl, abzuhalten, um weiter in Lee die Linie besser zu ordnen, da einige Schiffe außerhalb dieser standen. Er erwartete dann einen neuen Angriff (C.-C.). Byron wagte einen solchen jedoch nicht, denn sieben oder acht seiner Schiffe hatten schwer gelitten (a′. b′. c′.), während die Franzosen in der Takelage kaum beschädigt waren, auch wollte er sich in der Nähe des Konvois halten, der sonst durch die feindlichen Fregatten gefährdet war; er blieb dicht am Winde liegen. So endete der Kampf um 1 Uhr nachm. und wurde auch nicht wieder aufgenommen.

Der Verlust der Franzosen bezifferte sich auf 166 Tote und 763 Verwundete, der der Engländer auf 183 Tote und 346 Verwundete; von diesen fielen zwei Drittel auf die 6 besonders betroffenen Schiffe (b. u. c.).

D'Estaing legte gegen 3 Uhr nachm. seine Flotte durch gleichzeitiges Wenden aller Schiffe über Steuerbordbug (Kurs nach Süden), um in der Nähe der Insel zu bleiben; Byron folgte dem Beispiel, um die im Süden treibenden Schiffe (b′.) zu decken. Aber die Franzosen ließen diese unbehelligt entkommen. Das eine rettete sich nach Jamaika, die beiden anderen steuerten, nochmals von der feindlichen Linie beschossen, nach Norden, wohin auch das beschädigte Spitzenschiff (a′.) entwich. Während der Nacht und am anderen Morgen ankerte d'Estaing wieder vor Georgetown, und Byron nahm Kurs nach St. Christoffer, wohin er den Konvoi schon früher beordert hatte. Nur ein oder zwei Transporter fielen am 7 Juli in die Hände der Franzosen.

Beurteilung der Schlacht bei Grenada. Es war ein Fehler, daß von der englischen Flotte drei Schiffe (b.) ausfielen. Bei der Wahrscheinlichkeit eines plötzlichen Zusammenstoßes mit dem Feinde mußte die Flotte geschlossen bleiben, und dies bot keine Schwierigkeit, da sie mit Rücksicht auf den langsamern Konvoi nur mit beschränkter Geschwindigkeit segeln konnte. Ferner brauchte Byron nicht anzugreifen, ehe die Ordnung hergestellt war. Er hatte frühmorgens die Luvstellung, konnte fest mit Auffrischen des Windes rechnen und der Feind mußte sich ihm stellen. Wollte d'Estaing einen Kampf unbedingt vermeiden, so hätte er seine Eroberung und voraussichtlich auch langsamere Schiffe im Stich lassen müssen. Endlich hat auch wohl Barrington den Befehl zur Jagd zu wörtlich aufgefaßt.

Auch d'Estaing werden Fehler nachgewiesen, die ihn um einen großen Erfolg gebracht haben. Schon gegen Ende des ersten Abschnitts der Schlacht, als er seine Linie gebildet hatte, konnte er durch Wenden im Kontremarsch und Durchbrechen der lockeren feindlichen Linie einen entscheidenden Sieg herbeiführen. In seinem Bericht führt er aus, er habe dies unterlassen, weil andernfalls mehrere seiner Schiffe in Lee hätten abgeschnitten werden können. Hierauf wurde erwidert, seine Linie hätte besser sein können, wenn er schon am 5. in See gegangen wäre. Um Mittag des 6. lag er dann mit 24 kampfbereiten Schiffen 17 oder 18 Engländern gegenüber, von denen einige so beschädigt waren (c′.), daß die übrigen in Manöver und Fahrt auf sie Rücksicht nehmen mußten; außerdem hatte Byron drei gefechtsunfähige Schiffe im Süden (b′.) und ein[279] oder zwei (a′.)′ im Norden zu schützen. Dies auszunutzen, standen dem französischen Admiral drei Wege offen. Er konnte vorwärts segeln, im Kontremarsch wenden, sich zwischen den Gegner und den Konvoi setzen und seine Fregatten auf letzteren werfen; dies fürchtete Byron, wie er berichtet hat. Er konnte ferner mit allen Schiffen zugleich wenden, angreifen und so einen Entscheidungskampf herbeiführen. Von beiden Maßregeln hat ihn wiederum die Rücksicht auf die in Lee stehenden Schiffe abgehalten. Endlich konnte er, als seine neue Linie (C.-C.) gebildet war, sofort nach Süden steuern, um die Engländer dort (b′.) abzuschneiden. Dieses Manöver bot den größten Vorteil. Es hätte den englischen General bewogen, wie er selbst zugibt, unter gewagten Umständen, nämlich ohne Rücksicht auf das Mitkommen der beschädigten Schiffe (c′.), anzugreifen, und die überlegene französische Flotte hätte leicht zu gleicher Zeit das bewegungslose Schiff im Norden (a′.), sowie den Konvoi durch die Fregatten angreifen können.

Suffren, der keineswegs ein persönlicher Gegner d'Estaings war, hat erklärt: „Wäre des Admirals Seemannschaft seinem Mute gleich gewesen, so würden wir nicht vier entmastete Schiffe haben entkommen lassen.“ Das Verhalten d'Estaings ist aber auch wohl durch die damals in der französischen Marine herrschende Ansicht über die Kriegführung zur See beeinflußt; ein Punkt, auf den wir sogleich und später noch öfter zurückkommen werden.

Die Schlacht bei Grenada war ein Sieg der Franzosen, denn die englische Flotte wurde durch die Beschädigung einiger Schiffe für längere Zeit lahmgelegt und die Eroberung Grenadas gesichert, aber ihr Erfolg wäre weit größer gewesen, wenn d'Estaing seine Überlegenheit und die Fehler des Gegners besser ausgenutzt hätte. In dieser Hinsicht ist sie von Bedeutung für die Seekriegsgeschichte. Sie zeigt deutlich die schon mehrfach erwähnte Neigung der Franzosen in jener Zeit für eine Defensivtaktik, selbst unter so günstigen Verhältnissen wie hier weichen sie nicht davon ab. Und gerade die Schlacht bei Grenada erweist den engen Zusammenhang zwischen diesem Verhalten und der Auffassung über die strategischen Aufgaben der Seestreitkräfte, wie sie damals bei der Regierung und bei den Seeoffizieren in Frankreich vorherrschte. Man begnügte sich mit Aufgaben und Erfolgen in beschränktem Maße, ließ aber das wichtigste und richtigste Ziel, die Vernichtung der feindlichen Marine, außer Augen. Bei Grenada sah d'Estaing seine Pflicht nur darin, die Eroberung der Insel sicherzustellen, schonte seine Flotte und unternahm nichts weiter, obgleich sich Gelegenheit bot, durch schwere Schädigung der englischen Flotte die Seeherrschaft in den westindischen Gewässern zu erringen. Ein ähnlich hervorragendes Beispiel gab uns die Schlacht bei Minorka (1756).

Ramatuelle, ein Seetaktiker (vgl. Quellenverzeichnis), der in diesem Kriege diente, zur Zeit Napoleons schrieb und wohl die herrschende Auffassung wiedergibt, sagt: „Die französische Marine hat stets den Ruhm, eine Eroberung zu sichern, dem vielleicht glänzenderen, aber in Wahrheit bedeutungsloseren vorgezogen, einige Schiffe zu nehmen, und damit hat sie sich mehr dem wahren Ziele genähert, das man sich in einem Kriege setzen soll. Was würde der Verlust einiger Schiffe den Engländern bedeutet haben? Der wesentliche Punkt war, sie in ihrem Besitze, der Quelle ihres Reichtums und ihrer Seemacht, anzugreifen!“ Ramatuelle führt als einen Beweis für seinen Ausspruch gerade die Schlacht von Grenada an. Nun können gewiß Fälle eintreten,[280] wo man einen augenblicklichen sicheren militärischen Erfolg zugunsten eines größeren aufgibt, aber wieder gerade bei Grenada trifft dies nicht zu. An der Erhaltung der kleinen Insel lag wenig, sie wäre mit Erringung der Seeherrschaft auch gesichert gewesen; diese hätte ferner die Eroberung weiterer Inseln, sowie die Lahmlegung des englischen Handels ermöglicht. Schon früher (204) ist eine Äußerung Mahans über diesen Ausspruch Ramatuelles angeführt.

Im übrigen hatte d'Estaing im Gegensatz zu La Gallissonnière bei Minorka gar nicht den Befehl, englische Inseln zu erobern, sondern er sollte ihnen nur den Wert als Stützpunkte der Gegner nehmen; aber ihm lag wohl viel an dem Besitze von Grenada, da diese Eroberung sein einziger Erfolg bisher war und auch bleiben sollte.

D'Estaing verläßt Westindien. Byron ging nach St. Christoffer zum Ausbessern. Dies machte große Schwierigkeiten, da die Admiralität wie überall auf den auswärtigen Stationen nicht vorgesorgt hatte. Trotz der Geschicklichkeit, mit der die englischen Seeoffiziere jener Zeit auch unter den ungünstigsten Umständen ihre Schiffe wieder seefähig zu machen verstanden, war die Flotte zu längerer Untätigkeit verdammt. D'Estaing zog hieraus nur geringen Nutzen. Anstatt dem Feinde zu folgen, um ihm noch mehr Abbruch zu tun und sich dann gegen andere Inseln zu wenden, begnügte er sich damit, die Grenadinen zu besetzen. Am 15. Juli ging er dann in See, lief am 19. Guadeloupe an und beorderte einen hier für die Reise nach Europa gesammelten Konvoi, ihm zu folgen. Er erschien auch vor St. Christoffer, wagte aber keinen Angriff, da er die Engländer in Verteidigungsstellung fand, gestützt auf Batterien am Lande, und machte selbst keinen Versuch, sich zweier Schiffe zu bemächtigen, die bei der holländischen Insel Saba lagen; in seinem Berichte sagte er: „Weil er im Gegensatze zu den Engländern eine neutrale Flagge achte.“ Er paradierte nur am 23. und 24. Juli in Gefechtslinie vor St. Christoffer und führte dann den Konvoi nach Haiti; am 31. traf er in Cap Français ein. Hier fand er den ausdrücklichen Befehl vor, mit den 1778 von Toulon ausgelaufenen Schiffen nach Brest zurückzukehren, die nachgekommenen Verstärkungen aber in Westindien zu belassen. Nun war ihm schon im Frühjahr eine Bitte des amerikanischen Generals Lincoln, unterstützt durch den französischen Konsul in Charleston, zugegangen, er möge nach Georgia kommen, um bei der Vertreibung der Engländer aus den Südstaaten mitzuwirken; er hatte damals geantwortet, daß er Westindien noch nicht verlassen könne. Jetzt wurde die Bitte in dringendster Form erneuert, auch hörte er, das amerikanische Volk murre über die Franzosen: diese hätten wohl die Hilfe Bostons zur Ausbesserung der Schiffe gern angenommen, nachher aber die amerikanische Sache im Stich gelassen. Er glaubte der allgemeinen Sache zu nützen, wenn er jetzt der Bitte Folge leiste, ja sogar, falls das Unternehmen in Georgia nicht lange dauere oder es sonst günstiger erschiene, mit Washington im Norden zu operieren versuche. Trotz seines Befehles ging er also mit 22 Linienschiffen am 25. August nach Savannah in See.

Hiermit fanden die größeren Ereignisse in Westindien für 1779 ihr Ende. Byron segelte im August nach England; Barrington, bei Grenada[281] verwundet, war schon früher heimgekehrt. Kontreadmiral Hyde Parker übernahm das Kommando der Antillenstation bis zum März 1780; dann traf Admiral Rodney mit einer Flotte ein und der Kampf auf diesem Kriegsschauplatze begann wieder.

Einige kleinere Ereignisse in Westindien sind noch zu erwähnen. Schon im September 1778 hatten sich die Franzosen von Cap Français aus der nahegelegenen kleinen Turk-Inseln bemächtigt, die von Engländern besiedelt waren. — Durch die Abfahrt d'Estaings erlangten diese die Überlegenheit und behielten sie auch, als im November und Dezember ein Teil der französischen Flotte von Savannah zurückkehrte. Hyde Parker verfügte in Sta. Lucia über etwa 17 Linienschiffe, während de La Motte-Picquet Mitte Dezember in Martinique nur 6 oder 7 hatte, von denen sogar einige zeitweise außer Dienst gestellt waren. Hyde Parker überwachte Fort Royal, und es gelang ihm, am 18. Dezember vor diesem Hafen einen Konvoi von 26 Transportern und Handelsschiffen zu überraschen und auseinander zu sprengen, der im Oktober mit nur einer Fregatte von Marseille gesegelt war. Er würde alle Fahrzeuge genommen oder vernichtet haben, wenn ihm nicht La Motte mit drei in aller Eile seeklar gemachten Linienschiffen kühn entgegengetreten wäre. Durch einen vierstündigen Kampf in der Bucht von Fort Royal, in den auch die Befestigungen eingriffen, ermöglichte dieser 12 Fahrzeugen das Einlaufen, 10 wurden vom Feinde genommen, vier gerieten auf den Strand und wurden verbrannt, doch hatte man die Ladungen retten können. — Am 21. Dezember nahm Admiral Rowley mit einer Division Linienschiffe bei Guadeloupe drei französische Fregatten, die mit Truppen von Savannah zurückkamen.

Spanien hatte durch Entsendung von zwei Geschwadern zu 6 und 10 Linienschiffen nebst Transportern mit Truppen und Kriegsmaterial im Februar und März 1779 die Stationen in Westindien schon vor der Kriegserklärung verstärkt. Wenige Tage nach dieser begann von Portoriko, Kuba und dem Festlande aus der Kleine Krieg; die Befehle hierzu müssen also schon längere Zeit vorher ergangen sein. Ihm trat Admiral Sir Peter Parker von Jamaika aus entgegen, obgleich er nur ein Linienschiff, ein 50-Kanonenschiff und 8 Fregatten oder Sloops zur Verfügung hatte. Er ließ sogar im Oktober den stark befestigten Ort Omoa an der Hondurasküste, einen Stützpunkt der Spanier für den Kleinen Krieg, nehmen; zwei Silbergaleonen und verschiedene Kauffahrer mit einem Gesamtwert von drei Millionen Dollars wurden dabei erbeutet. Die Spanier bemächtigten sich dagegen der englischen Handelsniederlassungen am Mississippi.

(Näheres über diese kleineren Ereignisse vgl. Campbell Band V, Seite 453, 503, 514; Chevalier II, Seite 155; Lacour II, Seite 326.)

D'Estaing vor Savannah. Der Kampf in den Südstaaten Nordamerikas war im Mai 1779 zum Stillstande gekommen; die Engländer unter Prevost hatten sich auf Savannah und Umgegend zurückgezogen, die Amerikaner unter Lincoln lagen in Charleston. Am 31. August 1779 erschien nun d'Estaing mit 21 Linienschiffen, 8 Fregatten und 3 Korvetten vor Savannah; später stießen 6 kleine amerikanische Kriegsfahrzeuge (zu 14–20 Kanonen) und 7 Galeren zu ihm. Er trat mit Lincoln in Verbindung, wollte aber nur wenige Tage an der Küste bleiben und versprach zunächst noch keine Mitwirkung. Als jedoch ein Sturm am 2. September mehrere seiner Schiffe beschädigte, glaubte er, daß ihre Ausbesserung zu lange dauern würde, um dann noch nach den Nordstaaten segeln zu können, und erklärte sich nun zu einem gemeinsamen Angriff auf Savannah bereit.

[282]

Doch Lincoln hatte nicht mehr auf die Flotte gerechnet und traf erst Mitte September ein. Durch diese Verzögerung gewann Prevost Zeit, seine Kräfte sämtlich in Savannah zusammenzuziehen, die Stadt besser zu befestigen sowie Schiffe in der Einfahrt zu versenken. D'Estaing landete am 13. September Truppen nebst Belagerungsmaterial, sandte kleinere Fahrzeuge den Fluß hinauf und forderte am 16. die Stadt zur Übergabe auf. Prevost jedoch lehnte ab; er war überzeugt, daß sich die feindliche Flotte in dieser Jahreszeit nicht mehr lange an der Küste halten könne. Schon die Landung machte wegen Mangels an geeigneten Fahrzeugen und der Unwissenheit der amerikanischen Lotsen große Schwierigkeiten. So bewilligte man den Engländern zunächst einen Waffenstillstand, und erst am 23. begannen die Belagerungsarbeiten unter d'Estaings Leitung. Da aber die Witterung immer ungünstiger wurde, so schritt man schon am 9. Oktober, zu frühzeitig, zum Sturme. Auch hier führte der Admiral in eigener Person, wurde verwundet und mit einem Verluste von 1200 Mann, von denen 63 Offiziere sowie 580 Mann auf die Franzosen fielen, abgeschlagen. Am 18. hob d'Estaing die Belagerung auf, deckte noch den Rückzug der Amerikaner, und traf dann die Vorbereitungen zum Inseegehen; hierzu wurde die Flotte schon am 28. Oktober durch einen Sturm gezwungen.

Die Rückfahrt der französischen Flotte gestaltete sich sehr ungünstig. D'Estaing segelte mit den 12 Linienschiffen, die er 1778 aus Toulon geführt hatte, nach Brest. Der Sturm sprengte sie aber derart auseinander, daß der Admiral nur mit 2 Schiffen am 7. Dezember dort ankam; zwei trafen am 9. ein, vier gingen über Cadiz nach Toulon, zwei erreichten Rochefort und eins Lorient, ein Schiff endlich lief beschädigt in Havanna ein. De Grasse war mit 7 Schiffen nach Haiti bestimmt, sollte aber vorher die Chesapeakebucht behufs Verproviantierung anlaufen. Diese Schiffe gingen aber fast alle geradeswegs nach Westindien; vier erreichten vereinzelt Anfang Dezember Martinique, zwei trafen über Cap Français später dort ein. Nur eins war zur Chesapeakebucht gesegelt und kam dann im Januar in Fort Royal an; es wurde von der Höhe Haitis an durch Engländer gejagt. La Motte-Picquet war mit 3 Schiffen nach Martinique bestimmt gewesen; diese ankerten dort einzeln zwischen dem 20. und 27. November. Die nach Westindien bestimmten Geschwader hatten die von den Inseln mitgenommenen Truppen (2–3000 Mann) an Bord; 4 Fregatten mit Soldaten fielen, wie wir schon hörten, am 21. Dezember dem englischen Admiral Rowley in die Hände.

So endete auch das letzte Unternehmen d'Estaings kläglich; der einzige unmittelbare Erfolg war die Wegnahme einiger Kriegs- und Handelsfahrzeuge vor Savannah. Aber es brachte doch einen strategischen Vorteil: das Aufgeben der wichtigen Narragansettbucht seitens der Engländer. Auf die Nachricht hin, daß die französische Flotte von Westindien zur amerikanischen Küste unterwegs sei, räumte Clinton fluchtartig unter Zurücklassen von Geschützen und Material Rhode-Island; durch die Expedition nach Georgien geschwächt, fürchtete er, die Stellung nicht halten zu können. Schon 1780 landeten die Franzosen in diesem „besten Hafen und Flottenstützpunkt an der nordamerikanischen Küste“ (Ausspruch des Admirals Rodney) ein Hilfskorps.

[283]

Rückblick auf den Krieg in Westindien 1778/79. Beide Gegner waren auf diesem Schauplatz bei Ausbruch des Krieges kaum vorbereitet, aber beide hatten dort tüchtige Männer an der Spitze. Der französische Gouverneur der Kleinen Antillen, Bouillé, erhielt Befehl, sich der Insel Dominica bei günstiger Gelegenheit zu bemächtigen, und tat dies sofort im August 1778. Der englische Admiral Barrington machte den Verlust durch die Eroberung Sta. Lucias wett. Beide Inseln waren zwar gut befestigt, aber nur schwach besetzt gewesen. Bei Sta. Lucia fällt dies auf, denn die Franzosen hätten leicht die Garnison verstärken können, wenn sie von der Einnahme Dominicas absahen. So gab es nur einen Austausch, bei dem aber wohl die Engländer gewannen.

Eine gute französische Quelle (Chevalier) sagt: „Die französische Regierung habe besonderen Wert auf die Erwerbung Dominicas gelegt, weil diese Insel zwischen Martinique und Guadeloupe lag, so den französischen Besitz abrundete und auch leichter zu verteidigen war. Die Regierung sei ferner überzeugt gewesen, daß England beim Friedensschluß alles daran setzen würde, Sta. Lucia zu erhalten, und daß dann leicht eine Einigung erzielt werden könne, wenn man jetzt die eine Insel nähme, die andere dem Gegner überließe; jede Partei würde beim Friedensschlusse eben behalten, was sie schon besäße.“ Von großem Selbstbewußtsein zeugt diese Auffassung nicht, aber wir wissen, daß Frankreich im Anfange des Krieges noch nicht die Absicht hatte, in Westindien Eroberungen zu machen.

Durch die Ankunft d'Estaings wurden die Franzosen dann weit überlegen, und dieser Admiral hätte Sta. Lucia wieder gewinnen können. Der Versuch mißlang infolge seiner falschen und wechselnden Maßnahmen, die wiederum durch seine Neigung bedingt waren, den Wert der Seegeltung zu unterschätzen und das Hauptgewicht auf die Verwendung der Landstreitkräfte zu legen. Er hätte durch Vernichtung des schwachen englischen Geschwaders die Seeherrschaft erringen müssen, dann wäre auch die Insel gefallen. So machte er nur einen schwächlichen Versuch hierzu, und gab auch diesen auf, als er von der bevorstehenden Ankunft Byrons hörte. Es ist kennzeichnend für d'Estaing, daß er als Oberbefehlshaber einer großen Flotte die Operationen am Lande selber leitete und den Angriff hier wie bei späteren Gelegenheiten sogar in Person führte; er war eben in erster Linie Landsoldat, allerdings ein tüchtiger und wagemutiger.

Wir wissen, daß die Seeoffiziere bei der Bedrohung von New York und Newport 1778 nicht auf ein kräftigeres Einsetzen der Flotte drangen. Hier in Westindien war es anders. Kapitän Suffren stellte dem Admiral in einer mit großem militärischen Takte verfaßten Denkschrift (eingehend in Chevalier II, Seite 130, und Lacour II, Seite 187) vor, wie unrichtig und gefährlich die Landung sei. Mit der Vernichtung der englischen Schiffe erreiche man den Fall der Insel sicherer, so aber setze man die Flotte durch Entfernung des Chefs und Schwächung der Besatzungen einer großen Gefahr aus, falls die englischen Seestreitkräfte Verstärkung erhielten. — Diesen Rat, sowie den anderer erfahrener Seeoffiziere ließ d'Estaing außer acht, aber doch gab er wohl den Angriff am Lande nur aus Besorgnis um die Flotte so schnell wieder auf.

Mit dem Erscheinen Byrons (Januar 1779) wurden die Seestreitkräfte der Gegner nahezu gleich, und die Engländer konnten ihren Besitz von[284] Sta. Lucia als gesichert ansehen. Bald aber wurde der englische Admiral durch die Deckung des nach Europa bestimmten Konvois in Anspruch genommen, eine Verpflichtung, die häufig an die Flottenchefs jener Zeit, besonders die englischen, herantrat und sie von ihren rein militärischen Aufgaben abzog; Byron mußte seine ganze Flotte dazu verwenden, denn bei der Stärke der feindlichen Seemacht würde die Abzweigung eines Teiles diesen oder den Rest gefährdet haben. Die günstige Gelegenheit benutzte d'Estaing zur Wegnahme St. Vincents und Grenadas, und Byrons Rückkehr zum Entsatz führte zur Schlacht bei Grenada, die für die Seeherrschaft hätte entscheidend werden können. Der englische Admiral verlor aber seine Aussichten auf Erfolg durch unvorsichtigen Angriff und der französische nutzte weder in der Schlacht die Fehler, noch nach derselben die erreichte Schwächung des Gegners aus. D'Estaing verließ dann Westindien. Hierbei folgte er allerdings teilweise einem Befehle, er verstieß jedoch gegen diesen dadurch, daß er mit der ganzen Flotte absegelte und so dem Feinde die See völlig freigab. Man sollte fast glauben, daß er sich zu dem Plane eines Zusammenwirkens mit Lincoln oder Washington in Nordamerika durch seine Vorliebe für Landunternehmungen bestimmen ließ, um so mehr, als er dort mit englischen Seestreitkräften kaum zu rechnen hatte. Vor Savannah erwies er sich zwar als mutiger Landsoldat, ließ aber bald die Sache aus Besorgnis um die Flotte fallen.

Frankreich hat für den Krieg in Westindien eine starke Macht aufgeboten, was um so bemerkenswerter ist, als es für das Jahr 1779 auch in den europäischen Gewässern ein großes Unternehmen, einen Einfall in England, plante. Aber der ganze Erfolg in Westindien bestand in der Eroberung einiger Inseln, die mit Ausnahme Dominicas von geringer Bedeutung waren; dafür hatte man das strategisch wichtige Sta. Lucia geopfert.

Der Vorwurf für den Mißerfolg der beiden Jahre in Nordamerika und Westindien trifft d'Estaing, der auch selber in Briefen und Berichten seinem Grame darüber Ausdruck gibt. Ältere französische Quellen behaupten, er sei von seinen Untergebenen nicht genügend unterstützt worden, neuere widersprechen dem und äußern sogar, dieser Grund sei in Frankreich bei Mißerfolgen stets angeführt; bekannt ist, wie man dort in ähnlichen Lagen häufig sogar die Anschuldigung des „Verrates“ findet. Hiergegen spricht auch, daß der Admiral stets günstig über Offiziere sowie Mannschaften berichtet und von den ersteren mehrere zur Auszeichnung oder Beförderung eingegeben hat. Richtiger ist wohl ein Ausspruch anderer Autoren: „Man hätte dem tüchtigen Soldaten eine große Laufbahn im Heere sichern, ihn aber nicht gleich mit einem hohen Range in der Marine anstellen sollen; für wichtige Aufgaben geeignete Seeoffiziere waren genügend vorhanden.“ Es wird versucht, den Fehler der Regierung dadurch zu entschuldigen, daß sie der öffentlichen Meinung zuliebe gehandelt habe; nach den Mißerfolgen des letzten Krieges seien Stimmen laut geworden, die eine Auffrischung des Seeoffizierkorps durch bewährte Landoffiziere befürworteten.

Ein wichtiger Erfolg, den d'Estaing durch seinen Zug nach Savannah und die Bedrohung der Engländer an der amerikanischen Küste errang, war die Räumung der Narragansettbucht durch diese; nach Rodney „der größte Fehler, den England begehen konnte“. Kapitän[285] Mahan sagt (Clowes Band III, Seite 442) in Erweiterung seines Ausspruches (vgl. Seite 269) über den strategischen Fehler, den England durch die Eröffnung des Krieges in den Südstaaten gemacht habe, „der Fall von Savannah würde ein Glück für England gewesen sein, da man dann die Unternehmungen dort wohl aufgegeben hätte.“ So aber bestärkte die leichte Abwehr der Gefahr den General Clinton in seinen Plänen; sobald die Abfahrt der französischen Flotte sicher war, ging er im Dezember 1779 persönlich mit Admiral Arbuthnot zur Eroberung Charlestons von New York in See.

Westafrika. Im Zusammenhang mit Westindien muß ein französischer Vorstoß erwähnt werden, den der Marquis de Vaudreuil 1779 auf seiner Fahrt zu d'Estaing hier ausführte. Er verließ am 25. Dezember 1778 mit 2 Linienschiffen, 2 Fregatten und 3 Korvetten Frankreich; auf einigen Transportern waren Truppen unter dem Herzog von Lauzun, einem beliebten Hofmann, aber tüchtigen Soldaten, eingeschifft. Am 30. Januar 1779 wurde die englische Besitzung St. Louis am Senegal zur Übergabe gezwungen. Die Fregatten bemächtigten sich dann der Kontore am Gambia, an der Sierra-Leone — sowie an der Guineaküste bis zum Voltaflusse. Vaudreuil segelte mit dem Geschwader am 5. März nach Westindien weiter, Lauzun sicherte die Eroberungen und kehrte dann nach Frankreich zurück.

Der Krieg in den europäischen Gewässern 1779/80.

Im Jahre 1779 wurde die Lage Englands sehr ernst, denn am 12. April schlossen Frankreich und Spanien ein Bündnis ab. In diesem wurde eine gemeinsame Kriegführung für das laufende Jahr vereinbart, die eine unmittelbare Bedrohung Englands vorsah. Es ist bereits erwähnt (Seite 214), daß schon unter Choiseul eingehende Pläne für einen Einfall in England ausgearbeitet waren, und mit Ausbruch des neuen Krieges traten wiederum tüchtige Offiziere mit solchen hervor.

Ein Irländer, Graf de Wall, wollte in Irland landen und hier eine Revolution erregen. Oberst Dumouriez, Kommandant von Brest (der spätere Sieger von Jemappes), schlug vor, 12000 Mann auf einer Flotte von Kriegsschiffen, aber ohne Transporter von Cherbourg nach Wight hinüberzuwerfen. Ein ehemaliger englischer Seeoffizier und Anhänger der Stuarts, Hamilton, legte mehrere Pläne vor, die verschiedene Punkte der englischen Küste im Auge hatten. Der schon erwähnte Entwurf des Grafen Broglie und andere mehr wurden wieder erwogen. Hier soll nicht näher auf sie eingegangen werden. Genaueres findet man in Lacour II, Seite 233 ff., wo auch der jetzige Plan erörtert ist.

Die französische Regierung, die schon seit 1776 mit Spanien über ein gemeinsames Vorgehen gegen England verhandelte, prüfte all diese Vorschläge. Bemerkenswert ist, daß Broglie sowie anfangs auch Vergennes nicht für ein gemeinsames Wirken, sondern für gleichzeitiges, aber getrenntes Vorgehen eintraten; sie wollten damit die umständlichen Vorverhandlungen sowie die Schwierigkeiten vermeiden, die sich der Kommandoführung verbündeter Streitkräfte erfahrungsmäßig entgegenstellen. Sie[286] drangen nicht durch, aber ihre Bedenken erwiesen sich später als richtig. Zunächst nahmen die Verhandlungen so viel Zeit in Anspruch, daß der Vertrag erst am 12. April zum Abschluß kam; Spanien, dem mehr an der Eroberung Gibraltars und Minorkas gelegen war, wollte anfangs überhaupt nur Geldmittel beitragen, stellte dann aber doch wenigstens die Hälfte der gemeinsamen Flotte; auch stimmte man in Madrid für den Angriff auf Irland. Schließlich einigte man sich dahin, daß eine den englischen Streitkräften in den europäischen Gewässern überlegene Flotte gemeinschaftlich versammelt werden sollte und daß Frankreich ein Heer aufzustellen habe, um es auf Wight oder bei Portsmouth zu landen. Frankreich trieb zur Eile, um die versäumte Zeit wieder einzubringen, und nun wurde in beiden Ländern lebhaft gerüstet; Spanien war darin noch so weit zurück, daß es seine Kriegserklärung bis zum 16. Juni hinausschieben mußte, aber auch Frankreich wurde erst spät fertig.

Die Rüstungen waren allerdings sehr umfangreich. Jeder Staat bestimmte für die gemeinsame Flotte etwa 36 Linienschiffe; dabei hatte Frankreich mit den kürzlich nachgesandten Verstärkungen über 25 solcher in Westindien sowie einige in Toulon, und auch von Spanien war im März eine größere Zahl (16?) nach den Antillen sowie Mittelamerika gesandt. Man nahm an, mit über 60 Schiffen der feindlichen Flotte sehr überlegen zu sein und schätzte diese ganz richtig auf etwa 40 Linienschiffe. Obgleich in England für 1779 reiche Geldmittel — 4½ Millionen Lstrl., einschließlich der Neubauten — sowie 70000 Mann (einschließlich 17500 Seesoldaten) für die Marine bewilligt waren, standen für die heimischen Gewässer nur 43 Linienschiffe zur Verfügung, denn auch von hier waren im Winter und Frühjahr Verstärkungen nach den auswärtigen Stationen abgegangen, und andere Schiffe befanden sich als Konvoibegleiter oder als vereinzelte Ablösungen unterwegs; insgesamt hatte England etwa 93 Linienschiffe im Dienst (vgl. Tabelle Seite 224).

Frankreich zog bei St. Malo und bei Havre je 20000 Mann sowie die nötigen Transporter zusammen. Das Heer stand unter dem General Graf de Vaux, der am 21. Juni seine Instruktion erhielt. Nach dieser sollten sich die beiden Transportflotten bei Cherbourg vereinigen und dann bei Gosport, Portsmouth gegenüber, die Truppen landen; wenn dies nicht ausführbar sei, solle die Insel Wight besetzt, hier ein befestigtes Lager für 10 000 Mann eingerichtet werden, das Gros des Heeres nach Übereinkunft mit dem Chef der Seemacht eine Landung an geeigneter Stelle der Küste zwischen Wight und Bristol versuchen. Den Oberbefehl über die gemeinsame Flotte erhielt Lieutenant-Général Comte d'Orvilliers und als Treffpunkt wurde die Insel Sisargas, westlich von Coruña bestimmt; schon bei Abschluß des Vertrages hatte Frankreich verlangt, die Vereinigung müsse so frühzeitig stattfinden, daß noch mindestens 14 Tage vor Beginn der Operationen zur Verfügung ständen, um die Ordre de Bataille aufzustellen sowie Übungen vorzunehmen. Ende Mai hielt man es in Versailles für die höchste[287] Zeit, der eigenen Flotte den Befehl zum Auslaufen zu geben, damit sie nicht in Brest vom Gegner blockiert werde; da Spanien am 16. Juni den Krieg erklärte, durfte man annehmen, daß dieses gleichfalls bereit sei. So begannen im Juni die Bewegungen der großen Flotten, denn auch die englische zeigte sich in See; nach Keppels Rücktritt hatte Admiral Sir Charles Hardy den Oberbefehl erhalten.

In den ersten Monaten des Jahres fanden nur kleine Zusammenstöße zwischen einzelnen Schiffen oder kleineren Gruppen statt, wenn solche sich bei Ausübung des Handelskrieges oder bei Erkundungen begegneten. Hervorzuheben ist ein Versuch der Franzosen, sich der Kanalinseln zu bemächtigen. Am 21. April sollte eine Flottille kleinerer Kriegsschiffe Fischerfahrzeuge mit 1500 Mann von St. Malo nach Jersey führen. Stürmischer Wind trieb sie zurück und ein Landungsversuch am 1. Mai scheiterte gleichfalls an den Wetterverhältnissen sowie am Widerstande der Engländer. Am 11. erschienen die Franzosen nochmals; jetzt waren aber überlegene englische Seestreitkräfte herangekommen, die nicht nur den Angriff zurückwiesen, sondern sogar die französischen Schiffe in der Cancalebucht fast sämtlich vernichteten. — Über die in diese Zeit fallenden kühnen Unternehmen des amerikanischen Freibeuterführers Paul Jones soll beim „Kleinen Kriege“ berichtet werden.

Hervorzuheben ist, daß die französische Regierung an sämtliche Kriegsschiffe Befehl erließ, die unter Kapitän James Cook auf einer Entdeckungsfahrt befindlichen Schiffe als befreundet zu behandeln, da ihre Tätigkeit allen Völkern zum Nutzen gereiche.

Die französisch-spanische Flotte an der englischen Küste 1779[144]. D'Orvilliers ging am 4. Juni mit 28 Linienschiffen von Brest nach Sisargas in See, 2 folgten etwas später. Als der Befehl zum Auslaufen eintraf, fehlten der Flotte noch 4000 Seeleute, an deren Stelle der Admiral die Matrosen anderer Schiffe in Brest sowie 2000 Soldaten an Bord nahm. Am 11. Juni traf er an der verabredeten Stelle ein, aber erst gegen Ende des Monats stießen 8 Spanier von Coruña zu ihm. Um diese Zeit trat auf der französischen Flotte eine Epidemie auf, die schnell um sich griff. Mitte Juli zählte man 500 Kranke am Lande in Coruña und 2000 Dienstunbrauchbare an Bord. Am 23. Juli endlich traf der spanische Oberbefehlshaber Generalleutnant Don Luis de Cordoba mit 28 Linienschiffen ein, aber es stellte sich heraus, daß man diesem erst ganz kürzlich von Paris ein französisches Signalbuch nach Cadiz gesandt habe; zur Übersetzung war jetzt keine Zeit mehr, und man mußte notdürftig ein gemeinsames Signalsystem zusammenstellen. Hiermit sowie mit Anordnung der Ordre de Bataille gingen mehrere Tage hin. Erst am 30. Juli konnte die Flotte den Marsch nach dem Norden antreten; sieben günstige Sommerwochen waren seit der Ankunft der französischen Schiffe verloren und die Hälfte ihrer Wasser- und Proviantvorräte war verbraucht. D'Orvilliers suchte in Paris darum nach, ihm Ersatz hierfür sowie Reserveankergeschirr nachzusenden, da die Flotte voraussichtlich an der englischen Küste wegen des oft eintretenden Nebels und wegen der Strömungen häufig werde ankern müssen.

[288]

Die Ordre de Bataille. Das französische Kontingent zählte: 2 Schiffe zu 110 und 114 Kanonen, 4 zu 80, 14 zu 74, 10 zu 64; das spanische: 1 Schiff zu 120, 6 zu 80, 23 zu 74, 2 zu 70, 4 zu 60. Diese 66 Linienschiffe waren eingeteilt in: 1. Die Hauptflotte unter d'Orvilliers; 3 Geschwader zu je 9 französischen und 6 spanischen Schiffen. 2. Das Beobachtungsgeschwader, 16 spanische Schiffe unter Cordoba. 3. Das leichte Geschwader, 3 Franzosen und 2 Spanier unter Lieutenant-Général de Latouche. Etwa 14 Fregatten und Korvetten sowie 9 Brander und Mörserboote waren auf die Geschwader verteilt; ein Hospitalschiff und einige Flüten mit Material folgten der Flotte. Die Segelordnung findet man in Lacour II, Seite 261; die Namen der Schiffe, auch die der englischen, führt Campbell Band V, Seite 466 an.

Admiral Hardy[145] ging am 16. Juni von Portsmouth mit dem Befehle in See, zwischen 25 und 50 Seemeilen südwestlich der Scilly-Inseln zu kreuzen. Er führte 35 Linienschiffe der Kanalflotte — 9 zu 90–100 Kanonen, 22 zu 74, 4 zu 64 —, 7 Fregatten, 6 Brander und einige kleinere Fahrzeuge; der Rest der Kanalflotte, etwa 8 Linienschiffe, befand sich in den Haupthäfen oder kreuzte an der französischen Kanalküste.

Es ist unverständlich, weshalb England nicht rechtzeitig die französische Flotte in Brest blockiert und so die Vereinigung der Gegner verhindert hat, da doch Spaniens Eintreten in den Krieg seit Monaten vorauszusehen war. Es hätte selbst später noch die eigene Flotte hinter der französischen her zur spanischen Küste senden können; wie die Sache lag, würde sie dort wochenlang die Überlegenheit besessen haben. Dieser zweite Fehler ist allerdings verzeihlich, da die Regierung unter dem Druck der öffentlichen Meinung die englische Küste und den Kanaleingang nicht entblößen durfte; mit der Blockade von Brest wäre aber auch der Kanal gedeckt gewesen. England konnte von Glück sagen, daß die französische Flotte sich nicht vor den Kanal gelegt hatte, um die spanische zu erwarten, dort hätte sie wahrscheinlich große Handelsflotten abgefangen, die zurückerwartet wurden; so erreichten ein Konvoi von den Antillen, einer von Jamaika (gegen 200 Fahrzeuge) und 8 große Ostindienfahrer unbehelligt die Häfen Englands und Schottlands.

Die Furcht vor einer Invasion war in England wieder einmal sehr groß, doch diesmal wohl berechtigter als je zuvor. Am 9. Juli befahl die Regierung, beim Drohen einer feindlichen Landung alle Pferde und sämtliches Schlachtvieh ins Innere zu treiben; der Hafen von Plymouth ward durch eine Balkensperre geschützt und Schiffe zum Versenken bereit gehalten; große Besorgnis herrschte für die zurückerwarteten Konvois. Viele Einwohner flüchteten von der Küste; man erzählt, daß bei einem Gottesdienste in einem Küstenorte plötzlich eine Panik ausgebrochen sei und alle Teilnehmer bis auf den Pfarrer sowie den Bezirksgeneral nebst seinen Offizieren und Soldaten aus der Kirche geflohen seien. Die Militärs hielten die Lage indessen nicht für bedrohlich, und so konnte noch der später als Stratege berühmte Admiral Jervis, der beim Erscheinen[289] der Verbündeten ein Schiff der Kanalflotte befehligte, seiner Schwester schreiben: „Es sei demütigend für England, daß der Feind den Kanal beherrsche, aber über den Gedanken an eine Invasion müsse er lachen.“

Die Flotte der Verbündeten fand auf ihrer Fahrt das schönste Wetter und hätte südwestlich von Ouessant, wo sie mehrere Tage durch Gegenwind aufgehalten wurde, die erbetenen Vorräte übernehmen können; man sandte aber nur einige Fahrzeuge mit Reserverundhölzern und vertröstete sie sonst auf spätere Zeit im Kanal. Am 11. August passierte sie Ouessant, am 14. Lizard und erschien am 17. vor Plymouth, wo ihr ein englisches Linienschiff in die Hände fiel, das sie für Engländer gehalten hatte. Die beiden großen Flotten hatten sich nicht gesichtet und wußten auch nichts weiter voneinander.

Jetzt stand also die überlegene französisch-spanische Macht zwischen der englischen und deren Häfen. D'Orvilliers beabsichtigte dem Plane für die Landung entsprechend, den Kanal nach der englischen Flotte bis Wight abzusuchen, sich in Besitz der Rhede von St. Hellens an der Nordostküste dieser Insel zu setzen und dann Cordobas Geschwader nach Cherbourg zu senden, um die Überfahrt der Transportflotte zu decken. Er wollte mit der Hauptmacht den Gegner zur See im Schach halten, ihn schlagen oder in seine Häfen einschließen. Das französische Landungsheer stand um diese Zeit für die Einschiffung auf 100 Transportern bereit, während man in England zur Abwehr neben den Milizen nur über wenig reguläre Soldaten verfügte, da man eine ansehnliche Truppenzahl zur Unterdrückung von Unruhen in Irland halten mußte; zudem war die verbündete Flotte auch nach Abzweigung Cordobas noch der englischen weit überlegen. Diese Gelegenheit, so günstig wie nie zuvor, um endlich einmal die Invasion wirklich durchzuführen, blieb jedoch unbenutzt. Vor Plymouth erhielt nämlich d'Orvilliers die Weisung, nicht Wight, sondern die Umgegend von Falmouth als Landungsstelle zu benutzen. Mit Recht wandte der Admiral dagegen ein, daß die große Flotte dort keinen sichern Ankerplatz habe, um sich stets zur Deckung der Landung bereit zu halten, und ein solcher sei um so nötiger, als das günstige Sommerwetter zu Ende gehe. Während er eine Antwort auf diesen Einwurf erwartete, kam ein mehrtägiger Oststurm auf und trieb ihn aus dem Kanal. Am 22. August benutzte er ruhiges Wetter, die Bestände an Wasser und Proviant zwischen den Schiffen auszugleichen und erhielt so die Flotte in ihrer Gesamtheit bis zum 20. September verwendungsfähig. Am 25. traf die Nachricht ein, daß die englische Flotte bei den Scillys kreuze.

Ein Kriegsrat der Flaggoffiziere entschied einstimmig dahin, daß es bei dem schon fast unhaltbar gewordenen Gesundheitszustande sowie dem drohenden Proviant- und Wassermangel unmöglich sei, nochmals in den Kanal einzulaufen. Man beschloß, den Feind zu suchen und zur Schlacht zu zwingen; wäre dies bis zum 8. September nicht zu erreichen, so sollte das französische Kontingent nach Brest, das spanische nach Cadiz zurückkehren. Dementsprechend wurde gehandelt. Am 31. August (nach allen französischen Quellen, nach Clowes am 29.) sichtete man die englische Flotte, die auf der[290] Rückfahrt nach dem Kanal begriffen war. D'Orvilliers versuchte heranzukommen, aber Hardy wich der fast doppelten Übermacht aus, wobei ihn die Windverhältnisse begünstigten. Am 1. November konnten die Engländer ihr Einlaufen in Plymouth als gesichert ansehen und am 3. ankerten sie vor Portsmouth. Noch einmal erschien d'Orvilliers die Aussicht auf einen Teilerfolg. Als er am 31. die Fruchtlosigkeit einer weiteren Verfolgung erkannte, kamen im Westen 15 Schiffe in Sicht; sofort jagte er sie, aber sie erwiesen sich als ein Konvoi holländischer Handelsfahrzeuge. Er kreuzte dann noch am Eingange des Kanals, bis er als Antwort auf seinen Bericht über den Beschluß des Kriegsrates Befehl erhielt, mit der Gesamtflotte nach Brest zu kommen. Am 14. September traf er dort ein und gab am 21. den Oberbefehl an Lieutenant-Général Du Chaffault ab.

Der Zustand der französischen Flotte war tatsächlich so traurig, daß die meisten Schiffe wegen Mangels an dienstbrauchbaren Leuten kaum noch manövrieren konnten. Schon Ende August und Anfang September mußten acht von ihnen nach Brest geschickt werden. Unter ihnen befand sich das Flaggschiff, das von 1100 Mann Besatzung 560 Dienstunfähige zählte; einem 80-Kanonenschiff fehlten von 800 Mann 500; ein Schiff zu 74 Kanonen hatte schon 70 Tote begraben und noch 529 Kranke. Auf vielen der Schiffe, die bis zuletzt die See hielten, war ein Krankenbestand von 2–300 Mann. (Nähere Angaben s. Chevalier II. Seite 171.)

Die Operationen der großen Flotte waren für 1779 beendet. Die französische Regierung hatte zwar die Absicht, die Flotte nach Auffüllung der Besatzungen sowie der Vorräte wieder auslaufen zu lassen, und auch an General de Vaux ergingen neue Erlasse für Unternehmungen, zu denen man die Flotte zu Anfang Oktober bereit glaubte. Aber ein Kriegsrat der französischen und spanischen Flaggoffiziere (3. Oktober) stellte fest, daß man wegen des augenblicklich großen Mannschaftsmangels, hauptsächlich bedingt durch die vielen Erkrankungen in der französischen Marine, sowie wegen notwendiger Ausbesserung der spanischen Schiffe nichts unternehmen könne.

Cordoba segelte am 9. November mit dem Beobachtungsgeschwader nach Spanien. Die übrigen spanischen Schiffe verblieben unter de Gaston bis Januar 1780 in ihren Verbänden der Gesamtflotte; für diese bestand die Ordre de Bataille weiter, damit sie im nächsten Frühjahr zeitig bereit wäre. Sie bezog Winterquartiere und die Lager des Landheeres wurden im November gleichfalls aufgelöst. Der ganze Erfolg der Kampagne, die von den Verbündeten mit Aufbietung aller Kräfte und ungeheuren Kosten ins Werk gesetzt war und die auch viele Menschenleben gefordert hatte, obgleich kaum ein Schuß gefallen war, bestand in der Erbeutung eines Linienschiffes, einiger zwanzig Kauffahrer und in etwa 1100 Gefangenen. Zwar hatte man England in Schrecken gesetzt und dessen Flotte gezwungen, das Feld zu räumen, aber von einer Beherrschung des Kanals, deren sich d'Orvilliers in einem seiner Berichte rühmte, kann keine Rede sein.

Dem greisen Admiral d'Orvilliers, der seinen einzigen Sohn, einen Leutnant, an der Epidemie verloren hatte, wurde natürlich von der öffentlichen Meinung die[291] Hauptschuld an den Mißerfolgen aufgebürdet, die doch in erster Linie durch andere Gründe bedingt waren. Schwer gebeugt zog er sich für den Rest seines Lebens in eine religiöse Anstalt zurück; bei seinem streng christlichen Charakter war ihm der Ausweg versagt, den Villeneuve nach Trafalgar im Selbstmord fand.

Das Jahr 1780 brachte in den europäischen Gewässern keine Unternehmungen der Hauptflotten gegeneinander. Es kam jetzt zur Geltung, daß die Verbündeten verschiedene Ziele im Auge hatten. Beide wollten zwar England erniedrigen, aber Frankreich erstrebte dies in Westindien und Nordamerika, während Spanien Gibraltar und Minorka besonders berücksichtigte. So kamen sie überein, den Einfall in England vorläufig aufzugeben, aber den Gegner in Nordamerika und Ostindien im Schach zu halten, in Westindien angriffsweise vorzugehen, sowie Gibraltar zu nehmen. Diesem Plane entsprechend gestalteten sie ihre Rüstungen für 1780[146].

Spanien hatte zu Beginn des Jahres 20 Schiffe in Cadiz unter Cordoba, 5 bei Algeciras, 11 kreuzten beim Kap St. Vincent; da man erfahren hatte, daß England Zufuhren nach Gibraltar senden wolle, rief man auch de Gaston mit seinen 21 Schiffen von Brest zurück. Er verlor hiervon am 16./17. Januar sieben bei St. Vincent und sandte Ende April zwölf unter Admiral Solano nach Westindien, wo sich schon einige Schiffe befanden; wahrscheinlich waren auch noch verschiedene in den Mittelmeerhäfen stationiert. Spanien wird somit im Anfang des Jahres etwas über 60 Linienschiffe und nach dem Verluste bei St. Vincent etwas unter dieser Zahl im Dienst gehabt haben.

Frankreich schloß den aus Brest absegelnden Spaniern 4 Linienschiffe an, sandte Anfang Februar 16 unter de Guichen nach Westindien, wo sich schon 10 oder 12 unter de Grasse und La Motte-Picquet befanden; im Mai führte de Ternay 7 nebst einer Hilfsarmee nach Nordamerika.

Da sich nun einige Schiffe (2?) in Toulon und schon im Januar von dieser Station 4 bei der spanischen Flotte in Cadiz befanden, 3 in Ostindien lagen, 2 nach dort abgingen und endlich 12 unter Du Chaffault das ganze Jahr über in Brest verblieben, während im Laufe des Sommers noch 9 von hier nach Cadiz segelten, so kann man die Gesamtindienststellung auf mindestens 70 Linienschiffe annehmen.

Selbstverständlich vermochte Frankreich infolge des großen Abganges an Toten und Schwererkrankten auf d'Orvilliers' Flotte noch weniger als im Vorjahre für diese Indienststellungen genügend Seeleute aufzubringen; man mußte noch mehr als früher mit Soldaten aushelfen und überwies zu diesem Zwecke zwei Regimenter des Heeres an die Marine.

England blieb auch 1780 seinem Grundsatz treu, auf allen fernen Kriegsschauplätzen einem Angriff gewachsen zu sein, in Europa seine Küsten zu decken und den Kanal im Interesse des Handels zu beherrschen. Für[292] dieses Jahr waren 7½ Millionen Lstrl. (einschließlich Neubauten, sowie 1½ Millionen Überschreitung des Vorjahres) und 85000 Mann (einschließlich 18700 Seesoldaten) bewilligt. Im Sommer befanden sich 102 Linienschiffe im Dienst, deren Verteilung aus der Tabelle Seite 224 zu ersehen ist.

Im Mittelmeer waren in den Jahren 1778–1779 keine Kriegsereignisse vorgefallen, solange sich nur England und Frankreich gegenüberstanden. Letzteres war durch sein Vorgehen im Kanal, Nordamerika und Westindien so in Anspruch genommen, daß England sich in Minorka und Gibraltar nicht bedroht sah; beide Staaten hielten im Mittelmeere nur geringe Kräfte zum Schutz des Handels. Als aber Spanien in den Krieg eintrat, begann es bereits im Juli 1779 die Belagerung Gibraltars und ließ diesem Platze durch einige Linienschiffe, sowie zahlreiche Fregatten von Algeciras aus die Zufuhren abschneiden. Wie schon erwähnt, war 1780 die Eroberung Gibraltars die Hauptaufgabe der spanischen Marine und eine große Macht wurde dafür bestimmt: Cordoba hatte in Cadiz 31 spanische und 4 französische Linienschiffe, 5 lagen in Algeciras; Gaston sollte mit 21 spanischen und 4 französischen zu ihm stoßen. Aber dennoch glückte es England, die belagerte Stadt mit Vorräten zu versehen.

Rodney[147] siegt bei St. Vincent und versorgt Gibraltar. Januar 1780. Schon im Oktober 1779 hatte man in England beschlossen, den Admiral Sir George Rodney mit einigen Linienschiffen zur Übernahme des Kommandos nach Westindien zu senden; da die französische Flotte in Brest Winterquartiere bezogen hatte, nahm man nun die Gelegenheit wahr, mit der Ausreise dieses bewährten Führers die Versorgung Gibraltars und Minorkas zu verbinden. Der Admiral verließ am 29. Dezember mit 22 Linienschiffen, 14 Fregatten und einigen kleineren Fahrzeugen Plymouth. Nur fünf der ersteren hatte man für Westindien bestimmt, die übrigen gehörten der Kanalflotte an und waren Rodney nur unterstellt, um einen großen Konvoi zu decken. Dieser bestand aus Transportern mit Truppen, Kriegsmaterial[293] sowie Proviant für Gibraltar und Minorka, und aus Handelsschiffen, die zur portugiesischen Küste oder nach Westindien segeln wollten; die letzteren zweigten sich am 7. Januar 1780 unter Deckung eines Linienschiffes nebst 4 Fregatten ab.

Die Flotte stieß am 8. auf ein spanisches Geschwader — ein Linienschiff, 4 Fregatten, 2 Korvetten — nebst 12 Transportern mit Proviant für die Cadizflotte und nahm nach kurzer Jagd alle Fahrzeuge; das Linienschiff wurde, mit Engländern bemannt, angewiesen, die genommenen Proviantfahrzeuge nach Gibraltar zu geleiten. Auf der Weiterreise erhielt Rodney von einem Kauffahrer die Nachricht, daß auf der Höhe von Kap St. Vincent ein spanisches Geschwader kreuze, und als am 16. das Kap passiert war, kamen um 1 Uhr nachmittags 13 Segel in Sicht; Rodney steuerte sofort in gut gehaltener Formation auf sie zu. Es waren 11 Linienschiffe und 2 Fregatten unter dem Admiral Don Juan de Langara, ein Teil der Cadizflotte, die mit spanischer Sorglosigkeit schlecht geschlossen fuhren. Ihr Führer verlor die Zeit damit, zu sammeln, die Gefechtslinie zu bilden, sowie durch Signale die Ansicht der Kommandanten über weiteres Verhalten einzuholen, und nahm dann erst Kurs auf Cadiz, wofür der Wind günstig war.

Rodney gab nun Befehl zur „Allgemeinen Jagd“ mit der Weisung, von Lee her anzugreifen, um sich so zwischen den Feind und die Küste zu setzen; das zuerst herankommende Schiff sollte das letzte feindliche angreifen, das zweite das vorletzte usw. Um 4 Uhr nachmittags schon waren die vier vordersten Engländer im Gefecht, um 4¾ Uhr flog ein spanisches Schiff von 74 Kanonen auf und um 6 Uhr strich ein zweites die Flagge. Jetzt wurde es schnell dunkel, aber der Kampf tobte weiter und um 2 Uhr morgens ergab sich der vorderste Spanier. Nur 4 Linienschiffe und die Fregatten entkamen; das Flaggschiff von 80 Kanonen, sowie 5 74-Kanonenschiffe wurden genommen. Auf einem der letzteren überwältigte später die Besatzung, die zur Bedienung herangezogen werden mußte, die wenigen Engländer, ein zweites strandete und fiel gleichfalls den Spaniern wieder zu. Es wehte nämlich während der Nacht bei hoher See so stark, daß selbst die größeren englischen Schiffe sich nur mit Mühe von den Klippen von San Lucar freihalten konnten.

Diese Schlacht, die den Siegern nur 39 Tote und 102 Verwundete kostete, zeigte die Tüchtigkeit Rodneys, der gerade an diesem Tage schwer unter der Gicht litt. Zwar war der Feind sehr unterlegen und wurde überrascht, aber dennoch blieb es eine kühne Tat, bei dem drohenden Wetter auf einer Leeküste kurz vor Einbruch der Nacht anzugreifen. Es war um so gewagter, als man wußte, daß Cordobas Streitkräfte in diesen Gewässern 35 Linienschiffe zählten. Dieser hatte auch tatsächlich mit den anderen 24 in Erwartung der Engländer gleichfalls vor der Straße von Gibraltar gekreuzt und war eben erst in Cadiz eingelaufen, um einige in einem Sturme beschädigte Schiffe auszubessern. Rodney wurde ferner dadurch vom Glück begünstigt, daß[294] Gaston, der ihm von Brest aus entgegentreten sollte, zu lange im Hafen festgehalten und dann durch die Witterungsverhältnisse auf der Fahrt gehemmt wurde. Rodney erreichte unbelästigt Gibraltar, konnte aber widriger Winde halber erst am 26. Januar auf der Rhede ankern. Die fünf spanischen Blockadeschiffe zogen sich unter die Werke bei Algeciras zurück und die Engländer landeten ungestört Truppen sowie Vorräte. Die Transporter für Minorka waren schon vor dem Einlaufen in die Bucht unter Deckung von 3 Linienschiffen weitergesandt; sobald diese dann wieder eintrafen, ging Rodney am 13. Februar in den Atlantik zurück. Nach drei Tagen entließ er die Schiffe der Kanalflotte und steuerte selber mit 4 Linienschiffen nach Westindien. Gibraltar und Minorka waren auf ein Jahr versorgt.

Die unter Admiral Digby nach England segelnden Schiffe stießen am 23. Februar auf 15 französische Transporter, die unter Bedeckung durch 2 Linienschiffe und eine Fregatte nach Ostindien unterwegs waren. Drei Transporter sowie das Schiff des ältesten Kapitäns, der sich mutig opferte, wurden genommen, die anderen entkamen während der Nacht.

Cordoba rührte sich weder während des langen Aufenthalts der Engländer vor Gibraltar noch bei deren Rückfahrt durch die Straße. Er mochte wohl seinen, zur Zeit noch teilweise beschädigten Schiffen nicht allzuviel zutrauen. Nach der Vernichtung Langaras konnte er auch nicht mehr mit Überlegenheit auftreten, zumal das Geschwader Gastons erst am 23. Februar eintraf; es hatte schweres Wetter in der Biskaya gehabt und längere Zeit in Ferrol behufs notdürftiger Ausbesserung gelegen.

Der Befehlshaber der vier französischen Schiffe bei der spanischen Flotte äußerte sich sehr absprechend über diese. Die Besatzungen seien ungeschickt in der Bedienung der Schiffe und die Offiziere unerfahren, aber auch nachlässig im Segeln in großen Verbänden. Auch für Cordobas Tatkraft spricht nicht gerade die Erzählung eines spanischen Autors: Nach diesem traf die Meldung, daß die Engländer Gibraltar wieder verlassen hätten, den Admiral in der Kirche. Er sagte: „Es ist gut! Geduld. Gott will es. Diesmal haben die Engländer Glück, ein anderes Mal werden wir es haben.“ Ein Epigramm jener Zeit nannte ihn „el gran santulario“.

Rodneys Sieg erregte in England große Freude. Der Erste Lord schrieb ihm, er habe mehr Linienschiffe genommen als in irgendeiner Schlacht der beiden letzten Kriege erbeutet worden wären. Der Admiral schrieb seinen Erfolg dem Umstande zu, daß ein Teil seiner Schiffe gekupfert und dadurch imstande gewesen sei, den Gegner einzuholen und festzuhalten. Er legte deshalb der Admiralität ans Herz, diese Maßnahme schnell allgemein durchzuführen, und der Erste Lord antwortete ihm: „Ich höre Sie laut nach gekupferten Schiffen rufen und bin entschlossen, to stop your mouth; you shall have copper enough.“ Die Kupferung wurde dann auch beschleunigt.

Der weitere Verlauf des Krieges in Europa 1780. Die Versorgung Gibraltars blieb der einzige englische Vorstoß in diesem Jahre, ja das einzige hervortretende Ereignis überhaupt, obgleich es schon im Februar zu Ende war, also zu einer Zeit, in der sonst die großen Unternehmungen kaum begannen. England, seiner Sorge um Gibraltar ledig, hielt die schwachen Streitkräfte,[295] 43 Linienschiffe, in den nördlichen Gewässern zurück und auch die Verbündeten unternahmen nichts Ernstes, obgleich sie in Cadiz über eine große Zahl von Schiffen verfügten, im Herbst sogar über eine ungeheure Macht. Die Bewegungen der Gegner seien hier kurz dargestellt.

Der englische Admiral Francis Geary, der im Mai für den verstorbenen Admiral Hardy die Kanalflotte übernommen hatte, trat am 8. Juni mit 30 Linienschiffen eine Kreuzfahrt zum Schutze des Handels im Kanal an. Anfang Juli stieß er auf einen französischen Konvoi von 30 nach Westindien bestimmten Kauffahrern, konnte aber wegen einbrechender Nacht und aufkommenden Nebels nur 12 von ihnen nehmen. Am 18. August war diese Fahrt beendet und bald darauf ging der Oberbefehl auf Vizeadmiral George Darby über, der ihn auch während des Jahres 1781 führte. Von nun an kreuzten einzelne Kriegsschiffe, kleinere Verbände, sowie zahlreiche Kaper im Kanal und hinunter bis zur portugiesischen Küste.

Die Verbündeten zogen stärkere Streitkräfte in Cadiz zusammen; Frankreich suchte Spanien zu einer entscheidenden Unternehmung zu bewegen, aber dieser Staat versteifte sich auf die Belagerung von Gibraltar. Das einzige, wozu er sich verstand, war die Entsendung des Admirals Don Josef de Solano mit 12 Linienschiffen, einigen Fregatten, sowie gegen 12000 Mann nebst starkem Artilleriematerial auf 83 Transportern Ende April nach Westindien. Auch dann blieb Cordoba noch 29 Linienschiffe stark und Gibraltar war von Algeciras aus durch 5 solcher unmittelbar blockiert. Da zu diesen noch 8 oder 9 französische zu rechnen sind und im Juli weitere 5 von Brest eintrafen, so verfügten die Verbündeten schon Mitte dieses Monates hier über eine große Flotte.

In Brest behielt Frankreich das ganze Jahr über 12–15 Linienschiffe unter Lieutenant-Général Du Chaffault als ein Beobachtungsgeschwader; dies ist jedoch niemals vereint in See gegangen, sondern ließ nur einzelne Schiffe kreuzen.

Cordobas Unternehmungen blieben aber ganz auf die südlichen Gewässer beschränkt. Erst im Juli erhielt er den Befehl, mit einer größeren Macht in See zu gehen; er sollte zwischen Kap St. Vincent und Vigo bis auf 150 Seemeilen von der Küste entfernt kreuzen, um dem Treiben englischer Kriegsschiffe und Freibeuter ein Ende zu machen, die zwischen Ferrol und Cadiz die Verbindung fast ganz unterbrochen hatten und den französisch-spanischen Handel störten. Am 31. Juli lief er mit 22 Schiffen aus und hatte das Glück, am 8. August auf 36° 40′ nördlicher Breite und 15° Westlänge (Greenwich) einen englischen Konvoi von 67 Fahrzeugen zu treffen, die nach Ost- und Westindien bestimmt und durch ein Linienschiff sowie zwei Fregatten gedeckt waren; nur die Kriegsschiffe und 12 Handelsschiffe entkamen, mit 55 Prisen im Werte von 1½ Millionen Lstrl. und 2865 Gefangenen lief Cordoba am 29. August wieder in Cadiz ein. Der Schlag traf England um so härter, da ein Teil der Schiffe mit Zufuhren für die Truppen und Schiffe in den Kolonien beladen waren. Dies blieb aber auch der einzige Erfolg der Verbündeten, obgleich Frankreich den Vizeadmiral[296] d'Estaing nach Spanien sandte, um mehr Tatkraft in die Kriegführung zu bringen.

D'Estaings Mission in Spanien. Der Vizeadmiral traf im Juni 1780 in Madrid ein und versuchte mit Unterstützung des französischen Gesandten dahin zu wirken, daß man die große Flotte nicht nur im Dienste der Belagerung von Gibraltar belasse, in dem sie nach französischer Ansicht überhaupt nichts Ausschlaggebendes nützen könnte. Aber lange Verhandlungen hatten keinen Erfolg. D'Estaing traf dann am 26. September in Cadiz ein, begab sich von dort in das Lager von Gibraltar, fand die Aussicht auf eine erfolgreiche Berennung der durch ihre Lage fast uneinnehmbaren Stadt sehr gering und ward in seiner Ansicht noch bestärkt, daß die Flotte hier nichts nützen könne. Er trat lebhaft für deren anderweitige Verwendung ein, beispielsweise zu einem Angriff auf Minorka, aber wieder vergeblich. — Er hatte Befehl, nach Eintreffen der französischen Streitkräfte von Westindien, die für die zweite Hälfte des September nach Cadiz beordert waren, die Gesamtflotte Frankreichs nach Brest zu führen, falls Spanien bis dahin nicht einer anderen Verwendung zugestimmt habe.

Am 1. Oktober trafen noch einige Schiffe vor Brest in Cadiz ein und am 24. kamen das Geschwader de Guichens, sowie die selbständige Division de La Motte-Picquets von Westindien an; jetzt waren etwa 40 französische Linienschiffe dort vereint. Da es d'Estaing nicht gelang, Spanien zu entschlossenerem Handeln zu bewegen und er keinen Nutzen in einem längeren Aufenthalt der französischen Schiffe bei Cadiz sah, traf er Anstalt, diese gemäß der erhaltenen Weisung nach Frankreich zurückzuführen. Die Jahreszeit war schon weit vorgeschritten, denn die Schiffe aus Westindien waren über einen Monat später angekommen, als man erwartet hatte und die meisten hatten eine gründliche Ausbesserung nach ihrer fast zweijährigen Abwesenheit nötig. Unter de Guichen waren 95 Schiffe mit Zucker und Kaffee angekommen. D'Estaing ließ von diesen die ins Mittelmeer bestimmten durch Kapitän Suffren mit 5 Linienschiffen nach Toulon geleiten, während er mit dem Gros der Flotte am 7. November nach Norden segelte. Er kreuzte noch kurze Zeit beim Kap St. Vincent und traf am 5. Januar 1781 in Brest ein.

Bemerkungen zu dem Kriege in Europa 1779/80. Während sich 1779 in Westindien etwa gleichstarke Kräfte gegenüberstanden, befand sich England in den heimischen Gewässern in großer Bedrängnis, als die Flotte der Verbündeten auftrat; niemals seit Ruyters Zeit war die Gefahr eines Einfalles so groß gewesen wie jetzt. Zwei Fehler der Regierung hatten dies verschuldet. Erstens hatte man in den Friedensjahren versäumt, die Marine einem möglichen, ja wahrscheinlichen Zusammenwirken der beiden bourbonischen Königreiche gewachsen zu erhalten, zweitens mußte die Vereinigung der beiden feindlichen Flotten jetzt verhindert werden. Daß diese Unterlassungen sich nicht rächten, ist nur den Mißgriffen der Verbündeten zu danken; diese seien hier nochmals kurz zusammengefaßt.

Die französische Flotte ging mit unvollständiger Bemannung und Ausrüstung in See, um nicht vom Feinde in ihren Häfen blockiert zu werden. Die spanische brauchte sieben Wochen bis zur Vereinigung und dann verging noch eine Woche mit Maßnahmen, die man vorher hätte erledigen können. Französischerseits unterließ man ferner die[297] Ergänzung der während des langen Wartens aufgebrauchten Vorräte. Ein weiterer schwerer Fehler war der befohlene Wechsel des Angriffspunktes. Dadurch ging die günstige Gelegenheit zur Landung unwiederbringlich verloren, und Krankheit sowie Mangel auf der Flotte bereiteten schließlich dem Unternehmen ein unrühmliches Ende. Auch hier bestätigte sich wieder, daß es grundfalsch ist, eine vor dem Feinde stehende Macht, und ganz besonders eine Seestreitmacht, ganz von Hause her leiten zu wollen. Gerade im vorliegenden Falle war der Gegenbefehl durchaus verkehrt und somit d'Orvilliers' Einwendungen völlig berechtigt; die erhaltene Weisung einfach nicht zu beachten, lag nicht in seinem Charakter. Dies hätten auch wohl nur wenige Führer gewagt, ein Nelson oder Bonaparte würden es wahrscheinlich getan haben.

Die Führer der großen Flotte zeigten sich allerdings auch nicht ihrer Aufgabe gewachsen, doch fällt dies gleichfalls den Regierungen zur Last, die sie an die verantwortlichen Stellen setzten. D'Orvilliers war ein tüchtiger Offizier, aber 68 Jahre alt und kein Charakter, der die Jahre vergessen ließ; er nannte sich außerdem selber „einen gebrechlichen Greis“. Es fehlten ihm Entschlußfähigkeit und Kühnheit, die unter schwierigen Umständen vieles wagen, um alles zu gewinnen.

Bezeichnend sind die Aussprüche zweier anderer Autoren (Chevalier II, Seite 136 A. a. O.): „D'Orvilliers wollte 1778 bei westlichem Winde nicht in den Kanal einlaufen, da er dann bei schlechtem Wetter oder nach unglücklichem Kampfe nicht wieder herauskönne; 1779 hinderte ihn östlicher Wind am Einlaufen. Welch ein Wind war denn nun günstig?“ — (Lacour II, Seite 254): »Man sagt, daß sich d'Orvilliers während des Feldzuges 1779 stets gefragt habe: „Was geschieht, wenn ich besiegt werde“, aber niemals: „Was erfolgt, wenn ich siege.“

Nicht anders lag es mit Cordoba. Dieser war sogar 73 Jahre alt, und d'Estaing, der 1780 mit ihm verhandeln mußte, berichtete, er habe bisher nur gegen die Barbaresken gefochten und sei, selbst nach Ansicht spanischer Offiziere, eine Persönlichkeit ohne jede Bedeutung, ohne Tatkraft und Kühnheit. Beide Führer waren allerdings auch nicht vom Glück begünstigt, und die Wetterverhältnisse waren mehrfach gegen sie, aber es gilt als alte Erfahrung, daß dem Wagemutigen das Glück hold ist; denn wer auch unter ungünstigen Verhältnissen seine Absicht durchzusetzen strebt, kommt einem günstigen Umschwung gewissermaßen entgegen. — Infolge der Fehler der Verbündeten blieb das große Unternehmen 1779 ein Schlag ins Wasser; Lacour sagt von ihm: „Si le sujet n'était pas si triste, on penserait à la montagne en mal d'enfant, qui met au monde une souris.“

Die Kriegführung des Jahres 1779 zeigt deutlich eine der Schwächen der Allianzen[148]. Durch seine Nachlässigkeit in den Rüstungen lähmt der eine Verbündete den anderen. Im Jahre 1780 zeigt sich die Hauptgefahr für jedes Bündnis, die Verschiedenheit der Interessen und Ziele. Frankreich bindet sich noch stärker als vorher in Westindien, Spanien verbeißt sich in die Belagerung von Gibraltar. Der Oberbefehlshaber, Admiral Cordoba, löst in diesem Jahre aber nicht einmal die einfache Aufgabe, die belagerte Stadt von See her abzuschließen. Es gelingt[298] Rodney mit weit schwächeren Kräften, Gibraltar zu versorgen; bei dieser Gelegenheit zeigt sich, daß dem Mutigen auch das Glück hold ist. Die Wetterverhältnisse legen die Seestreitkräfte des Gegners lahm und begünstigen ihn. Er trifft dann auf den Konvoi und einen Teil der spanischen Flotte, der ohne Unterstützung ist. Daß das englische Geschwader die Stürme überstand, während die Schiffe des Gegners arg beschädigt wurden, war allerdings der Überlegenheit der Engländer in Seemannschaft zu danken.

Ausbruch des Krieges zwischen England und Holland 1780. Am 20. Dezember erklärte England den Krieg an Holland. Schon weit früher war es zu Reibungen gekommen. Seit Ausbruch des Englisch-Amerikanischen Krieges wurde die holländische Schiffahrt durch die Untersuchungen seitens englischer Kriegsschiffe arg belästigt und noch mehr seit Beginn des Kriegs mit Frankreich. Am 31. Dezember 1779 ereignete sich bereits ein Vorfall ernster Art. Ein englisches Geschwader von 5 Linienschiffen und einigen Fregatten unter Kapitän Charles Feilding begegnete im Kanal einem großen holländischen Konvoi, geleitet durch 2 Linienschiffe und 2 Fregatten unter Kontreadmiral van Byland. Der englische Kommodore verlangte die Untersuchung der Schiffe. Der holländische Admiral verweigerte sie und ließ Gewehrfeuer auf die Boote richten, die trotzdem zu den Handelsschiffen fuhren. Nun eröffneten die englischen Schiffe das Feuer auf die holländischen und diese ergaben sich in ihr Schicksal; der Admiral strich sogar die Flagge. Davon machte Feilding nun zwar keinen Gebrauch, aber er führte 12 Kauffahrer nach Portsmouth, die dort kondemniert wurden, da sie nach englischer Angabe tatsächlich Kontrebande an Bord hatten.

Gleichzeitig mit der Kriegserklärung sandte England den Befehl nach Ost- und Westindien, die holländischen Schiffe sowie Besitzungen wegzunehmen; es soll sogar diese Weisung schon früher erlassen haben, da die englischen Kriegsschiffe überall so frühzeitig über den holländischen Handel herfielen, daß Ende Januar 1781 bereits 200 Kauffahrer im Werte von 15 Millionen Gulden aufgebracht waren. Am 30. Dezember 1781 ward das erste holländische Kriegsschiff von 54 Kanonen durch zwei englische 74-Kanonenschiffe im Kanal genommen. (Näheres über die Belästigungen des holländischen Handels, die dadurch hervorgerufenen Reibungen und die militärischen Maßnahmen Hollands findet man in de Jonge, Band 4, Seite 379 ff.)

Der Krieg in Westindien und Nordamerika 1780.

Westindien. Im Beginn des Jahres 1780 lag der englische Admiral Hyde Parker mit etwa 16 Linienschiffen in Sta. Lucia, während sich die französischen Divisionen de Grasse und de La Motte-Picquet, 10 oder 11 Schiffe, in Martinique befanden; beide Parteien unternahmen Kreuzfahrten gegen Handelsschiffe und Transporter. De La Motte hatte von Haus Befehl erhalten, seine eigentliche Station bei St. Domingue gegen die Engländer in Jamaika einzunehmen, war aber von de Grasse und dem Gouverneur wegen der Überlegenheit des Gegners bisher auf der Antillenstation zurückgehalten; erst als die Nachricht vom Nahen der starken Flotte unter de Guichen eintraf, ließ man ihn absegeln. Auf der Reise hatte er einen Zusammenstoß mit einem englischen Geschwader, blieb aber sonst den großen Ereignissen des Jahres fern. Ebenso auch die schwache englische Jamaikastation unter Sir Peter Parker; beide fanden nur Verwendung zum Kleinen Kriege im nordwestlichen Teile der westindischen Gewässer.

[299]

Gefecht bei Monte Christi, 20. März 1780. La Motte-Picquet verließ am 13. März mit zwei Schiffen zu 74 Kanonen, einem zu 64, einem zu 50 und einer Fregatte Martinique nebst einem Konvoi für Cap Français. Am 20. März stieß er nicht weit von seinem Ziele bei Monte Christi (Nordküste von Haiti) auf den Kapitän Cornwallis, der sich mit drei schwachen Schiffen der Jamaikastation auf einer der üblichen Kreuzfahrten in den dortigen Gewässern befand. Es kam zu einem Gefechte, das von 5 Uhr nachmittags bis mitternacht und den ganzen nächsten Tag über dauerte. Dann brach La Motte ab, da drei andere Engländer in Sicht kamen, und segelte nach Cap Français, wohin sein Konvoi schon vorausgegangen war. Der Zusammenstoß ist bemerkenswert, weil man aus seinem Verlaufe wiederum ersehen kann, wie die französischen Führer jener Zeit fast immer nur die Lösung ihrer Aufgabe anstrebten, sonst aber ihre Schiffe schonten. De La Motte, ohne Zweifel ein mutiger Mann und tüchtiger Offizier, hatte nur den Schutz des Konvois im Auge; zu diesem Zwecke griff er zwar selber an, führte aber den Kampf nicht bis zur Entscheidung durch, obgleich er weit überlegen war. Cornwallis befehligte ein Schiff zu 64 Kanonen, eins zu 50 und eins zu 44, und die später in Sicht kommenden waren auch nur ein 64-Kanonenschiff, nebst 2 Fregatten. (Näheres über das Gefecht vgl. Clowes III, Seite 474; Troude II, Seite 66.)

De La Motte geleitete später verschiedene Konvois, nach Europa bestimmte, von Cap Français, dem üblichen Sammelplatze, aus, so weit in den Atlantik, bis sie vor feindlichen Kreuzern sicher schienen; am 13. August trat er, erhaltenem Befehle gemäß, die Heimfahrt an und traf Ende Oktober in Cadiz ein.

De Guichen und Rodney in Westindien 1780. Lieutenant-Général de Guichen[149] hatte am 3. Februar Brest mit 16 Linienschiffen und 4 Fregatten — nach Angabe der französischen Quellen schlecht ausgerüstet — nebst einem Konvoi von 83 Segeln verlassen; er traf am 22. März in Martinique ein und vereinigte sich mit de Grasse. Er war entrüstet, nicht auch La Motte vorzufinden, da er dann dem Gegner sehr überlegen gewesen wäre. Seine Order wies ihn an, auf der Reise besonders den Konvoi zu hüten, weil es in den Kolonien sehr an Nahrungsmitteln sowie anderen Bedürfnissen mangele, in Westindien dann „die Seeherrschaft zu erringen“; von etwa genommenen Inseln solle er einzig Sta. Lucia besetzen, auf anderen nur die Befestigungen und Magazine zerstören. Der Befehl enthielt aber wieder den lähmenden Zusatz: „Die See zu halten, soweit es die Stärke des Gegners erlaube, ohne die eigenen Kräfte zu sehr einzusetzen.“ Der Admiral hoffte nun, Sta. Lucia überraschen zu können; er schiffte deshalb nur seine Kranken[300] aus und ging schon am 23. März wieder in See. Er fand aber Hyde Parker mit seinen 16 Schiffen in der Gros-Islet-Bucht derartig verankert, daß er keinen Angriff wagte und nach Fort Royal zurücksegelte. Eine ähnlich günstige Gelegenheit, Sta. Lucia zu nehmen, kam nicht wieder; am 27. März vereinigte sich Rodney, von seiner spanischen Expedition angekommen, mit Hyde Parker, und die nun 20 oder 21 Linienschiffe starke englische Flotte war der französischen ungefähr gleich.

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de Guichen.

Die Stärke der Gegner. Die englische Flotte bestand aus: der Vorhut, Kontreadmiral Hyde Parker, dem Flaggschiff zu 90 Kanonen, 4 Schiffen zu 74, 2 zu 64, 1 Fregatte; der Mitte, Rodney, Flaggschiff zu 90, 3 zu 74, 1 zu 70, 2 zu 64, 3 Fregatten; der Nachhut, Kontreadmiral Rowley, 4 zu 74, 1 zu 64, 1 zu 60, 1 zu 50 Kanonen (dieses sollte im Notfalle die Linie verlängern), 1 Fregatte.

Die französische Flotte zählte: Vorhut, Chef d'Escadre Comte de Sade, Flaggschiff zu 80 Kanonen, 3 Schiffe zu 74, 2 zu 60, 1 zu 60; Mitte, de Guichen, Flaggschiff zu 80, 4 zu 74, 3 zu 64; Nachhut, Chef d'Escadre Comte de Grasse, 6 Schiffe zu 74, 1 zu 64; hinzu traten 5 Fregatten und 1 Korvette.

Die drei Gefechte bei Martinique 1780. Schon am 2. April zeigte sich Rodney vor Fort Royal, da Guichen aber nicht aus dem Hafen kam, ging er nach Sta. Lucia zurück und ließ den Feind durch Fregatten beobachten. Der französische Admiral war mit dem Gouverneur de Bouillé, der sich mit 3000 Mann auf der Flotte einschiffte, übereingekommen, bei günstiger Gelegenheit unbemerkt in See zu gehen, zunächst einen nach St. Domingue bestimmten Konvoi eine Strecke nach Norden zu geleiten und dann den Angriff auf die englischen Inseln zu beginnen. In der Nacht des 13. April verließ die französische Flotte den Hafen, aber die englische folgte sofort. Schon am 16. sichteten sich beide in Lee der Insel Martinique; die englische kam von Südosten heran, als die französische gegen Nordostpassat auf den Kanal zwischen Martinique und Dominica zu aufkreuzte.

In den nun folgenden Manövern zur Gewinnung der Luvstellung hatten die Engländer den Erfolg für sich. Bei Tagesanbruch am 17. April stand die englische Flotte etwa 12 Seemeilen östlich der französischen, und etwa 20 Seemeilen westlich vom Eingange des genannten Kanals erfolgte die erste Schlacht. Sie blieb unentschieden, ist aber bemerkenswert[301] für die Geschichte der Seetaktik. Rodney versucht in ihr, abweichend von der bisherigen Angriffsart, einen Teil des Gegners überlegen anzugreifen; es mißlingt jedoch, da seine Untergebenen die Absicht nicht verstehen. Sie wurde dann in alter Weise zu Ende geführt und brachte die bekannten Folgen: Die Engländer standen nach dem ersten Zusammenstoß wegen der Beschädigung der Schiffe von weiterem Kampfe ab, und auch der französische Admiral drang im Hinblick auf den einschränkenden Zusatz zu seiner Instruktion nicht auf seine Fortsetzung bis zur Entscheidung.

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Martinique, 17. April 1780.

Die erste Schlacht bei Martinique am 17. April 1780[150]. Bei Tagesanbruch lag die französische Flotte unter östlichem Winde in Kiellinie über Steuerbordbug mit etwa SSO-Kurs, die englische steuerte über Steuerbordbug nördlich. Rodney stellte die über Nacht etwas verloren gegangene Ordnung her und schloß die Entfernungen zwischen den Schiffen von zwei auf eine Kabellänge. Beide Flotten steuerten also einen parallelen, aber nahezu entgegengesetzten Kurs; es war für die zu Luward stehenden Engländer Gelegenheit, sich mit ihrer enggeschlossenen Linie überwältigend auf die hintere Hälfte der etwas auseinandergezogenen französischen zu werfen und diese niederzukämpfen, ehe die vordere Hälfte wenden und zur Hilfe herankommen konnte. Dies war Rodneys Absicht. Er machte sie um 8 Uhr vormittags durch Signal bekannt — bereits früher scheint er durch Zusätze zur Gefechtsinstruktion derartige Manöver vorbereitet zu haben. Um 8½ Uhr kommandierte er dann „Linksum“ und hielt mit vollen Segeln in Dwarslinie auf den Gegner zu.

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Guichen erkannte die Gefahr und ließ alle Schiffe zugleich halsen, so daß der Stoß nur die vordere Hälfte getroffen haben würde, der die hintere leicht Unterstützung bringen konnte. Rodney bildete darauf die Kiellinie über Steuerbordbug, um sein Manöver am anderen Ende der feindlichen Linie zu versuchen (vgl. Plan, Lage 1). Er öffnete jetzt zwar die Abstände wieder auf 2 Kabellängen, blieb aber immer noch geschlossener als der Gegner; die beiden Flotten lagen nun von neuem auf entgegengesetzten Kursen. Um 10¼ Uhr war Rodney mit seinem Flaggschiff querab von dem de Guichens, gab Befehl, mit allen Schiffen zugleich zu halsen, und ließ, als dies geschehen und die Linie wieder gut ausgerichtet war, etwa um 11 Uhr mehr nach Backbord, also schräg auf den Feind zu, steuern. Um 11¾ erfolgten schnell hintereinander die Signale: „Gerade auf den Feind abhalten; ein jedes Schiff auf seinen Gegner in der feindlichen Linie (dies war ein Signal gemäß seines Zusatzes zur Gefechtsinstruktion); Nahgefecht.“ Rodney nahm dabei an, daß die Admirale und Kommandanten seiner um 8 Uhr bekanntgegebenen Absicht entsprechend das Schiff angreifen würden, das ihnen „augenblicklich“ in der feindlichen Linie gegenüberstand.

Jetzt aber machte sich das Kleben am bisherigen Brauch, an dem buchstäblichen Befolgen der Gefechtsinstruktion, geltend. Der Kommandant des Spitzenschiffes, Kapitän Carkett, glaubte, er müsse das feindliche Spitzenschiff angreifen, steuerte auf dieses zu und zog seine drei Hintermänner einschließlich des Admirals der Vorhut, Hyde Parker, hinter sich her. Diese 4 Schiffe eröffneten gegen 1 Uhr nachmittags das Feuer, zunächst auf weitere Entfernung; die übrigen führten den Angriff richtiger aus, besonders die drei letzten der Vorhut, obgleich sie von ihrem Admiral den Befehl erhielten, in der Linie zu bleiben und ihm zu folgen. Es scheint demnach, als ob auch Hyde Parker die Absicht des Flottenchefs nicht verstanden habe. Rodney griff mit dem Flaggschiff etwas nach 1 Uhr in nächster Nähe an. Er war auf das zweite Schiff (64 Kanonen) hinter dem feindlichen Flaggschiffe gestoßen, trieb dies aus der Linie und ebenso das folgende, das die Lücken schließen wollte (Plan, Lage 2). Wohl während des Kampfes den Weichenden etwas nachdrängend, sah er sich plötzlich um 2½ Uhr in Lee der feindlichen Linie und deren Flaggschiff zu Luward; er rief seine beiden Vordermänner zur Unterstützung näher heran.

So wurde der Kampf an dieser Stelle ziemlich heiß, und Guichen gewann den Eindruck, daß Rodney hier durchbrechen wolle. Dies ist indes kaum anzunehmen, da die Engländer bisher nicht viel vom Doublieren hielten; Rodney war wohl nur durch Zufall nach Lee geraten. Guichen gab deshalb gegen 4 Uhr den Befehl, mit allen Schiffen zugleich zu halsen, um den Durchbruch zu verhindern und weiter in Lee aufs neue Stellung zu nehmen. Da das Manöver ziemlich viel Raum erforderte, faßte Rodney es als Rückzug auf, er folgte aber nicht, wohl weil die Ordnung seiner Linie gestört war und das Flaggschiff sehr gelitten hatte; es hatte Fockmast sowie Großraa verloren und 80 Schüsse in den Rumpf erhalten, von diesen 3 unter Wasser, so daß es während der nächsten 24 Stunden nur mit Mühe flott erhalten werden konnte. Der Kampf fand um 4¼ Uhr nachmittags sein Ende und die Flotten trennten sich.

Die Verluste bezifferten sich englischerseits auf 120 Tote und 354 Verwundete, französischerseits auf 222 bzw. 537. Die englischen Schiffe waren in der Takelage wesentlich mehr beschädigt als die französischen.

Soweit die Schilderung, die besonders auf englischen Angaben, Berichten und Auslassungen Rodneys beruht, da die französischen sehr dürftig sind. Rodney erklärte später, diese Schlacht sei die beste Gelegenheit seines Lebens für einen großen Schlag gewesen; sein Plan würde Erfolg gehabt haben, wenn er richtig durchgeführt worden wäre. Er war mit seinen Untergebenen sehr unzufrieden und lobte nur 5 Kommandanten: seinen Flaggkapitän, die Führer der drei Vorhutschiffe und einen Kommandanten der Nachhut, der wie er selber nahe an den Feind herangegangen war. Dem Führer des Spitzenschiffes sowie dem Admiral Hyde Parker warf er die bereits hervorgehobenen Fehler vor, allen übrigen, daß sie ihre Schiffe nicht scharf genug ins[303] Gefecht gebracht hätten. Auch Admiral Rowley traf sein Vorwurf, die Signale nicht genau befolgt zu haben.

Dies verhielt sich so: dem Schiffe der Nachhut, das dicht herangegangen war, hatte beim Aufdrehen zum Kampfe das Ruder versagt und es war über den falschen Bug zum Gefecht gekommen. Als darauf einige Franzosen wendeten, tat Rowley das gleiche. (Alle diese Schiffe legten sich übrigens bald wieder über Backbordbug.) Hierin sah Rodney einen Fehler, Rowley wandte aber ganz richtig dagegen ein, daß er mit seinem Manöver der Weisung entsprochen habe, wonach der Hauptangriff auf den hinteren Teil der feindlichen Linie gerichtet werden sollte. Rodneys Darlegungen wurden zwar nicht veröffentlicht, aber doch durch Privatbriefe und Gespräche bekannt. Der Kommandant des Spitzenschiffes, Kapitän Carkett, schrieb daraufhin an den Admiral, und dessen Antworten geben neben seinen Berichten genauen Aufschluß über seine Absicht; man ersieht aus ihnen auch, daß eben Mangel an Verständnis im englischen Offizierkorps den Plan des Admirals vereitelte. (Vgl. Clowes III, Seite 460 ff.)

Nach der Schlacht segelte Guichen nach Guadeloupe, um Verwundete und Kranke auszuschiffen. Rodney besserte auf See notdürftig aus und folgte dann dem Gegner, um sich zwischen ihm und Martinique zu halten, war aber bald genötigt, bei Sta. Lucia zu ankern, da er Wasser nehmen mußte. Er verlor jedoch die Absicht, die Rückkehr der Franzosen nach Fort Royal, ihrem besten Hafen und Ausrüstungsplatze, zu hindern, nicht aus dem Auge. Er ließ Fregatten östlich sowie westlich von Martinique kreuzen und erhielt so rechtzeitig Nachricht, sobald der Feind sich rührte. Guichen verließ an einem der ersten Maitage Guadeloupe und steuerte östlich von Martinique zu einem neuen Versuche gegen Sta. Lucia südlich.

De Bouillé hatte sich mit einem Teile der Landungstruppen auf Fregatten eingeschifft, die der Flotte um einige Stunden voraussegelten, als er jedoch am 9. Mai in der Straße zwischen Martinique und Sta. Lucia ankam, sah er die englischen Schiffe schon aus der Gros-Islet-Bucht herauskommen. So traten sich die beiden Flotten südöstlich der erstgenannten Insel wiederum entgegen und manövrierten dann, beide mit großem Geschick, 10 Tage lang in Sicht voneinander. Franzosen wie Engländer behaupten eine Schlacht gesucht zu haben, aber der Gegner sei ausgewichen oder habe günstige Gelegenheiten zum Angriff nicht benutzt.

Ein vorurteilsfreier Vergleich zeigt, daß beide hiermit nur bedingt recht haben, am meisten noch die Engländer. Da die Franzosen während der ganzen Zeit (eine Stunde am 15. Mai ausgenommen) die Luvstellung in dem regelmäßig wehenden Passat innehatten, ist ihre Behauptung unhaltbar, es sei unmöglich gewesen, den Feind zur Schlacht zu bringen, denn die Flucht hat dieser nie ergriffen. Guichen ging häufig, gewöhnlich wenn nachmittags der Passat am stetigsten wehte, näher an die Engländer heran, nahm aber den Nahkampf nie auf; wahrscheinlich wollte er, wie üblich, seine Flotte schonen und rechnete damit, dem Feinde nach und nach oder bei ganz besonders günstiger Gelegenheit Abbruch zu tun. Rodney nahm den auf weitere Entfernung angebotenen Kampf nie auf, um seine Munition nicht zu verschleudern, auch wollte er wohl nach englischem Brauch nur aus der Luvstellung fechten; er suchte also diese zu erreichen, wobei er gleichzeitig den[304] Feind sowohl von dessen Stützpunkt wie auch von seinem Angriffsobjekt abdrängte. Beide Male aber, als die Umstände ihm eine Gelegenheit zum Angriff boten, benutzte er sie auch; man kann mithin nicht sagen, daß er jedem Zusammenstoß grundsätzlich ausgewichen sei.

Die Gefechte bei Martinique am 15. und 19. Mai 1780. Am 15. Mai nachmittags kam Guichen etwas näher als gewöhnlich heran; beide Flotten lagen bei Ostwind über Steuerbordbug mit SSO-Kurs. Schon war das französische Spitzenschiff etwa querab von der englischen Mitte imstande, das Feuer zu eröffnen, da drehte der Wind schnell auf SSO, so daß sämtliche Schiffe etwa SW anlagen. Rodney benützte dies, wendete im Kontremarsch und führte seine Flotte nach Osten; er würde die feindliche Spitze zu Luward passiert haben, wenn nicht auch Guichen sofort mit allen Schiffen zugleich gehalst und gleichfalls östlich gesteuert hätte (also in einer Linie, in der sich seine Schiffe etwa SSO peilten). Die englische Flotte stand somit gewissermaßen windwärts der französischen, aber noch hinter ihr zurück, und es war nur eine Frage der Geschwindigkeit, ob sie herankommen würde.

Aber schon nach einer Stunde sprang der Wind auf Ost zurück. Guichen ging nun an den Wind und legte seine Schiffe schnell wieder in Kiellinie über Steuerbordbug (Kurs SSO); Rodney, der die Kiellinie durch Abhalten im Kontremarsch über Backbordbug (Kurs NNO) bildete, stieß mit seiner Spitze auf die Mitte der französischen Linie. Die englischen Schiffe hielten dann nacheinander auf NNW ab, und so glitten die Flotten aneinander vorüber. Die Engländer hätten vielleicht Gelegenheit zum Durchbrechen gehabt, doch war die französische Linie wohl zu gut geschlossen, und so kam es nur zu einem Feuergefecht der englischen Vorhut mit der französischen Nachhut auf nähere Entfernung, wobei die Franzosen wie gewöhnlich die feindliche Takelage als Ziel wählten. Als die Nacht hereinbrach, trennten sich die Gegner. (Genaueres vgl. Clowes III und Troude II.)

Am 19. Mai nachmittags begegneten sich die Flotten über verschiedenem Bug liegend, die Franzosen zu Luward, so nahe, daß Rodney wiederum mit seiner Spitze auf das fünfte französische Schiff stieß, und es folgte ein ganz gleiches Passiergefecht. Nach französischen Angaben soll Rodney dann mit seiner Vorhut, sobald diese das Schlußschiff des Gegners passiert hatte, die französische Linie hinten zu doublieren versucht, aber davon abgelassen haben, als Guichen Vorhut und Mitte, alle Schiffe zugleich, wenden ließ, um seiner Nachhut zu Hilfe zu kommen. Zu einem zweiten Zusammenstoß kam es auch diesmal wegen einbrechender Dunkelheit nicht. (Vgl. Troude II, Bonfils III.)

Die Verluste in diesen beiden Gefechten betragen englischerseits 68 Tote und 213 Verwundete, französischerseits waren sie wahrscheinlich um so viel größer als die englischen wie in der Schlacht am 17. April.

Der letzte Zusammenstoß am 19. Mai fand etwa 120 Seemeilen östlich von Martinique statt und beweist sicher, daß Rodney nicht vor dem Feinde gewichen war, denn er hatte ihn um diese Strecke nach Luward getrieben. Jetzt aber sahen sich beide Flotten genötigt, ihre Unternehmungen abzubrechen; die französische hatte nur noch für 6 Tage Wasser und Proviant, von der englischen bedurften mehrere Schiffe einer sorgfältigen Ausbesserung, endlich waren die Besatzungen durch die fortwährende Gefechtsbereitschaft sowie die vielen Segelmanöver überanstrengt[151]. Rodney sandte am[305] 20. Mai die vier schadhaftesten Schiffe nach Sta. Lucia und segelte mit den übrigen nach Barbados, Guichen ging nach Fort Royal; sie erreichten ihr Ziel am 22. Beide konnten Erfolge verzeichnen, aber nur negative. Der erstere hatte Angriffe auf englische Inseln verhindert, letzterer entscheidende Schlachten vermieden und doch die feindliche Flotte für einige Zeit geschwächt.

De Guichen verläßt Westindien. Die Unternehmungen der Flotten waren für 1780 zu Ende, obgleich sich die Lage durch das Auftreten spanischer Seestreitkräfte scheinbar sehr zugunsten der Franzosen änderte. Anfang Juni erhielt Guichen durch eine spanische Fregatte die Nachricht vom Nahen der Flotte unter Don Solano — 12 Linienschiffe, einige Fregatten und 83 Transporter mit 12000 Soldaten, starker Artillerie sowie reichlichem Kriegsmaterial —, die am 28. April Cadiz verlassen hatte (Seite 295). Auch Rodney hatte hiervon erfahren und sofort eine Beobachtungskette von Barbados bis Barbuda ausgelegt, auch beschleunigte er die Instandsetzung seines Geschwaders und ging am 7. Juni mit 17 Linienschiffen in See, um östlich von Martinique zu kreuzen. Er kam jedoch zu spät. Solano war bei seiner Fahrt nach dieser Insel etwa 150 Seemeilen windwärts von ihr auf eine der englischen Fregatten gestoßen, hatte deshalb den Kurs nördlich um Guadeloupe herum genommen und traf am 9. Juni westlich von Dominika auf Guichen, der ihm mit 15 Linienschiffen entgegengekommen war. Die Kriegsschiffe der Verbündeten ankerten dann in Fort Royal, die spanischen Transporter vor Basse-Terre.

Die Verbündeten verfügten jetzt über 34 Linienschiffe gegen 22 englische, sowie über eine ungemein starke Truppenmacht. Das englische Westindien schwebte in großer Gefahr, es schien leicht für den Gegner, Sta. Lucia und Jamaika zu erobern; der Gewinn dieser Insel war auch wohl Spaniens Absicht bei Entsendung der Flotte, während Frankreich in erster Linie den Besitz der Kleinen Antillen erstrebte. Aber die Übermacht wurde nicht benutzt. Vergebens bemühten sich Guichen und Bouillé, den spanischen Admiral zu gemeinsamem Vorgehen zu bewegen. Solano erklärte, er habe Befehl, nach Havanna zu segeln, ja er verlangte, daß die französische Flotte ihn sicher dorthin geleite. Die spanische Expedition befand sich allerdings in traurigem Zustande; auf den überfüllten und unreinlichen Transportern war eine Epidemie ausgebrochen, so daß die Soldaten zunächst einige Zeit zur Erholung ausgeschifft werden mußten.

Guichen sollte im Spätherbst die in St. Domingue sich sammelnden Westindienfahrer mit seiner Flotte nach Europa geleiten und entschloß sich, schon früher die Kleinen Antillen zu verlassen, um Solanos Wunsch zu erfüllen. Er segelte am 5. Juli mit den in Martinique gesammelten Handelsschiffen ab, geleitete die Spanier bis zum Ostende von Kuba und ging dann nach Cap Français. Hier fand er Briefe des französischen Gesandten bei den Vereinigten[306] Staaten, sowie Lafayettes und Washingtons vor, in denen er dringend ersucht wurde, nach Nordamerika zu kommen; er lehnte dies jedoch mit Hinweis auf seine Order ab. Am 16. August trat er mit dem größeren Teile der Flotte die Heimfahrt nach Europa an, wohin die Division La Motte wenige Tage vorher schon abgesegelt war, und traf wie diese am 24. Oktober in Cadiz ein (Seite 296). 9 Linienschiffe verblieben in Westindien.

Rodney segelt nach Nordamerika und kehrt zurück. Der englische Admiral hatte sich nach der Ankunft der Spanier beobachtend verhalten, da er für Angriffsunternehmungen zu schwach war. Zwar hatte man auch ihm Verstärkungen zugedacht, sie aber nicht oder doch nicht rechtzeitig abgeschickt. Ein an Admiral Arbuthnot in Nordamerika gegebener Befehl, Schiffe nach Westindien zu senden, erreichte diesen nicht, da ein Unfall das überbringende Schiff traf; eine Division von 5 Linienschiffen war durch widrige Winde drei Monate lang (!?) in England festgehalten und langte erst am 12. Juli in Sta. Lucia an. Nun rührte sich Rodney. Er ließ 5 Schiffe unter Kommodore Hotham als Schutz der Kleinen Antillen zurück und geleitete selber mit der Hauptflotte (am 17. Juli) den Sommerkonvoi von Handelsschiffen der Windwardinseln nach St. Christoffer, von wo diese nebst denen der Leewardinseln unter dem Schutz zweier Linienschiffe nach England abgingen. Unterwegs erhielt er Kenntnis von der Fahrt der Franzosen und Spanier nach Kuba, von deren Uneinigkeit und dem schlechten Zustande der spanischen Expedition.

Da nun Guichen den großen Konvoi mit sich führte und die schlimmste Jahreszeit für Wirbelstürme bevorstand, glaubte Rodney annehmen zu können, daß nur ein kleiner Teil der französischen Kräfte bei St. Domingue bleiben würde und daß größere Unternehmungen der Verbündeten nicht mehr zu befürchten wären. Anderseits nahm er aber auch an, daß nur ein Teil der Franzosen den Konvoi nach Europa geleiten, ein anderer jedoch nach Nordamerika segeln würde. Er beschloß, gleichfalls während der Orkanmonate dort zu operieren und wurde hierin durch die Nachricht bestärkt, daß ein französisches Geschwader (de Ternay vgl. Seite 291) am 12. Juli in der Narragansettbucht eingetroffen sei. Ende Juli sandte er 10 Linienschiffe zur Unterstützung des Admirals Sir Peter Parker gegen etwaige Vorstöße der Verbündeten von Kuba oder St. Domingue nach Jamaika und segelte im August mit 12 (14?) nach dem Norden. Auf der Fahrt trat er mit dem englischen Heere in Charleston in Verbindung und traf dann am 14. September in New York ein. Diese Teilung der Flotte Rodneys war bei der Ungewißheit über die Bewegungen der Gegner ein großes, durch nichts berechtigtes Wagnis; falls Guichen mit allen seinen Kräften gegen Jamaika oder nach Nordamerika gegangen wäre, so wäre keiner der beiden Teile der englischen Flotte ihm gewachsen gewesen.

In Nordamerika richtete Rodney nichts aus, wie wir später sehen werden. Am 16. November 1780 ging er mit 9 Schiffen wieder nach Westindien unter Segel und traf am 6. Dezember in Barbados ein. Im Oktober[307] hatten schwere Wirbelstürme Westindien, besonders Barbados, Sta. Lucia sowie Jamaika heimgesucht; 13 englische Kriegsschiffe — 2 Linienschiffe, 6 Fregatten, 5 Sloops — gingen unter, viele andere wurden entmastet und fast alle Vorräte vernichtet, so daß die Schäden kaum ausgebessert werden konnten. Rodney hörte bei seiner Ankunft, daß auf St. Vincent die Befestigungen zerstört seien und machte am 15. Dezember den Versuch, sich dieser Insel zu bemächtigen, fand aber die Nachricht übertrieben. Im Januar 1781 traf dann ein Geschwader von 8 Linienschiffen unter Kontreadmiral Sir Samuel Hood nebst Transportern bei ihm ein. Jetzt konnten die beschädigten Schiffe wieder instand gesetzt werden und Rodney verfügte über 21 Linienschiffe — 2 zu 90 Kanonen, 1 zu 80, 15 zu 74, 3 zu 64 —. Am 27. Januar erfuhr er den Ausbruch des Krieges mit Holland und erhielt Befehl, gegen dessen Besitzungen vorzugehen.

Die Eroberung Pensacolas, die im Herbst 1780 eingeleitet wurde, war ein kleiner Erfolg der Verbündeten. Der Chef d'Escadre de Monteil, der das von der französischen Flotte zurückgelassene Geschwader, 5 Schiffe zu 74 und 4 zu 64 Kanonen, befehligte, hatte Auftrag, bei geeigneter Gelegenheit mit Solano zusammenzuwirken. Die Spanier waren aber zu größeren Unternehmungen zunächst nicht gewillt oder nicht imstande, obgleich der französische Admiral mit 5 Linienschiffen nach Havanna kam, während seine anderen 4 die Station in Martinique übernahmen. Endlich wurde im Oktober eine gemeinsame Expedition unter Solanos Oberbefehl nach Florida ins Werk gesetzt, um einen Angriff der Spanier von Louisiana her auf Pensacola zu unterstützen. Das Unternehmen schritt jedoch nur langsam vorwärts, und erst am 9. Mai 1781 ergab sich die Stadt, ein Erfolg, der für den Großen Krieg ohne jede Bedeutung war. Die Franzosen wären besser zum Handelsschutze in den Gewässern von Haiti geblieben. Monteil traf am 10. Juli 1781 wieder in Cap Français ein und trat im August zu der Flotte des Admirals de Grasse, ehe diese nach dem Norden segelte.


In Nordamerika brachte das Jahr 1780 keine Ereignisse zur See. Die Engländer hatten zwar zeitweise ziemlich starke Geschwader dort, verwendeten sie aber nur zum Festhalten des französischen und im Dienste des Landkrieges, den wir jetzt kurz weiter verfolgen müssen. Ende 1779 lagen sich die Hauptheere bei New York fast nur beobachtend gegenüber (Seite 268), und die Engländer hatten im Süden den Angriff auf Savannah abgeschlagen. Nach diesem Erfolge setzte dann ein kräftiger Angriff der Engländer in den Südstaaten ein. Während im Norden der Winter zur Waffenruhe zwang, stellte sich General Clinton in Person an die Spitze einer Expedition gegen Charleston. Er übergab den Oberbefehl in New York an den General von Knyphausen und ging am 26. Dezember 1779 mit einem Geschwader unter Vizeadmiral Arbuthnot, dem Chef der nordamerikanischen Station — 2 Schiffe zu 74 Kanonen, 3 zu 64, 1 zu 50, 2 zu 44, 6 Fregatten, Transporter mit 7750 Soldaten —, in See. Infolge einer langen[308] und stürmischen Überfahrt, auf der die Schiffe auseinander kamen, war die Expedition erst Ende Januar 1780 in Savannah versammelt. Hier zog Clinton Nachrichten über die Verhältnisse ein, beorderte die dort befindlichen Truppen zum Vormarsch auf Charleston und ging am 10. Februar wieder unter Segel. Am 11. und 12. landeten dann die Truppen an der Mündung des Edistoflusses, etwa 30 km südlich der Stadt, und rückten vor. Eine regelrechte Berennung folgte, bis der amerikanische General Lincoln am 11. Mai Charleston übergab.

Die Eroberung von Charleston, Frühjahr 1780. Während 1776 der Angriff auf die Stadt (vgl. Seite 231) ganz auf den Seestreitkräften beruhte, die nach Niederkämpfen der Befestigungen an der Einfahrt gegen Charleston vorgehen sollten, eröffnete man diesmal die förmliche Belagerung, während das Geschwader nur unterstützend eingriff. Die Stadt war gut geschützt. Das Fort Moultrie an der engsten Stelle der Einfahrt, das 1776 die feindliche Flotte zurückgewiesen hatte, zählte jetzt 40 Kanonen; bei der Art des diesmaligen Angriffes kam es jedoch kaum in Betracht, ebensowenig eine kleine Flottille amerikanischer sowie französischer Kriegsschiffe (Fregatten und kleinere Fahrzeuge), die bei Ankunft der Engländer bei dem Fort lag. Hinter der engen Stelle der Einfahrt wendet sich das Fahrwasser nach Westen auf die Stadt zu, die auf einer Landspitze zwischen den Flüssen Ashley und Cooper liegt; diese vereinigen sich hier und decken die Stadt auf der Ost- sowie der Südwestseite. Die Hauptbefestigungen befanden sich im Norden und Nordwesten auf der Landzunge. Die Küste im Süden Charlestons besteht aus verschiedenen, durch Creeks und Wasserläufe getrennten Inseln; von diesen liegt Morris-Island an der engsten Stelle der Einfahrt, an sie schließen sich westlich bis zum rechten Ufer des Ashley-Flusses, also der Stadt gegenüber, James-Island und südlich St. Johns-Island.

Die angreifenden Truppen marschierten vom Edisto über diese Inseln gegen die Stadt. Als die Ausschiffung des Belagerungskorps beendet war, wurden die schweren Linienschiffe nach New York zurückgesandt, die übrigen Fahrzeuge passierten die Barre, worauf sich die feindliche Flottille in den Cooperfluß zurückzog und zum Teil versenkt wurde. Am 29. März überschritt das Heer den Ashley; den Übergang deckten und ermöglichten die Boote des Geschwaders, die sich durch die Wasserläufe zwischen den Inseln dorthin begeben hatten. Am 9. April eröffnete dann Clinton die erste Parallele gegen die Nordfront der Stadt. Am gleichen Tage passierte Arbuthnot bei Flut und günstigem Winde mit den Schiffen die Einfahrt, wobei Fort Moultrie diesen nur wenig Schaden zufügte, und ankerte im Süden der Stadt nördlich vor der Jamesinsel. Die Schiffe erhielten zwar Feuer, beantworteten dieses aber nicht, obgleich die Geschosse sie erreichten, und der Feind schwieg bald, da er sie außer Schußweite glaubte. Charleston war so bis auf die Ostseite, den Cooperfluß, eingeschlossen. Ein Versuch, mit den Schiffsbooten auch in diesen einzudringen, wurde durch Sperren sowie Batterien verhindert, aber den Landungsabteilungen der Schiffe gelang es, am 7. Mai Fort Moultrie vom Rücken her zur Übergabe zu zwingen. Die Belagerung nahm ihren Verlauf, auch der Cooperfluß ward im Norden der Stadt gesperrt, und nachdem am 6. Mai die dritte Parallele fertiggestellt war, ergab sich Charleston am 11.

Mit der Übergabe der Stadt wurden gegen 7000 Mann, darunter über 1000 amerikanische und französische Seeleute, kriegsgefangen; 5 amerikanische, sowie 2 französische Kriegsschiffe fielen dem Sieger in die Hände, 3 wurden vernichtet. Clinton segelte am 5. Juni nach New York, 4–5000 Mann unter General Cornwallis zurücklassend. Dieser geschickte Befehlshaber brachte schnell Südcarolina zur Ruhe und entsandte seinen[309] Unterführer, Lord Rawdon, nach Nordcarolina hinein. Jetzt stellte diese Provinz im Verein mit Virginia 6000 Milizen unter General Gates ins Feld, und von Washingtons Heer traf Baron von Kalb mit 2000 Regulären ein. Infolgedessen und weil sich Rawdon grobe Ausschreitungen, Erpressungen sowie Verheerungen hatte zuschulden kommen lassen, brach die Empörung in Südcarolina aufs neue aus. Gates drang nun im Juli in diese Provinz vor, wurde aber von Cornwallis am 18. August bei Camden mit weit geringeren Kräften vernichtend geschlagen (Kalb fiel hier), und dieser rückte in Nordcarolina ein. Er kam Ende September bis zur Stadt Charlotte, wurde dann aber durch schwierige Kämpfe mit zahlreichen kleinen feindlichen Schwärmen, sowie durch Unruhen im Rücken am weiteren Vorgehen gehindert.

Als endlich am 8. Oktober ein abgezweigter Teil seines Heeres unter Oberst Ferguson, der unvorsichtig in die gebirgige Gegend der Kolonie vorgedrungen war, bei Kingsmountain teils vernichtet, teils gefangengenommen war, mußte Cornwallis nach Südcarolina in der Richtung auf Charleston zurückgehen; er traf Ende Oktober bei Winsborough ein und nahm hier Stellung. Der Kongreß ernannte den sehr tüchtigen General Greene zum Oberbefehlshaber im Süden; dieser sammelte ein Heer und führte es nach Charlotte. Damit waren die größeren Operationen auf diesem Kriegsschauplatze für 1780 beendet. Greene fühlte sich zum Angriff nicht stark genug und auch Cornwallis sah sich zur Untätigkeit gezwungen, bis sich seine durch Strapazen und Entbehrungen entkräfteten Soldaten erholt hatten und Verstärkungen aus New York eingetroffen waren. Bis dies eintrat, Mitte Dezember, blieb die Macht der Engländer auf Charleston beschränkt.

In den nördlichen Kolonien änderte sich in den ersten Monaten des Jahres 1780 nichts. Knyphausen mußte sich während der Abwesenheit Clintons mit einem Teile des Heeres auf die Verteidigung New Yorks beschränken, aber auch Washington blieb in der festen Stellung bei Westpoint, da er nach wie vor Mangel an Offizieren, Soldaten, Geld und Vorräten litt; die Fahnenflucht in seinem Heere war groß. So konnte er auch die günstige Gelegenheit zu einem Angriff auf New York nicht benutzen, als im Januar 1780 die Flüsse mit einer Eisdecke belegt waren, die schwere Artillerie trug und dem Verteidiger eine Unterstützung durch seine Seestreitkräfte nahm. Clintons Rückkehr verstärkte die Macht der Engländer, aber auch die Amerikaner erhielten eine lang erhoffte Unterstützung, denn am 11. Juli 1780 traf das französische Geschwader unter dem Chef d'Escadre de Ternay — 1 Schiff zu 84 Kanonen, 2 zu 74, 4 zu 64, 2 Fregatten — nebst 6000 auserlesenen Soldaten unter General Graf Rochambeau bei Rhode-Island ein.

Seegefecht bei den Bermuda-Inseln, Juni 1780. De Ternay verließ am 2. Mai Brest. Am 20. Juni stieß er bei den Bermudas auf ein englisches Geschwader unter Kapitän Cornwallis — 2 Schiffe zu 74 Kanonen, 2 zu 64, 1 zu 50 und eine Fregatte —, das von Jamaika bis hierher Kauffahrer geleitet hatte. Der französische[310] Admiral näherte sich zwar in Schlachtlinie dem Feinde, aber nur in der Absicht, diesen von seinen Truppentransportern abzuhalten; zugleich versuchte er, ein vom englischen Geschwader getrenntes Schiff abzuschneiden. Cornwallis, der seiner Unterlegenheit halber keinen Kampf wagen durfte, wenn er auch die Luvstellung hatte, manövrierte, um das bedrohte Schiff zu retten; als ihm dies gelungen war, brach er das Feuergefecht ab, zu dem es während des Manövrierens mehrfach gekommen war, und de Ternay nahm seinen Kurs nach Nordamerika wieder auf. Es ist ihm vorgeworfen, daß er die Gelegenheit nicht ausgenützt habe, und auch seine Offiziere äußerten ihre Unzufriedenheit darüber, aber er hat in diesem Falle wohl mit Recht die sichere und schnelle Weiterbeförderung des Transportes für wichtiger gehalten. (Clowes III, Seite 474, beschreibt das sonst belanglose Gefecht sehr genau, um die wirklich geschickten Manöver des englischen Führers hervorzuheben.)

Jetzt zeigte sich der Fehler, den Clinton 1779 durch das übereilte Aufgeben von Rhode-Island gemacht hatte. Das französische Geschwader fand in der Narragansettbucht einen sicheren Hafen und Stützpunkt, sowie die beste Gelegenheit, Truppen zu landen und mit Washingtons Heer zu vereinigen. Aber im Jahre 1780 sollte dies noch keine Folgen haben. De Ternay und Rochambeau waren zunächst bemüht, ihre Stellung durch Ausbau der Befestigungen gegen einen Angriff von See aus zu sichern. Auch hatte das Landungskorps nach der langen Seereise viele Kranke, und einige Transporter mit etwa 350 Mann, die vom Geschwader abgekommen waren, fehlten noch. Die Sicherung der Stellung erwies sich bald als sehr nötig, denn die englische Flotte erhielt am 13. Juli eine wesentliche Verstärkung durch Kontreadmiral Thomas Graves, der von England mit 6 Linienschiffen in New York anlangte; Arbuthnot verfügte in diesem Hafen jetzt über ein Schiff zu 98 Kanonen, 6 zu 74 und 3 zu 64.

Admiral Graves war von Portsmouth fast zu gleicher Zeit wie de Ternay von Brest mit der Aufgabe in See gegangen, der französischen Expedition den Weg zu verlegen. Obgleich er durch westliche Stürme 14 Tage in Plymouth festgehalten wurde, erreichte er doch nur 24 Stunden nach den Franzosen die amerikanische Küste.

Die Engländer wollten die Franzosen noch vor der Vereinigung mit den Amerikanern angreifen. Ihre Flotte erschien am 21. Juli zur Erkundung vor Rhode-Island, vermied aber einen Angriff, und Clinton traf Vorbereitungen, Truppen dorthin zu führen. Hierdurch gewannen die Gegner Zeit. Die Franzosen verstärkten die Befestigungen weiter; Washington machte die größten Anstrengungen zur Vermehrung seines Heeres, beorderte Truppen zur Vereinigung mit den Franzosen und entfaltete eine regere Tätigkeit vor New York. Infolgedessen stand Clinton von der Expedition ab, zu der die Soldaten bereits eingeschifft waren. Die Verbündeten blieben gleichfalls untätig, wahrscheinlich erwarteten sie die Ankunft de Guichens oder doch eines Teiles seiner Flotte. De Ternay hatte am 3. August ein Schiff mit der Bitte um Unterstützung nach Cap Français gesandt; die Botschaft traf aber dort erst ein, als de Guichen schon abgesegelt war, und Monteil konnte sie nicht entziffern, da ihm der Schlüssel fehlte. Als das zurückkehrende Schiff dies meldete, wurde am 28. Oktober der Sohn des Generals Rochambeau nach Frankreich geschickt, um dort um Hilfe zu bitten.

[311]

Am 14. September 1780 traf Rodney von Westindien ein, so daß nun die englische Flotte in New York mehr als 20 Linienschiffe zählte; mit einer solchen Macht hätte die französische Expedition sicher vernichtet werden können. Aber Rodney bewies hier nicht seine sonstige Schneidigkeit, wohl weil er infolge des plötzlichen Klimawechsels ganz besonders schwer unter der Gicht litt. Er ließ zwar die feindliche Stellung nochmals erkunden, tat dies aber nicht selbst, sondern begnügte sich mit der Meldung, daß sie zu stark sei. Der französischen Flotte war es allerdings 1779 gelungen, trotz der Befestigungen in die Narragansettbucht einzulaufen, aber die Werke waren jetzt auch bedeutend vermehrt und wurden durch 7 Linienschiffe unterstützt, so daß die Franzosen selber ihre Stellung für uneinnehmbar hielten. Dennoch zeigte diese Schwächen auf, und Admiral Graves war der Ansicht, ein kühner Angriff würde Erfolg haben; er trat lebhaft für einen solchen ein, drang aber nicht durch[152].

Am 16. November trat Rodney mit 9 Linienschiffen die Rückfahrt nach Westindien an, 12 blieben unter dem Oberbefehl von Admiral Arbuthnot auf der Station zurück. Dieser ließ nun von der Gardinerbucht aus — am Ostende von Long-Island und etwa 35 Seemeilen von Rhode-Island gelegen — die Franzosen durch Fregatten bewachen, und hier sammelte sich die Flotte, wenn man eine Bewegung des Gegners vermutete; dieser verhielt sich jedoch ruhig. Am 22. September waren Washington, Rochambeau und de Ternay in Hartford, der Hauptstadt des Staates Connecticut, zu einer Beratung zusammengetreten und hatten beschlossen, mit allen Kräften New York anzugreifen. Sie erkannten aber, daß dazu eine „unbedingte und andauernde“ Seeherrschaft nötig und daher eine Verstärkung der Seestreitkräfte abzuwarten sei; daraufhin wurde dann die Bitte um eine solche nach Paris gesandt. Auch die Engländer unternahmen nichts, sie benützten wie im Vorjahre die Winterruhe im Norden zu Unternehmungen im Süden. Ende Dezember ging General Leslie mit Truppen nach Charleston ab, und General Arnold, als amerikanischer Offizier uns schon bekannt, führte eine Expedition nach Virginia. — Am 15. Dezember starb de Ternay, für ihn ward Kapitän Des Touches stellvertretender Kommandeur des französischen Geschwaders.

Arnolds Verrat. Als Washington nach Eintreffen der französischen Expedition lebhafter gegen New York vorging, drohte der amerikanischen Sache eine große Gefahr. General Benedikt Arnold, der sich in den ersten Jahren des Krieges besonders ausgezeichnet hatte und hoch in Washingtons Achtung stand, war nach der Einnahme von Philadelphia 1778 dort als Gouverneur eingesetzt, um in der im allgemeinen wenig patriotisch gesinnten Stadt wieder geordnete Zustände herzustellen. Er zog sich bei dieser schwierigen Aufgabe den Haß der Bevölkerung derart zu, daß seine Gegner ihn wegen Unterschlagung von Geldern anklagten und das Kriegsgericht ihn mit einem Verweise bestrafte, worauf er sein Amt niederlegte.

[312]

Washington stellte ihn zwar bald darauf wieder an, aber er blieb verbittert und sann auf Rache. Als nun der Oberbefehlshaber gegen New York vorging und Arnold inzwischen in Westpoint befehligte, trat er mit Clinton in Verbindung, um die wichtige Stellung den Engländern auszuliefern. Der Plan wurde jedoch vereitelt, denn der englische Major Andrée, der die Verhandlungen führte, fiel den Amerikanern in die Hände und Washington konnte rechtzeitig Gegenmaßregeln ergreifen. Andrée wurde trotz aller Bemühungen Clintons zu seinen Gunsten als Spion gehängt; Arnold floh zu den Engländern, ward von diesen als General verwendet und zeigte sich von nun an, wie häufig Renegaten, von besonderm Haß gegen seine Landsleute, sowie besonderem Eifer für die englische Sache erfüllt. (Näheres hierüber vgl. Schlosser, 18. und 19. Jahrh., Band III, Seite 494 ff.)

Rückblick auf den Krieg in Westindien und Nordamerika 1780. Die Schwäche von Bündnissen, die in den verschiedenartigen Endzwecken der Verbündeten, sowie in ihren widerstreitenden Ansichten über die Wege zum Ziel ihre Erklärung findet, zeigt sich besonders auf diesen Kriegsschauplätzen. Frankreich hatte für 1780 von einem größeren Vorstoß gegen England in Europa abgesehen, um den Gegner hauptsächlich in Westindien anzugreifen und zu gleicher Zeit die Amerikaner kräftig zu unterstützen. Beides aber wurde mit ungenügenden Mitteln unternommen und blieb deshalb ohne Erfolg.

Frankreich rechnete in Westindien wohl auf eine starke Unterstützung durch Spanien. Da es allein dort gegen 28 Linienschiffe ins Feld führte, hätten die Verbündeten mit Überlegenheit auftreten können, wenn das spanische Kontingent rechtzeitig und leistungsfähig eingetroffen wäre. So aber fand de Guichen zunächst fast gleichstarke englische Kräfte vor, und er war nicht der Mann kühnen Wagemutes, sondern vorsichtigen Handelns, worin er durch seine Order noch bestärkt wurde, und seine Pläne zur Eroberung englischer Inseln scheiterten an der Geschicklichkeit und Entschlossenheit seines Gegners Rodney. Als dann Solano eintraf, hatte er weder den Willen, noch die Fähigkeit, sich mit den Franzosen zu großen Unternehmungen zu vereinen, er bedurfte im Gegenteil deren Schutz und zog sie dadurch, früher als ursprünglich beabsichtigt war, vom Felde ihrer Tätigkeit ab.

Frankreich war zu Anfang des Jahres nicht imstande, allein eine größere Macht in Westindien aufzustellen. Die Expedition nach Nordamerika sollte abgehen, in Brest mußte ein Beobachtungsgeschwader verbleiben, und man hatte sich verpflichtet, die spanische Flotte in Cadiz zu verstärken. Dies hielt man wohl für nötig, um den lauen Bundesgenossen anzuspornen. Als später noch über weitere Schiffe verfügt werden konnte, lohnte es nicht mehr, diese nach Westindien zu senden. Dagegen muß es wundernehmen, daß die Division La Motte-Picquet nicht Guichen unterstellt, sondern vor dessen Ankunft nach St. Domingue beordert wurde. Da man angriffsweise vorgehen wollte, mußte man auch alle Kräfte zusammenziehen und von dem Schutze des Handels in den westlichen Gewässern absehen; wurden dann bedeutende Erfolge bei den Kleinen Antillen erzielt, so hätte dies den Schaden aufgewogen, wahrscheinlich aber auch schon die wenigen Schiffe der englischen Jamaikastation überhaupt festgehalten.

Guichen ging dann nach Europa zurück, ohne etwas erreicht zu haben. Infolge seiner Vorsicht war es nicht einmal zu ernstem Kampfe gekommen.[313] Wenn er nun, wie d'Estaing 1779, von seiner Order abgewichen und nach Nordamerika gesegelt wäre, oder doch einen Teil der Flotte dahin abgezweigt hätte, so hätte wenigstens dort die große französische Rüstung Nutzen gebracht. Der von den Spaniern und den zurückgebliebenen Franzosen Ende 1780 eingeleitete Erfolg in Florida und die Eroberung Pensacolas im Mai 1781 waren von keiner Bedeutung für den Krieg; ein französischer Autor (Lacour) nennt sie bezeichnend „dem Feinde versetzte Nadelstiche“.

England konnte bei seinem Grundsatz, überall einem Angriff gewachsen zu sein, in Westindien nicht überlegen auftreten. Sein Admiral Rodney mußte sich deshalb darauf beschränken, dort den Gegner zu beobachten. Er hielt ihn mit Geschick im Schach und tat auch sein Bestes, wenigstens einen ernsten Waffengang herbeizuführen, allerdings vergeblich. Wäre die Verstärkung für ihn statt erst am 12. Juli einige Monate früher angekommen, wie es beabsichtigt war, so hätte es sich noch mehr gezeigt, daß die französische Flotte für ihre Aufgabe zu schwach war.

Rodneys Teilung der Flotte, um sowohl Jamaika zu decken, wie in Nordamerika aufzutreten, nachdem Guichen die Kleinen Antillen verlassen hatte, muß dagegen als ein strategischer Fehler, jedenfalls als ein großes Wagnis angesehen werden. Leicht konnte ein Teil vernichtet werden, wenn die ganze französische Flotte gegen ihn stand, und deren Bewegungen waren unbekannt, ja Rodney war der Überzeugung, daß der größere Teil ihrer Schiffe nach dem Norden segeln würde.

Frankreich hätte in Nordamerika gleichfalls stärker auftreten müssen. Man hatte auch ein Heer von 12000 Mann hinüberführen wollen, war aber wegen Mangels an Transportmitteln auf die Hälfte hinunter gegangen, denn die Expedition nach Westindien hatte alles aufgebraucht. Wahrscheinlich wäre es aber doch möglich gewesen, mehr als 6000 Mann einzuschiffen, wenigstens hat de Ternay über die Mitnahme eines unnütz großen Trosses geklagt. Wenn auch das französische Landungskorps vielleicht mehr wert war als das ganze amerikanische Heer von Regulären und Milizen, so waren doch nach Ansicht Washingtons und Rochambeaus beide vereint nicht stark genug zu angriffsweisem Vorgehen. Dabei sprach der Umstand mit, daß die Seestreitkräfte denen des Gegners nicht gewachsen waren; diese Schwäche gefährdete sogar die ganze Expedition, solange Rodney — zu ihrem Glück untätig — an der Küste weilte. Man hielt also zurück, um Verstärkungen zu erwarten.

Weshalb wurden nun solche nicht gesandt? Während des Sommers gingen noch Schiffe von Brest zur Cadizflotte ab, obgleich man sich doch überzeugt haben mußte, daß Spanien zu nichts zu bringen sei, sondern an der Belagerung von Gibraltar halte; zu einer Unterstützung dieser, von der sich Frankreich nicht einmal einen Nutzen versprach, war die Cadizflotte schon stark genug, und mit dem Beobachtungsgeschwader in Brest war sie auch der englischen Flotte in Europa gewachsen. Warum wurde nicht Guichen oder doch ein Teil seiner Schiffe nach Nordamerika beordert, wie[314] es Washington und Rochambeau erhofften und selbst Rodney annahm? Wohl nicht mit Unrecht wird vermutet (so von Mahan), daß Frankreich gar nicht die Absicht gehabt habe, die Amerikaner zu dieser Zeit schon kräftiger zu unterstützen, da es keinen Vorteil darin erblickte, den Landkrieg schnell zu beenden, selbst nicht zuungunsten Englands; dieses hätte dann ja seine Machtmittel für den Seekrieg zusammenfassen können.

Die später zur Verfügung stehenden Schiffe wären, wie oben schon gesagt, nach Westindien wohl zu spät gekommen, aber in Nordamerika konnten sie noch von Nutzen sein. Nicht seekriegsgeschichtliche Werke (wie z. B. Schlosser und Zimmermann) und ebenso Mahan I geben an, man hätte beabsichtigt, eine zweite Division dorthin zu senden, sie sei aber von den Engländern blockiert gehalten. Tatsächlich kreuzte ja die englische Kanalflotte vom 8. Juni bis 18. August. Aber in keinem der französischen oder englischen Seekriegswerke wird erwähnt, daß die Absendung einer Verstärkung beabsichtigt und dann verhindert gewesen sei; nicht einmal Clowes erwähnt dergleichen, obwohl der Krieg hier auch von Mahan bearbeitet ist.

England hatte infolge der rechtzeitigen Ankunft der Verstärkung unter Graves in Nordamerika stets genügend Schiffe, um die Gegner wenigstens im Schach zu halten. Wäre genannter Admiral früher von England gesegelt und Arbuthnot dann mit seiner durch ihn erlangten Überlegenheit der französischen Expedition entgegengetreten, ehe sie die Narragansettbucht erreichte, so hätte deren Schwäche an Kriegsschiffen sich schwer rächen können.

Nirgend ist zu ersehen, weshalb Graves nicht früher abgesandt wurde, obgleich man wohl sicher in England wußte, daß Frankreich in Nordamerika eingreifen wollte. Der Umstand, daß er vierzehn Tage durch stürmische Gegenwinde festgehalten wurde, gibt keine genügende Erklärung; mit einer derartigen Verspätung mußte man rechnen. Ähnlich verhält es sich mit der bei Westindien erwähnten Verstärkung für Rodney, deren Abfahrt gar „drei Monate“ durch Windverhältnisse verzögert worden sein soll. Es ist anzunehmen, daß beide Geschwader nicht rechtzeitig segelfertig gewesen sind.

Als dann Rodney eintraf, machte er von seiner großen Überlegenheit keinen Gebrauch. Dies wird mit seinem Gesundheitszustande entschuldigt, aber dann ist es unverständlich, weshalb Arbuthnot nun nicht für tatkräftiges Handeln eintrat, sondern anscheinend davon abgeraten hat. Vielleicht wird dies durch die Andeutung erklärt, die man in einer englischen Quelle (Clowes) findet, Arbuthnot habe deutlich und in ungehöriger Weise seinem Mißvergnügen über die Ankunft des älteren Admirals Ausdruck gegeben, der ihm durch sein Erscheinen den Oberbefehl abnahm und die Prisengelder auf der einträglichen Station kürzte.

Die Schwäche der Franzosen zur See auf diesem Kriegsschauplatze bedingt es, daß der Landkrieg in Nordamerika 1780 trotz des französischen Hilfsheeres im großen und ganzen einen für die Engländer günstigen Verlauf nahm. Ihr Vorstoß im Süden kam zwar zum Stocken, die ersten Erfolge hier hatten aber auf die Amerikaner niederdrückend, auf die Engländer belebend gewirkt. Letztere hofften, die Carolinas und Virginien ganz in ihre Hand zu bekommen und damit einen großen Schritt zur Niederkämpfung[315] des Aufstandes zu tun; die Gefahr, die in der Trennung der beiden Kriegsschauplätze lag, die nur zu Wasser miteinander in Verbindung standen, war bei der Schwäche der Gegner zur See in diesem Jahre noch nicht hervorgetreten.

Mit Amerika stand es Ende 1780 schlecht. Bei vielen Kolonisten war die erste Begeisterung erloschen, und das englische Heer erhielt im allgemeinen mehr Unterstützung als das amerikanische; trotz aller Verbote führten ihm die Farmer Vorräte zu, während Washington solche nur durch gewaltsame Beitreibung erhielt. Von 36000 Mann, die der Kongreß für dieses Jahr in Aussicht genommen hatte, waren nie mehr als 18000 aufzubringen, die Milizen blieben unzuverlässig und liefen nach jeder Schlappe auseinander, dabei war kein Geld vorhanden und die Truppen blieben oft monatelang ohne Sold, obgleich Frankreich mit einem Geschenk von 6 Millionen und einem Darlehen von 10 Millionen Francs einsprang. Im Dezember meuterte sogar ein Teil, und Clinton machte den Versuch, Washingtons Truppen durch Versprechungen für sich zu gewinnen, aber hierauf gingen die Leute doch nicht ein, sondern hängten die Agenten. Das Jahr 1780, in dem die amerikanische Sache wohl am bedenklichsten stand, zeigt deutlich, daß die Befreiung der Kolonien weniger der allgemeinen Begeisterung der Bevölkerung als der Tatkraft und Ausdauer einzelner Männer zu verdanken ist. Doch diese Ausdauer ward belohnt; die englische Regierung war nicht imstande, noch mehr für den Landkrieg aufzuwenden. Schon war die Schuldenlast sehr gewachsen (1781 kam sie auf 198 Millionen Lstrl.), und der Seekrieg stellte immer größere Anforderungen, da nun Holland als Gegner hinzutrat und auch der „Bewaffneten Neutralität“ Aufmerksamkeit geschenkt, der gute Wille der Machthaber in Rußland erkauft werden mußte. Schon regte sich im englischen Volke der Wunsch nach Frieden mit den Kolonien.

Der Krieg in Europa 1781.

In den europäischen Gewässern drehte sich die Kriegführung in diesem Jahre um zwei Hauptpunkte, nämlich um den Schutz des Handels und um den Angriff oder die Verteidigung von Gibraltar sowie Minorka. Obgleich England noch stärker rüstete als im vorhergegangenen Jahre — es waren vom Parlamente 90000 Mann (einschließlich 20000 Seesoldaten) sowie gegen 9 Millionen Lstrl. für die Marine bewilligt — und im Sommer insgesamt 115 Linienschiffe im Dienst hatte, standen doch wie 1780 nur etwa 40 für die heimischen Gewässer zur Verfügung. Eine Gefahr von seiten der „bewaffneten Neutralität“ hielt England allerdings durch diplomatische Künste von sich fern, und Hollands Marine war zu schwach, um als Gegner eine ernste Rolle zu spielen, aber immerhin sah sich England weiter auf die Verteidigung angewiesen.

Auch die Rüstungen der Verbündeten[153] erreichten die Stärke des Vorjahres, ja übertrafen sie wohl, wenigstens was Frankreich[316] anbetrifft. Hier waren um die Mitte des Jahres zum mindesten 75 Linienschiffe im Dienst und in Spanien wahrscheinlich gegen 50.

Frankreich sandte im März 20 Linienschiffe unter Admiral de Grasse nach Westindien, wo sich bereits 9 befanden (zur Hälfte in St. Domingue, zur Hälfte in Martinique); zu gleicher Zeit segelten 5 nach Ostindien unter Kommodore Suffren zur Verstärkung der 6 dort befindlichen; in Nordamerika waren 7 stationiert und eins trat hinzu; im Juli führte de Guichen 19 nach Cadiz, und man muß annehmen, daß trotzdem einige Schiffe in Brest verblieben. Spanien hatte wenigstens 30 Linienschiffe in Cadiz und Algeciras, gegen 15 in Westindien und Zentralamerika und einige in Ferrol sowie in Cartagena.

Da aber Frankreich auch für dieses Jahr hauptsächlich die überseeischen Kriegsschauplätze im Auge hatte, blieben in Europa nicht genügend Streitkräfte zurück, um allein angriffsweise vorzugehen, und eine Vereinigung mit der spanischen Seemacht trat erst im Juli und nur für kurze Zeit ein. Bis dahin, sowie nach Trennung war England jedem einzelnen der Verbündeten gewachsen und dementsprechend spielten sich die Ereignisse im großen und ganzen zu seinen Gunsten ab. Vergeblich hatte Frankreich versucht, Spanien sowie Holland zu einem frühzeitigen Zusammenziehen der Flotten und zu gemeinsamem Vorgehen im Kanal zu bewegen. Holland war neben dem Schutze seines Handels und seiner Küsten dazu nicht imstande; Spanien hatte einzig Gibraltar im Auge ohne Verständnis dafür, daß der Belagerung kein größerer Dienst geleistet werden könne als durch die Niederkämpfung der englischen Flotte. Dieses Ziel aber scheint Frankreich für 1781 im Auge gehabt zu haben, um dadurch dem Handel Englands den Garaus zu machen, sowie seinen Verkehr mit den auswärtigen Besitzungen und Stationen zu unterbinden; von der Absicht einer Invasion, von Zusammenziehen eines Landungsheeres berichten die Quellen nichts.

Admiral Darby versorgt Gibraltar, April 1781. Die Belagerung dieser Festung, die später (1782) geschildert werden soll, machte zwar keine Fortschritte, aber die Stadt hatte seit der Versorgung durch Rodney im Januar 1780 keine Zufuhren mehr erhalten und litt Mangel; schon seit Oktober waren die Rationen vorsichtshalber herabgesetzt. Englands erste Sorge war deshalb, der Not abzuhelfen. Vizeadmiral George Darby, Chef der Kanalflotte, ging am 13. März mit 28 Linienschiffen und einem großen Konvoi nach auswärts segelnder Kauffahrer von Portsmouth in See; ein für Ostindien bestimmtes Geschwader von 5 Linienschiffen unter Kommodore George Johnstone, gleichfalls mit einem Konvoi, schloß sich bis Kap Finisterre an. Die Fahrt erlitt eine Verzögerung von einigen Tagen, da Darby an der irischen Küste auf die in Cork gesammelten Transporter für Gibraltar und Minorka warten mußte. Doch dies gereichte ihm zum Glück.

Am 22. März verließ nämlich Admiral de Grasse Brest mit 26 Linienschiffen, von denen 20 nach Westindien, eins nach Nordamerika und 5 unter Kommodore Suffren nach Ostindien bestimmt waren. Durch einen Zusammenstoß Darbys mit ihm wäre die Versorgung Gibraltars ernstlich gefährdet worden. So kam es nur zwischen den Geschwadern Suffrens und[317] Johnstones am 16. April auf der Rhede von Porto Praya zum Kampfe; die Engländer gaben infolgedessen den beabsichtigten Angriff auf die Kapkolonie auf. Darby aber erreichte, ohne auf einen Feind zu stoßen, am 11. April Kap Spartel. Die große spanische Flotte, etwa 30 Linienschiffe unter Don Luis de Cordoba, war zwar in See gewesen, hatte sich jedoch auf die Nachricht vom Nahen der Engländer wieder auf Cadiz zurückgezogen, wo Darbys Ausguckschiffe sie ruhig vor Anker liegen sahen. Der spanische Admiral scheint nicht gewagt zu haben, dem durch die Transporter noch behinderten Gegner entgegenzutreten. Der englische Admiral ließ Cadiz durch Fregatten beobachten, blieb mit der Hauptflotte unter Segel und sandte seine Nachhut unter Kontreadmiral Sir Lockhart Roß mit den Transportern nach Gibraltar; gleichzeitig gingen einige für Minorka bestimmte Vorratsschiffe dorthin ab.

Admiral Roß wurde zwar von den Belagerungsbatterien mit heftigem Feuer empfangen und auch von kleinen Kanonenbooten angegriffen, die eigens für die Belagerung erbaut, sowohl zum Rudern wie zum Segeln eingerichtet und mit einem besonders langen, daher weittragenden 26-Pfünder armiert waren. Seine Kriegsschiffe erlitten jedoch keinen wesentlichen Schaden und die Transporter konnten unbehelligt gelöscht werden.

Am 19. April vereinigte sich die Nachhut wieder mit der Flotte, die dann die Rückfahrt antrat und am 22. Mai Portsmouth erreichte. Gibraltar war nun auf längere Zeit versorgt. Auch auf der Heimreise stieß Darby auf keinen Gegner.

Admiral de La Motte-Picquet nimmt einen englischen Konvoi. (Die Beute Rodneys in Westindien.) Wie erwähnt, hatte Frankreich für dieses Jahr den Handelskrieg besonders ins Auge gefaßt, für den auch jetzt wieder höhere Seeoffiziere eintraten, und zwar unter Hinweis darauf, daß der Kampf gegen den englischen Handel nicht wie bisher durch einzelne Kriegsschiffe und Freibeuter, sondern wie zu den Zeiten Jean Barts und seiner Schüler durch Geschwader geführt werden müsse. Im Januar hatte auch eine kleine Division eine Kreuzfahrt vor dem Kanal unternommen, diese war aber nur von kurzer Dauer und blieb ohne Erfolg.

Später sprach der bewährte und in diesem Dienst erfahrene Chef d'Escadre de La Motte-Picquet aufs neue dafür, als sich im April eine besonders gute Gelegenheit bot. Man hatte erfahren, daß von Westindien der Kommodore Hotham mit nur 4 Linienschiffen einen Konvoi geleite, der Rodneys Beute vom Januar auf der holländischen Insel St. Eustache nach England führte. La Motte erbat und erhielt die Erlaubnis, diesen abzufangen, obgleich der Marineminister anfangs Bedenken trug, weil Darbys Rückkehr zur gleichen Zeit in Aussicht stand. So ging La Motte am 24. April mit 6 starken Linienschiffen, 2 Fregatten und 2 Kuttern in See, um auf der Linie Azoren-Scillys gegen englische Konvois zu kreuzen. Das Glück war ihm hold, und er traf am 2. Mai auf den genannten wertvollen Transport, nahm von 30 Fahrzeugen 22, die einen Wert von 5 Millionen Francs hatten, und führte[318] sie nach Brest. Hotham konnte es nicht hindern, rettete aber seine Kriegsschiffe. Darby erhielt auf der Heimreise Nachricht hiervon und zweigte sofort 8 Linienschiffe zur Verfolgung der Franzosen ab, erreichte diese jedoch nicht mehr; nur ein französisches, von seinem Geschwader abgekommenes Linienschiff hatte am 14. und 15. Mai dicht vor Brest ein Gefecht mit dem vordersten der Verfolger zu bestehen, lief aber glücklich ein.

Die Verbündeten greifen Minorka an und erscheinen im Kanal 1781. Spanien, verdrossen über die Verproviantierung Gibraltars, beabsichtigte durch die Eroberung Minorkas einen Gegenstoß zu führen und ersuchte Frankreich um Mitwirkung; dieses sagte zu, wohl in der Hoffnung, dadurch auch ein gemeinsames Auftreten im Kanal zu erreichen. Am 25. Juni führte Lieutenant-Général de Guichen 19 Linienschiffe[154] nach Cadiz und trat unter den Oberbefehl des Admirals de Cordoba, dem nun 49 Linienschiffe, sowie gegen 20 Fregatten und kleinere Fahrzeuge zur Verfügung standen. Mit der Unterstellung seines Admirals unter den spanischen brachte Frankreich dem guten Einvernehmen ein großes Opfer, da man doch aus den Berichten der Flaggoffiziere in den Vorjahren die geringe Leistungsfähigkeit Cordobas kannte. Die mächtige Flotte verließ am 23. Juli Cadiz, führte die gegen Minorka bestimmte Expedition ins Mittelmeer, bis sie vor englischen Kreuzern sicher erschien, und trat dann die Fahrt nach dem Kanal an. Minorka ward leicht besetzt und auch die Zitadelle von Port Mahon fiel im Februar 1782; der Verlust dieses Stützpunktes war jedoch für England nicht von Bedeutung, da es in diesem Kriege das Mittelmeer nicht zu behaupten vermochte.

Die Eroberung Minorkas durch Spanien 1781/82. Die Insel mit ihrem trefflichen Hafen Port Mahon war bisher von beiden Parteien außer acht gelassen. England war nicht imstande, auch im Mittelmeer eine starke Flotte zu halten, und infolgedessen war dieser Stützpunkt für die Verbündeten gleichfalls ohne Wichtigkeit gewesen. Aber Spanien reizte es stets, den Platz im Besitze Englands zu sehen, und der spanische wie der französische Handel litten immerhin durch die feindlichen Freibeuter, die von hier aus ihr Handwerk betrieben. Man hoffte bei der Eroberung leichtes Spiel zu haben; die Engländer hatten zwar Port Mahon stark befestigt, aber der Kommandant, General Murray, verfügte nur über etwa 3000 Mann, ein englisches und zwei hannoversche Bataillone sowie gegen 200 Seeleute. Die spanische Expedition bestand aus 9 Kriegsschiffen unter Admiral Buonaventura Moreno, zu denen vor Cartagena noch 3 Linienschiffe stießen, und 11000 Mann vom Belagerungsheere vor Gibraltar unter dem Herzog von Crillon, einem Franzosen in spanischen Diensten. Da keine Störung durch englische Schiffe zu befürchten war, wählte man nicht, wie die Franzosen 1756, den weiter entfernten Hafen von Ciudadela zur Ausschiffung, sondern landete am 8. August gleichzeitig etwa 3–4 Seemeilen im Norden und im Süden Port Mahons. Man hoffte so, den Gegner zu überraschen, aber es gelang Murray doch, seine Außenposten heranzuziehen und reichlich Proviant in die Zitadelle Fort San Felipe zu schaffen. Dahin zog er sich zurück, da seine Kräfte nicht ausreichten, auch die sonstigen Befestigungen der Stadt zu besetzen.

[319]

Die Franzosen fanden in dieser reiche Beute: Bargeld im Werte von 25000 Goldpiastern, Ladungen der durch Freibeuter aufgebrachten Prisen, Getreidemagazine, Waffen, Munitionsvorräte, sowie Material zum Ausbessern von Schiffen in solchen Mengen, wie sie in den Häfen von Cadiz, Cartagena und Ferrol zusammen nicht vorhanden waren — nach Ausspruch Morenos —, ein bedenkliches Zeugnis für die spanischen Kriegshäfen. Crillon schloß die Zitadelle ein, denn zu einer regelrechten Belagerung war er nicht ausgerüstet, da man die Expedition auf Überraschung angelegt hatte. Der förmliche Angriff begann erst im Oktober, nachdem die Belagerungsgeschütze sowie Verstärkungen von Barcelona und auch 4000 Franzosen von Toulon eingetroffen waren. Die Angriffsmacht zählte jetzt 16000 Mann mit 109 schweren Kanonen und 36 Mörsern. Trotzdem kapitulierte Murray erst am 4. Februar 1782, nur durch Hunger und Krankheit überwunden. Seine Leute litten schwer unter Skorbut und Dysenterie, bei der Übergabe waren nur noch 660 Mann dienstfähig und auch von diesen nur 100 ganz gesund, 415 Mann waren aber allein für die Besatzung der notwendigen Wachen erforderlich, es konnten also keine Ablösungen eintreten. Das Belagerungsheer zog dann im Mai wieder vor Gibraltar. Crillon wurde „wegen seines Erfolges“ zum Oberbefehlshaber hier ernannt und mit dem Titel „Herzog von Mahon“ ausgezeichnet.

Cordoba steuerte mit der mächtigen Flotte vom Kap St. Vincent aus nach Norden, jedoch in größerer Entfernung vom Lande, damit die Engländer nicht durch Kauffahrer unter der Küste Nachricht erhielten, aber seine Hoffnung, die feindliche Flotte in der Biskaya anzutreffen, erfüllte sich nicht. Vor dem Kanaleingange breitete er seine Schiffe, insbesondere die leichten, von Ouessant bis zu den Scillys aus, um den ganzen Kanal unter Beobachtung zu halten. In England hatte man tatsächlich keine Nachricht. Admiral Darby war nach zeitraubender Instandsetzung seiner Flotte am 1. August wieder mit 30 Linienschiffen in See gegangen, da um diese Zeit die Rückkehr der großen Konvois bevorstand. Infolge widriger Winde stand er erst bei Kap Lizard, als er durch ein Handelsschiff von der Nähe des Feindes erfuhr. Unfähig, der Übermacht entgegenzutreten, ging er nach Torbay und nahm hier am Eingange der Bucht eine Verteidigungsstellung ein.

Den Verbündeten bot sich jetzt Gelegenheit, mit einem Schlage den größten Teil der englischen Seestreitkräfte zu vernichten. Guichen, der in Person die Stellung des Feindes erkundet hatte, sprach sich in einem Kriegsrate der Flaggoffiziere begeistert für rücksichtslosesten Angriff aus und La Motte-Picquet sowie der spanische Admiral Don Vincent Droz schlossen sich ihm mit Entschiedenheit an. Aber Cordoba war anderer Ansicht, und als der Chef d'Escadre de Bausset, ein besonders leidenschaftlicher Anhänger des Handelskrieges, dafür eintrat, den Kampf zu meiden und statt dessen lieber die englischen Konvois abzufangen, stimmte er ihm zu, und seinem Beispiele folgten die übrigen spanischen Flaggoffiziere. Cordoba führte jedoch auch diese Aufgabe nicht durch; möglich, daß er die herankommende Zeit der Herbststürme fürchtete, da wie 1779 seine Schiffe in schlechter Verfassung waren und der Gesundheitszustand der Besatzungen zu wünschen übrig ließ. Am 5. September gab er in der Nähe von Ouessant Befehl zur Auflösung der Flotte trotz der Bitten Guichens, wenigstens noch einige Zeit gegen die englischen Konvois und zum Schutz gleichfalls erwarteter[320] französischer zu kreuzen. Er segelte mit seinen 30 Schiffen, sowie 9 französischen nach Cadiz und entließ Guichen mit dem Rest nach Brest.

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Johan Arnold Zoutman.

Hollands Eintreten in den Krieg. Die Schlacht auf der Doggerbank, 5. August 1781. Holland[155] hatte mit Ausbruch des Krieges, Ende Dezember 1780, seinen Handelsschiffen verboten, ohne Erlaubnis die Heimatshäfen zu verlassen; teils um sie vor Aufbringen durch die Engländer zu bewahren, teils um ihre Besatzungen für die Kriegsschiffe heranziehen zu können. Ferner wurde zur Warnung schleunigst an alle Kriegsschiffe in fernen Gewässern, sowie an die Kolonien die Nachricht vom Ausbruch des Krieges gesandt; die Botschaft traf jedoch an den meisten Orten zu spät ein. Von den 69 Kriegsschiffen Hollands befanden sich 51 im Dienst oder doch zu sofortiger Indienststellung bereit. Aber schon bald fielen einige in Feindeshand, andere wurden im Auslande vom Gegner blockiert gehalten, so daß in Holland selber im Januar 1781 nur 33 Schiffe — darunter 11 Linienschiffe, nämlich 2 zu 70 und 74 Kanonen, 2 zu 60 und 68, 7 zu 50–54 — bereitstanden, und auch diese waren nur mangelhaft ausgerüstet und bemannt. Der Versuch, fertige Schiffe in den Staaten der „Bewaffneten Neutralität“, besonders in Dänemark und Schweden, zu kaufen, scheiterte wohl infolge englischer Einwirkung.

So war es im Frühjahr weder möglich, englische Konvois von Bremen und Hamburg abzufangen, noch für die übliche Frühjahrsfahrt der eigenen Handelsschiffe nach der Ostsee eine genügend starke Begleitung aufzustellen, obgleich auch die Engländer in der Nordsee nur geringe Streitkräfte hatten. Erst im Juni wagte man es, den Ostseekonvoi abzusenden, und es sammelten sich nach und nach im Vliestrome 70 Kauffahrer. Das Zusammenziehen des Begleitgeschwaders verzögerte sich, und erst am 1. August konnte die Reise unter Führung des Schout biy Nacht Johan Arnold Zoutman angetreten werden; selbst jetzt noch fehlten zwei Linienschiffe zu 74 und 60[321] Kanonen, durch widrige Winde zurückgehalten, die bei dem Zusammentreffen mit dem Feinde voraussichtlich von großem Nutzen gewesen wären.

Englischerseits hatte der Vizeadmiral Hyde Parker im Juni mit 5 Linienschiffen einen Konvoi von 500 Segeln in die Ostsee geführt und kam Ende Juli mit 200 Handelsschiffen in die Nordsee zurück; hier stieß noch ein Linienschiff zu ihm, das ihm mit der Nachricht vom Sammeln der Holländer entgegengeschickt war.

Zoutman und Hyde Parker trafen am 5. August auf der Doggerbank in einer Schlacht zusammen, die von beiden Admiralen in einer so einfachen, an alte Zeiten erinnernden Art durchgeführt wurde, daß sie fast belustigend wirken könnte, wenn der Kampf nicht so überaus blutig gewesen wäre.

Die Schlacht auf der Doggerbank, 5. August 1781[156]. Beide Geschwader zählten 7 Schiffe in der Linie, die sich in folgender Reihenfolge gegenüberstanden:

die holländischen: 54 Kanonen, 70 40 54   68* 54 68 * Die Flaggschiffe
die englischen: 74 44 60   74* 80 50 64

Von den englischen Schiffen waren nur die zu 74 Kanonen gute, neue Fahrzeuge; die übrigen stammten aus alten Beständen und man hatte sie ihres Zustandes halber sogar mit leichteren Kalibern armieren müssen, als ihrer Klasse entsprach. Dennoch standen englischerseits in einer Breitseite 223 Geschütze gegen 206 holländischerseits und das Geschoßgewicht einer Lage war 4347 Pfund gegen 3474.

Die englische Linie ward durch 4, die holländische durch 5 schwere Fregatten unterstützt, die sich bei Beginn der Schlacht dicht in Feuerlee ihrer Schlachtschiffe hielten. Auf beiden Seiten deckten einige Fregatten sowie kleinere Fahrzeuge die Konvois, die weiterab auf der dem Kampfe abgewandten Seite segelten. Als Hyde Parker zum Angriff schritt, gab er seinem Konvoi sofort Befehl, nach England weiterzufahren.

Bei Tagesanbruch sichteten sich die Gegner. Es wehte frisch von Nordost, aber die See war glatt; die Holländer hatten die Leestellung. Zoutman bildete die „Kiellinie beim Winde“ über Steuerbordbug mit einer Kabellänge Zwischenraum zwischen den Schiffen. Er führte nur Mars- und Vorsegel, woraus hervorging, daß er den Angriff erwartete. Parker befahl trotzdem, und obgleich er den ganzen langen Sommertag vor sich hatte, zunächst „allgemeine Jagd“; er wollte sich den Kampf um keinen Preis entgehen lassen; er war immer noch erbittert über Rodneys Vorwurf nach der Schlacht am 17. April 1780, sowie darüber, daß die Admiralität ihm vorgeworfen hatte, er habe als stellvertretender Oberbefehlshaber in Westindien, von Byrons Heimreise bis zu Rodneys Ankunft, nicht schneidig genug gehandelt. So jagten die englischen Schiffe auf den Feind zu, wobei die schlechteren Segler alles beisetzen mußten und nicht Zeit hatten, Vorbereitungen zum Gefecht zutreffen. Um 6¼ Uhr vormittags wurde der Befehl gegeben, Dwarslinie zu bilden; jetzt kam Ordnung in die Aufstellung, aber die langsameren Schiffe waren noch beschäftigt, ihr Leesegelsgut zu bergen, als kurz vor 8 Uhr der Befehl zum Nahkampf folgte.

Die holländischen Schiffe erwarteten den Angriff in einer Ordnung wie bei der Parade. Die Besatzungen standen auf ihren Gefechtsstationen, die Seesoldaten auf Deck mit geschultertem Gewehr. Kein Schuß fiel bei der Annäherung der Engländer, die man doch unter verheerendes Enfilierfeuer hätte nehmen können. Erst als sie etwa auf Schiffslänge zum Kampfe aufdrehten, Parker um 8 Uhr den ersten Schuß feuerte[322] und die rote Flagge heißte, gab auch Zoutman das Signal zum Eröffnen des Feuers. Der englische Admiral hatte nach üblicher Weise seine Linie so herangeführt, daß er mit seinem Flaggschiff, dem vierten von vorn, das feindliche, das fünfte von vorn, angriff. Da beide Geschwader tadellos ausgerichtet waren, hatten nunmehr anfangs das letzte englische Schiff und das vorderste holländische keinen Gegner, später griffen diese dann in ihrer Nähe ein, und so waren die Engländer vorn, die Holländer hinten im Nachteil. Bis 11 Uhr wurde auf das erbittertste gefochten. Jetzt war das holländische Schlußschiff durch seine zwei Gegner fast außer Gefecht gesetzt und Parker segelte nun, gefolgt von den Hinterleuten, zwischen seinem schwer beschädigten Vordermann und der feindlichen Linie hindurch auf, um das Gleichgewicht vorn herzustellen. Das Manöver wurde unter heftigstem Kugelwechsel ausgeführt und brachte die englische Linie in Unordnung. Um diese wieder herzustellen, ging Parker mit seinen Schiffen höher an den Wind, konnte aber seine Absicht nicht durchführen, da die Takelagen sehr zerschossen waren. Zoutman blieb noch eine halbe Stunde liegen, „um das Feld behauptet zu haben“, und nahm dann Verbindung mit seinem Konvoi, den er gegen 10 Uhr nach Texel zurückgeschickt hatte; ihm zu folgen, waren die Engländer vorläufig nicht imstande.

Der Verlust der Engländer in dem dreieinhalbstündigen Kampfe betrug 104 Tote und 339 Verwundete, mehr als in größeren Schlachten dieses Krieges, in denen sich 20–30 Schiffe auf jeder Seite gegenüberstanden. Die Holländer verloren gar 142 Tote und 403 Verwundete. Beide Gegner hatten auf den Rumpf der Schiffe gefeuert, so waren die Beschädigungen in den Takelagen nicht schwer, wenn sie auch für kurze Zeit die Manövrierfähigkeit behinderten. Kein Schiff war genommen; nur ein holländisches (das letzte in der Linie) sank auf der Weiterfahrt, doch konnte die Besatzung bis auf wenige Schwerverwundete gerettet werden.

Beurteilung der Führer. Beide Admirale zeigten, daß ihre taktische Befähigung nicht auf der Höhe der Zeit stand. Parkers Angriff war übereilt und unvorteilhaft angesetzt. Er schob aber die Schuld seines Mißerfolges auf die Schiffe und erklärte dem Könige, der das Geschwader besuchte: „Ich wünsche Ew. Majestät bessere Schiffe und jüngere Admirale. Ich bin zu alt.“ Der sonst so brave Offizier verscholl bald darauf mit seinem Schiffe, als er zur Übernahme des Oberbefehles nach Ostindien segelte. — Zoutman war ein vielbefahrener Seemann, hatte aber infolge der Tatlosigkeit der holländischen Marine in den letzten Kriegen und ihres Verfalles in seinen 44 Dienstjahren keine Gelegenheit gehabt, Erfahrungen im Kriege sowie in der Führung größerer Verbände zu sammeln. Aber er, seine Offiziere und Leute haben mit der alten holländischen Tapferkeit und Hartnäckigkeit gefochten, die Ehre ihrer Flagge aufrecht erhalten und sich die Anerkennung ihres Volkes sowie ihrer Gegner errungen.

Die Schlacht auf der Doggerbank ist nach vorstehendem wohl taktisch unentschieden zu nennen, sie war aber ein strategischer Erfolg der Engländer, denn ihr Konvoi erreichte sein Ziel, während der holländische die Reise aufgeben mußte. Auch unternahm Holland in diesem Jahre nichts weiter.

Vernichtung eines französischen Konvois für Westindien, Dezember 1781. Der Schluß des Jahres brachte Frankreich noch einen Mißerfolg, der von größerer Bedeutung war als alle bisherigen Ereignisse in Europa. Schon seit dem Sommer bestand die Absicht, der Flotte in Westindien Mannschaften, Vorräte, Kriegsmaterial sowie einige Linienschiffe behufs Ablösung anderer zu senden, aber erst spät im Jahre waren die Transporter mit dem Material bereit. Am 10. Dezember verließ de Guichen mit 19 Linienschiffen Brest. Er sollte die Transporter sowie zahlreiche Handelsschiffe, insgesamt 150 Segel,[323] in die offene See geleiten, dann 5 Schiffe mit den Fahrzeugen für Westindien und 2 mit solchen für Ostindien entlassen, selber aber mit 12 nach Cadiz gehen.

In England war man von dem Plane unterrichtet und sandte schon am 2. Dezember den Admiral Richard Kempenfelt in See; in der Annahme, daß die Bedeckung des Konvois nicht stark sein werde, gab man ihm nur 12 Linienschiffe mit. Am 12. Dezember nachmittags trafen sich die Gegner etwa 150 Seemeilen südwestlich von Ouessant bei frischem Winde mit Hagelböen; die Engländer standen zu Luward.

Der sonst so vorsichtige französische Admiral hatte eine grobe Nachlässigkeit dadurch begangen, daß er mit seinen Kriegsschiffen in Lee voraus von dem Konvoi segelte. Infolge des unsichtigen Wetters bemerkte er die englische Flotte erst zu spät, als es plötzlich aufklarte. Obgleich er nun sofort ihr entgegenzutreten suchte, so hatte sie doch bereits den Konvoi erreicht, zersprengte ihn und nahm angesichts der feindlichen Übermacht 24 Fahrzeuge. Der Rest floh nach der französischen Küste und auch 9 der genommenen entwischten während der Nacht, aber 15 wurden nach England gebracht, fast nur Transporter, die 1400 Mann und viel Material an Bord führten. Am nächsten Tage versuchte Guichen den Kampf zu erzwingen, Kempenfelt wich jedoch mit Rücksicht auf seine Schwäche aus; nur zwischen einigen Schiffen wurden Schüsse gewechselt. Mehrere Tage darauf zerstreute ein Sturm die französische Flotte, die noch auf der Suche nach Versprengten des Konvois geblieben war, und mehrere Schiffe, unter ihnen das Flaggschiff, wurden halb entmastet. Von der ganzen Expedition gelangten nur 2 Linienschiffe und 5 Handelsschiffe unter dem Chef d'Escadre de Vaudreuil nach Westindien, auch einige der nach Ostindien bestimmten Schiffe erreichten ihr Ziel. Der Admiral de Guichen bat nach diesem Fehlschlage um seinen Abschied, wurde jedoch wegen seiner bisherigen Verdienste im Kommando der Brestflotte belassen.

Ein Rückblick auf die Ereignisse in den europäischen Gewässern 1781 zeigt, daß England im Vorteil blieb, obgleich die Verbündeten stärker waren. Es verlor Minorka, für diesen Krieg keine Sache von Bedeutung, und büßte die Beute ein, die den Holländern in Westindien abgenommen war. Diese Verluste wurden aber reichlich aufgewogen durch die Zerstreuung des für Westindien bestimmten französischen Konvois, der für den Handel Frankreichs und die Schlagfertigkeit seiner Flotte dort so wichtig war, und durch die Verproviantierung Gibraltars sowie den Umstand, daß der Handel im Kanal unangetastet blieb. Wie in den beiden Vorjahren, war das materielle Übergewicht der Verbündeten infolge ihrer Uneinigkeit und ihres Mangels an Tatkraft nicht zur Geltung gekommen. Da sich ihre Streitkräfte nicht rechtzeitig vereinigten, gelang es England, an Brest und Cadiz vorüber Gibraltar Zufuhr zu senden.

Ein Wagnis blieb dies immerhin, denn als Darby absegelte, war de Grasse noch in Brest, und Cordoba in Cadiz war ihm überlegen; wenn es sich nur um eine Seeschlacht gehandelt hätte, so brauchte man allerdings die[324] spanische Flotte nicht nach ihrer Schiffszahl einzuschätzen, aber eine andere Sache war es doch, einen großen Konvoi sicher nach einem Orte dicht bei dem feindlichen Stützpunkt zu führen und dort zu löschen. — Die später im Kanal erscheinende mächtige Flotte der Verbündeten, die hauptsächlich den englischen Handel vernichten sollte — gewiß ein verständigeres, weil leichter erreichbares Ziel als eine Invasion —, blieb untätig; sie griff weder die schwächeren Seestreitkräfte Englands an, durch deren Überwindung sie ihr Ziel am sichersten erreicht hätte, noch verweilte sie lange genug, um wenigstens einigen Erfolg gegen englische Konvois zu haben. Diese Tatlosigkeit ist vor allem den Spaniern zuzuschreiben, und es soll denn auch das Fehlschlagen des kostspieligen Unternehmens dem guten Einvernehmen zwischen den verbündeten Staaten sehr geschadet haben.

England hat 1781 auf diesem Kriegsschauplatze mit 40 Schiffen 70 der Gegner einschließlich Hollands in Schach gehalten, aber es hätte vielleicht doch noch mehr erreichen können. Schon zu jener Zeit ist innerhalb und außerhalb des Parlamentes die Frage aufgeworfen, ob es nicht richtiger gewesen wäre, die Zufuhr für Gibraltar aufzuschieben und Darby statt dessen zum Abfangen des schwächeren Geschwaders unter de Grasse zu entsenden; durch Vernichtung dieser wären die Pläne Frankreichs in Westindien und Nordamerika für 1781 vereitelt worden. An leitender Stelle hat man aber wohl die andere Aufgabe für dringender gehalten, obgleich durch ihre Lösung der größere Teil der Kanalflotte aufs Spiel gesetzt wurde, auch war, wie der ganze Krieg zeigt, Englands Strategie überhaupt nicht darauf bedacht, den Feind von den entlegenen Kriegsschauplätzen fernzuhalten, trotzdem daß ein derartiges Verfahren schon seit langem von allen hervorragenden Seeoffizieren für das allein Richtige erklärt wurde. Wenn man ferner zum Abfangen der Flotte Guichens eine stärkere als die Kempenfelts entsandt hätte, so hätte man nicht nur den Transport festhalten, sondern auch durch Vernichtung der ersteren der französischen Marine einen schweren Schlag zufügen können; die Kanalflotte war hierzu stark genug und außerdem lagen Schiffe bereit, die schon im Januar 1782 unter Rodney nach Westindien segelten.

Westindien und Nordamerika 1781.

Rodney erobert St. Eustache, St. Martin und Saba[157]. Zu Anfang des Jahres verfügte Rodney in Sta. Lucia über 22 Linienschiffe, während Frankreich nur 4 in Martinique stationiert hatte. Am 27. Januar trafen die Nachricht vom Ausbruch des Krieges mit Holland und der Befehl ein, die holländischen Besitzungen anzugreifen. Rodney bestimmte 6 Linienschiffe zur Überwachung von Martinique und ging mit der Hauptflotte sowie einem Landungskorps unter General Vaughan am 30. Januar in See. Sein erstes Ziel war die Insel St. Eustache.

[325]

In St. Eustache konnte man auf große Beute rechnen. Seit Ausbruch des Krieges war diese Insel unter ihrer neutralen Flagge der Haupthandelsplatz Westindiens für alle Völker geworden, und Waren befanden sich hier stets in solchen Mengen angehäuft, daß die zahlreichen Lagerhäuser sie nicht fassen konnten. Sie wurde auch dadurch von militärischer Bedeutung, daß die Amerikaner, sowie die französischen Inseln ihre Kriegsbedürfnisse zum großen Teil von dort bezogen. Die Engländer waren bei ihrem eigenen großen Handel weniger auf die Insel angewiesen, sahen sich aber durch die politische Haltung der Holländer benachteiligt. So erhielt z. B. die französische Flotte von St. Eustache Handwerker und Material, als sie nach der Schlacht am 17. April 1780 Martinique nicht zum Ausbessern erreichen konnte, während den Engländern, die nach dem großen Orkan im Oktober desselben Jahres Tauwerk kaufen wollten, erklärt wurde, es sei keins am Markte; tatsächlich fand man aber nach der Eroberung eine große Menge vor, die dort schon lange lagerte.

Als die englische Flotte am 4. Februar vor der Insel erschien, war dem Gouverneur der Ausbruch des Krieges noch nicht bekannt; nicht in der Lage Widerstand zu leisten, kapitulierte er noch am selben Tage. Eine holländische Fregatte, die der Ehre der Flagge halber einige Schüsse abgab, einige kleinere Kriegsfahrzeuge, 150 Kauffahrer sowie die Waren am Lande fielen in die Hände der Engländer, ebenso wurde ein Konvoi von 30 Handelsfahrzeugen nebst dem begleitenden Linienschiffe, der am Tage vorher die Reise nach Europa angetreten hatte, noch abgefangen. Die Gesamtbeute hatte einen Wert von über drei Millionen Lstrl. Rodney bemächtigte sich dann noch der Nachbarinseln St. Martin und Saba, später, am 15. März, auch der französischen Insel St. Barthélemy. Auf den genommenen Inseln blieb die holländische Flagge wehen; hierdurch getäuscht, liefen in der nächsten Zeit noch verschiedene holländische, französische, sowie amerikanische Schiffe ein und wurden gleichfalls genommen. Die nicht englischen Einwohner, besonders die Holländer, verschickte man zwangsweise nach anderen Inseln, um den eroberten ihre bisherige Bedeutung zu nehmen; zu gleichem Zwecke wurden die Lagerhäuser zerstört oder wenigstens abgedeckt.

Rodney versteigerte einen Teil der Beute öffentlich an Engländer, Franzosen und Dänen. Den Rest sandte er auf 30 Handelsschiffen, gedeckt durch Kommodore Hotham mit 4 Linienschiffen, nach England; wir hörten schon, daß dieser Konvoi am 2. Mai an der europäischen Küste fast ganz dem französischen Admiral de La Motte-Picquet in die Hände fiel. Rodney und Vaughan haben bei der Beschlagnahme weder holländisches Privateigentum noch neutrale Waren geschont, die nicht zur Kriegskontrebande zählten. Ihr Auftreten erregte denn auch überall Entrüstung. Selbst in England und sogar im Parlament sind sie angegriffen; aber ohne weiteres Ergebnis, sie behielten ungestört ihre reichen Prisenanteile.

Es sei hier gleich erwähnt, daß die Engländer in den Monaten Februar und März von Barbados aus auch die holländischen Besitzungen in Guayana wegnahmen; in Curaçao dagegen, wo der Ausbruch des Krieges rechtzeitig bekannt geworden war, trafen die Holländer genügende Vorbereitungen zur Abwehr und blieben infolgedessen unbelästigt. Der holländische Handel litt überall sehr durch englische Kreuzer und Freibeuter.

Admiral de Grasse in Westindien 1781. Zusammenstoß mit Hood bei Martinique. Etwa eine Woche nach der Besetzung der Insel St. Eustache[326] brachte ein Handelsschiff die Nachricht dorthin, daß es am 31. Dezember 1780 in der Biskaya einen großen, für Westindien bestimmten französischen Konvoi unter Geleit von 8 oder 10 Linienschiffen gesehen habe. Rodney sandte daraufhin am 12. Februar den Kontreadmiral Sir Samuel Hood mit 11 Schiffen nach Martinique, um sich mit den dort schon befindlichen 6 zu vereinigen und dann zu Luward genannter Insel zu kreuzen. Er erklärte es für notwendig, selber behufs Durchführung von Maßregeln zur Sicherung der Beute und der Insel noch bei St. Eustache zu bleiben und behielt zwei Schiffe zurück. Die Nachricht über den Konvoi erwies sich bald darauf als falsch, aber der Befehl für Hood blieb bestehen, nur wurde er angewiesen, sich in Lee von Martinique zu halten. Er machte hiergegen geltend, daß er dann leicht nach Lee vertrieben werden könne, aber Rodney erklärte, daß es nach seinen Erfahrungen wohl durchführbar sei, sich wochenlang dicht vor dem französischen Hafen zu halten und daß dann die Schiffe, die zeitweise zum Wasser- oder Proviantauffüllen nach Sta. Lucia gesandt werden müßten, leicht wieder zur Flotte stoßen könnten, falls ein feindliches Geschwader von Europa ankäme. Bald aber sollte sich die Berechtigung von Hoods Einwurf zeigen.

Lieutenant-Général de Grasse[158] hatte am 22. März Brest mit 26 Linienschiffen verlassen. Bei den Azoren zweigte er 5 von ihnen nach Ostindien, 1 nach Nordamerika ab und segelte mit 20 nebst einem großen Konvoi von Transportern und Handelsschiffen nach Westindien weiter; zur Beschleunigung der Reise ließ er die schlechtesten Segler des Konvois von Kriegsschiffen in Schlepp nehmen. Die Flotte sichtete Martinique am 28. April und vernahm am Abend bei Point de Salines, der Südspitze der Insel, von der Anwesenheit der englischen. Zur größeren Sicherheit seines Konvois drehte de Grasse die Nacht über bei, setzte die Fahrt am anderen Morgen fort und stieß gegen Mittag mit Hood zusammen[159], der seine Ankunft erfahren hatte. Der Konvoi erreichte an diesem Tage Fort Royal unbehelligt, da sich[327] die englische Flotte nicht zwischen ihn und den Hafen schieben konnte. Zu einer entscheidenden Schlacht nutzte aber de Grasse seine Überlegenheit nicht aus; ihm war an dem sicheren Einlaufen seiner Schutzbefohlenen zunächst mehr gelegen.

Das Gefecht bei Martinique am 29. April 1781. Die französische Flotte zählte 20 Linienschiffe — eins zu 100 Kanonen, 3 zu 80, 15 zu 74, 1 zu 64 — 3 Fregatten und 2 Kutter, die englische 18 Linienschiffe — 1 zu 90, 1 zu 80, 12 zu 74, 1 zu 70, 3 zu 64 —, 1 Fregatte und 1 Sloop. Es muß hervorgehoben werden, daß von den französischen Linienschiffen nur etwa die Hälfte, die englischen jedoch sämtlich gekupfert waren; Rodneys Vorstellungen in dieser Hinsicht hatten Erfolg gehabt.

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de Grasse.

Am 29. April in der Frühe rundete de Grasse die Südspitze von Martinique bei östlichem Winde (Passat); Hood konnte dies nicht hindern, da er zu weit in Lee stand. Der französische Konvoi segelte unter der Küste nach Norden, von der Flotte in Lee gedeckt. Die englische Flotte kam dieser mit südlichem Kurse entgegen, wendete gegen 10½ Uhr vormittags, so daß nun beide parallel steuerten, wobei die französische Vorhut etwa querab von der englischen Mitte stand. Gegen 11 Uhr eröffneten die Franzosen das Feuer, die Engländer antworteten jedoch der großen Entfernung halber nicht. Um 11¾ Uhr befanden sich beide Linien vor der Bucht von Fort Royal, die englische Spitze näherte sich zu sehr ihrem nördlichen Strande und Hood wendete deshalb mit der ganzen Flotte, alle Schiffe zugleich. Der französische Konvoi war jetzt imstande, in die Bucht einzulaufen. De Grasse sah seine Schutzbefohlenen in Sicherheit; er halste alle Schiffe zugleich, und um diese Zeit hängten sich die vier im Hafen befindlichen Linienschiffe — 1 zu 74 Kanonen, 3 zu 64 — ihm an. Beide Flotten steuerten nun südlich, die Engländer in der Leestellung, aber es standen jetzt 24 Franzosen gegen 18 Engländer. Die Manöver hatten die Gegner einander näher gebracht, auch die Engländer nahmen das Feuer auf.

Gegen Mittag drehte Hood unter Marssegeln bei, des Angriffs gewärtig, da er selber nicht näher an den Feind herankommen konnte. Die beiden Flaggschiffe lagen querab voneinander, das Gefecht ward allgemein, aber immer noch auf so weite Entfernung, daß nur wenige Schüsse ihr Ziel erreichten. Da die Franzosen weiter segelten und ihre vordersten Schiffe die englische Spitze überholten, nahm auch Hood um 1 Uhr die Fahrt wieder auf. Als gegen 1½ Uhr die beiden Spitzen vor dem Kanal[328] zwischen Martinique und Sta. Lucia anlangten, hier frischeren Wind erhielten und vorliefen, befahl Hood seiner Flotte, sich geschlossen zu halten und das Feuer abzubrechen; der Kampf der Spitzen setzte sich aber noch einige Zeit fort und die vier vordersten Engländer hatten dabei 8 Franzosen abzuwehren. Hood scheint sich dann nach Wiederherstellung der Ordnung außer Schußweite gehalten und versucht zu haben, den Feind von der Küste abzuziehen, sowie die Luvstellung zu gewinnen. Aber auch de Grasse schritt nicht zum Angriff; es ist anzunehmen, daß er sich nicht weiter von der Insel entfernen wollte, ehe nicht sämtliche Fahrzeuge des Konvois einen sicheren Ankerplatz bei Fort Royal erreicht hätten.

Der Verlust an diesem Tage betrug auf französischer Seite 18 Tote und 56 Verwundete (ein englischer Autor gibt allerdings die Zahlen 119 und 150), auf englischer 39 Tote und 162 Verwundete. Die französischen Schiffe hatten wenig gelitten, von den englischen waren die vier vordersten beträchtlich beschädigt; Hood mußte eins derselben nach St. Eustache senden.

Seiner Sorge um den Konvoi ledig und durch 4 Schiffe aus Martinique verstärkt, während 4 englische Schiffe am 29. beschädigt waren, beabsichtigte de Grasse am 30. April eine Schlacht herbeizuführen. Jetzt aber hatte Hood keinen Anlaß mehr, sich einem so ungleichen Kampfe, zumal in der Leestellung, auszusetzen. Er versuchte zwar, die Luvstellung zu gewinnen, ließ aber den Feind nie nahe herankommen. Mit seinen gekupferten Schiffen hatte er es in der Hand, die Entfernung zu bestimmen; wenn die Franzosen die Jagd ernstlich aufnahmen, blieben ihre ungekupferten zurück. Am Abend gab Hood das Spiel auf und nahm Kurs nach Norden; er segelte nicht nach Sta. Lucia, da er befürchtete, daß seine beschädigten Schiffe es bei der starken westlichen Strömung nicht erreichen würden. De Grasse ankerte am 6. Mai vor Fort Royal.

Das Verhalten der beiden Admirale am 29. und 30. April ist einer kurzen Betrachtung wert, um so mehr, da die beiderseitigen Autoren mehrfach angeben, der Gegner sei einem Kampfe ausgewichen. Nun ist aber wohl als sicher anzunehmen, daß Hood am ersten Tage den Kampf erstrebt hat: Anfangs versuchte er an den Feind heranzukommen, später bot er diesem Gelegenheit zum Angriff. Dies war eigentlich gewagt, da der Gegner Verstärkung erhalten hatte. Am zweiten Tage hielt er weiter das Feld, wahrscheinlich um abzuwarten, ob nicht der Zufall ihn in die Lage setzen würde, einen Teil der französischen Flotte anzugreifen. Seine seemännische Tüchtigkeit, sowie der Umstand, daß er durchgehends über gekupferte Schiffe verfügte, erlaubten ihm das gewagte Spiel; ein solches war es immerhin, denn leicht konnte er genötigt werden, seine beschädigten Schiffe im Stich zu lassen oder ihrethalben eine allgemeine Schlacht anzunehmen. De Grasse war am ersten Tage zu vorsichtig, aber nach dem bekannten französischen Brauche sah er wohl seine nächste Aufgabe in der unbedingten Sicherung des Konvois.

De Grasse ging schon am 8. Mai zu einem Angriff auf Sta. Lucia wiederum in See. Es lag den Franzosen besonders daran, sich in Besitz der Gros-Islet-Bucht an der Nordspitze dieser Insel, dem üblichen Ankerplatz der englischen Flotten zur Beobachtung Martiniques, zu setzen. Der Admiral hielt sich mit der Flotte zu Luward der Bucht, um jederzeit einem nahenden Gegner entgegentreten zu können, und der kriegerische Gouverneur von Martinique, de Bouillé, landete während der Nacht mit 1200 Mann. Man fand aber die von Rodney angelegten Befestigungen zu stark, um[329] sich in kurzer Zeit festsetzen zu können, schiffte die Gelandeten wieder ein und kehrte nach Fort Royal zurück.

Eroberung von Tabago. Am 8. Mai wurde auch eine Expedition gegen diese Insel entsandt. Sie zählte 2 Linienschiffe nebst einigen Fregatten und 1300 Soldaten unter Kapitän d'Albert de Rions. Am 22. Mai erfuhr de Grasse, daß die Flotte Rodneys auf der Fahrt nach Süden, wahrscheinlich nach Barbados, gesichtet sei. Besorgt um die Tabagoexpedition, ging er am 25. mit der Flotte in See und nahm 3000 Soldaten mit. Rodney hatte von der Ankunft der französischen Flotte in Westindien erst durch ein Schiff Kenntnis erhalten, das nach dem Gefecht bei Martinique beschädigt in St. Eustache eingetroffen war. Er segelte sobald als möglich mit seinen beiden unversehrten Schiffen, sowie dem in Eile ausgebesserten ab, traf am 11. Mai bei Antigua auf Hood und führte nun die Flotte nach Barbados, denn er fürchtete für diesen Hauptstützpunkt, der durch einen Orkan verwüstet war und ohne seinen Schutz einem Angriffe kaum hätte widerstehen können. Hier erfuhr er den Vorstoß der Franzosen gegen Tabago und sandte am 29. Mai den Kontreadmiral Drake mit 6 Linienschiffen dahin ab. Dieser sichtete am 30. die Flotte de Grasses und kehrte sofort, eine Zeitlang verfolgt, nach Barbados zurück, wo er am 3. Juni morgens eintraf. Jetzt setzte sich Rodney mit der ganzen Flotte in Bewegung, aber es war zu spät. Am 4. in Sicht der bedrohten Insel angelangt, erfuhr er, daß diese bereits am 2. Juni kapituliert habe.

Die Besetzung Tabagos war den Franzosen leicht gelungen. Am 24. Mai landete die erste Expedition; der englische Gouverneur zog sich mit seinen schwachen Kräften — 400 Regulären, 500 Milizen, 6 Geschützen — in die Berge zurück. Am 30. wurden dann die Soldaten ausgeschifft, die mit der Flotte kamen, und der Gouverneur sah sich genötigt, der großen Macht gegenüber die Waffen zu strecken, zumal seine Leute übermüdet und entmutigt waren.

Die Oberbefehlshaber, beide tüchtige Admirale, standen sich nun einander gegenüber, de Grasse mit 23 und Rodney mit 20 Linienschiffen, aber es kam nicht zum Kampfe. Rodney stand zu Luward, griff jedoch nicht an. Er erklärte später, die Besorgnis, nach einer vielleicht ungünstig verlaufenen großen Schlacht mit den beschädigten Schiffen durch den starken westlichen Strom nach Lee vertrieben zu werden, habe ihn vom Angriff abgehalten; er würde dann in die schwierigen Gewässer der Grenadinen, die wie auch St. Vincent in französischem Besitze waren, geraten und der Gegner möglicherweise zwischen ihn und Barbados gekommen sein. Er segelte nach der genannten Insel zurück. De Grasse verfolgte nicht. Zufrieden mit der Einnahme Tabagos, lief er die Eroberungen des Jahres 1779, Grenada sowie St. Vincent, an, überzeugte sich von ihrem guten Verteidigungszustande und ankerte am 18. Juni bei Martinique.

De Grasse segelt nach Nordamerika, Hood folgt ihm. Der französische Admiral verließ am 5. Juni 1781 Fort Royal mit seiner ganzen Flotte von 24 Linienschiffen, um 200 Handelsfahrzeuge nach Cap Français auf St. Domingue[330] zu geleiten, wo er am 16. eintraf; unterwegs war eins seiner Linienschiffe infolge einer Explosion verbrannt. Hier fand er Briefe Washingtons, Rochambeaus sowie Barras', des Geschwaderchefs in Nordamerika, vor, in denen er dringend gebeten wurde, Unterstützung an Schiffen, Soldaten und Geldmitteln (mindestens 1200000 Francs) nach der Chesapeake- oder der Narragansettbucht zu senden, da ihre Lage verzweifelt sei. Obgleich er Befehl hatte, 9 oder 10 Schiffe, die sich schon seit 1778 in Westindien befanden, als Deckung des Konvois nach Europa heimzusenden, entschloß er sich, mit der ganzen Flotte — noch verstärkt durch die 5 Schiffe der St. Dominguestation, die am 10. Juli von der Expedition gegen Pensacola (s. Seite 307) zurückkamen — während der Orkanzeit nach der Chesapeakebucht zu gehen. Von diesem Entschluß sandte er sofort Nachricht an Barras, so daß dieser wie die genannten Generale schon am 15. August Kenntnis erhielten. Er schrieb dabei an diesen, er möge ganz nach eigenem Ermessen handeln, sich mit ihm vereinigen oder selbständig zum allgemeinen Nutzen vorgehen. Die Vorbereitungen zur Abfahrt dauerten jedoch einige Zeit.

Der Gouverneur von St. Domingue stellte 3200 Mann nebst einigen Feld- und Belagerungsgeschützen erst, als ihm zur Sicherung seiner Kolonie ein spanisches Geschwader von Kuba zugesagt war; das nötige Geld war in der französischen Kolonie nicht aufzubringen, es mußte von Havanna bezogen werden, wo zwar die Staatskassen leer waren, aber Privatleute die verlangte Summe vorschußweise lieferten. Am 5. August ging de Grasse mit 28 Linienschiffen in See. Um nicht durch Transporter aufgehalten zu werden, waren die Truppen auf den Kriegsschiffen untergebracht, und um den Marsch möglichst lange geheimzuhalten, wählte der Admiral den Weg durch den wenig befahrenen Bahamakanal. Am 30. August 1781 ankerte die französische Flotte im Eingange der Chesapeakebucht.

Rodney erhielt von den Plänen und Bewegungen der Franzosen nicht genügend Kenntnis, um volle Maßregeln ergreifen zu können. Er faßte die Wahrscheinlichkeit ins Auge, daß der Kriegsschauplatz während der Orkanmonate in die nördlichen Gewässer verlegt werden würde, und schickte deshalb am 7. Juli Befehl an den Stationschef in New York, Admiral Graves, zwischen diesem Hafen und der Chesapeakebucht Kreuzer zu halten, die etwa von ihm gesandten Verstärkungen Nachrichten übermitteln könnten. Als er dann am 9. Juli die Abfahrt der französischen Flotte von Martinique nach St. Domingue erfuhr, befahl er dem Admiral Hood, sich für Nordamerika bereit zu machen. Er teilte ihm aber nur 15 Linienschiffe zu, da er gehört hatte, daß auch de Grasse nicht mehr dorthin senden, sondern mit dem Rest seiner Flotte den Konvoi nach Europa geleiten würde. Zwei Schiffe zweigte er zum Schutze von Handelsfahrzeugen nach Jamaika ab, jedoch mit dem Befehl an den dortigen Chef, Sir Peter Parker, sie und mit ihnen noch einige seiner Schiffe sofort nach Amerika nachzusenden. Mit 2 oder 3 wohl einer Grundausbesserung bedürftigen Schiffen ging Rodney selber aus Gesundheitsrücksichten nach England.

[331]

Hood segelte, durch verschiedene belanglose Umstände aufgehalten, am 10. August von Antigua mit 14 Linienschiffen nach der Chesapeakebucht ab. Kurz vorher war eine Brigg mit der Bitte Graves' um Unterstützung eingetroffen. Sie wurde am 6. August mit der Nachricht von Hoods Kommen zurückgesandt, fiel aber in Feindeshand. So blieb Graves im Gegensatz zu seinen Gegnern lange ohne jede Kenntnis der Vorgänge, denn auch eine am 7. Juli abgesandte Nachricht hatte ihn nicht erreicht. Das Schiff langte zwar in New York an, traf aber den auf einer Kreuzfahrt befindlichen Admiral nicht und ging verloren, als es ihn suchte. Eine Abschrift dieser Nachricht fand Graves erst am 16. August in New York vor, das Kommen Hoods erfuhr er erst kurz vor dessen Ankunft am 28. August.

Mit der Abfahrt der Flotten wurde für 1781 Nordamerika Kriegsschauplatz. In Westindien begannen die Operationen erst wieder nach der Rückkehr de Grasses.

In Nordamerika war der Landkrieg zu Ende des Jahres 1780 sowohl im Norden wie in den Carolinas zum Stillstande gekommen. Die Verbündeten wagten nicht, ohne weitere Unterstützung von Frankreich etwas gegen New York zu unternehmen (vgl. Seite 311); die Engländer hatten ihre Erfolge im Süden aufgeben und sich auf Winnsborough zurückziehen müssen, um Verstärkungen zu erwarten (Seite 309). Das französische Geschwader von 7 Linienschiffen lag unter Kapitän Des Touches in der Narragansettbucht und wurde von dem englischen Admiral Arbuthnot mit 12 (?) Linienschiffen von New York und der Gardinerbucht (Long Island) aus beobachtet.

Um die Jahreswende aber kam wieder Leben in den Krieg im Süden. General Clinton benutzte wie im Vorjahre die Winterruhe im Norden zu kräftigerem Auftreten dort, indem er im Dezember 1780 den General Leslie mit Verstärkungen nach Charleston und gleichzeitig den General Arnold zu einem Angriff auf Virginien entsandte. Die Ereignisse auf dem südlichen Kriegsschauplatze im Jahre 1781 wurden entscheidend für den Kampf Englands mit seinen Kolonien, und die Beherrschung des Meeres spielte bei ihnen die Hauptrolle, so daß wir die Unternehmungen am Lande und zu Wasser nicht voneinander trennen können[160].

Cornwallis dringt nach Virginien vor. Frühjahr 1781. Sobald Leslie mit 3000 Mann in Charleston eingetroffen war, zog Cornwallis einen Teil dieser Truppen an sich und brach dann von seinem Winterlager aufs neue gegen Nordcarolina auf; Leslie folgte mit dem Reste. Der amerikanische General Greene fühlte sich mit seinen Milizen und schlecht geschulten Soldaten diesen regulären Truppen im Felde nicht gewachsen; er ließ einen Teil seines Heeres unter General Morgan den Kleinen Krieg in Südcarolina[332] führen, den er selbst an der Grenze von Nordcarolina aufnehmen wollte. Morgan näherte sich unvorsichtig der englischen Hauptmacht. Cornwallis sandte, um dies zu benutzen, den Oberst Parleton mit einem großen Teil seiner Truppen gegen ihn; dieser aber, der seinen Gegner unterschätzte, ließ sich zu einem übereilten Angriff verleiten und wurde am 7. Januar bei Cowpens vernichtend geschlagen.

Als sich dann Cornwallis und Leslie am 18. Januar vereinigt hatten, schritten sie zur Verfolgung Morgans. Zur Beschleunigung des Marsches ließen sie den ganzen Troß zurück, was ihnen später große Verlegenheiten bereitete und doch die Vereinigung Morgans mit Greene nicht hinderte. Auch der Versuch, das feindliche Heer von Virginien abzuschneiden, mißlang; es erreichte den Grenzfluß am 14. Februar und Cornwallis mußte wegen Erschöpfung seiner Truppen zurückgehen. Greene rückte nach, vermied aber eine Schlacht, obgleich er durch Milizen aus Virginien, Nord- und Südcarolina auf 6000 Mann verstärkt war. Das Gerücht gab seine Zahl gar auf 10000 Mann an; trotzdem griff ihn Cornwallis am 15. März bei Guilfords-Court an und siegte. Aber auch die Engländer hatten große Verluste und waren wegen Mangel an allem genötigt, den Rückzug auf Wilmington an der Küste fortzusetzen, wo Cornwallis für derartige Fälle von Charleston aus Depots hatte anlegen lassen. Im Inneren von Südcarolina stand noch ein kleines englisches Heer unter Lord Rawdon; gegen dieses wandte sich Greene.

Es sei hier gleich erwähnt, daß dieser kleine Krieg nicht zur Entscheidung beitrug. Rawdon verteidigte sich gut, mußte aber schließlich doch auf Charleston zurückgehen und ward hier eingeschlossen, als sich der Hauptkrieg nach Virginien zog und die beiden Carolinas sowie Georgien ganz den Amerikanern zufielen.

Cornwallis hatte nun die Wahl, nach Erholung seiner Truppen aufs neue um die Herrschaft in Carolina zu kämpfen oder nach Virginia zu marschieren und der dort operierenden Expedition die Hand zu reichen. Er wählte das letztere, da er sich für ersteres zu schwach fühlte und außerdem den Kampf um das Chesapeakegebiet für wichtiger hielt. Er überließ Rawdon seinem Schicksal. Nach 18tägiger Ruhe trat er am 25. April den Marsch an, vereinigte sich am 20. Mai in Petersburg mit den Truppen des Generals Arnold und übernahm den Oberbefehl.

Clinton war mit dem von Cornwallis auf eigene Faust unternommenen Zuge durchaus nicht einverstanden. Er schrieb: „Operationen im Chesapeakegebiete sind so lange mit großer Gefahr verknüpft, als wir nicht einer ununterbrochenen Seeherrschaft sicher sind. Ich zittere vor den verhängnisvollen Folgen, die daraus entstehen können.“ In den Carolinas auf Charleston zurückgetrieben, war die englische Macht nur noch auf zwei Stellen konzentriert, in New York und an der Chesapeakebucht. Da New Jersey und Pennsylvanien in der Hand der Gegner waren, hing die Verbindung der beiden Kriegsschauplätze vollständig von der Offenhaltung des Seeverkehres ab. Aber trotz seines ungünstigen Urteils über das Vorgehen Cornwallis' hatte ja Clinton selber schon eine starke Abteilung im Chesapeakegebiete aufs Spiel gesetzt!

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Chesapeakebucht 16. März 1781.

Die englische Expedition gegen Virginia. Erste Seeschlacht vor der Chesapeakebucht, 16. März 1781. Ende Dezember 1780 ging Arnold mit[333] 1600 Mann nach der Chesapeakebucht, drang den Jamesfluß hinauf, verheerte das Land, ohne nennenswerten Widerstand zu finden und setzte sich dann in Portsmouth, einem als maritimem Stützpunkt geeigneten Platze, fest. Washington bat Rochambeau und Des Touches, den schwachen amerikanischen Kräften in Virginien Unterstützung zu bringen. Die Gelegenheit hierzu erschien nicht ungünstig, da das englische Geschwader augenblicklich geschwächt war. Arbuthnot hatte nämlich drei seiner Schiffe in See gehabt, um drei französische abzufangen, die zur Aufnahme eines von Europa erwarteten Transportes ausgelaufen waren. In einem Sturme wurden zwei der englischen Schiffe entmastet und das dritte strandete, während die französischen vor Ausbruch des Unwetters wieder einlaufen konnten. Aber gerade dieses Mißgeschick der Gegner bestimmte Des Touches, nicht sein ganzes Geschwader den Unbilden der Jahreszeit auszusetzen; er sandte nur ein Linienschiff nebst 2 Fregatten am 9. Februar zur Chesapeakebucht. Diese richteten aber nichts aus, da sich Arnolds kleinere Fahrzeuge in den Flüssen verbargen; sie kehrten Ende des Monats zur Flotte zurück, wobei ihnen allerdings eine von Charleston kommende Fregatte in die Hände fiel. Inzwischen hatte Washington aber doch die französischen Führer zu einem gemeinsamen Unternehmen gegen Arnold gewonnen.

Die Amerikaner setzten Lafayette mit 1200 Mann nach Virginien in Bewegung und Des Touches ging am 8. März bei Einbruch der Nacht mit seinem ganzen Geschwader, sowie 1100 französischen Soldaten in See. Arbuthnot, der seeklar am Eingange der Gardinerbucht lag, folgte sofort. Da seine Schiffe sämtlich gekupfert waren, von den französischen nur drei, vielleicht auch infolge größerer seemännischer Geschicklichkeit, überholte er den Gegner. Am 16. März 6 Uhr vorm. meldete eine Fregatte, daß dieser 2–3 Seemeilen achteraus stehe; wegen nebligen Wetters hatte man ihn bislang nicht gesehen. Zu dieser Zeit lagen die Geschwader etwa 40 Seemeilen nordöstlich vom Eingange der Chesapeakebucht; der Wind war westlich, so daß sie nicht unmittelbar in die Bucht einlaufen konnten und das englische[334] Geschwader stand zwischen der Einfahrt und dem französischen (Plan A, A′). Arbuthnot drehte sofort um und steuerte nach Norden auf den Feind zu; nach einigen Manövern bei beständig umspringendem Winde kam es bald nach Mittag zur Schlacht.

Die Schlacht vor der Chesapeakebucht am 16. März 1781[161]. Beide Geschwader zählten 8 Schiffe in der Linie, und zwar das englische ein Schiff zu 98 Kanonen, 3 zu 74, 3 zu 64, 1 zu 50 und das französische ein Schiff zu 84, 2 zu 74, 4 zu 64, 1 zu 44; hierzu traten 4 englische und 3 französische Fregatten. Die Engländer waren also an Geschützen nicht unwesentlich überlegen.

Bald nachdem die Engländer den Kurs nach Norden aufgenommen hatten, drehte der Wind nach Nord, wodurch die Franzosen in die Luvstellung kamen. Des Touches bildete nun die Gefechtslinie über Steuerbordbug, steuerte also östlich; Arbuthnot folgte seinem Beispiele. Der Wind drehte weiter, bis er gegen Mittag auf NO stehen blieb und stürmisch mit aufkommender hoher See wurde. Die bessere Segelfähigkeit der englischen Schiffe brachte sie nach und nach näher an die französischen heran, so daß des Touches seine Nachhut bedroht sah (Plan B, B′). Um dieser Gefahr entgegenzutreten, legte er sein Geschwader über den anderen Bug und ging dem Feinde entgegen. Da er noch Zeit genug hatte, führte er das Manöver im Kontremarsch aus. Er wollte nach französischem Brauche den unvermeidlichen Kampf in der Leestellung aufnehmen, was in diesem Falle auch den Vorteil bot, daß die Schiffe die untersten Batterien verwenden konnten, die in der Luvstellung des starken Überliegens halber die Pforten geschlossen halten mußten. Er zog nun mit seiner Linie vor der Spitze der englischen vorüber und steuerte dann westlich.

Arbuthnot segelte zunächst weiter, bis er etwa 2 Uhr nachmittags querab vom Feinde war, halste dann im Kontremarsch (C, C′) und ging an ihn heran. Die Franzosen eröffneten schon das Feuer, während die Engländer noch ihr Manöver ausführten, und um 2½ Uhr lagen beide Linien im Gefecht. Der englische Admiral hatte das Signal zum „Nahgefecht“ nicht geheißt, dagegen das für „Gefechtslinie“ wehen lassen. Infolgedessen zögerten die hinteren Schiffe mit dem Nahangriff, und die bekannten Nachteile der englischen Taktik traten schroff hervor: die drei vorderen Engländer hatten beim Herangehen schweres Enfilierfeuer auszuhalten, kamen früher sowie auf nähere Entfernung zum Kampf als die hinteren (D, D′) und litten sehr. Des Touches nützte dies aus. Er befahl seinen vorderen Schiffen, auszuweichen, führte die übrigen unter lebhaftem Feuer an der englischen Spitze vorüber, halste im Kontremarsch und segelte nach Osten ab (E′). Arbuthnot hatte zwar die Absicht, ihm zu folgen, aber seine vordersten Schiffe waren augenblicklich manövrierunfähig, er mußte auf seinem westlichen Kurse bleiben (E). So endete der Kampf.

Die Verluste betrugen auf englischer Seite 30 Tote und 73 Verwundete, auf französischer 73 und 112.

Die Schlacht blieb taktisch unentschieden, da sie nicht bis zum äußersten durchgefochten wurde; doch war sie ein strategischer Erfolg der Engländer. Ihre Flotte lief während der Nacht in die Bucht ein, Des Touches segelte nach Rhode-Island zurück, da sich der Kriegsrat am 17. dahin entschied, daß man die Landung der Truppen nicht ausführen könne.

In Hinsicht auf die Seekriegsgeschichte ist die Schlacht ein gutes Beispiel zu unseren fortlaufenden Betrachtungen über die Taktik der beiden Gegner[335] und die Strategie der Franzosen. Arbuthnot war stärker, tat aber dem Feinde keinen Abbruch. Dies war eine Folge der alten englischen Angriffsart, die um so mehr hervortrat, als der Admiral das Signal, die Linie zu halten, hatte wehen lassen. Dies wurde ihm auch zum Vorwurf gemacht, und es ergibt sich daraus, daß man es in England mehr und mehr als fehlerhaft erkannte, unbedingt die Ordnung zu wahren. — Des Touches verfuhr seinerseits nach der französischen Defensivtaktik, er wählte sogar freiwillig die Leestellung und nutzte dann auch die günstige Lage geschickt aus. Den errungenen Vorteil aber, die Lahmlegung von drei feindlichen Schiffen, verfolgte er nicht. Hätte er den Kampf wieder aufgenommen, so würde er wahrscheinlich seine Aufgabe haben lösen können; die dem französischen Offizierkorps anerzogene Scheu vor entscheidenden Kämpfen hielt ihn aber davon ab.

Allerdings machte man Des Touches Vorwürfe über sein Verhalten, und weder ihm noch seinen Kommandanten wurde Anerkennung für das geschickt geführte Gefecht zuteil. Wie tief aber die vorsichtige Kriegführung im französischen Offizierkorps eingewurzelt war, zeigt der Bericht des Admiral Barras, der kurz nach der Schlacht an Des Touches' Stelle trat und sich für diesen verwandte. Er schrieb, nachdem er den taktischen Erfolg hervorgehoben hatte: „Daß die Engländer ihre strategische Aufgabe lösten, war eine Folge ihrer Überlegenheit und noch mehr des Umstandes, daß dieselbe eine rein defensive war. Es ist ein Grundsatz im Kriege, viel zu wagen, um die eigene Lage zu verteidigen, aber sehr wenig, um die des Gegners anzugreifen. Des Touches' Aufgabe war eine rein offensive, und er tat recht, sie aufzugeben, da es unwahrscheinlich war, daß er den überlegenen Gegner nicht nur schlüge, sondern auch völlig vernichte[162].“ Mahan bemerkt hierzu (Clowes III, Seite 493) sehr treffend: „Diese Erhebung der Defensive über die Offensive, dieses hemmende Rechnen mit Möglichkeiten, diese Scheu vor Wagnissen erklären die geringen Erfolge der Franzosen in diesem Kriege.

Des Touches erreichte am 18. März die Narragansettbucht, Anfang April stieß ein Linienschiff mit Munition, sowie 600 Soldaten von Frankreich zu ihm, und am 10. Mai langte auf einer Fregatte der Chef d'Escadre de Barras an, der den Oberbefehl übernahm. Auch Arbuthnot traf bald nach der Schlacht wieder in New York ein und begab sich auf seine Beobachtungsstellung in der Gardinerbucht; am 2. Juli wurde er durch den Kontreadmiral Sir Thomas Graves im Kommando abgelöst.

Virginia wird der entscheidende Schauplatz des Landkrieges, Sommer 1781. Des Touches überließ durch seinen Rückzug den Engländern die Chesapeakebucht und Clinton sandte sofort (Ende März) den General Phillips mit 2000 Mann dorthin. Dieser übernahm den Oberbefehl, segelte während des Monats April den Jamesfluß hinauf, landete an verschiedenen Stellen, trieb die amerikanischen Milizen auseinander und verwüstete das Land planmäßig. Anfang Mai ging er wieder flußabwärts und erhielt am 7. Mai von Cornwallis, der jetzt aus Carolina herangekommen war, Befehl, sich mit ihm in Petersburg zu vereinigen. Lafayette war Phillips beobachtend gefolgt und versuchte vergeblich, Petersburg vor diesem[336] zu erreichen, entzog sich aber doch dem Angriff durch Cornwallis. Die Vereinigung der englischen Heere fand am 20. Mai statt, nachdem Phillips kurz vorher einem Fieber erlegen war. Schon am 24. überschritt Cornwallis den Jamesfluß, um Lafayette anzugreifen, der vor Richmond Stellung genommen hatte. Dieser wich jedoch weiter aus und erhielt bald darauf Verstärkung.

Cornwallis blieb bei Williamsburg stehen, um die Halbinsel zwischen dem James- und dem Yorkflusse zu halten. Hier bekam er Befehl, einen Teil seines Heeres an Clinton zurückzusenden, der sich in New York unsicher fühlte. Es zeigte sich jetzt also die Folge seines Fehlers, daß er die so schon kaum genügenden Kräfte auf zwei nur über See in Verbindung stehende Kriegsschauplätze verteilt hatte. Cornwallis wollte nun auf Portsmouth zurückgehen, um dem Meere näher zu sein. Beim Übergang über den Jamesfluß wurde er von Lafayette angegriffen; der nur noch die Nachhut vor sich zu haben glaubte und eine schwere Niederlage erlitt. Cornwallis erhielt jetzt mit dem Widerruf des letzten Befehls den Auftrag, sich in Yorktown am Südufer in Gloucester am Nordufer des Yorkflusses festzusetzen und die Halbinsel zu behaupten. Er verfügte dazu über etwa 7000 Mann, 1 Schiff zu 50 Kanonen und einige kleinere Fahrzeuge; ihm gegenüber lag Lafayette mit etwa 1800 Regulären und 3000 Milizen (Ende August). Hier sollte sich der Landkrieg entscheiden, da die Verbündeten bald mit weitüberlegenen Kräften auftraten.

Mit dem Admiral Barras war der Sohn des Generals Rochambeau von seiner Sendung nach Frankreich zurückgekehrt und hatte berichtet, de Grasse habe Befehl, während der Orkanzeit von Westindien nach Nordamerika Schiffe zu senden. Daraufhin kamen Washington und Rochambeau am 21. Mai zusammen, um einen Kriegsplan aufzustellen. Man zog den Angriff auf New York, sowie eine große Expedition nach Virginia in Erwägung und entschied sich für letztere, hauptsächlich in der Annahme, daß de Grasse nach den Erfahrungen d'Estaings vor New York lieber in der Chesapeakebucht bleiben würde. Man beschloß, sofort die französischen Truppen zu den amerikanischen am Hudson heranzuziehen, um so zu beiden Unternehmungen bereit zu sein, falls de Grasse wider Erwarten den Angriff auf New York vorziehe.

Nach einer zweiten Beratung am 20. Juni ward dann eine Fregatte nach Westindien gesandt, um dem Admiral Kenntnis von den Plänen zu bringen und ihn um baldiges Kommen zu bitten. Dieses Schiff nahm auch amerikanische Lotsen mit; Barras, der mit de Grasse gleichzeitig Frankreich verlassen hatte, war von diesem hierzu beauftragt worden. Die Fregatte traf bekanntlich den Admiral in Cap Français und kam schon am 15. August mit der Nachricht zurück, daß er Anfang August nach der Chesapeakebucht unter Segel gehen werde. Inzwischen war Ende Juli die Vereinigung am Hudson erfolgt, und man verstärkte die Tätigkeit vor New York, um Clinton über den eigentlichen Plan zu täuschen. Am 19. August traten[337] dann plötzlich 2000 Amerikaner und 4000 Franzosen den Marsch nach Virginia an und erreichten am 3. September Philadelphia. Hier erhielt man zunächst die beunruhigende Nachricht, daß Hood von Westindien in New York angekommen sei, aber gleich darauf erfuhr man de Grasses Eintreffen vor der Chesapeakebucht und stand schon am 5. September mit ihm in Verbindung.

Das französische Geschwader in der Narragansettbucht, 8 Linienschiffe und 4 Fregatten, ging am 25. August nach der Chesapeakebucht in See; es führte auf 18 Transportern Truppen nebst einem Belagerungspark mit sich. Barras hatte anfangs Bedenken geäußert: er könne mit Graves in New York, der außerdem noch Verstärkung aus England entgegensehe, oder mit der aus Westindien sicher zu erwartenden englischen Flotte zusammenstoßen; de Grasse sei aber mit 24 Linienschiffen auch ohne ihn jedem Gegner gewachsen und habe ihm ja, wohl aus diesem Grunde, freie Hand gelassen. Da wolle er lieber eine Diversion gegen Neufundland unternehmen. Er fügte sich jedoch später, nahm aber der Sicherheit halber seinen Kurs nach Süden weit von der Küste und steuerte die Bucht erst auf der Breite vom Kap Henry an. So traf er dort unbelästigt, aber erst am 10. September ein, als die Lage in der Hauptsache bereits entschieden war.

Barras' Einwurf war durchaus berechtigt, denn Graves war stark genug, ihn mit seinem Transporte zurückzuweisen, wie es Arbuthnot mit Des Touches geglückt war; er traf auch tatsächlich früher vor der Bucht ein als Barras. Mit Rücksicht auf Graves' Stärke hatte man sogar kurze Zeit vorher daran gedacht, das französische Geschwader nach Boston zurückzuziehen.

De Grasse und Hood treffen ein. Zweite Schlacht vor der Chesapeakebucht, 5. September 1781. Admiral Hood war am 25. August vor der Bucht angelangt. Da man aber in New York nichts von seinem Kommen wußte, fand er keine Nachrichten über die Lage vor, segelte weiter und ankerte am 28. bei Sandy Hook. Am Abend dieses Tages erfuhr man in New York die Abfahrt der Franzosen von Rhode-Island. Admiral Graves kam mit 5 Linienschiffen und einem 50-Kanonenschiffe, die allein völlig seebereit waren, aus dem Hafen, übernahm den Oberbefehl und segelte am 31. August zur Verfolgung ab. Man wußte jetzt, daß das Heer der Verbündeten im Eilmarsch nach dem Süden zog, auch wollte man versuchen, Barras und de Grasse einzeln zu schlagen; letzteren schätzte man, wie auch Rodney getan hatte, auf nur etwa 14 Schiffe.

De Grasse erreichte die Chesapeakebai am 30. August und ankerte in der Lynnhavenbucht hinter Kap Henry. Er ließ trotz des weiten Weges die mitgebrachten 3300 Soldaten durch die Ruderboote der Flotte nach dem Jamesflusse befördern und dort landen, auch sandte er 4 Linienschiffe mit, um diese Überführung zu decken, die englischen Schiffe im Yorkflusse festzuhalten und um dem englischen Heere unter Cornwallis den Rückzug über den Jamesfluß zu verlegen.

Lafayette wurde durch die Gelandeten auf 8000 Mann verstärkt und rückte bis Williamsburg vor. Am 5. September früh erhielt de Grasse[338] eine Bitte Washingtons, seine Truppen von Philadelphia nach Virginien überzusetzen; der Admiral bestimmte hierfür auch 7 Linienschiffe, wollte jedoch zuvor noch die Rückkehr der entsandten Boote abwarten. Um 9 Uhr vormittags meldete ihm eine Ausguckfregatte das Nahen einer großen Flotte. Man hielt diese zunächst für das Geschwader Barras' mit den Transportern, entnahm aber bald aus der Anzahl der schweren Schiffe, daß es Engländer sein müßten. De Grasse beschloß, ihnen vor der Bucht entgegenzutreten und ging um Mittag in See, als die Ebbe einsetzte. Graves war seinerseits auf das peinlichste überrascht, auf eine überlegene Flotte zu stoßen, zögerte aber keinen Augenblick mit dem Angriff. Die Schwerfälligkeit der englischen Methode ließ jedoch seine Tapferkeit zuschanden werden.

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Schlacht vor der Chesapeakebucht, 5. September 1781.

Die Schlacht vor der Chesapeakebucht am 5. September 1781[163]. Die französische Flotte zählte 24 Linienschiffe und zwar: 1 Schiff zu 104 Kanonen („Ville de Paris“, das größte und schönste Schiff jener Zeit), 3 zu 80, 17 zu 74, 3 zu 64; die englische Flotte zählte 19 Schiffe: 2 zu 90, 12 zu 74, 1 zu 70, 4 zu 64, 1 zu 50 (dieses stand nicht in der Linie).

Die Mündung der Bucht vom Kap Charles bis Kap Henry ist etwa 10 Seemeilen breit; die Haupteinfahrt befindet sich zwischen letztgenanntem Kap und einer 3 Seemeilen entfernten Bank, dem Mittelgrunde. Als die englische Flotte gesichtet wurde, segelte sie von Norden mit südwestlichem Kurse auf die Einfahrt zu und bildete bei der Annäherung Kiellinie. Der Wind war NNO, viele der französischen Schiffe mußten beim Inseegehen einige Schläge machen, um das Kap Henry zu passieren; die Bildung der Linie dauerte infolgedessen längere Zeit, und sie war anfangs weder gut geschlossen noch ausgerichtet. De Grasse steuerte über Steuerbordbug beim Winde nach Osten; um 2 Uhr nachmittags stand seine Vorhut querab von der Mitte der Engländer.

Nun halste Graves mit allen Schiffen zugleich, so daß die beiden Linien parallel etwa 3 Seemeilen voneinander entfernt über gleichen Bug lagen, wartete ab, bis das feindliche Flaggschiff querab von dem seinen war (Plan: Lage A, A′) und setzte sich dann wieder in Fahrt. Um 2½ Uhr gab er dem Spitzenschiff Befehl, auf die Spitze des Gegners zuzuhalten; da die anderen Schiffe im Kielwasser des Spitzenschiffes bleiben[339] mußten, näherte sich die englische Linie der feindlichen in einem spitzen Winkel. Um 3¾ Uhr heißte der Admiral das Signal zum Angriff, ließ aber das für „Kiellinie“ wehen. Die Engländer befanden sich also genau in der Lage (B, B′), die sich bei Betrachtung der Taktik (Seite 41) als überaus ungünstig herausgestellt hat, und die Folgen blieben nicht aus. Die vorderen Schiffe kamen früher ins Gefecht, die folgenden erst nach und nach, ja überhaupt nur bis zum zwölften; diese zwölf aber hatten längere Zeit Enfilierfeuer auszuhalten, ohne es ernstlich erwidern zu können. In diesem besonderen Falle ergab sich hieraus noch ein weiterer Übelstand. Der Admiral, sowie einige Schiffe vor ihm luvten während der Annäherung zeitweise an, um ihre Breitseiten abgeben zu können, hierdurch wurde die Ordnung gestört und die Schiffe behinderten sich gegenseitig, Umstände, die sich bei anderen Schlachten als eine Folge dieser Art des Angriffs herausstellten, wenn Schiffe durch Havarien aufgehalten wurden (vgl. Minorka, Seite 137). Nach dem Schiffsjournal des Flaggschiffes hat Graves mehrere Male das Signal „Kiellinie“ niedergeholt, es aber immer wieder geheißt. Der Führer der Nachhut, Hood, hat das Niederholen um 5½ Uhr, dicht vor Ende des Kampfes, zum ersten Male erkannt. Die letzten 7 Schiffe kamen überhaupt nicht mehr zum Gefecht, was Hood eben diesem Umstande neben dem zu schrägen Heranführen zuschrieb. Um die genannte Zeit nämlich gab de Grasse seinen vordersten Schiffen Befehl, langsam abzuhalten, denn er glaubte sie gefährdet, weil seine hinteren Schiffe ziemlich weit in Lee standen. Graves aber blieb dicht am Winde liegen, und so endete der Kampf gegen Sonnenuntergang. Hood schrieb am nächsten Tage eine Kritik über die Führung, die auch veröffentlicht wurde. Sie gipfelte in den erwähnten Punkten und zog den Schluß, daß ohne diese Fehler die feindliche Vorhut hätte vernichtet werden können.

Die Verluste betrugen auf französischer Seite nach eigener Angabe 200 Tote und Verwundete, auf englischer 336; auch waren wie gewöhnlich die vorderen englischen Schiffe, besonders fünf von ihnen, stark beschädigt.

Nach vorstehender Schilderung ist auch diese Schlacht ein besonders gutes Beispiel für die Taktik der beiden Gegner. Strategisch war sie ein Erfolg der Franzosen. Graves hatte wohl die Absicht, den Kampf zu erneuern, sah aber wegen der Beschädigung mehrerer seiner Schiffe davon ab. Er hielt sich bis zum 9. September in Sicht der Franzosen, am 10. mußte er ein 74-Kanonenschiff verbrennen, da es nicht mehr flott zu halten war, und als ihm am 13. eine Fregatte meldete, daß die französische Flotte noch verstärkt in der Bucht läge, segelte er nach New York ab, wo er am 19. eintraf.

Hood war auch mit dem Verfahren nach der Schlacht nicht einverstanden. Nach seiner Ansicht hätte man unmittelbar nach Abbruch des Kampfes in die Bucht einlaufen und hier eine Verteidigungsstellung einnehmen müssen; der Feind würde dann wahrscheinlich von einem Angriffe abgesehen haben. Als er dann am 13. September von Graves um seine Ansicht befragt wurde, antwortete er, er könne wirklich keinen Rat in der traurigen Lage geben, in die man sich selber gebracht habe.

De Grasse hatte sich während der Tage nach der Schlacht beobachtend und abwartend verhalten; ihm lag in erster Linie daran, das erwartete Geschwader Barras' sicher aufzunehmen. Am 10. September segelte er nach der Chesapeakebucht, da er wegen seiner Boote in Sorge war und auch den Vormarsch des Landheeres unterstützen wollte. Als er am 11. einlief, fand er die Boote und Barras in Lynnhavenbucht vor.

Cornwallis ergibt sich in Yorktown, Oktober 1781. Inzwischen hatten die Generale am Nordende der Chesapeakebucht alle Fahrzeuge gesammelt, deren sie habhaft werden konnten und mit ihnen 2000 Mann nach Süden[340] befördert; der Rest setzte den Marsch zu Lande fort und wurde dann teilweise durch französische Fregatten von Annapolis aus weitergeführt. Am 25. September war die ganze Macht der Verbündeten, 14000 Mann, bei Williamsburg vereint und rückte am 26. gegen Yorktown vor; die Stadt ward eingeschlossen und auch Gloucester berannt. Um diese Zeit erfuhr de Grasse, daß Graves Verstärkungen erhalten habe. Er wollte auslaufen, da er dessen Erscheinen erwartete, aber Washington ersuchte ihn zu bleiben, damit Cornwallis keine Möglichkeit habe zu entschlüpfen. So hielt sich die Flotte nur zum Inseegehen bereit.

Cornwallis war nun auch vom Meere abgeschnitten. Von seinen Truppen — 7250 Soldaten und 850 Seeleute, die in den Werken Schiffsgeschütze der Flottille bedienten — lagen ungefähr 1500 Mann krank, Lebensmittel wie Munition wurden knapp; auch ein Versuch, sich von Norfolk über den Yorkfluß nach Gloucester zu ziehen, schlug fehl, da ein Sturm die Boote der Flottille vernichtete. In der Nacht vom 14./15. Oktober nahmen die Belagerer zwei wichtige Außenforts. Am 18. trat Cornwallis in Unterhandlungen und übergab am 19. Oktober Yorktown. Das englische Heer ward kriegsgefangen; 22 Fahnen, 160 Kanonen, 8 Mörser, sowie einige kleinere Kriegsschiffe fielen den Siegern in die Hände. Um die „Loyalisten“ zu retten, die unter ihm dienten und die von den Amerikanern als Verräter behandelt worden wären, bedingte sich Cornwallis aus, daß ein Schiff mit ihnen an Bord undurchsucht nach New York segeln dürfte, von wo es dann zurückkehren und sich den Gegnern überliefern mußte. Noch größer war der moralische Erfolg des Sieges. Er belebte den gesunkenen Mut der Amerikaner, gab in England der Opposition und den Friedensfreunden eine neue Waffe und trug selbst zum Sturz des Ministeriums bei. Mit dem Falle von Yorktown war der Krieg in Nordamerika gewissermaßen beendet.

Die großen Flotten segeln nach Westindien zurück. Kurz nach Ankunft der englischen Flotte in New York stießen Kontreadmiral Digby, der den Oberbefehl der Station übernehmen sollte, von England mit 3 Linienschiffen, sowie die beiden von Rodney nach Jamaika entsandten Schiffe zu ihr. Ein neuer Versuch zum Entsatz Yorktowns wurde beschlossen. Graves, der für das Kommando der Jamaikastation bestimmt war, behielt vorläufig den Oberbefehl und erschien am 25. Oktober mit 27 Linienschiffen, sowie 6000 Mann bei Kap Henry; auf die Nachricht von Cornwallis' Schicksal kehrte er jedoch nach New York zurück, ohne einen Angriff auf die französische Flotte gemacht zu haben. Er ging dann auf seine neue Station; Hood segelte am 5. November mit 18 Linienschiffen nach Westindien und traf am 5. Dezember in Barbados ein.

De Grasse ging am 4. November mit seiner ganzen Flotte, einschließlich des Geschwaders Barras', in See; nur einige Fregatten blieben zurück. Er zweigte 4 Linienschiffe ab, um die von St. Domingue mitgenommenen Soldaten wieder dorthin zu führen und dann den bei seiner Abfahrt zurückgelassenen Konvoi nach Europa zu geleiten. Mit dem Gros traf er am 26. November in Fort Royal ein.

[341]

Washington hatte de Grasse ersucht, noch einen Angriff auf Charleston oder auf Wilmington zu unterstützen. Der Admiral erklärte, seinem Befehle gemäß möglichst bald nach Westindien segeln zu müssen; ein Unternehmen gegen erstgenannte Stadt würde zu langwierig werden, zu einem solchen gegen Wilmington stelle er sich zur Verfügung, wenn es vor dem 1. November begonnen werden könne. Da jedoch die Amerikaner bis dahin nicht bereit waren, segelte er mit dem Versprechen ab, im nächsten Jahre wiederzukommen.

Die Franzosen erobern St. Eustache zurück, 26. November 1781. Der Gouverneur von Martinique, Marquis de Bouillé, hatte erfahren, daß die Engländer seit der Abfahrt der Flotten nach Nordamerika in St. Eustache alle Vorsicht gegen einen Angriff außer acht ließen. Er ging am 16. November mit 2 Fregatten, einer Korvette und 1200 Mann auf einigen Handelsschiffen in See, landete in der Nacht vom 25./26. etwa 6 Seemeilen von der Stadt und rückte auf diese vor. Am 26. um 6 Uhr morgens überraschte er einen Teil der englischen Garnison auf dem Exerzierplatze und drang mit den Flüchtenden in das Fort ein; die übrigen Engländer wurden in der Stadt und in den Kasernen gefangen genommen. Außer etwa 700 Soldaten fiel ein Teil der Beute Rodneys in die Hände der Sieger, die sie den Holländern zurückgaben. Von St. Eustache aus bemächtigte sich Bouillé dann auch der Inseln St. Martin und Saba; nach Fort Royal zurückkehrend, fand er de Grasse dort vor.

Beurteilung der Kriegführung in Westindien und Nordamerika 1781. In Westindien traf Rodney zu Anfang des Jahres auf keinen nennenswerten Widerstand, und so wurde es ihm leicht, sich der holländischen Besitzungen zu bemächtigen. Zu sehr um die Sicherung der Beute besorgt, trug er dann aber der Änderung der Lage keine Rechnung, die durch die Ankunft der großen Flotte nebst Konvoi unter de Grasse entstand. Es war falsch, Hood in Lee der Insel Martinique zu stationieren; de Grasse erhielt dadurch Gelegenheit, den Konvoi nach Fort Royal zu führen. Rodney selber würde wohl anders gehandelt haben. Hood konnte nur der erhaltenen Weisung folgen und, als es ihm nicht gelungen war, seine schwächeren Kräfte in günstiger Lage zum Kampfe zu bringen, seinen Oberbefehlshaber wieder aufsuchen. Hierdurch ging Zeit verloren, und den Franzosen glückte die Wegnahme von Tabago.

Später war Rodney als der Schwächere stets nur imstande, den Gegner in Schach zuhalten und die anderen Inseln, besonders Barbados, zu decken. Wenn er endlich nur einen Teil der Flotte nach Nordamerika sandte, auf die unsichere Annahme hin, der Gegner habe ein gleiches getan, so war auch dies ein Fehler, ist jedoch damit zu entschuldigen, daß die englischen Admirale stets der öffentlichen Meinung zuliebe großes Gewicht auf die Sicherung von Konvois legen mußten.

De Grasse trat in Westindien nicht so tatkräftig auf, wie es die Stärke seiner Flotte erlaubt hätte. Bei Martinique war er Hood gegenüber zu besorgt um den Konvoi, später Rodney gegenüber um die Sicherheit der eroberten Inseln. Es war eben wieder das vorsichtige Handeln der französischen Führer jener Zeit. Hätte er seine Überlegenheit zur Erringung der Seeherrschaft eingesetzt, würde er vielleicht sämtliche Antilleninseln erobert[342] haben; so blieb die feindliche Flotte unversehrt, und Tabago war der einzige Erfolg. Anders zeigte sich de Grasse beim Antritt seiner Fahrt nach Nordamerika.

In Nordamerika waren die Engländer durch die Expedition nach Virginia in eine gefährliche Lage geraten. Anfangs befanden sie sich hier allerdings im Vorteil, und auch der erste Versuch der Verbündeten, ihre Lage zu bessern, schlug fehl, da der französische Admiral Des Touches trotz des im allgemeinen erfolgreichen Zusammenstoßes mit Arbuthnot seine Aufgabe nicht durchführte. Das Vordringen der Engländer in Virginien erhöhte die schon vorhandene Kriegsmüdigkeit in den Kolonien. Der Zeitpunkt schien nicht fern, wo der Kongreß den Krieg hätte beenden müssen, wenn nicht Hilfe kam. Diese sollte die große französische Flotte bringen und den Umstand benutzen, daß die Engländer zur Verbindung zwischen den beiden Kriegsschauplätzen ganz auf den Seeweg angewiesen waren, um sie auf einem derselben überlegen und überraschend anzugreifen.

Ganz richtig wählten Washington und Rochambeau hierzu Virginien. Hier war die englische Stellung schwächer als im Norden, man konnte durch scheinbare Bedrohung von New York den Gegner über den wahren Angriffspunkt täuschen, bis die Flotte die Verbindung unterbrach. Die Chesapeakebucht lag außerdem Westindien näher und ihre Wassertiefen machten sie geeigneter für ein Mitwirken der Seestreitkräfte. Auch de Grasse erkannte die Lage richtig und führte seine Aufgabe mit Entschlossenheit und Tatkraft durch. Er erhob keine Einwände, die Verzögerungen gebracht hätten, sondern beschaffte schnell die verlangten Geldmittel und Truppen und nahm von Seestreitkräften alles mit, was zu erlangen war, obgleich dadurch ein großer Konvoi zurückbleiben mußte.

Mahan (I, Seite 379) sagt hierzu: „Dieser Vorfall beleuchtet eine Schwäche eines handeltreibenden Volkes mit parlamentarischer Regierung dem reinen Militärstaat gegenüber. So schrieb ein Offizier jener Zeit, wenn die britische Regierung eine derartige Maßnahme (d. i. Zurückhaltung des Konvois) gebilligt oder ein englischer Admiral sie angeordnet hätte, so wäre die erstere gestürzt und letzterer gehängt worden.“ Wie eben erwähnt, hatte Rodney seine Flotte durch Konvoibegleitungen geschwächt.

So war de Grasse rechtzeitig in genügender Stärke zur Stelle, beschäftigte dann Graves mit Kaltblütigkeit, bis Barras zu ihm stieß, und unterstützte schließlich die Operationen des Heeres. Die französische Flotte trug in erster Linie zum Falle von Yorktown und damit zur Beendigung des Krieges in Nordamerika bei.

De Grasse fand volle Anerkennung in Amerika. Der Kongreß sprach ihm seinen Dank aus und schenkte ihm vier der eroberten Kanonen, die der Admiral später vor seinem Schlosse de Tilly im Departement Seine et Oise aufstellte. Noch mehr mußte ihn die Anerkennung Washingtons befriedigen, dieses tüchtigen Kriegs- und Staatsmannes, der wie niemand sonst die Hilfsquellen seines Landes, sowie die Schwierigkeit des Kampfes kannte. Dieser schrieb ihm nach der Übergabe von Yorktown: „Die Übergabe...., wofür die Ehre Eurer Exzellenz gebührt, ist unserer hoffnungsvollsten Erwartung vorausgeeilt.“ Er bittet dann um weitere Unterstützung und fährt fort: „Die Überlegenheit der Engländer zur See vor Ihrer Ankunft gab ihnen entscheidende Vorteile durch den schnellen Transport von Truppen und Vorräten,[343] während die Märsche, die unsere Verstärkungen machen mußten, sie der Gefahr aussetzten, einzeln geschlagen zu werden. Es hängt von Ew. Exzellenz ab, den Krieg zu beenden.“ Als de Grasse diese Aufforderung ablehnte, aber auf das nächste Jahr verwies, nahm Washington dies an und fügte hinzu: „Ich brauche Ew. Exzellenz gegenüber nicht auf die unabweisbare Notwendigkeit einer so starken Seestreitkraft zurückzukommen, die Ihnen die unbedingte Überlegenheit sichert.... Sie werden bemerkt haben, daß bei allen Anstrengungen des Landheeres der Marine stets das entscheidende Wort in dem gegenwärtigen Kampfe zufällt.“ — Mahan I, Seite 383–386, bringt weitere Auszüge aus Briefen Washingtons, auch an andere Personen, die bezeugen, welch hohen Wert er der Kriegführung zur See beimaß.

Der ungünstige Verlauf der englischen Unternehmungen ist zunächst der Teilung der Kräfte für Westindien und Nordamerika zuzuschreiben, eine Folge der Strategie Englands, auf allen Kriegsschauplätzen stets einem Angriffe gewachsen zu sein. Wir wollen hierauf in der Schlußbesprechung des Krieges eingehen. Schlechte Leitung und wirkliches Mißgeschick traten hinzu.

Graves' Geschwader hätte um einige Schiffe der Jamaikastation stärker sein können, wenn Rodneys Befehle genau befolgt wären. Es waren unglückliche Zufälle, daß Graves die Nachrichten aus Westindien nicht erhielt, sonst wäre er wohl rechtzeitig vor der Chesapeakebucht gewesen. Vielleicht war es ein Fehler, daß er selbst mit der ganzen Flotte New York zu einer Jahreszeit verließ, zu der er auch ohne weiteres die Flotten aus Westindien erwarten konnte, aber ihm war von England aus das Abfangen eines französischen Konvois dringend empfohlen.

Als er dann nach der Chesapeakebucht ging, wußte er von Barras' Auslaufen und hätte außer Sicht von Land kreuzen müssen, um zunächst diesen abzufangen. Wäre dies, wie wahrscheinlich, geglückt, so würde das feindliche Heer vor Yorktown kein Belagerungsmaterial gehabt haben und die französische Flotte späterhin nicht so überlegen gewesen sein. Daß de Grasse überhaupt schon und in solcher Stärke angelangt war, wußte er allerdings nicht. Die vor der Bucht stationierten Kreuzer hatten geankert, statt unter Segel zu bleiben; sie wurden durch die Franzosen überrascht, einer genommen, der andere in die Bucht gejagt. Sicher hätte Graves, sobald er Nachricht erhalten, sich zuerst gegen Barras gewendet. So wäre vielleicht der schnelle Fall Yorktowns verhindert und bei dem schon hervortretenden Mißtrauen der Amerikaner gegen Frankreich, sowie der Kriegsmüdigkeit dieser manches anders gekommen.

Der Krieg in Europa 1782.

Der Wechsel des Ministeriums in England im März 1782 brachte den Krieg in Nordamerika zum Stillstand. Wenn auch der König stets fest entschlossen blieb, die Unabhängigkeit der Kolonien nicht anzuerkennen und die Einmischung Frankreichs, sowie Spaniens nicht zu dulden, zeigte sich doch die öffentliche Meinung durch die ungeheuren Kriegskosten, durch das zweimalige Erscheinen überlegener feindlicher Flotten an Englands Küsten und durch mancherlei andere Vorfälle umgestimmt. Die Staatsschuld war auf 198 Millionen Lstrl. angewachsen, man[344] mußte 300000 Soldaten und Seeleute besolden, sowie große Flotten im Dienst halten; die Zivilliste war, obgleich stark erhöht, überschritten und es war bekannt, daß große Summen aus ihr zur Gewinnung von Parlamentsmitgliedern für die Regierung verwendet wurden. Dabei sah man weder in Nordamerika noch zur See durchschlagende Erfolge. All dies erweckte im Volk den Wunsch nach Frieden mit den Kolonien; diese Stimmung wurde von Agenten sowie Freunden der Amerikaner genährt und ergriff immer weitere Kreise. Zudem traf dicht vor Eröffnung des Parlaments im Herbst 1781 die Nachricht von der Kapitulation des Heeres bei Yorktown ein.

Nach allem, was man bisher von dem jämmerlichen Zustande der amerikanischen Truppen, dem Geldmangel und der geringen Neigung der Kolonisten gehört hatte, für den Krieg Opfer zu bringen, kam die Kunde doppelt unerwartet; selbst der Premierminister, Lord North, war völlig niedergeschlagen. Der König verharrte allerdings auf seinem Standpunkte, und in der Thronrede vom 27. November verlautete nichts über den Frieden, aber im Volke schwand jede Neigung zum Kriege, wenigstens für den mit den Kolonien. Als dann noch der Verlust Minorkas und der westindischen Inseln bekannt wurde, hatte die Opposition im Parlamente freies Spiel. Die Politik der Regierung, die Verwaltungen des Heeres und der Marine, sowie die ganze Kriegführung wurden schonungslos angegriffen und die Einstellung des Kampfes in Nordamerika verlangt. Im März 1782 mußte das Ministerium einem solchen der Whigs weichen. Dieses stand unter der Leitung des Marquis of Rockingham, und der Admiral Augustus Keppel wurde Erster Lord der Admiralität an Stelle des Earl of Sandwich, der besonders hart, und zwar auch von höheren Seeoffizieren, angegriffen war. Als am 1. Juli, nach dem Tode Rockinghams, der Graf von Shelburne (Lansdown) an die Spitze trat, kam Sir William Pitt (der Jüngere) ins Kabinett und gewann sofort großen Einfluß, bis er im Dezember 1783 tatsächlich die Leitung übernahm.

Die Opposition erreichte zunächst, daß der Oberbefehlshaber in Amerika Befehl erhielt, sich auf das Halten der noch besetzten Plätze — New York, Charleston, Savannah — zu beschränken. Da nun auch die Amerikaner ohne die französische Flotte keinen Angriff wagten, trat im Landkriege eine Art Waffenstillstand ein. Der Seekrieg gegen die drei europäischen Mächte, der in England weit populärer war, ward dagegen mit aller Kraft fortgesetzt; er spielte sich besonders in West- und Ostindien ab. Schon im Januar segelte Rodney mit 12 Linienschiffen nach Westindien.

Indienststellungen 1782. (Vgl. die Listen Seite 224.) In England waren für 1782 der Marine 100000 Mann, einschließlich 21000 Seesoldaten, sowie etwa 7¼ Millionen Lstrl. bewilligt. Im Sommer befanden sich 129 Linienschiffe im Dienst, von denen 35 in den heimischen Gewässern und 59 in den westindischen stationiert waren. Frankreich und Spanien verfügten in Europa über wenigstens 50 Linienschiffe und würden auch in Westindien mit 58 dem Feinde gewachsen gewesen sein, wenn ihre Flotten zusammengewirkt hätten. In Ostindien standen 22 englische gegen 13 französische Schiffe. Holland hatte im Oktober 16 Linienschiffe in Dienst.

[345]

Der Krieg in den europäischen Gewässern drehte sich 1782 wie im Vorjahre um die Seeherrschaft am Eingange des Kanals und um Gibraltar. Port Mahon fiel schon am 5. Februar den Spaniern in die Hände (vgl. Seite 319), und die hier verwendeten Truppen wurden nun zur Belagerung von Gibraltar mit herangezogen. Neben der engen Einschließung dieser Festung von See her planten Frankreich und Spanien auch in diesem Jahre mit ihrer Hauptseemacht in den nördlichen Gewässern aufzutreten; zu dieser sollten holländische Schiffe stoßen. Ein Unternehmen gegen die englische Küste scheint nicht beabsichtigt gewesen zu sein, sondern nur das Abfangen von Konvois sowie Militärtransporten und das Festhalten der englischen Flotte zugunsten der Belagerung von Gibraltar.

Schon am 11. Februar verließ Admiral de Guichen, sobald die Schiffe ihre im Dezember erlittenen Beschädigungen ausgebessert hatten, mit 16 Linienschiffen, von denen 2 nur als Flüten armiert waren, und 11 Fregatten Brest. Drei Linienschiffe waren nebst einem großen Konvoi mit Vorräten für das dortige Geschwader nach Westindien, zwei nach Ostindien bestimmt; sie trennten sich an der spanischen Küste von der Flotte. Hier ward auch am 15. Februar La Motte-Picquet mit 4 Linienschiffen abgezweigt, um in der Biskaya und vor dem Kanal zu kreuzen; er machte einige Prisen, erlitt aber schon am 23. in einem schweren Sturme arge Schäden und lief am 26. wieder in Brest ein. Am Wiederauslaufen wurde er bald durch überlegene englische Kräfte gehindert. Guichen erreichte am 11. Februar mit 5 Schiffen Cadiz und trat unter den Oberbefehl des spanischen Admirals Cordoba, der hier mit 27 Linienschiffen lag; 11 spanische, sowie 2 französische befanden sich außerdem unter Admiral Moreno bei Algeciras.

Die englische Kanalflotte, die insgesamt nur 35 Linienschiffe zählte, während sie mit einer feindlichen Macht von gegen 60, einschließlich der holländischen, rechnen mußte, eröffnete den Feldzug mit vorsichtigen kleinen Operationen, je nachdem die Schiffe bereit wurden. Den Oberbefehl führte Lord Howe, der durch den Wechsel im Ministerium aus seiner langen Untätigkeit erlöst war; unter ihm befehligten die tüchtigen Admirale Barrington und Kempenfelt. Der erstere kreuzte in der zweiten Hälfte des April mit 12 Linienschiffen vor dem Kanal, um die Franzosen in Brest festzuhalten, feindliche Konvois abzufangen und den eigenen Handel zu schützen. Er hatte einen nicht unbedeutenden Erfolg.

Barrington vernichtet einen Transport für Ostindien. Am 20. April 1782 mittags sichtete der Admiral südwestlich von Ouessant 18 französische Transporter mit Truppen und Kriegsmaterial für Ostindien, die durch 3 Linienschiffe (eins als Flüte armiert) nebst einer Fregatte geleitet wurden, und jagte sie. Die Franzosen flohen zur Küste zurück, aber das Linienschiff „Pegasus“ von 74 Kanonen wurde am Abend vom Kapitän Jervis, dem später berühmten Admiral, mit dem „Foudroyant“ von 80 Kanonen, der den anderen Engländern weit voraus war, eingeholt und nach einem dreistündigen Nachtgefecht genommen. Jervis fing dann noch 13 Transporter und ein anderes englisches Schiff bemächtigte sich des als Flüte armierten Linienschiffes. Wie der Verlust des Konvois überhaupt, so war die Wegnahme dieses Schiffes im besonderen[346] ein harter Schlag für den in Ostindien schwer ringenden Admiral Suffren, denn es führte Rundhölzer für vier Linienschiffe an Bord. Jervis erhielt für seinen Erfolg den Bathorden, der Kommandant des „Pegasus“ ward aus dem Dienste entlassen. Man war in Frankreich über seine Niederlage empört, da man sich bisher schmeichelte, in Einzelgefechten von annähernd gleichstarken Schiffen meist den Sieg davongetragen zu haben. Der Verurteilte fand aber in der Marine Verteidiger, die auf die ungünstigen Verhältnisse hinwiesen, unter denen er gefochten habe: „Das Schiff sei erst am 11. April auf die Rhede gegangen, kaum ausgerüstet und so mangelhaft bemannt, daß ein junger Unterleutnant die unterste schwerste, Batterie befehligt habe; der Kapitän habe erst am 13. das Kommando übernommen und schon am 19. in See gehen müssen.“ Es sind dies wohl zu beachtende Umstände für die Beurteilung der französischen Marine jener Zeit.

Als Barrington Ende April nach Portsmouth zurückgekehrt war, ging Kempenfelt mit 8 Linienschiffen zum Kreuzen in See.

Anfang Mai erfuhr man in England, Holland beabsichtige, in Texel ein größeres Geschwader zu sammeln, das nach auswärts bestimmte Handelsschiffe geleiten und sich dann mit der französisch-spanischen Flotte vereinigen solle. Die holländischen Handelsschiffe für die Ostsee, die durch die Schlacht auf der Doggerbank im August 1781 zurückgetrieben waren, hatten bislang nicht segeln können, da man ihnen keine genügende Begleitung zu geben vermochte, und heimgekehrte West- sowie Ostindienfahrer warteten in den norwegischen Häfen auf Abholen; der holländische Handel lag brach, nur den nach Westindien bestimmten Schiffen war es Anfang April gelungen, durch die Nordsee abzusegeln. Ehe nun aber das holländische Geschwader — durch verspätete Fertigstellung der Schiffe und weiter durch widrige Windverhältnisse aufgehalten — völlig versammelt war, erschien Lord Howe mit 12 Linienschiffen an der Küste und verhinderte dessen Auslaufen während mehrerer Wochen, bis eine an Bord der Schiffe ausbrechende Epidemie ihn zwang, nach Portsmouth zurückzugehen. Hier stieß Kempenfelt zu ihm, der seine Kreuztour aufgegeben hatte, wahrscheinlich weil die große Flotte der Verbündeten nahte. England hielt aber weiter die Nordsee unter Beobachtung, so daß die Holländer nicht wagten, ihr Geschwader auslaufen zu lassen, während die englischen Handelsschiffe unbelästigt die Nordsee passierten; die holländischen Ostseefahrer segelten später teilweise unter schwedischer Flagge und durch schwedische Kriegsschiffe geleitet.

Die französisch-spanische Flotte vor dem Kanal, Sommer 1782. Admiral Cordoba hatte während des Monats April mit seiner Flotte — 27 spanischen und 5 französischen Linienschiffen — vor der Straße von Gibraltar gekreuzt, am 4. Juni trat er die Fahrt nach dem Norden an; die bislang in Brest blockierten französischen Schiffe sollten sich anschließen und man rechnete auch auf die Holländer. Am 25. traf die Flotte auf einen englischen Konvoi von 27 Fahrzeugen, der nach Neufundland sowie Kanada bestimmt und von 4 Kriegsschiffen geleitet war; es gelang ihr aber nur, 17 Handelsschiffe zu nehmen. Am 8. Juli stieß La Motte-Picquet bei Ouessant mit 8 Linienschiffen zu ihr; sie war nun 40 Schlachtschiffe stark. In England erwartete man den großen Westindienkonvoi unter Deckung des bisherigen[347] Chefs der Jamaikastation, Sir Peter Parker, mit nur 3 Linienschiffen und entsandte am 2. Juli Lord Howe mit 22, um ihn aufzunehmen.

Die Gegner sichteten sich am 12. Juli westlich der Scillyinseln. Cordoba suchte den Kampf, aber Howe wich aus. Während der nun folgenden Jagd kam nur La Motte, dem ein selbständiges Geschwader von 4 Franzosen und 4 Spaniern unterstellt war, näher an den Feind heran; während der Nacht verlor man diesen aber aus Sicht und fand ihn nicht wieder. Die Verbündeten schrieben dies der größeren Schnelligkeit der englischen, sämtlich gekupferten Schiffe zu, tatsächlich aber hat Howe seine Flotte zwischen den Scillys und Kap Landsend hindurch nach Westen geführt. Er setzte sich so zwischen den Feind und den erwarteten Konvoi und lief Ende Juli, als Cordoba durch stürmisches Wetter nach Süden vertrieben war, mit den Handelsfahrzeugen unbelästigt in den Kanal ein; auf der Rückfahrt stießen noch 9 Linienschiffe zu ihm, die wahrscheinlich bei Howes Abfahrt in der Nordsee waren. Cordoba kreuzte noch einige Wochen, hauptsächlich in der Biskaya, und traf dann am 6. September in Cadiz ein. So war auch in diesem Jahre das Auftreten der großen Flotte der Verbündeten im Norden ohne jede Bedeutung geblieben. Die französischen Offiziere klagten mit Recht darüber, daß man die Verfolgung nicht bis zu den Häfen des Gegners durchgeführt habe; wie die Sache lag, hätte man ihn sogar von diesen abgeschnitten, und eine Vereinigung mit den Holländern wäre wahrscheinlich auch möglich gewesen.

Die Tätigkeit der holländischen Marine 1782 sei kurz berührt. (Genaueres vgl. de Jonge, Band IV, Seite 561 ff.) Als man in Holland Gewißheit hatte, daß die Flotte der Verbündeten vor dem Kanal erscheinen würde, lief am 7. Juli ein Geschwader von einem Linienschiff zu 74 Kanonen, 6 zu 60–68, 9 zu 54, sowie 9 schweren Fregatten unter Vizeadmiral Hartsinck von Texel aus. Es geleitete Westindienfahrer durch die Nordsee, bis sie ihre Reise um Schottland unter dem Schutze einiger Fregatten voraussichtlich ungefährdet fortsetzen konnten. Es kreuzte und übte dann in diesem Meere. Prisen fielen ihm nicht in die Hände, weil England seine Handelsschiffe zurückhielt. Ein abgezweigter Teil holte die in Norwegen angesammelten Kauffahrer ab, ein anderer führte solche nach der Ostsee. Mitte August kehrte Hartsinck zum Auffüllen von Proviant nach Texel zurück und ward dann wieder durch die Engländer blockiert. Als England im September alle verfügbaren Schiffe nach Gibraltar gesandt hatte, beabsichtigte man, auf Ersuchen Frankreichs ein Geschwader nach Brest zu schicken, das im nächsten Jahre mit den Verbündeten zusammenwirken sollte. Der schlechte Zustand der Schiffe, sowie Uneinigkeit zwischen den beiden großen Parteien im Lande gerade in betreff dieser Sache verzögerte die Abfahrt, und schließlich wagte man sie nicht mehr, weil man ein Zusammentreffen mit der von Gibraltar zurückkommenden englischen Flotte fürchtete.

Lord Howe segelt mit Zufuhren nach Gibraltar. Nach Rückkehr von seiner Kanalfahrt erhielt der Admiral den Auftrag, eine Expedition vorzubereiten, um Gibraltar Truppen und Vorräte zuzuführen; die Festung war seit der Fahrt Darbys im April 1781 ohne jede Unterstützung geblieben. Für diese wichtige und gefährliche Aufgabe wurden die gesamte Kanalflotte — 34 Linienschiffe, ein Dutzend Kreuzer, einige Brander —, sowie 31 Transporter in Portsmouth zusammengezogen. Schon am 11. September ging die Flotte in See; etwa 100 Kauffahrer, Konvois für alle fernen Meere, schlossen sich ihr an.

[348]

Der Untergang des „Royal George“. Die Ausrüstung dieser Flotte brachte der englischen Marine einen empfindlichen Verlust. Die Schiffe waren viel in See gewesen und vielfach ausbesserungsbedürftig, es gebrach aber an Zeit, sie in Trockendocks aufzunehmen. So wurde unter anderen der „Royal George“, ein Schiff mit 100 Kanonen, Flaggschiff des Admirals Kempenfelt, am 29. August auf der Rhede von Spithead auf die Seite gelegt, um einige Arbeiten an Unterwasserteilen vorzunehmen; ein Manöver, das nur bei stillem Wetter und ruhigem Wasser ausgeführt werden darf. Die Lage der schadhaften Stelle verlangte ein ungewöhnlich weites Überlegen und der Zufall führte eine Katastrophe herbei. Es war Löhnungszahltag dicht vor der Abreise und infolgedessen befanden sich außer der 8–900 Köpfe starken Besatzung zahlreiche Frauen und Kinder der Leute, sowie Händler an Bord, so daß durch das Gewicht und die Bewegungen der vielen Menschen die Gefahr des Kenterns vergrößert wurde. Ungefähr um 10 Uhr vormittags, während der Admiral in der Kajüte mit Schreiben beschäftigt war und der größere Teil der Anwesenden sich unter Deck befand, warf eine plötzliche starke Bö das Schiff auf die Seite; das Wasser drang in die offenen Pforten ein, und es sank schnell. Der Admiral, mehrere Offiziere, sowie die meisten der unter Deck befindlichen Personen, insgesamt 900–1000 Menschen, ertranken; ein längsseit liegendes Proviantfahrzeug ward mit in die Tiefe gezogen. Dieser Unglücksfall, der mehrfach als Beweis für die mangelhafte Seefähigkeit der großen Dreidecker angeführt wird, findet sich anschaulich dargestellt in Kapitän Marryats Romane „the Kings Own“.

Der große, erfolglose Angriff auf Gibraltar, September 1782[164]. Zwei Tage nachdem Howe England verlassen hatte, spielte sich die berühmte Schlußszene der Belagerung von Gibraltar ab. Seit Juli 1779 hielten die Spanier diese Feste zu Lande und von Algeciras aus auch zu Wasser eingeschlossen, aber trotzdem war es zweimal englischen Flotten gelungen, sie mit Vorräten und Truppen zu unterstützen. Auch der Angriff vom Lande her machte keine Fortschritte, obgleich Spanien nach und nach gegen 30000 Mann dazu heranzog und auf der Landzunge, die den Felsen mit dem Festlande verbindet, mächtige Belagerungswerke erbaute. Der englische Kommandant, George Augustus Elliot, leitete den Widerstand mit Geschick und Tapferkeit. Zu der Zeit, als Admiral Darby 1781 Verstärkungen brachte, wurde die Stadt drei Wochen lang täglich mit 4–5000 Geschossen überschüttet und, nachdem so 75000 Vollkugeln und 25000 Bomben verfeuert waren, gab man noch wochenlang täglich 600 Schuß ab.

Aber die Besatzung hatte vom 12. April bis Ende Juni nur 53 Tote und 260 Verwundete eingebüßt. Die Stadt lag zwar in Trümmern, doch war dies ohne Bedeutung, denn die Verteidiger fanden an verschiedenen Stellen des Felsens in Lagern sichere Unterkunft. Am 27. November 1781 gelang es ihnen, durch einen Ausfall der ganzen Garnison unter Elliots persönlicher Führung den Gegner zu überraschen, der jetzt seine Parallelen weit genug vorgeschoben glaubte; in kurzer Zeit waren die Geschütze vernagelt, die Werke aufgesprengt und verbrannt, die Angriffsarbeiten von mehreren Monaten vernichtet. Spanien verdoppelte seine Anstrengungen. Man war zu der Überzeugung gelangt, daß die Festung durch Angriff vom Lande her allein nicht bezwungen[349] werden könnte. Zu einem gleichzeitigen Vorgehen von See aus wollte man aber die Hochseeflotte nicht einsetzen; die feindliche Stellung war weit stärker befestigt, armiert und bemannt, als zu jener Zeit, wo Rooke mit der englischen Flotte sich Gibraltars bemächtigte. Man baute deshalb nach Entwürfen des französischen Ingenieurobersten Chevalier d'Arçon 10 mächtige schwimmende Batterien, die 152 schwere Geschütze führten; sie waren Anfang September fertiggestellt.

Die schwimmenden Batterien waren 6 bis 1400 tons große Seeschiffe, die außen mit einer vierfachen Polsterung von Holz, Sand, Kork sowie ungegerbten Häuten und mit einer schrägen Holzbedachung versehen wurden, auf der eine Decke von altem Tauwerk und Fellen lag. Um eine Wirkung glühender Kugeln zu hindern, war durch die mit der Panzerung 5 Fuß dicken Bordwände ein vielverzweigtes Kanal- und Röhrensystem gezogen, durch das von einem Reservoir aus beständig Wasser spülte. Die Polsterung sollte so stets ganz mit Wasser durchtränkt gehalten werden und einschlagende Kugeln selber ihr Ablöschen hervorrufen, indem sie die Röhren verletzten; auch die Dächer konnten berieselt werden. Die Schiffe waren mit schweren, neugegossenen Bronzekanonen armiert; fünf von ihnen führten 18–24 Geschütze in zwei, fünf 6–11 in einer Batterie, und es war etwa die Hälfte der Zahl als Reserve zum Auswechseln an Bord gegeben. Die Kanonen wurden nur auf einer Seite der Schiffe aufgestellt; Ballast auf der anderen hielt diese auf ebenem Kiel, so boten die 10 Batterien dem Gegner eine Breitseite von 152 Geschützen dar.

Der Bau in der Bucht von Algeciras war im Februar beschlossen, schritt aber nach spanischer Art nur langsam vorwärts. Erst Anfang September war er mit einem Kostenaufwande von 2 Millionen Piastern beendet. Bei der Probe zeigte sich, daß die Bewässerungsanlagen nicht richtig arbeiteten, das Wasser drang in die Schiffe und die Kanäle mußten teilweise verstopft werden. Der Erfinder bat um Zeit für Verbesserungen, aber der Herzog von Crillon verweigerte sie ihm. (Vorstehendes sehr eingehend in Chevalier II, Seite 337.)

Auch sonst wurden Vorbereitungen zu einem überwältigenden Angriffe getroffen. 30 (40?) Kanonenboote und 30 (40?) Mörserboote, sowie 300 große Ruderboote waren gesammelt, um den schwimmenden Batterien während des Kampfes Ersatzmannschaften und Munition zuzuführen. In den Werken auf der Landzunge standen 186 Geschütze; die von Minorka zurückkehrenden spanischen Truppen, sowie 10000 Franzosen hatten das Belagerungsheer, das jetzt vom Herzog von Crillon, dem Eroberer Minorkas, befehligt wurde, auf über 40000 Mann gebracht. Endlich sollte die Flotte Cordobas den Angriff gegen jede Störung von See her decken, wenn erforderlich, auch unterstützen.

Gibraltar war im Norden und Westen wie schon früher durch eine Umwallung mit zahlreichen Batterien gedeckt (vgl. Skizze im Bande I, Seite 526). Diese erste Verteidigungslinie war aber jetzt weit stärker und wurde durch eine zweite, höher gelegene und zum Teil in den Fels gehauene unterstützt; die Werke, die den Gibraltarfelsen selber zu einer uneinnehmbaren Feste machen, sind während dieser Belagerung begonnen. Die Wasserfront ward durch starke Forts auf den beiden Molen flankiert, und etwa in ihrer Mitte, etwas nördlicher, befand sich ein größeres Werk, die Kings-Bastion. In den Befestigungen standen 280 Geschütze. Die Besatzung betrug 7000 Mann[350] auserlesener Truppen[165], im besonderen vorzüglicher Artilleristen; 12 Kanonenboote, mit je einem schweren Geschütze, besetzt mit Mannschaften einiger bei Gibraltar stationierter Fregatten und kleinerer Kriegsschiffe, standen zur Verfügung.

Das ganze militärische Europa erwartete mit Spannung den Ausgang des so lange vorbereiteten Angriffes. Neutrale Mächte sandten höhere Offiziere dorthin; zwei französische Prinzen erschienen, um die erwartete Katastrophe zu verherrlichen, denn die Verbündeten zweifelten nicht am Erfolge.

Nach Eintreffen der großen Flotte in Cadiz am 6. September wurde die Ausführung des Angriffes beschlossen. Cordoba ging schon am 9. in See und ankerte am 12. bei Algeciras, wo nun 48 Linienschiffe der Verbündeten vereinigt waren. Am 13. erfolgte der Angriff, aber schon am 8. hatte der Kampf begonnen, und es ist kennzeichnend für General Elliot, daß dies von seiner Seite ausging.

Schilderung des Angriffes auf Gibraltar. Als Elliot erkannt hatte, daß ein Angriff starker Kräfte bevorstand, überschüttete er während des 8. September die feindlichen Werke derartig mit Geschossen, daß sie außer Gefecht gesetzt wurden. Die Spanier eröffneten jedoch schon am 9. aus einer neuen Batterie von 64 Kanonen ein heftiges Feuer auf die Stadt, und das eigentliche Blockadegeschwader unter Moreno beteiligte sich, indem es in Linie an der Wasserfront vorübersegelte. Das Bombardement aus den Landwerken ward bis zum 12. fortgeführt. Gegen 8 Uhr vormittags am 13. September setzten sich die schwimmenden Batterien in Bewegung und die Landwerke nahmen das Feuer wieder auf. Admiral Moreno ankerte mit dem stärksten der Batterieschiffe „La Pastora“ auf etwa 1200 m Entfernung vor der Kings-Bastion, vier andere gingen südlich und fünf nördlich von ihm vor Anker.

So lagen die 10 Fahrzeuge in einer Linie von der Nordmole bis fast zur Südmole; sie begannen den Kampf um 10 Uhr. Entschieden war diese Aufstellung fehlerhaft. Nach dem Plane d'Arçons sollten sie massiert von der Höhe der Nordmole aus angreifen, um ihr Feuer möglichst zusammenzuhalten und mit dem der Landwerke zu vereinigen, selber aber nur wenigen feindlichen Geschützen ausgesetzt zu sein. Jetzt jedoch boten sie Ziele für die ganze Wasserfront, deren südlicher Teil vom Feuer der Landwerke nicht erreicht werden konnte. Ein zweiter verhängnisvoller Fehler wurde dadurch gemacht, daß die bei Algeciras liegenden Mörser- und Kanonenboote nicht eingriffen, und gerade diese hätten die Wasserfront beschäftigen, womöglich flankieren sollen; nur einige Kanonenboote erschienen für kurze Zeit. Endlich nahmen auch keine Schiffe der großen Flotte teil, die gleichfalls den Gegner hätten ablenken sollen.

Es folgte nun ein heftiger Geschützkampf. Anfangs widerstanden die schwimmenden Batterien den Geschossen, auch den glühenden Kugeln, die von den Engländern mit Vorliebe verwendet wurden. Aber am Nachmittage gerieten doch „La Pastora“, sowie ihr Nebenschiff „La Talla Piedra“, von einem Prinzen von Nassau befehligt, in Brand. Man konnte das langsame Umsichgreifen des Brandes nicht hindern, so daß „Talla Piedra“ sich genötigt sah, um 3 Uhr ihr Feuer zu vermindern und um 5 Uhr ganz einzustellen. Der Prinz von Nassau bat, sein Schiff wegzuschleppen, machte auch[351] den Versuch, es aus dem Gefecht zu warpen, es fehlte ihm jedoch an Matrosen. Um 5 Uhr brachen auch die spanischen Landwerke den Kampf ab; d'Arçon behauptete später, es habe ihnen an Munition gefehlt, ihre Geschütze seien überhaupt schlecht bedient und schlecht gerichtet worden. Die übrigen schwimmenden Batterien hatten noch wenig gelitten, aber ihr Rückzug ward doch befohlen, um sie zu retten. Für diesen waren jedoch gar keine Vorkehrungen getroffen, und man sah sich schließlich gezwungen, ihr Verlassen und Verbrennen anzuordnen; auf Notsignale sandte die Flotte Boote zum Abholen der Besatzungen. In die nun entstehende Verwirrung brachen gegen 2 Uhr morgens die englischen Kanonenboote unter Führung des Kapitäns Curtis, des ältesten Seeoffiziers in Gibraltar, ein. Sie flankierten mit ihrem Feuer die spanische Linie, vermehrten die Unordnung auf den fast nur mit Soldaten besetzten Fahrzeugen und trieben die rettenden Boote zurück. Bei Sonnenaufgang flog eins der Batterieschiffe in die Luft, drei weitere traf bald das gleiche Schicksal, die anderen standen in Flammen. Die Engländer stellten jetzt das Feuer ein und taten ihr Bestes zur Rettung der Gegner; sie bargen unter eigener Gefahr gegen 400 Mann. Der Rest der Batterien flog im Laufe des 14. September auch noch auf.

Der Verlust der Spanier soll allein auf den schwimmenden Batterien 1500 Tote, Verwundete und Gefangene betragen haben. Die Engländer büßten nur 65 Tote und 188 Verwundete ein; ihre Werke hatten im Verhältniß zu dem auf sie gerichteten Feuer nur wenig gelitten.

Beurteilung des Angriffes. Die schwimmenden Batterien sind nach der Katastrophe vielfach als verfehlt bezeichnet. Besonders höhere spanische Offiziere, so auch Crillon, erklärten, niemals Vertrauen zu ihnen gehabt zu haben. Weshalb wartete er aber nicht ab, bis sie leistungsfähiger geworden waren? Er konnte während der Monate September und Oktober noch immer auf günstige Witterung für den Angriff rechnen, und die große Flotte war zur Stelle, um einer etwa erscheinenden englischen entgegenzutreten. Das Mißlingen des Unternehmens, wenigstens sein trostloser Ausgang, ist anderen Umständen zuzuschreiben. Crillon hat (nach Chevalier) zu kurzer Hand den Tag des Angriffes festgesetzt und ungenügende Bestimmungen getroffen. Infolgedessen lagen die Batterien falsch und die Mörser- sowie die Kanonenboote fehlten; die Spanier behaupteten zwar, die See sei zu rauh für diese gewesen, aber einzelne waren doch erschienen und hatten sich auch am Kampf beteiligt. Es war ferner nichts vorgesehen, um die Batterien aus dem Gefechte ziehen zu können. Endlich waren die Führer der Flotte nicht zu Rate gezogen und gar nicht oder doch zu spät vom Angriff in Kenntnis gesetzt. Chevalier stützt sich bei diesen Behauptungen allerdings besonders auf Berichte d'Arçons, also eines beteiligten Zeugen, aber seine Aussagen werden auch durch das Journal eines französischen Schiffes der Flotte bestätigt. (Chevalier II, Seite 348.)

Der Angriff wurde nach vorstehendem nicht nur ein Fehlschlag, sondern sogar eine empfindliche Niederlage der Spanier; man mußte sich vorläufig wieder auf den Versuch beschränken, Gibraltar auszuhungern. Dies hätte gelingen müssen, da man über 48 Linienschiffe verfügte, aber die Seegewandtheit der Engländer machte auch diese Hoffnung zuschanden.

Lord Howe versorgt Gibraltar, Oktober 1782. Die Fahrt des Admirals war bis zur spanischen Küste sehr langsam, teils weil er Gegenwind traf, teils weil er sorgsam auf das Zusammenbleiben des wichtigen Transportes hielt; bei Kap Finisterre waren aber auch sämtliche 183 Segel noch vereint. Hier entließ er die Konvois und erreichte mit der Flotte sowie den 31 Transportern am 8. Oktober Kap St. Vincent. Dort erhielt er am 10. die Nachricht von den Ereignissen bei Gibraltar, sowie von der Anwesenheit der feindlichen Flotte bei Algeciras. Er gab nun den Unterführern seine Absichten bekannt und ließ[352] den Kapitänen der Transportschiffe genaue Angaben über die Wind- und Stromverhältnisse bei Gibraltar zukommen, damit sie ihre Ankerplätze leicht und sicher erreichen könnten. Am 11. mittags lief er bei westlichem Winde in die Straße ein. Die Transporter segelten voran, die Flotte folgte in drei Geschwadern; sie war also zu Luward jener und somit imstande, sie zu verteidigen. Um 6 Uhr nachmittags standen die Proviantschiffe vor dem Eingang der Bucht von Gibraltar, aber nur 4 Fahrzeugen nebst einem Linienschiffe gelang das Einlaufen, die übrigen hatten die Vorschriften nicht befolgt und wurden durch den Strom ins Mittelmeer versetzt. Die Flotte mußte ihnen folgen.

Cordoba lag seit Anfang Oktober zum sofortigen Auslaufen bereit. Am 10. fielen schwere Böen ein. Mehrere Schiffe trieben vor ihren Ankern und stießen zusammen; das Flaggschiff des Admirals Moreno strandete bei Gibraltar und wurde von den Engländern genommen; ein anderes Linienschiff, sowie eine Fregatte trieben ins Mittelmeer. Sei es, weil einzelne Schiffe beschädigt waren, sei es — wie französisch-spanische Berichte sagen — weil in der Bucht von Algeciras völlige Windstille herrschte, tatsächlich unternahm Cordoba nichts gegen das Einlaufen der vier Transporter und ging auch erst am 13. Oktober mit 46 Linienschiffen, darunter 14 oder 15 Franzosen, in See. Besorgt um das Schicksal der vertriebenen Schiffe steuerte er östlich, anstatt den Engländern die Rückkehr in die Straße zu verlegen; Howe stand um diese Zeit etwa 30 Seemeilen im Osten von Gibraltar. Zwei Tage manövrierten nun die Flotten bei leichtem westlichen Winde und zeitweisem Nebel, oft aus Sicht voneinander. Am 15. kam Ostwind auf und Howe steuerte unbemerkt vom Feinde westlich, die Transporter wieder voraussendend. Am 16. abends waren 18 von diesen, am 18. alle in Gibraltar angelangt; außerdem wurden Soldaten gelandet, die auf einzelnen Linienschiffen untergebracht waren, und dem Gouverneur auf dessen Bitte noch ein Brander mit 1500 Barrel Pulver überlassen. Gibraltar war aufs neue reichlich versorgt.

Der spanische Admiral hatte erst am 16. Oktober den Kurs nach Westen aufgenommen, als er am 19. vor Gibraltar erschien, trat die englische Flotte gerade ihre Heimreise an. Er folgte ihr in einer Schlachtlinie, in der die Schiffe nach ihrer Geschwindigkeit rangiert waren, die schnelleren voran.

Das Seetreffen bei Kap Spartel am 20. Oktober 1782. Ende des Seekrieges in den europäischen Gewässern. Howe wollte der Strömungen wegen nicht in der Straße von Gibraltar fechten und erwartete den Gegner außerhalb. Cordoba stand bei nördlichem Winde zu Luward und hielt am 20. Oktober gegen Sonnenuntergang zum Angriff ab. Er hatte Befehl gegeben, den Kampf zu beginnen, sobald man auf zwei Kabellängen an den Gegner heran wäre. La Motte-Picquet eröffnete in der hellen Mondnacht mit der Vorhut das Feuer auf die englische Vorhut in der befohlenen Entfernung; die Mitte war noch nicht so nahe heran und die Nachhut, 12 Schiffe unter de Guichen, stand weit achteraus. Ehe diese herankam, mehrte Howe Segel und[353] brach das Gefecht ab. Er hatte mit seiner Mitte der großen Entfernung halber das Feuer der feindlichen Schiffe gar nicht erwidert, seine Nachhut kam jedoch beim Absegeln noch zum Geschützkampf. Der großen Übermacht wollte sich der englische Admiral nicht aussetzen; er hat den Gegner wohl nur herankommen lassen, weil er mit der Möglichkeit rechnete, infolge günstiger Umstände ihn teilweise zu schlagen. La Motte wagte mit seinen wenigen Schiffen nicht am Feinde zu bleiben, Cordoba sammelte um Mitternacht die Flotte und folgte weiter.

Die Verluste bezifferten sich bei den Engländern auf 68 Tote und 268 Verwundete, bei den Verbündeten auf 60 und 320.

Am nächsten Tage waren die Gegner etwa 12 Seemeilen voneinander entfernt. Cordoba gab sich jedoch keine Mühe, näher heranzukommen, sondern segelte am 22. nach Cadiz. Howe zweigte 8 Linienschiffe für Westindien ab und erreichte dann am 14. November Portsmouth.

Die größeren Flottenunternehmungen in den europäischen Gewässern waren damit nicht nur für das Jahr 1782, sondern für den Krieg überhaupt zu Ende.

Über die Kriegführung in Europa 1782 ist wenig zu sagen. Das Auftreten der großen Flotte der Verbündeten in den nördlichen Gewässern war ebenso schwächlich wie im Vorjahre. Sie brachte einen Teil eines englischen Konvois auf und beherrschte zum Schutze des eigenen Handels während der Monate Juni bis August den Eingang des Kanals, sowie die Biskaya, machte aber keine ernstlichen Versuche zur Vernichtung der schwächeren feindlichen Seemacht. Wieder trifft die Hauptschuld die Spanier, die den größeren Teil der Flotte gestellt hatten und in deren Hand der Oberbefehl lag. Mit Recht sagt ein französischer Autor (Lacour II, Seite 382) über Cordoba, es sei zu beklagen, daß Männer wie Guichen und La Motte-Picquet stets an einen Führer gebunden gewesen wären, der keinen Plan durchgeführt habe — falls er überhaupt einen gehabt hätte.

Die weit schwächere englische Flotte hatte schon vorher den äußerst wichtigen Transport für Ostindien aufgebracht, die Streitmacht Hollands festgehalten und dessen Handel unterbunden. Als die Verbündeten dann auf der See erschienen, gelang es Lord Howe doch, den Jamaikakonvoi sicher einzuholen. Der Schaden für Handel und für Militärtransporte war auf beiden Seiten etwa gleich; der Ruhm der erfolgreicheren Verwendung ihrer Seestreitkräfte gebührt also England als der schwächeren Partei. Hierbei ist allerdings darauf hinzuweisen, daß Howes Aufgabe ein Wagnis war, denn die größere Hälfte der Kanalflotte wurde einem übermächtigen Feinde gegenüber aufs Spiel gesetzt.

Die Expedition nach Gibraltar war ein noch gefahrvolleres Unternehmen. Bei ihr entwickelte Lord Howe dieselben Fähigkeiten, die er 1778/79 in Nordamerika gezeigt hatte, seemännische Tüchtigkeit vereint mit klarem Blick und schnellem Entschluß. Er hielt seine Kräfte zusammen und behielt sie in der Hand, durch geschicktes Manövrieren löste er seine Aufgabe, vermied[354] aber den Kampf mit dem überlegenen Feinde. Cordoba dagegen versagte auch bei dieser Gelegenheit.

Einige Aussprüche neuerer französischer Autoren zu diesen Vorgängen sind bemerkenswert. Chevalier schreibt (II, Seite 358, hier gekürzt): „Die Eigenschaften, die Lord Howe bei dieser kurzen Kampagne entfaltete, entsprachen voll der Aufgabe, die er zu lösen hatte. Seine Operation, eine der schönsten dieses Krieges, verdient das gleiche Lob wie ein Sieg. Wenn auch die englische Flotte durch die Verhältnisse begünstigt wurde — und es ist selten, daß derartige Unternehmungen ohne Glück gelingen —, so haben doch vor allem der richtige Blick des Führers, die Sicherheit seines Urteils und seine schnelle Entschlußfähigkeit den Erfolg herbeigeführt.“

Lacour schreibt (II, Seite 447): „Daß die Flotte der Verbündeten mehrere Tage hindurch in der Straße von Gibraltar manövriert hat, ohne die englische zu erreichen, daß es dieser gelungen ist, stets auszuweichen und ihre Vorräte zu landen, daß Howe die Straße unbelästigt wieder verlassen konnte, alles dies erscheint bei der Beschränktheit des Schauplatzes, auf dem sich die Ereignisse einer Woche abspielten, kaum glaubhaft.“

Chevalier weist gerade bei dieser Gelegenheit auf den höheren Stand der englischen Marine im allgemeinen hin und erklärt damit manche Erfolge der Engländer, sowie manche Fehlschläge der Franzosen in diesem Kriege. Er sagt: „Unter den 34 Schiffen der englischen Flotte befand sich keins jener Fahrzeuge, die den Oberbefehlshaber in der Durchführung seiner Absichten hindern. Alle waren gekupfert und von nahezu gleicher Geschwindigkeit. Howe hatte dadurch, wenn auch nicht die Gewißheit, so doch die größte Aussicht, einen Kampf nach Belieben aufnehmen oder vermeiden zu können. Der gleiche Vorteil zeigte sich auch bei anderen Gelegenheiten in diesem Kriege. Er konnte sich ferner auf seine Kommandanten verlassen. Es kamen keine Trennungen, keine Zusammenstöße und Havarien, kurz keine jener Vorfälle vor, die den Oberbefehlshaber so oft zwingen, anders zu handeln, als er beabsichtigt hatte. Man kann nicht umhin, sich dabei der Ereignisse zu erinnern, die der französischen Flotte des Admirals de Grasse vom 9. bis 12. April 1782 so schwere Ungelegenheiten bereiteten.“ Der Autor führt diese dann kurz an; wir werden sie bald bei der Schilderung des Krieges in Westindien (Schlachten bei Dominica) kennen lernen.

Der Krieg in Westindien und Nordamerika 1782.

Im November 1781 waren de Grasse von Nordamerika mit 32 Linienschiffen in Martinique und im Dezember Hood in Barbados mit 18 eingetroffen; am 26. November hatte der Gouverneur von Martinique die Insel St. Eustache wiedergenommen.

Die Franzosen planten nun weitere Eroberungen. Der Gouverneur de Bouillé schiffte sich mit 6000 Mann auf der Flotte ein, und de Grasse lief mit dieser, 26 Linienschiffe stark, am 26. Dezember aus, um Barbados anzugreifen; der Rest der Flotte blieb zu Ausbesserungen vorläufig zurück. Er kreuzte mehrere Tage gegen starken böigen Passat vergeblich an und ging am 3. Januar wieder nach Fort Royal. Am 5. Januar 1782 brach die Expedition abermals auf, jetzt aber gegen St. Christopher (englisch St. Kitts). Sie landete hier am 11. ohne Widerstand auf Basseterre, dem Südteile der Insel. Die einschließlich einiger Milizen kaum 1000 Mann starke englische Garnison unter dem Gouverneur General Shirley zog sich nach Brimstonhill, einem befestigten Hügel im Nordwesten der Insel, zurück, den Bouillé nicht stürmen konnte, sondern regelrecht belagern mußte.[355] Die Einwohner der Insel erklärten sich neutral und unter gleichen Bedingungen ergab sich das naheliegende Nevis. Die französische Flotte blieb auf der Rhede von Basseterre.

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Samuel Hood.

Admiral Hood erhielt am 14. Januar in Barbados die Nachricht von Shirley, daß die französische Flotte am 10. in der Nähe von St. Christopher gesehen und ein Angriff zu befürchten sei. Er ging sofort mit 22 Linienschiffen in See, erfuhr am 16. die Landung und ankerte am 21. bei Antigua, wo er nähere Auskunft erhielt und 700 Soldaten an Bord nahm. Trotz seiner Unterlegenheit beschloß er, die bedrohte Insel zu entsetzen. Es gelang ihm nicht, aber sein Versuch zeugt von hervorragendem militärischem Blicke und großer seemännischer Geschicklichkeit. Englische wie französische Autoren stellen Hoods Manöver denen eines Nelson und Suffren gleich.

Die Schlacht bei St. Christopher, 25. Januar 1782[166]. Hood unterrichtete die Unterführer eingehend über seine Absichten, verließ dann am 23. Januar nachmittags Antigua und steuerte nach Nevis hinüber; er mußte diese Insel südlich passieren, da der Kanal zwischen ihr und St. Christopher für Linienschiffe zu flach war. Er hoffte die Franzosen bei Tagesanbruch auf ihrem Ankerplatze zu überraschen, auf dem sie keine Verteidigungsstellung eingenommen hatten, sondern 3–4 Reihen tief lagen; er wollte dann seine Schiffe in Linie zu Luward an der Masse der feindlichen vorüberführen und dieses wiederholen, durch Halsen und Wenden einen Kreis laufend. Der Plan scheiterte infolge des Zusammenstoßes zweier Schiffe während der Nacht; die Fahrt wurde durch die unvermeidliche Ausbesserung mehrere Stunden aufgehalten und die Flotte am 24. morgens von feindlichen Fregatten gesichtet, ehe sie die Südspitze von Nevis passiert hatte, was erst um 1 Uhr mittags geschah.

[356]

De Grasse lichtete um 3 Uhr nachmittags Anker und ging ihr entgegen. Er glaubte, Hood wolle bei Sandy Hook, einer Rhede nahe Brimstonhill, ankern, um der Besatzung dort Hilfe zu senden, auch war er für 4 Schiffe besorgt, die er von Martinique erwartete. Hood steuerte nun gegen Sonnenuntergang südlich, zog sich scheinbar zurück, manövrierte aber während der Nacht so, daß er bei Tagesanbruch des 25. Januar dicht unter der Küste von Nevis zwischen dieser Insel und den etwa 9 Seemeilen entfernten Franzosen, die sich nicht nahe unter Land gehalten hatten, und bei ONO-Wind zu Luward von ihnen stand. Seine Absicht war jetzt, auf dem bisherigen Ankerplatz der Franzosen eine Verteidigungsstellung einzunehmen. Auch von dort aus konnte er die Engländer am Lande unterstützen und lag, falls de Grasse nach Sandy Hook ging, zwischen ihm und Martinique; so war es möglich, dem Gegner die Zufuhren abzuschneiden, auf die dieser durchaus angewiesen war, da die kleine Insel auf längere Zeit soviel Truppen nicht zu ernähren vermochte.

Hoods Plan war bei seiner Unterlegenheit immerhin gewagt. Aber der Admiral erwartete Rodney mit einer Flotte, der vielleicht rechtzeitig ankam, und England brauchte nach der Niederlage in Nordamerika einen Erfolg. So mußte man auf gut Glück etwas wagen, und Hood kannte sich, seine Offiziere — sowie auch den Gegner.

Hood bildete die Gefechtslinie eng geschlossen über Backbordbug und nahm um 10 Uhr vorm. Kurs nach Basseterre; er wurde vom Glück begünstigt, da der Wind auf OSO ging, so daß er raum steuern konnte. Die Franzosen lagen um diese Zeit über Steuerbordbug nach Süden, wendeten und hielten in Staffel auf den Feind zu (Plan I A—A zeigt die englische Linie um 10 Uhr, A′—A′ die französische), kamen aber nicht mehr, wie sie wohl beabsichtigt hatten, mit ihrer ganzen Linie querab von der englischen zum Angriff. Um 2 Uhr nachmittags waren die vordersten Engländer so weit, daß Hood ihnen das Signal zum Ankern geben konnte; er befahl, dies mit Spring auf den Ankern auszuführen, um die Schiffe sofort mit den Breitseiten nach See legen zu können. Um 2½ Uhr war die französische Vorhut auf Kanonenschußweite an die englische Mitte heran, und das Feuer begann. De Grasse war aber nicht imstande, seinen Gegner festzuhalten; die englischen Schiffe erreichten sämtlich den Ankerplatz.

Durch den Angriff der Franzosen war also besonders die hintere Hälfte der englischen Linie bedroht, die, wie häufig bei langen Kolonnen, nicht so gut Schiff hinter Schiff aufgeschlossen fuhr. Hood nahm jedoch hierauf keine Rücksicht, gab vielmehr der vorderen Hälfte den Befehl, Segel zu mehren, und um 3½ Uhr ankerten die ersten Schiffe, um 4 Uhr das Flaggschiff. Die vier letzten Schiffe waren zurückgeblieben, da das vorderste schlecht segelte. In die so entstandene Lücke versuchte de Grasse mit seinem Flaggschiff „Ville de Paris“ von 104 Kanonen einzubrechen, um die Nachzügler abzuschneiden, aber das letzte englische Schiff vor der Lücke, „Kanada“, 74 Kanonen, unter Kapitän Cornwallis, dem Bruder des Generals, warf alle Segel back, und sackte quer vor dem mächtigen Gegner achteraus; seine beiden Vordermänner blieben gleichfalls zur Unterstützung zurück (Plan I, B-B, B′-B′). So wurde der Durchbruch verhindert; die letzten 7 englischen Schiffe setzten ihre Fahrt trotz arger Bedrängnis unter beständigem Gefecht fort und kamen Schiff nach Schiff zu Anker, wobei[357] nun die schon verankerten Schiffe in den Kampf eingriffen. So konnte die vordere Hälfte der englischen Linie, gewissermaßen gedeckt durch den Kampf der hintern, unbelästigt ihre Ankerplätze einnehmen, ebenso diese, ihrerseits unterstützt durch das Feuer der ersteren. De Grasse lief noch an der feindlichen Linie entlang, gab sein Feuer ab und steuerte dann nach Süden.

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I. Schlacht bei Christopher, 25. Januar 1782.
II. Ankergefecht am 26. Januar 1782.

Das Ankergefecht am 26. Januar 1782. Der Ankerplatz Hoods war nicht genau der gleiche, wie ihn de Grasse innegehabt hatte (s. Plan II), aber er beherrschte diesen. Die Nacht vom 25./26. Januar wurde benutzt, die in Eile eingenommene Ankerordnung zu verbessern und zu verstärken; so wurden drei Schiffe der Nachhut zwischen das Spitzenschiff und die Küste gelegt,[358] um jedes Umgehen der Linie hier auszuschließen. Hood durfte nun seine Stellung als stark betrachten.

Sein linker Flügel lehnte sich an die Küste. Von hier zog sich die Linie in ost-westlicher Richtung bis zum 16. Schiff, dem Flaggschiff, und bog dann in scharfer Kurve um, so daß die letzten Schiffe in der Richtung Nord-Süd lagen (Plan II, A—A). Die Stellung vom Rücken her anzugreifen, war bei den Windverhältnissen kaum möglich, und beim Frontangriff hatten die Engländer den Vorteil, daß Beschädigungen der Takelage für sie ohne Bedeutung waren, für die angreifenden Schiffe aber verhängnisvoll werden konnten.

De Grasse hätte wohl seinen früheren Ankerplatz wieder einnehmen können, aber dieser lag in Lee des Feindes und war auch für eine große Flotte nicht günstig. Er beschloß anzugreifen; durch Ankunft der Schiffe von Martinique standen ihm schon am nächsten Tage mindestens 27, vielleicht bereits 29 Linienschiffe zur Verfügung. Am 26. Januar steuerte er in Kiellinie auf den linken Flügel der englischen Stellung zu (Plan II B-B). Infolge plötzlich schralenden Windes traf das Spitzenschiff[167] um 8½ Uhr vorm. erst auf das dritte englische vom Flügel und erhielt die Breitseiten von vier Gegnern, so daß man die Plankenstücke seiner Bordwände herausfliegen sah, dann lief es die englische Linie entlang. Die anderen Schiffe folgten, einige nahe, andere in weiterer Entfernung; „Ville de Paris“ kam sehr dicht heran und verlangsamte auch auf kurze Zeit ihre Fahrt. Das Feuergefecht war äußerst heftig, der Pulverrauch hüllte die Schiffe oft völlig ein, aber die englische Stellung blieb unerschüttert und de Grasse führte seine Flotte wieder nach See zu. Ein zweiter Angriff am Nachmittage, nur gegen Mitte und rechten Flügel der Engländer gerichtet, blieb ebenso erfolglos.

Die Verluste am 25. und 26. Januar betrugen englischerseits 72 Tote und 244 Verwundete, französischerseits 107 und 207.

Während der nächsten Wochen kreuzte nun die französische Flotte zu Luward, drohte fast täglich mit einem Angriff und gab auch Feuer auf weite Entfernung ab. Hood war somit zwar blockiert, konnte aber auf dem Lande eingreifen, was er auch mit etwa 1200 Mann versuchte. Bouillés Macht war jedoch zu stark, und die Gelandeten mußten schon nach 24 Stunden wieder eingeschifft werden. Brimstonhill kapitulierte am 13. Februar.

Hood hatte am 1. Februar durch Kempenfelt Nachricht erhalten, daß die französische Verstärkung für Westindien von ihm zerstreut sei (s. Seite 322). Dies hob seine Hoffnung auf das Gelingen seines kühnen Unternehmens, wenn nur Rodney bald einträfe. Jetzt aber nach der Waffenstreckung der Truppen am Lande mußte er befürchten, daß Bouillé Batterien gegen die Flotte erbaue, und an das Verlassen seines Ankerplatzes denken. Dies konnte aber nur mit großer Vorsicht ausgeführt werden, denn[359] die französische Flotte war auf 32 Linienschiffe angewachsen; es waren außer dem letzten der 4 Schiffe von Martinique am 2. Februar noch die beiden Linienschiffe zu ihr gestoßen, die nach der Zerstreuung des Konvois durch Kempenfelt die Fahrt fortgesetzt hatten. Doch eine Gelegenheit bot sich bald. Am 14. führte de Grasse seine Flotte unter die Küste von Nevis, um aus Transportern, die hier am 13. von Martinique eingetroffen waren, seine fast erschöpften Proviantbestände zu ergänzen. In der folgenden Nacht kappten die Engländer die Ankertaue, ließen aber auf deren Bojen Laternen brennen, um die Ausguckfregatten des Feindes zu täuschen, und segelten nördlich um St. Christopher herum nach Antigua, wo sie am 19. Februar eintrafen. De Grasse hielt eine Verfolgung für aussichtslos, ankerte zunächst bei Basseterre, ging aber bald darauf nach Martinique, um nicht von diesem Stützpunkt abgeschnitten zu werden, wenn Rodney einträfe; er erreichte Fort Royal am 26. Februar.

Auf der Rückfahrt nach Martinique ließ de Grasse am 22. Februar die Insel Montserrat besetzen. England hatte kurz vorher weitere Verluste erlitten, da sich eine französische Division leichter Schiffe am 22. Januar Demeraras, sowie am 5. und 8. Februar Berbices und Essequibos bemächtigte.

Beurteilung der Admirale Hood und de Grasse. Hoods kühnes Vorgehen, mit Geistesgegenwart und Geschick durchgeführt, war trotz des mangelnden Erfolges eine glänzende seemännische Tat. An und für sich lohnte der Entsatz der Insel wohl kaum das Wagnis, aber er war nicht unmöglich, und England brauchte um diese Zeit Erfolge. Hood hatte vor der Chesapeakebucht (Seite 339) ähnlich handeln wollen; hätte er dort den Oberbefehl geführt, so wäre Cornwallis vielleicht gerettet worden. Dem Admiral de Grasse wird vorgeworfen, daß er seine gewaltige Überlegenheit — vom 1. bis 13. Februar 32 Linienschiffe gegen 22 — nicht ausgenützt habe. Er habe gewußt, daß Rodney mit 12–15 Schiffen nahe, während die französische Flotte keine Verstärkungen mehr zu erwarten hatte, mithin hätte er Hood vorher vernichten müssen; der Besitz von St. Christopher habe erst in zweiter Linie gestanden. Der Vorwurf ist berechtigt. Gewiß war die englische Stellung sehr stark und wäre mit äußerster Hartnäckigkeit verteidigt worden. Aber sie wurde doch nicht wie die des Admiral Barrington bei Sta. Lucia 1778 durch Werke am Lande geschützt, und dort riet der tüchtige Suffren dem Oberbefehlshaber d'Estaing, unbedingt anzugreifen, ehe der Gegner Verstärkung erhielte; er erachtete den Erfolg für sicher. (Vgl. Seite 283.)

Die Verhältnisse lagen bei Sta. Lucia ganz ähnlich, und Suffren äußerte sich damals in einer für den jetzigen Fall geradezu prophetischen Weise. Er schrieb: »Trotz der geringen Ergebnisse der Beschießungen am 25. September (1781) können wir auf Erfolg rechnen. Der einzige Weg dafür ist aber ein kräftiger Angriff auf das feindliche Geschwader, das sich bei unserer Überlegenheit trotz der Batterien am Lande nicht halten kann, „wenn wir längsseit der feindlichen Schiffe gehen oder auf deren Bojen ankern«. Wenn wir zögern, können tausend Umstände den Feind retten. Er kann die Nacht benützen, um zu entwischen.

[360]

De Grasses Verhalten entspricht wieder ganz der bekannten Auffassung in der französischen Marine jener Zeit, die, wie erwähnt, ein französischer Taktiker in dem Ausspruche kennzeichnete: „Unsere Marine hat stets den Ruhm, eine Eroberung zu sichern, dem vielleicht glänzenderen aber praktisch wertloseren vorgezogen, einige Schiffe zu nehmen.“ Die Erwägung, daß die Seestreitkräfte des Feindes der ausschlaggebende Faktor seien und deshalb sein eigentliches Angriffsobjekt bilden müßten, lag ihm bei dieser fast allgemeinen Auffassung fern. So hatten die Franzosen einige Inseln genommen, aber die feindliche Flotte blieb intakt, und infolgedessen fand die französische Überlegenheit in den westindischen Gewässern bald ein Ende.

Admiral Rodney hatte am 15. Januar England mit 12 Linienschiffen verlassen, war am 19. Februar in Barbados eingetroffen und vereinigte sich am 25. bei Antigua mit Hood, der im Begriff war, nach Barbados zu segeln. Die Gesamtflotte folgte nun den Franzosen, kam jedoch zu spät, um ihnen den Weg nach Martinique zu verlegen, und ging nach Sta. Lucia. Hier stießen noch 3 Linienschiffe von England zu ihr, so daß Rodney jetzt über 37 Linienschiffe und 11 Fregatten verfügte. Als er dann erfuhr, daß de Grasse einen großen Konvoi erwarte, ließ er eine Hälfte seiner Flotte östlich vor der Durchfahrt zwischen Dominica und Martinique, die andere vor der zwischen Martinique und Sta. Lucia kreuzen. Der erwartete Konvoi hatte mit de Guichen im Februar Frankreich verlassen. Sein Führer navigierte mit Umsicht, er passierte die Desiraden nördlich, steuerte dann zwischen Guadeloupe und Dominica durch und erreichte so unbelästigt Fort Royal am 20. März. De Grasse sah durch die Begleitschiffe seine Flotte auf 35 Linienschiffe, einschließlich 2 50-Kanonenschiffe, und 5 Fregatten verstärkt. Rodney nahm Stellung bei Sta. Lucia in der Gros-Islet-Bucht an der Nordspitze der Insel.

Der Plan der Verbündeten, Jamaika zu erobern, hatte schon lange bestanden; in diesem Jahre sollte er ausgeführt werden. Man wollte bei Cap Français (Haiti) 50 Linienschiffe und 20000 Mann vereinigen. Aus Spanien war bereits im Januar eine Division Linienschiffe nebst Transportern mit 4000 Soldaten dahin abgegangen, zu ihr sollte die Flotte in Havanna unter Admiral Solano stoßen. De Grasse war beauftragt, seine Gesamtflotte nebst allen auf den Kleinen Antillen entbehrlichen Truppen dorthin zu führen und den Oberbefehl zu übernehmen; er mußte aber erst den erwähnten Konvoi erwarten, da seine Schiffe von Vorräten entblößt und die Magazine in Martinique leer waren. Die Aufgabe war schwierig, denn der von ihm zu deckende Transport von Truppen und Kriegsmaterial, dem sich noch nach Europa bestimmte Handelsschiffe anschlossen, zählte 150 Segel. De Grasse beabsichtigte nicht direkten Kurs nach Haiti zu nehmen, sondern wollte nahe den Kleinen Antillen entlang steuern, um die eigenen und die neutralen Inseln stets als Zufluchtsort für den Konvoi benutzen zu können.

Rodney mußte also jetzt die Vereinigung der feindlichen Kräfte bei Haiti hindern; er zog deshalb zwischen den nur 30 Seemeilen voneinander entfernten Ankerplätzen der beiden Flotten eine Kette von Fregatten, um[361] sofort Nachricht vom Inseegehen des Gegners zu erhalten. Jetzt zeigte sich die strategische Bedeutung Sta. Lucias für die Engländer. Bei ihrem eigentlichen Stützpunkte, Barbados, wären sie zu weit ab gewesen, um mit Aussicht auf Nutzen die Verfolgung aufzunehmen, und bei einem Kreuzen vor Fort Royal würde es nicht möglich gewesen sein, stets die Wasser- und Proviantbestände aufgefüllt zu halten; in der Gros-Islet-Bucht dagegen konnte die Flotte in unmittelbarer Nähe des Feindes immer seeklar liegen. De Grasse mußte die Fehler seiner Vorgänger büßen; Rodney zog den Nutzen von Barringtons Scharfblick und Schneid.

Die erste Schlacht bei Dominica, 9. April 1782[168]. Am 5. April erhielt Rodney die Nachricht, daß die französischen Soldaten eingeschifft würden, und am 8., bald nach Tagesanbruch, erfuhr er, daß der Feind den Hafen verlasse. Da dies bei der großen Zahl der Schiffe Zeit in Anspruch nahm und Rodney auch schon mittags frei vom Hafen die Verfolgung aufnehmen konnte, sichteten die Engländer bereits bei Sonnenuntergang von den Toppen aus die Franzosen und kamen dann während der Nacht beträchtlich auf. Am 9. bei Tagesanbruch lag der größere Teil der französischen Flotte nebst dem Konvoi bekalmt unter der Nordwestspitze von Dominica; nur etwa 15 Linienschiffe waren frei von der Insel und kreuzten gegen frischen Passat vor dem Eingange des Kanals zwischen Les Saintes und Dominica. Auch die englische Flotte lag in Stille etwa 12 Seemeilen westlich der feindlichen, bald aber erhielten etwa 8 Schiffe ihrer Vorhut, Admiral Hood, einen leichten Windhauch aus SO, der sie von der Hauptflotte fort und auf 2 französische Schiffe zu führte, die während der Nacht stark nach Lee geraten waren und jetzt in Stille nördlich der englischen Flotte lagen. Hood hätte sie abgeschnitten, wenn sie nicht auch einen Windstoß aus NW erhalten hätten, mit dessen Hilfe sie östlich segelten; sie erreichten später ihre Hauptflotte. Zur selben Zeit wie Hood bekamen auch die französischen Schiffe unter der Insel eins nach dem andern leichten Luftzug vom Lande her und setzten sich in Bewegung (s. Plan I a); die englische Hauptflotte blieb vorläufig noch in Stille liegen (I b).

De Grasse sah ein, daß er in Verbindung mit dem Konvoi eine Schlacht nicht vermeiden könne. Er gab deshalb diesem den Befehl, unter dem Schutze der beiden 50-Kanonenschiffe nach Basseterre hinüberzulaufen.

Mit der Flotte wollte er dann zwischen Guadeloupe und Dominica aufkreuzen. Er hoffte so den Feind hinter sich her vom Konvoi abzuziehen und glaubte, mit seinen besser gebauten Schiffen auch die Verfolgung abwerfen zu können; so würden sowohl Flotte wie Konvoi unbelästigt ihr Ziel erreichen.

Die Rettung des Konvois gelang. Während sich das Gefecht entspann, segelten die Fahrzeuge unbelästigt nach Norden und waren schon um 2 Uhr nachmittags aus Sicht. Von Guadeloupe erreichten sie später glücklich Haiti.

Je weiter Hood vorrückte, um so frischer ward der Wind, bis er den Kanal von Les Saintes gut offen sah und den Passat erhielt (I e). Da nun einerseits die beiden abgekommenen Schiffe noch nicht aus ihrer gefährlichen[362] Lage heraus waren (I d), anderseits die 8 Schiffe Hoods weit von ihrer Flotte entfernt standen, gab de Grasse seinen schon im Passat kreuzenden 15 Schiffen — es waren die französische Vorhut unter Chef d'Escadre de Vaudreuil, sowie 3 Schiffe der Mitte — den Befehl, diesen Teil der Engländer anzugreifen. Es entspann sich ein Gefecht auf halbe Kanonenschußweite, das von 9¾–10½ Uhr vorm. dauerte und in das nach und nach auf beiden Seiten noch einige Schiffe eingriffen, die den Passat erreicht hatten.

Hood mußte bald beidrehen, um sich nicht zu weit von der Hauptflotte zu entfernen. Die französischen Schiffe steuerten in Linie auf das Schlußschiff der Engländer zu, liefen dann an der englischen Linie entlang, wendeten nacheinander und wiederholten das Manöver; sie segelten also eine Ellipse zu Luward des Feindes ab (I e). Vaudreuil wählte diese Entfernung, da er fürchtete, daß auf einer näheren die Takelagen seiner Schiffe zu sehr durch das Feuer der Karronaden leiden würden, mit denen die englischen Schiffe ausgerüstet waren. (Vgl. Kapitel II, Seite 21 ff.)

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Erste Schlacht bei Dominica 9. April 1782.

Während dieses Gefechtes hatte sich Rodney mit etwa 8 Schiffen der englischen Mitte unter sorgfältiger Benutzung der schwachen Windstöße näher an Land herangearbeitet, die dort frischere Brise abgefangen und steuerte dann gegen 10½ Uhr nach Norden (Plan II a); der Rest seiner Flotte lag immer noch nahezu fest (II b). Als Vaudreuil dies sah, brach er das Gefecht ab und segelte nach Süden, damit Rodney sich nicht zwischen ihn und de Grasse schieben könne. Um 11½ Uhr aber griff er Hood aufs neue und in gleicher Weise an, da auch die französische Mitte und Nachhut den Kampf aufnahmen. Diese eröffneten nämlich jetzt das Feuer auf Rodney, aber auf so weite Entfernung, daß die Engländer es nur schwach erwiderten (II c). Als dann de Grasse um 1¼ Uhr nachm. auch die englische Nachhut herankommen sah, ließ er das Gefecht überall abbrechen und begann mit der ganzen Flotte in den Kanal aufzukreuzen; ein Schiff wurde wegen[363] Beschädigungen in der Takelage nach Basseterre gesandt, um die Bewegungen der Flotte nicht zu behindern. Auch Rodney sammelte seine Schiffe und drehte für die Nacht zum Ausbessern bei. Er bildete aber zu diesem Zwecke seine Formation in „Kehrt“, so daß die Vorhut zur Nachhut wurde, denn nur die Vorhutschiffe hatten gelitten, zwei von ihnen sogar beträchtlich, sie blieben aber trotzdem bei der Flotte.

Kritik der Schlacht vom 9. April. Wieder muß man fragen: warum hat de Grasse nicht die Gelegenheit benutzt, einen Teil der englischen Flotte zu vernichten? Vaudreuil stand anfangs mit 15 Schiffen gegen 8, und auch später war das Verhältnis ähnlich. Warum griff er nicht von hinten auf beiden Seiten an, der Wind war ihm günstig und Hood hatte keine Aussicht auf baldige Unterstützung. Im zweiten Teile des Kampfes standen gar insgesamt 33 Franzosen gegen höchstens 20 Engländer, denn 16 englische Schiffe — die ganze Nachhut und 4 der Mitte — vermochten nicht, einzugreifen. Wären Hoods Schiffe vernichtet worden, so war Rodney lahmgelegt, und de Grasse konnte seine Aufgabe durchführen.

Die Franzosen verloren am 12. April nur 5 Schiffe und doch war die Schlacht für sie eine entscheidende Niederlage. Zu erklären ist dies nur dadurch, daß der französische Admiral es für seine wichtigste Aufgabe hielt, die Flotte unversehrt zu erhalten. Der Angriff auf den gefährdeten Teil des Feindes sollte dann wohl nur diese Schiffe in ihrer Bewegungsfähigkeit so weit schädigen, daß sie an der Verfolgung nicht teilnehmen konnten oder sie doch aufhielten. Es ist nirgend zu ersehen, ob Vaudreuil nach eigener Überlegung oder auf Anordnung den Kampf so vorsichtig geführt hat. Das erste ist möglich, wenn er die fast allgemeine französische Auffassung teilte, doch das zweite ist wohl wahrscheinlicher. Wenn er aber wußte, daß de Grasse nicht entscheidend schlagen, sondern sogar sich der Verfolgung entziehen wollte, war sein Bestreben richtig, außerhalb der Wirkung der Karronaden zu bleiben.

Die zweite Schlacht bei Dominica (häufig Les Saintes genannt[169]) am 12. April 1782. Dreimal hatte das Glück de Grasse zu einem großen Erfolge vergeblich die Hand geboten — am 29. April 1781 stand er bei Martinique mit 24 Schiffen gegen 18, im Januar 1782 bei St. Christopher mit 30 gegen 22 und am 9. April mit 33 gegen 20 —, jetzt aber verließ es ihn. Rodney setzte am 10. die Verfolgung beharrlich fort, auf günstige Zwischenfälle hoffend, und diese traten ein. Am 10. April morgens konnten die Engländer die französische Flotte noch von Deck aus sehen, bei Tagesanbruch am 11. nur noch von den Toppen der Masten; de Grasse schien sich wirklich seinem Verfolger zu entziehen.

Wenn in diesem Falle die französische Flotte der englischen an Schnelligkeit überlegen war und nicht durch ungekupferte Schiffe aufgehalten wurde, so liegt dies[364] daran, daß sie gerade beim Aufkreuzen, zumal gegen flauen Wind, die größere Segelfähigkeit zu entfalten vermochte, die sie infolge besserer Bauart ihrer Schiffe besaß.

Aber es kam anders. In der Nacht vom 10. auf 11. stießen zwei Schiffe zusammen, „Jason“ und „Zélée“; so daß das erste nach Guadeloupe geschickt werden mußte. Im Laufe des 11. sah sich dann de Grasse gezwungen, einen Teil seines Vorsprunges aufzugeben, um zwei Schiffe, „Magnanime“ und „Zélée“, wieder an sich zu ziehen, die zu weit nach Lee geraten waren. „Zélée“ schien ein Unglücksschiff zu sein. Es war schon unter Dominica am 9. April von der Flotte abgekommen, in der Nacht vom 11./12. stieß es wiederum zusammen und dieses Mal sogar mit dem Flaggschiff „Ville de Paris“; die Wache hatte ein junger Unterleutnant gehabt — ein die Verhältnisse in der französischen Marine kennzeichnender Umstand. Die Takelage des Flaggschiffes ward etwas beschädigt, „Zélée“ aber verlor Bugspriet und Fockmast, so daß eine Fregatte sie nach Guadeloupe schleppen mußte. Der französischen Flotte fehlten nun außer den beiden 50-Kanonenschiffen, die den Konvoi begleiteten, bereits 3 Linienschiffe. Der Zusammenstoß hatte außerdem die Flotte in Unordnung gebracht und aufgehalten.

Am nächsten Tage kam es durch die Wiederherstellung der Ordnung sowie Manöver zur Deckung der „Zélée“, deren Verbindung mit dem Schlepper fast bis Tagesanbruch gedauert hatte, zum Zusammenstoß mit dem Verfolger. Er wurde die größte rangierte Schlacht des Krieges, ja des Jahrhunderts bis zu dieser Zeit. Sie wurde am gleichen Tage geschlagen wie die heißeste dieses Krieges in Ostindien; die Sonne hatte sich noch nicht über den erschöpften Geschwadern der Admirale Suffren und Hughes bei Providien, an der Küste Ceylons südlich von Trincomali, gesenkt, als ihre ersten Strahlen die Flotten bei Les Saintes beschienen. (Der Zeitunterschied zwischen den beiden Orten beträgt 9½ Stunden.)

Die Schlachtordnungen der Flotten.

Beide sind in „Kehrt“ angegeben, da die Flotten so ins Gefecht traten.

Die englische Flotte:
Vorhut   Mitte   Nachhut
Marlborough 74   America 64   Prince William 64
Arrogant 74   Hercules 74   Magnificent 74
Alcide 74   Protée 64   Centaur 74
Nonsuch 64   Resolution 74   Belliqueux 64
Conqueror 74   Agamemnon 64   Warrior 74
Princesa1) 70   Duke 98   Monarch 74
Prince George 98   Formidable2) 98   Barfleur3) 98
Torbay 74   Namur 90   Valiant 74
Anson 64   St. Albans 64   Yarmouth 64
Fame 74   Canada 74   Montagu 74
Russel 74   Repulse 64   Alfred 74
    Ajax 74   Royal Oak 74
    Bedford 74    

1) Flaggschiff des Kontreadmirals Francis Samuel Drake.

2) Flaggschiff des Admirals Sir George Bridges Rodney.

3) Flaggschiff des Kontreadmirals Sir Samuel Hood.

[365]

Die französische Flotte.
Vorhut   Mitte   Nachhut
Hercule 74   [170]Hector   74   Diadème 74
Souverain 74   [170]César   74   Destin 74
Palmier 74   deco     Magnanime 74
Northumberland 74   Dauphin-Royal   70   Réfléchi 64
Neptune 74   Languedoc   80   Conquérant 64
Auguste1) 80   [170]Ville de Paris2) 104   Magnifique 74
[170]Ardent 64   Couronne   80   Triomphant3) 80
Scipion 74   Eveillé   64   Burgoyne 74
Brave 74   Sceptre   74   Duc de Bourgogne 80
Citoyen 74   [170]Glorieux   74   Marseillais 74
    deco     Pluton 80

1) Flaggschiff des Chef d'Escadre De Bougainville.

2) Flaggschiff des Lieutenant-Général Comte de Grasse.

3) Flaggschiff des Chef d'Escadre De Vaudreuil.

deco Hinter „Glorieux“ durchbrach Rodney und hinter „César“ Hood die französische Linie.

Am 12. April mit Tagesanbruch, gegen 5½ Uhr, steuerte die englische Flotte bei SO-Wind südlich; sie lag über Steuerbordbug mit „Kiellinie in Kehrt“, so daß also die eigentliche Vorhut (Geschwader Hood) zur Nachhut wurde. Man sah die französische Flotte in NO, gleichfalls über Steuerbordbug bei OSO-Wind, aber in einer breiten Masse liegend (Plan I a); sie war durch ungünstige Zufälle sehr auseinandergekommen. Ihre östlichsten Schiffe befanden sich 8–10 Seemeilen von den westlichsten entfernt; unter diesen befand sich das Flaggschiff „Ville de Paris“, das etwa 10 Seemeilen von Rodneys Flaggschiff stand. Noch westlicher sah man „Zélée“ im Schlepp der Fregatte (b). Rodney ließ sofort seine 4 letzten Schiffe auf diese abhalten (c), wohl um de Grasse zu ihrer Deckung nach Lee zu locken. Mit seiner Flotte wendete er, alle Schiffe zugleich, und bildete dann wieder die Kiellinie beim Winde über Backbordbug, also mit Kurs ONO (d). Sein Plan gelang.

De Grasse gab gegen 6 Uhr Befehl, abzuhalten, Segel zu mehren und gleichzeitig die Schlachtlinie über Steuerbordbug „in Kehrt“ herzustellen (e). Gegen 7 Uhr rief Rodney die jagenden Schiffe zurück und ließ seine Linie auf eine Kabellänge Entfernung zwischen den Schiffen schließen. Gleichzeitig hatte de Grasse erkannt, daß er die Luvstellung verlieren würde, wenn er wie bisher weiter raum steuerte; er ging wieder an den Wind, der um diese Zeit nach Ost drehte. So begann ein Rennen zwischen den beiden Flotten um die Luvstellung; die französische lag über Steuerbordbug etwa SSO (f), die englische über Backbordbug etwa NNO (f'′), aber die erste war noch nicht gut ausgerichtet, als der unvermeidliche Zusammenstoß erfolgte.

Rodney hatte auch während des Aufkreuzens an den letzten Tagen von Zeit zu Zeit nach Möglichkeit ausrichten lassen, jetzt wurde die Gefechtslinie bald in guter[366] Ordnung hergestellt. De Grasse dagegen wurde es schwer, die Formation einzunehmen, da die Schiffe so weit verstreut waren; als der Zusammenstoß erfolgte, hatten noch nicht sämtliche Schiffe der Vorhut und Nachhut ihre Posten eingenommen (Plan II, V. und N.). Vaudreuil, der die Nachhut befehligte, also zuletzt ins Gefecht kam und alles gut übersehen konnte, schrieb später: „Wir bildeten unsere Linie unter Gewehrfeuer.“

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Schlacht bei Dominica 12. April 1782.

Aus Besorgnis um „Zélée“ hatte de Grasse entgegen seiner sonstigen Vorsicht die Bewegungen hastig und unüberlegt ausgeführt. Es lag in seiner Hand, den Zusammenstoß zu verzögern, bis er besser geordnet war, wenn er länger unter kleinen Segeln blieb und nicht so weit abhielt. Dies soll nach Augenzeugen überhaupt nicht nötig gewesen sein; „Zélée“ lief im Schlepp 5–6 Knoten Fahrt, und Rodney würde sich gehütet haben, seine Schiffe länger hinter ihr herlaufen zu lassen, sobald die französische Flotte nur Anstalt zum Kampf machte. Ferner war es falsch, daß die Flotte über Steuerbordbug nach Süden ging, da man erfahrungsmäßig unter Dominica flaue umspringende Winde antraf, während in der Mitte des Kanals frischer Passat wehte. All diese Umstände sind dem Admiral später zum Vorwurf gemacht.

Die führenden französischen Schiffe erreichten und passierten zuerst den Punkt, in dem sich die schnell zusammenführenden Kurse der Flotten schnitten. Das englische Spitzenschiff „Marlborough“ traf auf das achte Schiff der feindlichen Linie „Scipion“, dessen Hintermann „Brave“ um 7¾ Uhr[367] vormittags das Feuer eröffnete. Da ein Durchbrechen nicht beabsichtigt war, hielt „Marlborough“ auf Signal Rodneys ab und lief in Lee der feindlichen Linie entlang; ihm folgten die übrigen Schiffe im Kielwasser (Plan II). Die Schlacht wurde damit zu einem Passiergefecht, das gewöhnlich keine Entscheidung bringt, und dies entsprach auch wohl der Absicht des französischen Admirals. Da aber die Schiffe bei flauem Winde nur 3–4 Knoten liefen, wurde der Kampf heftiger als sonst bei dieser Gefechtsart[171], ferner gab de Grasse seiner Spitze Befehl, bis SSW abzuhalten und brachte so seine bisher ganz unbeschäftigte Vorhut ins Gefecht. Er wurde sich aber doch jetzt bewußt, daß dieser Kurs die Flotte in die Region des flauen, umspringenden Windes führen und ihr voraussichtlich die Luvstellung kosten würde; diese war jedoch unbedingt nötig, wenn er sich ohne entscheidende Schlacht der Verfolgung entziehen wollte. De Grasse gab deshalb um 8½ Uhr Befehl, gleichzeitig zu halsen, und bald darauf, als dies nicht ausgeführt wurde, im Kontremarsch zu halsen, jedoch auch dieses Kommando wurde nicht befolgt.

Ein gleichzeitiges Halsen hätte die französischen Schiffe in eine geradezu verhängnisvolle Lage gebracht; da die Flotten so nahe beieinander lagen, würden sie bei dem flauen Winde alle zugleich lange Zeit einem vernichtenden Enfilierfeuer von hinten ausgesetzt gewesen sein. Der Kommandant des Schlußschiffes „Pluton“, Kapitän d'Albert de Rions, der das Manöver hätte beginnen müssen, sah das Signal, hielt es aber aus genanntem Grunde für einen Irrtum und befolgte es nicht; auch sein Geschwaderchef Vaudreuil, der nun auf Ausführung hätte dringen müssen, sowie noch andere Kommandanten scheinen gleicher Ansicht gewesen zu sein. Das zweite Signal ward für einen Augenblick vom Spitzenschiff gesehen, das hier beginnen mußte, aber bald durch Pulverdampf verhüllt. Der Kommandant dieses Schiffes wollte die Verantwortung nicht übernehmen, da er seiner Sache nicht ganz sicher war; auch bei diesem Manöver wären die französischen Schiffe, eins nach dem anderen, dem Enfilierfeuer aus nächster Nähe ausgesetzt gewesen.

Einige Minuten nach 9 Uhr trat nun das Gefürchtete ein. Der Wind sprang plötzlich auf SSO und kam allen französischen Schiffen, die noch nicht abgehalten hatten, fast von vorn, so daß sie etwa SW steuern mußten, um volle Segel zu behalten. Sie lagen nun nicht mehr in Kiellinie, sondern mit dem Bug auf die feindliche Linie zu (Plan III), während den Engländern frei stand, ihren Kurs beizubehalten oder anzuluven; auch ging die Fühlung zwischen den französischen Schiffen verloren und es entstanden Lücken. Rodney war um diese Zeit querab vom vierten Schiff hinter de Grasse, und hier war eine besonders große Lücke, da das fünfte Schiff hinter dem französischen Flaggschiffe, „Diadème“, alle Segel back bekommen hatte. In diesen Zwischenraum, also hinter „Glorieux“, brach Rodney mit dem „Formidable“ ein, gefolgt von den nächsten fünf Schiffen, und kurze Zeit darauf drang das letzte Schiff der englischen Mitte, „Bedford“, hinter dem „César“ durch eine Lücke, hinter ihm die ganze Nachhut unter Hood.[368] Der Vordermann Rodneys, der „Duke“, ging nach dem Beispiel seines Admirals hinter dem „Réfléchi“ durch. Rodney hatte beim Durchbruch das Signal „Schlachtlinie“ niedergeholt.

Die französischen Schiffe an den Durchbruchsstellen litten natürlich sehr. Infolge von Rodneys Manöver stauten sich die vier Schiffe „Diadème“, „Destin“, „Magnanime“, „Réfléchi“ zu einem Haufen, in den die durchbrechende Kolonne das Feuer ihrer Backbordbatterien und „Duke“ das seiner Steuerbordbatterie schmetterten; also 7 Schiffe, worunter 3 Dreidecker. Die Steuerbordbatterien der Kolonne entluden sich auf „Glorieux“, der alle Masten verlor. Unter dem Feuer der Kolonne Hoods hatten besonders „César“ sowie dessen Vordermann „Hector“ zu leiden.[172]

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Schlacht bei Dominica 12. April 1782.

Die französische Linie war somit an zwei Stellen von Kolonnen durchbrochen und nach Lee gedrängt. Die ganze englische Vorhut sowie 5 Schiffe der Mitte waren weiter gelaufen; die vordersten Schiffe der Vorhut müssen zur Zeit des Durchbruches bereits das Ende der französischen Linie passiert haben. Auffallend ist, daß diese 16 Schiffe keinen Befehl zum Wenden erhielten, um dem Feinde zu folgen; der Admiral der Vorhut hätte ihn auch selber geben können, da das Signal „Schlachtlinie“ nicht mehr wehte. Keine englische Quelle äußert sich hierüber, es wird nur erwähnt, daß das 11. Schiff „Russel“ und das 12. „America“ aus eigenem Antriebe gewendet hätten.[369] Dieses wendete zurück, da kein Signal kam, „Russel“ blieb auf dem neuen Kurse und konnte infolgedessen später bei der Verfolgung der „Ville de Paris“ kräftig eingreifen. Auch die englische Flotte war in drei Gruppen geteilt, und beide Oberbefehlshaber strebten nun, ihre Kräfte wieder zu sammeln; das Feuer hatte im allgemeinen zwischen 10½ und 11 Uhr aufgehört, nur die letzten Schiffe der englischen Nachhut scheinen es bis gegen Mittag noch unterhalten zu haben.

Rodney wendete nach dem Durchbruch mit seiner Gruppe und gab gegen 11½ Uhr auch der Vorhut Befehl hierzu. Das Manöver erlitt jedoch erhebliche Verzögerung, da die Takelagen beschädigt waren und der Wind flau und unbeständig wehte; Hood war mit der Nachhut nach dem Durchbruch anstatt sogleich zur Mitte zu steuern, am Winde geblieben und bald in Stille geraten. Als gegen 1 Uhr nachmittags etwas frischere Brise von Osten aufkam und den Pulverrauch vertrieb, lagen die beiden Flotten, wie aus Plan IV ersichtlich: die französische Vorhut (V) stand etwa zwei Seemeilen zu Luward der Gruppe bei de Grasse (M), die Nachhut (N) etwa 4 Seemeilen in Lee von dieser; die englische Flotte bot ein ähnliches Bild (V1, M1, N1). Zwischen beiden Flotten lagen die französischen Schiffe „Glorieux“, „César“, „Hector“ fast bewegungslos.

De Grasse gab im Laufe des Nachmittags wiederholt Befehl, die Ordnung auf die am meisten in Lee befindlichen Schiffe wieder herzustellen, aber ohne Erfolg. Die drei Gruppen näherten sich wohl etwas, ein wirkliches Sammeln kam jedoch nicht mehr zustande; die Beschädigungen und der schwache Wind mögen es vereitelt haben, die Schiffe konnten wohl raum segeln, aber schlecht manövrieren, vielleicht hat auch der Eindruck der Niederlage das Seinige dabei getan. Rodney hat, als um 1 Uhr Wind aufkam und man die Lage übersehen konnte, keine Maßregeln zur Ausnützung des bisherigen Erfolges ergriffen; er heißte zwar das Signal „Nahgefecht“, holte es aber bald wieder nieder. Er scheint mit dem Flaggschiff längere Zeit dem Feinde nur unter kleinen Segeln gefolgt zu sein, und viele seiner Schiffe taten das gleiche. So näherten sich die englischen Gruppen wohl dem Gegner, aber eine scharfe Verfolgung trat nicht ein. Dennoch fielen fünf Franzosen vorausgeeilten Engländern in die Hände. Etwa um 4 Uhr wurden die obengenannten drei vereinzelten Schiffe und auch ein schlechter Segler der Vorhut, „Ardent“, genommen, und gegen 6 Uhr strich das Flaggschiff „Ville de Paris“ nach tapferster Gegenwehr die Flagge vor „Barfleur“ und „Russel“; es soll um diese Zeit von 9 englischen Schiffen umgeben gewesen sein.

Die Nacht brach nun herein. Der Chef d'Escadre de Vaudreuil übernahm auf französischer Seite den Oberbefehl. Er mehrte auf „Triomphant“ Segel, hielt ab und befahl, ihm zu folgen, doch konnte der aufzunehmende Kurs nur durch Zuruf von Schiff zu Schiff weitergegeben werden. Rodney ließ um 6¾ Uhr die Linie über Steuerbordbug bilden und beidrehen.

Der Verlust der Engländer betrug 243 Tote, darunter 2 Kommandanten, und 816 Verwundete; der der Franzosen ist nirgend verzeichnet,[370] doch sagen ihre eigenen Quellen, er sei viel stärker gewesen. Acht Kommandanten waren gefallen und 5 Schiffe verloren; der Zufall wollte, daß sich auf dem Flaggschiffe reiche Geldmittel und auf den anderen der größere Teil der Artillerie für die Expedition gegen Jamaika befand. Diese 5 in der Schlacht genommenen Schiffe, sowie zwei weitere, die später Hood in die Hände fielen, sind aber nie nach England gekommen; „César“ flog noch in der Nacht auf und die anderen sind sämtlich in Westindien oder auf der Fahrt nach England, stark beschädigt wie sie waren, in stürmischem Wetter untergegangen.

Die französischen Verluste müssen sehr viel höher gewesen sein. Während der stärkste Verlust auf einem englischen Schiffe („Duke“) 73 Mann betrug, sind mit „César“ allein 400 Franzosen umgekommen, und Troude schreibt, „Ville de Paris“ habe 400 Tote und 600 Verwundete gehabt; die Engländer seien beim Anbordkommen vor Entsetzen starr gewesen. Dieses Mißverhältnis ist nicht allein dadurch bedingt, daß die Franzosen wieder besonders auf die Takelage gefeuert hatten, sondern auch durch die zweifellos bessere Artillerie der Engländer. Ihre Schiffe führten Karronaden, deren große Vorteile im Nahgefecht wir kennen; ihre Geschütze waren teilweise mit Hammerschlössern versehen, die Zielen und Abfeuern durch denselben Mann erlaubten; neue Vorrichtungen an den Lafetten gestatteten schnelleres Richten. Daß die französische Marine die englischen Verbesserungen noch nicht eingeführt hatte, war eine um so gröbere Nachlässigkeit des Ministeriums, als Offiziere wie Suffren auf Vervollkommnungen der Artillerie gedrungen hatten, so auf Einführung von Haubitzen auf Oberdeck für Kartätschfeuer, also etwas Ähnliches wie die Karronaden, die Sache war aber verschleppt worden. Ferner häufte auch der Umstand die Verluste der Franzosen, daß auf ihren Schiffen sich 5400 Soldaten befanden, die nun als Kanonenfutter dienten.

Kritik der Schlacht am 12. April[173]. Gerade diese Schlacht ist bis zur Jetztzeit Gegenstand eingehender Besprechung gewesen. Sie war nach langer Zeit die größte rangierte Schlacht und gewann besondere Bedeutung für die Seetaktik, da in ihr durch Brechen mit dem langjährigen Schema eine große Entscheidung herbeigeführt wurde; wir wissen, daß mit ihr das Wiederaufleben der Taktik beginnt. Wir wollen die hauptsächlichsten Auslassungen bedeutender Autoren der neueren Zeit kurz zusammenfassen.

Rodneys Durchbruch. Es ist gestritten worden, ob es richtig war, die feindliche Linie zu durchbrechen, oder ob Rodney nicht besser seinen Kurs fortgesetzt, die feindliche Nachhut mit seiner ganzen Linie beschossen, dann mit seiner Spitze hinter ihr gewendet und die letzten Schiffe zwischen zwei Feuer genommen hätte. Die feindliche Linie von hinten von beiden Seiten anzugreifen, ist allerdings unter anderen Umständen von Vorteil, aber ob es hier möglich war, bleibt fraglich. Die englische Linie hatte schon längere Zeit im Gefechte gelegen und nicht alle Schiffe hätten schnell wenden und dann den Gegner einholen können; es wäre wahrscheinlich bei einem Passiergefechte geblieben, ähnlich wie bei Ouessant (1778), nach dem die Engländer höchstens[371] die Luvstellung gewonnen hätten. Zuzugeben ist nun allerdings, daß der Durchbruch der Kolonne Rodneys den letzten elf Franzosen den Rückzug nach Lee freigab, nachdem sie nur von der englischen Vorhut beschossen waren, während diese das Feuer der ganzen französischen Linie erhielt, dafür aber waren sie durch das Ausweichen nach Lee für einen längeren und wichtigen Zeitraum außer Gefecht gesetzt und wären nicht imstande gewesen, dem Reste ihrer Flotte Hilfe zu bringen; die Engländer konnten diesen mit erdrückender Überzahl angreifen, da sie die Luvstellung gewonnen hatten, während die elf französischen Schiffe hoffnungslos in Lee lagen.

Dadurch, daß auch Hood durchbrach, wurde die Sache nur wenig anders. Die Gruppe der sechs Schiffe bei de Grasse war von dem vorderen und dem hinteren Teile der Flotte abgeschnitten und gleichfalls nach Lee getrieben; die französische Linie war in drei Teile getrennt, die sich nur schwer wieder vereinigen konnten, und man darf auch den moralischen Eindruck nicht unterschätzen, der hierdurch entstand. Dazu kommt nun die größere Ausnutzung des Feuers seitens der durchbrechenden Schiffe. Beim Passiergefecht würden unter gleichen Umständen Breitseiten abgegeben und empfangen sein, hier erhielten die französischen Schiffe an den Durchbruchsstellen nacheinander das Feuer aller Schiffe der durchbrechenden Kolonne, und diese hätten sogar die Kanonen beider Seiten zur Verwendung bringen können; tatsächlich tat es nur „Formidable“, da die Backbordbatterien der anderen nicht bereit waren. Rodneys Manöver hatte also zur Folge: die Gewinnung der Luvstellung und damit die Möglichkeit zum angriffsweisen Vorgehen; die Vereinigung des Feuers auf einen Teil der feindlichen Schlachtordnung; das Auseinandersprengen und Verwirren dieser. Es ist kein stichhaltiger Einwurf, daß sich die Franzosen bei geschickterem Manövrieren früher wieder hätten vereinigen können; ein Unternehmen, das beim Gelingen Vorteil verspricht, verliert dadurch nicht an Wert, daß es vom Gegner pariert werden kann.

Sicher ist wohl, daß Rodney den Durchbruch nicht vorher beabsichtigt hat, sondern nur die günstige Gelegenheit — den raumenden Wind und die sich bietende Lücke — wahrnahm. Der Admiral soll sogar dabei gar nicht eigenem Antriebe, sondern nur einem Drucke seines Stabschefs, Kapitän Sir Charles Douglas, gefolgt sein; gewichtige Beweisgründe, die dessen Sohn beibringt, scheinen dies zu bestätigen. Sie dürften indessen doch mit Vorsicht aufzunehmen sein, denn zweifellos hat Rodney die von Clerk aufgestellten taktischen Grundsätze (vgl. Seite 44) gekannt und gebilligt, und dieser sieht den Durchbruch mit der eigenen Mitte vor. Wohl ist es möglich, daß Douglas die Anregung gegeben, aber unwahrscheinlich, daß es längerer Vorstellungen bedurft hätte, zu denen überdies nicht einmal die Zeit vorhanden war.

Rodneys eigene Ansicht über die Schlacht ist bemerkenswert. Er hielt nur wenig von seinem Siege am 12. April und würde es vorgezogen haben, seinen Ruf auf die Taktik zu gründen, die er in der Schlacht bei Martinique am 17. April 1780 hatte anwenden[372] wollen. Er war überzeugt, daß die damals gebotene Gelegenheit, mit einer schwächeren Flotte einen tüchtigen Führer (er hielt de Guichen für den Besten der Franzosen) zu schlagen, ihm ohne die Fehler seiner Kommandanten größeren Ruhm erworben haben würde. Das Schicksal fügte es sonderbar. Sein Ruhm gründet sich auf der allerdings glänzenden Schlacht am 12. April 1782, an der aber seine Fähigkeiten den geringsten Anteil hatten, und die Haupttat seines Lebens, in der Verdienst sowie Erfolg sich entsprachen, nämlich die Vernichtung der spanischen Flotte Langaras beim Kap St. Vincent am 16. Januar 1779, ist kaum noch bekannt. Übrigens schrieb auch im letzterwähnten Falle das Tagesgeschwätz dem Kommandanten des Flaggschiffes das Verdienst zu, doch ist dies zweifellos widerlegt. (Vorstehendes nach Mahan I, Seite 488.)

Das Unterlassen der Verfolgung am 12. April bezeichnete Hood als einen großen Fehler Rodneys. Er war der Ansicht, daß 20 Schiffe hätten genommen werden können, wenn nach dem Durchbruch „Allgemeine Jagd“ befohlen und man dem Gegner unter vollen Segeln auch während der Nacht auf den Fersen geblieben wäre; der obengenannte Chef des Stabes pflichtete ihm bei. Diese beiden erfahrenen Offiziere haben dann auch am nächsten Tage versucht, den Admiral zur Aufnahme der Verfolgung zu bewegen, aber er soll freundlich geantwortet haben: „Come, we have done handsomely as it is.“ Rodney rechtfertigte später die unterlassene Verfolgung mit dem Hinweis auf die vielfachen Schiffsschäden und sonstigen Folgen der heißen Schlacht, auch legte er nahe, daß der Erfolg in der Nacht zweifelhaft gewesen sein würde, weil der Feind „in einer geschlossenen Masse von 26 Schiffen“ abgezogen sei. Dies war nun allerdings nicht der Fall, wie sich zeigen wird, und Hood hatte wohl recht, wenn er eine tatkräftige Verfolgung unmittelbar nach der Schlacht oder doch am nächsten Tage für erfolgreich hielt. Dennoch erscheint es gewagt, Rodney unbedingt zu verurteilen; Hood war zwar ein hervorragender Führer und die Folgen gaben ihm recht, aber Rat sowie Kritik sind jederzeit leicht, und die volle Verantwortung fühlt nur der, auf dessen Schultern sie ruht.

De Grasse wurde in Frankreich sehr angegriffen. Man gab ihm zu, daß er mit 2246 Kanonen auf 30 Schiffen gegen 2674 Geschütze auf 36 sehr im Nachteil gewesen sei, aber die Hauptschuld an der Niederlage maß man doch seinem Verhalten bei.

Die Unterlegenheit geben die Engländer nicht voll zu. Douglas, der sich besonders mit Artillerie beschäftigte, meinte, die Franzosen hätten nicht nur die besseren Schiffe gehabt, sondern das Gewicht der Batterien auf ihren 30 Schiffen habe dem der 36 Engländer gegenüber zwei 74-Kanonenschiffe aufgewogen.

Am 9. April habe er trotz günstiger Umstände mit Rücksicht auf seine Aufgabe eine Schlacht vermieden und am 12. seine Flotte so geführt, daß es zu einer solchen unter nachteiligen Verhältnissen kommen mußte. Es wurden dann die schon besprochenen Fehler aufgeführt: Unnötige Besorgnis um „Zélée“ und das dadurch verursachte Aufgeben des bereits gewonnenen Luvraumes; Herangehen an den Feind, ehe die Linie gebildet war; Wahl des falschen Buges. Der Admiral versuchte, die Schuld auf einen Teil seiner Untergebenen abzuwälzen, die seine Befehle nicht befolgt und ihn später im[373] Stich gelassen hätten. Erst zu Beginn des Jahres 1784 konnten alle Angeklagten und Zeugen vor dem Kriegsgerichte erscheinen. Das Ergebnis der Verhandlungen war, daß fast alle vom Admiral Angeklagten gänzlich gerechtfertigt hervorgingen und nur einige unter Zugeständnis mildernder Umstände gelinde bestraft wurden; dem Admiral jedoch legte das Gericht die genannten Mißgriffe zur Last. De Grasse schädigte durch sein Auftreten nach der Niederlage und nach dem Urteilsspruche selber den Ruhm, den er sich in Nordamerika zweifellos erworben hatte.

De Grasse ging als Gefangener mit Rodney nach Jamaika und ward im Mai nach England gesandt. Dort wurde er sowohl von den Seeoffizieren wie von der Bevölkerung mit der wohlwollenden Aufmerksamkeit behandelt, die der Sieger einem immerhin tapferen Besiegten gern erweist. Diese Behandlung scheint er ziemlich würdelos aufgenommen und auch zu den Gegnern gehässig über seine Untergebenen geurteilt zu haben. Er tat dies ferner nicht nur in dienstlichen Berichten, sondern auch in Flugschriften, die er von England aus durch ganz Europa versandte. So war es kein Wunder, daß er bei der Rückkehr nach Frankreich nach seinem eigenen Ausspruch „keine Hand fand, die sich ihm entgegenstreckte“. Gegen die Urteile des Kriegsgerichts legte er in einem Briefe an den Marineminister Berufung ein und forderte eine neue Untersuchung. Der Minister antwortete im Namen des Königs ziemlich schroff. Nachdem er die Widersprüche in den Flugschriften mit den Ergebnissen der Untersuchung besprochen sowie dem Admiral den Vorwurf gemacht hatte, leichtfertig den Ruf seiner Offiziere gefährdet zu haben, schloß er: „Seine Majestät ist mit Ihnen sehr unzufrieden und verbietet Ihnen, vor ihm zu erscheinen; ich füge den Rat hinzu, daß Sie sich in Ihre Provinz zurückziehen.“ De Grasse starb 1788.

Die Folgen der Schlacht bei Dominica. De Vaudreuil hatte am Morgen des 13. April nur 11 Linienschiffe um sich, von denen er eins sogleich nach Cap Français voraussandte. Mit den übrigen kreuzte er einige Tage bei Haiti, um Versprengte aufzunehmen, und es stießen auch noch 6 Schiffe zu ihm. Auf der Fahrt sind also niemals mehr als 16 Schiffe vereint gewesen. Bei seiner Ankunft in Cap Français waren schon 3 Linienschiffe dort eingetroffen, auch fand der Admiral den Konvoi nebst den zwei 50-Kanonenschiffen, sowie Solano mit 15 spanischen Linienschiffen vor; 15–20 000 Mann Landtruppen waren versammelt. In den ersten Tagen des Mai langte Chef d'Escadre de Bougainville mit 5 Linienschiffen an, die er nach der Schlacht zur Wiederinstandsetzung nach Curaçao geführt hatte.

Rodney kreuzte nach der Schlacht mehrere Tage bei Guadeloupe in der Hoffnung, noch versprengte Franzosen zu fangen. Er war oft durch Windstille behindert, aber Hood behauptet, man würde 50 Seemeilen westlicher genügend Wind zur Verfolgung gefunden haben. Erst am 17. April zweigte Rodney den Admiral Hood mit 10 Linienschiffen nach Norden ab, während er mit der Hauptflotte nach Jamaika segelte. Hood eilte zur Mona-Passage, zwischen Portoriko und Haiti, und fing hier am 19. die beiden Linienschiffe ab, die vor der Schlacht die französische Flotte verlassen hatten; auch zwei diese begleitenden Fregatten fielen in seine Hände. Vaudreuil selber hatte erst am 18. den Kanal passiert; es ist also anzunehmen, daß die französische Flotte schwer gelitten haben würde, wenn Rodney die Verfolgung[374] mit voller Kraft rechtzeitig aufgenommen hätte. Hood verfehlte nicht, dies in dem Berichte über seinen Fang dem Oberbefehlshaber nahezulegen. Hier scheint also Rodney seine Aufgabe, Jamaika zu schützen, höher gestellt zu haben, als die Ausnutzung der Gelegenheit, die feindlichen Seestreitkräfte zu vernichten.

Jamaika war allerdings gerettet. Die Führer der Verbündeten sahen von der Expedition ab, obgleich sie über 40 Linienschiffe in Cap Français verfügten. Sie unternahmen auch sonst nichts von größerer Bedeutung, nur ließ der Gouverneur von Kuba am 6. Mai durch 3 Fregatten und 60 Transporter mit Soldaten die Bahamainseln besetzen. Auch der moralische Eindruck des Sieges war groß; in England erregte er maßlose Freude, in Frankreich große Niedergeschlagenheit und hat wohl hier die Neigung zum Friedensschluß gefördert. Die namentlich früher in Geschichtswerken viel verbreitete Ansicht, der Sieg habe den für England günstigen Frieden herbeigeführt, da durch ihn die französische Marine zum Kampf um die Seeherrschaft unfähig geworden sei, trifft nicht zu; die Verbündeten blieben im Gegenteil unmittelbar nach der Schlacht in Westindien noch überlegen. Die Engländer hätten wohl Jamaika behaupten, aber schwerlich die anderen Inseln mit Waffengewalt wiedergewinnen können, die ihnen der Friedensschluß zurückgab. Anders wäre es gewesen, wenn Rodney die französische Flotte vernichtet hätte.

Der Krieg in Westindien war zu Ende nicht nur für das Jahr 1782, sondern überhaupt. Vaudreuil sandte von Cap Français über 200 Kauffahrer in 2 Konvois unter starker Bedeckung nach Europa und segelte am 4. Juli, nur 2 Linienschiffe zurücklassend, mit dem Rest der Flotte, 16 Schiffen, nach Nordamerika; ein Linienschiff nebst 2 Fregatten war schon kurz vorher abgesandt, um englische Niederlassungen in der Hudsonbucht zu brandschatzen. Die Spanier gingen nach ihren Stationen zurück. Rodney wurde am 10. Juli durch Admiral Hugh Pigot abgelöst.

Rodney fiel als strenger Tory trotz seiner Verdienste dem Ministerwechsel zum Opfer. Allerdings ward seine Abberufung auf die Nachricht vom letzten Siege widerrufen, aber die Verfügung traf in Jamaika erst ein, als der Admiral bereits abgesegelt war. Rodney hat während der 2½ Jahre seines Kommandos den Gegnern 12 Linienschiffe abgenommen, darunter den einzigen Dreidecker, der je einem Feinde in die Hände gefallen ist, und fünf vernichtet; er hat ferner einen französischen, einen spanischen und einen holländischen Admiral gefangen genommen. Für seinen letzten Erfolg ward er mit der Peerswürde und einer Pension belohnt; er starb 1792.

Auch Hood wurde zum Peer erhoben; ihm werden wir im ersten Teile des nächsten Krieges wieder begegnen, wo er sich die höchste Bewunderung Nelsons erwarb.

Pigot segelte mit dem größten Teile seiner Flotte nach New York, um die französische im Auge zu behalten. Beide Flotten kehrten nochmals nach Westindien zurück, aber nur im Kleinen Kriege stießen sie noch zusammen.

Über die Kriegführung in Westindien 1782 ist nicht mehr viel zu sagen. Anfangs hatten die Franzosen das Übergewicht, später waren die Engländer[375] wenigstens jenen allein überlegen. Beide nutzten es nicht aus, um die unbedingte Seeherrschaft zu erringen. So eroberten die Franzosen zwar eine größere Zahl englischer Inseln, doch waren diese sämtlich nur von untergeordneter Bedeutung. Die Engländer vereitelten den Hauptplan der Gegner, Jamaika zu erobern, da jedoch deren vereinte Seemacht überlegen blieb und leicht noch verstärkt werden konnte, sahen sie sich weiter auf die Verteidigung beschränkt und mußten ihre Bewegungen denen des Feindes anpassen. Zu ihrem Glück haben die Niederlage bei Dominica, der Fehlschlag des Unternehmens gegen Gibraltar und auch wohl die Friedensunterhandlungen zwischen England und seinen Kolonien die Tatkraft der Verbündeten gelähmt.

In Nordamerika brachte das Jahr 1782 keine Ereignisse von Bedeutung mehr. Der Landkrieg war nach der Kapitulation von Yorktown fast eingeschlafen; die englischen Befehlshaber hatten Weisung erhalten, sich auf die Behauptung der noch besetzten Plätze zu beschränken, und auch die Amerikaner nutzten ihren Erfolg nicht aus. Zu einem Angriff auf New York fühlten sie sich zu schwach.

Die Lage der amerikanischen Finanzen war schlimmer als je. Von 9 Millionen Dollars, die der Kongreß für dies Jahr brauchte, ließen sich höchstens fünf den Einzelstaaten auferlegen; der Rest mußte durch Anleihen beschafft werden. Zur Sicherung schlug der Kongreß die Einführung eines Zolles für alle Kolonien vor, aber mehrere Staaten lehnten sie ab, und von den fünf Millionen ging nur eine halbe ein. Zwar traf von Frankreich im Januar 1782 nochmals eine Unterstützung ein und auch die Anleihe in Holland brachte Gelder, aber alles waren nur Tropfen auf den heißen Stein. Die Truppen litten Mangel und Washington hatte die größte Mühe, sie zu beruhigen und zusammenzuhalten.

Auch zur See ereignete sich nichts von Bedeutung[174]. Pigot, der am 4. September in New York eingetroffen war, ging Ende Oktober nach Westindien zurück, weil man wußte, daß die Verbündeten den Plan gegen Jamaika noch nicht endgültig aufgegeben hatten. Er segelte nach Barbados, ließ aber Hood mit 13 Linienschiffen bei Haiti kreuzen. Vaudreuil, der am 10. August in Boston geankert, eine feste Verteidigungsstellung eingenommen und dann seine Schiffe gründlich überholt hatte, segelte am 24. Dezember nach Puerto Cabello, um sich hier mit der spanischen Flotte zu vereinigen; er führte 4000 Mann vom Heere Rochambeaus mit sich.

Die Friedens-Präliminarien.

Die zwischen England und den Vereinigten Staaten zu Paris vom 30. November 1782, und die zu Versailles vom 30. Januar 1783 zwischen England und den beiden Königreichen vereinbarten Vorbedingungen des Friedens, in die für Holland wenigstens Waffenstillstand eingeschlossen war, machten dem[376] Seekriege in den europäischen, sowie den westindischen Gewässern ein Ende; nur in Ostindien dauerte der Streit noch fort.

Für das Jahr 1783 hatten die Verbündeten abermals die Eroberung Jamaikas geplant. Man rechnete mit etwa 40 englischen Linienschiffen in Westindien und wollte diesen 64 gegenüberstellen. Vaudreuil (22 Schiffe) sollte sich mit Solano (12 Schiffe) in Puerto Cabello vereinigen und d'Estaing 15 spanische, sowie 15 französische Schiffe nebst einem starken Heere von Cadiz nach Westindien führen. Die ersten Maßnahmen hierzu fanden auch noch statt, aber vor ihrer weiteren Durchführung trat der Präliminarfriede in Kraft.

D'Estaing erschien zur Übernahme seines Kommandos am 18. Dezember 1782 in Cadiz und bald darauf langte von Brest ein Transport von 7000 Soldaten an, die mit einem Teile des Heeres vor Gibraltar das von Europa abzusendende Expeditionskorps bilden sollten. Vaudreuils Schiffe trafen von Nordamerika in der Zeit zwischen dem 27. Januar und dem 26. Februar in Puerto Cabello ein, aber Solano blieb aus, da ihn der Gouverneur von Kuba vor Ankunft des von Europa erwarteten Geschwaders nicht abfahren lassen wollte. Die französische Flotte ging am 30. April von Puerto Cabello in See und traf am 17. Juni in Brest ein; auch Pigot und Hood segelten nach England.

Der Aufenthalt der französischen Flotte in Puerto Cabello brachte noch ein bedeutsames Ereignis. Als sie dort ohne jede Vorsichtsmaßregel auf der Rhede vor Anker lag, erschien eines Tages eine unbekannte Fregatte. Vaudreuil gab einer der seinigen den Befehl zur Jagd, doch brauchte diese zwei Stunden zum Untersegelgehen. Das unbekannte Schiff konnte inzwischen aus nächster Nähe die Stärke der französischen Flotte erkunden und dann unbelästigt absegeln; es war die englische Fregatte „Albemarle“, und ihr 24 Jahre alter Kapitän hieß — Nelson!

Der Krieg in Ostindien.

In Ostindien boten die Verhältnisse bei Ausbruch des Krieges 1778 eine äußerst günstige Gelegenheit zur Erschütterung der englischen Macht, aber erst 1781 schickte Frankreich Seestreitkräfte hinaus, die der Wichtigkeit dieses Kriegsschauplatzes einigermaßen entsprachen.

Die Vorgänge in Indien bis zum Ausbruch des Krieges[175]. Im Pariser Frieden 1763 hatte Frankreich zwar die schwachen Reste seiner durch Dupleix in Indien geschaffenen Macht — an der Westküste Vorderindiens Mahé; an der Ostküste Karikal, Pondichery, Masulipatam; am Ganges Chandernagore — zurückerhalten, sie durften jedoch nicht befestigt werden und waren ihres Einflusses beraubt. Der Besitz der englischen Kompagnie erweiterte sich dagegen beständig, besonders während der kurzen Zeit, in der[377] Clive nochmals die Geschäfte in Bengalen führte (Mai 1765 bis Januar 1767). Ihm gelang es, grobe Mißbräuche der Beamten (Erpressungen, Ausbeutung von Monopolen) einigermaßen abzustellen und neue Länder zu erwerben. Der Großmogul trat der Kompagnie gegen ihren Schutz seine Einkünfte und damit tatsächlich die Regierung von Bengalen, Bahar, Orissa, sowie der nördlichen Circars ab, so daß diese nun ein ununterbrochenes Gebiet vom Ganges bis Madras besaß. Da die Kompagnie so eine politische und militärische Macht geworden war, für die England eintreten mußte, und da die Verwaltung immer noch zu wünschen übrig ließ, wurde im Februar 1773 vom Parlament das „Regulationsgesetz“ erlassen, das die Gesellschaftsrechte einschränkte: die Regierung ernannte von jetzt an Gouverneure und Verwaltungsräte, setzte ein königliches Obergericht in Kalkutta ein und beschränkte die Dividende auf 6–8%; der Statthalter von Bengalen ward zum Generalgouverneur von ganz Britisch-Indien bestellt. Der erste, der den Posten bekleidete, war Sir Warren Hastings 1773–1785.

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P. A. de Suffren.

Das Bestreben der Engländer, ihre Macht auszudehnen, führte wie früher zu Zusammenstößen mit indischen Fürsten, und zwar um so mehr, als der allmähliche Verfall des Mogulreiches auch diese zu Eroberungen auf dessen Kosten lockte und so zu Gegnern Englands machte. Die gefährlichsten waren der Sultan von Mysore, Haidar Ali, und die Mahratten, eine Anzahl kriegerischer, durch eine Art Feudalsystem verbundener Stämme; ihr Gebiet dehnte sich mit der Hauptstadt Puna in der Nähe von Bombay im südwestlichen Indien von Mysore nach Norden bis weit in das Dekan aus; sie drangen jetzt bis an den Ganges vor, und die Engländer mußten 1762–1763 von Bengalen aus mit ihnen Krieg führen. Haidar Ali, ursprünglich ein Offizier des Sultans von Mysore, hatte sich seit 1759 der Herrschaft dieses Landes bemächtigt und bis 1766 seinen Besitz durch Eroberung der kleinen Staaten an der Malabarküste (Kalikut, Kananor u. a.) erweitert. Er bedrohte ganz Südindien und die englischen Besitzungen an der Malabar-, wie die an der Koromandelküste. Die Engländer im Bunde mit dem Vizekönig vom Dekan, sowie ihrem alten Schützling, dem Herrscher im Carnatic, erklärten ihm deshalb 1766 den Krieg, wurden aber infolge der Unzuverlässigkeit ihrer Verbündeten zurückgeworfen. Haidar Ali verwüstete den Carnatic und[378] erschien sogar zweimal vor Madras; sie hielten es daher für ratsamer, 1769 ein Schutz- und Trutzbündnis mit ihm zu schließen. In den Jahren 1773–1776 kam es zu Besitzstreitigkeiten zwischen der Präsidentschaft Bombay und den Mahratten.

Die Lage der Engländer mußte sehr bedenklich werden, wenn es Frankreich gelang, diese beiden Hauptgegner Englands für sich zu gewinnen, da deren Gebiete aneinander grenzten und eine zentrale Lage zu den drei englischen Präsidentschaften Bombay, Madras und Kalkutta hatten. Und dies trat ein.

Beginn des Krieges zwischen England und Frankreich. Am 7. Juli 1778 ward in Kalkutta der Ausbruch des Krieges bekannt. Hastings ließ sofort die völlig unvorbereiteten französischen Niederlassungen Chandernagore und Masulipatam besetzen und sandte Befehl nach Madras, auch Pondichery zu nehmen. Am 8. August trafen General Munro mit 16000 Mann und am 10. Kommodore Vernon mit fünf Schiffen vor der Stadt ein, die Artillerie und Munition für die Belagerung an Bord hatten. Auf der Rhede lag Kapitän de Tronjoly mit einem kleinen französischen Geschwader; er ging dem Feinde entgegen und es kam zum Gefecht.

Das Seegefecht vor Pondichery am 10. August 1778. Das englische Geschwader zählte 1 Schiff zu 60 Kanonen, 1 zu 54, 1 zu 28, 1 zu 24, 1 zu 18, und das französische 1 Schiff zu 64, 1 zu 38 Kanonen, sowie 3 Ostindienfahrer mit 20–26 Geschützen; die gesamten Seestreitkräfte der beiden Gegner in Ostindien. Es kam zu einem zweistündigen Gefechte, einem zweimaligen Passieren der Geschwader in Kiellinie bei leichtem Winde, ohne besondere Erfolge.

Nach unentschiedenem Kampfe segelte Vernon nördlich, um den Feind fortzulocken, Tronjoly folgte jedoch nicht. Das englische Geschwader kam bald darauf, durch 3 Ostindienfahrer verstärkt, zurück und das französische räumte nun das Feld und segelte nach Isle de France. Pondichery, nur in Eile notdürftig befestigt und schwach besetzt, ergab sich nach hartnäckiger Verteidigung am 17. Oktober mit allen militärischen Ehren.

Mitte 1779 traf Kontreadmiral Sir Edward Hughes[176] mit 5 Linienschiffen in Indien ein; ein französisches Geschwader erschien erst wieder im Januar 1781.

Allerdings hatte Frankreich beabsichtigt, in Indien kräftiger aufzutreten. Anfang 1779 sollte ein Geschwader von 5 Linienschiffen hinausgehen, es wurde aber zur Verstärkung d'Estaings nach Westindien gesandt (vgl. Seite 276); ein zweites, im Frühjahr 1780 nach Indien bestimmt, wurde mit dem Landungskorps nach Nordamerika geschickt (vgl. Seite 291). Nur durch Ankunft einzelner Schiffe waren die Seestreitkräfte in Isle de France bis Ende 1779 nach und nach auf 6 Linienschiffe gebracht. Um diese Zeit übernahm Kommodore Comte d'Orves hier den Oberbefehl,[379] blieb jedoch über ein Jahr lang untätig, weil die Schiffe in schlechtem Zustande waren und seine Instruktion ihm ausdrücklich den Schutz der Inseln Isle de France und Bourbon auftrug.

England im Kriege mit Haidar Ali und den Mahratten. Französische Seestreitkräfte hätten in dieser Zwischenzeit große Erfolge erringen können. Bei Beginn des Kriegs waren in Puna französische Agenten erschienen, um die Mahratten zum Kampfe gegen die Engländer und zur Überlassung eines Hafens an der Westküste zu bestimmen. Hastings entschloß sich daraufhin schnell zum Kriege und schickte von Bengalen aus Truppen gegen die Mahratten. Gleichzeitig, Anfang Dezember 1778, ließ die Präsidentschaft Bombay 4500 Mann gegen Puna marschieren; diese Truppe ward jedoch im Januar 1779 dicht vor dem Ziel vernichtend geschlagen, und diese Niederlage schädigte Englands Ansehen in Indien sehr. Das Heer von Bengalen unter dem tüchtigen Oberst Goddard, das im Januar in Surat ankam, errang zwar 1779 und 1780 mehrfach Erfolge, konnte diese jedoch nicht ausnutzen, da die englischen Truppen an anderer Stelle schwer bedrängt wurden.

Die Engländer hatten sich im März 1779 auch der letzten französischen Niederlassung, Mahé, bemächtigt und hierdurch Haidar Ali, in dessen Gebiet der Ort lag, und der von ihm Waffen bezog, aufs äußerste erbittert. Er traf in aller Stille Vorbereitungen zum Kriege, trat mit den Mahratten in Verbindung und brach im Juli 1780 mit 100 000 Mann nebst starker Artillerie in den Carnatic ein. General Munro war so wenig vorbereitet und traf so schlechte Anordnungen, daß er im September Kanonen und Troß im Stich lassen und sich auf Madras zurückziehen mußte; eine Abteilung von 3000 Mann wurde aufgerieben. Bald hatte Haidar den ganzen Carnatic in seiner Gewalt und die festen Plätze eingeschlossen; ganz Südindien wäre so für England verloren gewesen, wenn nicht Hastings von Bengalen Hilfe geschickt hätte. Der von hier am 5. November in Madras eingetroffene General Eyre Coote, ein hervorragender Offizier, ging nach eingehender Prüfung der Lage im Januar 1781 vor, um den belagerten Festungen Entsatz zu bringen. Er hatte auch Erfolg, mußte aber dann zur Küste zurück, weil eine französische Flotte angekommen und in Pondichery ein Aufstand ausgebrochen war. Sein Versuch, auf dem Rückmarsche Haidar zur Schlacht zu zwingen, schlug fehl; der Sultan folgte nur, setzte den Krieg in seinem Rücken fort und hielt ihn schließlich in Cuddalore fest.

Erfolgloses Auftreten des französischen Geschwaders unter Comte d'Orves. Dieser Kommodore hatte Auftrag, die Maskarenen zu schützen, die gar nicht bedroht waren; er erbat deshalb vom Gouverneur dort die Erlaubnis, nach Indien zu gehen. Jener stellte jedoch die Bedingung, das Geschwader keinen großen Verlusten auszusetzen, weil der obige Befehl nicht aufgehoben sei und die Magazine auf Isle de France und Bourbon zu schlecht versorgt wären, um etwa beschädigte Schiffe ausbessern zu können. D'Orves verließ am 14. Oktober 1780 mit 6 Linienschiffen und 3 Fregatten Port Louis, traf am 27. Januar 1781 vor Madras ein und ankerte dann in der Nähe von Pondichery.[380] Hughes lag mit dem englischen Geschwader im Winterlager in Bombay, d'Orves hatte mithin freie Hand. Trotzdem ging er nicht auf den Vorschlag Haidar Alis ein, gemeinsam Cuddalore anzugreifen; er schützte vor, seine Instruktion verbiete ihm dies, auch habe er nur noch Proviant für die Rückreise und müsse im April zur Vereinigung mit einem aus Frankreich kommenden Geschwader in Isle de France sein. Am 13. Februar segelte er ab und traf am 31. März, tatsächlich nur noch mit Proviant für 8 Tage, in Port Louis ein. Eine ausgezeichnete Gelegenheit, dem Feinde einen schweren Schlag zu versetzen, war damit verloren gegangen.

Wohl mit Recht sagt Chevalier (II, Seite 380), d'Orves hätte sich sicher in der dänischen Niederlassung Tranquebar oder in der holländischen Negapatam Proviant für einen Monat verschaffen können, und Cuddalore wäre, zu Lande und zu Wasser eingeschlossen, sowie von Madras abgeschnitten, innerhalb dieser Zeit gefallen.

Die Engländer litten im Lager bei Cuddalore zwar sehr unter Mangel sowie Krankheiten, und Eyre Coote würde genötigt gewesen sein, sich auf Madras zurückzuziehen, wenn nicht Mitte Juni das englische Geschwader wieder an der Küste erschienen wäre. So konnte er durchhalten, und anderseits glaubte Haidar ihn so geschwächt, daß er seine bisherige vorsichtige Taktik aufgeben könne. Am 1. Juli 1781 nahm dieser bei Porto Novo eine Feldschlacht an, erlitt aber trotz seiner Übermacht eine Niederlage, die ihn zum Rückzuge zwang. Nach Eintreffen von Verstärkungen aus Bengalen folgte Coote und errang im August weitere Erfolge; ganz aus dem Carnatic ward Haidar bis Ende 1781 allerdings nicht vertrieben.

Inzwischen war auch der Krieg mit Holland ausgebrochen, die Engländer nahmen im November 1781 nach kurzer Belagerung Negapatam und am 12. Januar 1782 Trincomali auf Ceylon, den einzigen sicheren Hafen an der Ostküste Vorderindiens, der auch reichliche Hilfsquellen bot.

Französische Seestreitkräfte erschienen erst nach einem Jahre wieder. D'Orves erfuhr im Juli 1782, daß ein Geschwader unter Kapitän Suffren unterwegs sei und daß er bis zu dessen Ankunft entweder am Kap zum Schutz der holländischen Kolonie kreuzen oder nach Indien gehen könne, aber es fehlte an Material zur Ausrüstung der Schiffe. Suffren traf erst am 25. Oktober in Port Louis mit fünf Linienschiffen sowie Transportern ein, die Truppen und Material brachten; jetzt erst konnte das alte Geschwader instand gesetzt werden. Mit dem Auftreten Suffrens gewinnt der Kampf in Ostindien eine hohe Bedeutung in der Seekriegsgeschichte[177].

[381]

Suffren[178] rettet durch die Schlacht vor Porto Praya die Kapkolonie 1781. Nach dem Ausbruche des Krieges mit Holland wollte sich England der Kapkolonie bemächtigten, und Frankreich traf Gegenmaßnahmen; die Kapkolonie war eine wichtige Etappe auf dem Wege nach Indien, und die französischen Maskarenen bezogen einen großen Teil ihrer Bedürfnisse von dort. England schickte am 13. März 1781 mit der Flotte des Admirals Darby auf seiner Fahrt nach Gibraltar ein Geschwader von 5 Schiffen nebst 35 teilweise armierten Transportern mit Truppen unter Kommodore George Johnstone ab, und Frankreich schloß der Flotte, die unter de Grasse am 22. März nach Westindien ging, gleichfalls 5 Schiffe nebst 8 Transportern unter Kapitän Suffren an, auf denen 1000 Mann Infanterie, sowie eine Kompagnie Artillerie eingeschifft waren; diese Geschwader trennten sich an der spanischen Küste von ihren Flotten.

Johnstone ankerte am 11. April vor Porto Praya, einem Hafen der portugiesischen Kapverdeninsel Santiago, um Wasser und frischen Proviant zu nehmen, und auch Suffren lief diesen Platz an. Er hatte zwar Befehl, seine Reise zu beschleunigen, um vor dem Gegner das Kapland zu erreichen und hier die Truppen auszuschiffen, aber einige seiner Schiffe mußten ausgebessert werden; gleichzeitig wollte er nun auch Wasser nehmen. Als er nun am 16. April von Osten kommend auf den Hafen zusteuerte, bekam er beim Runden der Südspitze das vor Anker liegende englische Geschwader in Sicht. Er stand vor der Wahl, ob er mit der sichern Aussicht das Kap als erster zu erreichen, die Reise unter Segelpressen fortsetzen, oder ob er die Gelegenheit zum überraschenden Angriff ausnutzen solle. Gegen den Brauch der französischen Führer, nur die Durchführung ihrer jeweiligen Aufgabe unter möglichster Schonung der Schiffe im Auge zu halten, entschloß er sich zum Kampf, obgleich er seinen Nachrichten gemäß den Feind für stärker hielt, als dieser war. Er erkannte klar, daß am Kap wie in Indien die Seeherrschaft die Entscheidung bringe, und daß danach gehandelt werden müsse, wo sich eine Gelegenheit zur Schwächung der feindlichen Kräfte biete.

Die Schlacht vor Porto Praya am 16. April 1781. Das englische Geschwader zählte 2 Linienschiffe zu 74 und 64 Kanonen, 3 50-Kanonenschiffe,[382] 3 32-Kanonenfregatten, 6 Fahrzeuge zu 14–20 Kanonen, 1 Brander, 1 Mörserboot und 10 Ostindienfahrer zu 26 Kanonen; das französische 2 Schiffe zu 74, 3 zu 64 und 1 10-Kanonenkorvette.

Johnstone hatte ohne Vorsichtsmaßregeln geankert; er verließ sich zwar nicht auf die Neutralität des Hafens, aber er erwartete keinen Feind, obwohl er von der Entsendung Suffrens Kenntnis gehabt haben soll. Die schweren Schiffe lagen in unregelmäßiger Linie, die Fregatten und die kleinen Fahrzeuge auf dem östlichen Flügel (Plan a), die Transporter zwischen den Kriegsschiffen und dem Strande. Das Flaggschiff (Plan b) war durch die Transporter im Feuer stark behindert, und der Kommodore begab sich deshalb beim Nahen des Feindes auf ein anderes Schiff („Hero“, 74 Kanonen, Plan c). 1500 Mann des Geschwaders waren zum Wasser- und Proviantholen, zum Fischen oder auf Urlaub am Lande, als der Feind um 9½ Uhr vormittags in Sicht kam.

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Schlacht vor Porto Praya, 16. April 1781.

Suffren hatte ein gekupfertes Schiff („Artésien“, 64 Kanonen) vorausgeschickt, den Feind zu erkunden. Dieses meldete um 8¾ Uhr den Feind. Der Chef gab kurz entschlossen den Befehl: „Vorbereitung zum Gefecht vor Anker“. Er kehrte sich nicht an die Neutralität des Hafens, war er doch selber gefangen genommen worden, als Admiral de la Clue 1759 unter den Kanonen von Lagos von den Engländern überwältigt wurde. Er wartete auch nicht auf das Herankommen zweier seiner Schiffe, die etwas zurückstanden; um an die feindliche Linie zu gelangen, mußte er hoch beim Winde steuern, zum Warten backgebraßt würde er leicht zu weit nach Lee getrieben sein, auch wollte er keine Zeit verlieren, um die Überraschung voll auszunutzen. Er setzte sich mit dem Flaggschiff (zufällig auch „Héros“, 74 Kanonen) an die Spitze der drei anderen Schiffe, führte sie durch die Engländer hindurch und ankerte 160 m querab des „Hero“; schon beim Passieren der Feinde eröffnete er etwas nach 11 Uhr das Feuer mit beiden Seiten. Sein Hintermann („Annibal“, 74) ankerte so nahe vor ihm, daß das Flaggschiff sein Ankertau weiter auslaufen lassen mußte, wodurch es querab von einem anderen Engländer („Monmouth“, 64; Plan d) kam.

[383]

Der Kommandant des „Annibal“ hatte zum Wassernehmen klarmachen und Fässer an Deck bringen lassen. In der Annahme, daß Suffren die Neutralität achten würde und das Signal nur zur Vorsicht gegeben habe, begann er die Vorbereitungen zum Gefecht zu spät, und so konnte sein Schiff nicht gleich seiner Stärke entsprechend auftreten. Das dritte Schiff, „Artésien“, hielt im Pulverdampf einen Ostindienfahrer für ein Kriegsschiff und ging diesem längsseit. Beide Kommandanten büßten ihr Versehen mit dem Leben. Auf „Artésien“ war infolge Ausfalles des Kommandanten der Befehl zum Ankern nicht befolgt, das Schiff trieb mit dem Ostindienfahrer aus dem Hafen (Plan e, e′ e″), die beiden zurückgebliebenen Franzosen („Sphinx“ und „Vengent“, 64) rundeten die Südspitze der Bucht in zu weitem Abstande, steuerten dann nicht hoch genug und kamen daher trotz späteren Wendens kaum noch ins Gefecht (f, f′). So hatten „Héros“ und „Annibal“ fast allein das englische Feuer auszuhalten, an dem sich auch die Transporter mit Geschützen und Gewehren beteiligten; sogar ein portugiesisches Fort begann zu feuern. Suffren kappte deshalb gegen Mittag das Ankertau und „Annibal“ folgte, aber beim Segelsetzen gingen diesem die Masten über Bord und er mußte sich unter einem kleinen Notsegel zurückziehen; der Kommodore ließ ihn durch „Sphinx“ in Schlepp nehmen. Suffren bildete dann auf See die Schlachtlinie, den Transportern gab er Befehl, die Fahrt nach dem Kap fortzusetzen.

Johnstone berief seine Kommandanten zur Berichterstattung über den Zustand ihrer Schiffe an Bord und folgte gegen 3 Uhr nachmittags dem Feinde. Eins seiner 50-Kanonenschiffe verlor dabei den zerschossenen Fockmast und „Monmouth“ blieb infolge schwerer Beschädigungen zurück. Der englische Admiral wagte auch nicht, weit zu folgen, da er dann nur schwer hätte zurückkommen können; auch hatte er vergessen, seinem Konvoi ein anderes Rendezvous anzugeben. Unentschlossen, was er in dieser Lage (wie er berichtete: a cruel situation) tun solle, drehte er 1½ Kanonenschußweite vom Feinde bei. Am anderen Morgen war Suffren aus Sicht, und Johnstone ging nach Porto Praya zurück.

Die Verluste betragen auf englischer Seite 36 Tote und 130 Verwundete, auf französischer 105 und 204.

Beurteilung der Führer. Nach eigenem Ausspruch wollte Suffren „durch Vernichtung der Engländer alle Absichten ihrer Expedition in der Wurzel abschneiden und den Franzosen für längere Zeit die Überlegenheit in Indien sichern, aus der vielleicht ein guter Friede hervorgehen könne“.[179] Er bekundete damit, wie auch später in Indien, sein Verständnis für Erringung der Seeherrschaft durch Niederkämpfen der feindlichen Streitkräfte; schon d'Estaing gegenüber in Westindien war er hierfür eingetreten. Auch sein Gefechtsplan war richtig, sein Vorgehen auf den Ankerplatz ermöglichte ihm Feuer nach beiden Seiten, und wenn seine Schiffe sämtlich richtig manövriert hätten, würde er wahrscheinlich einen großen Erfolg errungen haben. Er selber schrieb an einen Freund: „Praya konnte und mußte mir unsterblichen Ruhm bringen; man hat mich um eine einzig dastehende Gelegenheit gebracht.“

Von den französischen Kommandanten hat der des „Annibal“ seine Nachlässigkeit vor dem Kampfe durch mutiges Folgen gut gemacht; der Mißgriff des „Artésien“ ist durch den Pulverrauch zu entschuldigen. Die Kommandanten der beiden anderen Schiffe[384] trifft der Vorwurf, daß sie die Absicht des Chefs nicht unterstützt oder nicht verstanden haben, aber auch sie waren wohl durch den Pulverrauch teilweise behindert, die Lage zu übersehen.

Johnstone erscheint unvorsichtig, weil er sich in so ungünstiger Lage überraschen ließ, und machte auch dies weder unmittelbar nach dem Kampfe noch später durch Tatkraft oder seemännisches Geschick wieder gut. Er soll wenig praktische Erfahrung gehabt und dies wichtige Kommando nur erhalten haben, weil er abfällige Kritiken über die Admirale Howe und Keppel, Gegner der Admiralität, veröffentlicht hatte.

Suffren erreichte zwar nicht den Erfolg, den er erwarten konnte, aber er gewann doch einen großen Vorsprung. Während Johnstone 14 Tage zum Ausbessern in Porto Praya brauchte, setzte er seine Fahrt nach dem Kap fort, ankerte am 27. Juni in der Simonsbai und landete die für die Kapkolonie bestimmten Truppen. Die Reise war eine vorzügliche seemännische Leistung, denn das entmastete Linienschiff mußte den ganzen Weg geschleppt werden. Johnstone erschien 14 Tage später vor Kapstadt, wagte aber nichts zu unternehmen. Er nahm nur fünf reich beladene holländische Ostindienfahrer in der Saldanhabucht, die von Kapstadt dorthin gegangen waren, ehe die Franzosen kamen; sie hatten gehofft, von hier entschlüpfen zu können, wenn sich das englische Geschwader vor der Tafelbai zeige. Suffren ging zwar in See, als Johnstone gemeldet wurde, dieser hatte aber schon die Heimfahrt nach England angetreten und 3 Linienschiffe nach Indien abgezweigt. Er segelte dann am 28. August, nachdem er sich von der Verteidigungsfähigkeit der Kolonie überzeugt hatte, nach Isle de France. Hier traf er am 25. Oktober ein und Graf d'Orves ging am 17. Dezember mit der Gesamtflotte nach Indien in See; auf Transportern wurden 3000 Soldaten, alles was auf den Maskarenen verfügbar war, unter General Du Chemin mitgeführt. Am 22. Januar ward ein englisches 50-Kanonenschiff genommen und in die Flotte eingestellt; am 8. Februar starb d'Orves und Suffren übernahm den Oberbefehl.

Die Lage der beiden Flotten in Indien. Es standen sich zwei tüchtige Männer gegenüber, von denen jeder eigenartig den Charakter seines Volkes verkörperte; der eine die starre Zähigkeit und die seemännische Geschicklichkeit der Engländer, der andere das Ungestüm und das taktische Wissen der Franzosen, Eigenschaften, die in den Offizierkorps durch ein falsches System so lange unterdrückt waren.

Die französische Flotte zählte bei Beginn der Unternehmungen 3 74-, 7 64- und 2 50-Kanonenschiffe, die englische, zu der inzwischen die von Johnstone abgezweigten Schiffe gestoßen waren, 2 74-, 1 70-, 1 68-, 4 64- und 1 50-Kanonenschiff.

Suffren war also an Schiffszahl unbedingt und wahrscheinlich auch an Stärke der einzelnen Schiffe, Klasse für Klasse gerechnet, dem Admiral Hughes überlegen. Ihm stand die Möglichkeit der Initiative zu Gebote, während seinem Gegner die Verteidigung mit unterlegenen Kräften, vielen[385] angreifbaren Punkten und damit die Ungewißheit zufiel, wo der Angriff erfolgen würde.

Dagegen war Suffren ohne jeden Stützpunkt; alle ehemalig französischen Plätze waren in Feindeshand und ebenso die holländischen, vor allem der wichtige Hafen von Trincomali. Er mußte einen sicheren Stützpunkt gewinnen, womöglich den letztgenannten, er brauchte aber auch einen Ort zum Landen der Truppen, die mit den indischen Feinden der Engländer gemeinsam vorgehen sollten. Diesem Streben mußte Hughes entgegentreten, er war also genötigt, den Gegner zu suchen, um ihn kampfunfähig zu machen oder doch aufzuhalten, durfte aber bei seiner Schwäche einen Kampf nur unter günstigen Umständen wagen; aus strategischen wie taktischen Gründen mußte er sich zu Luward halten. Schlimm war es für ihn, daß Trincomali noch unbefestigt und somit ganz auf seine Unterstützung angewiesen war. Das nun folgende lange Ringen der beiden Admirale ist ein hervorragendes Beispiel des Kampfes zweier Flotten um die Seeherrschaft.

Die Schlacht bei Sadras, 17. Februar 1782. Suffren erschien am 15. Februar vor Madras, unter dessen Kanonen Hughes vor Anker lag, verzichtete aber in Übereinstimmung mit seinen Kommandanten auf einen Angriff und steuerte südlich; Hughes folgte in der Nacht, weil er für Trincomali fürchtete. Bei Tagesanbruch bemerkte er, daß sich die feindlichen Transporter von ihrer Flotte getrennt hatten; diese standen etwa 12 Seemeilen östlich, jene 9 Seemeilen südwestlich von ihm (Plan A a). Er jagte den Konvoi und nahm 6 Fahrzeuge; fünf davon waren englische Prisen, das sechste führte 300 Soldaten, sowie Kriegsmaterial an Bord. Suffren versuchte zwar, heranzukommen, erreichte den Gegner jedoch nicht mehr vor Einbruch der Dunkelheit; beide Geschwader steuerten während der Nacht bei leichtem Winde südlich. Am Morgen des 17. Februar befanden sie sich auf der Höhe von Sadras, einem Hafen etwa in der Mitte zwischen Madras und Pondichery, und es kam zur ersten Schlacht, in der Suffren mit der alten Taktik der Franzosen brach, indem er einen Teil des Feindes mit Übermacht angriff.

Die Schlacht bei Sadras. Der Wind wehte leicht aus NO mit zeitweisen Böen, die Franzosen standen etwa 6 Seemeilen nordöstlich der Engländer (Plan B, a). Hughes bildete die Schlachtlinie über Steuerbordbug (b); er rechnete mit einem baldigen Einsetzen der Seebrise, die ihm die Luvstellung gegeben haben würde. Der erwartete Wind blieb jedoch aus und der englische Admiral hielt in Dwarslinie ab, um seine Aufstellung besser zu schließen, bis er sah, daß der Kampf nicht zu vermeiden sei, da der Feind schnell herankam; wieder legte er sich über Steuerbordbug an den Wind und erwartete den Angriff. Seine Linie war jetzt besser geschlossen, nur das letzte Schiff „Exeter“ stand zurück (c); man kann nicht recht einsehen, weshalb Hughes die Linie nicht über Backbordbug gebildet hat, dann konnte leicht auf „Exeter“ aufgeschlossen werden.

Suffren griff um ½4 Uhr nachmittags an; er gab das Signal, nach Möglichkeit die Schlachtlinie zu bilden, setzte sich mit dem Flaggschiff „Héros“ an die Spitze, steuerte auf das letzte englische Schiff zu und lief dann die feindliche Linie entlang. Beim sechsten englischen Schiffe stoppte er um 4½ Uhr, signalisierte für das ganze Geschwader, auf Pistolenschußweite an den Feind heranzugehen und gab drei Schiffen[386] (dem 8., 9. und 12.) Befehl, von Lee aus anzugreifen. Er beabsichtigte also mit seinen 12 Schiffen die letzten 6 des Feindes zu dublieren (Plan D). Die Befehle wurden jedoch nicht befolgt. Der Admiral ging nämlich selber nicht so nahe heran, sondern hielt sich auf halbe Kanonenschußweite fern, um den drei vordersten Engländern entgegentreten zu können, falls sie zur Unterstützung der Angegriffenen wenden sollten; seine Kommandanten verstanden dies aber nicht und blieben im Kielwasser des Flaggschiffes. Von den drei dazu beorderten Schiffen ging nur eins, das zwölfte, auf die Leeseite des Feindes; später folgte aus eigener Initiative das vorletzte. So kamen nur acht oder neun der Franzosen ins Gefecht (Plan C). Drei bedrängten den „Exeter“, der schon das Feuer der passierenden Schiffe erhalten hatte, sich jedoch wacker wehrte. Beim Herankommen des dritten Gegners fragte der Master den Kommodore Richard King, dessen Stander auf „Exeter“ wehte, was nun zu tun sei. Dieser antwortete: „Nichts, aber fechten, bis wir sinken.“ Gegen 6 Uhr drehte der Wind auf SO, warf alle Schiffe über den anderen Bug und gab dadurch der englischen Vorhut die Möglichkeit zum Eingreifen; außerdem wurde es dunkel. Suffren, der auch so schon eingesehen hatte, daß der Kampf keine Entscheidung bringen würde, brach das Gefecht ab. Die Flotten trennten sich; Suffren steuerte nach NO, Hughes nach Süden.

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Schlacht bei Sadras, 17. Februar 1782.

Der Verlust betrug englischerseits 32 Tote, darunter die Kommandanten des Flaggschiffes „Superb“ und des „Exeter“, und 83 Verwundete, französischerseits 30 und 100. Die französischen Schiffe hatten wenig gelitten, von den englischen waren die beiden ebengenannten stark beschädigt.

Suffren war sehr unzufrieden mit seinen Kommandanten; diese hätten näher an den Feind herangehen müssen, wenn der Admiral auch nicht das Beispiel gab. Den größten Fehler machte der zweitälteste Offizier, Kapitän de Tromelin, der das fünfte Schiff befehligte. Er wiederholte zwar die Signale des Admirals, sorgte aber nicht für deren Ausführung. Ferner war sein Schiff unter den nach Lee befohlenen und er kannte den Plan Suffrens. Dieser hatte ihm[387] zehn Tage vor der Schlacht geschrieben, er beabsichtige, die Nachhut des Feindes mit den überschießenden Schiffen zu dublieren, wenn er die Luvstellung habe. Falls dann Tromelin die eigene Nachhut führe, solle er die nötigen Maßregeln ergreifen, da er am besten übersehen könne, wie viel Schiffe für den Angriff von Lee verfügbar seien. Zum Zweck der Eroberung von Trincomali und Negapatam sei eine Entscheidungsschlacht erwünscht. Ganz ohne Schuld ist jedoch auch Suffren nicht. Er nahm die Spitze, da sein Schiff das schnellste war und weil es bei der vorgeschrittenen Tageszeit wichtig erschien, den Feind bald anzugreifen. Diese Stellungnahme wirkte zwar nicht notwendig, aber doch sehr natürlicherweise als Beispiel, und so verleitete sie die nachfolgenden Schiffe zum Fernbleiben. Für ein derartiges Abweichen vom damaligen Brauche wären genauere Anweisungen nötig gewesen; Ungeduld und Kampfeslust haben Suffren wohl fortgerissen, wie sich noch mehrfach zeigen wird.

Admiral Hughes durfte sich nicht der Gefahr aussetzen, von Luward angegriffen zu werden. Daß er hier in diese Lage kam, ist aber zu entschuldigen. Er hatte über Nacht nach SO gesteuert, weil im Februar die Seebrise von SO gegen 11 Uhr vormittags einzusetzen pflegt.

Die Schlacht brachte für Suffren nicht die erhoffte Entscheidung. Am Morgen des 18. Februar waren die Flotten einander aus Sicht. Dies hätte der Admiral vermeiden können, falls er wieder angreifen wollte, wie französische Quellen sagen; es ist aber anzunehmen, daß er infolge des mangelhaften Verhaltens seiner Kommandanten eine sofortige Erneuerung des Kampfes nicht wünschte. Er segelte zum Schutz seines Konvois und um Wasser zu nehmen nach Pondichery, wo er am 19. neben letzterem ankerte. Hughes ging zum Ausbessern der beiden beschädigten Schiffe nach Trincomali.

Die Schlacht bei Sadras war aber doch ein Erfolg Suffrens, er konnte mit Haidar Ali in Verbindung treten und dessen Tatkraft wieder beleben. Schon am 19. Februar traf der französische Agent beim Sultan mit der Nachricht in Pondichery ein, daß die englische Kompagnie sehr günstige Friedensbedingungen geboten habe, Haidar würde aber nicht darauf eingehen, falls er die lange erwartete Hilfe Frankreichs jetzt erhielte. Im Lauf der Verhandlungen versprach der Sultan, dem französischen Geschwader Nahrungsmittel, Geld und andere Bedürfnisse zu liefern, sobald es sich in seinem Machtbereiche zeige, nach dem Kriege wollte er Land an Frankreich abtreten. Suffren, der am 21. Februar der leichteren Verbindung mit Haidar halber nach Porto Novo gesegelt war, schiffte nun am 10. März die Landungstruppen aus. Sie marschierten nach Cuddalore, wo Tippu Sahib, der Sohn Haidars, stand, der soeben bei Tanjore eine englische Abteilung vernichtet hatte. Am 4. April kapitulierte Cuddalore.

Die Schlacht bei Providien am 12. April 1782. Suffren bat von Porto Novo aus sowohl den Marineminister wie den Gouverneur der Maskarenen dringend um Truppen, diesen ferner um Seeleute. Wenn sich das Geschwader an der Küste halten und man den Sultan mit Soldaten unterstützen könne, so würde dieser die Engländer mit Erfolg bekämpfen. Am 23. März ging er aufs neue in See, um den Feind zu suchen; er hoffte, zwei Linienschiffe abzuschneiden,[388] die aus England erwartet wurden; dies gelang jedoch nicht. Hughes hatte vierzehn Tage ausgebessert und war dann nach Madras gesegelt, um von dort Truppen und Material für Trincomali zu holen. Auf seiner Rückfahrt stießen am 30. März die beiden Schiffe zu ihm. Am 8. April sichtete er das französische Geschwader, das ebenfalls südlich steuerte, er setzte jedoch seine Reise fort, um vor allem Trincomali zu verstärken. Am 10. nahmen die Franzosen ihm zwei zurückgebliebene Transporter ab und am 12., nicht weit von seinem Ziele, erkannte er, daß die schnellsten feindlichen Schiffe seine langsamsten einholen würden. Er mußte sich somit zur Schlacht entschließen. Die Flotten befanden sich auf der Höhe der kleinen Felseninsel Providien, etwas südlich von Trincomali[180].

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Die Schlacht bei Providien, 12. April 1782.

Die Schlacht bei Providien. Die Flotten waren die gleichen wie bei Sadras, die englische jedoch um 1 74- und 1 64-Kanonenschiff verstärkt. Es standen also 12 Franzosen gegen 11 Engländer, erstere etwa 6 Seemeilen zu Luward der letzteren bei nördlichem Winde. Um 9 Uhr vormittags bildete Hughes die Gefechtslinie über Backbordbug, Kurs WNW, Suffren tat das gleiche und befahl dann um 11 Uhr, als die Schiffe gut ausgerüstet waren, zugleich auf Kurs WSW abzuhalten (Plan A, a); Hughes erwartete den Angriff unter kleinen Segeln; Suffren beabsichtigte, seine Linie Schiff gegen Schiff an die feindliche heranzuführen, nur das überschießende zwölfte sollte das letzte englische von Lee her dublieren. Es war also ein Angriff nach altem englischen Brauch und hatte die übliche Folge, daß die Vorhut der Franzosen, in der außerdem die schnellsten Schiffe standen, früher an den Feind herankam als die Mitte oder gar die Nachhut, sowie daß sämtliche Schiffe, sobald sie in Schußweite anlangten, dem Breitseitfeuer der Gegner ausgesetzt waren, ohne es erwidern zu können. Die drei vordersten Franzosen gingen nun schon an den Wind, als sie gegen 1 Uhr die ersten Schüsse erhielten, und nahmen das Feuer auf; sie blieben auch in diesem Abstande vom Feinde, obgleich der Admiral befahl, näher heranzugehen.

Suffren dagegen segelte ohne zu feuern mit dem Flaggschiff („Héros“, 74) bis auf Pistolenschußweite an das englische („Superb“, 74) heran, heißte das Signal für[389] „Nahgefecht“ (1½ Uhr) und drehte auf. Sein Vordermann, sowie 3 Hinterleute nahmen nach und nach ihre richtigen Plätze ein, während die zurückgebliebenen vier letzten Schiffe weit vom Feinde abblieben, da sie gleichzeitig mit dem Flaggschiff an den Wind gegangen waren; sie hatten den Auftrag nur dem Buchstaben, nicht dem Sinne nach befolgt, auch sie kamen trotz späterer Befehle nicht näher. Die französische Flotte bildete so eine Kurve, von der nur 5 Schiffe ernstlich in den Kampf eintraten (Plan A, b). Das Hauptgefecht entspann sich beim englischen Flaggschiff. „Héros“ hatte wegen Beschädigungen in der Takelage nicht gleich querab von „Superb“ zum Stehen gebracht werden können, sondern war vorgeschossen und lag neben dessen Vordermann („Monmouth“, 64); sein Hintermann „L'Orient“ nahm den Platz neben „Superb“ ein. „Monmouth“ wurde entmastet und trieb aus der Linie; da „Héros“ unwillkürlich nachdrängte, kam er vor „Superb“ zu liegen. So wurde dieses Schiff durch „Héros“ mit den Heckgeschützen von vorn beschossen, während es mit „L'Orient“ und dessen Hintermann, der auf des Admirals Befehl aufgesegelt war, im Breitseitkampfe lag (Plan B); es litt schwer. Gegen 3½ Uhr gab Hughes den Befehl, zugleich zu halsen und die Linie über Steuerbordbug zu bilden, weil man sich der Küste mit ihren Korallenriffen zu sehr näherte. Suffren folgte dem Beispiele und erneute den Befehl zum Angriff mit der besonderen Weisung an ein Schiff, den „Monmouth“ zu nehmen, der hilflos zwischen den beiden Linien lag. Das Manöver des Halsens wurde von der englischen Flotte schneller ausgeführt als von der französischen, sie gewann Vorsprung, und es gelang einem ihrer Schiffe, den „Monmouth“ in Schlepp zu nehmen und in Lee der englischen Linie zu tauen. Zum Nahkampf kam es nicht wieder. Schwere Gewitterböen gaben den Schiffen genug mit sich selbst zu tun, namentlich den französischen, die in Unordnung geraten waren, weil einige das Halsen ungeschickt ausgeführt, andere sogar gewendet hatten. Suffren, der um 5½ Uhr von seinem beschädigten Flaggschiffe auf ein anderes übergegangen war, gab um 6½ Uhr den Befehl, das Gefecht abzubrechen.

Nach dem Gewitter wurde es flau und die Nacht brach schnell herein. Beide Admirale sahen sich wegen der Nähe der Korallenriffe, sowie mit Rücksicht auf die Beschädigungen der Schiffe zwischen 7 und 8 Uhr genötigt zu ankern, wo sie waren. „Héros“ kam, nach Lee getrieben, dicht neben die englische Flotte zu liegen; der Versuch einer Fregatte, ihn wegzuschleppen, mißlang, jedoch entzog er sich in der Nacht bei umspringendem Winde der gefährlichen Lage.

Die Verluste betrugen auf französischer Seite 137 Tote und 357 Verwundete, auf englischer 137 und 430. Von den letzteren kamen allein 104 bzw. 198 auf „Monmouth“ und „Superb“, während sich der französische Verlust gleichmäßiger auf alle Schiffe verteilte. Auf den fünf hauptsächlich beteiligten war er natürlich etwas stärker, aber auch die Schiffe der Vorhut und der Nachhut hatten gelitten; dies ist wohl ein Zeichen, daß das englische Feuer auf weitere Entfernung wirksamer gewesen war als das französische[181].

Die Schlacht blieb unentschieden; beide Parteien ankerten darauf etwa 2 Seemeilen voneinander entfernt an der Küste und blieben hier 6 Tage liegen, mit Ausbesserungsarbeiten beschäftigt. Am 19. April lichtete Suffren Anker und bot dem Gegner den Kampf an, Hughes nahm ihn mit Rücksicht auf ein stark beschädigtes Schiff („Monmouth“) nicht an; ihn anzugreifen, wagte aber Suffren nicht. Hierfür gab er in seinem Berichte[390] verschiedene Gründe an, von denen aber wohl nur der für ihn ausschlaggebend war, daß er sich nicht auf die Fähigkeit und Tatkraft all seiner Kommandanten verlassen konnte[182]. Am 20. April segelte er nach Batticaloa, etwa 60 Seemeilen südlich von Trincomali. Dieses war noch in holländischem Besitze, und von hier aus konnte er von Europa kommende französische Zufuhren decken, sowie englische abfangen. Hughes lief am 28. April in Trincomali ein.

Die Schlacht bei Negapatam am 6. Juli 1782. Suffren fand in Batticaloa Befehl vor, nach Isle de France zurückzukehren, wo ihm 2 Linienschiffe einen Transport von Frankreich zuführen würden. Obwohl ihm Mannschaften, Material zum Ausbessern der Schiffe, Tauwerk sowie Rundhölzer fehlten, und er nur noch für eine größere Schlacht Munition hatte, obschon ein großer Teil seiner Offiziere Indien gern verlassen haben würde, nahm er die Verantwortung auf sich, zu bleiben. Zu seinen Offizieren äußerte er, er wolle lieber seine Schiffe vor den Mauern von Madras untergehen lassen, als das Feld räumen. Dem Gouverneur der Maskarenen schrieb er, die Reise nach Isle de France, das Ausrüsten dort und die Rückfahrt nach Indien würden 6 Monate in Anspruch nehmen, die bei der Lage der Dinge in Indien für die französische Sache verhängnisvoll werden würden; er könne an Ort und Stelle die Verhältnisse besser beurteilen als der Minister in Versailles.

Mit Eifer betrieb er die Instandsetzung der Flotte. Einige Bedarfsgegenstände erhielt er in Batticaloa, andere beschaffte er von der dänischen Niederlassung Tranquebar. Während dieser Zeit ließ er beständig Fregatten kreuzen und hielt eine Division Linienschiffe zum Auslaufen bereit; fast wäre es dieser am 13. Mai geglückt, einen von Bombay nach Madras bestimmten englischen Konvoi abzufangen, sie mußte jedoch die Verfolgung abbrechen, um nicht die englische Flotte in Trincomali zwischen sich und Batticaloa kommen zu lassen. Am 16. Mai traf auch ein französischer Transport ein und am 3. Juni war die Flotte wieder seeklar. Suffren segelte nun nach Tranquebar, wo er holländische Schiffe mit Lebensmitteln vorfand. Von hier aus störte er die Verbindung zwischen Madras und Trincomali; es glückte ihm, einige englische Transporter aufzubringen.

Am 20. Juni ging Suffren nach Cuddalore, um mit dem französischen General und Haidar-Ali in Verbindung zu treten. Der Sultan äußerte sich sehr mißbilligend über die schwächliche Unterstützung seitens des Generals Du Chemin; Vorteile, die er den Engländern gegenüber errungen, seien dadurch wieder hinfällig geworden. Von Suffren dagegen hielt Haidar viel und wünschte deshalb, mit ihm persönlich in Verbindung zu treten,[391] sobald er von der beabsichtigten Expedition zurück sei. Der Admiral hatte nämlich erfahren, daß die englische Flotte sich wieder an der Küste aufhalte, und beschlossen, vor allem den Kampf um die Seeherrschaft zum Austrag zu bringen; wenn er einen Erfolg erzielt habe, wollte er Negapatam angreifen. Zu diesem Unternehmen schiffte er 700 Soldaten, sowie 800 Sepoys ein und Haidar zog gleichfalls Truppen zusammen, aber der Kampf zur See blieb in Suffrens Augen die Hauptsache; die eingeschifften Truppen sollten gleichzeitig zur Auffüllung der Schiffsbesatzungen dienen.

Beachtenswert ist, wie es der Umsicht des Admirals gelungen war, die Flotte schlagfertig zu machen. Während er Ende März fast von allem entblößt war, und obgleich er seitdem eine große Schlacht geschlagen hatte, konnte er jetzt berichten, daß die Schiffe ohne weitere Zufuhren sechs Monate lang die See halten könnten; er wies darauf hin, daß das Aufbringen von Prisen viel hierzu beigetragen habe, und bat deshalb um größere gekupferte Fregatten für diesen Zweck, falls der Krieg noch länger dauern würde.

Hughes hatte acht Wochen zur Ausbesserung des „Monmouth“ gebraucht; Trincomali war noch nicht lange genug in englischem Besitz, um schon als vollwertiger Ausrüstungshafen zu gelten. Am 23. Juni segelte er nach Negapatam. Suffren verließ Cuddalore am 3. Juli und sichtete am 5. um 1 Uhr nachmittags den vor Anker liegenden Feind. Dieser ging um 3 Uhr in See und steuerte südlich, um sich die Luvstellung zu sichern; es war die Zeit der SW-Monsuns. Am Abend ankerten die Franzosen wegen Windstille, gingen aber am anderen Tage mit Hellwerden wieder unter Segel, und es kam zur Schlacht.

Die Schlacht bei Negapatam am 6. Juli 1782. Ein französisches 64-Kanonenschiff hatte am 5. nachmittags in einer Bö die Groß- sowie die Kreuzmarsstänge verloren und war am 6. noch nicht wieder kampfbereit; es blieb unter dem Schutz zweier Fregatten in Lee der Flotte. Es standen so auf jeder Seite 11 Schiffe in der Linie. Beide Gegner steuerten bei SW-Wind über Backbordbug SO, die Engländer zu Luward. Um 10½ Uhr vormittags hielt Hughes in üblicher Weise zum Angriff ab und um 11 Uhr lagen die beiden Flotten in parallelen Linien Schiff gegen Schiff im Gefecht, nur die englische Nachhut war, wie so häufig bei dieser Angriffsart, etwas weiter vom Feinde entfernt (Plan, Stellung I). Bald nach Beginn des Kampfes verlor auf französischer Seite das vierte Schiff von vorn („Brillant“, 64) den Großmast, mußte sich in Lee seiner Linie bergen (a) und blieb dann zurück (a′); auf englischer Seite wurde das Spitzenschiff „Hero“, 64, b) so beschädigt, daß es sich gleichfalls aus dem Gefecht zog; es segelte nach Negapatam. Der Kampf war heiß bei Vorhut und Mitte.

Um 1 Uhr nachmittags sprang der Wind plötzlich auf SSO; die meisten Schiffe beider Flotten fielen nach der dem Feinde abgewendeten Seite ab, die Engländer nach Steuerbord, die Franzosen nach Backbord; von ersteren blieben jedoch das 4. und 5. („Burford“, 70 und „Sultan“, 74), sowie das 8. und 10. („Worcester“, 64 und „Eagle“, 64) über Backbordbug liegen, und von letzteren drehten das 3. („Sévère“, 64) und der beschädigt zurückgebliebene „Brillant“ nach Steuerbord. Diese 6 Schiffe lagen also zwischen den beiden Flotten (Stellung II), und es kam zu Teilgefechten. „Sultan“ griff „Sévère“ an, woran sich „Burford“ auf weitere Entfernung beteiligte, und das französische Schiff strich auf Befehl des Kommandanten dem überlegenen Feinde gegenüber bald die Flagge. Als dann aber „Sultan“ und auch „Burford“ das Feuer einstellten und abhielten, heißte der Franzose die Flagge wieder und enfilierte den „Sultan“ von hinten.[392] Offiziere und Mannschaften hatten die feige Ergebung nicht anerkannt, der erste Offizier übernahm das Kommando; das Schiff vereinigte sich dann mit seiner Flotte (Stellung III, a). „Brillant“ kam ins Gefecht mit den beiden anderen Engländern, wurde aber von Suffren selber („Héros“, 74) und „Annibal“ (50) befreit (b). Der französische Admiral hatte bald nach dem Abfallen seine Schiffe durch Halsen über Steuerbordbug legen lassen, um die Bedrängten zu unterstützen; wenn die dem „Brillant“ am nächsten stehenden „Artésien“ und „Vengeur“ (c) rechtzeitig Segel gemehrt hätten, so hätten sie voraussichtlich den „Eagle“ nehmen können. Hughes hatte nach dem Abfallen den Befehl zum Halsen und den zur „Allgemeinen Jagd“ gegeben, da sich aber zwei Schiffe manövrierunfähig meldeten, widerrief er ihn, sammelte seine Schiffe über Steuerbordbug und führte sie nach Westen. Suffren tat ein gleiches, erreichte aber den Feind nicht mehr; die letzten Schüsse fielen gegen 3 Uhr. Abends ankerten die Engländer vor Negapatam, die Franzosen etwa 10 Seemeilen nördlicher.

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Schlacht bei Negapatam, 6. Juli 1782.

Die Verluste betrugen auf französischer Seite 178 Tote und 601 Verwundete, auf englischer 77 und 223; die englischen Schiffe hatten wie gewöhnlich mehr in der Takelage gelitten. Der auffallend größere Verlust der Franzosen ist wohl der Überfüllung ihrer Schiffe mit Soldaten zuzuschreiben.

Die Schlacht bei Negapatam war ein Mißerfolg Suffrens. Er hatte die größeren Verluste, ohne den Gegner vernichtet oder wenigstens von Negapatam vertrieben zu haben. Wieder traf zum Teil einige seiner Kommandanten die Schuld, und seine Geduld war jetzt erschöpft; er entfernte drei von ihrem Kommando. Am 7. Juli verlangte Hughes durch einen Parlamentär die Übergabe des „Sévère“, weil er die Flagge gestrichen habe. Suffren hatte sie wohl eine Zeitlang vermißt, dies aber mit Abschießen der Flaggleine erklärt. Erst jetzt erfuhr er die[393] Feigheit des Kommandanten und den dadurch verursachten Bruch des Kriegsrechts. Er gab indessen dem Verlangen des englischen Admirals nicht Folge, schickte aber den Kommandanten sofort nach Frankreich, wo ihn der König kassierte. Er entsetzte aber auch die Kommandanten des „Artésien“ und des „Vengeur“, der beiden Spitzenschiffe, am 12. von ihrem Kommando; der eine hatte schon bei Porto Praya, der andere am 16. Februar versagt. Der Kommandant des „Ajax“, der vor der letzten Schlacht sein Schiff nicht schnell genug instandgesetzt, legte sein Kommando freiwillig (?) aus Gesundheitsrücksichten nieder.

Suffren entschuldigte sich in seinem Berichte, daß er nicht schon früher habe Strenge walten lassen, aber selbst als Admiral sei er nicht berechtigt, Kommandanten abzusetzen, und er sei nicht Flaggoffizier (wenigstens wußte er es noch nicht). Der König billigte seine Maßnahmen und ging durch Dienstentlassung von drei anderen Kapitänen sogar noch weiter.

Suffren hat aber doch wohl zuweilen unter dem augenblicklichen Eindruck eines Mißerfolges seine Untergebenen zu schroff beurteilt. Mehrere der Angegriffenen hatten sich während ihrer früheren Dienstzeit als tüchtig bewiesen, und er selber lobt bei einer Gelegenheit solche, die er bei einer anderen scharf verurteilt hat und umgekehrt. Wenn sie seine Absichten nicht durchführten, so lag dies zum Teil wohl daran, daß sie als Anhänger des alten Brauches kein Verständnis dafür hatten.

Suffren erobert Trincomali. Suffren segelte am 8. Juli nach Cuddalore und stellte hier seine Schiffe mit bewundernswertem Geschick wieder her. Es fehlten allein 19 Marsstängen, außerdem Untermasten, Raaen, Tauwerk sowie Segel, und in Cuddalore war kein Material vorhanden. Aber mit den Rundhölzern der Fregatten und kleineren Schiffen setzte man die Linienschiffe, mit solchen englischer Prisen die Fregatten instand; andere Spieren wurden von der Straße von Malakka geholt. Ferner riß man Häuser nieder, um das Holz zum Ausbessern der Schiffsrümpfe zu verwenden. Die Arbeiten mußten auf offener Rhede mit häufig schwerer See ausgeführt werden, aber sie wurden gefördert unter dem Auge des Oberbefehlshabers, der „trotz seiner Körperfülle“ ohne Rast zu angestrengter Tätigkeit ermunterte. Schon am 18. Juli war die Flotte wieder see- und gefechtsklar.

Der Admiral hatte erfahren, daß von Isle de France 2 Linienschiffe, 1 Fregatte, sowie Transporter mit Lebensmitteln, Munition und 600 Soldaten unterwegs seien und daß zwei große Konvois mit 5000 Mann unter General de Bussy, dem Mitstreiter des Gouverneurs Dupleix im Siebenjährigen Kriege, von Frankreich erwartet würden[183]. Vom Angriff auf Negapatam sah er wegen der Nähe der englischen Flotte vorläufig ab, beschloß den Verstärkungen entgegenzugehen und sich Trincomalis zu bemächtigen. Vorher jedoch fand die beabsichtigte Besprechung mit Haidar Ali statt, der mit einem großen Teile seines Heeres bis in die Nähe von Cuddalore herangerückt war.

[394]

Die Verhältnisse im Landkriege gestalteten sich zugunsten Englands. Die Mahratten hatten im Mai 1782 Frieden geschlossen, der allerdings erst im Dezember ratifiziert wurde. Infolgedessen drangen die Engländer von Bombay aus an der Westküste vor und Haidar glaubte sich genötigt, entweder auf den auch ihm angebotenen Frieden einzugehen oder sein Heer zur Verteidigung des eigenen Landes aus dem Carnatic zurückzuziehen; von den französischen Truppen konnte er Unterstützung nicht erwarten, da sie kaum genügten, Cuddalore zu halten. Bei Zusammenkünften am 26. und 29. Juli, bei denen Haidar dem von ihm hochgeschätzten Admiral große Ehren erwies, gelang es nun Suffren, den Sultan durch Hinweis auf die Ankunft de Bussys zur Fortsetzung des Krieges zu bewegen. Haidar schickte seinen Sohn Tippu Sahib zur Malabarküste und blieb mit der Hauptmacht im Carnatic.

Suffren ging dann am 1. August in See und erreichte am 9. Batticaloa; von Cuddalore hatte er 600 Mann Infanterie, sowie eine Kompagnie Artillerie mitgenommen. Am 21. stieß die erstgenannte Verstärkung zu ihm, am 24. segelte er nach Trincomali, in der Nacht vom 26./27. wurden 2300 Mann gelandet, am 27. und 28. Batterien von Schiffsgeschützen errichtet und am 29. das Feuer gegen die beiden Forts eröffnet, die die Stadt verteidigten. Schon am 30. August begannen Verhandlungen. Suffren, der die Ankunft Hughes' erwarten mußte, bewilligte der etwa 1000 Engländer und 600 Sepoys starken Besatzung Abzug mit allen Ehren, worauf die Forts am 31. übergeben und die Abziehenden nach Madras geschickt wurden. Suffren schiffte sofort die von den Schiffen entnommenen Mannschaften und Geschütze wieder ein, ließ jedoch eine starke Garnison zurück, so daß er aller Sorge um den Platz enthoben war.

Die Schlacht bei Trincomali am 3. September 1782. Hughes hatte nach der letzten Schlacht in Negapatam mit dem Ausbessern begonnen, war aber am 20. Juli nach Madras gegangen, um mit dem dort vorrätigen Material die Arbeiten besser auszuführen. Am 12. August waren sie nahezu beendet, es unterliegt aber keinem Zweifel, daß dies bei der Übung der Engländer früher der Fall gewesen wäre, wenn der Admiral den gleichen Eifer entfaltet hätte wie sein Gegner; so ging er auch erst am 20. in See, obgleich er um die Abfahrt der Franzosen nach dem Süden wußte, und traf dann am 2. September vor Trincomali ein, um wenige Tage zu spät zur Rettung dieses Platzes durch eine, wenn auch vielleicht nur unentschiedene Schlacht. Diese kurze Zeit hätte er sicher erübrigen können; jetzt gab ihm nicht einmal ein voller Sieg die Gewißheit, Trincomali wiederzunehmen.

Als die englische Flotte erschien, ging Suffren ihr entgegen: zum Kampfe um die Seeherrschaft, zumal, da er wußte, daß dem Gegner bald eine ansehnliche Verstärkung in Aussicht stehe.

Die Schlacht bei Trincomali am 3. September 1782. Die französische Flotte zählte jetzt 14 Linienschiffe, außerdem hatte Suffren eine schwere 36-Kanonenfregatte, einen genommenen englischen Ostindienfahrer, eingestellt. Die englische bestand aus 12 Linienschiffen; in Madras war ein Schiff der unter Kapitän Bickerton erwarteten Verstärkung zu ihr gestoßen, das in einem Sturme von den anderen abgekommen war.

Am 2. September nachmittags wurde das Nahen der Engländer in Trincomali gemeldet; Suffren ging am 3. in aller Frühe in See. Die englische Flotte kam um[395] diese Zeit bei frischem SW-Winde SSO auf den Hafen zusteuernd in Sicht, drehte aber ab, als sie die französische Flagge am Lande wehen und die feindliche Flotte aus dem Hafen kommen sah. Hughes hatte keineswegs die Absicht, den Kampf zu vermeiden, obgleich der Gegner zu Luvard stand, aber er wollte diesen vorher möglichst weit von dem Hafen abziehen, um etwa in der Schlacht beschädigten Schiffen die Rückkehr dorthin zu erschweren. Er scheint aber auch darauf gerechnet zu haben, daß der Feind bei längerem Folgen in Unordnung geraten und dann übereilt angreifen würde, wenn er ihm erst am Nachmittage den Kampf anböte; er kannte die ungleiche Segelfähigkeit der feindlichen Schiffe, von denen nur die Hälfte gekupfert war, sowie deren Kommandanten, die an Geschicklichkeit den seinigen nicht gleichstanden.

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Schlacht bei Trincomali, 3. September 1782.

Sein Plan gelang durch vorzügliches Manövrieren. Er zog sich unter häufiger Kursänderung nach NO zurück, richtete dabei die Fahrt nach den langsamsten Schiffen ein und benutzte seinen Vorsprung, von Zeit zu Zeit die Ordnung zu verbessern. Die Franzosen folgten mit vollen Segeln und kamen tatsächlich bald in Unordnung, obgleich auch Suffren durch zeitweises Anluven dem entgegenzuwirken versuchte. Die lange, mühsame Verfolgung erregte endlich den hitzigen Admiral, er verlor seine Ruhe. „Signal folgte auf Signal. Bald luvten die Schiffe an, bald hielten sie ab, als ob sie unentschlossen wären, was zu tun sei,“ berichtete Hughes. Als Suffren um 2 Uhr nachmittags endlich etwa 25 Seemeilen von Trincomali entfernt auf Gefechtsweite an den Gegner heran war, der ihn jetzt gut geschlossen und ausgerichtet über Backbordbug mit halbem Winde erwartete, gab er das Signal, an den Wind zu gehen, um nochmals die Linie zu verbessern (Plan A). Langsame Ausführung des Befehles und Fehler dabei machten die Sache jedoch eher schlimmer, und der Admiral, dem die Geduld ausging, gab um 2½ Uhr Befehl, zum Herangehen auf Pistolenschußweite wieder abzuhalten.

Suffren hoffte, daß trotz der Unordnung jedes Schiff seinen Gegner in der feindlichen Linie finden würde und ordnete an, daß zwei der überschießenden Schiffe seiner Linie, ein Linienschiff und die Fregatte, die beiden letzten Engländer von Lee her[396] dublieren sollten. Aber es kam anders. Um seinem Befehle zum Angriff Nachdruck zu geben, hatte Suffren einen Schuß feuern lassen. Hierin erblickte die Besatzung seines Flaggschiffes, das auf die anderen wartete und noch nicht zum Nahangriff abgehalten hatte, das Signal zur Eröffnung des Kampfes. Es gab seine Breitseite ab, und diesem Beispiele folgten die anderen Schiffe, obgleich sie noch auf halbe Kanonenschußweite vom Feinde entfernt waren; in dem Pulverrauche ward es ihnen nun noch schwerer, die richtigen Posten einzunehmen. Die 7 vordersten Schiffe hielten bei dem Versuche, auf ihre Gegner zu stoßen, zu weit voraus, einige drehten auch wohl zu früh auf, und so bildete sich eine ungeregelte Gruppe vor der englischen Vorhut, die kaum ins Gefecht eingreifen konnte (Plan B, a).

Eine ähnliche Gruppe entstand in der Mitte, so daß sich hier die Schiffe gegenseitig maskierten (b). Die beiden Schiffe, die von Lee her angreifen sollten, unterließen dies, weil die englische Nachhut von Luward gar nicht angegriffen wurde; sie nahmen den Kampf mit den beiden letzten Engländern von Luward her auf (c), mußten jedoch bald abbrechen, weil die Takelage des Linienschiffes in Brand geriet und die Fregatte allein zu schwach war. So hatte das Flaggschiff (Héros, 74) und nur 2 andere des Kampf mit 7 Engländern zu führen, die nach und nach einen Halbkreis um sie bildeten, dessen vorderste und hinterste Schiffe mittels Abhaltens oder Anluvens auch ihre Breitseiten abgaben. Sie litten schwer. Nach zwei Stunden hingen die Segel des „Héros“ in Fetzen, das ganze laufende Gut war zerschossen und das Schiff steuerlos[184], später, um 6 Uhr, ging der Großmast über Bord; ein anderes Schiff hatte Besansmast und Großstänge verloren, das dritte war ähnlich beschädigt. Die übrigen kamen nicht zu ernstem Kampfe. Nur teilweise sind sie damit zu entschuldigen, daß der Wind einschlief; zu Anfang wäre es wohl möglich gewesen, die Gruppen zu entwirren.

Um ½6 Uhr setzte Brise von SO ein. Die Engländer halsten, alle Schiffe zugleich, und fuhren im Kampfe fort. Nach Ansicht des französischen Stabschefs wären die 3 bedrängten Schiffe verloren gewesen, wenn die Engländer gewendet und sie dadurch von der übrigen Flotte abgeschnitten hätten; es ist aber wohl anzunehmen, daß den doch auch beschädigten Feinden bei dem schwachen Winde das Wenden nicht möglich war. Da die Franzosen nun auch halsten, vergrößerte sich der Abstand zwischen den Flotten, und die französische Vorhut, die jetzt zu Luward stand, bekam die Möglichkeit, sich zwischen die Kämpfenden zu schieben, bei dem flauen Winde allerdings nur langsam (C). Hughes hielt deshalb gegen Sonnenuntergang nach Norden ab; Suffren ließ die beschädigten Schiffe in Schlepp nehmen und steuerte auf Ceylon zu.

Die Verluste der Engländer betrugen 46 Tote, darunter 4 Kommandanten, und 259 Verwundete, die der Franzosen 82 bzw. 255, von denen 64 Tote und 178 Verwundete allein auf die drei Schiffe kamen, die hauptsächlich im Kampf gestanden hatten. Auf beiden Seiten waren 3–4 Schiffe schwer beschädigt.

Suffren war wieder entrüstet über seine Kommandanten. In seinem Berichte warf er ihnen Unfähigkeit und, „um nichts Schlimmeres zu sagen“, den Wunsch vor, die Kreuztour in Indien beendet zu sehen. Dieses Mal traf jedoch auch ihn ein Teil der Schuld, seine übertriebene Eile. Er hatte eben als Mann von großen Fähigkeiten auch seine Fehler, und diese kamen seinem bedächtigeren Gegner zugute. Aber hätte er nicht so schnell angegriffen, so wäre es an dem Tage nicht mehr zum Kampfe gekommen, und ihm lag an einer Entscheidung, ehe der Feind verstärkt wurde.

Vier der französischen Kommandanten baten nach der Schlacht, nach Isle de France zur Wiederherstellung ihrer Gesundheit beurlaubt zu werden, und der Admiral bewilligte es, wie er berichtete, „mit Freuden“.

[397]

Die Schlacht brachte nicht die Entscheidung, die Suffren mit Hinblick auf seine Überlegenheit erhofft hatte; beide Flotten mußten längere Zeit ausbessern. Hughes ging hierzu nach Madras, wo er am 9. September eintraf; Suffren suchte Trincomali auf. Beim Ansteuern des Hafens strandete am 7. September eins seiner größten Schiffe („Lorient“, 74) infolge nachlässiger Navigation und konnte trotz aller Bemühungen nicht wieder abgebracht werden. Der Admiral ließ sorgfältig alles Material, besonders die Masten und Rundhölzer, bergen und lief dann am 17. mit der Flotte ein.

Die Bewegungen der Flotten, ihre Verstärkungen und der Landkrieg bis zur Schlacht bei Cuddalore, Juni 1783. Suffren erhielt in Trincomali die Nachricht vom Tode des Generals Du Chemin. Dessen Nachfolger, Oberst d'Hoffelize, schrieb dabei, daß sich das kleine Heer bei Cuddalore kaum noch halten könne, weil Haidar Ali aus Mangel an Lebensmitteln in dem völlig verwüsteten Carnatic ihm keine Unterstützung zu bringen vermöge; eine Berennung der Stadt durch Eyre Coote stünde bevor.

Wie nach der Schlacht bei Negapatam, so stellte der Admiral auch diesmal wieder seine Schiffe seefähig her, ging schon am 1. Oktober in See und erreichte am 4. Cuddalore; beim Ankern strandete hier infolge eines ungeschickten Manövers ein zweites Linienschiff („Bizarre“, 64). Die Verhältnisse fand man nicht so schlecht vor; Eyre Coote hatte sich auf die Nachricht von der Schlacht vor Trincomali zurückgezogen, weil er das Erscheinen der französischen Flotte voraussah — gewissermaßen ein Erfolg der Franzosen durch die Schlacht.

Im Oktober schlägt der Monsun von Südwest nach Nordost um und steht auf die Koromandelküste zu, die keinen einzigen guten Hafen hat. Die schwere See macht dann häufig den Verkehr der Schiffe mit dem Lande, also auch die Unterstützung der Landmacht durch die Flotte unmöglich. Außerdem ist der Monsunwechsel häufig von Stürmen begleitet; die beiden gegnerischen Admirale mußten also eine Gegend verlassen, in der ihr Aufenthalt ebenso gefährlich wie nutzlos erschien. Da Trincomali verloren war, sah sich Hughes genötigt, zum Überwintern nach Bombay zu gehen, um sich dort mit der erwarteten Verstärkung zu vereinigen. Am 17. Oktober wurde er durch einen schweren Sturm gezwungen, in See zu gehen, und segelte dann gleich nach Bombay ab. Vier Tage später traf Kommodore Sir Richard Bickerton mit fünf Linienschiffen vor Madras ein. Er hatte England am 6. Februar verlassen, war schon in Bombay gewesen, ging jetzt sofort dorthin zurück und langte am 28. November an, während die Schiffe Hughes' erst eins nach dem andern, teilweise schwer durch den Sturm beschädigt, eintrafen. Die englische Flotte blieb dann bis zum Frühjahr in diesem Hafen.

Suffren hielt Trincomali nicht zum Winterlager geeignet, weil es in dieser Jahreszeit ungesund war und auch nicht genügende Hilfsquellen bot. Er wählte Atchin auf Sumatra. Dieser Hafen war gesund, bot alle[398] Bedarfsgegenstände, und von hier war die Koromandelküste leichter zu erreichen als von Bombay und auch von Trincomali, sobald bei dem gegen Ende des Winters weniger stürmischen Nordostmonsum ein Landen dort leichter würde; auch hatte Suffren die Nachricht erhalten, daß die Verstärkung unter General de Bussy ihn hier treffen wolle, ein bestimmter Zeitpunkt war jedoch nicht angegeben. Für Trincomali brauchte der Admiral keine Besorgnis zu hegen, denn die Besatzung zählte 900 Franzosen und Holländer, 600 Sepoys, so wie 600 Malaien und Kriegsvorräte waren genügend vorhanden.

Die Verzögerung der französischen Verstärkung. Während England auf die Nachricht von der Schlacht vor Porto Praya ein Geschwader von 6 Linienschiffen unter Bickerton entsandte, machte Frankreich verschiedene Versuche, kleinere Verstärkungen, besonders an Truppen, nach Indien zu schicken. General Bussy verließ heimlich im November 1781 mit 2 Linienschiffen Cadiz, um sich in Teneriffa mit den Transportern zu vereinigen, die von Brest im Dezember mit dem großen Konvoi unter de Guichen ausliefen. Dieser Konvoi wurde bekanntlich von den Engländern zersprengt und nur zwei Transporter gelangten nach Teneriffa. Einen Teil der von ihnen mitgeführten Soldaten ließ Bussy im Kapland zum Schutz gegen Bickerton, um dessen Kommen er wußte. Er erreichte am 31. Mai 1782 Isle de France und sandte von dort die Linienschiffe mit allen auf den Maskarenen zusammenzubringenden Mannschaften zu Suffren, der mit ihrer Hilfe Trincomali eroberte; er selber erwartete weitere Verstärkungen in Port Louis. Eine von ihnen blieb ganz aus; der Konvoi war am 20. April 1782 in der Biskaya vom Admiral Barrington abgefangen. Eine zweite, 4 Linienschiffe unter Kapitän de Peynier, die schon im Februar mit der Flotte de Guichens Brest verlassen hatte, erreichte zwar nach langer Reise im Mai das Kapland, ward aber dort drei Monate durch eine Epidemie festgehalten. Die Krankheit herrschte auch noch nach der Ankunft in Isle de France, und obgleich sie Anfang November erloschen war, ging Bussy doch erst am 26. Dezember 1782 nach Indien ab, wahrscheinlich um vorher noch ein Schiff auszubessern. Er war selber krank gewesen und überhaupt nicht mehr der schneidige Führer wie im vorigen Kriege.

Das lange Ausbleiben Bussys einerseits und die Ankunft Bickertons anderseits hatten auf Haidar Ali einen ungünstigen Eindruck gemacht; nur mit Mühe gelang es Suffren, ihn nochmals zur Weiterführung des Krieges zu bewegen. Der Admiral hatte dann am 15. Oktober die Küste verlassen und war am 2. November in Atchin eingetroffen. Am 24. erhielt er die Nachricht, daß Bussy wegen der erwähnten Epidemie seine Abfahrt auf unbestimmte Zeit verschoben habe. In der berechtigten Furcht, daß der Sultan nun wieder schwankend werden könne, beschloß er baldigste Rückkehr nach der indischen Küste, um so mehr, weil er erfahren hatte, daß die englische Flotte nach Bombay gesegelt sei. Er ging am 20. Dezember in See und traf am 8. Januar 1783 vor Ganjam an der Orissaküste ein. Hier, 500 Seemeilen nördlich von Cuddalore, hatte er günstigen Wind zur Fahrt nach dem Süden. Er beabsichtigte, von hier aus die englischen Küstenfahrer und Niederlassungen anzugreifen, er sandte sogar ein Linienschiff und eine Fregatte zur Gangesmündung; tatsächlich wurden auch viele Prisen aufgebracht. Wäre Bussy jetzt gekommen — es wäre möglich gewesen, da die Epidemie Anfang November erloschen war —, so hätte er bei voller Beherrschung der See durch Suffren im Carnatic mit starker[399] Überlegenheit auftreten können; wahrscheinlich wäre im Verein mit den Indern Madras genommen worden, ehe Hughes erschien.

Statt dessen hatte inzwischen die französische Sache einen schweren Schlag erlitten; Haidar Ali war am 7. Dezember gestorben. Sobald Suffren dies erfuhr, segelte er am 11. Januar 1783 nach dem Süden, um mit Tippu Sahib in Verbindung zu treten, und erreichte am 6. Februar Cuddalore. Der neue Sultan hatte seit August den Kampf gegen die Engländer an der Malabarküste mit Erfolg geführt, eilte aber nach dem Tode seines Vaters zum Hauptheere im Osten, um seine Herrschaft gegen etwa untreu werdende Vasallen oder gegen Angriffe der Engländer zu behaupten; am 27. Dezember übernahm er den Oberbefehl. Der Oberst d'Hoffelize war inzwischen mit französischen Truppen näher an das Lager Haidars herangerückt, um erforderlichenfalls für Tippu einzutreten; die Engländer konnten glücklicherweise die Lage nicht zu ihrem Vorteile ausnutzen, weil Mangel an Proviant sie in Madras zurückhielt. Dagegen griffen sie von Westen her unter General Mathews wieder mit Erfolg an. Als Tippu sich nun dorthin wenden wollte, gelang es Suffren wiederum, durch die Versicherung baldigen Eintreffens der großen Verstärkung ihn zum Bleiben zu bewegen. Der Admiral segelte dann, auch hier wie vor der Gangesmündung ein Linienschiff nebst einer Fregatte zum Kreuzen gegen Handelsschiffe zurücklassend, nach Trincomali, um seine Flotte nochmals instand zu setzen, ehe die englische zurückkam. Am 23. Februar angelangt, fand er holländische Schiffe mit Vorräten vor, bald darauf stießen die abgezweigten Schiffe mit zahlreichen Prisen, wieder zu ihm, und am 9. März kam endlich de Bussy an. Er brachte 3 Linienschiffe, 1 Fregatte und 35 Transporter mit, auf denen Kriegsmaterial, sowie 2500 Soldaten eingeschifft waren; er war bereits in Atchin gewesen, denn er hatte die Abfahrt der Flotte von dort nicht erfahren, weil eine zur Erkundung vorausgesandte Korvette vom Feinde abgefangen war.

Bussy übernahm nun den Oberbefehl zu Lande und zu Wasser. Es war die höchste Zeit für die Ankunft der Verstärkung gewesen, da die Engländer weitere Fortschritte im Westen machten und Tippu sich schon dorthin in Marsch gesetzt hatte. D'Hoffelize, der ihm auf dringende Bitten ein Bataillon Infanterie und eine Kompagnie Artillerie mitgegeben, mußte sich in die Stadt Cuddalore zurückziehen, und es kam nun darauf an, ihn so schnell wie möglich zu verstärken. Da Hughes täglich mit 18 Linienschiffen zu erwarten war, Suffren augenblicklich aber nur über 13 verfügte, weil 2 zum Ausbessern gekielholt waren, machte dieser den Vorschlag, mit seinen 7 gekupferten Linienschiffen, 5 Fregatten, sowie den schnellsten Transportern die Truppen und so viel Vorräte wie möglich nach Cuddalore zu bringen. Er ging am 14. März in See, landete die Soldaten am 16. in Porto Novo, am 17. die Vorräte in Cuddalore und trat am 4. April die Rückfahrt nach Trincomali an, um die Schiffe weiter instand zu setzen und um sich bei dem jetzt bald eintretenden Südwestmonsun zu Luward der englischen Flotte[400] zu halten, wenn diese anlangte. Er ließ 2 Linienschiffe und 2 Fregatten unter Kapitän Peynier an der Koromandelküste zum Kreuzen gegen einen erwarteten englischen Konvoi zurück.

Beim Einlaufen in Trincomali, am 10. April, sichtete Suffren die englische Flotte. Es kam jedoch nicht zum Zusammenstoß, weil Hughes nach Norden weitersegelte in der Hoffnung, die Division Peynier abzufangen; dies gelang ihm aber nicht, und sie erreichte am 20. unbehelligt Trincomali. Am 12. Mai war hier der Befehl Bussys eingetroffen, ihm mit der ganzen Flotte den Rest der Vorräte zu bringen. Diese war jedoch in ihrer Gesamtheit noch nicht seeklar, und Suffren wagte nicht, nur einen Teil der Schiffe einzusetzen. Er hatte recht damit, denn am 24. Mai passierte die englische Flotte Trincomali mit Südkurs und am 31. wieder nach Norden steuernd; wahrscheinlich beabsichtigte sie, den Platz anzugreifen, falls die französische ihn verlassen hätte. Suffren rührte sich auch jetzt noch nicht, obgleich er nun seeklar war. Er hatte aber am 26. Mai ein Linienschiff und 2 Fregatten mit einigen Transportern nach Cuddalore abgesandt, die ihm Nachrichten über die Lage dort bringen sollten; sie kehrten am 10. Juni zurück.

Die Schlacht bei Cuddalore am 20. Juni 1788. Die Verhältnisse am Lande standen trotz Bussys Ankunft für Frankreich nicht günstig. Sultan Tippu war es zwar gelungen, das Heer des Generals Mathews im April zur Ergebung zu zwingen und bis zur Malabarküste vorzudringen, aber er war nicht imstande, schnell genug wieder im Carnatic zu erscheinen, um hier der Gefahr entgegenzutreten, die den Franzosen drohte. Bussy hatte sich wenig tätig gezeigt und wurde nun sowohl von den englischen Truppen, die vor Cuddalore gestanden hatten und dann durch Hughes verstärkt waren, wie auch durch andere bedroht, die von Madras heranrückten. Der General sandte nun durch die zurückkehrenden Schiffe einen Befehl, der die ganze Verantwortung auf den Admiral abwälzte; er schrieb nämlich, Suffren solle Trincomali nicht früher verlassen, ehe er nicht davon Kenntnis habe, daß der General in Cuddalore eingeschlossen und von der englischen Flotte blockiert sei. Konnte der Admiral mit Sicherheit darauf rechnen, diese Nachricht rechtzeitig zu erhalten? Suffren aber zögerte nicht, die Verantwortung auf sich zu nehmen. Er ging schon am 11. Juni unter Segel und seine Fregatten sichteten am 13. die englische Flotte, die 20 Seemeilen südlich von Cuddalore vor Anker lag. Ihre leichten Schiffe und Transporter befanden sich dicht unter der Küste in der Nähe des englischen Heeres, von dem Bussy am gleichen Tage in einem, allerdings sehr verlustreichen, Gefechte in die Stadt zurückgeworfen war. Alles hing jetzt von dem Kampfe der Flotten ab, und es folgte die fünfte und letzte Schlacht zwischen Suffren und Hughes, vor der es ersterem noch gelang, die Besatzungen seiner Schiffe durch Soldaten vom Lande aufzufüllen.

Die Schlacht bei Cuddalore, 20. Juni 1783. Die englische Flotte zählte 18 Schiffe in der Linie: 1 zu 80 Kanonen, 5 zu 74, 1 zu 68, 9 zu 64, 2 zu 50; die französische 15: 5 zu 74 Kanonen, 7 zu 64, 1 zu 60, 2 zu 50.

[401]

Beim Erscheinen Suffrens verlegte Hughes seinen Ankerplatz auf etwa 5 Seemeilen an die Stadt heran und der französische Admiral ankerte südlich von ihm. Am 14. Juli ging Suffren wieder unter Segel, kam aber infolge flauer und umspringender Winde erst am 16. auf etwa 10 Seemeilen dem Gegner nahe. Jetzt lichtete auch Hughes Anker und steuerte bei südlichem Winde in die offene See hinaus; ihm lag mehr daran, zur Schlacht die Luvstellung zu gewinnen, als die Verbindung des Feindes mit der Stadt zu hindern. Der folgende Tag ging mit Manövrieren der Flotten bei westlichem Winde hin, aber Suffren ließ sich hierbei nicht weit von der Küste abziehen. Er bat den General Bussy um Mannschaften zur Auffüllung seiner Besatzungen — diese zählten meist nur drei Viertel des Etats und bestanden außerdem noch zur Hälfte aus Soldaten oder Sepoys — ankerte am Abend dicht vor Cuddalore und nahm während der Nacht 600 Soldaten und 600 Sepoys an Bord. Am 18. begann das Manövrieren um den Wind aufs neue; in guter Ordnung zum Angriff heranzukommen, gelang der französischen Flotte trotz ihrer Luvstellung nicht, weil die sämtlich gekupferten englischen Schiffe besser segelten. Da der Wind wider Erwarten westlich blieb, entschloß sich Hughes endlich am 20. Juli die Schlacht in der Leestellung anzunehmen; er erwartete den Angriff über Steuerbordbug mit nördlichem Kurse. Suffren führte seine Schiffe in gleicher Lage heran und ließ um 3½ Uhr nachmittags zum Nahgefecht abhalten. Um 4 Uhr begann der Kampf auf der ganzen Linie, wie gewöhnlich bei dieser Art des Angriffes war er zwischen der beiderseitigen Vorhut und Mitte schärfer als zwischen der Nachhut. Eine französische Quelle (Troude, Band II, Seite 232) schreibt, daß die Engländer während des Gefechtes beständig abgehalten hätten, um den Feind immer weiter vom Lande abzuziehen, die Franzosen jedoch auf Signal ihres Admirals stets gefolgt wären, bis es um 6½ Uhr dunkel wurde und die Schlacht endete.

Die Verluste betrugen auf englischer Seite 103 Tote und 434 Verwundete, auf französischer 102 bzw. 386; die Schiffe scheinen bei beiden Parteien keine besonders großen Beschädigungen erlitten zu haben.

Es ist bemerkenswert, daß Suffren den Kampf von einer Fregatte aus leitete. Er hatte vor wenigen Monaten Befehl erhalten, dies der besseren Übersicht wegen zu tun, sobald er mehr als 9 Schiffe befehlige; die gleiche Weisung war auch an andere französische Admirale ergangen. Er schrieb zurück, er würde danach handeln, falls er es für nützlich hielte. Wenn er aber annehmen müsse, vom Flaggschiff aus ebensogut leiten zu können, werde er es nicht aus der Hand geben, auch durch sein Beispiel im Gefechte zu nützen[185].

Suffren wich in dieser Schlacht auch vom französischen Brauch dadurch ab, daß er angriff, aber er wählte dazu die alte englische Form. Er hatte zwar in Trincomali verschiedene Gefechtspläne bekannt gegeben, deren einer empfahl, die 5 74-Kanonenschiffe die Nachhut bilden und mit ihnen die feindliche Linie hinten dublieren zu lassen, während die übrigen 10 mit weiteren Entfernungen untereinander den Feind von Luvard aus auf der ganzen Linie beschäftigen sollten. In dieser Formation segelte die Flotte auch am 14. und 15. Juli, aber später nicht mehr; Suffren hat doch wohl nach den bisherigen Erfahrungen mit seinen Kommandanten nicht gewagt, ein derartig außergewöhnliches Manöver durchzuführen. Übrigens klagte er nach dieser Schlacht nicht über seine Untergebenen.

Die Schlacht bei Cuddalore war ein voller Erfolg Suffrens. Hughes lag während der kommenden Nacht bei, ging aber dann nach Madras; als Gründe hierfür gab er die große Zahl seiner Kranken, Wassermangel und die Beschädigungen der Schiffe an. Er schrieb, ihm fehlten[402] 1100 Mann, also fast genau die Zahl, die sein Gegner vor der Schlacht eingeschifft hatte, weil er ihn ohne Kampf mit dem Lande in Verbindung treten ließ. Er stand mithin nicht schlechter da als sein Gegner, und es ist wahrscheinlicher, daß er den Kampf aufgab, weil sein Selbstvertrauen dem tatkräftigen Feinde gegenüber stark erschüttert war. Suffren hatte am 21. Juni morgens 25 Seemeilen nördlich von Cuddalore geankert und ging am 22. nach der Stadt zurück, als die englische Flotte nach Norden absegelte. Er hatte mit geringeren Kräften den Feind zur Aufgabe der Blockade gezwungen und dann durch die Schlacht ganz vertrieben.

Das Ende des Krieges. Cuddalore war entsetzt und die Aussichten der belagernden Engländer trostlos. Ihre Transporter, die bei Annäherung der französischen Flotte das Weite gesucht hatten, konnten nicht wieder zurückkommen, und die Kavallerie des Sultans bedrohte ihre Verbindungen am Lande. Am 25. Juni schrieb der kommandierende General: „Ich bin ratlos seit dem Weggang unserer Flotte, wenn ich den Charakter Suffrens und die Überlegenheit der Franzosen am Lande bedenke.“ Aus dieser Verlegenheit wurde er aber erlöst, als am 29. eine englische Fregatte von Madras die Nachricht des Friedensschlusses brachte. Diese beruhte zwar nur auf nichtamtlichen Briefen, lautete aber so bestimmt, daß die obersten Behörden beider Völker in Indien schon am 8. Juli vereinbarten, die Feindseligkeiten einzustellen.

Den Engländern lag viel daran, baldigst die Hände gegen Tippu frei zu bekommen. Die Franzosen versuchten zwar bei den Verhandlungen, für ihren Verbündeten einzutreten; und die Engländer erklärten sich auch bereit, mit diesem gleichfalls Friedensverhandlungen anzuknüpfen, lehnten aber jedes Versprechen betreffs der Bedingungen ab. Bussy zog nach Eintritt des Waffenstillstandes seine Truppen vom Heere des Sultans zurück, Tippu räumte darauf das Carnatic und begann Unterhandlungen. In einem im März 1784 geschlossenen Vertrage gaben sich beide Teile die gemachten Eroberungen zurück. Die Herrschaft Englands in Indien war gesichert.

Suffrens Rückreise nach Frankreich glich einem Triumphzuge. Er trat sie am 9. Oktober 1783 an Bord seines Flaggschiffes „Héros“ von Trincomali aus an. In Isle de France ward er von der französischen Bevölkerung, in Kapstadt von der holländischen auf das höchste geehrt, besonders aber erfreute ihn die Anerkennung, die ihm die Engländer zollten. In Kapstadt lagen 9 Schiffe der Flotte Hughes', deren Kommandanten sich mit dem Kommodore King an der Spitze beeilten, ihm ihren Besuch abzustatten. Am 20. März 1784 erreichte er Toulon nach einer Abwesenheit von 3 Jahren und 4 Tagen. In der Provence, in Paris sowie am Hofe ward er durch Feste gefeiert; er hatte Frankreich als Kapitän verlassen, war nach Porto Praya zum Chef d'Escadre, nach der dritten Schlacht in Indien zum Lieutenant-Général befördert, und am 4. April 1784 schuf der König für ihn eine vierte Vizeadmiralstelle, die nach seinem Tode wieder eingehen sollte. Die Provence überreichte ihm eine Medaille mit der Inschrift: „Das Kapland beschützt; Trincomali genommen; Cuddalore gerettet; Indien verteidigt; 6 glorreiche Schlachten.“ Holland ließ ihm durch eine Deputation einen Ehrendegen überreichen.

Ein kurzer Rückblick auf den Seekrieg in Indien erscheint als Pflicht gegen den Admiral Suffren, dessen Tätigkeit man als die bemerkenswerteste[403] und verdienstvollste maritime Leistung des ganzen großen Krieges bezeichnen muß. Es ist darauf hingewiesen, daß sich für Frankreich in Indien eine besonders gute Gelegenheit bot, England anzugreifen. Hierzu hätte man aber rechtzeitig eine Flotte hinaussenden müssen, die imstande war, die Seeherrschaft zu erringen, wodurch dann auch die indischen Gegner Englands in ihrem Kampfe unterstützt und ermutigt worden wären, sowie durch Lagern von Vorräten in Isle de France und rechtzeitige Nachschübe dafür sorgen müssen, daß die Flotte in den indischen Gewässern stets leistungsfähig blieb.

Dies geschah nicht. Obgleich die Verbündeten von 1779 an in den europäischen Gewässern den Engländern stets überlegen und in den westindischen mindestens gewachsen waren, hatte man von Ende 1779 bis zum Oktober 1781 nur 6 Linienschiffe in Isle de France, die noch dazu an allem Mangel litten. Der Oberbefehlshaber, Graf d'Orves, war nicht der Mann, unter solchen Umständen den etwa gleich starken Engländern tatkräftig entgegenzutreten; er machte zwar Anfang 1781 einen schwachen Versuch dazu, blieb aber dann untätig. Erst nach der Ankunft Suffrens verfügte Frankreich von 1782 an über Kräfte, die der Wichtigkeit des Kriegsschauplatzes einigermaßen entsprachen, und dieser Admiral verstand es, sie zu verwenden. In dem Bewußtsein, daß alles auf die Beherrschung der See ankomme, brach er mit der bisherigen französischen Strategie zur See und schlug mit der Bekämpfung der feindlichen Seestreitkräfte den einzig richtigen Weg zur Lösung seiner anderen Aufgaben ein. Überzeugt von der Notwendigkeit, das Geschwader ununterbrochen auf der Station zu halten, ließ er nicht nur den schlechten Zustand seiner Schiffe, die Unzufriedenheit seiner Offiziere, sondern sogar den ausdrücklichen Befehl der Regierung unberücksichtigt, nach Isle de France zu gehen. Trotz Mangel an Personal und Material hielt er durch außergewöhnliche Maßregeln die Flotte schlagfertig, schuf sich in Trincomali einen Stützpunkt und verstand es, die anderen Gegner Englands stets wieder zu ermutigen. Er hätte es verdient, mehr zu erreichen. Aber er wurde von der Heimat zu wenig unterstützt, obgleich er nicht einmal um Schlachtschiffe, sondern nur um Mannschafts- und Materialersatz, sowie um leichte, schnelle Schiffe bat, mit denen er den Kreuzerkrieg zur Versorgung seines Geschwaders unterhalten wollte. Ferner führten die französischen Generale den Landkrieg nicht mit gleicher Tatkraft; Bussy machte den Ruhm zuschanden, den er sich im vorangegangenen Kriege erworben hatte. Endlich fand der Admiral keine Unterstützung durch seine Kommandanten. Wären diese Männer gewesen, wie sie später Nelson oder auch nur wie sie jetzt Hughes besaß, so würde er voraussichtlich das englische Geschwader vernichtet haben, solange es noch schwächer war. Ob die allgemeinen Verhältnisse des ganzen Krieges es zugelassen hätten, die englische Macht in Ostindien zu überwältigen, dürfte zweifelhaft sein; Suffrens Hoffnung aber war, durch Herstellung eines Übergewichtes auf diesem Kriegsschauplatze einen günstigen Frieden herbeizuführen.

[404]

Der englische Admiral Hughes hat in dem langen Ringen stets die Geschicklichkeit, Überlegung und Voraussicht eines tüchtigen Seemannes gezeigt, gepaart mit hohem Mute sowie der Entschlossenheit, nicht zu weichen; er war ein vorzüglicher Vertreter des englischen Durchschnittsseeoffiziers im 18. Jahrhundert. Als höherer selbständiger Führer war er aber dem Gegner nicht gewachsen; dessen Genie und richtige Beurteilung der militärischen Lage fehlten ihm. So ist ihm schon von der zeitgenössischen Kritik vorgeworfen, auf seiner Fahrt nach Trincomali in den Tagen vor der Schlacht bei Providien, die französische Flotte nicht angegriffen zu haben, trotzdem sie stets in Lee gestanden hätte und in so lockerer Ordnung gesegelt sei, daß er die Schiffe einzeln hätte überwältigen können. Tatsache ist, daß durch sein Zaudern nach der Schlacht bei Negapatam Trincomali verloren ging, und daß er nach der Schlacht vor Cuddalore die Deckung der Stadt aufgab, obgleich sich die französische Flotte in nicht besserer Verfassung befand als die seine. Diese Kurzsichtigkeit würde verhängnisvoll geworden sein, wenn der Krieg fortgeführt wäre. Suffren sah das Vertreiben des stärkeren Gegners von diesem Platze als seine höchste Leistung in Indien an.

Der Kleine Krieg.

In den früheren englisch-französischen Kriegen errang England schließlich stets die Seeherrschaft und konnte dann seine ganze Kraft zur Vernichtung des feindlichen Handels einsetzen; selbst wenn Frankreich den Kampf mit der Flotte freiwillig aufgegeben und seine Seestreitkräfte ganz in den Dienst des Kreuzerkrieges gestellt hatte, endete dieser doch immer mit dem völligen Brachliegen des Seehandels für die schwächere Macht. Im Kriege 1775–1783 behaupteten aber beide Parteien bis zum Ende die See, und der Handelskrieg spielte infolgedessen keine so hervortretende und einflußreiche Rolle. Vernachlässigt wurde er aber keineswegs. Die Schläge gegen größere Konvois traten als militärische Unternehmungen von Bedeutung hervor, daneben aber bedrohten Kreuzer sowie Freibeuter beider Parteien die Schiffahrt der Gegner in allen Meeren, und es kam zu zahlreichen Gefechten zwischen diesen[186]. Leider bringen unsere Quellen nicht wie bei den früheren Kriegen genauere Angaben über die Zahl der Schiffe, die sich die Gegner fortnahmen, aber Andeutungen in französischen wie englischen Werken lassen schließen, daß die Verluste beider Nationen sehr bedeutend gewesen sind und sich etwa die Wage gehalten haben; von seiten Hollands wird ausdrücklich zugegeben[187], daß sein Schaden ungeheuer gewesen sei, und sich die schon im Verfall begriffene[405] ostindische Kompagnie von ihm nicht wieder erholt habe. Es wird zwar nirgend ausgesprochen, ist aber wohl sicher anzunehmen, daß die Störung des Handels mit ihren mittelbaren und unmittelbaren Verlusten zur Beendigung auch dieses Krieges beigetragen habe.

Nur Laird Clowes bringt (Band III, Seite 396) eine für sein Werk von der berühmten Seeversicherungsgesellschaft „Lloyd“ — schon zu jener Zeit eine Art Börse der englischen Kaufleute, Rheder, Seeversicherer usw. — aufgestellte Tabelle über die Verluste Englands und seiner Gegner in den einzelnen Kriegsjahren. Nach dieser haben die Engländer in den Jahren 1776–1783 2200 Handelsschiffe sowie 75 Freibeuter eingebüßt und 1100 bzw. 215 der Feinde genommen. — Wie in den früheren Kriegen erklärt die Übermacht des englischen Seehandels den größeren Verlust, dieser war aber eben deshalb auch leichter zu tragen.

Der Kreuzerkrieg der Amerikaner[188] verdient noch eine kurze Betrachtung, weil sie trotz ihrer geringen Seemacht darin Hervorragendes geleistet haben. Bekanntlich ließen die einzelnen Kolonien schon von 1775 an kleinere Fahrzeuge an ihren Küsten kreuzen, um dem englischen Heere die Zufuhren an Kriegsmaterial wegzufangen und diese eigenen Truppen zuzuführen; aus diesen Anfängen entstand die kleine Marine. Diese ward dann auch weiter fast ausschließlich im Kleinen Kriege verwendet, zu ihr traten zahlreiche Freibeuter. Einzeln und in kleinen Verbänden taten die Schiffe den Engländern an der amerikanischen Küste, aber besonders auch in den westindischen Gewässern großen Abbruch, wobei sie sich auf französische, spanische und holländische Häfen stützten.

Nach amerikanischen Angaben (Spears, Band I, Seite 217) sind in den westindischen Gewässern sowie an der westafrikanischen Küste bis Ende 1777 173 amerikanische Freibeuter mit 2550 Kanonen und 13 800 Seeleuten tätig gewesen und haben 559 englische Handelsschiffe im Werte von 2½ Millionen Lstrl. aufgebracht; 34 derselben wurden weggefangen.

Schon im Herbst 1776 trat auch der erste amerikanische Kreuzer in den europäischen Gewässern auf. Eine Brigg mit 16 Kanonen brachte Franklin nach Frankreich und kreuzte dann in der Biskaya. In den folgenden Jahren waren mehrere Kriegsschiffe tätig, teils von Amerika herübergekommen, teils in französischen Häfen beschafft; auch Freibeuter traten auf. Es ist bemerkenswert, wie sich diese Fahrzeuge auszurüsten und ihre Prisen zu verwerten wußten, trotzdem Frankreich noch mit England im Frieden war, wie sie ihre Ausrüstung auf See an Bord nahmen und ihre Prisen vor den französischen Häfen verkauften. Es waren nur kleine Schiffe, und der Schaden blieb gering, den sie dem englischen Handel zufügten, aber sie beunruhigten ihn und bedrohten sogar offene Küstenplätze Schottlands und Irlands, eine ungeheure Keckheit der großen Seemacht Englands gegenüber. Am berühmtesten sind die Taten des Kapitäns Paul Jones, der durch sie ein Nationalheld Amerikas geworden ist.

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Captain John Paul Jones.

Auftreten des amerikanischen Kapitäns John Paul Jones in den europäischen Gewässern. Paul Jones, 1747 in Schottland geboren, kam als Geschäftsreisender nach den Kolonien, blieb dort, fuhr als Steuermann auf Sklavenschiffen und ward unter den ersten Offizieren der neuen Marine am 22. Dezember 1775 als Leutnant 1. Klasse angestellt. Im August 1776 zum Kapitän ernannt, führte er mit großem Erfolge eine Brigg in den heimischen Gewässern, erhielt 1777 das Kommando des kleinen Schiffes „Ranger“ (18 Kanonen, 135 Mann) und heißte bei der Indienststellung am 14. Juni eigenhändig zum ersten Male die eben eingeführte „Stern- und Streifenflagge“ der Vereinigten Staaten. Im November verließ er Amerika, machte auf der Überfahrt zwei Prisen und traf am 2. Dezember in Nantes ein. Von dort führte er einige amerikanische Handelsschiffe nach Lorient, die sich hier einem französischen nach Westindien bestimmten Konvoi anschließen sollten, und bei dieser Gelegenheit ward die neue Flagge zum ersten Male von französischen Kriegsschiffen salutiert. Am 10. April 1778 trat er von Brest aus eine Kreuzfahrt um Irland an. Auf dieser brachte er verschiedene Prisen auf, versuchte am 22. die im Hafen von Whitehaven, südlich vom Clyde, liegenden Schiffe zu verbrennen, wobei er allerdings nur geringen Erfolg hatte, und landete dann auf der Insel St. Mary im Solway Firth, um Lord Selkirk in seiner Besitzung aufzuheben und als Geisel gegen die schlechte Behandlung gefangener Freibeuter durch die Engländer fortzuführen. Der Lord war abwesend, aber die Amerikaner erbeuteten dessen Familiensilber; Jones kaufte es später seinen Leuten ab und sandte es dem Eigentümer zurück. Am 24. April zwang er vor Belfast Lough die englische Sloop „Drake“ (20 Kanonen, 154 Mann) in einem heftigen Gefechte zum Streichen der Flagge und segelte dann nördlich um Irland nach Brest zurück.

Eine zweite Fahrt konnte Jones wegen Geldmangels erst im Sommer 1779 antreten. Er verfügte jetzt über einen ehemaligen französischen Ostindienfahrer, „Bonhomme Richard“ (42 Kanonen), als Flaggschiff, eine amerikanische Fregatte, „Alliance“ (32 Kanonen), unter einem französischen Seeoffizier Landais, zwei mit 30 und 12 Kanonen armierte Kauffahrer „Pallas“ und „Vengeance“ und einen 18-Kanonenkutter. Die Flottille ging am 14. August zusammen mit 2 französischen Freibeutern von Lorient in See. Jones besaß aber nur geringe Machtbefugnisse über die anderen Fahrzeuge, deren Befehlshaber sich unbotmäßig zeigten. Die Freibeuter verließen ihn gänzlich und auch Landais ging eigene Wege, sobald es ihm gutdünkte; er hatte seine Laufbahn in der französischen Marine verfehlt, zeigte ein überspanntes Benehmen und war empört, daß er nicht den Oberbefehl erhalten hatte.

Die Fahrt ging um Irland und Schottland herum; bis zum 21. September wurden 17 Prisen gemacht. Die Küstenbevölkerung Schottlands war in größter Aufregung, aber Jones konnte seine Absicht, Leith eine Kontribution aufzulegen, nicht durchführen, da seine Unterführer den Gehorsam versagten.

[407]

Am 23. September stieß die bis auf den Kutter vereinte Flottille südlich von Flamborough Head vor der Mündung des Humber auf einen englischen Ostseekonvoi. Die begleitende Fregatte „Serapis“ (44 Kanonen, 264 Mann), Kapitän Pearson, sowie ein armierter Kauffahrer „Countess of Scarborough“ (20 Kanonen) traten den Amerikanern mutig entgegen. Jones befahl, die Schlachtlinie zu bilden, aber Landais verweigerte dies ausdrücklich und „Vengeance“ war zu weit entfernt; so kamen nur das Flaggschiff und „Pallas“ gegen 7½ Uhr abends ins Gefecht. Diese zwang nach zweistündigem Kampfe das kleinere englische Schiff zum Streichen der Flagge.

In dem Kampfe zwischen „Serapis“ und „Bonhomme Richard“[189] wurde dieser durch die überlegene Artillerie des Gegners bald völlig außer Gefecht gesetzt und das Schiff derartig im Rumpfe durchlöchert, daß es zu sinken drohte. Jones ging deshalb dem Feinde längsseit und errang in blutigem Kampfe, in dem sein Flaggschiff 116, die „Serapis“ 126 Mann einbüßte, durch seine persönliche Hartnäckigkeit und Kaltblütigkeit schließlich den Sieg. „Serapis“ strich um 10½ Uhr nachts die Flagge und wurde von den Amerikanern besetzt; „Bonbomme Richard“ sank am folgenden Tage.

Landais hatte nur den Kampfplatz umsegelt und Breitseiten auf die englischen Schiffe abgegeben; er hat aber auch auf das Flaggschiff Jones' gefeuert, und zwar nach eigner Aussage mit Absicht, um es in Feindeshand fallen zu lassen, dann wiederzunehmen und die „Serapis“ gleichfalls zu erobern.

Der englische Konvoi hatte sich während des Gefechtes retten können, und Pearson wurde deshalb trotz des Verlustes seines Schiffes in den Ritterstand erhoben.

Jones führte seine Flottille nebst den Prisen nach Texel und von dort Ende Dezember trotz der englischen Kreuzer durch den Kanal nach Lorient, wo sie aufgelöst wurde. England erklärte ihn für einen Seeräuber und setzte einen Preis von 10000 Lstrl. auf seinen Kopf. In Paris überhäufte man ihn mit Ehren, und in Amerika ward er als Admiral an die Spitze der Marine gestellt, als er 1780 zurückkehrte. 1788 trat er als Kontreadmiral der baltischen Flotte in russischen Dienst. Da aber englische Offiziere nicht unter ihm dienen wollten, wurde er zur Flotte des Schwarzen Meeres versetzt und zeichnete sich hier gegen die Türken aus. 1789 wurde er jedoch durch Intrigen verdrängt, lebte dann in Holland und Frankreich, wo er 1792 fast vergessen zu Paris starb. Es ist ungerecht, Jones als einen in französischem Solde stehenden Verräter an der englischen Sache hinzustellen, wie es einige englische und auch deutsche Werke tun; er war ebenso amerikanischer Bürger wie viele andere noch in England geborene Amerikaner. (Biographie Jones' von Abbot, Washington 1875.)

Die kleine amerikanische Kriegsmarine ging in dem Handelskriege zugrunde; beim Friedensschluß waren nur noch 3 Schiffe mit zusammen 84 Kanonen vorhanden. Aber durch die von ihr genommenen Schiffe — nach Spears während des ganzen Krieges 800 an der Zahl — sind zum Teil die Mittel an Kriegsmaterial und Geld zur Durchführung des Landkrieges aufgebracht.

Der Frieden von Versailles.

Bekanntlich setzte die Opposition in England nach der Kapitulation von Yorktown, dem Verluste verschiedener westindischer Inseln sowie Minorkas im März 1782 einen Ministerwechsel durch und der Landkrieg in Nordamerika geriet ins Stocken. Die neue Regierung trat aber auch in Friedensverhandlungen mit Franklin in Paris ein, obgleich der amerikanische Staatsmann[408] neben der Unabhängigkeit der Kolonien auch die Abtretung Kanadas forderte; zu Franklin kamen später noch die Agenten Adams, Jay und Laurens. Die Besprechungen wurden dadurch erleichtert, daß England die Hände gegen seine europäischen Gegner freizubekommen strebte, und die Amerikaner erkannten, daß Frankreich sie nur zum Werkzeug ihrer eigenen Politik machen wollte.

Frankreich wollte die Vereinigten Staaten nicht zu stark werden lassen, sondern ein Gleichgewicht zwischen ihrer und Englands Macht in Nordamerika geschaffen sehen. Es war daher gegen die Überlassung Kanadas, des Gebietes der großen Seen, der Seefischereien und des Mississippitales an die Amerikaner und arbeitete in diesem Sinne gegen sie. Das Gebiet des Mississippi wollte es Spanien und damit seinem eigenen Einflusse sichern, die Fischereien aber als Schule für die Marine behalten.

Die Amerikaner ließen deshalb ihre Forderung auf Kanada und andere englische Besitzungen im Norden fallen, bestanden aber auf ihrer Ausdehnung nach Westen sowie auf ausgedehnten Fischereirechten, und England gab hierin, sowie in seinen Ansprüchen auf alte Schulden nach. Am 30. November 1782 ward der vorläufige Frieden zwischen England und den Vereinigten Staaten ohne Wissen Frankreichs abgeschlossen. Da sich der Kongreß früher verpflichtet hatte, Friedensverhandlungen nur mit Zustimmung Frankreichs zu führen, nannten die Agenten die Abmachungen „Provisional-Artikel“, die nur dann zu einem endgültigen Frieden führen könnten, wenn Frankreich an ihm beteiligt sei.

Tatsächlich trat aber Amerika jetzt vom Kriege zurück, und Frankreich, mit dem England seit dem Amtsantritt Shelburnes im Juli gleichfalls in Verhandlung getreten war, mußte nachgeben. Es hatte bei der Lauheit Spaniens und der Schwäche Hollands nichts mehr zu hoffen, war überdies in Finanznöten und ging schon seiner schweren inneren Krisis entgegen. Am 20. Januar 1783 ward der Präliminarfriede zwischen England und Frankreich-Spanien unterzeichnet.

Hierbei ließ Frankreich Holland im Stich, wo man im Vertrauen auf diesen Verbündeten frühere günstige Anerbieten Englands abgelehnt hatte. Es wurde nur in den Waffenstillstand eingeschlossen und der vorläufige Friede zwischen Holland und England kam erst am 2. September 1783 zustande.

Über den Einfluß der Schlacht von Dominica auf den Friedensschluß findet man häufig die Ansicht, sie habe die französische Marine so geschwächt, daß jene nicht mehr um die Seeherrschaft hätte kämpfen können. Dies ist sehr übertrieben. Anders wäre es gewesen, wenn Rodney seinen Sieg ausgenützt und die französische Westindienflotte vernichtet hätte, aber diese verlor ja nur 5 Linienschiffe. Die Niederlage mag wohl dazu beigetragen haben, Frankreich dem Frieden geneigt zu machen, aber die günstigen Friedensbedingungen, die England erlangte, waren nicht die Folge einer Demütigung Frankreichs zur See, sondern seiner finanziellen Notlage. In England rief der glänzende Sieg bei der augenblicklich ungünstigen Lage zwar großen Jubel im Volke hervor, aber eine derartige Bedeutung legte man ihm in den leitenden Kreisen nicht zu. Dies geht aus den Parlamentsverhandlungen im Februar 1783 über die Frage hervor, ob die Friedensbedingungen der militärischen Lage entsprochen hätten, oder[409] ob es richtiger gewesen wäre, den Krieg fortzusetzen. Die Regierung führte an, daß England nur 100 Linienschiffe bereit habe, während Frankreich und Spanien 140 aufstellen könnten; auch sei zu befürchten gewesen, daß die Verbündeten 1783 Jamaika erobert hätten, doch war dies nur die Beweisführung einer Partei, die durchaus den Frieden wünschte. Admiral Keppel, der von seinem Amte als Erster Lord der Admiralität zurücktrat, weil er die Friedensbedingungen nicht billigte, bestritt die Richtigkeit der obigen Zahlen für beide Parteien, und auch die englischen Staatsmänner mußten zu dieser Zeit gelernt haben, die beiderseitigen Marinen nicht nur nach der Zahl der Schiffe einzuschätzen. So war auch die Gefahr für Jamaika von seiten der Friedensfreunde übertrieben, aber wahrscheinlich wäre es England nicht gelungen, mit Waffengewalt die anderen Inseln wieder zu erobern, die ihm der Friede zurückgab.

Die Friedensbedingungen. Die Vereinigten Staaten wurden als unabhängig anerkannt. Sie erhielten die westlich gelegenen Gebiete einschließlich des Mississippitales, sowie das Recht, bei Neufundland und im St. Lorenzgolfe die Fischerei mitzubetreiben, während die Engländer vom Fischen an der amerikanischen Küste ausgeschlossen wurden.

Frankreich gab an England die eroberten westindischen Inseln bis auf Tabago zurück und erhielt dagegen Sta. Lucia, sowie seine Handelsniederlassungen in Ostindien, unter den gleichen Bedingungen wie 1763, wieder. Auch behielt es das Recht der Fischerei in den obengenannten Gewässern sowie die kleinen Inseln St. Pierre und Miquelon am Eingang zum Lorenzgolfe als Stützpunkte; in Westafrika fiel ihm die Senegal-, England die Gambiamündung zu. Endlich wurde Frankreich von der alten demütigenden Verpflichtung entbunden, Dünkirchen nach der Seeseite unbefestigt zu lassen.

Spanien räumte die Bahamainseln und gestand endlich den Engländern das langumstrittene Recht zu, von der Honduras- und Campecheküste Holz auszuführen. Es behielt Florida und Minorka, aber von einer Rückgabe Gibraltars war nicht die Rede. Holland bekam zwar Trincomali wieder, Negapatam gab England jedoch nicht heraus.

Abgesehen vom Verluste seiner amerikanischen Kolonien hat der Krieg mithin England nicht so große Opfer gekostet, als zu erwarten stand. Der Verlust von Minorka hätte größere Bedeutung gehabt, wenn Spaniens Seemacht stark genug gewesen wäre, den Platz zu halten; so wie die Dinge lagen, fiel die Insel im nächsten Kriege doch wieder in Englands Hände. Frankreichs Gewinn durch den Krieg, der ihm 1200 Millionen Francs gekostet haben soll, war nur die unbedeutende Insel Tabago und das Bewußtsein, zum ersten Male England gegenüber die See gehalten zu haben.

Der endgültige Friede zwischen den beiden Königreichen, den Vereinigten Staaten und England ward am 3. September 1783 zu Versailles unterzeichnet; der zwischen England und Holland fand am 10. Mai 1784 zu Paris seine Bestätigung.

Schlußbetrachtungen.

Über die Strategie der Gegner. Der Krieg 1778–1783 war ein reiner Seekrieg und wohl der an Ereignissen reichste, der je ausgefochten ist. England,[410] Frankreich und Spanien spannten ihre maritimen Kräfte bis aufs äußerste an, in allen Meeren maßen sich große Flotten, gegen 20 Schlachten fanden statt. Und doch brachte der Krieg keinem der Länder wesentliche Vor- oder Nachteile, außer daß England durch ihn in dem Landkriege mit seinen nordamerikanischen Kolonien unterlag. Dies war die Folge einer mangelhaften Strategie auf beiden Seiten. Die Entstehung des Krieges, die Ziele der Verbündeten sowie die allgemeine militärische Lage beider Parteien wurden bereits bei Beginn seiner Darstellung erörtert[190] und auf die einzelnen Abschnitte seines Verlaufes folgte stets eine kritische Besprechung; es erscheint aber wünschenswert, zum Schluß nochmals die Kriegführung der Gegner im großen zu betrachten[191].

Das eigentliche Ziel der Verbündeten war, früher erlittene Demütigungen zu rächen und die tyrannische Herrschaft zu brechen, die England auf dem Ozean sich anmaßte. Frankreich gedachte dabei, seinen Besitz in Westindien zu vermehren und in Ostindien wieder überwiegenden Einfluß zu gewinnen; Spanien hoffte, Gibraltar, Minorka, Florida und womöglich auch Jamaika zurückzuerhalten. Die Herrschaft Englands beruhte auf seiner großen aktiven und latenten Seemacht, auf seiner Kriegsmarine und seinem Seehandel, seinen Marinestationen und Kolonien in allen Teilen der Welt. Hierin lagen mithin auch die Angriffspunkte für die Gegner. Infolge des Aufstandes der Amerikaner sah sich England mit Verlust seiner damals wichtigsten Kolonie bedroht; verlor es diese, so büßte es auch eine Reihe von Häfen ein und dadurch entstand eine Lücke in der Kette seiner Stützpunkte zwischen Kanada und Westindien; seine Flotte hatte es aber durch Frankreich und Spanien wenigstens in der Zahl der Schiffe überholen lassen. Die Gelegenheit zum Angriff war also für die Gegner günstig.

Die nächste Frage bildete nun die Wahl der Angriffsobjekte seitens der Verbündeten: der Hauptpunkte, die man nie aus dem Auge lassen durfte, und der Ziele zweiter Ordnung, die die Verteidigung ablenken und ihre Kräfte zersplittern sollten. Da der Hauptzweck der Verbündeten nicht war, den Amerikanern zu nutzen, sondern England zu schaden, gebot die militärische Politik, jene nur soweit zu unterstützen, daß sie den Krieg fortsetzen konnten. England in seinen anderen Kolonien mit Erfolg anzugreifen, erforderte unbedingte Seeherrschaft, aber nicht nur an Ort und Stelle, sondern überhaupt, denn keine der beiden Parteien besaß in den fernen Meeren so leistungsfähige Stützpunkte, daß die Flotten dort auf die Dauer see- und gefechtsbereit erhalten werden konnten; die Kolonien selber waren noch auf Zufuhren aus Europa angewiesen. Amerika und die[411] anderen Kolonien eigneten sich also nur zu Diversionen, während als Hauptangriffspunkte England als Basis seiner Flotte und diese selber, sowohl als Streitmacht an und für sich wie als Sicherung der Verbindung mit den auswärtigen Kriegsschauplätzen anzusehen waren. Hier mit Übermacht aufzutreten, ward den Verbündeten dadurch erleichtert, daß England sich entschloß, seine Streitkräfte in weitgehendem Maße zu verteilen, um überall einem Angriffe entgegentreten zu können.

Diese Maßnahme Englands fordert zur Kritik heraus; um sie mit Sicherheit durchzuführen, wäre Überlegenheit an Streitkräften nötig gewesen. Man konnte nie wissen, wohin der Gegner den Hauptstoß richten würde; dies ist ein Nachteil der Verteidigung, der im Seekriege besonders hervortritt, da marschierende Flotten keine Spuren hinterlassen. Jede ferne Station hätte stark besetzt gehalten werden und außerdem jeder von Europa auslaufenden feindlichen Flotte eine derartig starke eigene angehängt werden müssen, daß man auf dem bedrohten Punkte überlegen war. Dies konnte aber die schwächere Partei nicht durchführen und England setzte sich mit seinem Entschluß der Gefahr aus, an irgendeiner Stelle mit Übermacht angegriffen zu werden. Im großen und ganzen ist es ihm gelungen, dem Gegner auf den fernen Kriegsschauplätzen mit genügenden Kräften entgegenzutreten, jedoch nicht immer. In Westindien mußten sich seine Flotten mehrfach unter die Kanonen von Landbefestigungen zurückziehen und konnten den Verlust einiger Inseln nicht hindern; in Nordamerika entschied das Übergewicht der französischen Seestreitkräfte 1781 den Landkrieg. Dieses hatten die Franzosen dadurch erlangt, daß ihrer Flotte (de Grasse) beim Verlassen Westindiens nur ein Teil der englischen folgte, um Westindien und den dortigen Handel nicht ganz preiszugeben; ein sprechendes Beispiel für die Schwäche der englischen Strategie. In den heimischen Gewässern aber war England stets weit unterlegen. Seine Flotte hier war sogar zu schwach, auch nur die Verteidigung der eigenen Küsten sicherzustellen; nur infolge der mangelnden Tatkraft der Gegner hat sie diese Aufgabe lösen und auch noch Vorstöße machen können.

Eine richtigere Strategie Englands wäre wohl gewesen, den Hauptangriff auf die feindlichen Seestreitkräfte zu richten; diese aber waren am sichersten vor ihren eigenen Häfen zu finden; England konnte dabei den Vorteil ausnützen, daß seine Flotte eine gemeinschaftliche Basis hatte, in einer Hand lag und aus einem Guß war. Es mußte die europäischen Gewässer, Nordamerika und Westindien als einen Kriegsschauplatz ansehen und mit seiner Hauptmacht die Vereinigung der Gegner zu hindern, deren Plänen gleich bei ihrem Auslaufen entgegenzutreten suchen. Um hierzu in Europa die nötigen Kräfte zu haben, hätte man allerdings die auswärtigen Angriffspunkte durch Schwächung der Geschwader dort bis zu einem gewissen Grade aufs Spiel setzen müssen, jedoch konnte man dies in Nordamerika durch eine gegen jeden Seeangriff genügende Befestigung der Hauptstützpunkte, New York und Newport, zum Teil ausgleichen. Mit einem derartigen[412] Auftreten vor den feindlichen Häfen soll keineswegs auf eine strenge Blockade hingewiesen sein, mit der eitlen Hoffnung, jeden Vorstoß zu verhindern oder jeden Konvoi abzufangen, sondern auf die Aufgabe, jeder großen ausgelaufenen Flotte auf den Fersen zu folgen und sie mit Übermacht zu schlagen[192]. Dem Landkriege in Nordamerika wäre dies gleichfalls zugute gekommen, denn die Amerikaner konnten sich nur mit Hilfe der französischen Marine, sowie durch Zufuhren aus Europa halten und endlich wurde auf diese Weise leichter den Gegnern die Versorgung ihrer Stützpunkte draußen erschwert. Um es nochmals hervorzuheben, auch England mußte als erstes Ziel die Vernichtung der feindlichen Seestreitkräfte ansehen.

Es ist allerdings fraglich, ob die englische Regierung der Volksmeinung gegenüber, der sie stets hat Rechnung tragen müssen, Kolonien und Handel scheinbar im Stich lassen durfte, wenn auch ihr Verhalten tatsächlich nur deren Verteidigung schon in den europäischen Gewässern bezweckt hätte.

Wie lösten nun die Verbündeten ihre Aufgabe? Frankreich hatte den Krieg vorbereitet und begann den Feldzug 1778 mit einer Diversion nach Nordamerika (d'Estaing), die sich später gegen Westindien wenden sollte, es hatte aber nicht genügend gerüstet, um in diesem Jahre schon in Europa kräftig auftreten zu können; nicht einmal das Auslaufen einer englischen Flotte unter Byron nach dem bedrohten Punkte vermochte es zu hindern. 1779 verstärkte es seine Kräfte in Westindien und bereitete mit Spanien vereint einen Einfall in England vor. Das Unternehmen schlug fehl, weil Spanien zu spät fertig war und dann dem Oberbefehlshaber d'Orvilliers die nötige Tatkraft mangelte. Von 1780 an machte sich die Verschiedenheit der Interessen geltend; Frankreich legte ein zu großes Gewicht auf den westindischen Kriegsschauplatz und Spanien auf die Eroberung von Gibraltar. Dieses war ein Nebenziel ohne Einfluß auf den Großen Krieg und hätte leichter sowie sicherer durch Lösung der Hauptaufgabe, Vernichtung der feindlichen Seemacht, erreicht werden können; Frankreich gab trotz besserer Einsicht hierin nach. So brachten denn die weiteren Kriegsjahre den Verbündeten außer der gleichfalls belanglosen Eroberung von Minorka in Europa keine Erfolge, obgleich ihre Flotte stets bedeutend überlegen war; allerdings führte auch noch ein unfähiger Admiral (Cordoba) den Oberbefehl. Man unternahm nichts Ernstes mehr gegen England und seine Kanalflotte. Dieser gelang es sogar, in jedem Jahre Gibraltar zu verstärken und mehrfach die Verbindung der Gegner mit anderen Kriegsschauplätzen zu stören. Die Kraft der englischen Marine infolge ihres inneren Wertes sowie der Kühnheit und Geschicklichkeit ihrer Admirale, die sich hierbei zeigte, dürfte ein Beweis sein, daß eine Strategie Englands, wie sie oben[413] geschildert ist, trotz der zahlenmäßigen Überlegenheit der Gegner wahrscheinlich Erfolg gehabt hätte.

In Westindien besaß Frankreich mehrfach die Übermacht, nützte sie jedoch nicht aus. Es bemächtigte sich verschiedener Inseln, dachte dann aber nur an deren Schutz, obgleich die Leichtigkeit der Eroberungen darauf hätte hinweisen müssen, daß nach Erringung der unbedingten Seeherrschaft auch die anderen englischen Inseln bald gefallen wären. Wollte Frankreich den Kampf in Westindien über den Rahmen einer Diversion hinausgehen lassen, so konnte es noch mehr Mittel darauf verwenden; die Flotte der Verbündeten in Europa wäre zu dem, wozu man sie verwandte, stark genug geblieben. Doch auch ohne dies hätten die Gegner Englands auf diesem Kriegsschauplatze eine große Übermacht entfalten können, wenn Spanien seine Pflicht tat. Aber die Flotte Solanos, die 1780 dort erschien, konnte oder wollte sich nicht an französischen Unternehmungen beteiligen. Sie lag untätig in Havanna, nur auf den Schutz der gar nicht bedrohten eigenen Kolonien bedacht, und trat nur einmal zur Eroberung Floridas hervor; ein Unternehmen von reinstem Sonderinteresse, das wie eine Einnahme von Gibraltar gar keinen Einfluß auf den Großen Krieg hatte. Der mit großen Mitteln ins Werk gesetzte gemeinsame Angriff auf Jamaika 1782 kam nicht zur Ausführung; schon der moralische Eindruck der Niederlage der Franzosen bei Dominica genügte, davon Abstand nehmen zu lassen.

In den gleichen Fehler, der von der obersten Leitung im großen gemacht wurde, verfielen aber auch die französischen Führer der verschiedenen Flotten bei der Durchführung ihrer Aufgaben. Mit Ausnahme Suffrens in Ostindien[193] und de Grasses bei seinem Auftreten in Nordamerika 1781 beharrten sie auf dem Standpunkte, der sich in allen Kriegen des vierten Abschnittes gezeigt hat: Sie schonten ihre Schiffe und vermieden Entscheidungsschlachten, obgleich sich ihnen mehrfach Gelegenheit bot, den feindlichen Seestreitkräften einen schweren Schlag zu versetzen; nach Erfolgen traten sie meist strategisch in die Defensive, und taktisch defensiv war das Verhalten der verbündeten Flotten eigentlich bei allen Begegnungen mit dem Feinde. Über die spanischen Admirale in dieser Hinsicht zu sprechen, lohnt sich überhaupt nicht, und das Nachgeben Frankreichs Spanien gegenüber äußert sich darin am bezeichnendsten, daß es von 1780 an den Oberbefehl der gemeinsamen Flotte in Europa Cordoba überließ, obgleich es dessen Unfähigkeit wohl erkannt hatte.

Die Flotten boten überall das Mittel zur Entscheidung. England hätte selbst in der Verteidigung mehr erreichen können, wenn es die eigenen Seestreitkräfte zur Vernichtung der feindlichen zusammengehalten hätte. Die militärische Politik der Verbündeten muß jedoch noch[414] schärfer verurteilt werden. Ihnen stand es frei, nach Vereinigung ihrer Kräfte — und diese hinderte der Gegner nicht — in der Offensive zu wählen, wo sie überwältigend schlagen wollten. Sie faßten ja auch große Pläne, besonders Frankreich, führten sie aber nicht durch, Nebenzwecke lenkten sie ab. Diese liefen auseinander — eine Schwäche, die Bündnissen häufig anhaftet —, und bei ihrer Durchführung gab Frankreich des guten Einvernehmens halber nach, in der Hoffnung, Spanien doch noch seinen Plänen geneigt zu machen; Spaniens Verhalten dagegen streifte, wenigstens 1780 in Westindien, fast an Treulosigkeit. Mahan schreibt: „Wie machten sich die Verbündeten ihre großen Vorteile zunutze? Indem sie an den Rändern des britischen Reiches herumnagten und sich am Felsen von Gibraltar die Köpfe einstießen.“ Wir können im Sinne Mahans hinzufügen: „Anstatt vor allem die feindlichen Flotten zu vernichten.“

Bei Beurteilung der Leistungen der Verbündeten muß aber auch wohl in Betracht gezogen werden, was über den inneren Wert ihrer Marinen gesagt ist (vgl. Seite 33 ff. und Seite 220 ff.). Der französischen Marine fehlte es an Offizieren und Seeleuten, wodurch die Qualität ihrer Schiffsbesatzungen beträchtlich herabgesetzt wurde. Dieser Umstand wird unter anderem schon dadurch gekennzeichnet, daß die Seereisen französischer Flotten meist weit längere Zeit in Anspruch nahmen, und daß die Schiffe in Stürmen sehr viel mehr litten als die der Engländer. Die spanische Marine stand noch schlechter da.

So brachte der Krieg den Verbündeten nur überall Fehlschläge. Mahan schließt seine Betrachtungen mit den Worten: „Die Absicht der Verbündeten war, zugefügtes Unrecht zu rächen und der tyrannischen Herrschaft ein Ende zu machen, die England sich auf dem Ozean anmaßte. Die Rache, die sie genommen, brachte ihnen selber wenig Nutzen. Sie hatten, wie die damalige Generation annahm, England durch die Befreiung Amerikas geschädigt, aber sie hatten weder in Gibraltar noch in Jamaika das ihnen widerfahrene Unrecht gut gemacht; die englische Flotte war von ihnen nicht derart mitgenommen worden, daß sich dadurch ihr hochmütiges Selbstvertrauen vermindert hätte; die bewaffnete Neutralität der nordischen Mächte hatte man fruchtlos im Sande verlaufen lassen, und die englische Seeherrschaft wurde bald ebenso tyrannisch und noch schrankenloser wie je zuvor.“

Über Taktik[194]. Während der österreichische Erbfolgekrieg nur zwei und der Siebenjährige Krieg nur vier rangierte Schlachten brachte, kann man von den 1778–1783 erfolgten Zusammenstößen wohl vierzehn als solche ansehen. Sie liefern uns viel Bemerkenswertes für den Stand der Taktik in der Zeit des vierten Abschnittes. Nach Schilderung einer jeden finden sich die hierfür wichtigen Punkte hervorgehoben, da aber mit diesem Kriege die Periode abschließt, ist es angebracht, sie noch einmal zusammenzustellen.

In allen Schlachten, mit Ausnahme derer auf dem ostindischen Kriegsschauplatze, tritt die Neigung der Franzosen hervor, in der Abwehr[415] zu fechten; niemals sind sie die Angreifer. Wenn sie die Luvstellung einnehmen, so wollen sie in ihr nur einen ernsten Kampf vermeiden, nicht sie zum Angriff ausnutzen. Gelang es dann den Engländern an sie heranzukommen, so kam es zum Passiergefechte — Ouessant, 27. Juli 1778; Martinique, 15. und 19. Mai 1780; Dominica, 12. April 1782 — oder zum laufenden Gefechte — Martinique, 29. April 1781. Beides sind Kampfarten, die nur selten eine Entscheidung herbeiführen.

Wenn sie in der Leestellung waren, so warteten sie den Angriff ab und nutzten auch etwaige Übermacht — Chesapeakebucht, 5. September 1781 — oder besonders günstige Umstände — Grenada, 6. Juli 1779 — nicht zu einem Vorstoße aus, vermieden also auch hier die Entscheidung. Einige Fälle dieser Lage der Flotten zueinander bringen uns für die verschiedenartige Taktik der Gegner treffliche Beispiele, die den vierten Abschnitt kennzeichnen, besonders die Schlachten vor der Chesapeakebucht am 16. März und am 5. September 1781. Der Verlauf eines derartigen Kampfes ist bekannt: die Franzosen erwarten den Feind unter kleinen Segeln (einmal, in der ersten Schlacht vor der Chesapeakebucht, geben sie hierzu sogar die Luvstellung freiwillig auf), die Engländer greifen die ganze Linie, Schiff gegen Schiff, an, erhalten beim Heransegeln schweres Feuer in ungünstiger Lage, kommen aber selten zum Nahkampfe, weil die Franzosen vorher Segel mehren, das Gefecht abbrechen und weiter in Lee die abwartende Stellung wieder einnehmen. Da die Engländer wegen Beschädigung eines Teils ihrer Schiffe keinen zweiten Angriff wagen mögen, werden die Schlachten nicht durchgefochten. — Mit Recht bezeichnet man also diesen Zeitraum als den der „unentschiedenen Schlachten“.

Der Krieg bringt aber auch den Anfang zu einer Änderung der Taktik auf beiden Seiten. Rodney versucht bei Martinique, 17. April 1780, seinen Angriff mit Übermacht nur auf den hinteren Teil der feindlichen Linie zu richten. Es mißlingt und der Kampf entspinnt sich fast in der alten Weise, aber der Versuch bewirkt doch, daß sein Gegner in dieser Schlacht, Guichen, sich später ihm gegenüber stets die Luvstellung bewahrt.

Suffren bricht in Ostindien völlig mit der bisherigen französischen Taktik; wie er strategisch stets die Vernichtung des Gegners als erstes Ziel im Auge hatte, so bevorzugte er auch taktisch den Angriff. Er suchte dann in seiner ersten Schlacht, Sadras am 17. Februar 1782, von Luward her den Feind durch Dublieren von hinten mit Überlegenheit anzugreifen. Auch ihm gelingt es nicht und er sieht bei späteren Begegnungen davon ab, aber er wählt, wenn möglich, die Luvstellung und greift an — Providien, 12. April; Trincomali, 3. September 1782; Cuddalore, 20. Juni 1783 —, wobei er dann allerdings nach der unvollkommenen englischen Weise verfährt. Da sein Gegner, Hughes, bei dem Zusammemtoß vor Negapatam, am 6. Juli 1782, diese Form gleichfalls anwendet, enden auch die Schlachten in Ostindien ohne durchschlagende Entscheidung.

[416]

Die Versuche Rodneys und Suffrens, neue Gedanken in der Taktik zur Geltung zu bringen, scheiterten an dem Verhalten ihrer Unterführer; befangen in der alten Anschauung, gingen diese auf die Absichten ihrer Oberbefehlshaber nicht ein.

Nur zwei Zusammenstöße der Gegner in diesem Kriege bringen einen vollen Erfolg, und zwar zugunsten der Engländer. In der schon als Passiergefecht genannten Schlacht bei Dominica, 12. April 1782, durchbricht die Flotte Rodneys die feindliche Linie an drei Stellen und gewinnt dadurch an den Durchbruchspunkten ein verhängnisvolles Übergewicht für ihre Artillerie. Zwar ist der Durchbruch wohl kaum schon beim Ansetzen des Angriffes beabsichtigt gewesen, aber die Engländer — Oberbefehlshaber wie Unterführer — weichen doch von dem alten starren Schema ab, indem sie die günstige Gelegenheit benutzen. Daß in England überhaupt eine freiere Auslegung der Gefechtsinstruktion aufkam, beweist die Beurteilung zweier Admirale im Gegensatz zu kriegsgerichtlichen Sprüchen in vorangegangenen Kriegen. Keppel wurde freigesprochen, als er nach Ouessant angeklagt war, den Kampf vor Herstellung einer guten Ordnung begonnen zu haben, Arbuthnot dagegen wurde ein Vorwurf daraus gemacht, daß er in der Schlacht vor der Chesapeakebucht, am 16. März 1781, zu viel Wert auf die Erhaltung einer solchen gelegt habe.

Die zweite der entscheidenden Schlachten war keine rangierte, sondern das von Rodney mit Umsicht und Kühnheit durchgeführte Verfolgungsgefecht bei Kap St. Vincent am 16. Januar 1780.

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Fußnoten:

[112] Hauptquellen zu dieser Betrachtung der politischen Verhältnisse: Schlosser, „Geschichte des 18. und 19. Jahrhdts. bis zum Sturz des französischen Kaiserreiches“, Band III und IV, sowie, besonders für die englisch-amerikanischen Verhältnisse, Zimmermann, „Europäische Kolonien“, Band II.

[113] Die 13 Kolonien seien nochmals aufgeführt: Die vier nördlichen, die sogenannten „Neuenglandstaaten“, Newhampshire, Massachusetts mit Maine, Connecticut, Rhode-Island; die fünf mittleren, New York, New Jersey, Delaware, Pennsylvanien, Maryland; die vier südlichen, Virginien, Nord- und Südcarolina, Georgien. In den Neuenglandstaaten war die Stimmung gegen das Mutterland am schroffsten.

[114] Der Herzog von d'Aiguillon war als Günstling Louis' XV. schnell bis zum Gouverneur der Bretagne gestiegen. Als solcher geriet er durch gewissenlose Willkür in so schwere Händel mit dem Parlament, daß er 1768 abberufen wurde. Durch die Dubarry ward er Nachfolger Choiseuls. Sein Ministerium gilt als die äußerste Entartung des „alten Regime“. Ludwig XVI. entließ ihn sofort.

[115] Wir geben diese Auszüge zum späteren Vergleich mit den Vorbereitungen, die Napoleon I. 1803/05 für den Einfall in England durch Aufstellung des sog. Lagers von Boulogne traf.

[116] Ein genaueres Eingehen auf diese Verhältnisse würde zu weit führen. Es sei verwiesen auf allgemeine Geschichtswerke, z. B. Schlosser, Geschichte des 18. und 19. Jahrhunderts, Band 4, Seite 293 ff. Vgl. auch Kirchhoff Band 1, Seite 317, über die bewaffnete Neutralität, und de Jonge Band 4, Seite 379 ff., über Reibungen auf See zwischen England und Holland vor der Kriegserklärung.

[117] Den Schiffsbestand für 1778 geben Chab.-Arnault zu 70 Linienschiffen, Bonfils zu 72, Mahan zu 80 an. Die Angabe über die zur Verwendung gelangten, sowie über die verlorenen sind Charnock, Band 3, Seite 220 entnommen (dort mit Namen der Schiffe); eine Liste der Verlorenen bringt auch Clowes, Band 4, Seite 114.

[118] Angaben nach Charnock, Seite 233. Mahan gibt für 1778 nur 60 Linienschiffe an, Chab.-Arnault gar nur 50. Eine Verlustliste auch in Clowes, Seite 115.

[119] Vgl. Seite 18 die Tabellen mit den Angaben für 1775 und 1783. In diesen großen Zahlen sind aber ohne Frage stets viele alte Schiffe enthalten, die nicht mehr den Anforderungen genügten. — Die Verluste an Schiffen unter Angabe der Namen vgl. Clowes, Bd. IV, Seite 109.

[120] Wir werden ein Beispiel finden (Schlacht auf der Doggerbank 1781), wo sich selbst unter den in Dienst gestellten Linienschiffen anerkannt minderwertige befanden.

[121] Nach Spears, Band 1. Die Flottille, die für die Kämpfe auf dem Champlainsee gebaut wurde, ist hier nicht berücksichtigt.

[122] Am 14. Juni 1776 änderte der Kongreß den Union Jack in ein blaues Feld mit 13 weißen Sternen um, und wieder war es Paul Jones, der die neue Flagge auf seinem Schiffe „Ranger“ in Portsmouth (Newhampshire) zum ersten Male und eigenhändig heißte.

[123] Nach einer Liste Clowes IV, Seite 113, in der die Namen der Schiffe und der Kommandanten, sowie die Ursache des Verlustes angegeben sind.

[124] Hauptquellen: Schlosser und Zimmermann (vgl. Fußnote Seite 205); Clowes Band III; Spears Band I; Campbell Band V. — Die Angaben über die Stärke der Heere auf beiden Seiten in den verschiedenen Quellen weichen oft sehr voneinander ab. Der Grund mag darin liegen, daß die Zahlen bei der Unzuverlässigkeit der amerikanischen Milizen sehr wechselten und daß ein Kriegsschauplatz häufig dem andern aushalf; englischerseits darin, daß der eine Autor nur die regulären Truppen zählt, der andere die Milizen Kanadas und die Truppenkörper der sogenannten Loyalisten mitrechnet. Wir geben die Zahlen nach sorgfältigster Abwägung; bei der untergeordneten Bedeutung des Landkrieges für uns dürften etwaige Irrtümer ohne Belang sein.

[125] Die Haupttaten dieser Kreuzer, wie auch der spätere Freibeuterkrieg der Amerikaner sind eingehend und lesenswert dargestellt in Spears Band I.

[126] Nach Zimmermann, Band III, Seite 409 stand das Papier zum Metallgelde Ende 1776 wie 2½ : 1; 1778 wie 5½ : 1; 1779 wie 27½ : 1; 1780 wie 55 : 1.

[127] Eingehender, besonders auch über die Flottillen auf den Binnenseen, vgl. Clowes III, Seite 357, und Spears I, Seite 84.

[128] Clowes sagt, Band III, Seite 385: „Diese Bewegung, eine Meile vor der Front des Feindes, gelang infolge der Trägheit General Howes und seiner Vorliebe für eine gute Mahlzeit; er war in dieser Nacht von einer listigen amerikanischen Dame (a shrewd lady) eingeladen.“ Auch in allgemeinen Geschichtswerken wird dem General Bequemlichkeit und daraus entsprungene Nachlässigkeit vorgeworfen im schroffen Gegensatz zu seinem Bruder, dem Admiral.

[129] Vom Lord Germaine, der an der Spitze des Kolonialamtes stand und dem die Leitung des Krieges zufiel, wird wie von Howe gesagt, daß er seine Pflichten sehr leicht genommen habe; häufig soll er in Gesellschaften die eiligsten Depeschen ungelesen in die Tasche gesteckt und dann vergessen haben.

[130] Die kecken Taten der kleinen Marine sind ausführlich und lesenswert beschrieben in Spears Band I; die wichtigsten Gefechte mit englischen Schiffen auch in Clowes Band IV, Minor actions 1762–1792. Einiges werden wir bei Betrachtung des „Kleinen Krieges“ am Schluß des Kapitels bringen.

[131] Hierbei leistete der ehemalig preußische Offizier von Steuben, der im Dezember 1777 eintraf und zum Inspekteur sowie Instrukteur ernannt wurde, wesentliche Dienste. Ihm ist es hauptsächlich zu danken, wenn aus den Milizen nach und nach ein leidlich brauchbares Heer geschaffen wurde.

[132] Besonders benutzte Quellen: Mahan I; Clowes Band III (das betreffende Kapitel ist auch hier von Kapitän Mahan bearbeitet, aber später als dessen eigenes Werk, und weicht deshalb zuweilen von diesem ab); Lacour II, Chevalier II, zwei Werke, die sich wertvoll ergänzen; Campbell Band V und VII; Troude Band II; Bonfils Band III. Die kleinen Begebenheiten findet man bei Clowes erst im Bande IV, Kapitel „Minor actions 1763–1793“.

[133] Augustus Keppel, 1782 Viscount K., geboren 2. April 1725, 1744 Kapitän, 1762 Kontreadmiral, 1770 Vizeadmiral, 1778 Admiral der blauen und 1782 der weißen Flagge, gestorben 2. Oktober 1786, führte schon im österreichischen Erbfolgekriege ein Linienschiff und geriet durch Strandung bei Verfolgung eines französischen Schiffes in Gefangenschaft. Als er 1754 mit einem kleinen Geschwader zum Dei von Algier gesandt war und dieser seine Verwunderung aussprach, daß der König von England ihm einen bartlosen Knaben zur Unterhandlung schicke, antwortete er: „Wenn die Weisheit nach der Länge des Bartes ginge, so würde man einen Ziegenbock gewählt haben.“ Als dann der Dei ihm mit dem Tode drohte, sagte er, sein Geschwader würde für angemessene Begräbnisfeierlichkeiten sorgen. Im Siebenjährigen Kriege führte er 1758 die Expedition gegen Gorée, befehligte bei Quiberon ein Schiff mit Auszeichnung, nahm 1761 die Insel Belle-Ile und war 1762 zweiter im Kommando bei der Eroberung von Havanna. 1778 Chef der Kanalflotte, schlug er die Schlacht bei Ouessant, nach derselben wegen Verstoß gegen die Gefechtsinstruktion angeklagt, aber freigesprochen, legte er sein Kommando nieder und blieb unbeschäftigt, bis er nach dem Ministerwechsel vom 30. März 1782 bis Dezember 1783 das Amt des Ersten Lords wahrnahm.

[134] Auszüge aus Chevalier II, Seite 80; Lacour II, Seite 120; Troude II, Seite 3.

[135] Louis Guillonet, Comte d'Orvilliers, geboren 1710, trat 1728 in die Marine ein, wurde 1754 Kapitän, 1764 Chef d'Escadre, 1777 Lieutenant-Général. Er hatte 1754 unter La Gallissonnière, 1757 unter Dubois de la Motte gedient; 1772 befehligte er das neueingerichtete Übungsgeschwader. 1775 Marinekommandant in Brest, unterstützte er den Minister Sartines bei der Neuorganisation der Marine. Von 1777 bis 1779 war er Chef der Brestflotte. Er galt als ein vorzüglicher Taktiker, war aber jetzt 68 Jahre alt. Auch seine körperliche Rüstigkeit ließ zu wünschen übrig; im Januar 1778 nach Paris berufen, schrieb er, er könne die Reise nur „wie ein Greis“ in kurzen Tagestouren machen. Infolge der Vorwürfe, die man ihm über die Führung der Flotte 1778/79 machte, zog er sich in eine religiöse Anstalt zurück und starb dort 1792.

[136] Die genaueste und, wie es scheint, objektivste Schilderung findet man in Clowes Band III, Seite 412.

[137] Die neueren französischen Quellen, Lacour sowie Chevalier, äußern sich sehr freimütig und ganz objektiv in diesem Sinne.

[138] Comte Charles-Henri-Théodat d'Estaing Du Saillans, geboren 1729, trat 1745 als Mousquetaire in das Heer ein, war 1748 Oberst des Regimentes de Rouerque in der Armee des Marschalls von Sachsen, diente 1756 als Brigadier unter de Lally in Indien und kreuzte 1759/60 mit zwei Schiffen der ostindischen Kompagnie gegen die Engländer. Als Generalleutnant der Armee sollte er 1762 gegen Rio de Janeiro führen und wurde bei dieser Gelegenheit auch Chef d'Escadre in der Marine (vgl. Siebenjährigen Krieg). 1763 war er Lieutenant-Général in der Marine und Gouverneur der Antillen. 1777 schuf man für ihn besonders die Stelle eines dritten Vizeadmirals der amerikanischen und asiatischen Gewässer. 1792 zum Admiral von Frankreich ernannt, wurde er zur Zeit der Revolution in die Versammlung der Notabeln gewählt, zum Befehlshaber der Nationalgarde von Versailles ernannt und spielte eine Rolle im Prozeß der Königin. Später als verdächtig verhaftet, ward er am 28. April 1794 guillotiniert. Im hier besprochenen Kriege finden wir ihn 1778/79 in Nordamerika und Westindien, 1780 als Chef des französischen Kontingentes der spanisch-französischen Flotte unter Cordoba. Für 1783 war ihm die Leitung einer Expedition gegen Havanna zugedacht. D'Estaing war ein fähiger und feuriger Offizier, aber in der Marine unbeliebt. Hier sah man ihn als Eindringling an und neidete ihm seine durch Hofgunst erlangte schnelle Beförderung. Man warf ihm Mangel an seemännischer Kenntnis vor, Bevorzugung der aus der Armee stammenden Offiziere und daß er den Rat erfahrener Seeoffiziere verschmähe. Manche seiner Mißerfolge sind auch diesem Umstande zuzuschreiben.

[139] Sir Richard Howe, Viscount (1788 Earl), geboren 1726, Kapitän 1746, Kontreadmiral 1770, Vizeadmiral 1776, Admiral der blauen Flagge 1782, der weißen 1787, Admiral of the Fleet 1796, gestorben 5. August 1799, war ein erfahrener Seemann und ein Admiral, der sich durch seine Eigenschaften — Entschlußfähigkeit, Tatkraft und Ausdauer — gerade für die defensive Kriegführung des Jahres 1778 eignete, indem er jeder Bewegung des Gegners rechtzeitig entgegentrat. Nicht im Einverständnis mit dem Ersten Lord (er war Whig und überhaupt abgeneigt, gegen die Amerikaner zu fechten), ging er nach Beendigung der Operationen 1778 nach England zurück. Er fand erst 1782 nach dem Wechsel des Ministeriums wieder Verwendung und verproviantierte Gibraltar. Im nächsten Kriege befehligte er von 1793 an die Kanalflotte und errang am 1. Juni 1794 den glänzenden Sieg bei Ouessant. Biographie von J. Barrow, The life of Richard, Earl Howe (London 1838).

[140] Dies ist der erste derartige Fall. Die Franzosen ahmten ihn später nach, aber das Verfahren wurde doch in beiden Marinen wieder aufgegeben. Mahan bringt (Mahan I, Seite 338) eine lesenswerte Betrachtung über die verschiedenen Plätze eines Flottenchefs — ob an der Spitze, in der Mitte oder ganz außerhalb der Linie — mit ihren Vor- und Nachteilen und bezeichnet den hier in Frage stehenden Platz als den ungeeignetsten, weil er den Admiral wahrscheinlich zum untätigen Zuschauer des Kampfes mache und ihm die Möglichkeit nähme, durch sein Beispiel zu wirken.

[141] Cap Français oder Le Cap vgl. Fußnote Seite 176.

[142] Samuel Barrington, geboren 1728, Kapitän 1747, Kontreadmiral 1778, Vizeadmiral 1779, Admiral 1787, gestorben 1800. Als tüchtiger Seeoffizier von schnellem Entschluß hatte er sich schon im Siebenjährigen Kriege in verschiedenen Einzelgefechten ausgezeichnet.

[143] John Byron, der Großvater des Dichters Lord Byron, geboren 1723, machte als Midshipman auf der Fregatte „Wager“ Ansons Weltumsegelung mit, litt aber schon 1741 in der Magelhaenstraße Schiffbruch und geriet bis 1745 in spanische Kriegsgefangenschaft; 1746 war er Kapitän. Im Siebenjährigen Kriege schleifte er 1760 als Befehlshaber eines kleinen Geschwaders die Befestigungen von Louisbourg und brachte Freibeuter im Lorenzgolf auf, 1761 nahm er teil an der Expedition gegen Belle-Ile. Von 1764 bis 1766 leitete er die Erdumsegelung zweier Schiffe besonders zum Zweck der Erforschung der Südsee, die aber wenig Ergebnis hatte. Er wurde 1775 Kontreadmiral, 1780 Vizeadmiral der blauen Flagge. In der Schlacht bei Grenada erwarb er keinen Ruhm und ging wieder nach Nordamerika. Er war ein tüchtiger Seemann, aber kein Flottenchef, auch kein bedeutender Entdecker und wurde später nicht mehr verwendet. 1780 ward er Vizeadmiral der weißen Flagge und starb 1786. Über seine Weltumsegelung vgl. Clowes Band IV, Seite 117.

[144] Chevalier II und Lacour II bringen eine genaue, sehr unparteiische Beurteilung dieser erfolglosen Operation.

[145] Sir Charles Hardy, geboren um 1716, in die Marine eingetreten 1731, wurde 1737 Leutnant, 1741 Kapitän, 1755 Gouverneur von New York, 1756 Kontre-, 1762 Vizeadmiral, 1770 Admiral. Er nahm teil an den drei Kriegen seiner Zeit. Im Siebenjährigen diente er mit Auszeichnung 1757/58 an der nordamerikanischen Küste (unter Boscawen vor Louisbourg), 1761/62 an der französischen (unter Hawke bei Quiberon); er starb 1780.

[146] Vgl. auch die Tabellen Seite 224 mit dem Hinweis auf ihre nur bedingte Zuverlässigkeit, besonders was die spanische Marine anbetrifft.

[147] Sir George Bridges Rodney, 1782 Baron R., geboren 16. Februar 1718, Kapitän 1742, Kontreadmiral 1759, Vizeadmiral 1762, Admiral 1778, gestorben 24. Mai 1792, diente als Kommandant eines Linienschiffes im österreichischen Erbfolgekriege (bei Finisterre 1747 unter Hawke) und im Siebenjährigen Kriege (bei Louisbourg 1759 unter Boscawen), führte 1759/60 ein Geschwader zur Blockierung der französischen Kanalhäfen, beschoß Havre, erhielt 1761 den Befehl auf der Antillenstation, nahm 1762 Martinique. Leichtsinnig in seinem Lebenswandel, hielt er sich bei Ausbruch des Krieges 1778 wegen seiner Schulden in England in Paris auf. Der französische Marschall de Biron hörte, daß Rodney sich rühme, er würde mit der französischen Flotte schon fertig werden, wenn er nur nach England könne, und bezahlte in einer Anwandlung von Ritterlichkeit sowie nationalem Kitzel dessen Schulden. Nun nach England zurückgekehrt, erhielt Rodney das obenerwähnte Kommando, und damit begann der glorreiche Teil der Laufbahn dieses tüchtigen und mutigen Mannes, der damals schon 62 Jahre zählte und schwer unter der Gicht litt. Seine Schlachten, besonders in Westindien ausgefochten, sein Geschick als Stratege und Taktiker und — sein Glück, werden wir bald kennen lernen. Biographische Angaben: Mundy, The life and correspondence of the late Admiral R. (London 1830.)

[148] Hierüber vgl. das in Band I, Seite 356 Ausgeführte.

[149] Luc Urbain de Bouexic, Comte de Guichen, geboren 21. Juni 1712, Garde marine 1730, Lieutenant 1746, Capitaine 1756, Chef d'Escadre 1776, Lieut.-Général 1779, gestorben 13. Januar 1790, war viel zur See gefahren und hatte sich in den beiden letzten Kriegen sehr hervorgetan. 1778 führte er bei Ouessant eine Division der Mitte, 1779 die Vorhut der großen Flotte d'Orvilliers'. Er galt für sehr tüchtig in der Führung eines Geschwaders, aber auch für einen Typ der vorsichtigen taktischen Schule, außerdem war er jetzt 68 Jahre alt. Nach seinen drei Schlachten mit Rodney, der ihn als Gegner hoch einschätzte, stand er 1781/82 in der französisch-spanischen Flotte unter Cordoba. Am 12. Dezember 1781 wurde er im Atlantik bei Begleitung eines Konvois von Admiral Kempenfelt mit schwächeren Kräften geschlagen.

[150] Wir folgen hauptsächlich der Schilderung in Clowes III, Seite 453, geschrieben von Captain Mahan, als der neuesten und eingehendsten. Unsere anderen Quellen, auch Mahan in „Seemacht“ I, weichen von dieser darin ab, daß nach ihnen die Schlacht über Steuerbordbug geschlagen wurde. Dies hat jedoch auf ihren Verlauf und für die Beurteilung der von Rodney angestrebten Taktik keinen Einfluß.

[151] Rodney schrieb an seine Frau, daß Offiziere und Leute 14 Tage hindurch kaum zum Schlafen gekommen seien; nur das herrliche Passatwetter habe das Ertragen der Anstrengungen ermöglicht. Guichen, der außerdem am 17. April einen Sohn verloren hatte, bat um seine Ablösung, da sein Gesundheitszustand es nicht erlaube, weiterhin derartige Strapazen und andauernde Verantwortung zu übernehmen.

[152] Näheres über die französische Stellung und ihre Schwächen vgl. Mahan I, Seite 381/82. — Graves war 1801 zweiter im Kommando unter Nelson bei dem ähnlichen, aber noch schwierigeren Unternehmen gegen Kopenhagen.

[153] Vgl. die Fußnote Seite 291 über die Ungenauigkeit der Zahlenangaben.

[154] Lacour II spricht im Gegensatz zu sämtlichen anderen Quellen von 24 Linienschiffen, gibt dann aber die Gesamtstärke auch nur auf 49 an.

[155] Anschließend an Seite 298, (Ende Europäische Gewässer 1780), Kleindruck. Über die jetzt hier folgenden Verhältnisse und Ereignisse, sowie über Zusammenstöße einzelner holländischer Schiffe mit englischen sehr genaue Angaben in de Jonge, Band IV, Seite 474 ff.

[156] Besonders benützte Quellen: Clowes, Band III, Seite 505 ff.; de Jonge, Band IV, Seite 514 ff. In letzterer ist die Schlacht sehr genau mit Eingehen auf den Kampf der einzelnen Schiffe beschrieben.

[157] Sehr eingehend geschildert in de Jonge, Band IV, Seite 458 ff.

[158] François Joseph Paul Chevalier (später Comte) de Grasse-Tilly, geboren 13. September 1722, Garde-Marine 1739, Lieutenant 1754, Capitaine 1762, Chef d'Escadre 1778, Lieutenant-Général 22. März 1781, gestorben 11. Januar 1788. Er hatte sich in den beiden letzten Kriegen als tüchtiger Offizier bewährt, ohne jedoch besonders hervorzutreten. 1779 diente er unter d'Estaing, 1780 unter de Guichen in Westindien. Französische Quellen nennen ihn „tapfer, unterrichtet und erfahren, aber mehr theoretisch als praktisch beanlagt; wohl geeignet zum Geschwaderchef, aber nicht zum Führer großer Flotten“. Wir werden sehen, daß er bei der Abfahrt von Westindien nach Nordamerika Scharfblick, Schnelligkeit und Tatkraft zeigte. Bei Dominica 1782 geschlagen und gefangen genommen, schob er alle Schuld auf seine Untergebenen. Seine Taktlosigkeit hierbei sowie seine Anfechtung des kriegsgerichtlichen Spruches zog ihm die Mißachtung seiner Kameraden und die Ungnade des Königs zu.

[159] Sir Samuel Hood (1782 Baron, 1796 Viscount), geboren 1724, Kapitän 1756, Kontreadmiral 1780, Vizeadmiral 1787, Admiral der blauen Flagge 1794, der weißen 1799, gestorben 27. Januar 1816. Er nahm am Siebenjährigen Kriege als Leutnant und später als Kommandant einer Fregatte mit Auszeichnung teil. Er war ein sehr tüchtiger Admiral, wohl befähigt zur Führung großer Flotten. Er stand 1781 in Nordamerika unter Graves und 1782 unter Rodney in Westindien; beiden wies er verschiedene Fehler nach. 1782 zeichnete er sich als Oberbefehlshaber bei St. Christopher in strategischer und taktischer Hinsicht aus. Im nächsten Kriege (1793 bis 1802) befehligte er 1793/94 die Mittelmeerflotte und besetzte 1793 Toulon.

[160] Auf die Ereignisse am Lande soll nur soweit eingegangen werden, als es nötig erscheint, um die Tätigkeit der Seestreitkräfte sowie den Verlauf des ganzen Krieges beurteilen zu können; ihre Schilderung wird deshalb nicht vollständig, selbst nicht immer ganz genau sein.

[161] Nach Clowes III, Seite 489, und Mahan I, Seite 372, deren Angaben in den Hauptsachen mit den französischen Quellen übereinstimmen.

[162] Näheres hierüber vgl. Lacour II, Seite 362 und Chevalier II, Seite 237.

[163] Besonders benutzte Quellen: Clowes III, Seite 497; Bonfils III, Seite 209; Troude II, Seite 108. Clowes gibt auch Näheres über die von Hood an der Führung der englischen Flotte später geübte Kritik.

[164] Besonders benutzte Quellen: Campbell Band VII, Seite 60; Chevalier II, Seite 336; gerade in diesem Werke sehr eingehend behandelt.

[165] Etwa zwei Drittel von diesen waren Hannoveraner, die Stammtruppen der jetzigen Regimenter: Füsilierregiment Prinz Albrecht von Preußen (Hannoversches) Nr. 73, Infanterieregiment v. Voigts-Rhetz (3. Hannoversches) Nr. 79 und des Jägerbataillons Nr. 10, denen zur Erinnerung an die ruhmreiche Verteidigung von Gibraltar als Abzeichen ein hellblaues Band mit der Inschrift „Gibraltar“ am rechten Unterarm verliehen ist.

[166] Hauptquellen: Mahan I, Clowes III, Chevalier II, Lacour II, deren Angaben in den Hauptsachen übereinstimmen.

[167] Dieses Schiff befehligte Kapitän d'Albert de Rions, nach Suffrens Ansicht der tüchtigste Offizier der Marine; er hatte sich schon mit Suffren unter d'Estaing ausgezeichnet, und wir werden ihm noch öfter begegnen.

[168] Hauptquellen für beide Schlachten bei Dominica vgl. Fußnote Seite 355.

[169] Die Engländer nennen die Schlacht „Les Saintes“ oder „am 12. April“, die französischen sowie die deutschen Geschichtswerke „Dominica“.

[170] Die fünf Schiffe wurden von den Engländern genommen.

[171] Wie langsam das Passieren der Flotten verlief, beweist die Angabe, daß Rodneys Flaggschiff, das 18. der Linie, erst um 8½ Uhr, und Hoods Schiff gar erst gegen 9½ Uhr das Feuer eröffnete.

[172] Die später von den Engländern genommenen Schiffe sind im Plan III und IV mit einem kleinen Kreuz bezeichnet.

[173] Es sei besonders verwiesen auf Mahan I, Clowes Band III, Chevalier II. Von diesen behandelt der erste besonders den Durchbruch Rodneys, der zweite die Kritik Hoods über Rodneys fehlerhaftes Verhalten nach dem Durchbruch, der dritte die Führung der französischen Flotte und das deswegen abgehaltene Kriegsgericht über de Grasse und die von diesem angeschuldigten Offiziere.

[174] Die kleine französische Flottille, die zur Hudsonbucht gesandt war, plünderte unter Kapitän La Pérouse, dem später verschollenen Entdecker, einige englische Pelzhandelsniederlassungen.

[175] Im Anschluß an Seite 182 ff. Wie dort und aus den gleichen Gründen (Seite 182, Anmerkung) sind die Ereignisse am Lande nur gekürzt gegeben. Näheres vgl. Zimmermann, Band II, Seite 429 ff.

[176] Sir Edward Hughes, 1748 Kapitän, 1778 Kontre-, 1780 Vizeadmiral, 1793 Admiral der blauen Flagge, gestorben 1794, war ein tüchtiger Seemann von großer Tapferkeit und Hartnäckigkeit, der aber an weiterem militärischen Blick und taktischem Geschick seinem späteren Gegner in Indien, Suffren, nicht gewachsen war, wie sich noch zeigen wird.

[177] Die Ereignisse in Indien sind in unseren Hauptquellen: Lacour II, Chevalier II, Mahan I, mit großer Sorgfalt behandelt. Lacour bringt viele Auszüge aus Briefen und Berichten Suffrens, Chevalier beschreibt die Schlachten sehr genau und Mahan gibt eingehende Kritiken in taktischer wie strategischer Hinsicht. Wir haben versucht, bei möglichster Kürze allen gerecht zu werden.

[178] Suffren de Saint Tropez, Pierre Andrée, Chevalier (später Bailli) de, war am 17. Juli 1729 auf dem Schlosse St. Cannat bei Marseille geboren, trat 1743 in die Marine ein, ward Leutnant 1756, Kapitän 1772, Chef d'Escadre 1782, Lieutenant-Général 1783, Vizeadmiral (in einer für ihn geschaffenen vierten Stelle) 1784, er starb am 8. Dezember 1788; sein plötzlicher Tod kam nicht unerwartet, da er zum Schlagfluß neigte, doch tauchte später das Gerücht auf, er sei in einem Duell gefallen, das durch seine Tätigkeit in Indien veranlaßt sei. Er erhielt seine Feuertaufe bei Toulon 1744 und nahm an der Schlacht bei Finisterre teil, im nächsten Kriege an denen bei Minorka und Lagos. Als Malteserritter ging er in Friedenszeiten zeitweise zum Dienste nach Malta und machte hier Züge gegen die Barbaresken mit. In unserem Kriege fanden wir ihn 1778/79 als hervorragenden Offizier unter d'Estaing in Westindien und Nordamerika. Seinen höchsten Ruhm gewann er jetzt in Indien. Seine Taten dort beschreiben Roux sowie Troublet (vgl. Quellenverzeichnis).

[179] Suffren suchte aber doch in seinem Berichte wegen des Bruches der Neutralität sich zu rechtfertigen. Er schrieb, man könne den Ankerplatz keinen Hafen, nicht einmal eine Bucht nennen, es sei ein offener Meeresstrand. Er führte auch die Fälle auf, in denen die Engländer früher ähnlich gehandelt hätten. Diese Entschuldigung war nicht nötig, denn trotz der Verwicklungen, die mit Portugal entstanden, war die Regierung über den Erfolg so erfreut, daß Suffren zum Chef d'Escadre ernannt wurde, doch erhielt er die Nachricht erst nach fast einem Jahre.

[180] Dieselbe Ursache, die Gefahr des Abschneidens von Schiffen, zwang am gleichen Tage de Grasse zur Annahme der verhängnisvollen Schlacht bei Dominica.

[181] Chevalier (II, Seite 409) gibt die Verluste der einzelnen französischen wie englischen Schiffe an; Troude (Band II, Seite 179) schildert kurz die Beteiligung der verschiedenen französischen Schiffe am Kampfe. Beide Autoren behandeln die späteren Schlachten Suffrens in gleicher Weise.

[182] Suffren führte ferner an: der Ankerplatz der Engländer zwischen den Bänken sei für einen Angriff zu gefährlich gewesen, drei französische Schiffe hätten bereits beim Ankern am 12. April Korallenriffe berührt; es sei nur noch für ein Gefecht Munition vorhanden gewesen; es habe ihm an Mannschaften sowie an Reserverundhölzern gemangelt, wofür er Abhilfe in Batticaloa erwartete. Über seine Kommandanten berichtete Suffren, daß er nichts leisten könne, wenn nicht 5 oder 6 abgelöst würden.

[183] Frankreich schickte Ende 1781 und Anfang 1782 verschiedentlich Verstärkungen nach Indien, von denen aber mehrere in Feindeshand fielen. Vgl. z. B. Seite 323 und 345.

[184] Man erzählt, daß die Flagge des „Héros“ auf kurze Zeit verschwand, weil die Flaggleine abgeschossen war. Empört bei dem Gedanken, daß man glauben könne, er habe die Flagge gestrichen, rief Suffren: „Weiße Flaggen! (Die Nationalflagge mit den Lilien.) Weiße Flaggen! Man bedecke mein Schiff mit weißen Flaggen.“

[185] Bereits früher (Seite 264) wurde darauf hingewiesen, daß auch der englische Admiral Howe sich am 11. August 1778 vor einer (voraussichtlichen) Schlacht auf eine Fregatte begab, sowie auf Mahans Auslassungen über den Platz des Flottenführers.

[186] Die bemerkenswertesten dieser Einzelgefechte, in denen Führer und Besatzungen ganz besonders Mut sowie Geschicklichkeit zeigen konnten, sind mit besonderer Vorliebe in den Spezialwerken geschildert. Vgl.: Clowes, Band IV (Kapitel Minor actions); Troude, Band II; de Jonge, Band IV, Seite 663 ff. Engländer wie Franzosen behaupten, gerade in den Kämpfen Schiff gegen Schiff dem Gegner überlegen gewesen zu sein.

[187] De Jonge, Band IV, Seite 683.

[188] Eingehend geschildert in Spears. — Vergleiche auch die Angaben über die amerikanische Marine und ihren Kreuzerkrieg Seite 225 und 241.

[189] Bis in Einzelheiten gehende Schilderungen dieses bemerkenswerten Gefechtes bringen Spears (Band I, Seite 242) und Clowes (Band IV, Seite 35).

[190] Vgl. „Entstehung des Krieges“, Seite 215; „Kennzeichnung des Krieges“, Seite 218; „Anordnung der Schilderung nach den Kriegsschauplätzen“, Seite 243.

[191] Mahan (Band I, Kapitel XIV, Kritische Besprechung des Seekrieges von 1778) benutzt diesen Krieg zur Darlegung verschiedener wichtiger Grundsätze der Strategie, gegen die auf beiden Seiten verstoßen sei. Wir bringen in nachstehendem einiges aus den sehr lesenswerten Auslassungen, ohne sie jedoch auch nur annähernd zu erschöpfen.

[192] Nach diesem Gesichtspunkte handelten die Engländer in den späteren Kriegen (vgl. Mahan, Band I, Seite 512), aber auch schon in den beiden vorhergegangenen war ihm Rechnung getragen (vgl. in unseren Betrachtungen Seite 115 den Ausspruch Colombs, und Seite 125 „Das Vorgehen der englischen Flotte“).

[193] Diesen Kriegsschauplatz haben wir zu unseren Betrachtungen hier nicht herangezogen. Bei seiner großen Entfernung von den anderen sowie von den Heimatshäfen stand er selbständig da und das für ihn Bemerkenswerte haben wir Seite 402 bereits gebracht.

[194] Anschließend an die Entwicklung der Taktik im zweiten Kapitel (Seite 36–44), sowie an die Auslassungen darüber nach dem Österreichischen Erbfolgekriege (Seite 113) und nach dem Siebenjährigen Kriege (Seite 204).


[417]

deco

Sechstes Kapitel.
Nebenkriege 1740–1793.

Kämpfe mit den Barbaresken. Schwedisch-Russischer Krieg 1741–1743. Die schwedische und russische Marine im Siebenjährigen Kriege. Russisch-Türkische Kriege 1768–1774 und 1787–1791. Schwedisch-Russischer Krieg 1788–1790.

Kämpfe mit den Barbaresken[195].

Auch noch während der Zeit des vierten Abschnittes belästigten die Fahrzeuge der Raubstaaten Marokko, Algerien, Tunis, Tripolis die Schiffahrt im Mittelmeer, und die Marinen der größeren Seestaaten traten, besonders in Friedenszeiten, zum Schutze ihres Handels in Tätigkeit; die Malteserritter sahen in der Unterdrückung des Seeraubes die Fortsetzung ihrer ursprünglichen Aufgabe des Kampfes gegen die Ungläubigen. Aber wie früher hatte das Auftreten der europäischen Staaten keine dauernden Erfolge, die Barbaresken brachen immer wieder die ihnen durch Demonstrationen oder Strafexpeditionen aufgezwungenen Verträge. Es wird genügen, die Tätigkeit der beteiligten Marinen kurz anzuführen.

England hielt stets Schiffe in solcher Zahl an der afrikanischen Küste und im Mittelmeer überhaupt, daß — wie seine Quellen sagen — der Handel nicht so litt wie im 17. Jahrhundert, und daß es nicht nötig war, größere Expeditionen zu entsenden; es wird nur eine solche unter Kommodore Keppel 1751 nach Algier erwähnt, die schwebenden Verhandlungen Nachdruck geben sollte[196]. Die Barbaresken scheuten mit Recht die Seemacht Englands.

[418]

Holland scheint weit mehr Mühe gehabt zu haben, seine Schiffahrt zu schützen, obgleich es sich soweit demütigte, den Herrschern der Barbareskenreiche in der Form von Geschenken einen nahezu regelmäßigen Tribut zu zahlen; zwischen ihm und den einzelnen Raubstaaten, besonders Marokko und Algerien, kam es mehrfach zur förmlichen Kriegserklärung. Man war genötigt, ständig kleine Geschwader von Linienschiffen und Fregatten im Mittelmeer zu halten, seine Konvois stets zu decken und verschiedentlich Expeditionen zu entsenden, um seinen Forderungen Nachdruck zu geben. Zu größeren Waffentaten kam es jedoch nicht.

Frankreich dagegen, das im übrigen auch stets einzelne Schiffe und kleinere Verbände im östlichen wie im westlichen Mittelmeer kreuzen ließ, entsandte mehrfach Strafexpeditionen, die schärfer vorgingen. Im Juni 1765 beschoß der Chef d'Escadre Graf Du Chaffault mit einem Linienschiffe, 4 Fregatten, 2 Mörserbooten und 2 kleineren Fahrzeugen die Städte Sale und Larache an der Westküste Marokkos; der Versuch, mit den Schiffsbooten in einen Fluß nahe der letztgenannten Stadt einzudringen, um dort liegende Raubschiffe zu zerstören, ward aber unter Verlust von 300 Mann zurückgeschlagen. Als Frankreich 1769 mit der Besetzung Corsicas einen guten Stützpunkt im Mittelmeer gewann, sah der Bei von Tunis darin eine Gefahr für seine Interessen, d. h. den Seeraub; er versuchte England aufzureizen und erregte so Frankreichs Zorn. 1770 beschoß der Kapitän Graf de Broves mit 2 Linienschiffen, 2 Fregatten und 2 Mörserbooten im Juni die Städte Biserta und Susa, worauf der Bei um Frieden bat.

Spanien unternahm 1775 sogar eine Expedition mit einer starken Flotte und einem Landungskorps von 25000 Mann gegen die Stadt Algier. Man landete auch, aber das schlecht geleitete Unternehmen schlug unter großen Verlusten fehl.

Der Schwedisch-Russische Krieg 1741–1743[197].

Bei Ausbruch des Österreichischen Erbfolgekrieges fürchtete Frankreich, daß Rußland für Österreich Partei nehmen würde, und suchte ihm Schweden auf den Hals zu hetzen, um es anderweitig zu beschäftigen. Seine Ränke fanden guten Boden, weil die im schwedischen Reichstage herrschende, kriegerische Adelspartei der „Hüte“ in den seit dem Tode der Kaiserin Anna zerfahrenen inneren Verhältnissen Rußlands, sowie in dem nach Peter des Großen Tode eingetretenen Verfall der russischen Marine eine günstige Gelegenheit zu finden glaubte, die im Frieden von Nystad (1721) aufgegebenen Provinzen Livland, Esthland, Ingermanland, Karelien und damit die Vorherrschaft in der Ostsee wiederzugewinnen. Obgleich Schweden selber[419] im Innern durch jahrzehntelange Zwiste der französisch gesinnten Partei der „Hüte“ und der russisch gesinnten der „Mützen“ sehr geschwächt war, gelang es doch der ersteren, den Reichstag am 4. August 1741 zu einer übereilten Kriegserklärung zu bestimmen.

Bei dem mangelhaften Zustand der Flotten auf beiden Seiten hatten die Unternehmungen zur See wenig Bedeutung; es genügt deshalb, den Krieg ganz kurz zu fassen.

Die Streitmittel[198]. Die russische Marine zählte zwar 1736 36 Linienschiffe, 12 Fregatten und etwa 250 Galeren für den Schärenkrieg, aber die Fahrzeuge waren in schlechter Verfassung und es mangelte an Seeleuten, da es eine Handelsflotte kaum gab; 1740 war von den für die Linienschiffe nötigen 9000 Mann kaum die Hälfte vorhanden.

Die schwedische Marine besaß 1734 22 Linienschiffe, 8 Fregatten und einige 30 Fahrzeuge für den Küstenkrieg.

In Voraussicht des kommenden Krieges war der schwedische Vizeadmiral von Rajalin schon im Mai 1741 mit 10 Linienschiffen und 4 Fregatten von Karlskrona nach den Aspöinseln südlich von Frederikshamn an der finnländischen Küste gesegelt, wo er Verstärkungen erwarten sollte. Infolge schlechter Verpflegung brach aber bald auf der Flotte eine Epidemie aus, der bis Anfang August über 700 Mann erlagen. Da außerdem der Krankenbestand mehr als 2000 Mann betrug, waren die Schiffe völlig gefechtsunfähig; zum Glück zeigte sich die russische Flotte nicht. Rajalin unternahm nichts und kehrte im Oktober nach Karlskrona zurück; die inzwischen eingetroffene Schärenflottille folgte ihm, ohne irgendwie verwendet worden zu sein. Nur schwedische Kreuzer waren im Skagerrak und in der Ostsee durch Aufbringen von Schiffen mit Zufuhren für Rußland von Nutzen gewesen.

Im Landkriege hatte Rußland 1741 einen Erfolg zu verzeichnen. General Keith — der spätere preußische Feldmarschall — drang Ende August in Finnland ein, schlug die Schweden bei Wilmanstrand und erstürmte diese wichtige Grenzfestung. Beide Heere bezogen dann Winterquartiere. Im Februar 1742 plante der Feldmarschall Lacy von Narwa aus über das Eis in Finnland bei Frederikshamn einzufallen. Eintretendes Tauwetter verhinderte die Ausführung und das Eindringen von Karelien aus ward durch Unruhen im Heere längere Zeit hingehalten; erst Ende Juni begann der Feldmarschall längs der Küste vorzurücken, wobei er mit den Seestreitkräften in Verbindung zu bleiben strebte.

1742 hatten die schwedischen Seestreitkräfte ebensowenig Erfolg. Zwar sammelte sich im Sommer wiederum eine Flotte von 12 Linienschiffen nebst 6 Fregatten unter Vizeadmiral Sjöstjerna, sowie eine Schärenflottille bei den Aspöinseln, abermals jedoch schwächte Krankheit die Besatzungen. Als dann der am Lande befehligende General Löwenhaupt die Forderung stellte, den russischen Seestreitkräften — 12 Linienschiffe und 40 Galeren — entgegenzutreten, die das von Wiborg her vordringende feindliche Heer begleiteten, wagte der Admiral dies nicht. Er segelte mit dem Hochseegeschwader[420] nach Hangö-Udde und berief auch die Flottille zu sich, als die russische Hochseeflotte dort erschien. Löwenhaupt leistete nirgend ernstlichen Widerstand, sondern wich von Ort zu Ort zurück; so konnten die Russen ohne Kampf das befestigte Frederikshamn besetzen und im September mit 17000 Mann das schwedische Hauptheer von 12000 Mann, das westlich von Helsingfors zu Lande und zu Wasser eingeschlossen war, zur Übergabe zwingen. Sie drangen dann noch unter Keith bis Abo vor.

Durch einen nach der Kapitulation geschlossenen Waffenstillstand wurden die schwedischen Seestreitkräfte frei und kehrten nach Schweden zurück. Man sandte nun ein Geschwader nach der Nordsee, um 6 russischen Linienschiffen entgegenzutreten, die in Archangel ausgerüstet waren; diese sahen sich genötigt, umzukehren. Die Russen benutzten aber die Abwesenheit der schwedischen Flotte, sich im Herbst noch der Aalandsinseln zu bemächtigen.

Im Frühjahr 1743 setzten sich die Schweden durch rasches Vorgehen wieder in Besitz dieser Inseln und sammelten hier 30 Galeren; ein Versuch, nach Osten vorzudringen, ward aber durch Keith mit 30 Galeren von Abo aus verhindert. Im Juni kam dann Lacy mit 50 Galeren bis Hangö-Udde heran, konnte sich jedoch nicht mit Keith vereinigen, weil inzwischen die schwedische Flotte von 16 Linienschiffen unter Admiral von Utfall hier erschienen war. Bald aber zeigte sich auch der russische Admiral Golowin mit 17 Linienschiffen bei Hangö, Utfall ließ sich von ihm zur Verfolgung bis Reval verlocken und die Vereinigung der beiden russischen Schärenflottillen fand statt. Lacy hatte nun über 70 Galeren mit 20000 Mann gegenüber den 30 schwedischen, während sich die beiderseitigen Hochseeflotten in Schach hielten.

Schweden mußte jetzt wie zu Ende des Nordischen Krieges eine Verwüstung der eigenen Küsten befürchten und war deshalb zu Verhandlungen bereit. Am 18. August 1743 ward der Frieden zu Abo geschlossen, in dem Schweden die Grenzfestungen Wilmanstrand, Nyslot und Frederikshamn, sowie Finnland bis zum Kymeneflusse abtrat.

Der Krieg hatte Schweden 11 Millionen Taler und große Menschenopfer gekostet; auf der Hochseeflotte waren 6000 und auf der Schärenflottille 1500 Mann allein Krankheiten erlegen. Die Gründe seiner Mißerfolge liegen in der Uneinigkeit der Führer am Lande infolge der Parteizwiste in Schweden, die bei einigen Führern hart an Verrat streiften, sowie in dem Mangel eines einheitlichen Zusammenwirkens der Land- und Seestreitkräfte; auf russischer Seite ist dagegen ein planmäßiges Hand in Hand Gehen der beiden Waffen zu erkennen.

Ein Zusammenstoß Schwedens mit Dänemark ward durch russische Hilfe verhindert. In Schweden war nach langen Wahlkämpfen Herzog Adolf Friedrich von Holstein-Lübeck zum Thronfolger erwählt. Da auch der Kronprinz von Dänemark zur Wahl gestanden hatte, begann Dänemark im Sommer 1743 zu einem Einfall in Schweden zu rüsten. Dieses bat nach dem Friedensschluß Rußland um[421] Unterstützung und eine russische Galerenflottille mit 10000 Mann nahm Winterquartiere zwischen Nyköping und Westerwik. Darauf stand Dänemark von seinem Vorhaben ab.

Die schwedische und die russische Marine im Siebenjährigen Kriege 1756–1763.

Die Beteiligung der beiden Marinen an diesem Kriege war sehr gering.

Die Hochseeflotten wurden nur zu Demonstrationen und zur Beschießung Kolbergs benutzt. Als 1758 eine englische Flotte in der Ostsee zu erwarten war, vereinigten sich im Juni ein schwedisches, sowie ein russisches Geschwader mit einem dänischen in der Kjögebucht und blieben dort bis zum Herbst liegen. 1759 trat eine schwedisch-russische Flotte zusammen, die Swinemünde blockierte und die Einnahme der Insel Usedom unterstützte, als man sichere Nachricht erhalten hatte, daß die Engländer nicht kommen würden. 1760 ging eine verbündete Flotte der drei Ostseemächte schon nach einer vierzehntägigen Kreuzfahrt wieder auseinander. Das russische Geschwader von 27 Schiffen, unter Admiral Mischakow, durch 8 schwedische verstärkt, erhielt dann Befehl, Kolberg zu bombardieren und dort 8000 Mann zu landen; das Unternehmen hatte aber keinen Erfolg. Auch 1761 erschien Ende August eine russisch-schwedische Flotte von 40 Schiffen vor der belagerten Stadt und beteiligte sich an der Beschießung, doch erst am 16. Dezember ergab sich Kolberg aus Hungersnot.

Es war ein Glück für Friedrich den Großen, daß Schweden und Rußland mit ihren Flotten nicht Landungen in größerem Maße an den pommerschen oder mecklenburgischen Küsten unternahmen. Dagegen hätte das versprochene Auftreten englischer Seestreitkräfte in der Ostsee durch Erschwerung der Zufuhren für Schweden und Rußland dem König große Erleichterung gebracht.

Ein Teil der schwedischen Schärenflotte erhielt vorteilhaftere Verwendung. 1757 ging eine Flottille von 4 Galeren und 2 Geschützprähmen mit einer Besatzung von 1000 Mann nach Pommern hinüber und wurde 1758 noch durch einige Fahrzeuge verstärkt. Mehrfach unterstützte sie Unternehmungen der Landtruppen, beschoß die Befestigungen bei Peenemünde, griff die Fähre bei Anklam an und räumte im Fahrwasser von Swinemünde versenkte Fahrzeuge fort. Sie lief dann in die Haffs ein, um eine in Stettin gebildete preußische Flottille von 4 Galeren, 4 Galioten und einigen Barkassen mit insgesamt 700 Mann zu vernichten.

Diese stellte sich am 11. September in der Enge zwischen dem Großen und dem Kleinen Haff beim Reppiner Haken der schwedischen, die z. Z. 4 Galeren, 4 Halbgaleren und 3 Schaluppen zählte. Die Preußen lagen zu Anker, ihre Galeren in der Mitte, je 2 Galioten auf den Flügeln, die Barkassen dahinter. Die Schweden griffen an und gingen sogleich zum Entern über, weil sie die Überlegenheit der feindlichen Artillerie erkannt hatten. Die preußische Flottille mußte die Ankertaue kappen, um nach Osten zu entkommen,[422] auf der Verfolgung wurden 8 Fahrzeuge mit 106 Kanonen, 26 Offizieren und 640 Mann genommen; die Überlegenheit der Schweden an Mannschaften und ihre größere seemännische Geschicklichkeit hatten den Ausschlag gegeben.

Trotz dieser Niederlage stellte Preußen eine neue Flottille von 2 flachgehenden Fregatten mit je 12 18-Pfündern und kleineren Schiffen auf, die auch im weiteren Verlauf des Krieges einige schwedische Fahrzeuge nahmen.

Über die Stellung Friedrich des Großen zur Schaffung einer Flotte, über die Gründe hierfür, die Vorschläge, die dem Könige gemacht wurden, und dessen Entscheide darauf gibt Kirchhoff (Band I, Seite 311–317) lesenswerte Angaben. Es sei daraus hier nur erwähnt, daß Friedrich nach seinem berühmten Testament von 1752 die Schaffung einer Flotte neben dem Halten eines starken Heeres für nicht angebracht erachtete, weil das Land zu arm und sein Hauptgegner zunächst Österreich sei. Man muß bedenken, daß der König beim Regierungsantritt nichts von Seestreitkräften vorfand und daß eine neugegründete Flotte bis zum Beginn der von ihm sicher vorausgesehenen Kriege kaum leistungsfähig werden konnte. Nachher lagen ihm andere Aufgaben zur Erhaltung und Stärkung seines Staates näher.

Die russisch-türkischen Kriege 1768–1774 und 1787–1791.

Der Krieg 1768–1774. Die Versuche der Kaiserin Katharina II., das polnische Reich ganz ihrem Willen zu unterwerfen, erregte die Besorgnis der Türkei, die von Frankreich und Österreich noch gesteigert wurde, um dadurch Rußland von Polen abzuziehen. 1768 erklärte die Pforte den Krieg.

Rußland hatte im Österreichisch-Russisch-Türkischen Kriege 1736–1739 Asow gewonnen und war so ans Schwarze Meer gelangt; Katharina (1762–1796) begann am Don eine Flotte zu bauen, wie es schon Peter der Große geplant hatte[199]. Diese war allerdings zum ersten Kriege noch nicht bereit, aber die russische Ostseeflotte sollte in diesem für das Mittelmeer eine Rolle spielen.

Der Hauptkrieg am Lande in Europa ist für diese Darstellung ohne Bedeutung; er verlief zum Nachteil der Türken. Diese drangen zwar 1769 gegen die russische Grenze vor, wurden aber am Dnjestr geschlagen, und die Russen eroberten 1770 die Moldau sowie die Walachei und 1771 die Krim. Im Juni dieses Jahres trat ein Waffenstillstand ein, die Friedensverhandlungen führten aber nicht zum Ziel. 1773 wurde der Krieg an der Donau fortgesetzt, bis die Türkei nach einer schweren Niederlage im Juni 1774 zum Frieden bereit war.

Im Mittelmeere geriet nämlich die Türkei durch Aufstände in Griechenland, Ägypten und Syrien, die von Rußland unterstützt wurden, in Bedrängnis.

Katharina sandte im Oktober 1769 eine Flotte von 12 Linienschiffen, 12 Fregatten nebst Transportern mit einigen Bataillonen Infanterie zum Mittelmeer. Den Oberbefehl führte dem Namen nach Alexej Orlow, ein Günstling der Kaiserin, der gar keine maritime Kenntnis besaß, in Wahrheit[423] Admiral Spiridoff, unterstützt durch seinen Flaggkapitän, Kontreadmiral Greigh, und seinen Vizeadmiral Elphinstone; beide waren Engländer, wie auch sonst viele Seeoffiziere dieser Nation in der russischen Flotte dienten.

Die türkische Flotte zählte einige 20 Linienschiffe, die an sich wohl besser waren als die russischen, aber Offizieren wie Besatzungen fehlte jede Ausbildung; nur eine geringe Zahl von Angehörigen der Barbareskenstaaten waren seemännisch-militärisch brauchbar.

Orlow traf im April 1770 in Griechenland ein und landete die Soldaten auf dem Peloponnes. Hier hatten sich die Mainoten des Taygetus erhoben, durch russische Agenten aufgewiegelt; sie drangen nun mit den Russen im Peloponnes vor, wobei viele Grausamkeiten an türkischen Einwohnern in Mistra und Kalamaka verübt wurden. Man erreichte nicht viel; Methone und Koroni auf der Südwestspitze der Halbinsel wurden vergeblich belagert. Die Türken, durch Albanesen vom Festlande her verstärkt, unterdrückten nach und nach den Aufstand, besonders nachdem Ende Mai die schwachen russischen Truppen wieder eingeschifft waren.

Eine herangekommene türkische Flotte ward dagegen durch die russische gezwungen, sich unter die Kanonen von Nauplia zu legen und hier am 15. und 16. Mai beschossen; sie zog sich dann in den Archipel zurück, wo auf einigen Inseln Aufstände ausgebrochen waren. Orlow folgte ihr nach Einschiffung der Truppen, fand sie nach längerem Suchen — 16 Linienschiffe, 6 (9?) Fregatten und 11 kleinere Fahrzeuge stark — in der Straße von Chios und vernichtete sie völlig in der Bucht von Tscheschme am nahen Festlande.

Die Vernichtung der türkischen Flotte vor Tscheschme, 5. Juli 1770. Gejagt von den Russen, hatte die türkische Flotte am 5. Juli am Eingange der unverteidigten Bucht geankert; der befehligende Kapudan-Pascha begab sich sofort an Land, „um den Bau von Schanzen zu veranlassen“ und überließ das Admiralschiff dem Algerier Hassan. Spiridoff enterte dieses mit seinem Flaggschiffe; während des Kampfes fingen beide Feuer, das türkische flog auf, das russische verbrannte. Hassan, der sich heldenmütig verteidigt hatte, kam mit dem Leben davon und tat später lange Jahre hindurch als Kapudan-Pascha viel zur Hebung der türkischen Marine. Die übrigen türkischen Schiffe kappten ihre Ankertaue und trieben in völliger Verwirrung eng zusammengedrängt zum Ende der Bucht. Die Russen richteten schnell drei Fahrzeuge als Brander zu; mit diesen, durch englische Offiziere geführt und beim Angriff durch das Feuer der Flotte gedeckt, wurden noch in der folgenden Nacht fast alle türkischen Schiffe verbrannt oder aufgesprengt; gegen 8000 Mann fanden ihren Tod. Ein Linienschiff und 5 kleinere Fahrzeuge wurden genommen.

Orlow nutzte den Sieg nicht weiter aus, obgleich Elphinstone riet, bis Konstantinopel vorzudringen und auch am 26. Juli mit 3 Linienschiffen und 4 Fregatten bei der Verfolgung zweier türkischer Linienschiffe die Befestigungen am Eingange der Dardanellen passierte. (Kum Kaleh und Seddil Bahr.) Er scheint dann aber nur bis Kepes Burun gelangt zu sein, weil die durch einen französischen Offizier kürzlich verstärkten Werke an[424] der Enge (Kilid Bahr und Kaleh Sultanie) zu mächtig waren; es steht dahin, ob nicht der gesamten Flotte ein weiteres Vordringen doch gelungen wäre.

Die russische Flotte trat hierauf noch im Mittelmeer auf. In Akka hatte sich ein Beduinenscheich, Daher, und in Ägypten der Pascha Ali Bey gegen den Sultan erhoben; beide vereint führten Krieg gegen die Paschas von Damaskus und Saïda. Orlow unterstützte sie beim Angriff auf Küstenstädte, z. B. Jaffa, Beirut und Damiette, konnte aber ihr schließliches Unterliegen nicht hindern. Im allgemeinen beschränkte sich die Tätigkeit der Flotte sonst auf den Kreuzerkrieg. Im Januar 1775 kehrte sie nach der Ostsee zurück. Hin- und Rückreise brachten bei der Unerfahrenheit der Besatzungen viele Fährnisse, hatten aber doch wie der Aufenthalt im Mittelmeer überhaupt die Ausbildung der russischen Ostseeflotte sehr gefördert.

Der Frieden von Kücük-Kainardschi, 21. Juli 1774, war für Rußlands Stellung am Schwarzen Meere und die Entwicklung seiner Seemacht dort von großer Bedeutung. Es erhielt Asow, Kertsch mit der Festung Jenikale und Kinburn an der Einfahrt zu dem Mündungsgebiet des Dnjepr und Bug Otschakow gegenüber, das noch türkisch blieb; ferner wurde ihm das Recht der freien Schiffahrt in den türkischen Gewässern, selbst in den Dardanellen, zugestanden. Die Moldau und die Walachei gab es zurück und die Krim wurde für unabhängig erklärt.


Der Krieg 1787–1791. 1783 trat der Khan der Krim sein Gebiet gegen ein Jahrgeld an Katharina ab. Die Türkei war darüber erbittert, und da Rußland sich auch in Georgien festzusetzen suchte, erklärte sie im August 1787 wiederum den Krieg. Obgleich die russische Ostseeflotte seit 1774 sehr erstarkt und auch im Schwarzen Meere eine neue Seemacht geschaffen war, spielten doch deren Streitkräfte in diesem Kriege keine große Rolle. Die Anführung ihrer wenigen Waffentaten wird genügen.

Der Verlauf des Landkrieges. Österreich war durch Verträge zu Rußlands Beistand verpflichtet; der Kaiser versuchte zunächst vergeblich zu vermitteln und trat dann Februar 1788 in den Krieg ein. Die österreichischen Truppen fochten an den türkischen Grenzen von Kroatien bis Galizien, das Hauptheer an der Donau, rechts und links davon selbständig das kroatische, slawonische, banater, siebenbürger und galizische Korps, die Russen schlossen sich vom linken Flügel bis zum Schwarzen Meere an. Wenn auch mit wechselndem Waffenglück gekämpft wurde, so blieb doch der Enderfolg den Verbündeten. Die wichtigen Festungen Jassy (September), Otschakow (Dezember 1788), Belgrad (September), Bender (November 1789) und Orsova (April 1790) nebst anderen wurden genommen; Bessarabien, die Walachei sowie ein Teil von Serbien fielen in ihre Hände. Auf Vermittlung Preußens und Englands schloß Österreich am 23. September 1790 Waffenstillstand und am 4. April den Frieden zu Sistowa, in dem es seine Eroberungen zurückgab. Rußland setzte den Krieg fort, eroberte Ismail an der unteren Donau (Dezember 1790) und drang im April 1791 über diesen Fluß vor. Nach einer empfindlichen Niederlage bei Tultscha (9. Juni) schloß die Türkei am 9. Januar 1792 den Frieden zu Jassy.

Die russische Ostseeflotte sollte auch in diesem Kriege kräftig im Mittelmeere eingreifen, wurde aber durch den Ausbruch des Kampfes[425] mit Schweden im Norden zurückgehalten. Die Schwarze Meer-Flotte war aber schon kampfkräftig. Am Dnjepr war 1778 die Stadt Cherson als Kriegshafen gegründet[200] und 1788 standen hier 19 Schiffe von 36 bis 66 Kanonen in Dienst, während noch 11 an der Werft lagen; hierzu trat eine starke Flottille von kleinen Segelfahrzeugen und Ruderkanonenbooten für den Küstenkrieg. Rußland war jetzt der Türkei an Seestreitkräften gewachsen.

Als die Belagerung von Otschakow im Mai 1788 aufgenommen wurde, erhielten die Hochseeflotte unter Kontreadmiral Paul Jones — dem bekannten amerikanischen Freibeuterführer (vgl. Seite 406) — und die Küstenflottille unter dem Prinzen von Nassau-Siegen Befehl, die Stadt von der See abzuschließen. Sie lieferten der türkischen Flotte unter dem Kapudan-Pascha Gazi-Hassan verschiedene Gefechte und vernichteten am 28. und 29. Juni einen großen Teil von ihr. Vom 12. Juli an war die Festung von der See abgeschnitten und blieb es, obgleich die türkische Flotte später noch einmal erschien, bis zum erfolgreichen Sturm im Dezember, den die Ruderflotte durch ihr Feuer von See her mit vorbereitet hatte.

1791 sandten die Türken eine Flotte von 18 Linienschiffen und 12 Fregatten ins Schwarze Meer, um die russische Seemacht dort anzugreifen. Es kam zuerst am 19. Juli unweit Jenikale zu einer unentschiedenen Schlacht, später vertrieb dann Admiral Uschakow durch siegreiche Gefechte am 8. und 9. September die Türken.

Bei der Belagerung von Ismail zu Ende des Krieges schloß die Küstenflottille die Stadt von der See ab.

Im Frieden von Jassy, 9. Januar 1792, gab Rußland zwar seine sonstigen Eroberungen zurück, behielt aber die Krim und die Küste bis zum Dnjestr mit der Festung Otschakow; Rußlands Stellung am Schwarzen Meere war damit fest begründet.

Der Schwedisch-Russische Krieg 1788–1790[201].

Gustav III. von Schweden (1771–1792) hatte seit langem geplant, unter günstigen Umständen Dänemark und Rußland anzugreifen, um durch kriegerischen Ruhm wie Gustav Adolf Macht und Ansehen zu erringen, insbesondere die auf dem Festlande verlorenen Provinzen wieder zu erobern. Die Verwicklungen Rußlands mit der Türkei erschienen ihm geeignet, zunächst gegen diesen Staat vorzugehen. Er knüpfte mit England und der Türkei Verhandlungen wegen Lieferungen von Subsidien an, aber ehe diese noch zu einem Abschluß gekommen waren, beschloß er, loszuschlagen,[426] durch Umtriebe der Kaiserin Katharina II. hierzu gereizt. Diese betrachtete die seit längerer Zeit mit französischem Gelde betriebene Rüstung der schwedischen Marine mit Recht als gegen sich gerichtet und schürte deshalb den Streit der Parteien in Schweden; da sie ferner die Eroberung Finnlands stets im Auge hatte, wirkte sie auch hier zuungunsten Schwedens auf den Adel des Landes ein, der sich mit dem Gedanken eines Abfalls von Schweden trug. Bei einer Reise Gustavs in Finnland 1787 zeigte sich klar, daß die aufrührerische Bewegung unter dem Adel und den Offizieren des schwedisch-finnländischen Heeres große Fortschritte gemacht hatte; ein Umstand, der den König gleichfalls bewog, den Krieg sobald als möglich zu beginnen.

Da der Norden Rußlands infolge des Türkenkrieges fast ganz von Truppen entblößt war, hoffte Gustav mit einem plötzlichen Schlage Großes zu erreichen; sein Plan war, Petersburg zu überrumpeln. Bei Oranienbaum in Ingermanland wollte er 20000 Mann landen und gleichzeitig von Finnland aus vordringen. Der Krieg ward aber ohne genügende Vorbereitung und ohne Rückhalt begonnen. Die Streitmittel waren nicht rechtzeitig fertig und die fremde Unterstützung entsprach nicht der Erwartung. Die Türkei hatte die ersten Ausgaben erstatten und später jährlich eine Million Piaster zuschießen wollen, machte dies aber davon abhängig, daß Schweden die Abfahrt russischer Schiffe nach dem Mittelmeer hindere; erst 1789 ward ein Subsidienvertrag in sehr abgeschwächter Form geschlossen. England zahlte überhaupt nichts.

Die Seestreitkräfte Rußlands. Die Hochseeflotte in den nördlichen Gewässern hatte unter Katharina einen großen Aufschwung genommen; sie zählte 1788 nahezu 50 Linienschiffe nebst einem Dutzend Fregatten. Die in Kronstadt, Reval und Archangel stationierten Schiffe befanden sich in gutem Ausrüstungszustande. Als Offiziere und Unteroffiziere dienten viele Ausländer, besonders Briten; der englische Admiral Knowles hatte die Ausbildung der Seeoffiziere mit gutem Erfolge geleitet. Die Besatzungen ließen jedoch noch immer zu wünschen übrig, da bei den Nationalrussen nur wenig Neigung und Anlage zum Seedienste vorhanden war; die Flotte, die 1788 auftrat, war zum großen Teile mit eben ausgehobenen Leuten ohne jede Seeerfahrung bemannt.

Schon im Herbst 1787 war mit den Vorbereitungen zu einer Expedition ins Mittelmeer begonnen, die wie im Türkenkriege 1768 Truppen und Kriegsmaterial für einen Aufstand in Griechenland mit sich führen sollte; infolgedessen war die Indienststellung der Flotte bei Ausbruch des Krieges mit Schweden erleichtert.

Rußland verfügte ferner über bedeutende Reste der früher großen Galeren- und Schärenflottille, doch waren die Fahrzeuge so verwahrlost, daß sie im ersten Kriegsjahre kaum verwendet werden konnten.

Die Seestreitkräfte Schwedens. Die Hochseeflotte war nach dem letzten Kriege wegen Geldmangels so heruntergekommen, daß man 1765 nur noch 10 brauchbare Linienschiffe besaß, und erst von 1767 an, besonders aber seit der Thronbesteigung Gustavs III. ward ihr wieder die nötige Fürsorge zuteil. 1788 zählte sie 26 Linienschiffe von 64–74 Kanonen und 13 Fregatten, die sich in gutem Zustande befanden; sie war in Karlskrona stationiert, ein kleineres Geschwader ständig nach Gothenburg abgezweigt. Zu einer beabsichtigten jährlichen Indienststellung von Übungsgeschwadern hatten meist die Mittel nicht gereicht, aber für die wissenschaftliche Ausbildung der[427] Offiziere hatte man viel getan und einige von ihnen in fremde Marinen abkommandiert, um Erfahrungen zu sammeln.

Der Küstenflottille hatte man schon seit 1756 besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Man hatte sie unter der Bezeichnung „Armeeflotte“ ganz von der Hochseeflotte abgezweigt und im Laufe der Jahre neben den alten Galeren — nach Mittelmeermuster mit Masten zum Niederlegen und mit 1 oder 2 Geschützen — durch verschiedene neue Typen ergänzt[202]. Besonders traten verschiedene Klassen größerer Segelfahrzeuge hinzu, die eine feste Takelage (die größeren Vollschiffstakelung) besaßen, 4–24 schwere Geschütze führten und deren Batterien sowie Ruderreihen eingedeckt waren. An Ruderfahrzeugen mit Hilfstakelage zum Niederlegen waren Kanonenschaluppen mit 2 und Kanonenbarkassen mit einem schweren Geschütz eingeführt.

1788 zählte die Armeeflotte in ihrem schwedischen Geschwader zu Stockholm: 28 Galeren nebst je einem großen Beiboot und 30 Schaluppen; in dem finnländischen Geschwader zu Sweaborg: 15 Fahrzeuge des neuen Segeltyps, 8 Mörserbarkassen; 40 Schaluppen und 15 Kanonenbarkassen. Zu jedem Geschwader gehörten 2 Fregatten sowie ein großer Troß von anderen Fahrzeugen, die bei dem mangelnden Raum an Bord der stark bemannten Ruderschiffe zum Unterbringen von Munition, Proviant, Wasser und Kranken stets folgen mußten.

Der Aufmarsch der Schweden 1788. Im März ließ Katharina in Stockholm bekanntgeben, daß sie eine Flotte ins Mittelmeer zu senden beabsichtige, und Gustav befahl daraufhin die Indienststellung der Flotte; 12 Linienschiffe nebst 5 Fregatten sollten Ende Mai seeklar sein. Als der russische Gesandte am 18. Mai nach dem Zwecke dieser Maßnahme fragte, erhielt er am 23. die gereizte Antwort, er habe innerhalb 8 Tagen Stockholm zu verlassen, und schon am 22. bekam die finnländische Hauptmacht Marschbefehl an die russische Grenze; 15000 Mann sammelten sich am Kymeneflusse.

Die Hochseeflotte lief in voller Stärke mit 3500 Soldaten am 9. Juni unter Herzog Karl von Södermanland, dem Bruder des Königs, von Karlskrona aus, unter ihm befehligte als Flottenchef Admiral Graf Wrangel. Gegen Ostwind aufkreuzend, gelangte sie erst am 21. bis zur Insel Dagö am Eingang zum Finnischen Meere und stieß hier auf ein russisches Geschwader von 3 Dreideckern und 4 Fregatten unter Admiral van Dessen. Diese Schiffe waren bestimmt, der noch in Kronstadt ausrüstenden Mittelmeerflotte Vorräte vorauszuführen; man hatte sie so zeitig abgesandt, weil die Dreidecker während des Passierens der Drogden bei Kopenhagen die Materialien auf Fregatten abgeben mußten. Herzog Karl hatte noch keinen Befehl zur Eröffnung der Feindseligkeiten und ließ Dessen ungehindert vorbei — eine grobe Nachlässigkeit der Oberleitung, da ein überraschender Bruch mit Rußland beabsichtigt war. Am 28. Juni traf die Flotte bei Hangö ein.

Die Schärenflottille von Stockholm war schon Ende Mai in See gegangen. Sie führte auf Transportern 9000 Soldaten mit sich, und der König Gustav begleitete sie. Gleichfalls durch Gegenwinde aufgehalten, erreichte sie erst am 2. Juli Helsingfors, wo die Truppen gelandet[428] wurden. Die gesamte schwedische Landmacht in Finnland betrug Anfang Juli gegen 44000 Mann, in Schweden standen noch 14000 und in Pommern 4000.

Inzwischen hatte König Gustav an Katharina ein Ultimatum mit kaum glaublichen Forderungen gesandt: Strenge Bestrafung des russischen Gesandten wegen seiner Umtriebe, Herausgabe der in den Friedensschlüssen von Nystad und Abo abgetretenen Landesteile, Überlassung der Krim an die Türkei. Die Kaiserin wies es schroff zurück, obgleich Petersburg in großer Gefahr schwebte, denn die russische Landmacht war sehr gering; in der Umgebung der Hauptstadt standen nur 8000 Mann, die während des ganzen ersten Kriegsjahres kaum auf das Doppelte verstärkt werden konnten. In Finnland vermochte man dem Feinde nicht mehr als 10000 Mann entgegenzustellen; die Festungen waren ungenügend besetzt und in schlechtem Zustande. Die Hochseeflotte war noch nicht kriegsbereit und die Küstenflottille wurde es in diesem Jahre überhaupt nicht.

Ein schnelles und tatkräftiges Vorgehen der Schweden würde verhängnisvoll geworden sein, aber sie hatten schon viel Zeit verloren und waren auch weiterhin nicht vom Glück begünstigt.

Die Operationen der Hochseeflotten 1788. Die schwedische Flotte erhielt am 6. Juli die Nachricht von der Kriegserklärung. Am 8. langte sie vor Sweaborg an und ward hier auf 15 Linienschiffe und 11 Fregatten verstärkt, ging aber erst am 14. wieder in See, um den Feind im Osten zu suchen. Am 17. Juli trat ihr der aus dem ersten türkischen Kriege bekannte russische Admiral Greigh mit 17 Linienschiffen (1 zu 108, 16 zu 66–74 Kanonen) und 8 Fregatten — die Expedition nach dem Mittelmeer, die dieser Admiral führen sollte, war natürlich aufgegeben — etwa 30 Seemeilen westlich der Insel Hogland entgegen, und es kam zur rangierten Schlacht.

Die Schlacht bei Hogland, 17. Juli 1788. Die russische Flotte stand bei östlichem Winde zu Luward; die Gegner sichteten sich zwischen 9 und 10 Uhr vormittags. Nach verschiedenen Manövern lag die schwedische gegen 4 Uhr nachmittags in Kiellinie über Steuerbordbug beim Winde und die russische griff in gleicher Formation und über denselben Bug liegend in der bekannten englischen Art an, so daß sich der Kampf beider Linien Schiff gegen Schiff entspann, wobei sich wie gewöhnlich die Vorhuten und Mitten näher standen als die Nachhuten. Da die Russen 2 Linienschiffe mehr zählten, hatten die Schweden 5 40-Kanonenfregatten (von ihnen oft Linienfregatten genannt) in die Linie eingestellt; die Russen hingen eine solche der ihrigen an; es standen 1450 russische gegen 1290 schwedische Geschütze im Gefecht. Der Kampf war heiß; mehrere russische Schiffe mußten beschädigt hinter ihre Linie geschleppt werden, aber auch das schwedische Flaggschiff wurde fast manövrierunfähig.

Um 8 Uhr abends ließ Herzog Karl alle Schiffe zugleich halsen, weil die Spitze sich den Bänken vor der estländischen Küste zu sehr näherte, und Greigh folgte diesem Beispiele. Des flauen Windes halber konnte das Manöver mit den beschädigten Schiffen nur schwer ausgeführt werden, beide Linien verloren ihre Ordnung; dadurch gerieten sowohl ein russisches wie ein schwedisches Schiff zwischen mehrere feindliche und mußten die Flagge streichen. Um 10 Uhr abends endete der Kampf und die Flotten trennten sich während der Nacht.

[429]

Der Verlust betrug auf schwedischer Seite 130 Tote und 340 Verwundete, auf russischer fast 1000 Mann.

Die Schlacht blieb unentschieden. Die Schweden schrieben sich den Sieg zu, weil der Gegner wegen der Beschädigung seiner Schiffe den Angriff nicht erneuert habe, obgleich er zu Luward stand. Die Russen sagten, der Feind habe das Feld geräumt. Es war tatsächlich ein strategischer Erfolg der Russen, denn die Schweden unterließen den Angriff zur See auf Petersburg, weil sie erkannt hatten, daß ihre Flotte der feindlichen nicht so unbedingt überlegen sei, wie man bisher angenommen hatte.

Die russische Flotte ging nach der Schlacht zum Ausbessern bis zur Insel Seskär, 40 Seemeilen westlich von Kronstadt, zurück; hier vermochte sie Zufuhren zu erhalten und die Verbindung Petersburgs mit den Festungen Wiborg und Frederikshamn zu sichern. Die Schweden segelten nach Sweaborg, um Vorräte, vor allem Munition, aufzufüllen, die jedoch von der Heimat kommen mußten, da man versäumt hatte, in Helsingfors Depots anzulegen. Greigh erschien bald wieder, überraschte am 6. August eine schwedische Erkundungsdivision und nahm ihr ein Linienschiff ab. Er segelte dann nach Reval, ließ aber 8 Linienschiffe vor Sweaborg, die den Gegner beobachteten und der finnländischen Küste die Zufuhren von See her erschwerten. Die schwedische Flotte blieb für dieses Jahr untätig.

Der Schären- und Landkrieg 1788. Die Armeeflotte ging erst am 26. Juli — 2 Fregatten, 15 der großen Küstensegler, 18 Galeren und 36 Kanonenschaluppen stark — mit 6000 Soldaten nach Osten vor. Man wollte Frederikshamn durch das Landheer und eine Landung angreifen. Die Stadt wurde auch am 3. August eingeschlossen und wäre sicher gefallen, wenn nicht eine Empörung im Landheere den König gezwungen hätte, die Belagerung aufzugeben. Der größere Teil der Offiziere gehörte der Oppositionspartei in Schweden an, die den ohne Zustimmung der Stände begonnenen Angriffskrieg für verfassungswidrig erklärte. Sie forderten die Rückberufung der Armee, und der König sah sich genötigt, diese hinter den Kymene zurückzuziehen; die Flottille ward nach Westen bis Borgaa gesandt, wo man die Landungstruppen ausschiffte. Die Meuterer gingen noch weiter. Nach einer Versammlung in Anjala — nach der sie sich den Anjalabund nannten — traten sie mit Katharina in Verhandlung und schlossen einen Waffenstillstand ab. Gustav reiste zu seiner eigenen Sicherheit am 27. August nach Stockholm; die Nachricht von einem dänischen Angriff auf Schweden gab ihm guten Vorwand dazu. Herzog Karl, der den Oberbefehl übernahm, bestätigte den Vertrag des Anjalabundes.

Der Krieg war am Lande zu Ende und bald auch zur See. Greigh blockierte bis Ende Oktober die finnländische Küste. Er hatte inzwischen Hangö-Udde besetzt und sperrte hier die Schären ab, so daß auch auf diesem Wege die westlich dieser Halbinsel gesammelten Zufuhren von Schweden nicht nach Helsingfors-Sweaborg gelangen konnten; sie wurden[430] schließlich zu Lande über die Halbinsel geschafft und dann wieder verladen. Mit Beginn des früh einsetzenden Winters ging Greigh nach Kronstadt zurück. Die nun freigewordene schwedische Flotte segelte am 19. November nach Karlskrona; die Schiffe mußten schon ausgeeist werden und am Tage darauf fror der Hafen vor Sweaborg ganz zu.

Dänemarks Angriff auf Schweden 1788. Nach einem älteren Bündnisvertrage war Dänemark verpflichtet, 6 Linienschiffe sowie 12000 Mann Landtruppen für Rußland zu stellen und auch dem Gegner in den Rücken zu fallen, wenn es von Schweden angegriffen würde. Als nun 1788 der Krieg ausbrach, kam die dänische Regierung ihrer Verpflichtung zwar nicht sofort und völlig nach, aber sie ließ doch im September von Norwegen aus Truppen in Schweden einrücken; die ersten Schüsse waren an der Grenze schon Ende Juni gefallen. Sie erklärte dabei, es sei kein Krieg Dänemarks gegen Schweden, die verwendeten Soldaten seien nur Hilfstruppen Rußlands. Ähnliche Auslegungen von Unterstützungen hat schon der österreichische Erbfolgekrieg gebracht (vgl. z. B. Seite 48). Dem weiteren Vordringen der Dänen machte aber das persönliche Erscheinen und tatkräftige Auftreten König Gustavs in Gothenburg ein Ende, um so leichter, da England und Preußen die Auffassung Dänemarks nicht teilten und mit ihrem Einschreiten drohten.

Die Verwicklung mit Dänemark geriet König Gustav zum Glück. Die neue, durch Rußland heraufbeschworene Gefahr brachte die Stände auf seine Seite; die Umtriebe des Anjalabundes scheiterten in Schweden; Bauern, Bürger und Geistlichkeit erklärten sich für den König, diesem ward das Recht zugestanden, auch Angriffskriege selbständig zu erklären; die Vorrechte der Krone wurden erweitert und der Krieg gegen Rußland ward volkstümlich.

Das russische Geschwader van Dessen in Kopenhagen nahm an dem dänischen Angriffe nicht teil. Dagegen landete es, noch mit den Umschiffungsarbeiten begriffen, Anfang August Mannschaften bei Helsingborg und plünderte einige Ortschaften; anderseits aber wurden später zwei seiner Fregatten im Skagerrak von drei schwedischen genommen, denen dabei viel Kriegsmaterial in die Hände fiel. Dessen trat dann seine Reise zum Mittelmeer an, kehrte jedoch in der Nordsee um, als ihm bekanntgeworden war, daß er in englischen Häfen keinerlei Unterstützung finden würde. Zu ihm stießen 4 Linienschiffe nebst 2 Fregatten von Archangel, und er überwinterte darauf in Kopenhagen. Es ist unverständlich, daß er nicht zurückgerufen wurde, als man die Expedition ins Mittelmeer aufgab; man scheint ihn fast daheim vergessen zu haben.

Die Gründe der schwedischen Mißerfolge 1788. Die Mißerfolge sind in erster Linie dem Umstande zuzuschreiben, daß der an sich gute Plan, Petersburg anzugreifen, nicht früh genug durchgeführt wurde; erlaubten dies die Verhältnisse nicht, so waren eben die Vorbereitungen ungenügend. Er ist auch später nicht umsichtig und tatkräftig verfolgt worden, noch Anfang Juli wäre es aussichtsreich gewesen, die unfertige russische Flotte bei Kronstadt anzugreifen, und die Armeeflotte hätte mit den um diese Zeit in Sweaborg vorhandenen Truppen weiter östlich landen müssen. Nach den ersten Mißerfolgen erlahmte dann Schwedens Tatkraft gänzlich; die Offensive[431] schlug völlig in Defensive um; besonders bei der Hochseeflotte, die infolge ungenügender Vorbereitungen durch Mangel an Munition längere Zeit lahmgelegt war. Rechtzeitige Erfolge hätten belebend gewirkt, vielleicht sogar den Ausbruch der offenen Meuterei im finnländischen Heere gehindert.


Die Tätigkeit der Hochseeflotten 1789. Die schwedische Flotte war Ende Mai seeklar, litt aber noch an Mannschaftsmangel; erst am 6. Juli ging Herzog Karl mit 21 Linienschiffen, 9 Linien- und 5 kleineren Fregatten in See. Seine Aufgabe war, die Vereinigung der russischen Flotten von Kronstadt und Kopenhagen zu verhindern, sowie die Überführung der Truppen von Vorpommern nach Schweden zu sichern. Während er bis zum 11. zwischen Schonen, Rügen und Seeland kreuzte, wurden die Soldaten nach Schweden übergeführt. Das russische Geschwader van Dessens lag neben einem dänischen in der Kjögebucht; es anzugreifen, verbot der Umstand, daß die Friedensverhandlungen mit Dänemark noch nicht abgeschlossen waren. Herzog Karl hielt sich dann östlich von Bornholm und erfuhr hier am 23. Juli, daß man die Kronstadtflotte bei Gotland gesehen habe.

Diese russische Hauptflotte unter Admiral Tschitschagoff zählte 21 Linienschiffe, darunter 3 Dreidecker, und 10 Fregatten. Sie war schon seit Ende Juni in See und hatte sich Anfang Juli vor Hangö Udde gezeigt. Nach den schlechten Erfahrungen des Vorjahres hatten aber die Schweden hier Befestigungen angelegt, und die Russen machten keinen ernsten Versuch, sich dieser wichtigen Stellung zu bemächtigen, sondern segelten nach Westen weiter.

Am 25. Juli sichteten sich die Gegner etwa 50 Seemeilen südöstlich der Insel Öland und die schwedische Flotte suchte nun der russischen den Weg nach der Kjögebucht zu verlegen. Abends waren beide einander ziemlich nahe, da aber der Wind sehr heftig wurde, blieben sie die Nacht über in Gefechtslinie parallel zueinander liegen. Am 26. Juli kam es zur Schlacht bei Öland, die jedoch unentschieden blieb. Die Schweden standen zu Luward und Herzog Karl griff an. Da er aber von seiner Nachhut im Stich gelassen[203] wurde und Tschitschagoff durch Abhalten beständig auswich, kam es nur zweimal zum ernsteren Zusammenstoß zwischen den Vorhuten und Mitten; die Schlacht endete mit Eintritt der Dunkelheit ohne große Verluste auf beiden Seiten. An den beiden nächsten Tagen gelang es den Schweden überhaupt nicht, an den Feind heranzukommen, ebensowenig am 30. Juli, als sich die Gegner nochmals bei Bornholm sichteten; der russische Admiral wollte eben einen Entscheidungskampf vor seiner[432] Vereinigung mit Dessen vermeiden. Als dann der Wind für dessen Herankommen günstig wurde, lief Herzog Karl in Karlskrona ein, um nicht durch den übermächtigen Feind von diesem Stützpunkte abgeschnitten zu werden; zudem litten seine Besatzungen schwer unter Krankheiten. Am 2. August sollte auf Befehl des Königs eine Division von 3 Linienschiffen und 3 Fregatten nach Finnland auslaufen, mußte aber umkehren, weil sie die Russen vor dem Hafen antraf.

Karlskrona war blockiert. Tschitschagoff hatte sich mit Dessen vereinigt und verfügte jetzt über 33 Linienschiffe, darunter 6 Dreidecker, nebst 13 Fregatten; er hielt die Blockade bis Ende August aufrecht und segelte dann zum Finnischen Meerbusen. Nun erst konnte die schwedische Division in See gehen. Ihre Bestimmung war, eine russische Stellung bei Porkala zu nehmen, die den Verkehr in den Schären hinderte, da sie aber bald auf eine größere Zahl russischer Schiffe stieß, kehrte sie unverrichteter Dinge zurück.

Herzog Karl ersetzte seine Kranken durch Landrekruten, lief aber erst auf wiederholten Befehl Mitte Oktober aus und kreuzte dann nur auf Übungsfahrten in der südlichen Ostsee; als er erfahren hatte, daß neun russische Schiffe in Reval aufgelegt hätten und der Rest nach Kronstadt gesegelt sei, kehrte er am 21. Oktober nach Karlskrona zurück.

Der Landkrieg 1789. Nach einem harten Winter begann der Feldzug in Finnland erst im Juni und wurde dann mit wechselndem Waffenglück geführt. Das schwedische Hauptheer unter König Gustav stand am Kymeneflusse, ein kleineres unter Oberst von Stedingk weiter nördlich in Savolaks. Hier überschritten die Russen Anfang Juni die Grenze und drängten ihre Gegner zurück. Der König war am 25. Juni über den Grenzfluß gegangen und siegreich vorgedrungen, ging aber dann der Lage im Norden halber wieder bis Likala nahe Frederikshamn zurück; durch weiteres Vorgehen gegen Wilmanstrand und Wiborg hätte er voraussichtlich Stedingk entlastet und selber mehr erreicht; später wurden durch das Vorgehen des Hauptheeres tatsächlich die Russen im Norden zum Rückzuge gezwungen und der Oberst konnte wieder vorrücken. Bald aber gelang es dem Feinde, die Verbindungstruppe zwischen dem Hauptheere und Stedingk zu schlagen, und so dieses in der Flanke zu bedrohen. Der König wich darauf bis zum Kymene, und nach der Schärenschlacht im Svensksunde, am 24. August, sogar über den Fluß zurück, weil die Russen schon westlich von seiner Mündung landeten.

Bei Eintritt der Winterruhe war die Stellung der Heere nahezu die gleiche wie im Frühjahr.

Die Operationen der Schärenflotten. Das schwedische Stockholmgeschwader litt wie die Hochseeflotte unter Mannschaftsmangel. Im Juni und Juli ging es nach und nach zur finnländischen Küste, wobei es Truppen geleitete; diese Transporte erforderten große Vorsicht, weil die russische Hochseeflotte die nördliche Ostsee und den Finnischen[433] Busen beherrschte. Dieses Galerengeschwader erreichte eine Stärke von 30 Fahrzeugen mit 1650 Seeleuten und 6700 Soldaten. Das Sveaborggeschwader wurde Anfang Juni abteilungsweise bis zum Svensksunde, etwa 10 Seemeilen südwestlich von Frederikshamn vorgeschoben; hier verfügte der Oberadmiral Graf Ehrensvärd über 86 armierte Fahrzeuge mit rund 5600 Mann Land- und Seetruppen.

Das weitere Vorgehen des Stockholmgeschwaders nach Osten ward aber durch den Feind erschwert. Die Russen hatten sich zwar der Stellung bei Hangö nicht wieder bemächtigen können, weil die Schweden sie befestigt hatten, sich aber eine ähnliche auf der Halbinsel Porkala, 20 Seemeilen westlich von Sweaborg, geschaffen und sperrten hier das Schärenfahrwasser, das sie außerdem durch Schiffe ihrer Hochseeflotte an der ganzen Küste, besonders in der Nähe von Helsingfors, beunruhigten. Die Schweden besetzten deshalb eine große Zahl von Wachtstellen, um den Verkehr aufrechtzuerhalten, wodurch Ehrensvärd sehr geschwächt und verhindert wurde, auf dem rechten Flügel des Landheeres weiter nach Osten vorzudringen.

Die russische Küstenflottille war in diesem Jahre rechtzeitig bereit und fast doppelt so stark als die schwedische beim Svensksunde. Sie erschien Mitte August dort; das Hauptgeschwader von 78 Fahrzeugen führte der Prinz von Nassau-Siegen, den man nach seinen Erfolgen im Schwarzen Meere nach Norden berufen hatte; ein zweites von 29 Fahrzeugen befehligte Admiral Kruse.

Dieser Macht konnte Ehrensvärd nur 48 Schiffe entgegenstellen. Nassau plante, gegen die Schweden von Osten her vorzugehen und ihnen durch Kruse im Südwesten den Rückzug zu verlegen; es folgte die Schärenschlacht im Svensksunde. Ehrensvärd hatte das Fahrwasser im Osten notdürftig durch Versenken von Schiffen gesperrt und hier kleine Abteilungen stationiert, seine Hauptmacht dagegen im Südwesten in Halbmondform verankert. Hier griff Kruse am 24. August an, wurde aber abgewiesen. Der schwedische Admiral soll beabsichtigt haben, sich nun nach Westen zurückzuziehen, er erhielt jedoch von König Gustav, der dem Kampfe am Lande beigewohnt, ausdrücklichen Befehl, Nassau entgegenzutreten, der jetzt nach Wegräumung der Hindernisse vordrang; vor der großen Übermacht mußten die Schweden abends weichen, zumal ihnen auch die Munition ausging. Der Feind verfolgte während der Nacht bis zur Schärenfestung Svartholm, etwa 20 Seemeilen westlich der Mündung des Kymeneflusses.

Der schwedische Verlust betrug 7 Fahrzeuge und 1350 Mann, der russische über 2000 Mann und 3 Schiffe; viele ihrer Schiffe waren stark beschädigt. Die Russen gingen nicht weiter vor, aber sie hatten die Freiheit der Landung westlich vom Grenzflusse erzwungen und so das schwedische Landheer genötigt, über diesen zurückzugehen. Das Fahrwasser bei Porkala ward erst wieder frei, als die letzten Schiffe der russischen Hochseeflotte am 23. Oktober die Küste verließen; Mitte September hatten sie noch eine schwedische Küstendivision im Barösunde angegriffen.

[434]

Die Kriegführung 1789 zeigt überall Fehler der Schweden. Für ihr Landheer war die Tätigkeit der Schärenflotte zur Unterstützung des rechten Flügels, sowie zur Sicherung des Verkehrs in den Schären unentbehrlich. Sie war aber andauernd durch die feindliche Stellung bei Porkala getrennt, die man selber hätte besetzen müssen. Diese mußte man zunächst von beiden Seiten angreifen, anstatt die Kräfte auf Wachstationen zu verzetteln. Die Hochseeflotte aber hätte wiederum den Schutz der Schärenflotte übernehmen und zu diesem Zwecke alles daransetzen müssen, frühzeitig im Finnischen Meerbusen aufzutreten, um hier die Seeherrschaft zu erringen. Tschitschagoff handelte mithin richtig, wenn er Herzog Karl in der Ostsee ohne Entscheidungsschlacht festhielt, bis er überlegen war. Daß Rußland zu Lande nicht tatkräftiger vorging, scheint an der Unfertigkeit seines Heeres gelegen zu haben; Potemkin, der gegen die Türken kommandierte, weigerte sich hartnäckig, Truppen nach dem Norden abzugeben.


Der Kriegsplan Schwedens 1790 ähnelte dem des ersten Jahres. Versuche König Gustavs, durch Preußens Vermittlung Frieden zu schließen, hatte Katharina mit maßlosen Forderungen beantwortet. Neben der Aufrechterhaltung der Friedensbedingungen von Nystad und Abo verlangte sie eine Änderung der schwedischen Verfassung, um die Rechte des Königs über Krieg und Frieden noch mehr wie bisher einzuschränken, und von diesem selber eine Abbitte wegen seines bisherigen Vorgehens. Gustav war empört und beschloß wie 1788, durch einen raschen Angriff auf Petersburg die Entscheidung schnell herbeizuführen. Der Umstand, daß im allgemeinen Karlskrona am 15., Stockholm am 25. April, Sweaborg am 1. und Kronstadt erst am 7. Mai vom Eise frei wird, sollte benützt werden, die eigenen Streitkräfte so zeitig zu sammeln, daß man imstande wäre, die in Reval und Kronstadt getrennt liegenden Geschwader der russischen Hochseeflotte, sowie die auf Frederikshamn, Wiborg und Kronstadt verteilten feindlichen Küstenstreitkräfte vor ihrer Vereinigung einzeln zu vernichten; dann sollte bei Petersburg gelandet werden.

Der Plan wich insofern von dem früheren ab, daß die Armeeflotte vor der Landung bei der Hauptstadt erst die Festungen Frederikshamn und Wiborg nehmen sollte; es wäre wohl richtiger gewesen, nur die Fesselung der feindlichen Streitkräfte dort durchzuführen, wenn der Hauptstoß überraschend sein sollte. Um die Aufmerksamkeit des Feindes von dem Vorgehen zur See abzulenken, beabsichtigte der König, schon Ende Februar oder Anfang März in Person mit dem Heere von Finnland aus in Karelien einzubrechen und zwar wie im Vorjahre mit der Hauptmacht in der Mitte, nördlich und an der Küste mit je einem kleineren Korps.

Der Angriff am Lande verzögerte sich aber, da der König aus politischen Gründen Stockholm erst Ende März verlassen konnte, und wenn dann auch die Schweden anfangs überall Erfolge erzielten, so kam ihr Vordringen doch Ende Mai zum Stehen; das Heer wartete nun auf den Ausgang der Unternehmungen zur See.

[435]

Die Operationen der Hochseeflotten bis Juni 1790. Die schwedische Flotte verließ unter Herzog Karl von Södermanland — Chef des Stabes Kontreadmiral Nordenskjöld — 21 Linienschiffe und 13 Fregatten stark am 29. April Karlskrona. Schon am 4. März waren 2 Fregatten, eine Brigg und ein Schoner in See gegangen und hatten am 17. die Stadt Raagervik, das jetzige Baltischport, etwa 20 Seemeilen westlich von Reval zur Übergabe gezwungen. Zwar hatte man hier Munition, Schiffsbedürfnisse und andere Vorräte im Werte von einer Million Taler vernichtet, aber den Russen war durch diesen Vorstoß klar geworden, daß sie auf ein baldiges Auftreten stärkerer Kräfte gefaßt sein müßten, und sie beschleunigten überall ihre Rüstungen sowie Verteidigungsmaßnahmen. Die große Flotte erreichte infolge Gegenwindes erst am 9. Mai Hangö, nahm hier Wasser und ankerte am 12. bei Raagervik.

Die Schlacht bei Reval, 13. Mai 1790. Admiral Tschitschagoff hatte 8 Linienschiffe und 3 Fregatten ungefähr eine Seemeile nördlich von der Hafenmole in einer etwa Ost-West laufenden Linie mit den Breitseiten nach See zu verankert, 3 Fregatten lagen dahinter, und sperrte so fast die ganze Bucht. Herzog Karl griff diese Stellung am 13. Mai an, indem er bei westlichem Winde in Kiellinie auf deren linken Flügel zusteuerte, an der Linie entlang lief und dann wieder nach Norden segelte. Infolge des starken und böigen Windes war das Manöver schwierig; der Angriff stieß erst auf das dritte Schiff des feindlichen Flügels, die schwedische Linie war schlecht geschlossen, das Anluven zum Wiederabsteuern mußte der Leeküste wegen frühzeitig begonnen werden, so daß die Schiffe fast beständig manövrierten. So kam es, daß die Schweden ihr Feuer eigentlich nur auf 3 Russen unter ungünstigen Umständen abgeben konnten, während diese das ihrige mit Ruhe auf die Passierenden richteten. Da der Wind während des Kampfes zum Sturm wurde, gab Herzog Karl den Befehl zum Abbrechen des Gefechtes, ehe die letzten 12 Schiffe, 4 Linienschiffe und 8 Fregatten, die feindliche Stellung passiert hatten. Die Flotte ankerte dann vor der Bucht.

Die Verluste der Russen waren ganz unbedeutend. Die Schweden verloren auch nur 132 Tote und Verwundete, aber ihre Schiffe, soweit sie ins Feuer gekommen waren, hatten arg in der Takelage gelitten und 2 Linienschiffe gingen verloren. Eins war schon beim Ansegeln auf einer Bank festgekommen und mußte verbrannt werden, um es nicht in Feindeshand fallen zu lassen; ein anderes war beim Passieren manövrierunfähig geworden, gleichfalls auf Grund geraten und ward von den Russen genommen.

Die Schweden unternahmen keinen zweiten Angriff, obgleich sie jetzt die Stellung des Feindes ganz genau kannten und bei günstigem Wetter mit Übermacht vor der feindlichen Linie hätten ankern und die Flügel durch leichtere Linienschiffe, sowie die Fregatten umgehen können. Herzog Karl schickte einige sehr beschädigte Schiffe zur schleunigen Ausbesserung nach Sweaborg, erhielt dafür aber am 21. Mai eine Verstärkung von 2 Linienschiffen[436] und einer Fregatte. Er blieb bis zum 24. Mai vor Reval, ging dann nach der Insel Hogland und von hier erst am 31. auf Befehl des Königs gegen Kronstadt vor. Tschitschagoffs Flotte ließ man im Rücken, nachdem man ihr zwei und eine halbe Woche Zeit gelassen hatte, ihre Ausrüstung zu vervollständigen. Herzog Karl und Admiral Nordenskjöld sollen dies allerdings gemißbilligt haben.

Die Operationen der Küstenflottillen bis Juni 1790. In Schweden waren durch Neubauten die Küstenstreitkräfte auf 19 große Segelfahrzeuge, 27 Galeren, 214 Kanonenschaluppen und Jollen, 25 Kanonen- und Mörserbarkassen und 21 Chef- und Avisofahrzeuge gebracht; diese Macht wurde bis Ende Mai in Finnland zusammengezogen.

Angriff auf Frederikshamn. Am 14. Mai erschien König Gustav mit etwa 100 Fahrzeugen im Svensksunde. Die russische Küstenflottille von Frederikshamn war, 49 Schiffe stark, am Eingange des engen Innenfahrwassers zur Stadt verankert, an den Flügeln durch Landbatterien unterstützt. Am 15. um 2 Uhr morgens griffen die Schweden an und trieben den Feind bald bis unter die Kanonen der Stadt, aber um 9 Uhr ließ der König den Kampf abbrechen, um seinen Leuten Erholung zu gönnen; auch knüpfte er Übergabeverhandlungen an. Der Festungskommandant zögerte mit der Antwort, erhielt inzwischen Verstärkung und wies einen zweiten Angriff nachmittags so kräftig ab, daß sich die Schweden abends zurückzogen. Nicht mehr Erfolg hatte ein Vorgehen gegen die Stadt am 19. Mai, das allerdings nur mit schwächeren Kräften unternommen wurde. Wie die Hochseeflotte vor Reval, so gab auch die Schärenflotte hier weitere Versuche auf und blieb untätig liegen. Erst am 25. Mai ging sie weiter nach Osten vor, am 31. gewann sie Fühlung mit der Hochseeflotte, passierte am 2. Juni die Bucht von Wiborg und ankerte am Abend im Björkösunde etwa 30 Seemeilen südlich dieser Stadt; sie hatte durch Zuzüge von Westen nach und nach fast ihre volle Stärke, 282 armierte Fahrzeuge, erreicht.

Gustav entschloß sich endlich, mit der vereinten Hochsee- und der Küstenflotte schnell gegen Petersburg vorzudringen, aber jetzt war auch die russische Hochseeflotte bereit und mußte zunächst vertrieben werden.

Die Seeschlacht in der Kronstädter Bucht, 3. und 4. Juni 1790. Schon während die schwedische Hochseeflotte ihr Küstengeschwader nach dem Björkösunde geleitete, war die russische in Sicht gewesen und Herzog Karl hatte versucht, sich ihr zu nähern, sobald die Schärenfahrzeuge den Ankerplatz erreicht hatten; eintretende Stille verhinderte dies, aber am 3. Juni kam es zur Schlacht.

Die Stärke der Flotten. Die russische unter Vizeadmiral Kruse zählte 17 Linienschiffe, 5 Dreidecker zu 108, 12 Zweidecker zu 74 Kanonen und 13 Fregatten. Die Schiffe waren in guter Verfassung, die Besatzungen jedoch noch nicht ausgebildet. Die schwedische bestand aus 21 Linienschiffen zu 64–74 Kanonen und 13 Fregatten. Zwei schwere Fregatten hatte man in die Linie eingestellt, dennoch standen in dieser nur 1180 Kanonen 1430 russischen gegenüber, weil die Schiffe des Gegners im Durchschnitt stärker waren. Aus weiteren 6 schweren Fregatten wurde[437] eine leichte Division gebildet, die selbständig an geeigneter Stelle in den Kampf eingreifen sollte.

Am 3. Juni, 4 Uhr morgens, stand Kruse bei leichtem östlichen Winde etwa 4 Seemeilen zu Luward der schwedischen Flotte, die über Backbordbug in Kiellinie beim Winde lag. Er hielt auf sie ab und griff in üblicher Weise Schiff gegen Schiff auf der ganzen Linie an. Um 4½ Uhr begann der Kampf der Vorhuten und um 5 Uhr der der Mitten; die Nachhuten kamen erst später ins Gefecht und wie gewöhnlich nur auf weitere Entfernung. Manöver der Flotten infolge von Windänderungen trennten sie gegen 8 Uhr, auch scheint Kruse einen zu scharfen Kampf gescheut zu haben. Am Nachmittage kam westlicher Wind auf. Wieder lagen die Gegner über Backbordbug, aber jetzt die Schweden zu Luward und Herzog Karl griff um 2½ Uhr an. Da aber Kruse stets auswich, zeitweise sogar vor dem Winde abhielt, kam es immer nur zu kurzen Kämpfen, oft nur zu Teilgefechten.

Herzog Karl erkannte, daß der Feind ihn in die innere Bucht von Kronstadt locken, aber bis zum Eintreffen der Revalflotte hinziehen wollte. Er beschloß, sich nur beobachtend zu verhalten, bekam jedoch am Abend Befehl vom König, den Kampf zu suchen. Am 4. Juni vormittags wehte es hart aus Osten, so daß die Schweden nicht an den Feind herankommen konnten. Nachmittags sprang der Wind auf SW, aber der Versuch Karls, eine Entscheidung herbeizuführen, mißlang wiederum, weil Kruse nicht standhielt; nur für kurze Zeit kam es zum Gefecht auf der ganzen Linie. Die Flotten hatten sich nach und nach der Außenrhede von Kronstadt bis auf 12–15 Seemeilen genähert, so daß sie am Spätnachmittag, sowie um 8 Uhr abends zum Halsen genötigt waren, weil sie zuerst der südlichen, dann der nördlichen Küste zu nahe kamen.

Wesentliche Verluste hatten die Kämpfe der beiden Tage nicht gebracht, nur 2 schwedische und 3 russische Schiffe waren schwerer beschädigt.

Bald nach 8 Uhr abends kam nun aber Admiral Tschitschagoff mit der Revalflotte — 10 Linienschiffe, darunter 2 Dreidecker, und 8 Fregatten — in Sicht und Herzog Karl mußte sich vor allen Dingen aus dem engen Fahrwasser herauszuziehen suchen. Er plante, sich auf die Revalflotte zu werfen, ehe die russische Hauptmacht herankäme, sollte dies aber nicht gelingen, dann bis zu den Aspöschären zurückzugehen. Er erwartete, daß dann auch König Gustav mit der Armeeflotte bis zum Svensksunde weichen und von hier aus ein neues gemeinsames Vorgehen erfolgen würde. Dementsprechend berichtete er.

Dem Rückzuge der Schweden folgte Kruse, der die Revalflotte gleichfalls gesehen hatte, in Gefechtslinie, aber in gemessener Entfernung. Es war ein Glück für Herzog Karl, daß der Wind während der Nacht abflaute und auch am nächsten Tage Stillen vorherrschten; zugleich war es diesig, so daß die russischen Flotten sich gegenseitig nicht sehen konnten und deshalb beide zurückhielten. So zog sich Karl unbehelligt aus der Enge, erhielt aber am 5. Juni als Antwort auf seinen Bericht Befehl, in die Bucht[438] von Wiborg zu kommen, um die Schärenflotte zu decken; er ankerte am 6. morgens in deren Eingange.

Dies war eine verhängnisvolle Maßnahme, denn nun wurden die gesamten schwedischen See- und Küstenstreitkräfte zusammen blockiert.

Die Blockade der schwedischen Flotten bei Wiborg und deren Durchbruch. Die Breite des Einganges zu der SW-NO laufenden Außenbucht von Wiborg beträgt zwischen der Landspitze Krosserort im Westen und der Insel Biskopö im Osten etwa 6 Seemeilen. Durch flaches Wasser vor diesen Punkten und durch den in der Mitte der Einfahrt liegenden Salvögrund wird aber das Fahrwasser auf eine kaum eine Seemeile breite Rinne bei Krosserort sowie auf eine zweite von 3 Seemeilen bei Biskopö beschränkt. Hinter diesen Durchfahrten wurden die Schiffe der Hochseeflotte — 21 Linienschiffe, 13 Fregatten, 4 Fahrzeuge — in Verteidigungslinien verankert.

Zwischen der Insel Biskopö und der sich südlich daran schließenden Insel Björkö einerseits und dem Festlande anderseits führt eine im Durchschnitt 1½, an ihrer engsten Stelle nur eine halbe Seemeile breite Straße von Südosten her in die Außenbucht von Wiborg, der Björkösund. Hier lag die schwedische Armeeflotte, 282 armierte Fahrzeuge mit 24000 Mann Besatzung[204].

Schon am 7. Juni ankerte die russische Hochseeflotte, jetzt unter dem Oberbefehl des Admirals Tschitschagoff, 30 Linienschiffe und 20 Fregatten stark, quer vor dem Haupteingange zur Bucht, etwa 8 Seemeilen von der feindlichen Stellung entfernt und die Küstengeschwader sammelten sich in der Umajockibucht unmittelbar östlich vom Eingange in den Björkösund unter dem Prinzen von Nassau. Anfangs waren es nur 49 Fahrzeuge aus Frederikshamn und Reval, aber durch Eintreffen der Kräfte von Kronstadt wuchs die Zahl nach und nach bis auf 3 Linienschiffe, 7 Fregatten und 74 Schärenfahrzeuge am 2. Juli. In Wiborg lagen 48 Fahrzeuge.

Die Schweden waren völlig blockiert und ihre Lage wurde im Laufe der nächsten Wochen immer gefährdeter. Tschitschagoff legte nach genauem Ausloten seine Blockadelinie näher heran, wobei er die vielen Inselchen und Gründe benutzte, um die möglichen Durchbruchspunkte dichter abzuschließen, und auch die Wiborgflottille drang bis zum Trangsund, dem Eingange zur inneren Bucht, vor. Ein Versuch des Königs Gustav vom 11.–20. Juni mit einem großen Teile der Armeeflotte, sie zu vernichten, um sich den Rücken freizumachen, mißlang, weil Landbatterien das Fahrwasser beherrschten. Auf den schwedischen Schiffen und Fahrzeugen mit[439] ihren etwa 40000 Mann Besatzung trat Mangel an Proviant und Wasser ein, da russische Jäger und Kosaken die Wasserplätze besetzt hatten. Am 29. Juni ging Nassau gegen den Björkösund vor und warf den Feind bis zur engsten Stelle zurück.

Unter diesen Umständen mußte Gustav alles daransetzen, sich aus seiner unhaltbaren Lage zu befreien. Nach längeren Beratungen und Erwägung verschiedener Pläne ward der Durchbruch mit beiden Flotten in der engen Wasserrinne zwischen Krosserort und dem Salvögrunde beschlossen. Herzog Karl hatte schon früher wiederholt hierzu geraten, ehe die Einschließung so eng geworden war, der König aber wies es schroff zurück, weil er es für feige hielt.

Der Durchbruch am 3. Juli 1790. Der Plan zum Durchbruch war genau ausgearbeitet. Um 2 Uhr morgens zog sich das Gros der Küstenflotte aus dem Björkösunde in die äußere Wiborgbucht hinter die Linie der Hochseeflotte. 3 Divisionen Kanonenschaluppen, sowie die Mörserbarkassen eröffneten gleichzeitig zur Diversion ein Gefecht mit der im Süden liegenden russischen Schärenflotte, das sie erst um 4½ Uhr abbrachen, um dem Gros zu folgen; auffallenderweise folgte der Feind nicht, vielleicht wollte er den Leuten nach dem nächtlichen Kampfe Ruhe gönnen.

Die Schiffe der Hochseeflotte hatten während der Nacht das Ankerlichten vorbereitet; die Segel waren nur mit leicht zerreißbarem Schiemannsgarn festgemacht, so daß sie gesetzt werden konnten, ohne Leute in die Takelage zu schicken und dadurch die Aufmerksamkeit des Feindes zu erregen. Um 6 Uhr morgens verließen sie ihre Ankerplätze und setzten sich an die Spitze der in Marschordnung versammelten Schärenflotte. Um 7½ Uhr passierte der Leiter die russische Sperrlinie bei Krosserort. Hier lagen 5 Linienschiffe eng aufgeschlossen mit den Breitseiten quer zum Fahrwasser. Die Schweden brachen in der Mitte durch, wobei sie ihr Feuer mit solchem Erfolge abgaben, daß sämtliche Gegner die Flagge bereits gestrichen hatten, als das Flaggschiff passierte; von den etwa 4000 Mann dieser Schiffe sollen nur 3–400 unverwundet geblieben sein. Drei Seemeilen westlich von Krosserort lagen 6 russische Fregatten in Linie seitlich vom Fahrwasser, doch wurde deren Feuer durch Pulverrauch behindert.

Die Schweden würden mit verhältnismäßig geringem Verluste die freie See erreicht haben, wenn nicht ein besonderer Unglücksfall eingetreten wäre. Beim Passieren von Krosserort wurden ein Linienschiff und eine Fregatte durch einen eigenen Brander in Flammen gesetzt und flogen auf; der Führer des Branders hatte in trunkenem Zustande sein Fahrzeug ohne Grund angezündet. In dem dadurch entstehenden Rauche liefen verschiedene Schiffe auf Grund.

Nach dem geglückten Durchbruch nahm die schwedische Hochseeflotte Kurs auf Hogland. Die russische begann erst gegen 10 Uhr vormittags zur Verfolgung unter Segel zu gehen. Tschitschagoff scheint das Vorgehen der Schweden längere Zeit nur für ein Scheinmanöver gehalten und den eigentlichen Angriff in dem breiteren östlichen Fahrwasser erwartet zu haben; dann dauerte auch das Ankerlichten und Formieren der Flotte unverständlich lange. So gewann Herzog Karl einen großen Vorsprung und erreichte am 5. Juli abends die Rhede von Sweaborg; nur zwischen den vordersten russischen und einigen zurückgebliebenen schwedischen Schiffen kam es zum Kampfe, wobei zwei der letzteren genommen wurden.

[440]

Die schwedische Schärenflotte folgte zunächst der Hochseeflotte, hielt dann aber früher zur Küste ab und erreichte die Aspöschären. Auf dem Wege dorthin ward sie von einer Fregattendivisjon angegriffen, die bisher etwa 10 Seemeilen westlich der Wiborgbucht beim Pitkepasse das Schärenfahrwasser gesperrt und auch tatsächlich den Zuzug einiger Abteilungen schwedischer Fahrzeuge gehindert hatte. Diese Division brach in die Küstenflotte ein und zwang eine große Zahl von Fahrzeugen, die Flagge zu streichen, konnte aber nur einige von ihnen in Besitz nehmen.

Der Verlust der Schweden betrug in der Hochseeflotte 7 Linienschiffe, 3 Fregatten und 4000 Mann, in der Küstenflotte 21 Kriegs- und 30 Transportfahrzeuge, sowie rund 2000 Mann. Der Verlust der letzteren würde sicher noch viel größer gewesen sein, wenn der Gegner im Björkösunde sofort nachgedrängt hätte. Aber dies geschah erst spät und die vordersten Fahrzeuge hielten sich dann bei den festgekommenen schwedischen Schiffen auf.

Die Russen büßten 4–5000 Mann ein und 11 ihrer Linienschiffe waren so beschädigt, daß sie für längere Zeit nicht verwendet werden konnten, einige wurden sogar völlig unbrauchbar.

Die zweite Schlacht im Svensksunde am 9. Juli 1790 war das letzte größere Ereignis des Krieges. Die schwedische Hochseeflotte — 14 Linienschiffe, 9 Fregatten — ward von der russischen — 19 Linienschiffe — in Sweaborg blockiert. Mit der Küstenflotte hatte sich König Gustav von den Aspöschären in den Svensksund zurückgezogen; sie zählte am 8. Juli 195 armierte Fahrzeuge mit 450 schweren Geschützen und 14000 Mann.

Sie nahm hier eine ähnliche Verteidigungsstellung ein wie 1789 unter Ehrensvärd (vgl. Seite 433) und wurde am 9. Juli durch Nassau von Frederikshamn aus mit 160 Fahrzeugen angegriffen. Sie war zwar den Russen an Zahl überlegen, aber deren Schiffe waren im allgemeinen größer, schwerer armiert und stärker bemannt, sie führten 850 schwere Geschütze und 18500 Mann.

Nassau ließ den Nordostausgang des Sundes nur durch schwache Kräfte beobachten und richtete den Angriff gegen die Hauptmacht des Gegners im Südwesteingange, aus dem die Schweden im Jahre vorher durchgebrochen waren. Er führte bei südwestlichem Winde die Flotte in 3 Kolonnen an die schwedische Stellung heran. Die mittlere, 20 der größten Schiffe, ankerte vor der Mitte der feindlichen Linie, die beiden anderen vor deren Flügeln. Um 9½ Uhr vormittags begann der Kampf, und schon nach zwei Stunden sah sich der russische linke Flügel zum Rückzuge genötigt. Dies war um so verhängnisvoller, als der schwedische rechte Flügel einen Winkel mit seiner Mitte und dem linken bildete, mithin imstande war, die russische Mitte in der Flanke zu bedrohen. Zwar stießen die Gewichenen nochmals vor, aber wieder vergeblich, da die Schweden hier jetzt Verstärkung durch die Kräfte am Nordosteingange erhalten hatten, die nicht angegriffen waren.

[441]

Durch das Flankenfeuer der Schweden sah sich auch die russische Mitte gegen 4 Uhr nachmittags zum Rückzuge genötigt, und der rechte Flügel schloß sich an, da auch sein Gegner verstärkt worden war. Der Rückzug gelang den Ruderfahrzeugen verhältnismäßig gut, aber die größeren Segler konnten mit ihren zerschossenen Takelagen nur schwer gegen den Wind aufkreuzen. Durch Zusammentreiben entstand ein Gewirr, in das die schwedischen Kanonenschaluppen bis 10 Uhr abends hineinfeuerten; viele Russen kamen auf Grund oder trieben an den Strand. Die Nacht brachte eine Pause, aber am nächsten Morgen nahmen die Schweden die Verfolgung wieder auf und verjagten den Feind auch aus den Aspöschären, in die er sich zurückgezogen hatte; in Einzelgefechten wurden noch viele Fahrzeuge genommen.

Der Verlust der Russen betrug 5 Fregatten, 48 Fahrzeuge, 3000 Tote und Verwundete, sowie 6500 Gefangene; die Schweden büßten nach eigener Angabe nur etwa 300 Mann ein.

Die Kriegführung des Jahres 1790 zeigt auf schwedischer Seite ähnliche Fehler wie im Vorjahre. Wieder ließ man die zu dem beabsichtigten überraschenden Angriff günstige Zeit verstreichen. Hierdurch, sowie durch die Untätigkeit der Hochseeflotte nach der Schlacht bei Reval und durch das lange Verweilen der Schärenflotte vor Frederikshamn gewann Rußland Zeit, seine Rüstungen zu vollenden. Schwere Mißgriffe waren es, daß man die Revalflotte nicht zu vernichten suchte und später die gesamten Kräfte in Wiborg einschließen ließ. Diese Fehler werden zum größten Teile dem Könige zur Last gelegt, und wohl mit Recht. Er faßte große, ganz richtige Pläne, führte sie aber nicht tatkräftig durch und schadete seiner Sache durch persönliches Eingreifen, das oft militärische Einsicht vermissen ließ.

Die Russen verfuhren wie im Vorjahre richtig, indem sie sich zurückhielten, namentlich auf See, bis sie stark genug waren. Als einen Fehler muß man jedoch den Angriff beim Svensksunde bezeichnen, da sie dem Gegner alle Zufuhren abschneiden, auf den benachbarten Inseln Batterien einrichten und ihn so allmählich vernichten konnten, aber der Prinz von Nassau war zu siegesgewiß und wollte den Jahrestag der Krönung seiner Kaiserin durch einen großen Erfolg verherrlichen.

Der Friede zu Werelä, 14. August 1790. Die Niederlage beim Svensksunde machte tiefen Eindruck auf Katharina, und sie zeigte sich jetzt zu Unterhandlungen bereit. Sie verzichtete auf die demütigenden Forderungen einer Abbitte durch König Gustav, sowie einer Einmischung in die inneren Verhältnisse Schwedens. Schon am 14. August ward in Werelä der Friede geschlossen, nach dem der Besitzstand in Finnland wie vor dem Kriege hergestellt wurde.

Der blutige und kostspielige Krieg — er hatte Schweden 50000 Mann, 15 Linienschiffe, sowie 23 Millionen Taler gekostet — brachte keinem der beiden Völker einen Vorteil, nur König Gustav hatte durch ihn eine bessere Stellung in seinem Lande gewonnen. Das Selbstbewußtsein der Schweden[442] war erstarkt, weil sie sich dem mächtigen Gegner gewachsen gezeigt hatten; dies war doch aber nur infolge von dessen Ablenkung durch die Türken möglich gewesen. Rußland hatte dagegen bewiesen, daß es auch als Seemacht auftreten konnte, und Katharina zog aus ihrem Freiwerden im Norden Nutzen für ihre Pläne im Westen und Süden.

Dieser Nebenkrieg erscheint besonders dadurch bemerkenswert, daß in ihm die Unternehmungen am Lande infolge der geographischen Verhältnisse fast völlig abhängig von dem Küsten- und damit auch von dem Seekriege waren; die Beherrschung der See gab den Ausschlag.

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Fußnoten:

[195] Anschließend an Band I, Seite 592/3. Näheres findet man in den Spezialwerken der verschiedenen Völker, z. B.: Clowes, Band III; Lacour I, Bonfils, Band II; de Jonge, Band IV. De Jonge beschreibt alle die holländische Marine betreffenden Ereignisse sehr eingehend; aus diesen Schilderungen ergibt sich klar, wie sich die Kämpfe im allgemeinen abspielten.

[196] Das energische Auftreten Keppels wird durch die Anekdote gekennzeichnet, die in den Personalien dieses Admirals bereits erwähnt ist (Seite 249).

[197] Kirchhoff, Band I, schildert die Kriege in der Ostsee bis in Einzelheiten genau; die Darstellung folgt ihm in der Hauptsache. In seinem Werke findet man auch die eingehende innere Geschichte der Marinen Rußlands, Schwedens und Dänemarks, ähnlich wie sie hier für die der Westmächte fortlaufend gegeben wird.

[198] Angaben über die nordischen Marinen in der früheren Zeit siehe Band 1, Seite 582 ff.

[199] Vgl. Band I, Seite 583.

[200] Der Kriegshafen ward 1788 nach Nikolajew am Bug verlegt.

[201] Hauptquelle: Kirchhoff, vgl. die Anmerkung zu Seite 418. Das Werk behandelt besonders auch die Ereignisse des Schärenkrieges sehr eingehend, die hier kürzer gefaßt sind.

[202] Kirchhoff gibt Band I, Seite 328 ff., lesenswerte Angaben über die Entwicklung der Armeeflotte, sowie über die verschiedenen Schiffstypen.

[203] Das Verhalten der Nachhut grenzte hart an Verrat. Der Führer, Admiral Liljehorn, nahm seinen Posten nicht ein, er rief sogar einige seiner Schiffe zurück, die den Kampf suchten. Wahrscheinlich war sein und einiger seiner Kommandanten Verhalten Folge der Parteizwiste in Schweden; er ward kriegsgerichtlich zum Tode verurteilt, aber vom Könige zu Dienstentlassung begnadigt.

[204] Die Zahlenangaben über die Stärken der Küstenflottillen schwanken in den Quellen sehr. Wir geben sie durchweg nach Kirchhoff. Obenstehende Angabe erscheint sehr hoch, denn nach derselben Quelle besaß Schweden 1790 überhaupt nur 285 armierte Fahrzeuge und die pommersche Abteilung scheint nicht in Wiborg gewesen zu sein. Nach dem Durchbruch fanden sich dann nach Kirchhoff nur 195 im Svensksunde zusammen, obgleich nicht mehr als 21 verloren gegangen waren.


[443]

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Seekriege 1739–1793.

Zeit   Seite
1739–1748 Der Englisch-Spanische Krieg und der Österreichische Erbfolgekrieg 45
1756–1763 Der Siebenjährige See- und Kolonialkrieg zwischen England und Frankreich (Spanien) 116
1775–1783 Der Nordamerikanische Freiheitskrieg 207
1739–1793 Kämpfe mit den Barbaresken 417
1741–1743 Schwedisch-Russischer Krieg 418
1756–1763 Die schwedische und die russische Marine im Siebenjährigen Kriege 421
1768–1774 Russisch-Türkischer Krieg 422
1787–1791 Russisch-Türkischer Krieg 424
1788–1790 Schwedisch-Russischer Krieg 425

Seeschlachten.
Gefechte, Angriffe auf Küstenstädte.

Im Spanisch-Englischen und im Österreichischen Erbfolgekriege 1739–1748.
Zeit   Seite
1739 22. November Puerto Belo erobert (Vernon) 60
1740   Spanische Städte in Mittelamerika beschossen 62
1741 März Cartagena angegriffen (Vernon) 64
1741 Juli Santiago de Cuba angegriffen (Vernon) 67
1743 Februar/Mai La Guayra, Puerto Cabello beschossen 69
1744 22. Februar Schlacht vor Toulon (Mathews; de Court) 75
1745 Mai/Juni Louisbourg erobert (Warren und Peperrel) 93
1746   7. Juli Gefecht bei Negapatam (Labourdonnaye; Peyton) 101
1746 21. September Madras erobert (Labourdonnaye) 102
1746 Oktober Lorient angegriffen (Lestock) 87
1747 14. Mai Erste Schlacht bei Kap Finisterre (Anson; de La Jonquière) 89
1747 25. Oktober Zweite Schlacht bei Kap Finisterre (Hawke; de L'Etanduère) 90
1748 August Pondichery angegriffen (Boscawen) 105
1748   1. Oktober Gefecht vor Havanna (Knowles; Spinola) 98
 
Im Siebenjährigen Kriege 1756–1763.
1756 April Minorka erobert (La Gallissonnière) 133
1756 20. Mai Schlacht bei Minorka (La Gallissonnière; Byng) 135
1756 September Rochefort angegriffen (Hawke) 143
1757 21. Oktober Gefecht bei Le Cap, Westindien (Forrest; Kersaint) 176[444]
1758 29. April Schlacht bei Cuddalore (Pocock; d'Aché) 189
1758 27. Juli Louisbourg erobert (Boscawen) 169
1758   3. August Schlacht vor Negapatam (Pocock; d'Aché) 192
1758   Angriffe auf französische Häfen 145
1758–1762 Eroberung der französischen Inseln in Westindien 177
1759   3. Juli Le Havre beschossen (Rodney) 151
1759 18. August Schlacht bei Lagos (Boscawen; de La Clue) 148
1759 10. September Schlacht bei Porto Novo (Pocock; d'Aché) 194
1759 21. September Quebec erobert (Sounders und Wolfe) 171
1759 20. November Schlacht bei Quiberon (Hawke; de Conflans) 154
1759   Pondichery erobert 154
1761 April/Mai Belle-Isle erobert (Keppel) 161
1762 Juni/Juli Havanna erobert (Pocock und Albemarle) 180
1762 Sept./Okt. Manila erobert (Cornish und Draper) 197
 
Im Nordamerikanischen Freiheitskriege 1775–1783.
1776 März Angriff auf die Bahamainseln (Hopkins) 241
1776 28. Juni Charleston angegriffen (Peter Parker) 231
1776 August Long Island erobert (Howe) 235
1778 27. Juli Schlacht bei Ouessant (Keppel; d'Orvilliers) 251
1778 August Newport (Narragansettbucht) angegriffen (d'Estaing) 263
1778 13. Dezember Sta. Lucia erobert (Barrington) 273
1778 15./18. Dez. Versuch der Wiedereroberung (d'Estaing) 274
1779 April/Mai Kanalinseln (Jersey) angegriffen 287
1779   6. Juli Schlacht bei Grenada (d'Estaing; Byron) 270
1779 18. Dezember Gefecht bei Martinique (Hyde-Parker; La Motte-Picquet) 281
1779 Dezember Savannah angegriffen (d'Estaing) 281
1780 16. Januar Schlacht bei Kap St. Vincent (Rodney; Langara) 293
1780 20. März Gefecht bei Monte Christi (La Motte-Picquet; Cornwallis) 299
1780 17. April Schlacht bei Martinique (Rodney; de Guichen) 301
1780 11. Mai Charleston erobert (Clinton und Arbuthnot) 308
1780 15. u. 19. Mai Gefechte bei Martinique (Rodney; de Guichen) 304
1780 20. Juni Gefecht bei den Bermudainseln (de Ternay; Cornwallis) 309
1781 16. März Erste Schlacht vor der Chesapeakebucht (Arbuthnot; Des Touches) 333
1781 16. April Schlacht von Porto Praya (Suffren; Johnstone) 382
1781 29. April Gefecht bei Martinique (de Grasse; Hood) 327
1781   5. August Schlacht auf der Doggerbank (Hyde-Parker; Zoutman) 321
1781   5. September Zweite Schlacht vor der Chesapeakebucht (de Grasse; Graves) 338
1781 12. September Vernichtung eines französischen Konvois (Kempenfelt; de Guichen) 323
1782 25. Januar Schlacht bei St. Christopher (St. Kitts) (Hood; de Grasse) 355
1782 26. Januar Ankergefecht bei St. Christopher (St. Kitts) (Hood; de Grasse) 357
1782   4. Februar Minorka von Spanien erobert 318
1782 17. Februar Schlacht bei Sadras (Suffren; Hughes) 385
1782   9. April Schlacht bei Dominica (Rodney; de Grasse) 361
1782 12. April Schlacht bei Dominica (Les Saintes) (Rodney; de Grasse) 363
1782 12. April Schlacht bei Providien (Suffren; Hughes) 388
1782   6. Juli Schlacht bei Negapatam (Suffren; Hughes) 390
1782   3. September Schlacht bei Trincomali (Suffren; Hughes) 394[445]
1782 13. September Der große Angriff der Spanier auf Gibraltar 350
1782 20. Oktober Gefecht bei Kap Spartel (Howe; Cordoba) 352
1783 20. Juni Schlacht bei Cuddalore (Suffren; Hughes) 400
 
In den Nebenkriegen 1740–1793.
1758 11. September Gefecht einer schwedischen und einer preußischen Flottille beim Reppiner Haken 421
1760 u. 1761 Kolberg durch Schweden und Russen beschossen 421
1761 Juni Sale und Larache durch Franzosen beschossen (Du Chaffault) 418
1770   5. Juli Vernichtung der türkischen Flotte vor Tscheschme (Orlow) 423
1788 28./29. Juni Siege der russischen Flotte über die türkische vor Otschakow 425
1788 17. Juli Schlacht bei Hogland (Herzog Karl von Södermanland; Greigh) 428
1789 26. Juli Schlacht bei Öland (Herzog Karl; Tschitschakoff) 431
1789 24. August Schärenschlacht im Svensksunde (Ehrensvärd; Prinz von Nassau) 433
1790 17. März Raagervik (Baltisch Port) überrumpelt 435
1790 13. Mai Schlacht vor Reval (Herzog Karl; Tschitschakoff) 435
1790 15. Mai Frederikshamn angegriffen (König Gustav III.) 436
1790 3./4. Juni Schlacht in der Kronstädter Bucht (Herzog Karl; Kruse) 436
1790   3. Juli Durchbruch der schwedischen Flotte aus der Wiborgbucht 438
1790   9. Juli Schärenschlacht im Svensksunde (König Gustav; Prinz von Nassau) 440
1791 19. Juli, 8./9. September Siege der russischen Flotte über die türkische im Schwarzen Meere 425
deco

[446]

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Sach- und Namenverzeichnis.

deco

E. S. Mittler & Sohn, Berlin SW., Kochstr. 68–71.


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