The Project Gutenberg EBook of Californische Skizzen, by Friedrich Gerstäcker This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this eBook or online at www.gutenberg.org/license Title: Californische Skizzen Author: Friedrich Gerstäcker Release Date: March 25, 2017 [EBook #54422] Language: German Character set encoding: UTF-8 *** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK CALIFORNISCHE SKIZZEN *** Produced by the Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net (This book was produced from scanned images of public domain material from the Google Books project.) #################################################################### Anmerkungen zur Transkription Der vorliegende Text wurde anhand der 1856 erschienenen Buchausgabe so weit wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Ungewöhnliche, altertümliche und inkonsistente Schreibweisen wurden, auch bei Eigennamen, beibehalten, insbesondere wenn es sich um Übertragungen fremdsprachlicher Begriffe handelt oder diese im Text mehrfach auftreten. Zeichensetzung und offensichtliche typographische Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Die Buchversion wurde in Frakturschrift gedruckt. Die von der Normalschrift abweichenden Schriftschnitte wurden in der vorliegenden Fassung mit den folgenden Sonderzeichen gekennzeichnet: gesperrt: +Pluszeichen+ Antiqua: ~Tilden~ #################################################################### Californische Skizzen von Friedrich Gerstäcker. [Illustration] Leipzig, Arnoldische Buchhandlung. 1856. Inhalts-Verzeichniß. Seite 1. Eine Nacht am Mosquitogulch 1 2. Die Mission Dolores bei San Francisco 40 3. Ein Stiergefecht auf der Mission Dolores 56 4. Gerichtsscene in Stockton 81 5. Die Entdeckung des Jakaßgulch 97 6. Die französische Revolution 159 7. Eine Nacht in einer Californischen Spielhölle 196 8. Vier Tage auf der Bai von San Francisco 249 9. Der Mexikaner in den Californischen Minen 277 10. Der Ostindier 304 Eine Nacht am Mosquitogulch. „Sorgen? -- pah, wer kennt hier Sorgen, Goldgräber ho!“ -- +Goldgräber-Lied.+ Weit im fernsten Osten der Californischen Goldminen, d. h. soweit, als damals die kühnen Miner nach Osten vorgedrungen waren und Gold gefunden hatten, und gerade dort, wo sich die Wasser der südlichen Flüsse Macalome und Calaveres scheiden, läuft mitten durch die mit dem herrlichsten Baumwuchs bedeckten höchst romantischen Berge, dicht im schattigen Grün versteckt, ein kleiner Bergbach, der sich nur eine kurze Strecke weiter unterhalb, aber fast immer steil und schäumend, in den tief unten dahinbrausenden Süd-Arm des Macalome ergießt, oder eigentlich hineinstürzt. Diesen kleinen Creek oder Gulch, (wie sich der Californische Name nach und nach durch allgemeinen Gebrauch gebildet, da Gulch eigentlich nur die Schlucht bedeutet durch welche der Bach läuft) hatten die ersten Entdecker desselben, Deutsche, den Mosquitogulch genannt. In dem wildverwachsenen Dickicht, der den unteren Theil des Gulch’s füllte und meist aus einer Art wilder Kirschen und Haselbüsche bestand, hielten sich auch in der Sommerzeit eine ganz ansehnliche Masse dieser lieben Thierchen auf, und spornten die Arbeiter zu neuer Thätigkeit, wenn sie einmal kurze Zeit in dem kühlen Schatten der dort wirklich riesenhaften Cedern und Fichten ausruhen und Spitzhacke und Schaufel, wie sie es nannten, wollten „kalt werden lassen“. Es sind vortreffliche Aufseher die Mosquitos. Gar arg waren sie übrigens, beiläufig gesagt, bei alle dem nicht. Die Leute die den klaren freundlichen Bach so nannten und ihm dadurch gewissermaßen einen schlechten Namen gaben, hatten nur noch keine Plage gesehen wo wirklich Mosquitos sind -- sie waren noch nicht am Mississippi gewesen. Etwa halbwegs also an dem Waldstrom, soweit vielleicht von seiner Quelle als seiner Mündung entfernt, und an dem Hang des Hügels der an drei Seiten von tiefen Schluchten begrenzt wurde (im Norden von dem Mac Gualome selber, über den hin diese Abdachung eine wundervolle Fernsicht nach seinen nördlichen fichtenbewaldeten Ufern gestattete, während tief von unten herauf sein hohles Brausen, wie er über Felsblöcke und Baumstämme wegsprang, in das Ohr des Lauschenden tönte, -- im Osten von einer kleinen nicht so tiefen trockenen Schlucht, und im Westen von dem tief und scharf eingeschnittenen Mosquitogulch, nach dem ein schmaler Pfad etwa zweihundert Schritt lang steil hinab führte) -- stand ein kleines Zeltlager oder Camp, wie es in der Minensprache genannt wurde. Die vier kleinen Zelte, drei weiße und ein blaues, waren dicht und heimlich unter wahrhaft großartige Fichten und niedere Eichenbäume hineingeschmiegt, und zur Nachtzeit loderten mächtige Feuer in ihrer Mitte. Diese vier Zelte wurden von eben so vielen „Compagnien“ (wie die zwei, drei, vier oder mehr, die zusammen arbeiten, genannt werden) bewohnt. Es waren dieß, mit Ausnahme eines einzigen Amerikaners, lauter Deutsche, die meisten sogar mit den Bremer Schiffen +Talisman+ und +Reform+ von Deutschland, einzelne aber auch aus Australien und anderen Theilen der Erde hierhergekommen. Nach echt Californischer Wanderart hatten sie sich hier, meist zufällig, auf dem einsamen aber reizend gelegenen Hügelrücken zusammengefunden. Etwa hundert Schritt davon stand noch ein anderes Zelt, in welchem eine Compagnie englischer und irischer Miner hauste, und noch weiter hin lagerten ein Pole und ein Deutscher, beide von Texas hier herüber gekommen, unter freiem Himmel. Die Regenzeit war noch nicht eingetreten und die Nächte blieben fast immer sternenhell. Hast du, lieber Leser, Lust, und nichts Besseres zu thun, so wollen wir einmal den heutigen Abend -- es ist ein Sonntag -- dort zubringen. Wir finden ein lustiges Völkchen, gute Gesellschaft und jedenfalls einen freundlichen Willkommen. Es ist etwa vier Uhr Nachmittags und das Lager außergewöhnlich still; was mag aus all den Menschen geworden sein, die es sonst so lebendig machen? Ja, Freund, wir leben hier fünf englische Meilen von dem nächsten Store oder Provisionsladen entfernt, und da geht von jeder Compagnie wenigstens Einer (gewöhnlich aber auch Mehrere) Sonntags zu Esel, Maulthier oder Pferd -- denn diese drei verschiedenen Beförderungsmittel existiren hier sämmtlich -- nach „Charles Store“. Dies ist ein in der ganzen Gegend wohlbekannter Platz, wo sich die Miner die nöthigen Provisionen an Mehl, Kartoffeln, Fleisch, u. s. w. für die nächste Woche, und manchmal auch einen kapitalen Rausch für den besonderen Abend holten. Vor Dunkelwerden kommen dann diese meist sehr lustigen Leute selten wieder zurück, ja oft wird es zehn und elf Uhr, und wenn die Esel dann nicht klüger wären als -- doch das ist vorgegriffen. Eigentlich bewegte sich bis jetzt nur eine einzige Gestalt um die Zelte herum -- ein Mann in einem rein gewaschenen aber schon alten und oft ausgebesserten roth wollenen Hemd und grauleinenen Beinkleidern, mit dunkelbraunem, lockigem Haar, kleinen aber lebendigen Augen, und breiten, Arbeit gewohnten Händen, man könnte sagen Fäusten. -- Er arbeitete mit einem Andern, Namens Panning zusammen. Panning war in Deutschland Kutscher bei einem Grafen „so und so“ gewesen und nach Californien gekommen sein Glück zu machen. Albert hatte einen Ochsenkarren über die Sierra Nevada für Onkel Sam getrieben -- er erzählte gern von dieser Fahrt -- später war er, glaub’ ich, „freiwillig fortgegangen“, wie es die Ausreißer dort gewöhnlich nannten, oder auch entlassen worden, kurz er befand sich hier oben am Mosquitogulch und „machte gut aus“. -- Lieber Leser, Du wirst Dich noch an viele solche Minenausdrücke gewöhnen müssen und darfst nicht jetzt schon den Kopf darüber schütteln. Albert war eifrig beschäftigt seine Matratzen und Decken, die den Tag über in der Sonne gelegen, wieder ins Zelt zu schaffen, die heute Morgen gewaschenen Kleidungsstücke von der zu diesem Zweck zwischen zwei jungen Eichen ausgespannten Leine zu nehmen, und nachher Holz für den Abend herbei zu schaffen. Er hatte den ganzen Tag schon genäht und ausgebessert und war überhaupt ein ungemein fleißiger Mann und tüchtiger Arbeiter. Panning und Albert besaßen gemeinschaftlich ein weißes Maulthier. In dem blauen Zelte regte sichs auch. Der einsame Bewohner desselben, dessen Kleidern ein paar gute Faden grauer Zwirn eben auch keinen Schaden gethan haben würden, lag aber ziemlich faul auf seiner Decke vor dem Zelt, und schaute in den grünen Baumwipfel hinauf. Das Zelt wurde von drei Deutschen, Renich, Haye und Müller -- so wollen wir den dritten nennen, denn mein eigener Name ist so verwünscht lang, -- bewohnt. Renich und Haye waren nach dem Store -- der eine auf, der andere neben Mosquito (wie wir den uns Dreien gehörigen Esel zu Ehren des Gulches tauften,) gegangen, und Müller hätte allerdings immer aufstehn und ein Feuer anmachen können, denn wenn seine beiden Compagnons nach Hause kamen, waren sie hungrig und wollten etwas zu Essen haben. Erstlich aber war nichts zu essen mehr da, denn die letzten vier Kartoffeln und zwei Zwiebeln -- der ganze Rest der vorigen Wochen-Provision, etwas fertig gebackenes Brod ausgenommen, hatte eben seine letzte Mittagsmahlzeit gemacht, und dann kannte er auch schon seine Pappenheimer. Die kamen so früh gar nicht, und hatten dann auch immer weit mehr Durst als Hunger. -- Wo ein Brauhaus steht, kann kein Backhaus stehen, ist ein altes gutes Sprüchwort. Vor dem großen Zelte fing eben der einzig Zurückgebliebene „Försterling“ an, Spähne und Laub zusammenzusuchen, das fast ganz niedergebrannte Feuer wieder aufzufrischen. Aber selbst hierbei schien Eigennutz die vorherrschende Leidenschaft (wenn die ungeheure Ruhe, mit der er es that, Leidenschaft genannt werden konnte). Er hatte selber Hunger bekommen und auch einige kalte Kartoffeln von seinem ebenfalls sehr frugalen Mittagsessen übrig behalten, die er sich aufbraten wollte. Dort hinter den riesigen Fichten und Cedernwipfeln ging jetzt die Sonne unter. Das war ein herrlicher Anblick, wie sie die breitmächtigen Hügelrücken da drüben über dem Fluß mit so zauberisch glühendem Licht übergoß, in dem dunkeln Nadelholz spielte, und die Wipfel der stattlichsten Bäume, die je mein Auge gesehn, mit ihrem letzten Kuß berührte. Eine heilige Stille lag auf dem Wald -- nur leise, leise rauschte der leichte Abendwind in dem blitzend-funkelnden Laub. Wie ein feiner Duft zogen dünne luftige Nebel-Schatten über das aetherreine Firmament, und das dumpfe ferne Brausen des unten dahin schießenden Stromes, zu weit entfernt die süße Ruhe des Ganzen zu stören oder zu unterbrechen, tönte wie ferner Orgelklang in gewaltigen tief in die Seele greifenden Akkorden herauf. „Na, Gott straf mich, Müller, Sie möchten da wohl heute den ganzen Abend liegen bleiben?“ platzte Försterling endlich heraus. -- „Wollen Sie denn nicht dafür sorgen, daß Haye und Renich ein Feuer vorfinden?“ „Bah, die kommen noch lange nicht,“ sagte Müller ziemlich bestimmt, aber doch mit einiger moralischen Zerknirschung, denn sie konnten allerdings jeden Augenblick kommen. Er sprang auch in die Höhe, warf seine Decke an die linke Zeltseite und ging jetzt ernstlich daran, ebenfalls Holz herbei zu tragen ehe es dunkel würde, und die sonst nöthigen Vorbereitungen zu treffen. Albert hatte indessen sein Abendessen fertig -- Albert und Panning theilten sich die Provision immer so ein, daß sie Sonntags auch noch etwas übrig behielten -- und erwartete jetzt mit Ungeduld den gewöhnlich um diese Zeit zurückkehrenden Compagnon. „Auch nicht ein Tropfen Brandy in der Flasche,“ sagte Försterling endlich, als er mit der leeren Flasche aus dem Zelt kam und sie, wenn gleich vergeblich, zuerst gegen das letzte Abendroth am Himmel, und dann, als ob er dem nicht glauben wollte, gegen das jetzt hell und licht aufflackernde Feuer hielt -- „haben +Sie+ keinen mehr, Müller?“ -- „Nicht die Spur,“ lautete die wenig Trost bringende Antwort, „der Brandy hält sich hier nicht, Försterling, die Flaschen werden zu oft geschüttelt.“ „O das Schütteln schadet ihm Nichts,“ sagte Försterling, nahm die leere Flasche beim Hals und warf sie so weit er konnte in die trockene Schlucht hinab. Diese war schon ganz mit zerbrochenem Glase bestreut und wurde von den dort manchmal umherstreifenden Indianern auf das sorgfältigste gemieden. „Das verwünschte Umdrehen, das auf den Kopf halten kann der Brandy aber nicht vertragen. Ich wollte wirklich Meier und Hammerschmidt kämen. Wo zum Henker die auch wieder so spät in der Nacht stecken.“ Eine halbe Stunde verging noch, ohne daß sich das mindeste hören ließ. Es war indessen stockdunkel geworden und nicht einmal Mondschein, während der Platz, wo die Zurückkommenden mit den beladenen Thieren, etwa eine halbe Meile weiter aufwärts, durch den Gulch selber mußten, durch die dichten Büsche und mehr noch durch die überall dort gegrabenen Löcher im Dunklen sehr bös zu passiren war. Endlich horchte Försterling hoch auf: „So leben wir, so leben wir, so leben wir alle Tage.“ „In der allerschönsten Saufcompagnie!“ -- klang es klar und deutlich durch die Büsche. „Ich bin liederlich, Du bist liederlich, sind wir nicht liederliche Leute,“ sang eine kreuzfidele feine Stimme dazwischen. „Das ist der liederliche Hammerstrick!“ sagte Försterling kopfschüttelnd, „der bringt sich wieder einen famosen Rausch mit zu Haus.“ „Ja, wenn er nur den Esel auch mit bringt,“ sagte Albert -- „Und Panning hör’ ich noch gar nicht dabei.“ „Bumsfallera, wir brauchen keinen König mehr -- Bumsfallera, wir brauchen keinen mehr“ -- fiel eine andere, bis dahin noch nicht gehörte Stimme ein. „Das ist Haye,“ sagte Müller, „das wird ein fideler Abend werden.“ „So leben wir, so leben wir, so leben wir alle Tage,“ tönte es wieder mit dem regelmäßig einfallenden Chor von „Bumsfallera“ näher und näher, und während die helle Flamme, die durch rasch auf das Feuer geworfenes Reisig hochaufloderte, mit einem lauten Hurrah von den Zurückkommenden begrüßt wurde, nahete der lang erwartete höchst fidele Zug. Voran kamen die Esel, Mosquito im Geschwindschritt, denn er wußte, daß er jetzt seine Last los wurde, und Brod zu fressen erhielt -- Hans, der andere Esel, kam etwas gemäßigter dahinter her, und darnach das Pferd, ein gutmüthiges Thier -- von Klaussen und Barkhorn gehalten. Die Thiere bedurften auch keiner weiteren Leitung. Rasch auf dem schmalen Pfad dahinschreitend, der sich bis dahin durch eine Art wilder Kaffeebüsche gezogen hatte und jetzt auf den offnen freigebrannten Hang auslief, wußte jedes sein eigenes Zelt und suchte das auf, so schnell als möglich sich abladen zu lassen, und dann wieder für die ganze Woche Freiheit zu bekommen. „So leben wir, so leben wir, so leben wir alle Tage!“ jubelte Meier. „Ja, das wäre eine schöne Geschichte,“ meinte Försterling, „da könnten wir uns gratuliren.“ „Aber wo ist denn Panning?“ rief Albert in getäuschter Hoffnung. Das heißt er frug nach Panning, meinte aber das weiße Maulthier mit den Provisionen. „Ist Panning noch nicht hier?“ rief Haye lachend -- „Donnerwetter, der ist ja mit uns weggeritten d. h. zu Fuß gegangen und war dicht hinter uns.“ „Hatte er denn was?“ frug Albert mit bezeichnender Handbewegung. „Was?“ lachte Haye -- „Bumsfallera, wir brauchen keinen König mehr!“ Für den Augenblick schien eine allgemeine Verwirrung in dem kleinen Lager zu herrschen. Alles lief und schrie durcheinander, und die einzigen Vernünftigen schienen die Esel zu sein, die indessen regungslos und geduldig vor ihren resp. Zelten standen und der Abladung entgegen harrten. Während das ein Theil besorgte, brachte der andere das Feuer in Ordnung und Pfannen und Töpfe herbei. Nur Meier und Hammerschmidt fielen sich um den Hals, erklärten beide, daß sie ganz gute Kerle wären, und die andern verdammten Lumpen alle mitsammen nichts taugten, und legten sich dann Beide in ihr Zelt auf die Decken, vor dem Abendessen noch ein halbes Stündchen von den überstandenen „Strapazen“ auszuruhen. Albert erkundigte sich indessen vergebens nach Panning, „man wußte nicht wohin er kam,“ und er setzte sich zuletzt hin, sein zubereitetes, und fast eingekochtes Abendessen in aller Verzweiflung allein zu verzehren, als plötzlich mehrere Stimmen zugleich riefen: „Da kommt Panning!“ und auch wirklich wenigstens das Maulthier (oder der Maulesel wie die Thiere in Californien stets von den Deutschen geschimpft werden) in dem hellen Licht der Flammen zum Vorschein kam, und auf sein ihm wohlbekanntes Zelt mit einem freudigen Wiehern zuschritt. Das war der Esel, aber wo blieb Panning? -- -- jedenfalls verschwunden, und da das einzige Wesen, was etwa darüber hätte Aufklärung geben können, das Maulthier selber, hartnäckig schwieg, ließ sich weiter Nichts thun. Mosquito hatte indessen seine Zeit ebenfalls vollkommen gut benutzt. Die Provisionen, die er mitgebracht waren ihm abgenommen, und lagen theils in, theils noch vor dem Zelt, und Mosquito bekam -- seine gewöhnliche Belohnung nach jedem Sonntags-Spaziergang -- einen ganzen Schiffszwieback, den er augenblicklich verarbeitete und dann langsam um’s Zelt ging sich seinen andern Kameraden anzuschließen. So wenigstens that er, Mosquito wußte aber recht gut was er mitgebracht hatte, und dachte gar nicht daran all die noch dort umher gestreuten guten Sachen so, ohne wenigstens einen Versuch zu machen etwas mehr davon zu bekommen, im Stich zu lassen. Vor dem Zelt lag ein Sack mit getrockneten Aepfeln und Zwiebeln (man muß da immer, der stets fehlenden Säcke wegen, einzelne Gegenstände zusammenpacken; und getrocknete Aepfel und Zwiebeln lassen sich sehr gut wieder auseinander sortiren). Mosquito wußte das ebenfalls, und als seine Herren den Rücken drehten, brachte er seinen Kopf leise um die Zeltecke und in den Sack hinein, fraß die getrockneten Aepfel sauber zwischen den Zwiebeln heraus -- denn Zwiebeln mochte er nicht -- und verlor sich hierauf geräuschlos in den dunkeln Wald ohne sich noch einmal im Licht blicken zu lassen. Ueberall zischte und brodelte es jetzt auf den Feuern -- die Einen kochten, die Andern sangen, keiner bekümmerte sich um den Nachbar, bis hie und da der Ruf: „Schaffen, schaffen“, den die Leute noch mit vom Bord ihrer Schiffe in die Berge gebracht hatten -- Einzelne um die an mehreren Stellen etwas roh aufgeschlagenen Tische sammelte. Das Feuer wurde dann mit trockenem Holze versehen, ein einigermaßen gutes Licht zu geben, und die Mahlzeit ging vor sich. Försterling hatte aber Mühe, +seine+ Leute munter zu bringen. „Hammerschmidt -- Meier -- steht auf, das Essen ist fertig!“ Hammerschmidt stieß einen tiefen Grunz aus -- Meier sagte gar nichts. „Hammerstrick verdammter, steh auf -- zum Donnerwetter, wie lange soll ich Dich denn hier herum schütteln? das Essen ist fertig -- nachher kannst Du Dich wieder hinlegen.“ Hammerschmidt hob sich endlich in die Höhe und sah sich erstaunt um -- er glaubte augenscheinlich es wäre Morgen. „Schwere Noth!“ sagte er mit seiner feinen Stimme -- „es ist ja noch ganz dunkel -- was fällt denn dem Landrath heute Morgen ein“ -- Försterling hieß nämlich, noch vom Schiffe her, allgemein der Landrath. Während die Andern lachten, machte sich Försterling wieder an Meier. „Meier -- ich sage dirs jetzt zum letzten Male, wenn Du nun nicht gleich kommst, dann warten wir noch ein Bischen -- Meier!“ und er schüttelte den Schläfer aus Leibeskräften. „Du, Landrath,“ murmelte aber Meier, der der Stimme nach einen unbestimmten Begriff haben mochte, wer der ihn Weckende sei -- „nimm Dich in Acht -- gefährlich ist’s den Leu zu wecken.“ „Ne,“ meinte der Landrath, einen neuen Versuch machend ihn munter zu bekommen, „das kann ich eben nicht sagen, aber +beschwerlich+ ist’s.“ Endlich waren alle munter, und die Tischgespräche begannen, die sich meist auf die heute im „Store“ erlebten Vorfälle bezogen. Besonders wurde Pannings Ausbleiben besprochen. Meier philosophirte. „Ja,“ sagte er, „das sind nun die Vergnügungen in Californien. Panning wird’s wohl heute gerade so gegangen sein, wie mir’s vor acht Tagen passirt ist. Da geht man morgens nach dem „Store“ und trinkt sein Gläschen, auch wohl zwei und dann bekommt man Appetit und nun gehts mit Champagner und Porter los. -- Bis es Abend wird, kostet Einen die Geschichte seine dreißig Dollar bis zwei Unzen und wenn man Morgens aufwacht, liegt man im Busch und weiß nicht wo man ist, noch viel weniger wie man dahin gekommen.“ „Aber Hammerschmidt gings doch vor vier Wochen noch besser,“ lachte Haye, „es thut mir nur leid, daß ich nicht malen kann; das müßte ein famoses Bild geben.“ „Seid Ihr nur ruhig,“ sagte Hammerschmidt, mit vollen Backen ein delikates Beefsteak mit gebratenen Zwiebeln verarbeitend, „Ihr macht’s Alle miteinander nicht um ein Haarbreit besser.“ „Wie war denn die Sache?“ frug Wohlgemuth, ein junger Mann, der zum „Prospektiren“ vom Calaveres hier herüber gekommen war, und ein wenig schwer hörte, indem er die Hand gegen das Ohr hielt. „Ach, nun kommt nicht wieder mit der alten Geschichte,“ brummte Hammerschmidt. „Heraus damit,“ rief aber Meier, „auf daß sie so einem jungen leichtsinnigen Menschen, wie Wohlgemuth ist, zum warnenden Beispiel diene.“ „O, die Geschichte war einfach genug,“ erzählte Haye -- „Hammerschmidt kam, seinen Esel vor sich her treibend, von Charles Store. -- Natürlich war er wie gewöhnlich der letzte, und halb im Dusel auch, aber doch immer noch so, daß er wenigstens den Pfad, oder vielmehr den Esel halten konnte, denn er blieb schon selber im richtigen Weg. Im Wald war es aber verwünscht dunkel, und etwa eine halbe Meile, oder etwas mehr von Charles Store, liegt doch ein Baum quer über den Weg, das heißt, er ist eigentlich vom Weg abgefallen, so daß die Wurzel gerade den Pfad ausfüllt. Der Esel ging nun natürlich um die Wurzel herum, bog in den Pfad wieder ein und kam zur richtigen Zeit nach Hause; Hammerschmidt aber, wie er an die Wurzel kam, glaubte +das+ wäre der Esel, und fing an drauflos zu keilen.“ „Komm Hans -- komm mein Thier -- fauler Satan will er die Nacht hier mitten im Wege stehen bleiben? -- und nun setzte es wieder aus Leibeskräften Hiebe auf die elastischen Wurzeln des Baumes, die sich im Schlag etwa so anfühlten, wie eines geduldigen Esels Rücktheil. Trotz Hammerschmidts jedenfalls gut gemeinten Ermunterungen, wollte der sonst so folgsame Esel heute aber nicht von der Stelle, und der Treiber, endlich noch mehr durch das Schlagen als alle vorhergegangenen „Schlucke“ ermüdet, setzte sich neben sein vermeintliches Lastthier hin, um es erst ein wenig ausruhen zu lassen und dann einen zweiten Versuch zu machen. Als Hammerschmidt wieder erwachte war es heller Tag, und er saß vor der Wurzel.“ „Ihr wüßtet doch Alle nichts davon, wenn ich es Euch nicht selber erzählt hätte,“ rief Hammerschmidt, als die andern lachten. „Und stand denn der Esel am nächsten Morgen noch da?“ frug Wohlgemuth, der nur die Hälfte von der Geschichte gehört hatte. „Nanu bitt’ ich aber zu grüßen,“ rief Meier, und Hammerschmidt lachte jetzt auch mit. Försterling hatte heute Abend noch Brod zu backen und der Sauerteig stand schon eingeknetet; dort wurde also auch das größte Feuer angemacht, die gehörige Gluth herauszubringen -- da wir das Brod in offenen Bratpfannen aus Mangel besseren Geschirres, backen mußten -- und dort versammelte sich auch deshalb Abends das ganze kleine „Camp“ in allen seinen Schattirungen. Wer Brod buk übernahm zugleich die Verpflichtung, die ganze Gesellschaft mit Licht und Feuerung zu versehen, und da das gewöhnlich umging, d. h. so eingerichtet wurde, daß höchstens zwei an einem Abend buken und während jeder Woche wenigstens zweimal gebacken werden mußte, so loderte auch jeden Abend wenigstens +ein+ tüchtiges Feuer, als Sammelplatz, in die Höh und knisterte und spielte hoch oben in den Nadeln der Fichten und den in der Gluth wehenden Eichenzweigen. Der Abend war übrigens noch nicht weit genug vorgerückt Alle auf einem Punkt zusammenzuziehen, und so bildeten sich auch die verschiedenartigsten Gruppen -- größtentheils so placirt, daß sie die Front immer der hellen Flamme zukehrten. Haye hatte jetzt, als er die mitgebrachten Sachen forträumen wollte, den Streich entdeckt, den uns Mosquito gespielt, und wollte den Esel zur Rechenschaft ziehn; aber wo war Mosquito? In allem Grimm ließ er sich jetzt nicht abhalten, die Provisionen erst nachzusehen, um herauszubekommen was der Esel eigentlich Alles gefressen habe, zündete eins der mitgebrachten Lichter an und las den Speisezettel ab. Es war für drei Personen auf die Woche bestimmt. 25 Pfd. Mehl 4 Dollar 25 Cent, ist noch da. -- 3 Pfd. Zucker 1 Dl. 50 Ct. hinten in dem Paket. -- 1 Pfd. Kaffee 75 Ct. -- hier -- da steckt der Käse mit dabei. -- 2½ Pfd. Käse 2 Dl. 93¾ Ct. Donnerwetter, das ist genau berechnet. 6½ Pfd. gesalz. Schweinfl. 2 Dl. 43 Ct. das steckt mit im Sack bei den Kartoffeln -- hier. -- 10 Pfd. Kartoffeln ~à~ 25 Ct. 2 Dl. 50 Ct. 4 Pfd. getrocknete Aepfel 2 Dl. 50 Ct. -- laufen jetzt da unten irgendwo im Gulch herum -- es ist nur ein Glück, daß der Satan die Zwiebeln nicht mag. -- 4 Pfd. Bohnen 2 Dl. 25 Ct. hier. -- 2 Päckchen Streichhölzer 25 Ct. Na das ist gescheit, die haben wir lange brauchen können. -- 2 Pfd. Seife 1 Dl. 25 Ct. -- ½ Pfd. Lichter 1 Dl. 25 Ct. sind nicht da -- ja wohl -- müssen da sein, die stecken mit beim Mehl drin. Na, da werden sie auch gut aussehen -- ach die brennen doch. -- 4 Pfd. Schiffszwieback 1 Dl. -- Aepfel frißt der Racker lieber -- hier. -- 2 Pfd. Zwiebeln 2 Dl. -- stecken bei den Aepfeln -- ne, Gott sei Dank nicht -- hier. -- 18 Pfd. frisch Fleisch 5 Dl. 50 Ct. hängt hieroben im Sack -- wir hätten lieber die Aepfel aufhängen und das Fleisch liegen lassen sollen. -- 3 Flaschen Brandy 4 Dl. 50 Ct. Ah -- wieder der alte wackre Stoff No. 1792 was für eine solide Nummer das ist. -- Das macht zusammen: -- „Na nun hört einmal mit Eurer langweiligen Rechnerei da auf!“ rief Meier, „kommt hier mit her. Heute ist Sonntag Abend und der Teufel hole die Calculationen. -- Du, Landrath, was ist das nur für ein lumpiges Feuer, und da soll ein Mensch bei sehen.“ Meier war an und für sich eine Hauptpersönlichkeit, ja früher schon hier im deutschen Camp zum Alkalden ernannt worden, alle vorkommenden Streitigkeiten, die aber nicht selten von ihm selber ausgingen, zu schlichten. Er trug einen Strohhut mit schmalem Rand, von welchen Dimensionen aber ließ sich nicht gut erkennen, da er oben im Deckel auf eine mehr gewaltthätige als künstliche Weise so eingedrückt war, daß sich der Deckel wie eine Schnecke in ihr Haus, fast bis zu dem fabelhaft schmalen Rand niedergezogen hatte, und ringsherum eine tiefe Falte legte. Seine Sonntagskleider waren nach Minengebrauch einfach aber stark und reinlich -- die Wochen- oder Arbeitskleider hätten dagegen auf jeder Maskerade Furore gemacht. Das erste Paar Hosen was er bei der allerdings sehr schweren Arbeit im Gulch getragen, war, wenn auch nicht den Weg alles Fleisches, doch jedenfalls den aller Hosen gegangen, und um nicht der Arbeit einer, überdieß schwerlich vorhaltenden Reparatur ausgesetzt zu sein, hatte er ein Paar andere, die nicht eben an denselben Stellen zerrissen waren als die ersten, darüber gezogen. Nur an einigen Stellen correspondirten sie mit einander, und da schaute dann das neugierige Fleisch allerdings hie und da hervor. Morgens und Abends trug er einen weiten Ueberzieher, der aussah wie ein heruntergekommner gebildeter Mensch in liederlicher gemeiner Gesellschaft -- der Schnitt war gut daran, weiter ließ sich aber auch nichts darüber sagen, denn Farbe wie Stoff gehörten einem so vergangenen Zeitalter an, daß beide gewissermaßen in einander verschwammen. Schuhe hatte er allerdings, diese waren auch früher einmal genäht gewesen, wenigstens ließen sich noch überall in den Nähten die Faden und die Löcher erkennen, welche die Ahle des Schusters daran hervorgebracht, jetzt hingen sie aber freilich nur noch durch Bindfaden zusammen, und um die Sohle vielleicht zu schonen, ging er neben derselben her. Es ist das übrigens das sicherste Zeichen eines Miners -- den rechten Schuh oder Stiefel schief getreten zu haben, was von dem Abstechen mit dem Spaten oder der Schaufel herrührt. -- Am Hut trug Meier noch, als Verzierung, eine alte bronzene Broche mit vier oder fünf nachgemachten und theilweis eingedrückten Perlen besetzt. Die Miner machen darin überhaupt nicht selten Staat -- des Landraths Hut glänzte besonders mit einer alten Straußfeder, die er Gott weiß wo aufgetrieben, und von einer Agraffe aus einem kleinen Zinnspiegel und einer darumgewundenen Glasperlenschnur auf das künstlichste gebildet. Wer solchen Putz nicht aufbringen konnte, trug wenigstens eine Broche an Mütze oder Hut. In der Art wie ich Meiers Tracht beschrieben habe, sahen die meisten Uebrigen, Panning, Albert und Haye vielleicht ausgenommen, ebenfalls aus -- es war eine wilde Bande. Meier schien indeß der Nerv, der dem Ganzen Leben gab, und wenn er sich besonders erst ein wenig „hinein gearbeitet hatte“ war an Schlafen nicht mehr zu denken. Fiel dann aber am Ende, wenn es Nachts zwölf und ein Uhr wurde, Einer nach dem andern ab und ging, wie es hieß, +zu Coye+; so lag er nachher wohl noch zwei und drei Stunden allein am Feuer und sah in die Flammen. „Nun Landrath,“ sagte Meier zu diesem, als das Abendessen vorüber war und sich die Umlagernden ziemlich Alle um das Feuer gesammelt hatten -- „wie hast Du nun heute Deinen Tag hingebracht -- heh? -- geschlafen natürlich.“ „Ne,“ sagte Försterling -- seinem Geschäft nach ein Klempner, aber sonst ein fideles Haus und eine gute Seele -- „ich bin heute auf der Jagd gewesen.“ „Mit der Büchsflinte?“ -- „Versteht sich, das ist ein famoses Gewehr -- die Kugel schlägt sich ein Bischen schwer hinein, aber sie kommt verdammt schnell wieder heraus -- ein paar Mal ist sie mir von selber losgegangen.“ „Aber der Schrothlauf taugt nichts,“ sagte Klaußen -- „ich möchte das alte Ding nicht geschenkt haben.“ -- Meier und Klaußen waren zusammen von Adelaide gekommen. „Der Schrothlauf taugt nichts?“ rief Försterling -- „Du hast noch keine Flinte gesehen, Klaußen, die so schön den Hagel auseinander wirft wie die -- wenn ich in einen Baum hinein schieße und eine gute Portion Hagel drin habe, da ist auch kein Blatt drinnen von oben bis unten, das nicht was abkriegt.“ Der eine Amerikaner und Haye hatten sich indessen zum Feuer gesetzt und spielten eine Partie sechsundsechzig. Der Pole und der Deutsche von Texas waren auch mit zum Feuer gekommen, und lagerten Meier gerade gegenüber. Der Pole, dessen Name, glaub’ ich, Keiner von allen wußte, hieß immer nur der +Pole+ (er sprach übrigens ganz gut deutsch und war aus einer der deutsch-polnischen Provinzen, und zwar aus den untersten Klassen). Er hieß aber auch „der arme Mann“ weil er fortwährend lamentirte und behauptete, was einmal ein „armer Mann“ wäre, sollte es auch auf der Welt zu Nichts bringen. „Nun Pole,“ rief ihm Hammerschmidt mit seiner feinen Stimme hinüber -- „Ihr wart ja heute nicht in Charles Store -- ist’s die letzte Woche wieder schlecht gegangen?“ „Ach, wie immer,“ brummte der Pole mit einem finsteren theilweise resignirten Gesicht -- „unser Einer gewöhnt sich schon daran. -- Sechs und acht Fuß tiefe Löcher und nachher zwei oder drei Thaler drinnen -- aber wer kann’s helfen -- der liebe Gott wills nicht haben -- Gott +dam+ it.“ „-Haben denn die Amerikaner die Woche was gefunden?“ frug ein Anderer. „Ich weiß nicht -- sie sind die Creek hinunter gegangen -- da liegt aber Nichts wie feines Gold. Ich glaube nicht daß es lohnt!“ „Das laß gut sein,“ meinte der Landrath -- „das ist jetzt die dritte Compagnie die hinunter geht und die anderen beiden haben tüchtig ausgehalten; wenn die nicht Tagelohn machten, blieben sie nicht unten.“ „Oben ist das Gold jedenfalls gröber,“ meinte Meier. -- „So haben wir’s allerdings bis jetzt gefunden, damit ist aber nicht gesagt, daß sich nicht auch grobes Gold nach unten verloren haben sollte -- der Pole hat z. B. jetzt jedenfalls einen guten Platz, denn er lamentirt in einem fort, und das ist immer ein sicheres Zeichen.“ „Gott verdamm mich wenn ich das Bischen Fressen dabei mache!“ rief der Pole, der hochaufgehorcht hatte, indem er mit der einen Hand in die andere schlug. „Die zwei Engländer die gerade unter dem umgefallenen Baume arbeiten, haben gestern ein herrliches Quarzstück gefunden,“ sagte der Deutsche aus Texas -- „Brauner Quarz, mit breiten Goldstreifen quer durch, ein Goldschmidt hätte es nicht schöner machen können.“ „Wie habt Ihr beiden denn jetzt da unten ausgemacht, Klaußen -- gehts besser?“ -- „Ach, es ist immer Nichts -- weiß der Henker man kriegts zuletzt ordentlich satt, immer ein Loch nach dem andern umsonst zu graben. -- Wir sind aber noch nicht ganz hinunter und in der einen Ecke haben wir Felsen und auch etwas Gold gefunden.“ „Was für Felsen hat Ihr?“ frug Meier. „Wunderliches Zeug -- es sieht so natürlich wie grobes Salz aus, daß ich zuerst wahrhaftig d’ran leckte, um zu sehen ob es nicht wirklich Salz wäre.“ „Das sind gute Felsen,“ rief Hammerschmidt, „dabei haben wir das schönste Gold gefunden; Ihr müßt nur ein Bischen tief hineingehen, und nicht blos an der Oberfläche kratzen.“ „Ja aus den „Rocks“ hier am Mosquitogulch soll der Teufel klug werden,“ brummte der Pole -- „einmal liegt das Gold oben drauf, und wenn’s tief hinunter geht ist gar nichts -- und ein ander Mal muß man die Felsen auseinander brechen wenn man dazu kommen will.“ „Merkwürdig ist es jedenfalls wie das Gold hierhergekommen sein kann,“ sagte Klaußen, „hier bei diesem Gulch wird man besonders ganz irre und es ist beinah gar nicht anders möglich, als daß ein vulkanischer Ausbruch das +geschmolzene+ Metall so wild umher gestreut hat.“ „Sonderbar ist dabei,“ sagte Meier, „wie man einer solchen Eruption sogar zu folgen vermag, und gerade die Stellen wo in den tiefen Löchern und Felsspalten +kein+ Gold liegt, sind ein Beweis dafür, denn diese Stellen findet man jedesmal mit einer grauen festen vulkanischen Asche ausgefüllt, so daß es ordentlich scheint, als ob zuerst diese Asche ausgeworfen und durch den Bergstrom hier heruntergeschwemmt, durch die Gewalt und Schwere des Wassers festgedrückt, und dann später das Gold nachgefolgt wäre. Wo es aber hergekommen möcht ich wissen, denn bald glaubt man die Ader sei von rechts, bald von links herunter gekommen und nirgends liegen doch hier hohe vulkanische Berge.“ „Ja, das möcht’ ich auch wissen,“ brummte der Pole, „nachher brauchte man nicht mehr so viele Löcher umsonst zu graben. Aber das ist eben das Elend!“ -- „Wie nennen Sie denn ~diamond~ auf deutsch?“ frug der Amerikaner, der noch mit Haye im eifrigen sechs und sechzig Spiel begriffen war, diesen. „~Caro~,“ lautete die Antwort. „Ahem, und ~spade~?“ -- „~Pique!~“ „Hm!“ murmelte der Amerikaner, dem das nicht so recht einleuchten wollte, „die Deutschen sind doch curioses Volk -- einen Spaten nennen sie nun gar eine Picke[1].“ „O laßt Euer langweiliges Spiel da und kommt mit her in den Kreis!“ rief jetzt Meier -- „Du Klaußen, sing uns einmal ein Lied -- nachher kommt anderes Leben in die Sache.“ „Ja, mir wär’- gerade wie singen,“ brummte Klaußen -- „mir ist den ganzen Abend schon schlecht zu Muthe gewesen -- wenn mir’s morgen nicht besser ist, nehme ich was ein.“ „Du wirst wohl den Katzenjammer haben,“ sagte der Landrath. „Schade daß unser alter Doctor von zu Haus nicht hier ist,“ rief Meier -- „der würde Dir das Einnehmen ersparen -- der hatte ein famoses Mittel.“ „Nun er kanns Einem doch nicht aus dem Magen heraus magnetisiren,“ brummte Klaußen. „Und doch so was,“ lachte Meier -- „es war auch ein Doctor aus der guten alten Zeit, der weder seinen alten breit abgestutzten Frack noch seinen Zopf ablegen wollte, und in der That war ihm der Zopf so nöthig wie seine rechte Hand, denn darin bestand gerade sein Universalmittel.“ „Na nu komm nicht wieder mit Deinen Flunkereien,“ rief Hammerschmidt -- „als ob er den Kranken den Zopf eingegeben hätte.“ „Ruhig Hammerstrick,“ sagte Meier -- „knurre nicht Pudel. Er gab ihnen allerdings den Zopf ein, denn wenn sich Jemand nicht wohl befand, anstatt wie unsere, jetzt in der Cultur wieder zurückgegangenen Aerzte, diesem ein Brechmittel einzugeben, steckte er ihnen nur den Zopf in den Hals. -- Ja ihr braucht gar nicht darüber zu lachen, das hatte er nicht einmal bei allen nöthig, denn seine Methode war so bekannt geworden, und er konnte ja natürlich nur immer den einen Zopf verwenden, daß er vielen Patienten in vorkommenden Fällen nur bloß den Zopf zu +zeigen+ brauchte, um ganz genau dieselbe Wirkung wie bei der strengsten Anwendung zu erzwecken.“ „War das der Doktor mit der platten Nase?“ frug Klaußen während die Andern lachten. „Ja wohl,“ sagte Meier -- „das will nun Klaußen auch wieder nicht glauben -- der kleine Kerl hatte eine so platte Nase, daß mich mein Onkel oft versichert, er hätte sich nie anders als mit einer Kneipzange schneuzen können.“ „Ist der Esel da?“ fragte in diesem Augenblick eine laute Stimme mitten in das Gelächter hinein -- im Nu war Todtenstille, Alles schaute auf, aber im nächsten Augenblick brach es desto toller los, denn hinter dem Kreis, und ganz unbemerkt herangekommen, stand, etwas verstört aussehend und nun durch das furchtbare Hurrah ganz außer Fassung gebracht, +Panning+, und sah Einen nach dem Andern verwundert an. Es dauerte wohl eine Viertelstunde ehe irgend Jemand zu Worte kommen konnte, ihn des Maulthiers wegen zu beruhigen. „Aber Donnerwetter, Ihr sitzt hier so trocken!“ rief Panning, als sich der Lärm nur erst einmal ein klein wenig gelegt hatte, und Albert aufgestanden war dem Neugekommnen noch etwas Abendbrod zusammen zu suchen und Thee warm zu stellen -- „kein Brandy mehr? -- kein Grog?“ „Ich glaube daß ist der erste gescheute Gedanke, den Panning heute gehabt hat,“ sagte Meier. „Und wo kommst Du denn noch heute Abend her?“ sagte Albert -- „wer von Euch Beiden ist denn nun wieder einmal am gescheutesten gewesen?“ „Jedenfalls der Esel, Albertchen,“ lachte Panning, heute Abend viel zu guter Laune um irgend eines Wortes wegen zu streiten -- „jedenfalls der Esel; da der immer zuerst kommt.“ „Und wie siehts unten bei Charles aus?“ frug Meier -- „Alle noch fidel? wir sind eigentlich heute zwei Stunden zu früh fortgegangen.“ „Ja, ich wäre auch schon lange da,“ sagte Panning, „aber ich mußte auf das Fleisch warten; sie schlachteten erst noch einen Ochsen.“ „Aber unser Fleisch lag ja schon auf dem Esel?“ -- rief Albert dagegen. „So?“ lachte Panning mit einem verschmitzten Ausdruck, „siehst Du Albertchen, da hat der Esel dann wieder recht -- aber auf das Schlachten hab ich doch gewartet.“ „Ja, Panning ist ein tüchtiger Kerl,“ sagte Hammerschmidt -- „der ist von klein auf in der Welt gewesen.“ „Bist Du nur ruhig, Du liederlicher Hammerstrick Du,“ sagte Panning, -- „wenn ich was erzählen wollte --“ „Hallo, was giebts da zu erzählen? heraus damit -- heraus damit,“ schrieen fast Alle. „Wenn Du +das+ erzählst, komme ich auch mit +dem+ heraus,“ sagte Hammerschmidt trotzig. „Hurrah, da sind zwei Geschichten!“ rief der Landrath -- „heraus Panning, herunter vom Herzen!“ Die beiden mußten jedoch einen zu festen Halt aneinander haben und es wollte keiner mit der Sprache heraus. Meier hatte aber indessen Wasser zum Feuer gesetzt, von verschiedenen Seiten wurden Brandyflaschen herbeigeschafft, und ein tüchtiger Grog gebraut. Das Erzählen, Lachen und Jubeln ging nun lauter und immer lauter durcheinander; Försterling war mit seinem Brodbacken ebenfalls fertig und „der Pabst lebt herrlich in der Welt,“ -- „Rinaldini stolzer Räuber,“ und der „Prinz Eugen“ waren schon in den stillen Californischen Wald hineingeschrieen worden, als Meier zuletzt dazwischen rief: „Halt -- nun erst noch einmal trinken -- Hammerschmidt Donnerwetter, das ist +mein+ Becher -- und dann das Goldwäscher-Lied -- aber singt auch den Rundreim kräftig mit!“ und mit lauter kecker Stimme setzte er ein: Mit der Schaufel Pfann’ und Hacke Goldgräber ho! Und dabei noch Huckepacke Immer nur so -- Eine Decke und zwei Hemden Ziehn wir so froh, In die Berge, wir, die fremden Goldgräber, ho! Dort wo zwischen Schlucht und Spalten, Goldgräber ho! Gnomen ihren Schatz gehalten, Wüßten wir wo -- Hau’n wir ein und waschen, graben Lustig und froh, Tief hinein -- wir müssens haben Goldgräber ho! Sorgen? -- pah, wer kennt hier Sorgen Goldgräber ho! Sucht vielleicht das Glück uns morgen! Was uns entfloh, Soll uns nicht mit Sorgen quälen, Lustig und froh Sind wir immer die fidelen Goldgräber, ho! Spricht das Herz dann auch zuweilen „Goldgräber ho! Willst Du in der Fremde weilen, Immer nur so? Kannst Du hier so lustig graben, Sorglos und froh? Trauernd Lieb zu Hause haben? Goldgräber ho?“ Herz, was soll das Klagen nützen, Goldgräber ho! Kann nicht stets zu Hause sitzen, Immer nur so. Denn der Mann muß schaffen, wagen, Muthig und froh Und im Sturm das Glück erjagen, Goldgräber ho! Doch wenn wir, das wirst Du loben, Goldgräber ho! Erst, Glück auf, den Schatz erhoben, Hier oder wo; Geht es heimwärts mit den vollen Säcken, so froh, Hurrah dann, die wackern, tollen Goldgräber ho! -- Mit tüchtigem Nachdruck, der sich besonders bei den letzten Versen, wo sie die Melodie etwas wegbekamen, zu einem wahren Jubel steigerte, wurde der Chor abgesungen, und alle nur möglichen und unmöglichen Lieder kamen jetzt an die Reihe. Haye schrie sogar wieder „Bumsfallera“, und Hammerschmidt „ich bin liederlich“ und von den benachbarten Hügelhängen hatten sich indessen auch schon die nächsten Engländer und Amerikaner herangezogen, die Lieder mit anzuhören. Meier sang jetzt das Ständchen -- „ich will vor Deiner Thüre stehn,“ mit den dazu gehörigen Gesten und zwar, statt der Geliebten Fenster, unter einem Eichbaum -- Klaußen hatte sich ebenfalls „einen Kleinen“ angetrunken und wurde harmonisch; Wohlgemuth nahm Albert in die eine Ecke und erzählte ihm eine entsetzlich lange Geschichte aus seinen Schuljahren, wo sie dem Lehrer einmal einen Knochen unter den Stuhl gelegt und mit welcher Geistesgegenwart er sich damals aus der Affaire gezogen. Renich hatte sich an den Landrath gemacht, der aber unter der Zeit immer mit sang, und erzählte ihm aus der alten Römischen Geschichte irgend einen an sich gewiß sehr wichtigen, für Försterling aber fürchterlich gleichgültigen Fall, den er nachher wieder mit der neueren Geschichte, von der sein immer daneben hinausschreiender Zuhörer nichts wissen wollte, in Verbindung brachte. Indessen nahm Feuer und Grog ein Ende, Einer nach dem Andern drückte sich in sein Zelt -- Renich wie Wohlgemuth hatten schon beide ihre Zuhörer verloren und Renich war ebenfalls zu Bett gegangen; noch aber blieb ein kleiner Rest beim Becher. Meier und Wohlgemuth hielten zusammen aus. Meier weil er nie früher zu Bett ging, und Wohlgemuth, weil er noch das Bedürfniß fühlte sich mitzutheilen. Natürlich dauerte es keine viertel Stunde und die Beiden staken bis über die Ohren in Politik. Wohlgemuth war früher in den Vereinigten Staaten gewesen und vertheidigte den 40 ~acres grant~ -- Meier dagegen schimpfte auf unsere deutschen Verhältnisse, und ob sie sich nun einander nicht verstanden, oder in diesen beiden Puncten gegenseitig genug Anhalt fanden einander zu Leibe zu rücken weiß ich nicht, aber sie wurden hitzig, und Haye guckte ein paar Mal aus dem Zelte hinaus, zu sehen ob sie sich nicht beim Kopfe hätten. Da Wohlgemuth sehr schwer hörte mußte Meier sehr schreien, und da Meier sehr schrie, konnte Wohlgemuth +seine+ Argumente ebenfalls nicht mit leiser Stimme geltend machen. So entstand endlich allein zwischen den beiden Menschen ein solcher Scandal, daß hier und da die Schläfer wieder munter und murrende Stimmen laut wurden. Endlich konnte es Försterling nicht länger aushalten. „Zum Donnerwetter, Meier!“ rief er zum Zelt hinaus -- „Ihr habt ja alle Beide recht, aber komm nun zu Bett.“ „Halt’s Maul Landrath, das verstehst Du nicht,“ rief Meier in allem Eifer. Wenn jedoch der Landrath die Unordnung nicht zu dämpfen verstand, so wußte er das mit dem Feuer desto geschickter anzufangen. Das war zu einem kleinen Punct zusammengebrannt, um den sich die Debattirenden, da die Nacht hier oben sehr kühl war, dicht hinangedrängt hatten, und dahinein wußte der Landrath den Eimer Wasser, den er selber am Abend zum morgenden Kaffee aus dem Bach heraufgeholt hatte, so geschickt zu opfern, daß im Nu auch keine Spur von einer glühenden Kohle mehr zu sehen war. Die Beiden wollten sich nun dadurch allerdings nicht vertreiben lassen, und setzten ihren Wortstreit im Dunkeln fort, aber der ~animus~ fehlte, und eine halbe Stunde später war Alles, unter manchem leise gemurmelten „Gott sei Dank“ todtenstill. Nur die Cayotas -- die kleinen Wölfe oder wilden Hunde fingen an zu heulen, und hie und da schrie eine Eule ihr monotones Nachtlied darein. Als Meier am andern Morgen meinte, die Nacht habe es so sonderbar in den Bäumen gerauscht, sagte der Landrath, „das wäre gar kein Wunder, denn sein Rausch allein, den +er+ ausgeschlafen hätte, müßte einen Mordspectakel gemacht haben.“ Mit der Morgendämmerung kam aber auch wieder ein anderes frisches Leben in die Schläfer -- die Einzelnen welche „die Woche“ hatten, standen auf und bereiteten das Frühstück, weckten dann die Uebrigen, und eine Stunde später wanderten die verschiedenen Parthieen mit ihren Pfannen und Wassereimern, denn das Werkzeug lag meistentheils noch unten an den Plätzen, wo sie am Sonnabend Abend aufgehört hatten zu arbeiten, den verschiedenen Stellen zu, an denen sie in dieser Woche ihr Glück versuchen wollten. Gleich darauf fingen die Maschinen unten in der Schlucht an zu klappern, die Axt räumte Bäume und Wurzeln aus dem Wege, die Spitzhacke trieb mit kräftigen Schlägen in den harten Boden hinein, und das +Arbeitsleben+ der Miner hatte wieder begonnen. Die Mission Dolores bei San Francisco. Wenn man in früherer Zeit die Geschichte irgend eines Ortes schrieb, den man vor ein oder zwei Jahren besucht hatte, so sagte man gewöhnlich „dort ist es so, und so, und so; die Gebäude sehen so aus, die Straße führt dorthin, es ist auch ein gutes Wirthshaus da und heißt so und so.“ -- Das mochte für die Welt im Allgemeinen passen. Wenn man aber eine solche Beschreibung +jetzt+ von einem californischen Orte machen wollte, schriebe man lauter Lügen. Es ist +so+, kann man von irgend einem Gebäude oder einer Straße in und um San Francisco z. B. nur sagen, wenn man wirklich davor steht, und mit seinen eignen Augen sieht, daß es wirklich so ist; biegt man aber um die nächste Ecke und will ganz gewissenhaft zu Werke gehen, so kann man in der That nicht mehr thun, als behaupten, +es war so+, denn kein Mensch kann bestimmen, ob nicht selbst in der Zeit schon ein Nachbar angefangen hatte, daneben zu bauen, ob die Straße nicht aufgerissen wurde, oder ein Haus weggefahren, oder sonst irgend eine andere entsetzliche Veränderung mit dem Platz im Handumdrehen vorgenommen sei. Sehr natürlich mußte es ebenso mit dem Districte der Fall sein, der nicht allein im Bereich oder in der Nähe San Franciscos lag, sondern auf den die Stadt selber gleich von Anfang an, der sie einschließenden Küstenberge wegen, angewiesen war sich auszudehnen. So, wer die Mission Dolores selbst noch 1850 im Frühjahr und wer sie im Herbst sah, hätte sie kaum mehr wieder erkannt -- und wie mag sie jetzt aussehen? -- Von San Francisco etwa eine Stunde Wegs durch hohe und entsetzliche Sandhügel getrennt, die im heißen Sommer Menschen und Vieh zu Tod erschöpften, schien nichtsdestoweniger eine wirkliche Vereinigung der Mission mit der Stadt noch mit unendlich vielen Schwierigkeiten zu kämpfen zu haben, ehe sie bewerkstelligt werden konnte -- wenn eben nicht Amerikaner das Ganze in Händen gehabt hätten. Aber das ~go ahead~ Princip bewährte sich hier einmal wirklich wieder auf eine fast fabelhafte Art. Zwischen der Mission und San Francisco lag eine enorme Masse von Sand, einer Communication mit dem ersten Platze außerordentlich hinderlich, und jedenfalls große Summen erfordernd, sie zu beseitigen. San Francisco gegenüber machte die See oder Bai eine tiefe Bucht, herrlichen Raum beanspruchend, den Straßen und Waarenlager füllen könnten, wenn man eben Grund und Boden genug hätte, die See hier auszuwerfen und zurückzutreiben. Was war einfacher, als daß man die Sandberge der Mission Dolores nahm, und dort, wo man sie brauchte, in die See schüttete, und so übertrieben das hier klingen mag, machten es doch die Amerikaner in wenigen Monaten möglich. Eine gewaltige Dampfmaschine, die sie von Newyork herüberbekommen hatten, fing an zu arbeiten und das riesige Maschinenwerk wühlte sich in den Berg, warf sich die Last auf den Rücken und keuchte mit Windesschnelle hinüber an die Ufer der Bai, seine Bürde dort in die Flut zu werfen, und Fußbreit nach Fußbreit dem nur langsam und trotzig zurückweichenden Meere abzugewinnen. In wenig Monaten war die Straße nach der Mission hinaus geebnet und mit Planken belegt, und kaum glitt die letzte Bohle in ihr Lager, als auch schon breitsitzige Omnibusse darüber hinrasselten, als ob sich der Boden seit Jahrhunderten das Recht der Civilisation erworben habe, und das ganze Leben und Treiben hier nicht etwa wie über Nacht aus der Erde heraufgewachsen sei. Wunderlich und fast wie unheimlich steht mitten zwischen dieser Flut von Neuerungen -- oder stand wenigstens noch seit den letzten Nachrichten -- das alte eigentliche Missionsgebäude, mit seinen düsteren Mauern aus ungebrannten Ziegelsteinen, und der alterthümlichen spanischen Bauart; mit den engen vergitterten Fenstern und niederen, wie mit der Spitzhacke eingeschlagenen Thüren, aus dessen einem Flügel sich nur ein etwas höheres Dach mit sonderbar und geschmacklos angebrachten Säulen über die übrigen gleichmäßigen und kasernenähnlichen Flanken emporhob, und die kleine, dicht darum gedrängte Ansiedlung, wie eine alte Henne ihre schüchtern rund um sie hergestreute Brut zu bewachen schien. Was hat das alte Gebäude nicht gesehen zu seiner Zeit! -- Wenn die Ziegel reden könnten, die jetzt morsch auf dem Dache sitzen und von denen die meisten nach unten zu drängen scheinen und über die Rinne schauen, als ob sie sich in dem sumpfigen Grund unten einen Platz aussuchten, wo sie am besten hinunterspringen könnten -- wenn die alten Lehmsteine ihre Erfahrungen ausschwatzen könnten. Aber stumm und starr stehen sie da und schauen noch gerade so düster und unheimlich auf die jetzt um sie schaffende, rege Welt hernieder, als damals, wo die ersten scheu und ängstlich den Platz betretenden Indianer in den Schooß der christlichen Kirche aufgenommen wurden, und dem fremden Gotte ihre Knie beugten. Ein Bischen älter sind sie geworden, ein paar Runzeln haben sie mehr bekommen und der Zahn der Zeit hat etwas an ihnen genagt -- lieber Gott, es geht uns ja Allen nicht besser -- aber sonst stehen noch dieselben ungebrannten Ziegel, die damals, unter der Leitung der frommen Männer, die rothen Kinder jener Berge zusammentrugen und aufbauten zu einem Tempel des Herrn, noch liegt der alte Kirchhof so feucht und trostlos unter den Dachrinnen der Kirche und hinter die feuchte Mauer gedrückt, wie vor langen Jahren, und nur die steinerne Einfriedigung ist zusammengebrochen, die Kreuze sind morsch geworden und zerbröckelt und die Hügel eingesunken auf ihre stillen träumenden Miethsleute darunter. Die Wände selber aber scheinen doch, wenn das nur irgend möglich wäre, noch grauer und feuchter geworden zu sein, während die seidenen Bänder und Blumen verblichen und stockten, und der Wind, der jetzt an gar vielen Orten Ein- und Zutritt gewonnen, so unheimlich wie rauh mit dem Flittergold raschelte, das über ein Paar entsetzlichen Heiligenköpfen hing und seinem Zweck jetzt vollkommen entsprach, die Augen der Gläubigen dorthin zu lenken. Und so traurig und öde liegt das alte Gebäude? -- Hörst du die Violinen und Pauken, lieber Leser, gleich da unten in dem andern Eckflügel der Kirche? -- Pauken und Violinen, Guitarren und lauter lachende Stimmen -- da ist Fandango, und die Paare drehen sich auch wol beim Walzer in wirbelnder Lust. -- Und der Schrei? -- o das ist nichts -- da über der Brauerei, in der Mission, hat ein Doctor aus Buenos-Ayres erst kürzlich ein Hospital angelegt, und sie sagen, Einer von den „Ueberlebenden“ sei wahnsinnig geworden -- ich erzähle dir die Geschichte ein andermal. -- Brauerei, Hospital, Schenke und Priesterwohnung, Kirche und -- Lieber Leser, du fragst wirklich zu viel -- wenn Leute hier wohnen, brauchen sie auch keine Rechenschaft über sich abzulegen, noch dazu einem Fremden, der Tausende von Meilen entfernt lebt. Aber der Figur wollen wir folgen, die da eben aus der Brauerei tritt und mit leisem langsamen Schritt, des nassen Wetters nicht achtend, nach jenem alten Adobiegebäude schleicht, das etwa 300 Schritte von der Kirche entfernt, gerade oben am ersten flachen Hügel steht. Der Mann trägt einen schwarzen breiträndrigen Hut und einen schmutzigen alten dunklen Mantel, seine ganze Tracht überhaupt ist ein Mittelding zwischen geistlich und weltlich (da denn doch einmal jede der beiden ihre Mode hat) und der schielende Blick, der seinen überdieß finstern boshaften Zügen etwas wirklich Abstoßendes giebt, vollendet die ganze äußere Erscheinung des Mannes und rundet sein Aussehen gewissermaßen ab. Es ist wunderbarer Weise ein Deutscher und heißt Johann Stapf, aber einer von jenen Charakteren, die in ihrem Lebenslauf des Schicksals wunderlichste Launen über sich ausgeschüttet sehen, und das Glück eines armen Schriftstellers nur mit der einfachen Erzählung ihrer Erlebnisse machen könnten -- wenn sie nur eben erzählen +dürften+, was sie erlebt hatten. Er gehörte mit zur Mission Dolores, stand wenigstens mit dem Geistlichen auf einem sehr vertrauten Fuß, und dennoch war es ein öffentliches Geheimniß, daß er im mexikanisch-californischen Kriege den Amerikanern zum Spion gedient. Er wäre aber von den Californiern längst einmal mit einem freundlichen Messer beseitigt worden, hätte er nicht wahrscheinlich ihnen dieselben Dienste geleistet. Erst lief ihm aber der Priester und dann die Mission unter den Händen weg, der Erstere eines Landprozesses wegen, der ihm alles Das absprach, was er bisher sein eigen genannt, die letztere von den Amerikanern, bis zur Kirche, einfach in Besitz genommen, und das alte Missionsinventarium, der alte Stapf -- zog eben in die Minen. Ein anderer Priester kam auf die Mission, aber die Blütenzeit derselben war vorbei. Die Indianer, die sonst nicht allein ihre Lager in der Nähe gehabt, sondern auch durch die Häuser der spanischen Einwohner zerstreut gewesen, waren verschwunden, die Minen schienen mehr Anziehungskraft gehabt zu haben als das alte wettermüde Gebäude, und die wenigen, die sich wirklich noch in der Nähe herumtrieben, thaten es, mit +sehr+ wenigen Ausnahmen, nur des bequemer zu bekommenden ~Agua ardiente~ oder Branntweins wegen, an den sie sich nun einmal anfingen zu gewöhnen. Mehre Male sah ich eins ihrer Leichenbegängnisse mit Violinen und Clarinetten fröhlich zur Kirche und durch das niedere Pförtchen auf den Todtenacker ziehen, wo die Gestorbenen in ihre stillen Stübchen eingeschachtelt wurden. Nach der Kirche begannen dann ihre alten Wehklagen, trotzdem daß ihnen doch für die Geschiedenen christliche Seligkeit versprochen worden. Bis in die Nacht hinein heulten und jammerten sie, und dann lagen sie draußen im Schlamme mit ihren dünnen cattunenen Ueberwürfen, und stöhnten die ganze kalte Nacht hindurch. Zuerst über den Gestorbenen, zuletzt über ihr eignes Elend. Die Mission hat -- wie es auch so manchem Menschen auf der weiten Welt zu gehen pflegt -- ihren Lebenszweck verfehlt. Sie war, mit den vielen ähnlichen Orten im Lande, von den Jesuiten damals als eine Fackel an der Küste aufgesteckt worden, von hier aus das Licht der christlichen Religion über die heidnischen Völkerschaften zu gießen, die in dem weiten Länderstrich zerstreut lebten. Alle diese Millionen wurden als Mittelpunkt eines bestimmten Districts betrachtet, der den Stämmen selbst im Falle eines feindlichen Angriffs als Zufluchtsort und Vorrathskammer dienen konnte, und einzeln zogen von hier aus die Prediger in die Wüste, verkündeten Gottes Wort, verkündeten den blinden verwahrlosten Heiden, daß sie eigentlich im Schweiße ihres Angesichts ihr Brod verdienen, und deshalb um die Mission herum den Acker bestellen und alle nützliche andere Arbeiten verrichten müßten, und verhießen ihnen, wenn sie den Glauben der weißen Männer annähmen, ihm treu blieben und ihre Arbeiten verrichteten, +himmlischen+ Lohn. Still und friedlich leben die Leute hin, in ihrem Gott vergnügt und glücklich; einzelne Stämme nahmen Sitte und Civilisation wirklich an, und nach unendlich langen mühsamen Jahren versprach eine Art von Erfolg die rastlosen Bemühungen der wirklich aufopfernden Patres zu krönen. Und wie sollte sich dieser Erfolg entwickeln? -- Ein paar Stückchen glänzenden Metalls, hunderte von Meilen weit in den Bergen zufällig beim Graben eines Dammes gefunden, warfen das ganze System über den Haufen, als ob es ein Kartenschloß gewesen wäre. Was Jahrzehnte gekostet hatte mit unendlichem Fleiß und rastlosem Eifer aufzubauen, was ein Gebäude schien für eine Ewigkeit, das zertrümmerte ein gelbes Steinchen, unten herausgezogen, und der ganze stolze Bau polterte zusammen. Massen von Kirchen sind jetzt allerdings an deren Statt gebaut, es ist wahr, „Gottes Wort“ steigt in den verschiedensten Sprachen und Auslegungen zu dem Allerbarmer empor, und eine wahre Flut von Christen und auch Heiden füllt die Thäler. Wie es die Missionare früher nie, selbst in ihren kühnsten Träumen für möglich gehalten, hat sich die Civilisation des ganzen Landstrichs bemächtigt -- aber der stille Frieden ist gewichen, und der Gott, dem jetzt sogar bis in den Missionen geopfert wird -- ist das +Gold+. Das alte Missionsgebäude selber ist in einem großen Viereck errichtet und umschließt einen weiten etwa 80 Schritt langen und 60 Schritt breiten Hofraum. Außerdem lagen noch drei kleine Straßen mit niederen einstöckigen Häusern darum her, in denen früher theils Altmexicaner, von dem Süden eingewandert, oder auch hier Geborene, wie einzelne civilisirte Indianer ihren Wohnort hatten. Zwischen diese hineingedrängt haben sich aber jetzt Amerikaner, Engländer, Iren, Deutsche und Franzosen, und wie zum Spott, selbst der alten christlichen Mission gerade gegenüber, schlagen heidnische Chinesen, vom christlichen Gesetz beschützt, ihre Wohnungen auf, und Angesichts der alten ehrwürdigen lebensmüden Kirche dampfen die Weihrauchbüchsen der Zopfträger vor den Bildern und Figuren ihrer Lieblingsgötzen. Von allen Theilen der Welt sind dabei fertige Häuser hierherüber gesandt, ein- und zwei- und dreistöckige, mit und ohne Schindeln und in jeder Form und Bauart, und wie sich die Europäer und Amerikaner zwischen die alten Ureinwohner hier eindrängten, so steigen die wunderlichen Formen ihrer Häuser ebenfalls zwischen den altergrauen niederen Steingebäuden auf, nehmen ihren jetzigen Nachbarn, den früheren Besitzern, Licht, Aussicht und Sonne, und kümmern sich den Henker um seine Fest- und Feiertage, um seine Sitten und Gewohnheiten. Der Haß der Californier gegen die Amerikaner ist aber auch groß und rührt sich desto gewaltiger, je mehr sie eben fühlen und sehen, wie sie nicht das Mindeste gegen die sie überflutende Einwanderung ausrichten können. Die Amerikaner sind nicht in ihr Land gekommen wie andere Eroberer, haben die Regierung gestürzt und ihre eignen Beamten eingesetzt, nein Regierung, Land, Religion, Sitten, ja Raum zum Athmen wurde ihnen mit einem Ansprung genommen, und das Messer dabei in die Scheide genietet, daß die Hand es fassen, aber nicht ziehen konnte, sondern nur krampfhaft und zornentbrannt, aber vollkommen machtlos den Griff preßte. Dieser Haß kann und wird auch erst mit der jetzigen Generation aussterben -- die Enkel werden nichts mehr davon wissen. Noch stand im Frühjahr von 1850 das alte graue Missionsgebäude, wenn auch Amerikaner und Iren schon Branntweinschenken selbst in seine Weichen gebohrt hatten und der Schaden weiter und weiter fraß. Hie und da waren freilich schon die Anfänge neuer fremder Wohnungen sichtbar, aber im Ganzen herrschte doch noch der alte Charakter. Noch lebten die Fremden vereinzelt zwischen den Spaniern, noch lagen die Sandberge zwischen der Mission und der Stadt. Wenige Wochen rissen Berge und Missionsleben über den Haufen -- schon mit dem Beginne der sogenannten ~plank road~ oder Bretstraße begannen Speculanten Häuser aufzubauen und sie wieder zu verkaufen, ehe Prozesse wegen des Grundeigenthums eingereicht oder entschieden werden konnten. Die Mission, wenn auch die alten Wände der Kirche in diesem Augenblicke vielleicht noch stehen, ist verschwunden, und nur der Name wird in späterer Zeit einer der Vorstädte San Franciscos bleiben. Aber reizend ist die Aussicht von den flachen Hügeln des einst so stillen friedlichen Platzes über die schöne Bai. Die „frommen Mönche“ in alter Zeit wußten wol, wie und wo sie sich ihre Wohnplätze am hübschesten und freundlichsten aussuchten -- und ich kann es ihnen eigentlich nicht verdenken. Im Rücken hatten sie die ziemlich hohen Küstenberge, welche die Mission eben von der See trennte und in etwas wenigstens den kalten Nordwestwind abhielt, der Nachmittags in den Sommermonaten von der See gar kalt und rauh herüberweht, und vorn breitet sich in einem wundervollen Panorama das freundliche Missionsthal mit der Bai von San Francisco und der Contra coast aus. Den Hintergrund des ganzen Gemäldes bildet eben diese Gebirgsreihe, die Contra coast genannt, weil sie den Einschiffenden gerade gegenüber lag, und das kleine Wäldchen wahrhaft riesiger Cedern oder Lebensbäume, das oben auf dem Hügelrücken steht -- über den nur eben die fern gelegene Kappe des weit höhern Berges „Diablo“ herüber schaut -- diente den Seeleuten früher zur Landmark, und ist selbst auf den neuesten Karten noch angegeben. Schon lange Jahre hacken und sägen sie aber daran herum, und thun ihr Möglichstes, die schönen Bäume von ihrem Ehrenplatze zu verdrängen und ins Thal hinabzurollen. Von der Contra coast streckt sich jener Arm der hier etwa 4 bis 5 englische Meilen breiten Bai aus, der sich bis nach Pueblo San José hinaufzieht und dort von den Hügeln eingeschlossen wird. Links, über den niedern dünenartigen und nur hie und da mit Krüppeleichen und Lorbeer bewaldeten Hügeln hin, kann man die Masten der Schiffe erkennen, die, noch mit zum Hafen Yerba buena oder San Francisco gehörig, hier so weit (bis zu „Rincon point“) hinausgelegt sind. Das Thal der „Mission“, wie sie es in San Francisco kurzweg nennen, mündet in eine flache sumpfige Fläche aus, die von der Flut etwa 3 oder 4 Fuß hoch mit Wasser bedeckt wird, und während der Ebbe nur eine schmale, aber ziemlich tiefe und sichere Einfahrt bietet. Freilich ist sie von Muschelbänken durchzogen und könnte von größeren Fahrzeugen, als Booten und sehr kleinen Cuttern, nicht benutzt werden. Links über die niederen Hügel, oder vielmehr hindurch und durch das sumpfige überbrückte Thal kommt jetzt der Bohlen- oder Plankenweg von San Francisco, aber die Civilisation dieses Theils ist nicht langsam oder Schritt vor Schritt gegangen; das wilde Leben dieses abgeschlossenen Districts ist nicht allmälig weiter zurückgedrängt worden durch die neue Cultur, sondern wie sich die Ueberflutung eines mächtigen Wassers durch irgend einen engen Canal zuerst die Bahn bricht, in diesem eine lange Strecke dahin schießt und dann plötzlich das umzingelte Terrain von allen Seiten zugleich angreift, so hatte sich die fast eben so mächtige Cultur auf eben diesem Plankenwege leise nach der Mission hinausgestohlen. Diese war schon in der That eine Vorstadt, während die Zwischenstrecken noch in ihrer Wildniß und Oede dalagen, der kleine Prairiewolf oder ~Cayota~ mit dem großen braunen Wolf Nachts um die Wette heulte, und die wenigen Indianer, die es bis dahin noch auf der Mission zwischen den Weißen „ausgehalten“ hatten, kopfschüttelnd ihre Decken um sich herumschlugen und weiter zurück in die Berge wanderten. So +war+ die Mission Dolores -- geht aber der Leser jetzt, einige Jahre später, hinüber, so darf er ja nicht erstaunt sein, wenn er statt der Cayotas und braunen Wölfe Gasbeleuchtung, und statt der Indianer mit ihren Lehmhütten große stattliche steinerne Waarenhäuser und Wohngebäude errichtet findet. Die Mission selber hat aufgehört, und nur noch ihr Name und ihr Grab sind geblieben. Ein Stiergefecht auf der Mission Dolores. Auf der Mission war ein Fest. Von San Francisco aus wateten Hunderte von Menschen durch den gelben Sand der „Missionsstraße“ dem etwa drei engl. Meilen entfernten Dolores entgegen, Hügel auf und ab keuchten sie die beschwerliche ermüdende Bahn, und rasteten gewöhnlich erst auf dem letzten mit Zwergeichen und Lorbeeren bewachsenen Hang, der einen freien Ueberblick über das kleine vor ihnen ausgebreitete Thal gewährte. Es war ein lebendiges Bild, dem selbst die nackten, den Hintergrund formenden Berge einen eigenthümlichen Zauber nicht nehmen konnten. Links weit hinaus dehnte sich die hie und da von niederem Weidicht begrenzte Missionsbucht der Bai von San Francisco zu, deren schimmernder Wasserspiegel aus dem fahlen Grün der Hänge frisch hervorblitzte; rechts zog sich ein schmales, unbebautes Thal in die Hügel hinauf, an deren westlichen Fuß die Brandung des stillen Meeres schäumte, und in der Mitte lag die kleine Gruppe Häuser, die ihren Namen dem alten wettergrauen Gebäude verdankte, das die westlichste Flanke der Ansiedlung bildete. Die Mission Dolores, in alten Zeiten durch die Jesuiten gegründet, zog zuerst die benachbarten Indianerstämme zu sich, die den Mönchen nicht allein ihr Gebäude aufrichten, sondern auch später ihr Feld bestellen und ihre Rinder hüten mußten -- dafür wurden sie civilisirt. Nach und nach siedelten sich dann später Californier aus den südlicher gelegenen Städten oder aus ~Yerba buena~[2], dem jetzigen San Francisco, dort an, und Straßen entstanden, über deren niedere Häuser hinweg das graue Dach des Missionsgebäudes noch immer hoch und düster hinüberschaute. Da kam das Gold und mit ihm, wie mit einem Zauberschlage, verwandelte sich das ganze Land; das Missionsgebäude wurde, wenigstens theilweise, zu Schenken benutzt, die Indianer zogen, von einzelnen Californiern geführt, und Christenthum wie Mission hinter sich lassend, in die Berge, und eine regsamere Bevölkerung, aus Deutschen, Amerikanern und Franzosen gemischt, fing an, die alten, halb verfallenen und theilweise verlassenen Gebäude zu bewohnen. Der Priester blieb allerdings noch in seiner Pfarre, aber die Mission selber bestand nur dem Namen nach, und wenn die kleinen Glocken Morgens angeschlagen wurden, die fromme Schaar zum Gebet zu rufen, so waren es nur wenige, sehr wenige, die dem Rufe folgten. Selbst die Indianer kümmerten sich nicht mehr um den feierlichen Laut, der sie sonst in die Nähe des neuen Gottes gerufen -- der eine Theil grub nach Gold in den fernen Bergen, und der kleine Theil der aus einem oder dem andern Grund Zurückgebliebenen, trieb sich um die Schenkstände der Europäer herum, dem Feuergeist des Alkohols zu dienen, und seine Adern dem betäubenden Gift zu öffnen. Die vielen Schenkstände der Mission verlangten aber auch dann und wann eine Extra-Anregung, ihren Besitzern in der Geschwindigkeit so viel Gold einzubringen, als diese in den Minen glaubten erwaschen zu können -- denn war das nicht der Fall, so sahen ihre Besitzer gar nicht ein, weshalb sie nicht lieber in die Berge gingen, gutes Gold zu graben, als hier im flachen Lande schlechten Branntwein auszuschenken. Zu diesem Zwecke genügten aber keineswegs die Indianer, die gar kein baar Geld hatten, und nur höchst unvollkommen die Bewohner der Mission selber, wie einzelne Besuche von San Francisco. Es bedurfte eines stärkeren Reizmittels als ihr Cognac, oder selbst die umliegende freundliche Gegend war, ihnen Kunden in Massen zuzuführen, und zu diesem Zweck wurden Pferderennen und Fandangos, Wettspiele und Kämpfe, und Gott weiß was sonst noch für Festlichkeiten arrangirt, den Schau- und Trinklustigen eine Veranlassung zu bieten, ihr Gold durch den Sandstaub herauszuschaffen und gegen ein wildes, oft widerliches Schauspiel wie eine wüst durchschwelgte Nacht einzutauschen. Ein Stierkampf war diesmal die Veranlassung, und die Arena eine im Mittelpunkt des Ortes errichtete starke Umzäunung, um die her eine Art von erhöhten Sitzen angebracht war, den Entrée Zahlenden doch einigermaßen Entschädigung für das gewöhnlich nur höchst mittelmäßige Schauspiel zu bieten. Die Wirthe der Mission schienen übrigens bewiesen zu haben, wie richtig sie ihre Nachbarschaft kannten, die wirklich immer nur auf eine Gelegenheit wartete, ihr Geld, sei es für was es wolle, zum Fenster hinauszuwerfen. Schaaren von Menschen füllten die breiten Straßen des kleinen Orts, drängten um die Barriere und zankten um ihre Plätze, oder tummelten ihre Pferde vor dem Missionsgebäude, auf dessen Veranda die ganze schöne Welt versammelt schien und manches dunkeläugige holde Mädchengesicht auf die kühnen Reiter hinüberblitzte. Das wilde Publikum, Amerikaner und Mexikaner, Wilde und Weiße, bunt durch einander, hatte indeß an Plätzen eingenommen, was eben zu erreichen war, und theils eine nahe kleine Erhöhung des Bodens, theils die aufgerichteten Gestelle benutzend, den Platz umlagert, auf dem ihr Pfeifen und Trommeln, Stampfen und Schreien noch immer nicht die ersehnten Stiere und Kämpfer hervorrufen konnte. Mehre buntgekleidete, frech und ungeschickt genug aussehende Burschen, Mexikaner ihrem Aeußeren nach, und Einer, ein Halbindianer, dem tiefe Blatternarben das ganze Gesicht entstellten, trieben sich indeß in der Arena umher, und tanzten und sangen und suchten durch Späße die Geduld des Publikums etwas länger hinzuhalten. Wenn ihnen das aber auch vielleicht bei dem spanischen Theil desselben gelungen wäre, der oft in ein lautes und rohes Gelächter bei den roheren Witzen ausbrach, half das Nichts bei dem englischen oder amerikanischen, der das Spanische gar nicht verstand. Ja diese wurden eher noch ärgerlicher, daß sich Andere amüsiren sollten, während sie ihr gutes Geld ebenfalls gezahlt hatten und nun nicht einmal herausbekommen konnten, weshalb das „Gesindel“ lachte. Der Lärm wurde immer toller, und einige Amerikaner, halbtrunkene Seeleute, denen der Spaß zu lange währte, sprangen schon in die Arena hinunter, thätigen Antheil an dem Singen und Springen der unten Befindlichen zu nehmen, das sie wenigstens ihrer eigenen Versicherung nach „~all to smash~“ überbieten konnten, als plötzlich das enge, in den Kreis führende Thor aufgerissen wurde, und ein brauner, zwar kleiner aber doch muthiger Stier so urplötzlich zwischen die natürlich nicht wenig überraschten Seeleute hineinschoß, daß diese im ersten Augenblick rath- und thatlos dastanden und dem Thier, hätte es wirklich Böses im Schild geführt, oder irgend einen Angriff beabsichtigt, leichte und nicht zu rettende Beute gewesen wären. Der Jubel der Zuschauer bei diesem kleinen Intermezzo läßt sich gar nicht beschreiben. Von allen Seiten zugleich brach er los, war aber auch die einzige Rettung der bestürzten und unfreiwilligen Stierfechter, denn der eingelassene muthige Stier stand bei dem furchtbaren Lärm, der von +allen+ Seiten auf ihn einbrach, im ersten Moment wie verdutzt da und warf nur unwillig die Hörner bald da, bald dort hin, und riß den Boden auf mit den scharfen Hufen. Der erste Schreck war vorüber und die Matrosen flüchteten mit völlig abgekühltem Kampfesmuth und unter dem Lachen, Pfeifen und Zischen der Zuschauer so rasch sie konnten über die Fenz zurück. Daß sie das nach verschiedenen Seiten zu thaten, deckte zugleich ihren Rückzug, denn der Stier wurde sie gewahr und suchte sie noch zu erreichen, konnte aber nicht gleich eine Wahl zwischen den ihm von allen Enden verlockend genug zugedrehten Rücktheilen treffen, und bekam dadurch keins. Jetzt aber sprangen auch die wirklichen Stierkämpfer aus einem eigens für sie gebauten Verschlag in den eingezäunten Raum und begannen das überdies schon gereizte Thier durch all die schon tausendmal beschriebenen Arten und Weisen, mit Schwärmern und kleinen Speeren und Fahnen zu necken und zu peinigen. Aber sie hielten dem zuletzt wüthend Gemachten nie Stand, bis das Publikum endlich in einem wahren Chaos der schauerlichsten Töne sein Mißfallen zu erkennen gab. Der Stier wurde indessen durch Blutverlust und Hin- und Herhetzen so erschöpft, daß er den stets nutzlosen Anreizungen nicht mehr nachgeben wollte. Er wußte, die feige Schaar seiner Angreifer hielt ihm doch nicht Stand, und brüllend und den Boden scharrend blieb er in der Mitte der Arena stehen, und nahm geduldig einen ganzen Hagel kleiner Pfeile, Geschosse und Schwärmer hin, der von allen Seiten auf ihn einregnete. Der Lärm und das Toben der unbefriedigten Zuschauer wuchs jetzt dermaßen, daß Einer der Leute dem Stier einen Lasso um die Hörner warf und ihn dem wieder geöffneten Eingang zuzog, durch den er mit ihm unter dem Pfeifen und Zischen der Versammelten verschwand. Unter den Letzteren zeichnete sich besonders ein Indianer aus -- ein schlanker, schöngewachsener Bursche, in der malerischen mexikanischen oder californischen Tracht, mit kurzer Jacke und an den Seiten offenen Hosen, einen breiträndigen, mit Wachstuch überzogenen Hut auf dem Kopf, der, eine volle Flasche in der linken Hand, eben auf eine der Bänke gesprungen war und die feigen „Matadoren“ auf jede mögliche Art und Weise verhöhnte. „~Caracho compañero~“ schrie ihm endlich Einer der von San Francisco dazu herüber gekommenen Stierkämpfer trotzig zu -- „mach’s besser wenn du kannst, aber steh’ und brülle da nicht, als ob du das Hirn verbrannt hättest an deinem ~agua ardiente~[3]. Schreien kann Jeder,“ und in den Bart, als er sich wandte, murmelte er: „rothe, verdammte Bestie, ich wollte er spränge herunter zum nächsten Stier.“ „Zeig’ du’s ihnen einmal, Valentin, wie man’s machen muß,“ wandten sich jetzt aber auch einzelne von den Einwohnern der Mission, die den Indianer und seinen tollen Muth kannten, an den Eingebornen, der, als der beste Reiter und Lassowerfer sich selbst unter den Californiern einen Ruf erworben hatte. „Zeig’ ich ihnen?“ erwiederte der halbcivilisirte Indianer mit einem verächtlichen Lachen in ziemlich reinem, nur wenig gebrochenem Spanisch -- „zeig’ ich ihnen? und weshalb? -- Mexikaner haben die Unzen -- viel Unzen -- Valentin hat Nichts -- zerreißt seine Kleider, zerbricht seine Flasche -- pah, wofür? -- Für weiße Männer über Valentin zu lachen -- laß’ die Matadoren kämpfen.“ „Aber sie können nicht!“ antworteten ihm Stimmen von fünf, sechs verschiedenen Seiten. „Bah, es sind Stierkämpfer und nehmen Geld dafür,“ lachte der Indianer, „und die Weißen kommen in Schaaren und werfen es ihnen in den Hut -- +Stier+kämpfer, ha, ha, ha, ~caracho~, sie wagen es nicht einmal sich einem +Kalb+ entgegenzustellen -- Valentin ist zu gut für sie.“ Der Indianer warf den Kopf verächtlich zurück und seine edle Gestalt hob sich in dem Selbstgefühl der eigenen Kraft und Geschicklichkeit. Da fiel sein Blick auf die Flasche, die er, in dem Unwillen über die hölzernen Stierkämpfer fast vergessen, noch in der Hand trug, und mit einem heiseren, triumphirenden Lachen den Hals derselben an seine Lippen bringend, sog er in gierigem Zug den heißen, scharfen Trank durch die Kehle. Das Jubelgeschrei der Menge unterbrach ihn, und wandte seine Aufmerksamkeit der Arena zu, in die jetzt, frei und ungehindert ein kohlschwarzer, wilder Stier getrieben und seinen Peinigern wieder übergeben wurde. Der neue Stier war von ungemein starkem und kräftigem Wuchs und von trotzig finsterem Aussehen, was besonders durch die dichten und dunklen Haarbüschel verstärkt wurde, die über seinen Augen standen. Er strafte denn sein Aussehen auch keineswegs Lügen, und den Sand über sich werfend, daß er wie eine dichte Wolke auf ihm lag, wühlte und stampfte er den Boden mit Nase, Horn und Vorderhuf, und suchte brüllend den ersten Feind, seine Wuth an ihm auszulassen. Auf einen Angriff sollte er auch nicht lange zu warten haben, denn zwei der mexikanischen Stierkämpfer in ihren kurzen bunten Jacken und Hosen, sprangen gegen ihn an, und suchten ihn irr zu machen und seine Wuth Einer vom Anderen abzulocken. Wenn er aber auch im Anfang vielleicht eine halbe Minute zu zögern schien, welchen er zuerst annehmen solle, dauerte diese Ungewißheit doch nicht lange, denn er warf sich gleich darauf in blinder Wuth auf den ihm nächsten, und trieb ihn wieder unter dem Hohngeschrei der Zuschauer, auf und über die Fenz, während sich der Andere, der jetzt wohl fürchten mochte, daß der ganze Zorn des Thieres gegen ihn allein gekehrt werden würde, langsam nach dem Eingang zurückzog, dort überzuklettern. War dies langsame Zurückziehen eine Art von Ehrgefühl gewesen, die ihn verhinderte, dem zum Kampf aufgerufenen Gegner ohne weiteres wieder den Rücken zu drehen, so sollte das gar bald dem neuen Gefühl der Rettung Raum geben, denn das gereizte Thier sah, den Kopf wendend, kaum die langsam ihm ausweichende Gestalt, als er die Hörner niederbog, den Staub aufwühlte und mit kurzem Gebrüll und hoch und kampflustig gehobenem Schwanz in so tollem Anprall gegen den Flüchtigen losstürmte, daß dieser nicht einmal Zeit behielt die Fenz zu erklettern, sondern nur eben noch rasch zur Seite sprang, von den Hörnern des wüthenden Thieres nicht erfaßt und zerquetscht zu werden. So gewaltig war aber die Kraft und Schwere gewesen, die der Stier in diesen Angriff gelegt, daß die starken Querhölzer der Fenz ihm nicht zu widerstehen vermochten. Wie morsche Breter brachen sie zusammen, und wenige Minuten später stürmte das entfesselte +freie+ Thier mitten in eine Schaar müßiger entsetzter Zuschauer hinein, die, sich eines solchen unerwarteten Angriffs nicht versehend, wie Spreu im Sturm auseinanderstoben, und es wieder nur den verschiedenen Richtungen zu verdanken hatten, in denen sie abprallten, daß das wüthende Thier nicht Einen von ihnen überholte und auf die Hörner faßte. Lautes Gelächter und ein Hohngeschrei der auf den erhöhten Plätzen sich sicher fühlenden Menge übertäubte im ersten Moment der Flucht jeden andern Laut. Nur Einer vielleicht von der ganzen Schaar stampfte in tollem Unmuth die Breter und schrie sein verächtliches ~caracho~ nieder auf die unten entsetzt stehenden Stierkämpfer, die jetzt, in ihrer bunten, wunderlich geschmückten Tracht, und ohne den Stier, allerdings eine gar traurige Rolle spielten. Es war der Indianer. Sein erstes Gefühl schien auch, von der Terasse niederzuspringen und irgend, vielleicht sich noch nicht einmal recht bewußten Theil an der unten vorgehenden Handlung zu nehmen, und in diesem Drang wollte er schon die Flasche von sich werfen, als ihn ein gewisser Instinkt davon zurückhielt. Rasch und unentschlossen hob er sie gegen das Licht, und schaute sich wenige Secunden im Kreis um, als ob er Jemanden suche, dem er sie anvertrauen könne. Aber er fand Niemanden, denn die Gesichter waren ihm theils fremd, theils vielleicht nur zu gut bekannt. Da fiel sein Blick auf das flüchtige Thier, das eben an dem alten Missionsgebäude vorbeistürmte, den fernen Bergen zu, und im Nu hatte er die Flasche an den Lippen, goß sich den heißen Strom in die Kehle, bis ihm die Augen im Kopfe glühten, und sprang dann, die leere Flasche von sich werfend, mit +einem+ Satz über das Gestell hinweg, das ihn vom Boden trennte. Zwei oder drei der dort Stehenden rannte er zu Boden, aber er sah es weder, noch hörte er die Flüche, die hinter ihm drein klangen, nur sein Pferd suchte das blitzende Auge. Dort an der Ecke stand es befestigt, und still wie ein Lamm in dem Lärm und Aufruhr der es umgab; aber seines Herrn Hand lag auf seiner Mähne und das kluge, schöne Thier spitzte die Ohren. „~Vamos chiquito~,“ lachte der Indianer, als er mit der linken Hand den Zaum von dem Kopf des Thieres streifte, es war ihm zu viel Mühe den Zügel zu lösen, und zurückzunehmen -- ~vamos mi bonito~ -- und dahin flog das Roß, von dem Schenkeldruck des wilden Reiters gelenkt, wie der Pfeil von der Sehne. Schnaubend und wiehernd warf es den Staub empor hinter sich, und die einzelnen Gruppen Flüchtiger, die dem Stier eben ausgewichen, wußten kaum wie sie den herandonnernden Hufen entgehen sollten. Aber im Nu war’s vorbeigerast -- des Indianers scharfer Blick entdeckte das flüchtige Thier, wie es eben den grünen Rasen berührte, der zwischen der Mission und den Küstenhügeln lag, und mit der Rechten den Lasso von seinem Sattel lösend, trieb er mit Zunge und Hacken das schäumende Roß zu immer wilderer Eile. Fünf oder sechs Reiter, die dort gerade in der Nachbarschaft gewesen, hatten schon versucht dem Stier die Flucht abzuschneiden, der sumpfige Boden aber, über den er floh, hielt sie zurück, und sie kreuzten jetzt des Indianers Pfade, um die Mission herum zu galopiren und den Entsprungenen weiter oben einzuholen. Der Indianer stieß einen wilden Jubelschrei aus und sprengte gerade auf die Kirchhofsmauer zu. „Hierher, ~compañero~!“ rief ihm einer der Amerikaner zu; „du kannst dort nicht hinüber!“ Ein heiseres Lachen war Valentins einzige Antwort, und mit +einem+ Satz überflog der Rappe die Mauer und verschwand mit dem wilden Reiter im Innern des Kirchhofs. „~Damn my soul!~“ fluchte der Amerikaner still in sich hinein und gab seinem Thier Sporn und Peitsche, rasch um die Mauer hinumzukommen. Aber Valentin war schon wieder draußen im Freien und das wackere Roß das er ritt, entdeckte kaum, jetzt dicht vor sich, den flüchtigen Stier, als es mit schnaubenden Nüstern ausgriff zum wohlbekannten Fang. Wenige Secunden später, und das Pferd war dicht hinter ihm, der Reiter aber, den Lasso in weiter Schwingung zwei oder dreimal um den Kopf wirbelnd, bog sich vor, und die Schlinge zuckte aus seiner Hand. In dem Moment aber auch, und nur von dem Schenkeldruck des Eingeborenen berührt, warf sich das Pferd herum und stemmte sich mit dem ganzen Gewicht seines Körpers gegen den nur zu gut gekannten Wurf des Gefangenen. Der Stier that noch zwei Sprünge mit voller, zum Aeußersten getriebener Kraft, denn er fühlte die furchtbare Schlinge über sich, jetzt aber, in dem letzten Bereich des unzerreißbaren Taues zog dieses an, und das gefangene Thier stürzte mit fast gebrochenem und nach rückwärts gerissenem Nacken dumpf blökend zur Erde nieder. Jetzt erst kamen die andern Reiter heran, und einer der Californier hob ebenfalls den Lasso, die Hörner des Gefangenen zu fassen, damit das Thier, desto sicherer zwischen beiden Reitern, gegen keinen den Angriff ausführen könne, ohne von dem Andern zurückgehalten zu werden; Valentin aber, durch den Cognac schon vorher und die glückliche Jagd jetzt erregt, warf seinen Arm empor und winkte dem zweiten Reiter, den Stier in Ruhe zu lassen. Nur den Hals seines schnaubenden, zitternden Thieres klopfend, erwartete er mit triumphirendem Lächeln die nächste Bewegung des gefangenen, aber keineswegs gebändigten Feindes. Jetzt sprang der Stier, der sich von der ersten Betäubung seines Sturzes erholt, empor, und dicht vor sich den Gegner erblickend, der es gewagt ihm zu trotzen, legte er die Hörner ein und stürmte wild gegen ihn an. Das aber hatte der Indianer nur erwartet, und das Pferd mit der linken Hand, mit der er die Mähne desselben gefaßt hielt, leicht regierend, galopirte er, den Lasso in seiner vollen Länge und mit dem immer wüthender werdenden Thiere Schritt haltend, vor ihm hin, der Arena wieder zu. Zweimal versuchte der Stier zur Seite auszubrechen, als er fand daß er den flüchtigen Reiter nicht einholen konnte, immer aber riß ihn der Lasso wieder zurück in die halb freiwillige, halb gezwungene Bahn, und jeder Ruck reizte die Wuth des Gefangenen nur auf’s Neue, und machte ihn der stets sicher geglaubten und stets wieder entgehenden Beute folgen. So näherte sich das wunderliche Paar, von einer Masse von Zuschauern, die dem kecken Indianer zujubelten, umdrängt, dem Eingang der Arena, der von den Mexikanern schon geöffnet worden. Ungeduldig winkte Valentins Arm dabei ihm Raum zu geben, und sein wilder Blick überflog halb forschend, halb unruhig das Innere des Kampfplatzes, in das er den furchtbaren, zur äußersten Wuth gereizten Gegner lockte. Aber die Einrichtung der Umzäunung, deren gegenüberliegende und den Ausgang bildende Balken jetzt noch befestigt waren, schien ihn zu befriedigen und dicht vor dem offenen Thor, hinter dem versteckt zwei Leute postirt waren, es zu verschließen, sobald sich der Stier wieder im Innern befand, hielt er an, und schien das mit gesenkten Hörnern auf ihn einprallende Thier ruhig zu erwarten, dessen nächster Sprung auch kaum anders als tödtlich für ihn sein konnte. Das eigene wackere Roß zitterte dabei unter ihm und warf den schönen Kopf scheu zurück, aber wich nicht, wenn auch zügellos, vom Platz, der fast unvermeidlichen Gefahr zu entgehen. +Ein+ wilder Schrei der Angst zuckte aus fast jeder Brust, als der wüthende Stier die Hörner senkte, sie im nächsten Moment in die Weichen des bebenden Rappen zu stoßen, als das Roß, von der Hand des Reiters gehoben, herum und in wenigen Sätzen die Arena durchflog. Der Stier war dicht hinter ihm und in demselben Augenblick, als es im steilen Ansprung, dem wilden Stier fast aus den Hörnern heraus, die Barriere überflog, preßte des Indianers Knie gegen den Sattel und schnellte die schlanke Gestalt des Wilden auf den Stier zurück, der mit voller Wucht gegen den untersten Querbalken anrennend, halb betäubt von dem furchtbaren Stoß zurücktaumelte. Als der Indianer von ihm zurücksprang und das schwarze lange Haar seine Stirn wild umflatterte, unter der nur die dunklen Augen in wildem, triumphirendem Feuer vorblitzten, hielt er in der Rechten ein blankes, kurzes Messer und in der Linken den durchschnittenen Lasso, den er mit einem kurzen jubelnden Lachen gegen die ihren Sinnen kaum trauenden Zuschauer emporhob. Der Lärm und Jubelruf aber, der sich jetzt erhob, ist kaum zu beschreiben. -- Mit stockendem Athem hatten die entsetzten Zuschauer den vermeintlichen Sturz des tollkühnen Indianers gesehn und das für sein Verderben gehalten, was nur die keck ausgeführte That des unübertroffenen Reiters gewesen, und das Beifallsgeschrei wollte kein Ende nehmen. In Californien klatscht das Publikum bei solchen Gelegenheiten aber nicht blos in die Hände, sondern gibt dem, der sich seine Herzen zu gewinnen wußte, auch praktischen Beweise seiner Zufriedenheit. Es ist nämlich Sitte und Gebrauch dort bei solchen Kämpfen, wie sogar beim Tanz, den Mädchen Geld zuzuwerfen, und harte Silber-Dollar wie sogar goldene Unzen regnen häufig in den Saal, wenn eine Schöne beim Fandango die Herzen der Umstehenden zu entzünden wußte, und die tanzende Señorita muß dann das silberne oder goldene Lob selbst auflesen nach ihrem Tanz, als Dank für die Geber. In solcher Weise machte sich auch der Jubel der jauchzenden Zuschauer Luft, und von allen Seiten hagelten Silber-Dollar in die Mitte der Arena, und selbst nach dem Kopf des Stieres, der sich jetzt wieder erhoben hatte und die Stirn dem siegreichen Feinde zuwandte. „~Gracias, muchas gracias caballeros!~“ lachte aber der Indianer als er den reichen Segen auf sich niederströmen sah, und den Hut aufnehmend, der ihm beim Sprung vom Kopf gefallen war, und jetzt neben ihm lag, begann er vollkommen kaltblütig die Dollars zusammenzulesen, als der Stier zum neuen Angriff wieder zornig auf ihn einstürmte. „Wehr’ dich -- wehr’ dich, Valentin!“ ertönte es von allen Seiten, und der kecke Bursche hielt es dabei kaum der Mühe werth, den Kopf etwas zu wenden, daß er die Bewegungen des Anstürmenden beobachten konnte. Dicht vor ihm glitt er ihm aber wie eine Schlange aus dem Weg, und hatte wohl zwanzig Dollar in seinen Hut geworfen, als der Stier zum zweitenmal, und wieder vergebens, gegen ihn anprallte. Der Jubel des Publikums stieg mit jeder Bewegung des jetzt durch den getrunkenen Cognac wie durch Aufregung mehr und mehr belebten Indianers. Seine Augen blitzten und funkelten, seine ganze Gestalt hob sich und wurde größer, und die Gefahr, die Andere für ihn fürchteten, schien er mit seinem trotzigen Lachen nur immer auf’s Neue herauszufordern. Der Stier selber stutzte aber jetzt über die Ruhe des Feindes, der ihm trotzig und lachend gegenüberstand, und wühlte den Staub auf mit Vorderhuf und Horn, in grimmer, machtloser Wuth. „~Mira aqui compañero~,“ lachte da der Indianer und schritt auf den jetzt trotzig und erstaunt und nur zum neuen Angriff Zurückweichenden zu -- ~mira aqui~ -- „sieh’ die prächtigen Dollar!“ und eine Handvoll herausgreifend, begann er sie vor dem wüthenden Thier in den Sand zu zählen. „Eins, -- zwei, drei, vier -- halt ~amigo~, nicht so hitzig, oder ich verzähle mich -- fünf, sechs, sieben, acht -- was für großmüthige Gönner, -- neun, zehn, elf -- zwölf, dreizehn -- oh, der Teufel!“ und mit dem lachenden Ausruf war er genöthigt den Hut fortzuwerfen, den der wüthende Stier unter die Hufe trat, und auf Flucht zu denken, denn die scharfen Hörner des Feindes drohten ihm in wohlgemeinten Stößen Verderben. Valentin wich ihnen aber in tollkühnem Muthe nur eben weit genug aus, nicht berührt zu werden, und den Hut aufgreifend, kehrte er schon wieder zu seiner alten Beschäftigung zurück, als der gereizte Stier noch schnaubend die Arena durchrannte, ihn zu finden. Wieder begann er jetzt sein Zählen, dicht vor den Hörnern des Wüthenden, bald hier, bald dort hinüberspringend, wie ihn der Angriff zwang, aber stets die Gefahr durch eine anscheinend nur unbedeutende Bewegung des Körpers, der er noch dazu den Ausdruck des Tanzes gab, vermeidend, daß immer neuer Jubelruf die Luft erfüllte, und mancher Dollar noch zu ihm hinüberflog. So ermüdete er zuletzt den Gegner, daß dieser mit dumpfem Brüllen stehen blieb und es ruhig geschehen ließ, wie ihn das schwache Menschenkind vor seinen Augen verhöhnte. Und der Indianer sang und tanzte, und zählte die Dollar in den Sand und lachte und schrie dazu, und trieb die wunderlichsten Streiche, die der Stier nur manchmal mit einem neuen Angriff auf Secunden unterbrechen konnte. Die mexikanischen Preiskämpfer waren indessen nur mit eifersüchtigem, wenn auch machtlosem Grimm Zeugen des Triumphs der Rothhaut gewesen, und Einer von ihnen sprang jetzt ebenfalls in die Arena, rief dem Indianer zu, sein Geld zusammenzulesen und stellte sich selber, den Kampf wieder zu beginnen. Sein Empfang war gerade nicht ermuthigend, denn Zischen und Pfeifen begrüßte ihn, wie er nur den Sand berührte; der Stier aber, der hier einen neuen Gegenstand sah, an dem er seinen Grimm auslassen konnte, wandte sich von seinem alten Feinde ab und warf sich dem Neugekommenen wild entgegen. Dieser, der beste seiner ganzen Gesellschaft vielleicht, empfing ihn ruhig und sprang ihm, seine Stirn selbst mit dem Fuß berührend, leicht über den Kopf. Dadurch gewann er sich wieder das Vertrauen der leicht bewegten Masse, und einzelne Beifallsbezeugungen, besonders von manchem seiner Landsleute, munterten ihn zu weiteren Versuchen auf. „~Bueno, compañero!~“ rief Valentin, der indessen, die langen Haare aus seiner Stirn werfend, Zeuge der That gewesen war, aber keineswegs gesonnen schien, sich den Lorbeer des Tages so leicht entreißen lassen. „~Bueno~, aber das war Spaß, sieh’ hier!“ und mit den Worten stellte er sich dem wieder gegen ihn anstürmenden Thiere ruhig entgegen, und als es die Hörner niederbog, war er mit einem Satz, den Körper zugleich dabei herumschnellend, daß er mit dem Gesicht nach vorn saß, auf dem Rücken des wild dahinstürmenden Thieres, auf dem er sich über eine Minute lang, bei einem vollen Beifallssturm und trotz der wüthenden Anstrengungen desselben behauptete. Der Mexikaner wurde todtenbleich vor Wuth. „Das ist Nichts!“ schrie er mit wildem Lachen, und als sich der Stier, der sich des Reiters nicht entledigen konnte, bis dieser selber von ihm absprang, jetzt gegen ihn wandte, suchte er mit gleichem Sprung dem tollkühnen Wagen der Rothhaut gleichzukommen. Wuth und Aerger aber nahmen ihm vielleicht das kalte Blut, dessen er zu solchem Kampf bedurfte. Er überschätzte den Sprung, mit dem er sich zu weit nach hinten warf, und der Stier fühlte kaum den Feind an sich niedergleiten als er sich wandte und den Gestürzten, ehe dieser im Stande war sich emporzurichten, mit den Hörnern faßte, und, als ob es ein Kind gewesen wäre, in die Luft schleuderte. „~Carambo!~“ schrie der Indianer lachend, als das jetzt zu rasender Wuth getriebene Thier den stürzenden Körper wieder auf die Hörner fing und dann zu Boden trat. „Das ist den Spaß zu weit getrieben!“ und während drei der übrigen Kämpfer über die Barriere sprangen, ihrem Kameraden beizustehen, aber ehe Einer von ihnen den Stier erreichen konnte, warf sich ihm Valentin auf’s Neue entgegen, und diesmal, wie den Tod suchend, mitten zwischen seine Hörner hinein. Der wilde Sohn dieser Berge wußte jedoch was er that, und während ein Angstschrei der Zuschauer die Luft erschütterte, sprang er, mit dem kurzen Stahl in der Rechten, von dem zusammengebrochenen +todten+ Stier zurück, dem er die Rückensehne des Bugs mit sicherem Stoß durchschnitten. Und um die beiden Leichen tanzte der Wilde, unter dem Beifallssturm und Geldwerfen der Menge, den Fandango. Gerichtsscene. Stockton, am San Joaquin, ist nach San Francisco und Sacramentocity die bedeutendste Stadt Alta California’s, und rivalisirt besonders mit Sacramento. In letzter Zeit hat sich auch sein Umfang sehr bedeutend vergrößert, der Handel ist blühend, und zweigt von dort überall in die südlichen Minen aus. Seit lange schon war es dabei der Sitz eines Districts Court, und Judge Reynolds präsidirte über diese als „Richter in Frieden und Unfrieden.“ Um diese Zeit, und zwar im Sommer des Jahres 1850 begab es sich, daß ein Deutscher Namens Kadisch, Waaren in die Minen zu versenden hatte, zu gleicher Zeit aber sein Aufenthalt in San Francisco zum Empfang anderer Güter nöthig war. Er accordirte also mit einem dort ansässigen Spanier, ihm die schon bereitliegenden Güter auf seinen eigenen (Kadisch) Maulthieren in die Minen zu schaffen, die Thiere dann wieder zurückzubringen, und, sollte Kadisch um diese Zeit noch nicht zurück sein, eine neue Ladung zu besorgen. Das geschah; José der Spanier reiste mit den Gütern ab, holte aber weder neue Waaren ab, noch lieferte er selber die Thiere wieder aus, und gab, als ihn Kadisch später dafür zur Rede stellte, vor, sie seien ihm unterwegs gestohlen worden. Das war übrigens eine offenbare Lüge, denn in der nämlichen Zeit befand sich sogar ein Theil derselben Maulthiere in José’s Besitz in Stockton, und Kadisch hatte Zeugen genug, welche die Maulthiere kannten, und das Recht zu sehr auf seiner Seite, es dießmal nicht zu „riskiren“, Gerechtigkeit vor dem Richter zu suchen. Dennoch fühlte er sich nicht ganz sicher, ging aber doch zu Judge Reynolds, und brachte seine Sache vor. Er fand den Richter in ziemlich guter Laune auf seinem Sopha liegend, ein Bein über der Lehne desselben, das andere auf einem davorgerückten Stuhl. Er that für diesen Augenblick eigentlich gar nichts, als daß er sich vielleicht seinen angenehmen Gedanken überließ, dabei wälzte er ein nicht unbedeutendes Priemchen Tabak im Munde herum, und drehte nur manchmal den Kopf nach der Kammerecke herum in ein dort stehendes, etwa fünf Schritt entferntes Spuckkästchen mit ungemeiner Fertigkeit den Tabakssaft hineinzusenden. „Guten Morgen, Judge“ -- sagte der Kläger, als er zu ihm in die Stube trat, und die Thür hinter sich zumachte. „~How d’y do~“ lautete die kurze Antwort, der Judge drehte den Kopf ein klein wenig herum, zu sehen wer der Kommende wäre, und fiel dann in seine alte Lage zurück. „Judge, ich bin hier, um den Spanier José Tonguras zu verklagen, der mir meine sämmtlichen Maulthiere vorenthält, während ich beweisen kann, daß sie sich zu gleicher Zeit, wenigstens die meisten davon, in seiner eigenen Fenz befinden.“ Der Richter drehte hier wieder den Kopf, visirte das Spuckkästchen, nach dessen Richtung hin Kadisch stand, und spritzte den gelben Saft zwischen seinen Zähnen durch so dicht an dem Knie seines Besuchs vorbei, daß dieser erschreckt davor zurückfuhr. Es war aber nicht die mindeste Gefahr, und das Kästchen richtig getroffen worden. Der Richter schien aber die Befürchtung die er erregt, gar nicht zu achten, sondern benutzte nur die günstige Gelegenheit, da er seinen Mund gerade von Tabakssaft frei hatte, und frug den Kläger: „Hat José -- wie heißt der Kerl?“ „José Tonguras --“ „Ahem -- hat er Geld?“ „Er ist ansässig hier und wohl 10,000 Dollar werth,“ lautete die befriedigende Antwort. Der Richter blieb jetzt eine Weile, ohne fernere Antwort zu ertheilen, in nachdenkender Stellung auf dem Sopha liegen, zielte dann wieder nach dem Spucknapf, während dießmal der Deutsche aber aus dem Weg trat, da er doch nicht wußte ob der Schütze jedesmal schwarz treffen würde, klingelte dann, und sagte zu dem eintretenden Constable: „Bitte, Mr. Brown, rufen Sie mir doch einmal den Sheriff herüber.“ Als sich der Constable entfernt hatte, ließ sich der Richter die ganze Sache mit den Maulthieren ausführlich von dem Kläger erzählen, der ihm das so kurz wie möglich, aber klar und deutlich auseinandersetzte. „Gut, gut!“ sagte der Richter, als er zu Schluß kam, und schien mit dem Gehörten vollkommen zufrieden -- „sehr gut, den Burschen wollen wir schon kriegen. Er ist ein Mexikaner, nicht wahr?“ „Ich glaube wohl -- er trägt wenigstens die mexikanische Tracht.“ „Desto besser -- ah Jenkins“, wandte er sich dann zu dem eintretenden Sheriff -- „kommt einmal einen Augenblick hierher -- setzen Sie sich so lange, Kadisch -- wir wollen das bald in Ordnung bringen, ich habe gerade Zeit heute Morgen.“ Er unterhielt sich jetzt eine Zeitlang leise mit dem Sheriff, dieser verließ dann das Zimmer, und wohl eine volle Stunde blieben die beiden Männer allein im Zimmer, ohne auch nur ein Wort mit einander zu wechseln. Die geheimnißvolle Stille unterbrach nur dann und wann der Tabakssaft des Richters, aus dessen Bereich sich Kadisch wohlweislich begeben hatte. Endlich klopfte Jemand an die Thüre. „~Walk in~“ sagte der Richter. Die Thür ging auf und der Mexikaner José Tonguras trat ein, während der hinter ihm stehende Constable seinen Namen laut ankündigte. „~All right~“ sagte der Richter, ohne aber auch nur einmal aufzusehen -- „~take a seat, José~.“[4] Der Mexikaner war eine kurze, gedrängte, sonnverbrannte Gestalt, mit glänzend schwarzen gelockten Haaren, einer buntgestreiften Sarape, einem Wachstuch überzogenen breitrandigem Hut, an den Seiten bis an die Hüftknochen aufgeschlitzten braun sammetnen Ober- und schneeweißen baumwollenen Unterhosen, weißem Hemde und schwarzgewichsten Schnürstiefeln. Als er ins Zimmer trat, machte er eine halbe Verbeugung gegen den Richter und seinen Ankläger und sagte artig, während er den glänzend blanken Hut mit beiden Händen vom Kopfe nahm: „~Buenos dias, Señores.~“ Kadisch machte eine leichte Verbeugung gegen ihn, der Richter sagte aber gar nichts weiter, und da der Mexikaner die vorherige Einladung sich zu setzen wahrscheinlich nicht verstanden oder vielleicht nicht einmal gehört hatte; wiederholte sie der Deutsche noch einmal auf Spanisch. José dankte schweigend, rückte sich dann einen der Rohrstühle heran und ließ sich langsam darauf nieder. Die dunklen verschmitzten Augen liefen aber indessen rasch von einem Gegenstand im Zimmer zum anderen, und hafteten auf nichts. Nur dann und wann suchte er dem Blick des Richters zu begegnen, wenn dieser zu seinen regelmäßigen Expectorationen den Kopf wandte. Dieser aber hatte vielleicht schon ganz wieder vergessen, daß Jemand anders mit ihm im Zimmer war, oder nahm doch wenigstens nicht die mindeste Notiz, weder vom Kläger noch Verklagten. So verging eine Viertelstunde nach der andern, und Kadisch, der andere Geschäfte zu besorgen hatte, stand schon einmal auf und bat den Richter ihn zu entschuldigen, er wolle lieber in einer Stunde etwa oder zu jeder andern Zeit, die er ihm bestimmen möchte, wieder kommen, denn er habe zu Hause nothwendige Geschäfte. „~Never mind, Kadish~“, sagte aber der Richter, und winkte ihm mit der Hand sitzen zu bleiben; „der Sheriff muß den Augenblick hier seyn, und wir machen Ihre Sache dann ohne weiteres ab. Sie treffen’s vielleicht nicht allemal so günstig.“ Der Deutsche sah daß der Richter guter Laune schien, und war klug genug zu bleiben, der Mexikaner aber, der von den gewechselten Worten nichts verstand, schaute mißtrauisch bald den einen, bald den andern an, und mochte aus der Freundlichkeit des Richters gegen seinen Ankläger, nicht ohne Grund, keine der besten Folgerungen für sich ziehen. So verging wieder eine zweite Viertelstunde, als die Thür aufging und der Sheriff hereintrat. „Alles in Ordnung, Jenkins?“ frug ihn der Richter. „Alles“, lautete die bündige Antwort des Schwertes der öffentlichen Gerechtigkeit. „Alles so gewesen?“ frug aber der Richter noch einmal, der in dieser Sache wohl seine guten Gründe haben mochte, ganz sicher zu gehen. „Alles“, klang aber wiederum das bestimmt abgegebene Echo aus seines Merkurs Munde. „Gut, dann können wir die Court eröffnen“, erwiderte der Richter, erhob sich aus seiner liegenden Stellung, setzte sich aufrecht an den Tisch und rückte einige Bücher in Ordnung, „ruft den Dolmetscher herein.“ Jenkins öffnete die Thür, winkte hinaus und gleich darauf trat eine der wunderlichsten Figuren herein, die man sich nur auf der Welt denken kann. Es war eine breitschultrig gedrungene, grobknochige Gestalt, mit rothen, krausen Haaren, Pockennarben und die Hände dicht mit Sommersprossen bedeckt. In der Hand hielt der Mann einen alten, in die unbestimmteste Form hineingedrückten, weißen Filzhut, an dem nur Rand und Deckel fehlte, über den Schultern hing ihm ein kleiner blauer, an den Rändern grün und roth gestreifter chilenischer Poncho, die Beine bedeckten auch eine Art mexikanischer Hosen, aber die Unterbeinkleider waren beschmutzt und von höchst zweifelhafter Farbe, und die Füße stacken in groben, stark genähten und ungeschwärzten Schuhen. Die Figur hatte allerdings nicht viel Empfehlendes, aus den kleinen grünen Augen blitzte aber ein eigener wilder Humor, und der Blick, den er bei seinem Eintritt nur einmal, aber rasch und entschieden über die ganze Gruppe sandte, wie die zuversichtliche Art mit der er überhaupt auftrat, verriethen, daß er nicht das erstemal zu diesem Amt berufen sei, und es liebe vorher zu wissen, mit welchen Leuten er es hier zu thun habe. Sein nachheriges ganz gleichgültiges Wesen, wobei er weder nach der einen noch andern der Parteien auch nur den Kopf wandte, sollte anzeigen wie gänzlich unparteiisch er beide Theile höre, und nur darauf denke ihre geäußerte Meinung Wort für Wort dem Richter treu wiederzugeben. Dieser schien aber mit seinem Dolmetscher auf einem ganz freundschaftlichen Fuß zu stehen, rückte ihm, als er die Thür hinter sich zugemacht hatte, einen Stuhl dicht neben sich hin, nahm dann die neben ihm liegende Bibel in die Höhe, und sagte, nach der ersten Begrüßung gleich in die aufzugebende Schwurformel einfallend: „Wie geht’s Patrick? Ihr schwört hiermit feierlich, die zwischen beiden Parteien vorkommenden Aussagen und Antworten treu und wörtlich zu übersetzen, so helfe Euch Gott.“ „Dank Euch, Sir, ~Yes~“, sagte Patrick mit ächt irischer Brogue und ungemeiner Feierlichkeit, ebenfalls Morgengruß und Schwur zu gleicher Zeit beantwortend, dann küßte er mit vieler äußerer Andacht die ihm vorgehaltene Bibel, und ließ sich, seinen kurzen Poncho unnöthigerweise etwas weiter noch heraufschlagend, auf den ihm hingerückten Stuhl nieder. Den Hut drückte er, rücksichtslos gegen jede Façon, zwischen die Knie. Der Richter hatte indessen einen reinen Bogen Papier hergenommen, und schrieb jetzt sehr emsig die Anklage des Deutschen nieder, die er diesem dann gar nicht erst weiter zeigte, sondern sich damit, als er sie beendet, gleich unmittelbar an den Verklagten -- durch den Dolmetscher natürlich -- wandte. Der Mexikaner, der übrigens mehr Englisch verstehen mochte als er zu zeigen für räthlich hielt, hatte der vorstehenden Schwurscene sehr aufmerksam zugeschaut, und ein leises verstohlenes Lächeln spielte dabei um seine Mundwinkel, das sich auch kaum verlor, während der Richter dem Dolmetscher die Klage auf englisch vorlas. Er wußte recht gut daß seine Sache, ging sie den gewöhnlichen Gang Rechtens, noch lange nicht verloren zu sein brauchte, war aber freilich nicht auf das gleich folgende summarische Verfahren vorbereitet. Als der Dolmetscher alles angehört hatte, wandte er sich, die Augen dabei fest auf das Blatt Papier gerichtet, gegen den Verklagten, der jetzt seinerseits ebenfalls mit der ernsthaftesten Miene und größten Aufmerksamkeit dasaß, und übersetzte ihm lesend, wessen er beschuldigt sey, und frug ihn, ob er die Wahrheit der Sache zugestehe. Der Mexikaner sah hierauf erst ein paar Secunden, wie in tiefem Nachdenken, still vor sich nieder, und erwiederte dann in der eigenen singenden Weise der Spanier: „~Si Señor~, ich habe die Maulthiere von dem Manne mit den Waaren bekommen, und die Waaren an der bestimmten Stelle abgeliefert, ist dem nicht so?“ Die Frage wurde dem Kläger gestellt, und dieser bejahte sie, fügte aber hinzu, „daß er wegen der Waare nicht geklagt habe, sondern nur wegen der zurückgehaltenen Thiere.“ Der Deutsche hatte diese Antwort ebenfalls in Spanisch gesprochen, und Don José wollte gerade darauf erwiedern, als ihn der Richter unterbrach: „~Stop~“, sagte er, „ich möchte auch gern wissen, was Ihr da zusammen verhandelt, ~God damn it~, Ihr verlangt doch nicht, daß ich Euer verwünschtes Espagnole auch noch verstehen soll? Patrick, wie war die Geschichte?“ Patrick übersetzte dem Richter das, was beide Parteien gesagt, und dieser frug dann weiter: „Aber wo sind jetzt die Maulthiere? Habt Ihr die auch nachher ihrem rechtmäßigen Eigenthümer zurückgegeben, oder was ist mit ihnen geschehen?“ Der Mexikaner ließ sich die Frage erst übersetzen, dann sagte er achselzuckend: „~Quien sabe?~ -- als ich nach Stockton zurückkam, war der Mann noch immer nicht zurück. Ich mußte die Thiere einem andern zur Aufsicht übergeben, was ich aus meiner eigenen Tasche bezahlt habe, der wurde aber krank, und Amerikaner oder meine eigenen Landsleute haben die Maulthiere indessen gestohlen. Mein Bruder ist aber nach, und wenn er sie wieder findet, soll der Mann ebenfalls keinen Schaden leiden.“ Patrick übersetzte das und der Richter frug hierauf schnell: „Also er läugnet nicht, daß sie, während sie ihm übergeben waren, abhanden gekommen sind.“ „~No, no, es verdad~“, sagte José, „~pero....~“ „~Well, well, all right~“, unterbrach ihn der Richter, und als er sah, daß der Mexikaner noch Einwendungen machen wollte, sagte er zu Patrick: „~stop him, Pat’~, laß ihn mich nicht weiter unterbrechen, ich weiß jetzt alles, was ich wissen will. Kadisch, wie viel Maulthiere waren das, sagt Ihr, die Ihr ihm übergeben habt?“ „Vierzehn, Sir, mit Packsätteln.“ „Jenkins, was sind Maulthiere wohl jetzt durchschnittlich werth, der Sattel macht da weiter keinen großen Unterschied.“ Der Sheriff besann sich eine kleine Weile, und sagte dann, sich das Kinn streichend: „Hm, ich weiß nicht genau, ich denke so etwa von 80 bis 90 Dollars durchschnittlich. Vielleicht mehr.“ „Nun gut, wir wollen durchschnittlich 90 Dollars annehmen, seid Ihr damit zufrieden, Kadisch?“ Dieser bejahte es, etwas verdutzt, und der Richter fuhr fort: „Das sind also vierzehnmal neunzig, viermal neun ist sechsunddreißig, einmal neun ist neun und drei sind zwölf -- gerade 1260 Dollars -- außerdem für die Court 50, und für Warrant und Verhör 50 D., macht 1360, für Sheriff 50, sind 1410 -- und dann -- ja so Patrick, wie viel bekommt Ihr für Euer Dolmetschen?“ „Ih nun, ich weiß nicht“, sagte Patrick etwas verlegen, „ich denke etwa zwei Unzen.“ „Ah was, sagt drei“, meinte der Richter mit etwas leiserer Stimme und einem vertrauten Nicken des rechten Augenlids. „Oh, meinetwegen auch drei“, schmunzelte Patrick, und der Mann des Gesetzes nahm seine Rechnung wieder auf: „Also 1410, und 50 D. für Dolmetschen, sind gerade zusammen 1460 D., Patrick, sagt einmal dem José Tonsuras oder Tonjuras, wie er heißt, daß ihn die Court zu 1460 Dollars Strafe verurtheilt hat, und zwar 1260 für den Kläger, 100 für Courtgebühren, 50 für Sheriff und 50 für Dolmetschen -- 1660 zusammen.“ „1460“ erinnerte Patrick. „1460? -- ja das ist recht, 1460 -- nun es kommt auf eine Kleinigkeit nicht an. Die Summe ist übrigens in Zeit von drei Stunden zu entrichten.“ José war leichenblaß geworden, und konnte kaum die Zeit abwarten daß ihm der Spruch übersetzt war, als er aufstand und dagegen protestiren wollte; Judge Reynolds war aber nicht der Mann, der sich in einem einmal gethanen Spruch irre machen ließ. „Patrick,“ rief er diesem zu, „sagt dem Mann einmal, daß er, wenn ihm sein Geldbeutel lieb ist, sein Maul halten soll. +Herunter+ disputiren kann er gar nichts mehr, nur noch +hinauf+, und ich glaube kaum, daß ihm daran viel gelegen ist. Macht ihm übrigens auch noch nebenbei bemerklich, daß der Sheriff seine sämmtlichen Maulthiere hinter dem Hause hat -- wie Sheriff?“ -- Dieser nickte bejahend, und der Richter fuhr fort, „und daß die, wenn das Geld nicht in drei Stunden hier ist, heute Nachmittag vom Sheriff verkauft werden -- verstanden? wer nachher dabei zu kurz kommt, wird José schon wissen -- ein Nicken ist gerade so gut wie ein Wink für ein blind Pferd.“ José erbot sich jetzt in letzter Verzweiflung, denn er sah wohl, daß er hier vollständig in der Falle saß, bis in acht Tagen wenigstens die Mehrzahl der Maulthiere wieder an Ort und Stelle zu liefern. Judge Reynolds sagte aber nur kurz zu Patrick: „Habt Ihr dem Manne alles ordentlich verspanischt, was er wissen soll?“ „Alles, ~your honor~.“ „~All right then~, in drei Stunden die landesübliche Münzsorte oder -- Auction --“ und damit stand er auf, machte eine graziöse Bewegung mit der Hand gegen Kläger und Verklagten, und sagte: „die Court ist aufgehoben. Jenkins, kommen Sie, wir wollen einmal gegenüber gehen und einen nehmen, ich bin ganz trocken im Halse geworden.“ Drei Stunden später stand José Tonjuras mit vollem Geldbeutel und betrübtem Gesicht am Tische des Richters und zahlte diesem die ihm auferlegte Summe. Er wußte recht gut, daß ihm weiter gar kein Mittel blieb; der Richter hätte ihm das letzte Maulthier aus der Fenz verauctioniren lassen, und Maulthiere hatten gerade in dem Augenblick keinen besonders guten Preis. Judge Reynolds strich aber, jetzt ohne Dolmetscher, das Geld mit sehr wohlgefälligem Antlitz ein und sagte, als der Spanier etwas niedergeschlagen Abschied nahm, indem er das Geld in seinen Tischkasten einschloß, das einzige spanische Wort, was er wahrscheinlich wußte, „~Mucho gracias~.“ (~Muchas gracias!~) Die Entdeckung des Jackaßgulch (Eselschlucht). Wer meiner Leser erinnert sich nicht jener ersten Berichte, die über den californischen Reichthum zu uns herüber drangen, und Manchem gleich in ihrem ersten Andrang das richtige echte Goldfieber dermaßen gaben, daß es nur durch eine fünfmonatliche Seereise geheilt werden konnte. Andere schüttelten freilich zweifelnd den Kopf, und wollten an diese Massen von Gold nicht so recht glauben. Und doch waren jene Berichte keineswegs übertrieben. Es ist aber eine sonderbare Thatsache, daß in Californien gerade die reichhaltigsten Stellen, und zwar die, wo das Gold, und noch dazu grobes Gold, nur wenige Fuß unter der Oberfläche lag, gleich im ersten Anfang entdeckt und bearbeitet wurden, und die wenigen Glücklichen, die dort gewissermaßen über den Schatz herstolperten, konnten und wollten nicht anders glauben, als das ganze Land stecke jetzt dermaßen voll Goldsplitter, daß sie eben weiter nichts zu thun hätten, als sich daneben hinzusetzen und sie herauszuziehen. Sutters Mühle und Mormoneiland im Norden, Mormongulch und Sullivans Creek im Süden, wurden fast zu gleicher Zeit und bald nach einander gefunden, und sie alle lieferten, für die jetzigen Minen, fast unglaubliche Resultate. Die Leute dort hielten zwei Unzen den Tag für einen höchst mittelmäßigen Tagelohn, ja verließen die Stellen, wo sie das mit Leichtigkeit gewinnen konnten, und fanden an denselben Schluchten andere, die sie besser bezahlten. Sie verkauften um einen Spottpreis oder verschenkten die Plätze, die sie niedergegraben und die ihnen noch Schätze lieferten, vertranken das Gold das sie verdient, und fingen von Neuem an zu suchen. Die Minen schienen unerschöpflich, und mit höchst unvollkommenem Werkzeug, ja mit nur sehr geringer Arbeit -- im Vergleich zu dem wenigstens, wie jetzt dort geschafft werden muß -- förderten sie spielend zu Tage, was sie eben brauchten, und sie brauchten sehr viel. Die Flasche Champagner kostete damals von 10-16 Dollars, der Brandy 5-8 Dollars, die Flasche Essiggurken 16 Dollars u. s. w., und was sie nicht in solchen Leckereien (denn Essiggurken gehörten unstreitig dazu) geschwind genug loswerden konnten, das verspielten sie, nur wieder reine Taschen zu bekommen. Man kann sich denken, was für toll und wild zusammengewürfeltes Volk dort hauste, und wie es da manchmal zuging. Dennoch hörte man selten oder nie von Mordthaten, wenn auch Diebereien oft genug vorfielen. Morde kamen erst in Californien an die Tagesordnung, als das Gold schwerer und unsicherer zu gewinnen war, und die Leute lebten damals in einem Zustande, von dem sie später selber versicherten, sie seien „wie im Traume“ herumgegangen. So wie jetzt aber liefen auch schon zu jener Zeit fortwährend Gerüchte von noch viel reicheren Stellen, Plätzen, wo das Gold, wenige Zoll unter der Rasendecke, nur zum Zusammenscharren läge, und bald sollte dieser, bald jener ein solches Eldorado gefunden haben, dem nun Alle nachzuspüren suchten. Wer irgend einen andern Platz entdeckt hatte, von dem er ja noch gar nicht wissen konnte, ob er sich nicht gerade später als eine solche arabische Schatzkammer auswies, der hielt es so lange als möglich geheim, stahl sich Nachts fort, wenn es nicht anders ging, und lag Wochen lang draußen herum, bis er entweder von den Andern aufgespürt wurde, oder auch ausgefunden hatte, daß sein alter Platz eben so gut gewesen wie dieser, und er nun dahin wieder zurückkehren könne. Fand er doch dort wenigstens Provisionen und Getränke in der Nähe. Der Leser mag aber lieber gleich einmal mit mir in den Mormongulch hinabspringen. Er lernt dort das echte Minenleben aus erster Quelle kennen, und wir finden, wenn auch nicht lauter gute, doch sicher interessante Gesellschaft. Es war im August des Jahres 1848, als ziemlich hoch im Mormongulch (ein kleiner Bergbach, der sich in den Stanislaus ergießt und mit diesem später in den San Joaquim geführt wird) Spitzhacken und Schaufeln wacker gehandhabt wurden, und Pfannen klapperten und Maschinen oder sogenannte Wiegen Kies und Erde durchschüttelten, daß es eine Lust und Freude schien. Die Leute sangen und pfiffen dabei und lachten und erzählten sich Anekdoten und wenn man sie ansah, kam es Einem kaum vor als ob sie überhaupt wirklicher Arbeit wegen hier herumwirthschafteten. Gleich vorn, etwa zehn oder fünfzehn Schritt vom Bach selber ab, wo das Ufer eine Art flacher Niederung bildete, wühlten sich zwei von ihnen, ein paar Deutsche, in die Erde hinein, und Kies und Grund fuhr eine Zeitlang aus dem wohl schon vier Fuß tiefen Loch heraus, als ob sie es beim Zollbreit bezahlt bekämen. Sie hießen Fuchs und Starke -- der erstere mit einem fuchsrothen Bart, der seinem Namen Ehre machte, und dickem rothen Gesicht -- der Andere noch ein junger Bursche, der früher mit den Volontairen von Nordamerika nach Californien gekommen war, auf einer etwas wilden Expedition der Vereinigten Staaten, ein Land zu erobern, auf das sie damals noch nicht die mindesten Ansprüche hatten. Wie sie es nämlich später von Mexiko als Schadenersatz für die Kriegskosten forderten und bekamen, oder nahmen, war es wirklich schon, wenigstens in allen festen Plätzen, in ihrem Besitz. Ich würde Starke indessen Unrecht thun, wollte ich ihm irgend eroberungssüchtige Absichten oder überhaupt Absichten zuschreiben. Er war als Volontair nach Californien gegangen, wie er etwa mit Fuchs in das nächste Trinkzelt gehen würde, wenn dieser zu ihm sagte, „komm Starke, wir wollen Einen nehmen,“ und auf ähnliche Art auch in die Minen gekommen. Zwei von seinen Kameraden desertirten und sagten, „komm Starke, geh’ mit,“ und da Starke für den Augenblick nichts Anderes zu thun hatte, sah er gar keine Ursache, weshalb er zurückbleiben sollte. Er verdiente jetzt hier mit keiner, oder mit nur sehr unbedeutender Arbeit, von zwei bis zu drei und vier Unzen Gold täglich. Nicht weit von ihnen arbeiteten zwei andere Deutsche, Fischer und Johnny -- überhaupt hatten sich zufälliger Weise gerade an diesem Theil des Gulches lauter Deutsche zusammengefundenen, während weiter oben und unten wieder die einzelnen Amerikaner, Irländer oder auch Mexikaner zusammenhielten. Einige Chilenen arbeiteten in demselben Gulch. Sie waren mit dem ersten Schiffe, auf welchem auch Fischer Passage genommen, von Valparaiso hierhergekommen, das von dort nach dem erst entdeckten Eldorado abging. Sie hießen, wie schon gesagt, Fischer und Johnny. Der Erste, ein Hamburger, hatte sich lange in Valparaiso aufgehalten, sprach sehr gut spanisch und ziemlich englisch und schien überhaupt eine gute Erziehung genossen zu haben. Sein „~partner~“ war dagegen ein Original, wie deren wohl Manche auf Gottes weiter Erde zerstreut umherlaufen mögen, wie man aber gewiß nur selten das Glück hat, ein so vollständiges und so gut erhaltenes Exemplar frisch und fidel auf seinem Lebenswege anzutreffen. Johnny, wie er allgemein genannt wurde, und Niemand kannte seinen anderen Namen oder kümmerte sich darum, war ein Schneider, und zwar das liederlichste, lustigste, melancholischste und heroischste Schneiderlein unter der Sonne. Wie alt Johnny war, ließ sich auf den ersten Blick, ja selbst bei längerer Bekanntschaft schwer oder gar nicht bestimmen. Er war sehr klein und schmächtig und hatte gar keinen Bart, auch wandte er sehr selten, eigentlich nur in Nothfällen, eine Hand voll Wasser an sein Gesicht. Die Elasticität der Haut ließ sich deshalb höchst unvollkommen erkennen, so daß er seiner Gestalt und seines glatten Kinnes wegen seinen Bekannten manchmal ganz jung vorkam. Dann aber wieder, besonders in seinen sinnend-melancholischen Stellungen, die er gern annahm, runzelte er die Stirn dermaßen und die Augen lagen ihm so tief im Kopfe, daß man ihn wenigstens hätte für einen Vierziger halten mögen. Seine Tracht war pittoresk genug. -- Ein kleiner, kurz abgestutzter, einst grau gewesener Frack, ein Paar leinene, sehr oft aber noch lange nicht genug ausgebesserte Hosen, ein Hemd von unbestimmter Couleur und ein Paar Schuhe umgaben seinen Leichnam. Das Merkwürdigste aber an ihm war der Hut, und zu diesem zu gelangen, muß ich ein wenig weiter ausholen, und Johnny verdient auch wirklich diese Aufmerksamkeit. Johnny hatte in früherer Zeit -- und seine Lebensgeschichte gehört zu einer der thatenreichsten -- lange Jahre in Frankreich gearbeitet und war von dort zuerst nach den Vereinigten Staaten und dann nach Californien gegangen, wo er sich schon mehrere Jahre, ehe noch das Gold entdeckt wurde, aufgehalten. Damals hielt er einen Schenkstand in San Francisco und sein Verdienst, als das erste Gold dahin kam und der Reichthum des Landes durch aus den Bergen zurückkehrende Goldwäscher bekannt wurde, war außerordentlich. Aber das unruhige Blut ließ ihn nicht sitzen. Er verkaufte Alles, vertrank und verspielte den Ertrag, und ging dann selbst auf’s Goldsuchen aus. Johnny hatte, wie erwähnt, früher lange in Frankreich gearbeitet, und es gehörte diese Zeit zu seinen schönsten Erinnerungen; am liebsten hätte er sich auch Jean nennen lassen. Das ging aber nicht; seine Umgebung, der das Französische nicht so recht geläufig war, wollte darauf nicht eingehen, und es blieb, trotz mehrfacher Versuche einer Aenderung, immer zuletzt wieder bei Johnny. Seine Umgebung that ihm aber einen andern Gefallen. War es Einbildung oder Wirklichkeit -- bei dem jetzigen Zustand seines Gesichts ließ sich das nicht so genau unterscheiden, aber es hatten Einzelne früher eine Aehnlichkeit in Gestalt und Angesicht zwischen Johnny und Napoleon Bonaparte gefunden. Johnny’s Lieblingsstellung war von der Zeit an die mit zusammengekniffenen Brauen und untergeschlagenen Armen, ja seinen grauen Filzhut sogar hatte er dreieckig aufgeschlagen und befestigt, und als Zierrath, allerdings etwas unnapoleonisch, eine unechte Broche und eine kleine Kette aus Bronze darum, aufgenäht. In dem Augenblick, wo wir die Gruppe der Goldgräber mustern, liegt Johnny auf dem Bauche, dicht am Rand des Gulch, in einer sogenannten Kayota, d. h. in einer Seitenhöhle, die er sich unter der Bank hineingearbeitet hatte, die goldhaltige Erde darunter hervorzuwühlen, ohne sich dabei die Mühe zu nehmen das darauf liegende Erdreich abzuwerfen. Nicht daß Johnny faul gewesen wäre -- im Gegentheil, er war einer der besten Arbeiter -- aber es ging doch bequemer, und die Hauptsache: schneller. So hatte er erst, während Fischer die Erde abholte, zur Maschine trug und auswusch, mit einer kurzen, zu diesem Zweck besonders nützlichen Brechstange die goldhaltige Erde mehr und mehr, vielleicht zwei Fuß vom Felsengrund ab, weggestoßen und war dabei tiefer und tiefer gekommen, bis er zuletzt mit dem ganzen Körper unter die Erde hineingewühlt war, daß nur noch die Füße eben vorguckten. Sein Frack mit dem Hut darauf lagen, wie zierende Trophäen eines Monuments, dicht davor auf einem etwa 3 Fuß hohen Quarzblock, um den herum sie die Erde schon weggewaschen. Fischer war eben mit seiner Pfanne fertig geworden und zurückgekommen. Er saß niedergekauert und mit gebücktem Kopf neben Johnny’s Schuhwerk und versuchte in das Loch hineinzuschauen. Die Pfanne stand neben ihm. „Johnny“, sagte er endlich mit seiner etwas feinen aber gutmüthigen Stimme, „Du wühlst zu tief. Wenn Dir die Geschichte auf den Leib fällt, so haben wir Napoleons Grab hier, und das sollte mir leid thun.“ „Laß gut sein, Fischer,“ tönte Johnny’s Stimme dagegen etwas hohl und unnatürlich unter der Erde vor -- „ich bin gleich fertig, denn der Felsen läuft wieder hoch, und so können wir ihn nachher, wenn’s lohnen sollte, von oben abdecken.“ „Jemine Johnny,“ sagte Fischer, nachdem es ihm gelungen war, einen Blick in die Oeffnung zu werfen, „warum hast Du Dir denn nicht den Quarzstein da oben herausgebrochen. Er zerreibt Dir ja den Rücken.“ „Das geht nicht,“ brummte Johnny dagegen, „er sitzt zu fest. Wenn ich den herausholen will, bricht mir am Ende die ganze Pastete nach, und Gold steckt doch nicht mehr dran. So mag er denn sitzen bleiben.“ Es war ein weißer Quarzblock von vielleicht anderthalb bis zwei Fuß im Durchmesser, unter dem sich Johnny so hindurchgearbeitet hatte, daß er jetzt mit den Schultern unter ihm stak, was ihn allerdings etwas in seinen Bewegungen hinderte. Im Monat August aber ist die Erde so hart und trocken, daß wenig Gefahr eines Einsturzes vorhanden schien, ja die Mexikaner arbeiteten fast einzig und allein auf diese Art. Sie bohrten schmale Löcher, in die sie sich kaum hinabzwängen konnten, worauf sie sich unten nach allen Seiten und oft unglaubliche Strecken weit ausbreiteten. Es hieß dies in der Minensprache, wahrscheinlich nach den kleinen Wölfen, die es in Californien in wahrer Unmasse giebt und die ihr Lager in Erdhöhlen haben sollen -- kayoten. Johnny verlangte nun mit ausgestrecktem Arm die Pfanne, die ihm Fischer hinunterschob und, als sie sein kleiner unterirdischer Partner mit den Händen gefüllt hatte, nicht ohne Mühe wieder vorbrachte. Er ging dann zu seiner Wiege zurück, „den Dreck auszuwaschen“ -- ich kann dem Leser nicht helfen, er muß sich an die Minenausdrücke gewöhnen -- und Johnny kayotete weiter. Noch etwas höher hinauf arbeiteten ebenfalls ein paar Deutsche, diesmal aber, etwas allerdings Ungewöhnliches in den Minen, Mann und Frau zusammen. Madame Hilgen, eine Hamburgerin, verdient jedenfalls zuerst erwähnt zu werden, denn sie war unstreitig der Mann von den Beiden, und „schaffte“ so fleißig mit, wie nur ein Mann, wenigstens bei der leichteren Arbeit, hätte schaffen können. Sie verstand dabei einen Spaß und war nicht leicht böse gemacht, wußte aber auch Alle mit einem gewissen Takte in den gehörigen Schranken zu halten. Madame Hilgen saß an der „Wiege“ und wusch die Golderde aus, die ihr Mann im Schweiße seines Angesichts dem harten Erdboden mit Spitzhacke und Schaufel abgemüht und ihr hingetragen hatte. Die beiden Eheleute waren übrigens die einzigen von all den Goldsuchern dort, die einen wirklichen Nutzen aus dem aufgefundenen Reichthum zogen. Denn die Frau hielt das Erarbeitete zusammen, und Hilgen, wenn er auch dann und wann einmal über die Stränge geschlagen hätte, durfte nicht mucksen. Fischer und Mad. Hilgen saßen etwa funfzehn Schritte von einander entfernt, so daß sie sich recht gut mit einander unterhalten konnten, besonders da Fischer’s etwas feine Stimme ziemlich weit hinaustönte. Gleich über Hilgen oben arbeitete eine einzelne Persönlichkeit, und wiederum ein Charakter, wie ich fest überzeugt bin, daß solche das Schicksal eben nur in Californien zusammengeworfen haben kann. Wilhelm Erbe war ein Barbiergesell aus Leipzig. Er hatte aber seine Vaterstadt schon vor zwanzig Jahren verlassen und sich seit der Zeit, meistens in Nordamerika, als Gott weiß was Alles herumgetrieben, später den texanischen Krieg mitgemacht, und war von dort, wie er in heiteren Stunden manchmal erzählte, desertirt und nach Californien „ausgewandert.“ Nichts machte ihn übrigens glücklicher, als einen Leipziger zu treffen, mit dem er von alten Zeiten, Meistern und Straßen plaudern konnte. Trotz seiner langen Entfernung hatte Erbe noch ganz den singenden echt sächsischen Ton beibehalten und sich dazu durch einen längeren Aufenthalt zwischen Amerikanern das Einwerfen englischer Brocken dermaßen angewöhnt, daß Einer, der sich mit ihm unterhielt und blos deutsch redete, oft zu rathen hatte was er eigentlich meine, und wovon er spreche. Ja selbst wer Englisch verstand, wurde manchmal nicht klug aus seinem Kauderwelsch. Es ist sonderbar, daß nur die deutsche Nation im fremden Lande, und auch wieder nur mit der englischen Sprache, bei der es wohl die Aehnlichkeit des Dialects machen muß, diese Eigenheit annimmt, und gerade die, die am wenigsten noch vom Englischen verstehen, mißhandeln das Wenige schon, selbst wenn sich ihnen nicht die geringste Ursache dazu bietet, auf das Entsetzlichste. Sie verdeutschen die englischen Wörter -- d. h. sie geben ihnen deutsche Endungen und conjugiren und decliniren sie deutsch -- wo denn manchmal der drolligste Unsinn zu Wege kommt. So versicherte mich einst ein sonst ganz gebildeter Deutscher in Cincinnati, er müsse jetzt zu Hause, es sei schon „zu ~dinner~ gebellt“ -- von ~dinner~, Mittagessen, und ~bell~, Glocke. -- „Hands mit ihm geschäkt“ -- von ~shake hands~, Handschütteln, -- „über Fenz getschumpt“ -- von ~fence~, Zaun, und ~to jump~, springen, -- „kalt gekätscht“ -- von ~to catch a cold~, sich erkälten -- etc. etc. gehören zu den gewöhnlichsten Phrasen und man könnte ganze Wörterbücher derselben zusammenstellen. Erbe lieferte wirklich komische Sachen und sein sächsischer Dialect verstärkte den drolligen Eindruck. Seine Tracht war im gewöhnlichen Leben -- und er lebte nur gewöhnlich -- ein alter kurzer blauer Frack mit hinten einem, und vorn drei -- blanken kann man nicht gut sagen -- also Messingknöpfen. Ein rothes Hemd, eine graue wollene Hose, keine Socken und ein Paar schwere, eisenbeschlagene Schuhe -- (wenn ich von Schuhen oder Stiefeln in den Minen spreche, verstehe ich immer den rechten Hacken schief getreten, was eine unausbleibliche Folge des, in harter Erde, mit dem Spaten Arbeitens ist). Dieser Anzug war soweit nicht von außergewöhnlicher Eleganz. Unter dem alten blauen Frack konnte ein Schulmeister wie ein Grobschmied, ein Handschuhmacher wie ein Blechschläger sitzen, aber die Mütze war Barbier -- jeder Zoll Barbier. Die blaue runde Tuchmütze, die „schon manchen Sturm erlebt“, saß nicht allein schief, nein ordentlich gefährlich auf der linken Seite des Kopfes -- den Rand derselben so weit unten wie es nur eben das Ohr zuließ und dann den Obertheil derselben so weit herübergezogen wie möglich. Erbe hatte dabei nur dann seine Hände außer den Hosentaschen, wenn er arbeitete oder seinen Leib erfrischte. Das Erstere geschah selten, das Zweite häufiger, aber selbst bei der letzteren Beschäftigung belästigte er so wenig als möglich die Linke, die wirklich eigentlich nur dann an’s Tageslicht kam, wenn sie eine Spitzhacke oder Gabel anfassen sollte. Erbe arbeitete allein an einem Loche etwas oberhalb Hilgens, d. h. er stand mit den Händen in den Taschen davor, die Mütze schief auf dem Kopf und diesen etwas seitwärts gehalten, und sah sich mit einem halb komischen, halb wehmüthigen Blick die Stelle an, die jetzt wieder, wenn er überhaupt heute noch etwas verdienen wollte, Zeuge seiner Thätigkeit sein sollte. Die Mütze war übrigens das einzige Merkmal, welches er noch von seinem alten Handwerk an sich trug. Seine Gestalt war dicker, sein Gesicht voll und roth geworden, die Nase sogar verdächtig roth, und seine Hände hatten lange nicht mehr das Seifenwasser seiner Kunden gefühlt. Auch seine Bewegungen waren nichts weniger als das, was man jetzt in Leipzig, und besonders zu Meßzeiten, von einem flinken Barbiergehülfen fordert. Er ging nur sehr langsam, den Kopf keck und selbstgefällig hinter sich geworfen, und die einzige Bewegung, die er dabei mit seinem Oberkörper machte, war mit den Ellenbogen, d. h. er schlenkerte aus alter Gewohnheit die Ellbogen, während er aus neuer die Hände in den Taschen behielt. „Nun, Madame Hilgen, wie geht’s heute Morgen,“ rief Fischer von Johnny’s Platz aus, wo er wieder auf eine Pfanne voll Erde wartete -- „machen Sie gut aus? -- wie schüttet’s?“ „O ich danke, Herr Fischer,“ sagte Madame Hilgen, einen Augenblick den blechernen Schöpfer, mit dem sie unablässig beim Schaukeln der Maschine (oder Wiege) Wasser aufgießen mußte, niederlegend, „es will hier nicht mehr so recht zahlen. Das soll die letzte Maschine voll sein. Mein Mann hat einen anderen ~claim~ weiter oben, den wollen wir einmal versuchen.“ „Und wie bekommt Ihnen die harte Arbeit, Madame Hilgen?“ sagte Fischer. „Wie geht’s mit den Armen?“ „O ich weiß nicht, Herr Fischer, ganz gut -- viel besser wie ich gedacht habe.“ „Ja, Madame Hilgen,“ sagte Fischer mit einem freundlichen Lachen über sein gutmüthiges Gesicht -- „an das Wiegen habe ich mich im Anfange nicht so leicht gewöhnen können -- das geht den Frauen natürlicher von den Händen.“ „Da haben Sie recht, Herr Fischer,“ lachte Madame Hilgen, und da ihr Mann gerade mit einem neuen Eimer voll Erde angeschleppt kam, den er oben in die „~cradle~“ hineinschüttete, wiegte sie ruhig weiter. Die Unterredung wäre für den Augenblick abgebrochen gewesen, hatte nicht ohnedies plötzlich ein furchtbarer hohlklingender Schrei die ganze Nachbarschaft aufgeschreckt, und gleich darauf, so rasch sie ihre Füße dorthin bringen konnten, um Fischer’s und Johnny’s Arbeitsplatz gesammelt. „Hülfe -- Mord -- Hülfe!“ schrie Johnny nämlich mit wahrhaft peinlicher Lungenanstrengung aus seinem unterirdischen Versteck hervor, und selbst die einsam herausschauenden Schuhe drehten sich so krampfhaft und ängstlich, als ob sie ebenfalls um Beistand flehten. Fischer hatte, als einzigen haltbaren Gegenstand, diese Schuhe mit den Füßen darin gepackt, und suchte den Eigenthümer derselben hervorzuziehen. Zu seinem Erstaunen fand er aber, daß Johnny heute ein ganz außergewöhnliches Gewicht besitze, denn das sonst federleichte Schneiderlein wich und wankte nicht, schrie aber bei diesem Versuch wo möglich noch toller als vorher. „Um Gottes Willen, Johnny, was ist Ihnen?“ rief Madame Hilgen, mit die erste auf dem Platz, „was fehlt Ihnen denn?“ „Ich bin verschüttet -- ich bin lebendig begraben!“ schrie Johnny aber, „Hülfe -- Hülfe! grabt mich aus!“ „Um Gottes Willen, grabt ihn aus, Leute!“ schrie Starke, der den Kopf schon verloren hatte, und in Todesangst um den vermeintlich Erstickenden war. „Ja, aber wenn er verschüttet wäre, könnte er doch nicht schreien!“ rief Fischer und machte einen neuen verzweifelten, wenn auch wieder vergeblichen Angriff auf die strampelnden Schuhe. „Es liegt ’was auf ihm!“ sagte Fuchs, der sich indessen auf die Kniee geworfen und da hinein geschaut hatte wo Johnny steckte, „er hat einen großen Stein auf dem Buckel.“ „Und das ist es auch!“ rief Fischer -- „ich hab’s ihm noch vorhin gesagt. Johnny -- o, Johnny! kannst Du noch Athem holen da unten?“ „Hülfe -- Hülfe -- der ganze Berg liegt auf mir!“ schrie Johnny. „Nun schreien kann er noch ~for sure~,“ sagte Erbe, der jetzt ebenfalls herangekommen war, und mit den Händen in den Taschen daneben stand, „das spricht für die Lungen.“ Fischer, Hilgen und Fuchs hatten indessen einen Versuch gemacht unter die Bank nachzukriechen, und das, was auf Johnny gefallen sein mußte, von ihm herunter zu wälzen. Allein das Unternehmen erwies sich als gänzlich unausführbar, und Johnny, der indessen seine Besinnung in etwas wiedergefunden hatte, erklärte nun unter einem mäßigeren Stöhnen, es liege ihm eine Last von zwischen vier- bis fünftausend Pfund auf den Schultern. Wenn sie ihm die nicht herunter bringen könnten, müßte er, wo er wäre, elendiglich verhungern. „Das wäre stark,“ sagte Erbe kopfschüttelnd und fuhr dann in seinem Kauderwelsch fort -- „ich hab’s ihm aber lange gesagt, er sollte ~care taken~ wie er da immer unter kraust -- jetzt hat er’s geketscht. Wenn wir ihn nur ’rum türnen könnten.“ Hilgen wollte jetzt mit hinunter kriechen, um noch einmal zu sehen, ob er die Last von Johnny abwälzen könnte. Seine Frau hatte ihn aber an dem einen Bein erfaßt, ehe er nur halb verschwunden war, und zog ihn mit Fischer’s Hülfe gleich darauf wieder an’s Tageslicht. Sie gab ihm dabei lebhaft zu verstehen, daß er da unten gar nichts zu suchen hätte, wo er sich am Ende auch noch mit verschütten ließe. Es lag zu viel eheliche Zärtlichkeit in dieser Fürsorge, um Hilgen nicht ohne Weiteres von jedem derartigen Versuch abzuschrecken, und Starke, den Niemand daran verhinderte, kroch jetzt in die Oeffnung und bemühte sich den Stein -- denn es war, wie sich jetzt ergab, nichts als der oben erwähnte Quarzblock -- weg zu bewegen. Obgleich der Block aber nach oben vollkommen frei lag, fand er doch rechts wie links sowohl, zu vielen Widerstand, um nach einer von diesen Richtungen hin fortgebracht zu werden, so daß es, wie Starke versicherte, weiter kein Mittel gab, als ihn über Johnny’s ganzen Körper herunter und vorn herauszuziehen. „Wenn wir nun den kleinen Schneider mit dem Stein heraus ~pullten~“ (~to pull~ ziehen) meinte Erbe in seinem Deutsch-englisch -- „wie man so einen Zahn herausholt.“ „Du windschiefer Barbiergesell brauchst auch von „Schneider“ zu reden,“ rief Johnny plötzlich von unten hervor, daß Alle auflachten -- „Hülfe -- Hülfe“ -- schrie er aber dann gleich wieder, „ich halt’s nicht mehr aus -- ich ersticke!“ „Erbe hat ganz recht“, sagte Fischer -- „Du Johnny -- oh Johnny -- hörst Du?“ „Was willst Du, Fischer?“ stöhnte Johnny -- „mir ist der Brustknochen zerquetscht und jetzt drückt es mir eben das Herz ab -- sprich schnell -- ich lebe keine fünf Minuten mehr.“ „Kannst Du ein Bischen mit den Ellbogen nachhelfen?“ fragte Fischer, ohne auf Johnny’s Klagen zu achten, „wir wollen Dich bei den Beinen herausziehen.“ „Ihr könnt mir die Beine ausreißen,“ sagte Johnny mit furchtbarer Feierlichkeit -- „aber Ihr werdet nie im Stande sein die Last über mir zu bewältigen, wenn Ihr nicht Schaufel um Schaufel abtragt. Allein bis dahin bin ich eine Leiche, denn ich ersticke -- ich ersticke.“ „Halt Dich nur noch eine kleine Weile tapfer und hilf mit schieben,“ rief ihm Fischer ermuthigend zu. „Wir holen Dich jetzt sammt dem Steine heraus!“ „Windschiefer Barbiergesell?“ murmelte Erbe für sich hin, während er die Hände aus den Taschen nahm, die Aermel etwas aufstreifte und einen von Johnny’s Füßen packte. Die Uebrigen hatten Alle schon angefaßt und langsam begannen sie ihr Gewicht gegen Johnny und seinen Quarzblock in die Schale zu legen. Kaum hatten sie aber, wie Erbe meinte, eine „~inch~ ge~gaint~“ (~inch~ Zoll und ~gain~ gewinnen), als Johnny ein wahres Zetergeschrei ausstieß und meldete, der ganze Berg käme herunter, sie sollten aufhören. -- „Der Berg liegt auf mir -- Ihr zerreißt mir die Brust -- meine Rippen haben sich in die Steine eingehakt“ -- lauteten seine Angstrufe. Die Rettenden aber, obgleich sie für den Augenblick unschlüssig anhielten, wußten recht gut, daß sie den Schneider entweder auf diese Weise zu Tage fördern oder den Hügel wenigstens um neun Fuß hoch abgraben mußten. Das war zu viel Arbeit, und sie setzten ihre Anstrengung in bisheriger Weise fort. „Wenn wir ihn ein Bischen liften könnten,“ bemerkte Erbe. „Ach was lüften,“ brummte Fuchs, der noch kein Englisch sprach und sich immer über die fremden Worte ärgerte -- „angepackt Doctor“ (so hieß Erbe häufig zu seinem und dem Vergnügen der Andern) „angepackt und heraus mit ihm -- komm Johnny!“ Und dabei that er einen kräftigen Ruck an Johnnys linken Fuß, der, wenn er auch weiter nichts nützte, dem armen Gequälten doch einen neuen Schrei auspreßte. Sie legten sich aber jetzt alle mitsammen ein, zogen mit gleicher Kraft vorsichtig an und fanden zu ihrer Freude, daß Johnny wirklich „kam!“ Glücklicherweise für ihn bestand der untenliegende und schon früher des Goldes wegen vollkommen glatt gekratzte Fels aus weichem Sandstein und seine beiden Ellbogen, wie er später erzählte, gewissermaßen als Kufen gebrauchend, machte Johnny eine Art Lastschlitten des Quarzblocks aus sich. Mit dem Steine, der ihm unbeweglich auf dem Rücken lag, und unter einem Hurrah der „Retter“ ward er endlich zu Tage gebracht. Kaum daß der Block frei war, stieß ihn Starke in seinem Eifer von Johnnys Rücken herunter und gerade gegen Erbe’s Füße. Johnny aber blieb wie todt liegen. Erst als ihn Fischer, Hilgen, Fuchs und Starke -- denn Erbe hinkte mit verletzten Zehen in der Nachbarschaft umher -- gewaltsam aufrichteten, schlug er die Augen auf, zunächst seine übel mitgenommenen Ellbogen und dann die aufgeritzte Haut an der Brust betrachtend. „Ich sehe wieder Gottes freie Sonne -- ich athme frische Luft -- ich bin aus der Unterwelt zurückgekehrt.“ „Johnny,“ sagte Fischer, der jetzt, wie er gewöhnlich that, seine beiden Hände oben in den Hosengurt geschoben hatte und den kleinen Schneider mit seitwärts gebogenem Kopfe lächelnd ansah, während er mit der Spitze des rechten Fußes den Quarzblock anstieß, „Johnny, wenn ich wie Du wäre, ließ ich mir das Steinchen hier zum Andenken in eine Tuchnadel fassen.“ „Nein,“ lachte Madame Hilgen, „Herr Erbe hat sich ihn schon zu einer Schuhschnalle angepaßt.“ Erbe blieb plötzlich stehen und drehte sich halb gegen Mad. Hilgen. „Ne heren Se, Madame Hilgen,“ sagte er dabei in seinem blühendsten Sächsisch, „als wie ich bin das schon lange nicht gewesen. Aber Starke hat den Block so verkehrt gemänetsch (~to manage~) -- wenn ers nicht ~on purpose~ gethan hat -- das sollt ich aber nur wissen.“ Während die Andern lachten, stand Johnny mit untergeschlagenen Armen, zusammengezogenen Augenbraunen und etwas vorgesetztem rechten Fuß vor der Oeffnung und murmelte düster: „Also das hätte mein Grab werden können?“ „Ich habe Dir’s ja gleich gesagt, Johnny,“ erinnerte Fischer, während er den Stein mit dem Messer untersuchte, ob nicht Gold darin säße. „Wer war denn das eigentlich,“ rief Johnny mit plötzlich verändertem Ton und sich rasch umdrehend, „der mich in einem fort am linken Bein gerissen hat? Und hier auch von der Schulter ist mir die Haut herunter.“ „Du, Johnny, -- das müssen wir abwaschen,“ unterbrach Fischer den Genossen und zeigte ihm ein kleines Stück Gold, im Werth von etwa anderthalb Dollars, das er in der an dem Stein sitzenden Erde gefunden, -- „da sitzt auch noch mehr; am Ende lohnt sich’s doch des Abdeckens.“ „Laß den Quark jetzt, Fischer,“ rief John mit einer verächtlichen Handbewegung, -- „ich bin eben dem Grabe entsprungen und feire heute meinen Geburtstag. -- Keine Hand rühre ich mehr an.“ „Das ist recht, Johnny,“ rief Fischer, -- „da giebst Du auch einen aus.“ „Ja, wenn wir das wissen, machen wir Alle Feierabend,“ riefen Fuchs und Starke. „Und da gehöre ich denn ebenfalls mit dazu,“ versicherte Erbe; „ich bin auch mit Hebamme gewesen.“ „Wenn Ihr Alle so schnell zur Arbeit zu bringen wäret, wie davon,“ spottete Mad. Hilgen, „so gäbe es hier lauter reiche Leute.“ „Ich muß aber dann auch bei der Fete sein,“ meinte Hilgen mit einem schüchternen Blicke gegen die Frau, -- „wenn Johnny seinen Geburtstag feiert.“ „Erst müssen wir unsere Maschine fertig haben,“ bestimmte die Gemahlin. „Wenn Du nachher das Werkzeug in’s Zelt gebracht hast, kannst Du gehen wohin Du willst.“ „Madame Hilgen,“ sagte Johnny, der seine Schmerzen, wie die überstandene Gefahr schon total vergessen zu haben schien, mit Galanterie, „Sie sind ein Muster der Frauen, und wenn mir denn heute Niemand Gutes wünscht, -- denn ich feire +wirklich+ an diesem Tage meinen Geburtstag, -- so wünsche ich mir selbst dermaleinst eine solche Frau, wie Sie.“ „Na da gratulir’ ich,“ sagte Fischer lachend. „Ei Herr Fischer, Sie sind ja ein recht grober Mensch!“ rief Madame Hilgen, mit dem Finger drohend. „Ich habe ja Johnny blos zu seinem Geburtstage, nicht zu einer Frau gratulirt, Madame Hilgen,“ rief aber dieser, sich vertheidigend. Fuchs meinte jedoch, von dem vielen Reden bekämen sie Nichts zu trinken und er selber habe, was er auch bei den anderen voraussetze, einen sträflichen Durst. „Ich kann auch nicht sagen, daß ich ~satisfied~ wäre“ meinte Erbe, „und da ich gerade mit meiner Arbeit fertig bin, gehen wir am besten gleich.“ „Halt!“ sagte Johnny, „die Pfanne steht noch in der Höhlung. Die dürfen wir nicht stehen lassen, -- es ist wenigstens für sechs bis acht Dollars Gold darin.“ „Ja ich klettere nicht hinab und wenn zehn Pfannen da ständen,“ erklärte Fischer. „Ich auch nicht,“ meinte Johnny, „ich bin +einmal+ gut weggekommen -- das hieße Gott versuchen.“ „Unsinn,“ sagte Starke, der von Natur sehr gutmüthig war -- „die Pfanne wollen wir schon herauskriegen,“ und da Niemand etwas dagegen hatte, kroch er unter den Abhang und hatte sie auch bald darauf, gefüllt wie sie war, herausgezogen. „Das soll die erste Flasche Champagner geben,“ rief Johnny, indem er die Pfanne anfaßte und zum Wasser trug, sie noch rasch auszuwaschen. „Dann wollen wir zu Mittag essen, Kinder, und nachher haben wir Feierabend.“ „+Hungrig+ bin ich gerade nicht,“ meinte Erbe. Hilgen ging indeß mit seiner Frau auf den Arbeitsplatz zurück, die Uebrigen reinigten ihre Maschinen und trugen das ausgewaschene Gold in den Pfannen nach Hause. Nur Erbe, der an diesem Morgen noch kein Handwerkszeug angerührt hatte, ließ seine Hände in den Taschen, und schlenderte langsam seinem Zelte zu, sich etwas Thee zu bereiten und dazu ein Stück Schiffszwieback und Speck zu essen. Anderes war in der Gegend herum kaum zu bekommen. In der Nähe hielt ein Amerikaner ein Trinkzelt, in dem die Deutschen gewöhnlich des Abends zusammenkamen. Selten aber nahmen sie, außer Johnny, an den in einem Nebenzelt gehaltenen Hazardspielen Theil, sondern hielten sich mehr „an die Getränke“ bis sie den gehörigen Grad geistiger Lebendigkeit erreicht hatten, und zu singen anfingen. Das war dann auch wieder reiner Profit für den Wirth, denn besonders Fischer sang sehr gut und lockte oft damit die ganze stets durstige Nachbarschaft in den kleinen Raum. An diesem Abend, als einer besonders feierlichen Gelegenheit, waren sie aber außergewöhnlich lustig und Johnny besonders ging ganz aus sich heraus, erzählte tausend Anekdoten aus seiner fröhlichen Gesellenzeit in Frankreich, von der hübschen Meisterstochter, der er sein Herz dort gelassen, und seinen tollen Streichen. Von seiner Auswanderung nach Amerika, der Fahrt nach Californien, den ersten Ansiedlungen dort, und wie ihn dann der Teufel geplagt habe sein Geschäft in San Francisco an den Nagel zu hängen und in die Minen zu gehen. Wenn er zu diesem Punkt seiner Erzählung kam, wurde er stets melancholisch; denn er hatte damals ein hübsches Vermögen zum Fenster hinaus geworfen. Aber mit einem Satz sprang seine Phantasie nach Frankreich zurück, und er begann dann mit Fuchs französisch zu sprechen. „Ach was,“ -- rief Erbe dazwischen -- „tahkt daß man’s unterständen kann -- das soll ja der Teufel herauskriegen, was Ihr da mitsammen schwatzt.“ „Mr. Fuchs,“ sagte in diesem Augenblick der Wirth, „heute ist auch ein Brief mit für Sie von San Francisco heraufgekommen -- beinahe hätt’ ich’s vergessen, -- hier -- ein Dollar, funfzig.“ „Briefe?“ rief Johnny aufspringend, -- „und keiner für mich? -- eine Million für einen Brief.“ „Woher erwartest Du Briefe, Johnny?“ frug Fischer, „von San Francisco?“ „Von Havre,“ lachte Hilgen. „Da wohnt die schöne Meisterstochter, die nun seit funfzehn Jahren nicht geschrieben hat.“ „Hilgen, Du bist ein -- Ehemann,“ sagte Johnny mit Achselzucken; „ich kann Dir nichts weiter auf Deine Bemerkung erwiedern.“ „Hier sind alle die Briefe,“ unterbrach sie der zurückkehrende Wirth, und hielt Fischer etwa zehn oder zwölf Briefe hin, die heute, für dortige Miner bestimmt, durch einen der Leute, die hier oben ein Zelt hatten, heraufgebracht worden waren. Noch jetzt gehen diese Leute in San Francisco auf die Postoffice, lassen sich an Briefen geben, was für die Minen, nach denen sie gerade hinaufgehen, bereit liegt, zahlen ein geringes Porto dafür, und rechnen dann für den Brief ein -- zwei Dollar Botengeld. Die Bestellungen, für die sie dort keine Liebhaber finden, nehmen sie selten oder nie wieder zurück, und es läßt sich denken, daß auf solche Art eine Menge Briefe für die wirklichen Eigenthümer verloren gehen müssen. So hatte der letzte Bote zwei für einen Mr. Fischer mitgebracht, weil Einer der Deutschen hier, wie er wußte, Fischer hieß. Es war aber keiner der rechte und beide blieben oben liegen. Für John Smith lagen wenigstens sechs dergleichen dort. Fischer blätterte auch die andern Briefe durch. „Edward Hustings,“ murmelte er dabei vor sich hin, „William Roberts -- Charles Roberts -- John -- ja, zum Henker,“ unterbrach er sich, seine Finger zwischen den Briefen lassend und Johnny dabei ansehend, „wie heißt Du denn eigentlich mit Deinem Zunamen, Johnny -- hier ist einer für John Was -- Wes -- Wesley -- Wetter noch einmal, ist das eine Pfote -- ich habe Dich noch nie anders wie Johnny nennen hören, und das kann doch nicht so einfach auf der Adresse stehen.“ „Nein,“ sagte Johnny, den Hut, wie er dies fast hundert Mal des Tags that, vorn an der Krempe fassend und mit einem plötzlichen Ruck etwa sechs Zoll von links nach rechts rückend, wodurch die eigentlich vorn sitzen sollende Brosche alle vier und zwanzig Stunden etwa zwanzig Mal einen Zirkel um seinen Kopf beschrieb -- „nein, die Briefe müssen französische Adresse haben an ~Monsieur Jean Stülbeng~.“ „Stüllbeng -- hm,“ brummte Fischer, „das ist ja gar kein deutsches Wort. Stammst Du denn aus Frankreich, Johnny? -- Haben Sie schon ’mal einen solchen Namen gehört, Herr Erbe?“ „Nein,“ sagte Erbe kopfschüttelnd, „aber in Leipzig workte (arbeitete) ich einmal mit einem Gesellen zusammen, der hieß Sturzmeier, was auch ein sonderbarer Name ist.“ „Ja Herr Erbe,“ sagte Fischer lachend und ihm zunickend, „aber wie buchstabirst Du denn den, Johnny?“ „~S -- t -- ü -- asch --~“ „O bleib mir mit Deinem ~ash~ vom Leibe, Johnny,“ unterbrach ihn aber Fischer -- „Du weißt ich verstehe von Deinem Französischen Nichts, damit mußt Du mich ungeschoren lassen. Da -- hier ist ein Bleistift -- da schreib ihn einmal auf die Karte, nachher werden wir ja sehen.“ Johnny nahm eine der alten auf dem Tische herumliegenden Karten und schrieb mit kühnem Zuge den Namen, den er dann Fischer hinhielt. Dieser las: „Jean -- Stu -- Stuhlbein -- bei Gott!“ rief er laut auflachend -- „und wie sprachst Du das aus, Johnny?“ „~Well!~“ meinte Erbe, und durch das breite dicke Gesicht zuckte es ihm nach allen Seiten hin -- „das ist doch am Ende ein deutscher Name -- Jean heißt ja wohl Hans?“ „Laßt mir Napoleon zufrieden,“ rief aber Fuchs dazwischen, während der Kleine finster die Brauen zusammenzog -- „es ist heute sein Geburtstag, und da dürfen wir ihn nicht ärgern. Wir sitzen aber meiner Meinung nach verdammt trocken hier -- hallo Jean, was sagst Du dazu?“ „Nun,“ sagte Johnny, dadurch freundlicher geworden und die Broche verschwand hinten am Hut, „dann, denk’ ich, bleiben wir jetzt bei französischem Weine -- der Medoc, den Drewler hier hat, ist wirklich ausgezeichnet und auch billig -- nicht wahr, Drewler, nur fünf Dollar die Flasche?“ „Kann’s wahrhaftig nicht unter sechs, Mr. Johnny,“ sagte aber dieser achselzuckend -- „die Fracht ist zu enorm theuer hier herauf, und der Wein jetzt auch schwer zu bekommen in San Francisco.“ „~Eh bien!~ dann geben Sie uns einmal -- wie viel sind wir, sechs -- ~eh bien!~ sechs Flaschen Medoc, setzen Sie’s nur mit auf meine Seite zu dem übrigen -- es ist heute +mein+ Tag. Ich glaube, Mr. Erbe’s Geburtstag ist heut in acht Tagen.“ „Meiner?“ sagte Erbe schnell und erstaunt aufsehend, „~yes~, wenn ich auf solche Art dazu komme, als wie Sie hinte, dann könnt’s passiren -- sonst weiß ich gar nicht ob ich wirklich einen habe.“ „Das wäre mir aber lieb,“ lachte Fischer mit seiner feinen Stimme, „nicht wahr, Johnny, dann könnten wir ihm einen geben -- dann taufen wir ihn, wenn wir gerade einmal durstig sind.“ „Wenn dann alle Heiden so schnell gebapteist würden,“ sagte Erbe, die rechte Hand aus der Tasche nehmend, denn der Wirth setzte eben ein Glas vor ihn hin, „dann sollten bald keine Ungläubigen mehr existiren.“ „Der Erbe mißhandelt doch das Deutsch auf eine schmähliche Weise,“ lachte Johnny und schenkte sich sein Glas voll. Erbe aber, der ebenfalls solcher Art sehr angenehm beschäftigt war, sah mit einem höchst trocknen Blick, die linke Hand aber dabei noch immer in der Tasche, nach Johnny hinüber und sagte: „Na heren Se Mister Stuhlbeen.“ „Wißt Ihr denn, wie es Kramer und Schütten gestern Nacht hier oben in Creek ergangen ist?“ fragte Starke, der bis jetzt kein Wort gesprochen hatte, „vorhin beim Essen kam Louis von oben herunter und erzählte uns die Historie.“ „Wie denn?“ forschte Hilgen. -- „Die machen famos aus da oben, und sollen ein höllisch reiches Loch in Arbeit haben.“ „Na, also gestern,“ berichtete Starke, „hatten sie wieder hinunter gegraben, bis sie auf die grüne Lehmerde kamen, die hier ja auch am reichsten ist und wo das Gold eigentlich erst drin liegt. Weil es dunkel wurde, ließen sie ihr Werkzeug drin und gingen nach Haus, am nächsten Morgen das Gold herauszusuchen. Wie sie aber heute Morgen wieder an ihren Fleck kommen, hatten sie das gar nicht mehr nöthig, denn das Nest war beinah leer, das gröbste wenigstens Alles rein herausgelesen.“ „Da müssen sie doch die Erde mit fortgenommen haben,“ sagte Fischer. „Bewahre, bei Licht haben sie’s gethan,“ rief Starke, „ein halbes Licht hatten sie drin vergessen, das lag noch in der Ecke und die Fußspuren waren überall abgedrückt.“ „Und haben sie gar keinen Verdacht?“ fragte Johnny. „O ja, starken noch dazu -- natürlich frugen sie gleich überall nach und machten es bekannt, und bekamen denn auch heraus, daß zwei Amerikaner gestern im nächsten Store zwei Pfund eben solcher Lichte gekauft hatten. Aber was können sie ihnen damit beweisen? gar Nichts. Das Gold, was die herausgegraben haben, kennt ja keiner von ihnen, also schwören können sie gar nicht darauf, und englisch verstehen sie auch nicht, was sollen sie also machen. -- Und dann sind’s noch dazu Amerikaner.“ „Und wenn sie Gott weiß was wären,“ rief Fischer. -- „~Caracho~, wenn sie mir einmal auf die Art in’s Gehege kämen, ich wollte ihnen zeigen, wie viel Pulver meine Flinte schießt.“ „Ja da weiter hinauf soll schmähliches Gold sitzen,“ -- meinte Johnny. -- „Ich habe auch große Lust, es da oben noch einmal zu versuchen. Aber Ihr trinkt ja gar nicht. Donnerwetter, Fischer, Erbe hat wieder ein leeres Glas vor sich. Du mußt ein Bischen auf Deine Nachbarn passen.“ „Nu, ich denke,“ sagte Fischer, „wenn ich +den+ in vollen Gläsern halten wollte, da hätt’ ich eine lebenslängliche Anstellung, -- bei dem ist’s gerade, als ob’s in ein Sieb flösse.“ „~Well~, Mr. Fischer,“ sagte Erbe, und nickte, ihn von der Seite ansehend, bedeutungsvoll mit dem Kopf dazu. „Ihre Gurgel ist Ihnen auch nicht zuge~tied~, und wenn Sie so fortfahren, so kann man Ihnen wenigstens prophezeihen, daß Sie einmal der Durst nicht killt (umbringt).“ „Sagen Sie einmal, Herr Hilgen,“ frug jetzt Fischer, die beiden Ellbogen auf den Tisch gestützt, mit freundlichem Blick zu diesem hinüber, -- „die Leute hier in der Gegend behaupten Sie hätten einen neuen Platz aufgefunden, der überreich sein soll. Ist denn da was dran?“ „Unsinn!“ sagte Hilgen und leerte sein Glas, schien aber doch verlegen zu werden. „Ich bin ja gar nicht prospectiren gewesen. Ich hatte nicht einmal Werkzeug mit, und habe nur ein paar Mexikaner arbeiten sehen; weiß aber der liebe Gott, ob sie Gold fanden oder nicht. Sagen thun sie’s Einem doch nicht, wenn man sie auch frägt.“ „Sind gute Burschen das,“ lachte Fischer, „wenn man sie anredet, ob die Arbeit was ausgiebt, ist die ewige unausbleibliche Antwort: ~Si -- poquito Señor~ (ja, ein Bischen), aber, Herr Hilgen, ich glaube doch nicht, daß Ihre Sache so recht richtig ist. Ihre Frau will auch nicht mit der Sprache heraus, und das ist immer ein böses Zeichen. Aus alter Freundschaft sollten Sie uns doch wenigstens reinen Wein einschenken.“ „Laßt uns ein Bündniß schließen, Freunde! Brüder!“ rief Johnny plötzlich, in Begeisterung auf den Tisch schlagend, „ein Bündniß zu Schutz und Trutz -- mit einander zu leben und zu sterben. Fort mit schnödem Eigennutz -- fort mit der Gier nach jenem nichtswürdigen Metall, jenem ekelhaften Gold. Manneswürde -- Mannesfreundschaft -- was giebt es Höheres als dies auf der Welt. Ihr wollen wir uns weihen. Vom Norden und Süden, vom Osten und Westen sind wir zusammengeschneit aus Deutschland, aus den vereinigten Staaten, aus Chile, aus dem schönen -- o, dem wunderschönen Frankreich, ~ma belle France~. Selbst aus Texas sitzt dort ein Individuum“ -- Erbe guckte hoch auf -- „aus allen Theilen der Erde sind wir hier zusammengekommen, Deutsche -- biedere, rechtschaffene, treue Deutsche, und so laßt uns denn ein Bündniß beschwören, Alle für Einen und Einer für Alle zu stehen. Jeder schaale Eigennutz sei bei Seite geworfen, jede unedle Leidenschaft unterdrückt, und unsere sechs +deutschen+ Herzen glühen in +einer+ reinen Liebesflamme zusammen auf. Was der Eine hat, habe der Andere; was dem Einen fehlt, fehle dem Anderen, und hier ist meine Hand zum großen, zum herrlichen Männer-Bündniß, das seines Gleichen noch nicht hat auf der weiten Gotteswelt.“ Johnny streckte, sich zu seiner ganzen Länge emporrichtend, -- was eben nicht viel war -- die rechte Hand offen über den Tisch, und Fischer und Fuchs schlugen ein -- Starke und Hilgen sahen sich verdutzt an, und Erbe hatte seine rechte Hand halb aus der Tasche, ließ sie indeß vorläufig noch stecken, erst abzuwarten, ob sie auch wirklich nöthig wäre, ehe er sie unnütz der Abendluft aussetzte. „Eure Hände her, Männer!“ rief aber Johnny, wie von einem höheren Geiste beseelt, „Eure Hände -- Mr. Drewler, Champagner (dieser Zuruf galt dem Wirth) Champagner, dies Bündniß zu besiegeln“ -- fuhr er fort -- „zu Schutz und Trutz, wir deutschen Männer in Californien.“ Diesem letzten Grund, d. h. dem Champagner, konnte selbst Erbe nicht widerstehen, und Starke und Hilgen legten ihre Hände ebenfalls in Johnny’s Rechte. Die Amerikaner, die im Zelt herum standen und lehnten, traten näher zum Tische, da sie wohl erkannten, daß etwas Ungewöhnliches vorging. Von den Verhandlungen selbst konnten sie freilich Nichts verstehen, doch kannten sie Alle den kleinen Schneider und wußten, daß er manchmal an schwärmerischen Einfällen litt. Johnny fuhr unbeirrt fort: „Hier halte ich Euch, Bürger einer neuen Welt -- Erbe, nehmt die andere Hand auch aus der Tasche, es ist dies ein feierlicher Act -- Bürger einer neuen Welt sag’ ich, aus deren kalten, eigennützigen Herzen ich endlich einmal einen Funken Menschlichkeit herausgeschlagen habe, hier halte ich Euch an Euren Händen und an Eurem Männerwort. Aber es hat Mühe gekostet. Es mußte erst alles Schlechte und Gemeine, was in Euch steckt, förmlich ersäuft werden und das keineswegs mit Wasser.“ „Johnny hat doch ein höllisches Maulwerk,“ sagte Fischer, freundlich grinsend. „Es geht ihm nur so vom Munde weg wie -- wie am Fädchen.“ „Und grob ist er wie Bohnenstroh,“ sagte Erbe, „ich „„wundere nur““ wo er hinaus will.“ „So, nun laß aber wieder los,“ bemerkte Fuchs und suchte seine Hand aus dem Knäuel herauszubekommen, „da ist der Champagner und der darf nicht warm werden.“ „Herr Hilgen,“ nickte Fischer, während er den neben ihm sitzenden Johnny mit dem Fuße anstieß, diesem zu, „das ist schön, so sind wir auf einmal Brüder geworden und dürfen nichts mehr vor einander geheim haben. Jetzt werden Sie uns ja wohl sagen, wo der gute Fleck ist. Die Amerikaner verstehen uns nicht, lassen Sie die ruhig zuhören.“ „Schon diese Frage ist eine Beleidigung, Fischer!“ rief Johnny dagegen, der indeß den ersten Kork hoch in die Zeltspitze hineinsandte. „Bürger Hilgen hat jetzt das Wort. Ich sehe, daß er vor Begierde brennt, seine aufrichtige Mittheilung zu machen.“ Hilgen sah sich in eine peinliche Bedrängniß versetzt, denn wußte er wirklich eine hoffnungsvolle Stelle, so durfte er sie schon seiner Frau wegen keinem Anderen verrathen. Vor allen Dingen trank er einmal. Dann sagte er halb lächelnd, halb ernsthaft: „Aber so treibt doch keinen Unsinn. Wenn ich einen reicheren Platz wüßte, da blieb ich ja doch nicht hier sitzen, sondern ginge gleich auf und davon.“ „Das scheint natürlich,“ sagte Starke. „Ja aber Herr Hilgen,“ -- fuhr Fischer fort -- „Sie haben ja auch heute wieder aufgehört hier zu arbeiten, werden Sie denn da morgen wieder anfangen? an diesem selben Creek?“ „Du lieber Gott,“ erwiederte Hilgen und ließ sich sein Glas von Neuem vollschenken, „das weiß ich wahrhaftig nicht. Ich hatte eigentlich Lust, einmal prospectiren zu gehen.“ „Also Bürger Hilgen,“ fuhr Johnny aufstehend und die Hand feierlich gegen ihn ausstreckend fort, „so leugnen Sie hiemit jede Wissenschaft irgend eines aufgefundenen oder auch nur, vermutheten außergewöhnlich reichen Goldnestes?“ „Aber ich weiß ja wahrhaftig gar nicht was Ihr redet,“ klagte Hilgen, „Ihr seid wohl verrückt geworden.“ „Um ganz ~sure~ zu gehen,“ meinte Erbe, „könnte man ihm ja nur einmal einen Schwur ab~täke~n.“ „Halt,“ sagte Johnny, den Arm emporwerfend und mit einem plötzlichen Ruck die Broche seines Hutes grade über das linke Ohr bringend, „+noch+ wollen wir nicht anfangen an der Menschheit zu verzweifeln, noch haben wir keine Ursache, Hilgen so schmählich zu mißtrauen.“ „Dennoch, Herr Hilgen,“ sagte Fischer, „schlage ich vor, daß wir Ihnen ein Bischen auf die Finger sehen, oder vielmehr auf die Füße aufpassen, sonst brennen Sie uns doch am Ende trotz aller Brüderlichkeit durch.“ „Donnerwetter, Fischer, halten Sie den Flaschenhals da nicht so lang in den Händen,“ mischte sich jetzt auch Fuchs in das Gespräch. „Mein Glas ist so trocken, daß es ordentlich stäubt.“ „Und nun ein Lied!“ rief Johnny. „Wir sind hier ächte Deutsche, zusammen und müssen singen. Wer fängt an? Du Fischer, Du hast die beste Stimme.“ „~Allons enfans de la patrie~“ begann dieser. „~Le jour de gloire est arrivé~“ donnerte Johnny mit los, um sich durch alle sieben Verse der Marseillaise durchzuarbeiten. Die Anderen tranken. Es war indessen draußen dunkel geworden. Hilgen stand auf, indem er sagte, er müsse noch Feuerholz in sein Zelt tragen, sonst könne seine Frau heute Abend nicht einmal ihren Thee kochen. „Aber Sie kommen doch wieder, Herr Hilgen?“ fragte Fischer. „Gewiß, in einer halben Stunde bin ich zurück,“ erwiederte dieser und verschwand aus dem Zelt. Die „Fahnenwacht“ und eine Menge Lieder kamen nach der Marseillaise an die Reihe. Fischer hatte ebenfalls Champagner aufsetzen lassen. Starke und Fuchs folgten dem Beispiele und es mochte etwa eine Stunde seit Hilgen’s Entfernung vergangen sein, als Johnny, nachdem er das Zelt einen Augenblick verlassen hatte, sich neben Fischer setzte, diesen heimlich anstieß, ihm zublinzte und dann nochmals hinausging. Andere Gäste hatten sich theils um den Tisch gestellt, theils Platz daran genommen. Englische Lieder wechselten bereits mit deutschen ab. Fischer aber, sobald er es unbemerkt ausführen konnte, stand ebenfalls langsam auf, steckte eine frische Cigarre an und folgte Johnny. Johnny erwartete ihn draußen mit Ungeduld. „Sie sind wahrhaftig los,“ flüsterte er dem Gefährten hastig zu, als sie das Zelt im Rücken hatten. „Ich hab’s wohl geahnt. Nun komm, Fischer, wir wollen ihnen nach.“ „Wer ist los? -- Was ist los?“ sagte aber Fischer, der erst glaubte, Johnny habe wieder einen von seinen nicht selten tollen Streichen im Kopfe, „komm Napoleon, mach’ keinen Unsinn.“ Was Johnny hier vorhatte, betraf aber eine „Geschäftssache“ und darin trieb er selten oder nie Unsinn. Fischer jedoch auch ohne Weiteres über seine Entdeckung aufzuklären, sagte er rasch aber leise: „Hilgen ist eben mit seiner Frau und Sack und Pack da oben den Pfad hinaufgegangen.“ „Hilgen?“ rief Fischer erstaunt, „aber wohin?“ „Das wollen wir bald herauskriegen,“ lachte Johnny, „sie können noch keine Viertelmeile Vorsprung haben, und der Pfad läuft hier steil den Berg hinan und geht weder links noch rechts ab -- komm nur, das können wir Alles unterwegs besprechen. Ha der schlaue Fuchs, das ist seine deutsche Redlichkeit.“ „Ja Fuchs,“ lachte Fischer, „wollen wir denn da von wegen der deutschen Redlichkeit, den andern Fuchs mit Zubehör auch mitnehmen?“ „Fällt mir nicht ein,“ rief Johnny rasch, „schlägst Du meinen Juden, schlag ich Deinen Juden.“ Und ohne Fischer weiter eine Einwendung zu gestatten, faßte er ihn am Arme, und zog ihn mit in den Pfad hinein, der etwa hundertfünfzig Schritt vom Zelt vorüberführte. „Aber wie hast Du die vom Zelt aus nur in der Dunkelheit erkennen können?“ frug Fischer, immer noch zweifelnd -- „wenn Du Dich nur nicht geirrt hast.“ „Das war Vorsehung -- Schicksal -- was mich geleitet hat, Fischer,“ sagte aber Johnny ernst -- „Ich stand vor dem Zelt und dachte daran, wo Hilgen nur bliebe und da fiel mir’s ein hier einmal die kurze Strecke nach dem Hügel hinaufzugehen, von wo aus ich sehen kann, ob Hilgen Licht in seinem Zelt hat oder nicht. Kaum bin ich aber hier oben, als mir die ganze heilige Caravane, Madame Hilgen mit dem Esel und ihrem Manne, fast auf den Hals kam -- ich behielt eben noch Zeit, mich hinter einen alten dort liegengelassenen Baumstumpf zu werfen. Gerade als sie bei mir vorbeigingen, sagte Madame Hilgen lachend -- „Wenn sie jetzt dort im Zelte wüßten, daß wir hier bei Nacht und Nebel fortziehn, wie sollten sie da so schnell hinter uns her sein. Also sie wollten aus Dir heraus haben, wo es wäre?“ -- „O sie waren wie verteufelt drauf,“ antworte Hilgen, „besonders Fischer und der kleine Napoleon“ -- weiter konnte ich aber nichts hören und machte auch rasch daß ich zurückkam, Dich zu holen. Nun aber still -- wir dürfen kein Wort mehr mit einander reden, denn sie könnten auch ebensogut einmal angehalten haben, und wenn sie merken, daß sie verfolgt werden, ist Madame Hilgen schlau genug, hier irgendwo abzubiegen und lieber ihren Mann und uns die ganze Nacht spatzieren zu führen, ehe wir durch sie herausbekommen sollten wo sie hinwollen.“ Schweigend und lautlos verfolgten sie von da ab ihren Weg, bis sie von weitem die kleine Caravane hörten, und nun dicht, aber sich wohl hütend nicht gesehen zu werden, in ihren Fährten blieben. Fischer hatte übrigens kaum das Zelt verlassen, als Fuchs Starke anstieß und leise sagte: „Du -- Starke -- Johnny hat irgend ’was auf dem Kieker, der winkte eben Fischer, und ist wieder hinausgegangen -- wenn wir nun einmal sähen, wo die blieben.“ „Ach laß sie,“ sagte Starke, der noch einen Rest in der einen Flasche sah, „wenn die ’was besonderes hätten, sagten sie’s uns auch -- komm, schenk noch einmal ein.“ „Ne, ne,“ fuhr aber Fuchs dringender fort -- „komm einmal mit heraus, wir wollen wenigstens sehen was sie haben, nachher können wir ja immer wieder zurückkommen.“ Während Einer der Amerikaner gerade eine endlose langweilige Ballade von irgend einer Seeschlacht mit monotoner Stimme ableierte, standen die Beiden auf und verließen das Zelt. Erbe saß jetzt allein auf der Bank, war aber keineswegs so vernagelt, daß er nicht hätte Unrath merken sollen. -- Erst trank er jedoch vor allen Dingen die Flasche leer, die noch halb gefüllt vor ihm stand, damit der weiter kein Unglück passiren könnte, dann steckte er die rechte Hand wieder in die Tasche und simulirte. „~Well~, wenn +das+ unsere deutsche Treue und Einigkeit ist, so will ich auch Spießruthen laufen -- lassen Einen hier ganz allein sitzen und putten ihre Köpfe zusammen -- aber wart Johnny -- wenn das so ist, wie ich’s calculire, dann sollst Du doch hell ketschen (~to catch hell~ was tüchtiges abkriegen). Doch ne,“ fuhr er dann fort -- „so ganz ruhig will ich sie auch nicht abtravveln lassen!“ Und damit stand er auf, rückte sich die Mütze noch ein klein wenig mehr auf die Seite und verließ, ganz in seiner gewöhnlichen Art, nur heute mit einem etwas außergewöhnlich rothen Gesicht, das Zelt. Als er übrigens hinauskam, war Niemand mehr zu sehen wie ein Neger, der eben sein Pferd an das kleine, zu dem Zwecke dort angebrachte ~rack~ band. „Hallo Mister!“ frug diesen Erbe auf englisch, „habt Ihr nicht eben ein paar Männer hier fortgehen sehn?“ „~Yes Massa~,“ sagte der Schwarze freundlich -- „gingen eben da den Hügel herauf, wie ich herunter kam -- können nur eben jetzt in dem kleinen Weg sein, der oben hinläuft.“ „Ahem? -- danke, aber stop -- seid Ihr weiter Niemand begegnet?“ -- „Ich,“ -- sagte der Schwarze -- „nein -- ja doch, ein Stück am Berg dort hinauf einer weißen Frau auf einem Esel und einem Mann.“ „Phssss“ -- pfiff Erbe zwischen den Zähnen durch -- „so türnt sich die Sache rum -- aber wart’.“ Und damit verließ er dießmal rascher als seine Art war, das Zelt, und stieg mit schnellen Schritten den Hügel hinan, der sich dort schräg hinauf und einer bedeutenderen Bergkette zuzog. Hilgen und seine Frau wanderten indessen auf dem schmalen, bei Nachtzeit keineswegs bequemen Wege weiter. Der Mann blieb allerdings manchmal stehen, zu horchen ob ihnen auch Niemand folge; Fischer und Johnny aber waren viel zu vorsichtig, ihre Gegenwart ahnen zu lassen. Sie hielten sich in der gehörigen Entfernung, und da sie beide mit der Gegend umher bekannt genug waren, wurde es ihnen nach kaum einstündigem Marsche nicht schwer zu errathen, wo eigentlich das Ziel ihrer Wanderschaft liege. Endlich senkte sich auch der Weg wieder thalab, und einem ziemlich steilen aber breiten Gulch zu, woran fast noch gar nicht gearbeitet war. Untersucht hatten sie den Gulch selbst schon einmal, aber, wie das gewöhnlich geschieht, nur oberflächlich. Je weniger sie zweifelten daß Hilgen hier Halt machen würde, um so behutsamer eben folgten sie. Der Esel, der über den ungewohnten Nachtmarsch mißvergnügt sein mochte und fortwährend schnob und prustete, stand schließlich an einem umgestürzten Baume still, ward seines Gepäcks entladen, und bald loderte neben ihm ein lustiges Feuer in die klare Nachtluft hinauf. Fischer und John zogen sich jetzt zurück, zu berathen, was sie eigentlich thun sollten. Wie sie aber leise den schmalen Hirschpfad, den sie niedergekommen, wieder aufstiegen, außer Gehörsweite der „flüchtigen Familie“ zu gelangen, rannten sie beinahe gegen Fuchs und Starke an, die, der letztere voraus, etwas rascher vorwärts eilten, ihre Vorgänger nicht zu verlieren. „Herr Je!“ rief Starke -- Fischer packte ihn aber gleich und bedeutete ihn stille zu sein und Fuchs lachte, während Johnny im ersten Augenblick ein wenig verlegen schien. -- Das gab sich aber bald, und die vier Verbündeten gingen nun etwa eine halbe Meile den Berg wieder hinauf und hielten dort Kriegsrath, was sie jetzt thun wollten. Es verstand sich von selber daß sie heute Nacht nach ihrem Zelte zurückkehrten; Fischer und Fuchs stimmten aber dann dafür, daß sie gleich am nächsten Morgen mit ihrem ganzen Geschirr herüberkämen und der „Familie Hilgen“ einen Besuch abstatteten, während Johnny vollkommen dagegen war. „Verlassen wir jetzt ebenfalls den Mormongulch,“ schloß er ganz richtig, „so ist der Teufel los. -- Alle Welt weiß dann auf einmal daß die Deutschen einen neuen Platz gefunden haben, nach dem sie Alle heimlich aufgebrochen sind, und das ganze Amerikanische Gesindel, das ohnedieß den ganzen Tag in den Bergen herumliegt, stiebte augenblicklich nach allen Richtungen auseinander, uns aufzufinden. Das würde ihnen dann bald gelingen, denn dieser Gulch liegt gar nicht so weit aus dem Weg. Ueberdieß wissen wir nicht ob der Platz wirklich so reich ist, wie jetzt Hilgen zu glauben scheint, und das können wir also jedenfalls erst einmal ruhig abwarten. Bleibt Hilgen hier, dann ist es ein Beweis daß er recht hatte, und dann verlieren wir uns so langsam ohne viel Aufhebens zu machen, vom Mormongulch weg, -- ist er aber nicht so gut, dann kommt Hilgen schon früher wieder von selber zurück, und dann können wir ihn eben so gut auslachen und haben noch außerdem einen jedenfalls beschwerlichen Umzug erspart.“ Dieser Vorschlag war zu vernünftig, als daß sich die Andern nicht vollkommen einverstanden damit erklärt hätten. -- Starke war es überdem gleich, was sie machten, solange er nur nicht selber über etwas nachzudenken brauchte. „Aber wo ist denn Erbe eigentlich geblieben?“ frug Fischer, sich jetzt erst nach diesem umsehend, „habt Ihr ihn mitgebracht? oder ist er allein zurückgeblieben?“ „Mitgebracht?“ lachte Fuchs -- „habt Ihr +uns+ etwa auch mitgebracht? Nein, Erbe sitzt jetzt noch wahrscheinlich bei den Weinresten, und wartet auf unsere Zurückkunft, und ich glaube es ist auch das gescheiteste was wir thun können, daß wir selbst noch heut Abend in das Zelt zurückgingen und uns wenigstens dort zeigten, denn übrig wird der Doktor wohl nichts gelassen haben.“ Dem stimmten die Andern bei und die vier Männer marschirten jetzt, rascher als sie gekommen, und von dem aufsteigenden Mond begünstigt, nach ihrem alten Lagerplatz, den sie etwa um zwei Uhr erreichten, zurück. In dem Amerikanischen Trinkzelt war allerdings noch Licht sowohl als Gesellschaft, denn die Spieler saßen dort oft bis zum hellen Tageslicht -- von Erbe aber nicht die Spur mehr zu sehen und der Wirth behauptete, daß er gleich unmittelbar nach den anderen Herren das Zelt verlassen, vorher aber noch sämmtliche Rester ausgetrunken habe. Das war viel zu wahrscheinlich, auch nur einen Augenblick an der Wahrheit dieses Berichts zu zweifeln, und die Viere zerbrachen sich jetzt nur den Kopf, was aus ihm könne geworden sein. „Geworden?“ meinte Starke erfreut, -- „er wird in seinem Zelte liegen und schlafen.“ Das war eine neue Möglichkeit und Starke wurde abgeschickt es zu untersuchen. Starke kam indeß nach etwa zehn Minuten wieder zurück und meldete, das Zelt sei nicht nur leer, sondern die darin liegende Decke kalt und unberührt, und Erbe habe es keinen Falls heute Abend noch betreten. Was war nun aus ihm geworden? -- selbst der nächste Morgen, der nächste Abend brachte keine Spur von dem Vermißten, und drei volle Tage vergingen, ohne daß irgend Jemand hätte angeben oder auch nur muthmaßen können, was aus ihm geworden sei. Die Deutschen dort fürchteten auch schon, es könne ihm ein Unglück zugestoßen sein, als er eines schönen Morgens, die Hände, wie immer in den Taschen, die Mütze wie immer auf der Seite, das Gesicht, wie immer roth und fidel, den Gulch, wo die Uebrigen noch arbeiteten, herauf kam. Als er bei Johnny’s und Fischers Arbeitsplatz von diesen mit lautem Jubel begrüßt wurde und dort anhielt, sprangen Starke und Fuchs herbei, und Alle wollten nun von ihm wissen wo er die Zeit über gesteckt, und was er, ohne Decke, ohne Provisionen, ohne Handwerkszeug, selbst ohne Zelt die ganze lange Zeit über getrieben habe. Erst hielt er freilich zurück und suchte Ausreden zu machen, meinte, er sei „prospectiren“ gewesen etc. Die Andern ließen indessen nicht nach, und als sie ihn endlich, weil es doch bald Mittag war, mit ins Trinkzelt nahmen, konnte er einigen rasch auf einander folgenden Gläsern heißen Brandypunsches nicht länger widerstehen, und die ganze Geschichte kam heraus. „~Well~,“ fing er hier in seinem tollen Kauderwelsch zu erzählen an, das ich dem Leser hier, nur der Probe wegen, einmal wörtlich wiedergeben will[5] -- „~well~, ich saß noch ganz innocent bei den Bottels und wußte von Nichts, bis Fuchs und Starke da auf einmal aufrehsten[6] und weggingen, da fiel mir unsere geschworene Treue und Einigkeit ein, und da kams mir in den Sinn, daß sie mich wohl hier mit der ganzen Eintracht wollten bei mir selber[7] sitzen lassen. Ich rehste also auch auf, und wie ich vor das Tent[8] komme, find’ ich da einen von den Schwarzen, der mir auf die Sprünge half. Erst hatte er zwei Männer den Hill[9] hinaufgehen sehen und oben auch noch einen Mann, eine Frau und einen Jackaß[10] getroffen. Nun wußt ich ja gleich woran ich war, und machte auf Curs[11] augenblicklich dahinter her. -- Es dauerte auch nicht lange, so sah ich zwei dunkle Gestalten vor mir hintraweln[12] die alle Minuten schtoppten und horchten und dann wieder vorwärts marschirten. Ich konnte mir wohl denken, daß das Fuchs und Starke wären, und suchte nun mit ihnen aufzukiepen[13]. Gerade aber, ehe man auf den Hill hinaufkommt, und wie ich so ruhig fortlaufe und denke, daß Alles sicher ist, schtumble[14] ich und falle, weil ich die Hände zufällig in den Pockets[15] hatte, in so ein verwünschtes Hole[16] hinein, das dicht am Wege war. Glücklicher Weise fiel ich blos auf den Kopf und wurde nicht weiter gehürtet[17], wie ich aber wieder in die Höhe kam, mußte ich tüchtig zutraweln bis ich wieder Jemand vor mir merkte. Diesmal wars aber kein Mensch, sondern ich hörte das Schnauben eines Jackaß, und überlegte mir nun, daß Fuchs und Starke wahrscheinlich meine Schritte hinter sich gehört hätten und aus der Road[18] gegangen wären, um nicht gesehen zu werden. Das war aber kein Matter[19] so lange ich nur hinter Hilgens Jakaß blieb, aber auch das ein hart Stück Arbeit und kostete mir vielen Trubbel[20]. Einmal lief der Satan so rasch, daß ich kaum hinterher konnte, und dann schtoppte er wieder und wartete, als ob sie nach mir herüberhorchten. Ich hatte dann immer genug zu thun, daß ich mich irgendwo rasch hinter einen Schtump[21] oder Busch drückte, und Hill auf- und runter durch Wasserholes und Breiars[22] ging’s, bis er endlich, ganz oben auf einem steilen Hügel für gut[23] zu schtoppen schien. „Nun +da+ sind die Minen gewiß nicht“ dachte ich so bei mir selber, wollte mich aber auch nicht melden und war überhaupt durch das Trinken vorher, und den langen Marsch so vollkommen aufgenockt[24] daß ich, wie ich kaum eine halbe Stunde so gesessen haben mochte, richtig in eine Dose fiel[25]. „Wo ist er ’nein gefallen?“ schrie aber jetzt Fuchs, der kein Englisch verstand und dem die Sache zu bunt wurde, Fischer und Johnny hatten überdieß schon Mühe gehabt, ihn abzuhalten, Erbe’s Bericht nicht alle Augenblicke zu unterbrechen, -- „in eine +Dose+ ist er gefallen, -- was zum Donnerwetter ist das?“ „Ruhig, störe Herrn Erbe nicht,“ rief aber Fischer, der sich natürlich über die Erzählung köstlich amüsirte, „er ist eingeschlafen gewesen -- fahren Sie fort, Herr Erbe.“ „~Yes~,“ sagte Erbe, und nahm erst noch einmal einen tüchtigen Zug, -- „da ist nicht viel fortzufahren. Wie ich wieder aufwachte war es heller Tag, und clos zu mir[26] stand ein großer brauner Jackaß -- und Hilgens haben einen grauen -- und schrie und schlenkerte immer mit dem rechten Ohr, und dann sah er mich wieder an und schrie wieder. Ich lukte[27] erst um mich her, und wußte nicht recht wo ich eigentlich war; aber endlich fiel’s mir von gestern Abend ein, und nun schmellte ich eine Ratte[28].“ Fuchs wollte wieder Einspruch thun, Fischer verhinderte ihn aber daran und Erbe erzählte weiter. „Durch Breiars und Wasserholes, über Hills und Rocks[29] hinweg, war ich fast die ganze Nacht dem verkehrten Jackaß nachgestiefelt, und einen Durscht hatt’ ich, o Herr Gott von Meißen, wie durschtig war ich. Wie ich mich denn aber nun auszufinden suchte, wo ich eigentlich wäre, krahlte[30] ich natürlich wieder den falschen Hill hinunter und kam an den Stanislaus. Dort fand ich glücklicher Weise einen guten Bekannten, und mit dem wollte ich, da ich doch gerade da drüben war, prospectiren gehen. Wir kamen aber nicht dazu, denn im Anfang hatte er sehr guten Brandy, und er sagte mir, er hätte sich schon lange Jemanden gewünscht, mit dem er prospectiren gehen könnte, und wir wollten nur erst den Brandy austrinken und dann lostraweln -- und damit war ich auch vollkommen satisfeid[31]. Wie aber der Brandy alle war, kriegt ich so eine Art Heimweh nach dem Mormongulch, und da bin ich denn wieder herübergekommen.“ Erbe wurde natürlich seines Abenteuers wegen tüchtig ausgelacht, da er indes so viel ausgestanden hatte, erzählten sie ihm auch jetzt wo Hilgen und seine Frau arbeite, und daß sie Ende dieser Woche, wenn jene bis dahin nicht zurückgekommen wären, dorthin aufbrechen wollten. Erbe war damit vollkommen einverstanden, und fast mehr noch durch den delikaten Punsch, als diese Mittheilung, über alles Ausgestandene getröstet. Hilgen kam aber nicht wieder, ja hielt sich, weil er sich noch vollkommen unentdeckt glaubte, so geheim, daß er nicht einmal seine Provisionen aus der Nachbarschaft des Mormongulch holte, sondern lieber einen viel weitern Weg nahm, von seinen „Verbündeten“ nicht gesehen und aufgespürt zu werden. Er erschrack auch nicht wenig, als diese am nächsten Sonntag plötzlich mit Sack und Pack vor seinem Zelt erschienen und ihm sämmtlich der Reihe nach um den Hals fielen und ihn umarmten, mußte übrigens wohl gute Miene zum bösen Spiel machen. Wenn er sich auch ärgerte, so überlistet zu sein, noch dazu da ihm Johnny wieder mit pathetischen Mienen sein gebrochenes Schutz- und Trutzbündniß vorhielt, kam Erbe doch auch wieder mit der Erzählung +seiner+ Fahrten als Balsam dahinter her, und die kleine deutsche Colonie ließ sich an diesem Gulch jetzt gerade so nieder wie vorher an dem Nachbarbach. Da nun der Bach doch auch getauft werden mußte, und zwei Esel eine so bedeutende Rolle bei seiner Entdeckung gespielt hatten, (Erbe’s und Hilgen’s, welcher letztere ja durch sein fortwährendes Schnauben die Verfolger auf der richtigen Spur gehalten) so wurde er der „Jackaßgulch“ genannt. Diesen Namen hat er bis auf den heutigen Tag behalten, und in seinen Uferbetten sind selbst bis jetzt noch die reichsten Stellen Californischer Schätze gefunden worden. Von all den Deutschen freilich, die dort arbeiteten, haben nur sehr wenige wirklichen Nutzen aus dem gezogen was sie damals gefunden; Hilgen und seine Frau ausgenommen. Madame Hilgen hielt zusammen, was sie Beide mit schwerer und wackerer Arbeit verdienten, errichtete auch noch später ein Kaffeehaus und einen Schenkstand, in dessen Casse manche Unze der Nachbarn floß. Beide Eheleute haben jetzt Häuser und Grundstücke mit einem ~boarding~ oder Kosthaus in San Francisco und sind auf dem besten Wege reich zu werden -- wenn sie es nicht schon geworden. Die Uebrigen verjubelten ihr Gold, wie sie es verdienten, hofften immer auf mehr und fanden bald zu ihrem Schrecken, daß die früher unerschöpflich geschienenen Minen in der That gar nicht unerschöpflich gewesen wären. Um aber dem Leser einen Begriff zu geben, wie wenig damals das Gold geachtet wurde, und daß die ersten Berichte von Californien, so übertrieben sie schienen, dennoch Thatsachen zum Grunde hatten, will ich ihnen Starke’s Fall mittheilen. Starke verließ, wie gesagt, den Mormongulch, nach dem Jackaßgulch hinüberzugehen, trotzdem daß er einen ausgezeichnet ergiebigen Platz auszubeuten hatte, ja noch an demselben Morgen, an welchem er sein Werkzeug zusammenpackte, in wenigen Stunden zwei Unzen Gold mit der Pfanne herauswusch. Die Unze Gold galt schon damals 16 Dollar. Nichts desto weniger glaubte er aber wo anders besser zu thun, und verkaufte das gegrabene und noch nicht halb ausgearbeitete Loch für +eine+ Unze an einen Amerikaner. Dieser nahm noch 5000 Dollar heraus und verkaufte dann den Platz an einen Dritten für fünf Unzen, der ebenfalls wieder einige Wochen darin arbeitete. Niemand erfuhr, was der Letzte herausbekommen hatte, aber bald darauf verließ er Californien. Der Mann an den es Starke verkaufte, stocherte schon in der ersten Stunde über anderthalb Unzen nur mit seinem Messer heraus, und als ich Starke ein Jahr später in Murphys Diggins fand, war er froh wenn er mit harter Arbeit noch so viel Dollars werth Gold finden konnte, als er früher in einem Tag +Unzen+ gewonnen. Johnny hatte seit der Zeit noch dreimal ein wirkliches Vermögen ausgegraben, und dreimal wieder verspielt und als ich ihn zuletzt sah, nicht Geld genug, sich neues Handwerkszeug zu kaufen, soll aber nachher eine reiche Stelle, jedenfalls zum Besten der nächsten Spielbank aufgefunden haben. Doch in Californien zieht man gar wild die kreuz und quer umher und es würde mich gar nicht wundern, wenn der Leser und ich noch einmal Einem oder dem Andern unserer alten Bekannten in irgend einer der übrigen Minen begegneten. Die französische Revolution. Murphys neue Minen, oder Murphys New Diggins, wie sie von Amerikanern wie Deutschen, Franzosen und Spaniern genannt wurden, (obgleich sie auch manchmal sogar den allerdings noch nicht verdienten der „reichen“ bekamen) liegen an Angelscreek -- der sich weiter unten in den Stanislaus ergießt. Sie bestehen theils aus kleinen Bergbächen, die von den Hügeln kommend in den größeren Bach oder Creek fließen, theils und hauptsächlich in der sogenannten Flat oder Barre, die durch eine Biegung von Angelscreek gebildet ist, und über deren Reichthum die fabelhaftesten Gerüchte verbreitet wurden. In der Zeit wo unsere kleine Erzählung spielt, Mitte Mai, war aber noch zu viel Wasser in den Quellen wie Bächen, als daß man schon tief in den Grund der Erde hätte hineingraben können. Für jetzt ließen sich also nur Vorbereitungen treffen die Arbeit, wenn die rechte Zeit (d. h. der Spätsommer) einmal kam, gleich mit Kraft und Energie zu beginnen. Solche Vorbereitungen waren aber: Pumpen bauen, Wasserrinnen ausschlagen, die abgesteckten Gruben bis auf das Wasser hinunterzugraben, u. s. w. Während die Miner oder Goldwäscher selbst diesen Beschäftigungen oblagen, gab es noch eine andere Menschenclasse in „Murphys“, die nicht weniger eifrig ihren eigenen, von diesen aber verschiedenen Interessen oblag. Es waren dieß die in den Minen nur unter dem Namen „Store Keeper“ bekannten Händler oder Kaufleute, die Zelt nach Zelt in der Nähe des Flats bauten, Provisionen und Getränke einlegten und, den täglich mehr hinzuströmenden Arbeitern nach, hoffen durften ein recht einträgliches Geschäft den Sommer hindurch zu machen. Ein unternehmender Yankee stellte sogar eine Kegelbahn auf, Kosthäuser wurden errichtet, und die Spieler, diese Aasgeier des Geldes, kamen von allen Seiten herbei, um gleich an Ort und Stelle zu sein wenn die erste Ausbeute beginnen würde. Unmassen von Franzosen, und zum großen Theil Basken, hatten sich ebenfalls in Murphys eingefunden, und eine Menge französischer Läden sprangen zwischen den amerikanischen auf. In diesen figurirten besonders einige Grisetten -- jedoch sämmtlich aus dem Mittelalter -- und eine von ihnen, die Jüngste, ging sehr zum Ergötzen der eben aus dem Innern Nordamerika’s kommenden Backwoodsburschen, denen bis dahin noch nicht einmal der Gedanke in den Kopf gekommen war, daß ein Frauenzimmer auch Mannskleider tragen könne, in kurzer Jacke, weiter Hose und weißem kek auf die Seite gestülptem Filzhut umher. Auch Deutsche, Spanier und Engländer befanden sich in Murphys, die Franzosen waren ihnen aber an Zahl weit überlegen, und bildeten jedenfalls drei Viertheil der totalen Bevölkerung dieses kleinen Minenstädtchens. Gerade zu demselben Zeitraum, und zwar in den letzten Tagen des April oder ersten des Mai, war ein Gesetz von der Californischen Legislatur erlassen worden, daß sämmtliche fremde Goldwäscher in den Minen Californiens mit einer monatlichen Taxe von 20 Dollars belastet werden, und falls sie das nicht bezahlen wollten, oder nicht im Stande seien es zu entrichten, ohne weiteres die Minen verlassen sollten. Würden sie hiernach aber dennoch wieder an einer andern Mine, ebenfalls mit Goldwaschen beschäftigt betroffen, so sollte dieß als ein Vergehen gegen den Staat angesehen und als solches bestraft werden etc. Man kann sich denken welchen Eindruck die Bekanntmachung dieses Gesetzes auf die „fremden Goldwäscher“ machte, und selbst die Vernünftigen unter den Amerikanern schüttelten darüber den Kopf, und meinten das sei ein unsinniges Gesetz und würde viel unnöthigen Spectakel und Unfrieden machen. Die Franzosen besonders schimpften und raisonnirten auf das freisinnigste; erklärten das Gesetz für infam, und beschlossen nicht einen Cent zu zahlen. Unter den Deutschen waren einige Elsasser die ihnen besonders beistimmten, und die Basken holten ohne weiteres ihre Musketen und Flinten vor, indem sie erklärten: es sei das Beste, sich gleich von vorn herein in den Vertheidigungszustand zu setzen, damit die Amerikaner Respect bekämen. Die Amerikaner kümmerten sich aber gar nicht um sie. Bis jetzt war die ganze Sache überhaupt noch viel zu neu, um schon ernstere Maßregeln im entferntesten nöthig zu machen. Dem Gesetze nach sollten gewisse Collectoren die verschiedenen Minen bereisen, und bis diese, oder einer von diesen nicht nach Murphys selber kam, ließ sich gar nichts in der Sache thun. Es war ein wundervoller Abend in der letzten Hälfte des Mai, die Sonne sank eben hinter die stattlichen Fichtenstämme, die Murphys Hügel bedeckten. Die Leute kamen von ihrer Arbeit zurück, hie und da stieg vor den Zelten der blaue Rauch der Feuer auf, an denen die Goldwäscher ihr frugales Abendbrod kochten. Aus verschiedenen Seiten der Stadt (denn eines solchen Namens erfreute sich die kleine Zeltgruppe wirklich, und zwar als Stadt +Stoutenburg+) tönten zugleich die wunderbarsten Klänge -- Klänge wie von alten zusammengeschlagenen eisernen Kochtöpfen, ein chinesischer Gong, eine kleine blecherne Kindertrompete u. s. w. herüber -- es waren die Zeichen der verschiedenen Kosthäuser, daß das Abendessen fertig sei und der „Boarder“ harre. Dahinein mischten wieder eine Menge von frei herumlaufenden Eseln, die von den Minern gehalten wurden, ihre lieblichen Y-ahs, und mit dem Schlagen der Holzäxte die Feuerholz für den nächsten Morgen hieben, mit den einzelnen Fragmenten französischer Lieder, die aus Zelt und Busch hervorschallten, den lebendigen Gruppen die in der breiten, durch die Kaufläden gebildeten Straße standen und lachten und sangen und gestikulirten, mit der auf der langen über des Sheriffs Zelt errichteten Stange wehenden amerikanischen Flagge, dem sich immer dunkler schattirenden Nadelholz und dem herrlichen, nur von leisen, goldenen Wölkchen bestreuten Abendhimmel gab es ein Bild, das einem armen Teufel wohl in seiner Lieblichkeit auf kurze Zeit all die Strapazen und Mühen konnte vergessen machen, die er den langen Tag über in der heißen Sonnenhitze und bei der schweren, ungewohnten Arbeit ausgestanden. Das Abendessen in den meisten Häusern hatte schon lange begonnen -- was standen die Leute da noch so eifrig vor den Thüren und gestikulirten so lebhaft mitsammen? „Die Franzosen haben’s heute recht eifrig miteinander,“ sagte ein langer Texaner zu einem eben so langen „Down Easter“ (der amerikanische Scherzname für die ächten Yankees, oder Bewohner der nordöstlichen Staaten der Union), mit dem er zusammen die Straße hinunterschlenderte und selbstgefällig vor sich hinlächelte -- „könnt Ihr nicht verstehen was sie zusammen schwatzen?“ „Ich?“ sagte der Yankee erstaunt, daß sein Begleiter ihn auch nur im Verdacht hatte er verstände französisch oder irgend eine andere Sprache der Welt außer „amerikanisch“ -- „wie soll ich das Geschlabber kennen? s’wird nichts Wichtiges sein.“ „Und wie sie dabei mit den Händen herum agiren“ meinte der Texaner, und sah sich noch einmal nach der letztverlassenen Gruppe um -- „ohne das geht es aber auch nicht, denn bind’ einem Franzosen die Hände auf den Rücken zusammen, und er bringt kein Wort über die Zunge.“ Die beiden Männer traten gleich darauf in ein amerikanisches Spielhaus, und dort, wo sie nur Landsleute von sich fanden, hatte das Spiel zu viel Interesse für sie, sich noch um etwas anderes zu bekümmern. Gar verschieden sah es dagegen in einem, diesem schräg gegenüber liegenden französischen Zelt aus, das ein gewisser Louis mit einer Grisette -- die man anstandshalber Madame Louis nannte -- hielt. Hier wogten Franzosen, und besonders Basken und Deutsche bunt durcheinander, und vermischte Ausbrüche des Zornes, wie: ~mechant, au secours, à bas les Américains etc. etc.~ ließen eine nur sehr unbestimmte Ahnung in dem eben Hinzutretenden aufkommen, um was es sich eigentlich handle und was vorgefallen sei. Die Unterhaltung wurde hauptsächlich französisch, doch auch hie und da spanisch, natürlich mit den verschiedenen bunt durcheinander gewürfelten Dialekten geführt, und die hauptsächlichste und hervorragendste Gruppe waren ein Deutscher Namens Fuchs, mit großem rothen Bart, ein kleiner Baske, pockennarbig mit hämischen, scharf ausgeprägten Gesichtszügen, ein Schweizer, eine hohe stattliche Gestalt, einen argentinischen Poncho über die Schulter geworfen, und ein eben solches Messer hinten im Gürtel, und ein vierschrötiger Baske, der eben den magern loyalen Wirth des Hauses, Mr. Louis, an der Schulter herbeischleppte, und zum Beweis dessen was er wahrscheinlich gesagt, gegen den Tisch stellte. „Hier, Louis,“ rief er dann in allem Eifer, „zeige ihnen einmal den Brief den wir heute bekommen -- sie wollens noch nicht glauben.“ „Ja es ist wahr,“ bestätigte der kleine Mann, nur vermuthend von was bis dahin die Rede gewesen -- „meine Frau hat den Brief.“ „Und was steht darin?“ fragte der Schweizer. „O es ist scheußlich, niederträchtig!“ rief Fuchs. „Nur ruhig Blut,“ meinte aber der Schweizer -- „erst einmal genau hören -- die ganze Geschichte kann auch übertrieben sein.“ „Uebertrieben?“ zürnte der Baske -- „Madame Louis, wären Sie wohl so gut uns einmal auf einen Augenblick den Brief zu geben?“ „Thut mir leid, Monsieur,“ antwortete ihm die Frau, eine etwas magere, schlanke, schwarzäugige Gestalt von ungefähr 26 Jahren, indem sie hinter dem Schenktisch vorkam und zu der Gruppe trat. „Die beiden Männer die ihn brachten, haben ihn, ihrem Auftrage zufolge, weiter nach Angels Camp hinunter genommen.“ „Und der Inhalt?“ „War kurz folgender. In Sonora haben die Amerikaner an Franzosen, die sich weigerten die Taxe zu zahlen, gewaltsam Hand gelegt. Zwei von ihnen und ein Deutscher liegen im Gefängniß, und man erwartet, daß gegen Recht und Gesetz des Lynch law an ihnen vollzogen werden wird, noch dazu, da auch der Sheriff von Sonora, ein Amerikaner, gestern von einem Spanier erstochen wurde. Die Franzosen in Sonora fordern nun in jenem Brief ihre Landsleute in den Minen auf, ihnen ohne weiteres Säumen bewaffnet zu Hülfe zu eilen, wenn sie nicht die scheußlichste Gewaltthat vor ihren Augen wollen verübt sehen. Das ist der Inhalt des Briefes, und unterzeichnet hat ihn ein sehr achtbarer Franzose, der ein Geschäft dort hat, ein gewisser Ledroy. Machen Sie sich übrigens fertig denn es wird spät,“ fuhr die junge Dame etwas lebhafter fort, „und in einer Stunde etwa brechen wir alle auf.“ „Und wollen Sie denn auch mit?“ -- sagte der Schweizer verwundert. „~Certainement; ma vie pour mes paysans.~“ „Wer wird denn da zurückbleiben,“ schrie Fuchs kirschroth vor Eifer. „Das ist ja eine niederträchtige Scheußlichkeit, die nur mit Blut ausgewaschen werden kann.“ „Erst sehen und dann glauben,“ brummte aber, immer noch ungläubig, der Schweizer; „es haben in letzter Zeit hier so viele Lügen circulirt und überall gleich Aufnahme gefunden, daß man wohl Ursache hat ein wenig mißtrauisch zu werden. Kaltes Blut ist bei solchen Dingen die Hauptsache.“ „Kaltes Blut? Fischblut!“ zürnte, in kampflustigem Eifer, Fuchs, und goß ein Glas Claret die durstige Kehle hinab. „Wer kann bei solcher Nachricht noch an Ueberlegen denken. Und liegt denn Sonora etwa am andern Ende der Welt, daß „falsche Gerüchte“ so leicht zu uns herüber kommen könnten? Sonora ist kaum 25 Meilen von hier entfernt, und die beiden Männer, die sich dort auf ihre Pferde geworfen und uns die Nachricht gebracht haben, sind uns Bürge genug.“ „Wie wär’s, wenn ich mich heute Abend einmal hinüber machte,“ sagte da ein anderer Deutscher auf spanisch, denn er war der französischen Sprache nicht mächtig. -- „Bis morgen früh kann ich drüben sein, und genaue Erkundigung über die Sache einziehen. Verhält sich dann Alles so, wie’s in dem Briefe steht, so bring’ ich die Bestätigung bis morgen gegen Mittag hierher. Nachher brechen wir alle auf, und dann wollen wir schon sehen ob eine Bande gesetzloser Amerikaner, ihrem eigenen Gesetz zum Trotz, mit den verachteten Fremden thun kann, was sie eben will. Dann sind +wir+ auch noch da.“ Fuchs wollte hiergegen eben wieder eine grimmige Erwiederung machen, Madame schnitt ihm aber mit einer graciösen Bewegung der Hand, die gewissermaßen als Entschuldigung dienen sollte, hier aber etwa so viel sagte als: nachher, dann kannst du reden so viel du willst, das Wort ab, indem sie sich ohne weiteres zwischen die Männer drängte und besonders den letzten Sprecher anredete. „Monsieur Fisher,“ sagte sie in ziemlich geläufigem Spanisch -- „weitere Erkundigungen sind gar nicht nöthig. Der Brief, den wir fast alle gelesen haben, wie das mündliche Zeugniß der Ueberbringer verbürgt uns die Thatsachen. Also, wem noch ein muthiges Herz in der Brust schlägt, der reihe sich unserer Fahne an -- ~Allons enfans de la patrie, le jour de gloire est arrivé!~“ Fuchs fiel mit ein paar Umstehenden augenblicklich in das Lied ein, ein Gedränge nach dem Schenktische entstand zugleich, und das Gespräch wurde jetzt allgemein, lief aber auch in allen Richtungen auf den einen Punkt hinaus, daß sich sämmtliche Franzosen rüsten wollten, noch an dem nämlichen Abend nach Sonora, das sie dann am nächsten Morgen mit der Morgendämmerung erreichen konnten, aufzubrechen. Fischer, von dem Schlachtenmuth der übrigen angesteckt, traf ebenfalls alle nöthigen Vorbereitungen, kaufte sich in aller Eile eine Doppelflinte und Pulverhorn für 40 Dollars, womit ihn ein Landsmann aus reiner Gefälligkeit, eben so in Eile, übers Ohr hieb, schaffte sich noch Pulver und Blei genug an, im schlimmsten Fall eine Belagerung von drei Wochen auszuhalten, und fand sich zur bestimmten Zeit pünktlich in Louis Zelt zum Aufbruch ein. Dort ging es indessen bunt genug her; ein großer Theil hatte des Guten in Wein und Brandy schon weit mehr gethan, als sich mit seinen sonstigen Bedürfnissen und Gewohnheiten vertrug. Deutsche, Spanier und Franzosen waren dabei wild durcheinander gemischt, alle möglichen Sprachen wurden gesprochen, denn selbst Englisch mußte manchmal zwischen einzelnen, und nicht selten gemißhandelt genug, zur Aushülfe dienen. Unter den Deutschen zeichnete sich jetzt besonders -- denn Fuchs war seit der letzten halben Stunde, und als es wirklich zum Ausbruch kam, merkwürdig ruhig geworden -- ein langer Barbier, Namens Frei, ~alias~... ~alias~ ... aus, der diesen Abend angelegentlich dazu benutzt hatte die Zähigkeit seines bis dahin schon etwas sehr ausgedehnten Credits bis auf das Aeußerste zu erschöpfen. Er stand solcher Art jetzt auch wirklich im Begriff mit geborgter Flinte, geborgtem Messer, geborgtem Hut und geborgten Schuhen in die Schlacht zu ziehen. „Brüder!“ sagte er dabei, denn der geborgte Wein lag ihm schwer auf Herzen und Zunge, „wenn ich bleibe, so seid überzeugt, -- ich bin -- ich bin für +Deutsche+ geblieben. -- Mein Blut, mein ganzer Körper schlägt nur für Deutsche -- und ein Hundsfott, wer kein ächter Deutscher ist.“ Diese letzte Redensart wäre nun allerdings etwas umfassend zu deuten gewesen, hätte sich überhaupt Jemand um ihn oder seine Reden bekümmert. So, als er sah daß die übrigen mit ihren eigenen Vorbereitungen beschäftigt waren, trank er, in seinen tiefen Schmerz versenkt, sämmtliche im Bereich seines Armes stehende Gläser aus, drückte einem kleinen Negerjungen, der neugierig hereingekommen war zu sehen was die bewaffneten Männer alle wollten, die Hand mit solcher Wärme, daß der kleine Kerl laut aufschrie, steckte dann noch einen Genickfänger, der auf dem Tisch lag, und der, wie er vielleicht fürchten mochte, hätte verloren gehen können, in seine eigene Tasche, und verschwand in der draußen indeß vollkommen eingebrochenen Dunkelheit. Und seine Ahnung hatte ihn nicht betrogen, er blieb wirklich -- d. h. er blieb fort; in jenem Minenstrich hat ihn wenigstens Niemand wieder gesehen, und etwas später erkundigten sich noch mit einiger Theilnahme Wirthe und sonstige Händler nach ihm, doch vergebens. Wie er gesagt, er war für Deutsche +geblieben+. Der Plan des Zuges lag aber nicht darin ~en masse~ von Mr. Louis Schenkzelt, der dadurch später leicht hätte in Unannehmlichkeiten verwickelt werden können, aufzubrechen. Der Sammelplatz war deßhalb im Freien, etwa eine halbe Meile vom „Camp“ weg, an einen bestimmten Pfad verlegt worden, wohin man sich einzeln oder in kleinen Gruppen begeben, und von dort dann vereint den Marsch antreten wollte. Die meisten Männer waren schon voraus und Louis Zelt hatte sich fast ganz geleert, so daß nur noch Herr und Madame Louis, und unser alter Bekannter Fuchs darin zurückblieben, und diese drei Personen hielten eben einen ernsten, entscheidungsvollen Kriegsrath. Madame Louis stand dabei schon in Amazonentracht, in dunkler Hose, rothwollenem Hemd und dunklem breiträndigen Filzhut, an dem keck eine schwarze Straußenfeder schwankte, eine Doppelflinte über der Schulter, zwei Pistolen und ein Messer im Gürtel und einen kleinen gestickten Arbeitsbeutel -- den Fouragesack -- in der Hand. Ihr Mann dagegen schien mehr zum „schweren Getränk“ zu gehören. Er hatte nämlich nur eine Flinte, dafür aber drei Feldflaschen umhängen, und überwachte zugleich auch das Aufschnallen eines zwölf gallonigen Fäßchens Brandy, was dicht vor der Zeltthür zwei andere Franzosen besorgten. Der Kriegsrath in Louis Zelt handelte sich aber um nichts geringeres als ein an Fuchs gestelltes Verlangen seine sämmtlichen Ansprüche an Ruhm und Heldentod für diesen Zug aufzugeben, und, während Herr und Madame Louis Abwesenheit, statt Blut aus den Adern der Amerikaner, die Korke aus den Flaschen zu ziehen, d. h. indessen an Madame Louis Stelle die Schenke zu versehen, und etwa einsprechende Kunden zu bedienen. Ihre Grausamkeit erstreckte sich nicht so weit, die auswärtigen Amerikaner zu vernichten und die zurückbleibenden verdursten zu lassen, nein, das konnten sie nicht übers Herz bringen und Fuchs war ausersehen diese gute Absicht ins Leben treten zu lassen. Madame Louis hatte hierbei, und daß sie diesen gerade wählte, einen tieferen Grund -- „einen anderen müßten wir besonders bezahlen,“ flüsterte sie ihrem „Gatten“ leise zu, „und der ist uns doch noch genug schuldig.“ Herrn Louis leuchtete das vollkommen ein, obgleich er allem Anscheine nach am allerliebsten selber geblieben wäre. Seine Frau konnte er aber unmöglich dem Schutz eines anderen anvertrauen, und da sich Fuchs nach einigem Zureden nur schwach sträubte, hatten sie das bald geordnet. Fuchs stellte seine Flinte in die Ecke und war eben im Begriff seine Ärmel aufzustreifen, ein nöthig gewordenes Gläserspülen vorzunehmen, als Pferdegetrampel vor der Thür gehört wurde, gleich darauf der Kopf eines Pferdes und dicht darüber ein Frauenkopf, ebenfalls mit schwarzem Filzhut und breitem rothem Band geschmückt, sichtbar wurde, und eine feine, aber resolut genug klingende Stimme rief. „~Traversons la „creek,“ ma chère, traversons la creek, a parbleu nous sommes les denières -- et Monsieur Fuchs?~ was machen +Sie+ da? -- wo ist Ihr Gewehr -- wir haben keinen Augenblick Zeit mehr zu verlieren.“ „Im Augenblick, ~ma chère~, im Augenblick“ antwortete die Amazone, für den etwas verlegen dastehenden Stellvertreter -- „Monsieur Fuchs will indessen die Güte haben unser Haus zu bewachen -- und ich wollte nur“ -- „~Ah quelle galanterie~,“ lachte die Dame zu Pferd, „~mais montez, montez~. Es wird wahrhaftig zu spät, und wir können doch nicht allein nachreiten.“ Madame Louis steckte nur in der Eile noch etwas Eau de Cologne, Heftpflaster und Leinwand in ihren Arbeitsbeutel, warf einen flüchtigen Blick in den kleinen, am mittleren Pfosten hängenden Spiegel, einen flüchtigeren Gruß dem verlassenen Kellner zu, bückte sich dann rasch unter dem noch immer zum Zelt hereinschauenden Pferdekopf weg. Dabei stieß sie dieses mit der auf der Schulter hängenden Flinte dermaßen an die Nüstern, daß es schnaubend zurückfuhr und seine schwere Last bald sehr unceremoniös abgeladen hätte. Madame achtete aber nicht darauf, trat an ihr eigenes Thier hinan, schwang sich dort, von dem herbeieilenden Louis unterstützt, leicht in den Sattel, und die beiden Amazonen galopirten lachend und singend die Straße hinunter. Mr. Louis band indessen sein eigenes Pferd los, rückte die verschobene Brille wieder zurecht, rief noch einmal ein: ~bon soir, monsieur Fuchs~ in das Zelt zurück, das von da aus mit einer Art Knarren beantwortet wurde, und folgte dann in einem ungemein harten Trab den Damen, wobei er alle Hände voll zu thun hatte die Flaschen und das Gewehr an seinem auf und niederfliegenden Körper fest zu halten. „~Well if I ever~,“ -- sagte ein kleiner dünner Amerikaner, der bis dahin ganz erstaunt und stumm, im Schatten der gegenüberliegenden Zelte gestanden und die Damen hatte abreiten sehen, „~what the devil is the matter with the French?~ haben denn die heute alle den Teufel im Leib? die wollen wohl Californien stürmen?“ „Californien nicht, aber Sonora,“ sagte eine andere Stimme neben ihm, und als sich der Kleine nach ihm umschaute, stand der Aelteste der dort in der Flat arbeitenden Texaner Compagnie, ein Mann Namens Fletcher neben ihm. „Sonora? -- zum Henker auch,“ rief der Kleine, „woher wißt Ihr denn das“ -- „Oh, Kurnel der Canadier da drüben hat mirs gesagt. Der spricht französisch.“ „Aber was ist denn da drüben vorgefallen?“ sagte der kleine Mann etwas ängstlich. „Da müßte man ja lieber gleich eine Meeting zusammenrufen und Gegenmittel ergreifen. Wenn sie nur“ -- „Ah was,“ brummte der Texaner phlegmatisch -- „die ganze Sache wird auf einen Unsinn hinauslaufen. -- Wirds aber ernsthaft, und brauchen sie uns drüben, so werden sie’s uns schon wissen lassen!“ „Hallo Fletcher, wißt Ihr’s schon?“ schrieen diesen jetzt ein paar junge 19 oder 20jährige Burschen an, die einen Fleischerladen in Compagnie hielten, und sich außerdem in dieser Compagnie noch täglich ein- bis zweimal prügelten. Der eine von ihnen trug eine mexicanische, an den Außennäthen offene Hose und eine sechsläufige Pistole im Gürtel. „Die Franzosen sind ausgezogen und wollen Sonora stürmen -- jetzt nur alle unsere Jungen zusammengetrommelt und nach, nachher bekommen wir sie zwischen zwei Feuer.“ „Unsinn“ entgegnete ihm hierauf aber der andere, ein dickes rothbäckiges Gesicht mit glanzlosen nichtssagenden blauen Augen -- „unsere Jungen werden dort schon allein mit ihnen fertig werden, aber ein amerikanisches Lager wollen wir hier indessen machen, eine Verschanzung aufwerfen, und keinen von den gottverdammten Franzosen wieder hereinlassen.“ „Unsinn?“ rief aber erzürnt sein Compagnon -- „Du Holzkopf weißt wohl was Unsinn ist -- nein zu feige bist Du mit auszurücken, und willst Dich lieber hier hinter einem Dutzend Baumstämme verschanzen.“ „Zu feige?“ entgegnete jetzt aber auch ingrimmig der mit den blauen Augen und der mexikanischen Hose -- „Du verdammter“ -- „Ruhig, Boys, ruhig!“ mischte sich hier aber Fletcher, der bis dahin den beiderseitigen Ansichten und dem späteren Wortwechsel, ohne eine Miene zu verziehen, zugehört hatte, in das zu drohend werdende Gespräch. -- „Seid vernünftig und geht ruhig zu Hause -- Morgen wird die Sache ganz anders aussehen. Wer weiß auf was für einen blinden Lärm hin die ausgezogen sind, und morgen kommen sie dann wie die begossenen Pudel wieder heim.“ Einige andere wollten noch dagegen anstreiten, sprachen von „amerikanischer Flagge aufpflanzen und darunter sterben,“ von „Beispiel geben“ und „Undankbarkeit der Fremden,“ die man je eher je besser aus dem Lande jagen müsse. Die Vernünftigeren gewannen aber doch endlich die Oberhand, und erwirkten, daß die Uebrigen ruhig zu Hause gingen und der Sache, für heut Abend wenigstens, ihren Lauf ließen. Die Franzosen sammelten sich indessen unverdrossen an dem bestimmten Ort, und die beiden Amazonen kamen gerade noch zeitig genug, sich an die Spitze der Bewegung zu stellen. Unter der Zeit waren aber auch die beiden, von Sonora ausgesandten Emissäre nicht müßig gewesen -- und hatten die Nachricht, theils selber theils durch andere Gelegenheiten, an den Calaveres hinüber, nach Angels und Carsons und Douglas Flat geschickt. Von allen Seiten kamen in der That die ganze Nacht hindurch Franzosen, ihre Decken und Flinten mit ein paar spärlichen Provisionen zusammengepackt auf dem Rücken, anmarschirt, verlangten in Murphys die Bestätigung des Gehörten, und wanderten dann rasch der ungewissen Gefahr entgegen, weiter. So wenig das Ganze auch in seinem Erfolg dem entsprach was man davon erwartet hatte, so gaben die Franzosen in dieser Zeit den Amerikanern doch eine ganz heilsame Lehre, +wie+ sie, wenn wirklich einmal Noth sein sollte, zusammenhielten; und mehrere Amerikaner meinten später auch wirklich erstaunt, sie hätten nie geglaubt, daß so viele Franzosen noch einzeln in den Minen stäcken, denn wie aus dem Boden seien sie von allen Seiten und Ecken in der Nacht und am nächsten Tage, ja nach zwei Tagen noch, aufgetaucht. Dieser, von Murphys ausgehende erste Zug war übrigens abenteuerlich und romantisch genug. Lauter kräftige, wild aussehende Gestalten, meistens in rothe wollene Hemden und eben solche Mützen, oder schwarze oder graue Filzhüte gekleidet. Dabei hatten sie sich mit jeder nur möglichen Wehr bewaffnet, die sie im Augenblick aufgetrieben. Die meisten trugen jedoch Doppelflinten, andere auch Büchsen oder nur ordinäre Musketen, viele sogar noch ihre französischen Seitengewehre, wie auch Säbel, Dolche und Pistolen. Viele dieser Waffen waren nun gar nicht in Stand. Aus allen Winkeln, wo sie bis dahin in Staub und Rost unbeachtet gelegen, hatte man sie heute Abend vorgesucht; Zeit sie zu reinigen, wurde natürlich nicht gegeben, und viele nahmen sich nicht einmal die Mühe, zu untersuchen ob das alte Feuereisen, mit dem sie jetzt in den Kampf eilten, geladen gewesen oder nicht. Ruhig stießen sie noch eine andere Patrone oben auf und eilten dann weiter. Der pockennarbige Bäcker hatte übrigens die meiste Noth mit seiner Waffe, die unter keiner Bedingung losgehen wollte. Er ging, wie fast alle seine Cameraden, zu Fuß, und blieb alle Augenblicke stehen seine alte Muskete in Ordnung zu bringen. Freilich wurde er nie damit fertig, mußte dann eine Strecke aus vollen Kräften laufen, die Uebrigen wieder einzuholen, und holte nur wieder Athem, sich auf’s Neue mit dem alten Schießeisen abzuquälen. In diesen Zwischenräumen schüttete er dann gewöhnlich zwei oder dreimal Pulver auf die Pfanne, nachdem er jedesmal vorher das Zündloch wohl aufgerührt hatte, blitzte es ab, versuchte einen anderen Ladestock mit einem Krätzer daran, den er sich geborgt, der aber, wie er recht gut wußte, zu kurz war, immer wieder von neuem, bis er ihn endlich abbrach, und blies dann endlich, als letzten verzweifelten Versuch, in den Lauf hinein, daß ihm das Gesicht dick und roth aufschwoll. Dieß war auch für solche Pausen die Schlußoperation, hiernach stieß er nur noch einen kräftigen Fluch aus, und eilte dann, schon durch das Blasen athemlos gemacht, keuchend hinter den Seinigen her. Allerdings war es von Anfang an der Plan der Ausrückenden gewesen, nicht eher zu rasten bis sie in Sonora selber wären. Durch die ungewohnte Anstrengung aber ermüdet und, da sie weiter gar keine Provisionen mitgenommen und sich dafür desto mehr an den Brandy gehalten hatten, auch dadurch mehr als gewöhnlich erschlafft, machte der Zug um eilf Uhr etwa Halt, lagerte sich um mehrere, rasch entzündete gewaltige Feuer und campirte im Freien. Toll genug ging es dabei her, die Flaschen kreisten, und muntere Lieder verscheuchten alle trüben Gedanken. Nur der pockennarbige Bäcker war mürrisch, sein widerspenstiges Gewehr aber doch endlich, Dank seinen unausgesetzten Bemühungen zum Losgehen bewogen. Freilich schlug er sich dabei den eigenen Backen und verlor den Hahn vom Schloß, den er in der Dunkelheit nicht wieder finden konnte. Kaum besser ging es Mr. Louis mit seiner Frau. Sie war ihm, oder er ihr plötzlich abhanden gekommen, und der arme, kurzsichtige Teufel hatte jetzt nicht wenig Müh, unter all den roth wollenen Hemden das herauszufinden was seine zweite Hälfte umschloß. Durch das halbe Lager forschte er den Leuten dicht unter die großen Hüte und in die bärtigen, verdutzt nach ihm umschauenden Gesichter, bis er Madame endlich an der Seite ihrer Freundin, unter einem Baume ausgestreckt fand, und sich nun ebenfalls, über die dort Umhergestreuten erbarmungslos hinüber stolpernd, zu Ruhe begab. Am nächsten Morgen brach der ganze Zug mit der ersten Dämmerung, und zwar ohne Frühstück, nur wieder durch einen Brandy gestärkt, auf, und selbst in der Nacht stießen noch mehrere ihrer Landsleute aus den benachbarten Minen zu ihnen. Keine Stunde waren sie aber noch marschirt, als ihnen plötzlich ein Trupp Mexicaner begegnete. „~Donde vais, amigos~,“ riefen ihnen die ersten Franzosen erstaunt entgegen, „wo wollt Ihr hin und wo kommt Ihr her? Wißt Ihr nicht, daß wir Euch zu Hülfe ziehen gegen die Amerikaner? Wir wollen einmal sehen ob sie Euch wegtreiben sollen?“ Die Spanier schienen betreten und wollten nicht recht mit der Sprache heraus. So viel ließ sich übrigens endlich verstehen, daß man sie noch nicht förmlich vertrieben hatte, sondern daß sie vielmehr gutwillig gegangen waren. Die Franzosen redeten ihnen ernstlich zu wieder mit ihnen umzukehren, und ihre eigene Sache nicht auf so schmähliche Art im Stich zu lassen. Nur bei sehr wenigen half aber dieses Zureden, die meisten meinten, sie wären nicht der Unruhen, sondern der Minen wegen fortgegangen. Die Sonora-Minen seien doch meistens ausgearbeitet, und es lohnte nicht mehr der Mühe noch viel Zeit darauf zu verschwenden. Unter dem Fluchen und Schimpfen der entrüsteten Franzosen kehrten sie sich endlich ab, und zogen nach Murphys zu durch den Wald, während den wenigen die wieder mit umkehrten, die Rolle die sie jetzt als heldenmüthige Vertheidiger ihrer Rechte zu spielen hatten, keineswegs zu behagen schien. Viele davon wußten es auch noch wirklich unterwegs möglich zu machen, seitab in die Büsche zu verschwinden, und nur sehr wenige hielten bis Sonora aus. Noch begegnete der Zug mehrern kleinen Trupps, wie vielen einzelnen Spaniern, Mexikanern wie Chilenen. Diese ließen sich aber auf gar keine weitern Demonstrationen ein, und die einzelnen drückten sich gewöhnlich gleich seitab, irgend einen kleinen Abhang hinunter oder hinter die dichten Rothholzbüsche. Um 10 Uhr etwa erreichten sie den Stanislausfluß, über den ein alter Amerikaner die Fähre hatte, und dieser war, wie man leicht denken kann, nicht wenig erstaunt und auch bestürzt, so viele Bewaffnete in jedenfalls feindlicher Absicht gegen Sonora rücken zu sehen. „Um Gottes Willen, Kinder,“ sagte er gutmüthig, „macht keinen Unsinn, bedenkt was Ihr thut, und gerade im Begriff seid zu unternehmen. Noch wißt Ihr nicht einmal ob das, was Ihr über Sonora gehört habt wirklich alles so wahr ist, und wenn es wirklich der Fall wäre, so bedenkt, daß immer auch nur einzelne wieder daran die Schuld tragen. Rückt Ihr aber jetzt, wie Ihr da seid, in Sonora ein, so kann es nicht ohne Blutvergießen abgehen, und wenn erst Blut vergossen worden ist, wer steht dann für das Uebrige? Handelt also nicht gleich so leichtsinnig, sondern prüft vorher und haltet Euer Gewissen frei, daß Ihr Euch nicht später Euer ganzes Leben hindurch bittere Vorwürfe über die Folgen machen müßt, die ein einziger unüberlegter Schritt herbeigeführt.“ Gestern Abend hätte der alte Mann jedenfalls in den Wind gesprochen; heute Morgen hatte sich das schnell erregte Blut aber schon bedeutend abgekühlt, wozu denn auch der nüchterne Magen nicht wenig beitragen mochte. Sie versicherten den Alten sie wollten seinem Rath folgen, und ehe sie nach Sonora einzögen und Gewalt brauchten, vorher einen Parlamentär hineinschicken, der sich dort nach allen näheren Verhältnissen noch einmal genau erkundigte. Der alte Amerikaner wollte nun freilich, daß die Andern so lange an dieser Seite des Flusses bleiben sollten. Dagegen waren aber alle; im Fall sie wirklich gebraucht würden, wollten sie auch gleich bei der Hand sein. Noch während des Uebersetzens stießen die beiden Franzosen wieder zu ihnen, die gestern Brief und Nachricht von Sonora nach Murphys und der dortigen Gegend gebracht hatten. Als diese die Absicht ihrer Landsleute hörten, erboten sie sich augenblicklich vorauszureiten, und ihnen bestimmte Nachricht, wie die Sachen +jetzt+ ständen, unverweilt zu bringen. Hiergegen opponirten indessen einige, und besonders Deutsche, und meinten es wäre besser, dießmal andere hineinzusenden, da man der beiden Männer Urtheil über Sonora schon gehört habe. Sie wurden aber überstimmt; die zwei Franzosen gaben ihren Pferden die Sporen und sprengten voraus, der Zug rückte bis auf 1½ Meilen von Sonora, als dem mit den Abgesandten verabredeten Sammelplatz vor, und lagerte dort, die Rückkehr dieser zu erwarten. Alle unter der Zeit noch nachfolgenden Franzosen zogen sie indessen an sich heran, und es mochten damals wohl auf solche Art 4 bis 500 Bewaffnete vor Sonora versammelt liegen, von denen jedenfalls drei Viertheile Franzosen waren. Die beiden Ausgesandten hätten etwa wieder zurück sein können, noch immer aber ließ sich nichts von ihnen sehen. Einzelne gingen den halben Weg ihnen entgegen, doch umsonst, sie mußten ohne sie getroffen zu haben, wieder umkehren. Was war aus ihnen geworden? Freiwillige meldeten sich jetzt, das feindliche Terrain zu recognosciren, unter ihnen Fischer, der an demselben Morgen von einem der ihnen begegnenden Spanier ein Pferd mit Sattel und Zaum gekauft hatte. Rasch schwangen sie sich in die Sättel und galopirten auf Sonora zu, erwarteten auch dabei nichts weniger, als die Stadt in Vertheidigungszustand und alle Punkte von amerikanischen Scharfschützen besetzt zu finden. Im Anfang erstaunten sie nun zwar, daß man sie so weit und ungehindert in die Stadt hineinließ, ihr Erstaunen wuchs aber, als sie Sonora endlich, den letzten Hügel übersteigend, ansichtig wurden und auch nicht das geringste Auffällige darin bemerkten. Allerdings standen hie und da Gruppen von Menschen zusammen, denn es war in Sonora kein Geheimniß geblieben wie eine bewaffnete Macht im Anzug dagegen sei, man schien aber weiter gar keine Notiz davon zu nehmen, und die Abgesandten ritten, etwas verdutzt darüber, die Hauptstraße hinunter vor allen Dingen einmal ihre ersten beiden Boten aufzusuchen und dann bei ihren Landsleuten anzufragen wie es mit den Gefangenen stände. Die Nachrichten die sie hier erhielten, waren indessen wohl geeignet, sie den jetzt versuchten friedlichen Schritt, nicht bereuen zu lassen. Die Geschichte mit den gefangenen und gefährdeten Franzosen war rein aus der Luft gegriffen. Einen Deutschen hatte man allerdings vorgestern aufgegriffen, aber auch gleich wieder losgelassen, da ihn mehrere dort kannten, und er nur im Trunk gegen einen Amerikaner angeritten sein sollte, um ihn vom Pferd zu werfen. Der Angegriffene brachte das im Anfang mit den in letzterer Zeit häufig vorgefallenen Räubereien in Verbindung, und klagte deßhalb, zog aber seine Klage augenblicklich zurück, als er erfuhr wer der Mann, und in welchem Zustande er gewesen sei. Die in Sonora zahlreich wohnenden Franzosen wußten dabei gar nichts von dem Brief und der ausgesandten Botschaft, und waren aufs äußerste entrüstet darüber. Eben so wenig konnten die beiden Boten wiedergefunden werden; sie blieben trotz der genauesten Nachforschungen spurlos verschwunden, und es unterlag gar keinem Zweifel mehr, daß dies Gerücht boshafter oder doch wenigstens unkluger und vielleicht selbstsüchtiger Ursachen wegen verbreitet worden. Allerdings hatte vor zwei Tagen eine Demonstration zwischen Mexicanern und Amerikanern stattgefunden, und die ersteren ihre Flagge aufgepflanzt und erklärt, sie würden die ihnen an Zahl weit unterlegenen Amerikaner aus den Minen treiben, wenn sie die Taxgesetze in Kraft wollten treten lassen. Wie es aber gewöhnlich mit den Mexicanern ist, so hörten sie sich gerne reden, und als es zur That kam, wollte Niemand bei der einmal erfaßten Sache, bei der sie übrigens auch wie sie recht gut wußten, im Unrecht waren, Stand halten. Die Amerikaner rückten mit ihrer Flagge und klingendem Spiel gegen die Mexicaner an, und diese gingen ruhig auseinander, und ließen ohne Widerstand geschehen, daß ihre Flagge gestrichen und die amerikanische dafür aufgezogen wurde. Es fiel kein Schuß bei der ganzen Sache, eben so wenig war der Sheriff, wie das Gerücht gegangen, erstochen, oder auch nur bedroht worden. Die ganze Geschichte lief auf einen großen Humbug aus, und Amerikaner und Fremde kamen dadurch in Gefahr, sich ganz ohne hinreichenden Grund feindlich gegenüber zu stehen. Die von dem Zug zum zweitenmal abgesandten Männer beschlossen jetzt, da sich die Boten aus dem Staub gemacht hatten, und sie den Ihrigen doch bestimmte Nachricht zurückbringen mußten, wenigstens den unberufenen Briefschreiber mit hinaus zu nehmen, damit er sich dort selber vertheidigen und eine Erklärung seines Betragens abgeben könne. Dieser zeigte sich allerdings nichts weniger als geneigt, der Aufforderung Folge zu leisten; weder Ausreden noch Sträuben halfen ihm aber, denn indessen hatten sich auch die meisten seiner Landsleute und eine Menge Amerikaner, welche die Ursache des Zusammenlaufs erfahren, vor und in dem Zelte versammelt, und man drohte, ihn, wenn er nicht gutwillig ginge, zu binden und gewaltsam hinauszuschaffen. Der arme Teufel war durch diese Alternative nichts weniger als beruhigt, und suchte nach allerlei Ausflüchten, all sein Sträuben war aber umsonst und er mußte wohl oder übel, seinen Führern folgen. Diese brachten ihn denn auch von vielen der Sonorier gefolgt, hinaus zu den Ihrigen, dort über das Begangene Rede zu stehen. Seinen Empfang dort kann man sich denken. In der ersten halben Stunde war allerdings kein Wort, weder von der einen noch andern Partei zu verstehen. Alles schrie und gesticulirte wild durcheinander, und man bekümmerte sich fast gar nicht um den Gefangenen; er hätte in diesem Gewirr, wenn er überhaupt Geistesgegenwart genug behalten, sogar entwischen können. Nach und nach regelte sich aber das Getöse etwas mehr, einzelne Stimmen drangen schon hie und da durch, und es bildete sich zuletzt, durch im Gespräch selbst aufgerufene Wahl, eine Art Jury, die über den Beklagten zu Gericht sitzen sollte. So manche komische Seite die ganze Sache auch vom ersten Anfang bis zuletzt gehabt haben mochte, so ernsthaft wurde sie jetzt, denn es handelte sich in diesem Augenblick um nichts weniger als ein Menschenleben. Dem Gefangenen hielt man sein Vergehen vor, wie er, durch einen lügenhaften Brief, dessen nähere Gründe sie gar nicht weiter untersuchen wollten, da sie in der Hauptsache nichts ändern könnten, das ganze Land in Aufruhr gebracht, seine zu vermeinter Hülfe eilenden Landsleute und andere Freunde nicht allein lächerlich gemacht, sondern auch beinahe Blutvergießen herbeigeführt, und jetzt jedenfalls nach diesem Schritt Mißtrauen zwischen Amerikanern und Fremden ausgesäet hätte. Vergebens entschuldigte er sich dagegen, daß er die ganze Sache mit zu schwarzen Farben gesehen, daß es nur übereilter Eifer gerade für seine Landsleute gewesen sei, der ihn dazu getrieben; daß man ihm selber die Nachricht gebracht, zwei Franzosen seien wirklich grundlos verhaftet worden, wonach er gleich in der ersten Aufregung Brief und Boten abgesandt habe. Es half ihm nichts, die Jury sprach ihr +Schuldig+ über ihn aus; er wurde einstimmig +zum Strange+ verurtheilt, und das Urtheil sollte gleich an Ort und Stelle vollzogen werden. Stumm und regungslos standen die Männer um den Verurtheilten her, und sahen starr vor sich nieder -- vergebens suchte sein ängstlicher Blick Mitleiden in einem der rauhen bärtigen Gesichter -- Todtenstille herrschte, und nur außerhalb des Kreises stand der Bäcker und wickelte einen Lasso vom Halse des nächsten Pferdes los. Der Mann trug noch den gestrigen Aerger mit sich herum, und schien jetzt eine Art von Genugthuung darin zu finden, denselben an irgend etwas, das ihn mit hervorgerufen, auslassen zu können. „Ihr wollt mich doch nicht mit kaltem Blut morden?“ sagte der Gefangene endlich mit leiser, heiserer Stimme zu den ihn nächst Stehenden, „ich habe Frau und Kind daheim.“ Keiner antwortete ihm; Manchem mochte es wohl ins Herz schneiden, aber sie fühlten auch wie strafbar er sei, und wollten dem gethanen Spruche nicht entgegenstehen. „Dieß ist ein guter Baum,“ sagte der Bäcker, der sich indessen den benachbarten Holzwuchs angeschaut hatte, „über den Ast dort können wir den Lasso leicht hinüberwerfen.“ Die beiden Männer, die neben dem Verurtheilten standen, und deren Bewachung er anvertraut war, nahmen jetzt seine Hände und banden ihm die Ellbogen auf dem Rücken zusammen. „Landsleute, Freunde, Ihr wollt mich doch nicht morden?“ rief jetzt der Unglückliche zum erstenmal mit lauter, aber immer noch heiserer Stimme. Sein Antlitz hatte Leichenblässe überzogen, und wie Fieberfrost schüttelte es seine Glieder. Der Kreis öffnete sich indeß geräuschlos dem Baume zu; der geschäftige Bäcker hatte das kleine mitgenommene Brandyfaß als Springbret unter den vorragenden Ast einer Eiche, über dem der Lasso hing, gestellt. Die Schlinge wehte, von dem leichten Luftzug bewegt, hin und her. „O Gott!“ stöhnte der Mann, und zum erstenmal brach eine Thräne aus seinen Augen. Da trat plötzlich aus der Schaar der umstehenden Männer ein Franzose, ein schlanker Gesell mit gutmüthigem Gesicht und braunem Bart hervor. Er streckte die linke Hand gegen den Gefangenen aus und sagte mit herzlicher Stimme: „Laßt den Mann gehen, Freunde. Der arme Teufel hat jetzt Angst genug ausgestanden, und die ganze Sache doch eigentlich keinenfalls so bös gemeint, den Tod zu verdienen. Laßt ihn gehen; er wird in Zukunft vorsichtiger sein, und mit seinem Tode wär’ doch nichts weiter gut gemacht.“ „Allerdings wird damit gut gemacht,“ riefen indessen einige Stimmen von verschiedenen Seiten her; „die Folgen seines Leichtsinns hätten zu furchtbar sein können, und deshalb verdient er die Strafe.“ „Ja,“ sagte der freiwillige Vertheidiger hier wieder mit ruhiger Stimme; „aber straft Ihr dadurch, daß Ihr +ihn+ richtet, nicht seine unschuldige Frau und Kinder weit mehr als ihn?“ „Und haben wir nicht auch Frau und Kinder?“ riefen andere, aber schon ruhiger als vorher, „und war er nicht auf dem besten Weg unser aller Leben zu riskiren?“ Der Gefangene sagte kein Wort mehr, aber sein Auge fuhr mit neu auflebender Hoffnung im Kreise umher; er wagte kaum zu athmen. Hie und da wurden jetzt noch Einwürfe gegen eine Begnadigung gemacht; der erste Zorn war aber einmal gebrochen, der ersten Rachlust Genüge geschehen, und die in den meisten vorherrschende Gutmüthigkeit, die zwar in dem hitzigen Blut leicht einmal untergehen konnte, aber doch zuletzt immer wieder oben schwamm, siegte endlich. Die Wächter des Gefangenen selber schnitten seine Bande entzwei, und kaum fühlte er seine Arme frei, als er die Hände der ihm nächststehenden griff und sie drückte, und einzelne der wilden Gestalten sogar an die Brust zog, und im Uebermaaß seines Gefühls des neugeschenkten Lebens küßte. Hiermit hatte aber auch die ganze Revolution ein Ende. Einzelne beschlossen zwar nun, da sie doch einmal so nahe bei Sonora wären, hineinzugehen und den Ort zu besuchen, jetzt in allerdings freundlicherer Absicht, als sie gestern Abend gedacht. Viele mochte auch wohl der Hunger hineintreiben. Die meisten schämten sich aber doch den Ort, wo sie auf so verzweifelte Art angekündigt waren, zu betreten, und entschlossen sich lieber mit leerem Magen den weiten Weg nach Murphys zurückzulegen. Dort mußte außerdem das Gerücht, daß alles Humbug gewesen, schon vor ihnen eingetroffen sein, und je stiller sie wieder in ihre alte Heimath einrückten, und mit je weniger Aufsehen, desto besser war es. Sie machten sich also ohne weiteres auf den Rückweg, und kamen nach einem tüchtigen Marsch fast sämmtlich noch an dem nämlichen Abend, oder doch vor Tagesanbruch am nächsten Morgen wieder nach Murphys. Die Franzosen sandten später den Amerikanern eine Art brieflicher Entschuldigung über ihr allerdings gegen die Gesetze der Vereinigten Staaten verstoßendes „bewaffnetes Ausrücken,“ und die Amerikaner hatten ein paar „Meetings,“ worin über diesen Gegenstand eine Masse von Anträgen gestellt und nicht ein einziger angenommen wurde. Dabei blieb es aber auch; später lachte man darüber, und der Zug selber erhielt den Namen der „französischen Revolution.“ Eine Nacht in einer Californischen Spielhölle. Auf der Plaza von San Francisco wogte eine halb geschäftige, halb mäßige Menschenmasse herüber und hinüber. Kaufleute und Mäkler, die Waaren erstehen oder an den Mann bringen wollten; neue Ankömmlinge, frisch von den Schiffen herunter, die in stummem Erstaunen oder lauten Ausrufen der Ueberraschung die Wunder der neuen Welt, des so ganz anders erträumten „Eldorados“ vor und um sich auftauchen sahen, und noch nicht im Stande waren, die in einander fließenden Wirren zu einem festen Ganzen zu gestalten; die wettergebräunten, in Kleidungsstücken arg vernachlässigten, kräftigen Gestalten der aus den Minen zurückgekehrten Goldwäscher, die, den kleinen strammen und schweren Lederbeutel im Gurt, in ruhigem Selbstbewußtsein durch die Straßen schlenderten; und dazwischen der Californische Spanier in seiner bunten Serape und mit den schweren klingenden Sporen, der bezopfte Chinese in seiner dünnen, weiten, blauen Jacke, wie dem, jeden Hemdkragen verschmähenden, nackten Hals -- die Schwärme reinlich und drall gekleidet Matrosen von einem der Amerikanischen Kriegsschiffe in der Bai, Franzosen, Amerikaner, Deutsche, Engländer, Argentiner, Spanier, Südseeländische Indianer, Neger und Mulatten, das Alles drängte und preßte in müßiger Eile auf und ab; Gold die Nadel, um die sich Alles drehte, Gold das Ziel, dem die Masse, welches Vaterland, welche Farbe auch immer, entgegen strebte. Der erste wilde Rausch war aber vorüber, der die Menschen wie blind und toll hinauf in die Berge jagte, um selber zu sehen, selber zu graben. Die Meisten „~had seen the elephant~“[32] und waren vollkommen befriedigt zurückgekehrt; d. h. sie hatten nicht allein kein Gold oben gefunden, sondern das wenige, was sie mit hinaufgenommen, noch obendrein zugesetzt, und schienen nun zu der Ueberzeugung gelangt zu sein, daß es auch andere Mittel und Wege in Californien gäbe, ihren „~pile~“[33] zu bekommen. Diese warfen sich jetzt in die Städte und wurden Kaufleute oder Makler, Handarbeiter oder Handwerker, Bootsleute, Straßenarbeiter, Markthelfer, Polizeidiener, Händler, Köche, Holzhacker, Conditoren, Restauranten, Kellner, Commis, kurz Alles, was sich nur denken ließ, um so rasch als möglich Geld zu verdienen und -- dann damit nach Hause zurückzukehren? -- Nein, sondern noch einmal damit in die Minen zu gehen, denn sie „hatten es das erste Mal nicht richtig angefangen.“ Nur +eine+ Klasse Menschen von all den Herübergekommenen dachte nicht daran, weder zu arbeiten noch zu handeln, weder zu kaufen noch zu verkaufen. Mit eigends dazu in den Vereinigten Staaten präparirten falschen Karten, wo ganze Fabriken in diesem Geschäft arbeiten, das innere Blatt durch die Punktirungen auf der Rückseite gleich erkennen zu können, kamen sie nach Californien, und sie thaten Nichts von dem Augenblick an, wo sie das Land, ja das Schiff selber betraten, das sie hinüberführen sollte, als Karten zu mischen und Gold zu zählen oder zu wiegen. Es waren und sind dies die +privilegirten Spieler+, die ihre Centralmacht in San Francisco selber haben, und von hier aus in Strahlen nach den verschiedenen Minen in +jeder+ Richtung hin ausschießen. Menschen, die mit dem Betrug als Grundlage ihres Geschäfts, Californien betraten, um Gold zu verdienen und reich zu werden, und die fest entschlossen dieser Bahn folgen, und wenn ihnen Mord und Raub dazu helfen müßte. Werft den Engländern die Deportirten Australiens vor -- sie sind Heilige gegen diesen Auswurf der Amerikanischen Bevölkerung, zu der merkwürdiger Weise keineswegs Engländer und Irländer gehören -- eine +sehr+ kleine Zahl vielleicht ausgenommen. Die verworfensten dieser Spieler und die einzigen in der That, die mit dem schlauen, im Hazardspiel so merkwürdig kaltblütigen Spanier concuriren können, sind Amerikanische „~Boys~,“ wie die Jugend der Städte der Vereinigten Staaten genannt wird. Von dem prachtvoll ausgestatteten Salon San Franciscos mit seinen üppigen Gemälden und Verzierungen und hunderten von goldbelasteten Tischen, bis zu dem dünnen Zelt in den letzten Bergen oben, wo die Serape, über einen dürftig zusammengenagelten Tisch geworfen, als Spieltuch die Nacht hindurch, und mit dem dämmernden Morgen als Bett und Decke dienen muß, überall sind sie zu finden, jeden Augenblick bereit, dem armen Miner den eben mühsam ausgewaschenen Lohn durch falsches Spiel wieder zu entwenden. Der Spanische Mantel verbirgt dabei das erbeutete Gut sowohl, wie den sechsläufigen Revolver und das scharfe Bowiemesser als Vertheidigungs- oder Angriffswaffe, wie es der Augenblick oder die Aussicht auf Gewinn gerade erfordern. Doch mit den Minen haben wir es jetzt nicht zu thun; wir sind auf der Plaza von San Francisco, und die Dämmerung ist blitzesschnell hereingebrochen über das Land, wie die Sonne kaum hinter der niederen „~coast range~“ verschwunden und in das Meer getaucht war, um Indien seinen Morgen zu bringen. Aber welch’ reges Leben beginnt da plötzlich in den gewaltigen Gebäuden, die Kearneystreet mit der Plaza abschneiden? -- Weit öffnen sich die mächtigen Flügelthüren, und von einer Masse Astrallampen blendend hell erleuchtet, schwimmt und glüht darin ein Meer von Licht, dem die Menschenmenge fluthend entgegenströmt. Rechts und links liegen ähnliche Gebäude, aus Backsteinen aufgebaut und mit eisernen Balkonen und Fensterladen, dem nächsten Feuer, das diese Reihen nun schon dreimal in Asche gelegt, trotzig und mit Erfolg die Stirn bieten zu können. Aus allen quillt ein Strom von Licht; aus allen tönt wilde rauschende Musik, in allen wogen dichte Schwärme von Menschen herüber und hinüber, und die Wahl wird dem Schauenden schwer, welches zu betreten. Aber das prachtvollste und großartigste ist jenes dort, über dessen Eingang mit großen goldblitzenden Buchstaben der Name ~El Dorado~ prangt, und noch unentschlossen, ob wir uns in die „Höhle des Löwen“ wagen sollen, läßt uns, die Schwelle einmal betreten, die Neugier nicht mehr zurück, und die nächsten Minuten führen den Neuling, förmlich trunken von Allem was er sieht, in die Mitte des Raumes, ehe er sich dessen selber klar und bewußt ist. Ein ungeheurer Saal, dessen Decke von zwei Reihen weiß lackirter Säulen getragen wird, breitet sich um uns aus; überall hängen Astrallampen und geben dem Raum fast Tageshelle, und die Wände sind mit üppigen Gemälden geschmückt. Nackende schlafende Frauen zeigen sich dort; badende Nymphen und bacchantische Mädchengestalten; bunte Bilder, die Sinne zu reizen, und darauf berechnet, mit der rauschenden Musik Schaulustige hereinzulocken. Einmal dann im Innern, mögen die goldbeladenen Tische das Ihrige thun, die Fremden zu +halten+. Die Masse, die hereindrängt, achtet auch wahrlich im Anfang nicht auf die Tische, die einzeln zerstreut und nur immer weit genug von einander entfernt sind, um einer Anzahl Menschen zu gestatten, zwischen ihnen zu stehen oder zu sitzen, und zugleich einen Gang für die Auf- und Abwandernden zu lassen. Zu viel des Neuen bietet sich außer dem Spiel, und die Sinne müssen das erst erfassen und verdauen, ehe sie sich mit Andacht dem Spiele selber zuwenden können. Rechts im Saal, hinter dem langen Ladentisch, steht ein +Mädchen+, ein wirklich lebendiges, junges, recht hübsches und anständig aussehendes Mädchen in schwarzem, enganschließenden Seidenkleid, die zarten weißen Finger mit Ringen bedeckt, dort Thee, Kaffee und Chocolade auszuschenken, wie Kuchen, Confekt und Candy oder andere Näschereien zu verkaufen, während in der anderen Ecke des Saales, hinter einem entsprechenden Tisch ein +Mann+ angestellt ist, Weine und Spirituosen zu verabreichen. An dem Thee- oder Kuchentisch lehnen aber vier oder fünf lange, ungeschlachte Gestalten und schmachten nach der jungen Dame hinüber, gießen eine Tasse Thee ~à~ ¼ Dollar nach der andern hinunter, um eine passende Entschuldigung zu haben dort zu bleiben, und verderben sich den Magen aus eben dem Grunde an dem süßen Gebäck und den Näschereien, die sie in Gedanken verzehren. Ein Trupp von Hinterwäldlern steht ein Paar Schritt zurück von dem Tisch, hartnäckig den Weg versperrend, und, allerdings auf billigere Art, den Genuß mit den Schmachtenden theilend. Es sind meist derbe, kräftige Gestalten, in ihre selbstgewebten Stoffe gekleidet, die hier in stummem Staunen all’ das Neue, nie Gesehene anstarren. Sie kommen aber auch +direkt aus dem Wald+. Im fernen Westen der Vereinigten Staaten erzogen, trieb sie der Ruf nach Californien durch die weiten Steppen und über die Felsengebirge. So erreichten sie die Minen, fanden dort im Walde, außer dem Golde, nichts Anderes, als was sie von Jugend auf gekannt: Bäume und Berge, Thäler und Quellen, ein Rindendach zum Schlafen und Wild zum Schießen, und erst, nachdem sie sich etwas verdient, oder auch das Leben voll harter Arbeit in den Bergen satt hatten, stiegen sie in’s Thal hinab, um die berühmte Stadt San Francisco zu besuchen. Daß sie hier staunten, darf ihnen nicht verdacht werden; staunte ja doch der Europäer, der, an großstädtisches Leben gewohnt, kaum etwas Unerwartetes hier zu finden glaubte, und sich jetzt plötzlich mitten in einem Treiben sah, das die tollste, überspannteste Phantasie nicht toller, nicht überspannter sich hätte ausmalen können. Aber um das Mädchen drehte sich nach und nach der ganze Saal. Wenn auch schon einmal gesehen, sie Alle kehrten noch einmal hierher zurück, und Wenige verlassen den Platz wieder, ohne nicht wenigstens ihren Viertel Dollar für irgend etwas Genießbares oder Ungenießbares da zurückgelassen zu haben. Wäre es auch nur, die Paar Worte mit ihr zu reden die sie sprechen mußte, ihnen den Preis der Waare zu sagen. Und weshalb? das Mädchen hatte ein recht liebes, freundliches Gesicht und war hübsch gewachsen, sonst aber keinesweges eine besondere Schönheit, und wir brauchen in anderen Städten keine Straße entlang zu gehen, in der wir nicht drei oder vier ebenso hübschen oder hübscheren begegneten, aber -- es war ein weibliches Wesen, mit all der sorgfältigen Sauberkeit gekleidet und ausgestattet, wie sie dieselben wohl zu Hause -- aber seitdem nicht wieder -- gesehen hatten. In ganz San Francisco existirten in jener Zeit nur erst sehr wenig ordentliche Frauen, und diese kamen selten oder nie auf die Straße; die Schiffe brachten fast gar keine, und durch die Prärien kamen nur sehr wenige. Es war ein Staat von Männern, rauh und kräftig, wüst und verwildert, -- Männer, meist alle mit den geladenen Waffen in den Taschen, oder im Gürtel unter Jagdhemd und Rock, die sich viele lange Monate in Wald und Wildniß herumgeschlagen nur mit ihres Gleichen, und die nun nach langem mühseligen Marsche, nach schwerer Arbeit in den Bergen, nach Kämpfen vielleicht mit den gereizten Eingeborenen, oder auch nach langer monotoner Seefahrt, zum ersten Mal wieder ein freundliches Mädchengesicht in einem reich eingerichteten, hell erleuchteten Hause -- hinter Geschirr und Tassen sahen. Kein Wunder, daß sie eine Weile dabei stehen blieben, um sich satt zu schauen an den freundlichen und doch so dunklen Augen, und dann vielleicht seufzend weiter gingen. Sie seufzten nicht des fremden Mädchens wegen, das da aufgeputzt hinter dem Laden- oder Schenktisch stand, sondern die eigene Heimath, Alles, was sie dort zurückgelassen, fiel ihnen dabei ein, und um das Gefühl wieder abzuschütteln, wandten sie sich zu den Bildern oder Spieltischen. Die Bilder waren aber das beste Mittel gegen jedes derartige wehmüthige Gefühl -- das junge Mädchen in fast unmittelbarer Nähe mit den frivolen, ja halb obscönen Gemälden, zerstörte jeden derartigen Zauber. Die in stiller Anschauung bis dahin Versunkenen wandten sich kopfschüttelnd ab, Anderen Raum zu geben -- und die junge Dame goß Thee auf die Anbetung. Aber halt, was ist das? -- um jenen Tisch dort drängen sich die Spieler oder Neugierigen -- dort wird wahrscheinlich hoch gespielt, und wer noch einen Platz bekommen kann, sei es auch nur um auf den Zehen zu stehen und über die Glücklicheren weg zu schauen, der preßt hinan, einen Blick von dem zu gewinnen was da vorgeht. Ein junger Bursche steht dort am Tisch, zwischen den Spielenden und seinen Helfershelfern. Langsam mischt er die Karten, eine Beschäftigung zu haben bis das Spiel beginnt, und überwacht dann mit den kleinen, scharfen, grauen Augen, während die Hände fast unwillkührlich die Bewegung fortsetzen, die gesetzten Karten. Das Spiel selbst ist uns allerdings fremd; der Spanier an der anderen Seite dagegen, der den Gang desselben und den Händen des Ausgebenden mit einem feinen, kaum bemerkbaren Lächeln folgt, ohne bis jetzt zu setzen, scheint es desto besser zu kennen. Es ist ~Monte~, ein Spanisches Spiel, auch mit Spanischen Karten gespielt, und die wunderlichen Figuren der Karten selber, die gekreuzten Schwerter und goldenen Kugeln, die Reiter statt der Dame etc. etc., fesseln das Auge des Fremden im Anfang vor allen Dingen, und geben den keck darauf gesetzten Rollen und Säckchen von Silber und Gold einen noch viel höheren und geheimnißvolleren Reiz. Das Spiel selbst hat Aehnlichkeit mit unserem +Landsknecht+; die links aufgeworfene Karte ist für den Banquier, die rechts geworfene für den Spieler, und es wird dadurch ein doppeltes, daß er zwei oben und zwei unten auswirft, dem einzelnen Spieler also auch Gelegenheit giebt, zwei zu gleicher Zeit zu setzen. Der junge Bursch, für den wir uns gleich von vornherein interessirten, kann höchstens sechzehn Jahre alt sein. Er ist hoch und schlank aufgeschossen, aber seine Züge hätten noch etwas weichliches, kindliches, strafte den Gedanken nicht das dunkel und leidenschaftlich glühende, eingesunkene Auge, wie die fest und krampfhaft zusammengepreßten bleichen Lippen Lügen. Seine rechte Hand stützt sich geballt auf das grüne Tuch des Tisches, in dessen Mitte aufgestapelte Dollare eine Mauer um einen Haufen kleineren Goldes und Goldstücke, sowie kleiner eingenähter Säckchen mit Goldstaub bilden, und drei oder vier größere Klumpen Gold, und gemünzte kleine Barren, mehr als Zierrath als zum wirklichen Gebrauch obenauf liegen. Seine Linke hat er in der Weste, und der zurückgeschobene Filzhut läßt einzelne blonde Locken, wie die hohe feuchte Stirn frei. Sein Gold, vielleicht zwanzig oder fünfundzwanzig halbe „Eagles“ (5 Dollar), steht auf dem Reiter, und die in ihren Höhlen glühenden Augen haften in peinlicher Spannung auf den Händen des Spielenden. Dieser, ein Amerikaner, sitzt kalt und ruhig hinter seinem Tisch, die abzuziehende Karte schon im Griff, und nur mit den Augen noch den Satz rings umher revidirend, ob Alles in Ordnung sei. Das Aß und die Dame sind die obersten Karten -- der junge Bursche hat gewonnen, und ein triumphirendes Lächeln zuckt um seine Lippen. „Heut zahl ich Euch zurück, was Ihr mir neulich angethan, Robertson,“ lachte er heiser zwischen den kaum geöffneten Zähnen durch. „Hoffentlich,“ erwiedert der Spieler ruhig, mit einem zweideutigen Lächeln -- „Ihr seid im Glück heute, Lowel, und solltet es eigentlich forciren.“ „Die Summe bleibt auf der Dame und +das+ da auf die Drei!“ -- Hier und da am Tisch werden kleinere Umsätze ausgezahlt oder eingezogen, und wieder fallen die Karten -- beide Sätze haben verloren. „~Damn it~,“ knirscht der junge Bursch leise und kaum hörbar vor sich hin, aber die Hand bringt fast unwillkührlich neue Beute zu Tage, ein Säckchen mit Goldstaub, das der Spieler selbst keines Blicks würdigt. Das Säckchen mochte etwa zwei Pfund enthalten, und der Spanier, der ihm gegenübersteht, wirft jetzt ein Paar Unzen auf die entgegengesetzte Karte. „Ihr mißtraut dem Glück des Gentleman da, Señor,“ lächelte der Spieler, die Karten fest und ruhig mit der linken Hand umspannt, den eigenen Blick aber forschend auf die Augen des Californiers geheftet. „~Quien sabe?~“ murmelt dieser gleichgültig, aber -- seine Karte hat gewonnen. „Teufel,“ zischte der junge Spieler zwischen den fest zusammengebissenen Zähnen durch, und die Hand suchte in krampfhafter Hast in seinen Taschen nach anderem Gold -- umsonst -- nicht in der -- nicht in der -- „Fort -- gestohlen!“ stammelt er dabei vor sich hin, und die stieren Blicke schweifen mißtrauisch und scheu dabei von Einem zum Andern der ihn dicht Umdrängenden. Er begegnet nur gleichgültigen oder spöttischen Mienen. „Kommt, Fremder -- wenn Ihr nicht mehr spielt laßt einem Anderen den Platz!“ sagte ein in ein blaues, schmutziges und zerrissenes Staubhemd gekleideter bärtiger Gesell, dem der arg mitgenommene zerknitterte Filzhut seitwärts auf dem wirren Haar sitzt -- „es scheint mir, Ihr seid fertig.“ „Ich stehe hier so lange als es mir gefällt.“ „Bitte, Sir, wenn Sie nicht mehr spielen, geben Sie Anderen Raum,“ -- sagte aber auch jetzt der neben ihm sitzende zweite Spieler gleichgültig -- „unser Tisch ist überdies gedrängt voll.“ „Ich bin bestohlen worden,“ -- ruft der junge Mann jetzt, einen ingrimmigen Blick dabei auf den im Staubhemd werfend -- „schändlich, niederträchtig bestohlen worden.“ „Dann sieh mich nicht so dabei an, mein Bursch, wenn ich bitten darf,“ sagt der im Staubhemd ruhig. „Ich sehe an, wen ich mag!“ -- trotzte der Aufgeregte -- „und wer den Blick nicht ertragen kann, der sehe weg.“ „Platz da!“ -- brummte der Miner im Staubhemd, den Kopf halb zurückdrehend zu den hinter ihm Stehenden, und den jungen Spieler mit riesiger Kraft packend, hob er ihn auf und warf ihn hinter sich. „Hab’ Acht -- hab’ Acht!“ -- schrieen in dem Augenblick mehrere Stimmen, und zwei oder drei Hände fuhren zu und warfen den Arm des Rasenden in die Höhe, der, mit einem Revolver bewaffnet und, unbekümmert um die Folgen, gerade auf den Kopf des Angreifers gerichtet war. Ob aber auch gefaßt, zuckte der Finger des jungen Verbrechers zweimal, ehe sie ihm die Waffe entreißen konnten, und die eine Kugel schmetterte die Glocke einer Astrallampe auf die Untenstehenden, die lachend und fluchend auseinanderstoben, während die andere harmlos in die Decke schlug, dort nur ein wenig Kalk niederwerfend. -- Es war nicht das einzige derartige Zeichen da oben. „Ich danke,“ -- sagte der Miner im blauen Jagdhemd ruhig zu den Umstehenden, und ohne sich weiter um den Rasenden zu kümmern, der sich in den Händen der ihn Haltenden wand und förmlich schäumte vor Wuth, nahm er ein Päckchen Gold aus seiner Blouse und setzte es auf die ihm nächste Karte. Der junge Spieler, von dem man fürchtete daß er noch andere Waffen bei sich haben könne, wurde indessen von einigen handfesten Irländern, die sich der Sache freundlich unterzogen, bis an die Thür geschleppt, wo ihn zwei durch den Schuß herbeigerufene Polizeidiener in Empfang nahmen und fortführten. Die Neugierigen im Saal hatten indessen alle dahin gepreßt wo der Schuß gefallen war, so viel wie möglich von einem dort vermutheten Kampf zu sehen, und die Spieler der nächsten Tische mußten ein Paar Minuten wirklich Gewalt brauchen, die Andrängenden zurückzuhalten -- selbst der Kuchentisch war für ein Paar Augenblicke leer geworden -- aber nicht lange. Zu viel des Neuen, zu viel des Interessanten bot sich indessen überall, die Aufmerksamkeit der Zuschauer lange auf einem Punkt, an einen Platz zu fesseln, selbst wenn ein solches Intermezzo mit einem Schuß gewürzt war. Von einer andern Seite des Saales her tönte in diesem Augenblick wieder Lärmen, Geschrei und Lachen -- was war dort geschehen? „Das war brav gemacht -- bravo -- hurrah!“ schrie die Menge, und die gellende Stimme eines Mannes, der gegen etwas eifrig protestirte, wurde immer wieder auf’s Neue von dem Jubelruf unterbrochen. Ein eigener Zwischenfall hatte sich hier ereignet, bei dem sich die Menge bald zum Richter aufwarf und entschied. Ein Mann in schwarzem Frack und dunklen Hosen, ganz anständig und reinlich gekleidet, war schon seit mehreren Abenden -- heute am siebenten -- regelmäßig um dieselbe Zeit zu ein und demselben Tisch getreten, hatte dem Spiel eine Weile beobachtend zugesehen, bis er zuletzt einen leinenen Sack aus seiner Brusttasche holte und ihn auf eine Karte setzte. Die Karte gewann am ersten Abend, und er schüttete den Sack, um das Geld zu zählen, auf den Tisch aus. Es waren achtundzwanzig Spanische Dollar, die ihm der Spieler ruhig auszahlte, und der „~gentleman~“ verließ mit seinem Gewinn, ohne Fortuna einen zweiten Wurf anzuvertrauen, und wahrscheinlich gegen die Erwartung des Spielers, den Tisch wieder. Am zweiten Abend kam er wieder, setzte wieder und -- verlor. Mit größter Kaltblütigkeit aber, ohne auch nur eine Miene zu verziehen, öffnete er den Sack, faßte ihn an den beiden unteren Zipfeln, schüttelte ihn aus -- und er enthielt genau die gleiche Summe, wie am vorigen Abend -- rollte ihn dann wieder zusammen und verließ, ihn in seine Tasche zurückschiebend, den Saal. Am dritten, vierten und fünften Abend dieselbe Sache -- die Spieler lernten den Mann kennen und amüsirten sich über sein wunderliches Wesen; wieder verlor er und betrug sich genau wie die ersten Male, den Sack nahm er jedesmal wieder mit sich fort. Am sechsten Abend -- und so regelmäßig hielt er dabei seine Zeit, daß die Spieler untereinander lachend sagten -- „es ist noch nicht acht Uhr, der Mann hat uns seine achtundzwanzig Dollars noch nicht gebracht“ -- dasselbe Spiel. Wieder verlor er sein Geld, und der Barkeeper oder Ausschenker am Spirituosentisch, dem gerade gegenüber dieser Spieltisch stand, lachte laut auf, als der merkwürdige Gesell das Geld so ruhig ausschüttete, als ob er für Jemand Anders hier seine regelmäßige Zahlung zu leisten, und nicht das eigene Geld verspielt und weggeworfen hätte. Der siebente Abend kam. Es war schon eine volle Minute nach acht Uhr, und der eine Spieler rief lachend dem andern zu: „Wir sind zu hart mit ihm verfahren und haben ihn verscheucht;“ als sein Kamerad lächelnd zur Seite zeigte und der Mann im schwarzen Frack, ohne eine Miene zu verziehen oder auf das Kichern und Flüstern um ihn her zu achten, zu seinem gewöhnlichen Platz am Tisch trat, den ihm einige der zufällig schon früher mit ihm hier Zusammengetroffenen willig räumten, gerade bis ein Viertel auf neun dem Spiel ruhig zusah und dann den Allen wohlbekannten Leinwandsack neben die eben ausgeworfene Zwei niedersetzte. Ein paar Karten wurden indeß abgezogen, ohne daß die Zwei erschien -- jetzt fiel die Drei links, und rechts -- ein feines, kaum bemerkbares Lächeln zuckte um des Spielers Lippen -- die Zwei. Der Fremde wurde todtenbleich, aber ohne auch nur eine Sylbe über den endlichen Wechsel seines Glücks zu äußern, streckte er ruhig wieder die Hand nach dem Leinwandsack aus und war eben im Begriff ihn aufzubinden, die Dollar, wie er das am ersten Abend gethan, überzuzählen, als der Spieler lachend sagte: „Laßt nur sein ich weiß schon wie viel d’rin sind. -- Achtundzwanzig -- hab’ ich nicht Recht?“ „Nein!“ sagte der Mann ruhig und schüttelte das Silber auf den Tisch und schüttelte den Sack stärker, und hinter dem Silber her eine Rolle fest zusammengewickelter Banknoten und ein fest ineinandergefaltetes Papier. „Was ist das?“ riefen die Spieler erschreckt, und die Umstehenden drängten überrascht und neugierig hinzu. „Mein Satz,“ sagte der Mann anscheinend gleichgültig und knüpfte das Band auf, das die Banknoten zusammenhielt. „Halt, das gilt nicht!“ schrie aber der Spieler, seine Karten niederwerfend, „das ist falsches Spiel -- Ihr habt die vorigen Abende nur achtundzwanzig Dollar gezahlt.“ „Falsches Spiel?“ -- rief der Mann, und seine Augenbrauen zogen sich drohend zusammen -- „beweist mir falsches Spiel, Ihr Kartenmischer. Hab’ ich den Sack nicht vollständig, wie er da ist, auf jene Karte gesetzt? und habt Ihr Euch etwa geweigert, ihn uneröffnet anzunehmen?“ „Nein, das ist Alles in Ordnung -- Alles in Richtigkeit!“ riefen die Umstehenden, immer gern bereit, gegen den Spieler Parthei zu nehmen. Sie sind fest überzeugt, daß er nicht ehrlich spielt, und trotzdem treten sie doch immer und immer wieder selber hinzu, ihr Geld ebenfalls in den Brunnen zu werfen. „Er hat es gesetzt und gewonnen, und muß es bekommen!“ riefen Andere. „Zählt Euer Geld -- wie viel habt Ihr?“ sagte der Spieler, der rasch ein Paar Worte mit dem Gegenübersitzenden geflüstert hatte -- „wie viel ist es?“ „Erstlich achtundzwanzig Dollar in Silber,“ sagte dieser ruhig, und die Anderen lachten -- „dann hier in Banknoten ein, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, achthundert Dollar, und dann hier“ -- „Was noch?“ „Eine kleine Anweisung auf Dollsmith und Penneken, so gut wie Silber, acceptirt und Alles; das Geld braucht nur abgeholt zu werden, auf -- drei Tausend.“ „Drei Tausend?“ -- schrie der Spieler, erschreckt von seinem Stuhl aufspringend -- „das wären beinah vier tausend Dollar zusammen; seid Ihr wahnsinnig? -- das brauch’ ich nicht zu zahlen.“ „+Braucht+ Ihr nicht?“ -- sagte der Fremde erstaunt -- „hättet Ihr’s nicht +genommen+, wenn ich’s +verloren+?“ „Gewiß hätt’ er -- das versteht sich -- ob die’s nehmen? -- Alles, was sie kriegen können und ein klein Bischen noch mehr,“ -- schrieen die Stimmen um den Tisch herum. -- „Er muß zahlen, da hilft ihm kein Gott.“ „Gentlemen,“ -- protestirte aber der Spieler jetzt gegen die Schaar, in der trostlosen Hoffnung diese zu seinen Gunsten zu lenken. -- „Gentlemen, der Herr da hat jeden Abend die ganze vorige Woche gesetzt --“ „Und jedesmal verloren,“ -- fiel ein Anderer ihm in die Rede -- „ich bin einige Male selber dabei gewesen und habe es von Anderen erzählen hören, und er hat nie ein Wort dagegen eingewandt.“ „Aber das waren nur achtundzwanzig Dollar.“ „Und wenn es jetzt so viele Tausende wären.“ „Aber so lassen sie mich ausreden,“ -- schrie der Spieler, mit Todtenblässe im Gesicht und funkelnden Augen -- „es waren nur achtundzwanzig Dollar die er mir auf den Tisch schüttelte, und die Papiere hielt er zurück -- dreimal schon hab’ ich die Summe von ihm gewonnen.“ „Beweist mir, daß ich einen Cent mehr wie die achtundzwanzig Dollar im Beutel gehabt!“ rief aber der Fremde verächtlich -- „mit solchen Ausflüchten kommt Ihr nicht durch.“ „Warum hast Du den Sack nicht mitbehalten, ~compañero~,“ -- lachte ein Spanier, der dabei stand -- „+wir+ behalten Alles was auf die Karte gesetzt wird.“ „Hätt’ er wieder verloren, so wären nicht mehr aus dem alten verdammten Leinwandbeutel herausgekommen, wie die Paar lumpigen Silberdollar“ -- fluchte der Andere. „Möglich, aber nicht zu beweisen,“ -- lachten die Umstehenden -- „Ihr müßt zahlen.“ „Verdammt, wenn ich’s thue,“ -- schrie der Spieler und schlug mit der geballten Faust auf den Tisch. -- „Eine neue Art von Betrug und Schurkerei ist’s, die sie an mir versuchen wollen -- aber sie sind an den Unrechten gekommen. -- Ich zahle nicht.“ „Ich habe an Dich hundert Dollar die letzte halbe Stunde verloren“ -- schrie da ein langer riesiger Kentuckier, sich zum Tisch durchdrängend, und über der Anderen Schultern fort -- „und hab’ sie Dir zahlen müssen bis zum letzten Cent. Weigerst Du Dem die Zahlung, mußt Du mir mein Geld auch wieder herausgeben.“ „Und mir auch -- mir auch!“ -- schrieen eine Menge Stimmen durcheinander -- „ich habe auch verloren -- ich auch -- ich zehn Dollar -- ich funfzig -- ich fünfundzwanzig -- ich ein Pfund Gold -- heraus mit dem Geld, wenn er nicht zahlen will.“ Ein anderer Spieler vom Nachbartisch war indessen zu dem Kameraden getreten und hatte, während der Tumult wuchs, einige Worte mit ihm geflüstert. Der Verlierende stritt ebenfalls mit unterdrückter Stimme dagegen an, wich aber doch zuletzt dessen Zureden und nahm das Geld, um es noch einmal zu überzählen, wonach Beide die Banknoten wie den fälligen Wechsel eines der ersten Banquierhäuser in der Stadt sorgfältig prüften. Es war gegen beide Nichts einzuwenden, und während der Fremde wieder, in dem Tumult um sich her, seine frühere, vollkommen ruhige Stellung eingenommen hatte und dem Lärm scheinbar so gleichgültig zusah, als ob ihn das Ganze auch nicht das mindeste anging, zählte indessen einer der Spieler das Geld ab, das fast die ganze prahlerisch aufgestapelte Baarschaft des Tisches mit fortnahm. Mehrere Pakete mit Goldstaub mußten sogar noch dazu gelegt werden, die der Fremde, ehe er sie acceptirte, aufschnitt, aufmerksam betrachtete und an dem Spirituosentisch, wo er sich zugleich ein Glas Brandy; einschenken ließ, abwog. Es war Alles in Richtigkeit, und das Gold in den verschiedenen Taschen bergend, schüttete er, was übrig blieb, in den verhängnißvollen Leinenbeutel, schob die Banknoten und Papiere in seine Brusttasche zurück und verließ jetzt mit einem freundlichen Dank gegen die Umstehenden, der mit einem donnernden Hurrah erwiedert wurde, den Saal. Die Uebrigen lachten und plauderten noch eine Weile über den Fall. Von allen Gegenwärtigen waren vielleicht nicht drei der Meinung, daß er die Banknoten und den Wechsel, wie der Spieler behauptete, die vorigen Abende nicht auch schon im Beutel gehabt, die wohl zu Tage gekommen wären, wenn er nur einmal gewonnen hätte; aber es galt ihnen das nicht als Betrug; es war Schlauheit. Der Spieler wahrte sich ebenfalls jeden rechtlichen oder unrechtlichen Vortheil den er gewinnen konnte; dafür hatte jeder seine Augen, daß er aufpasse. Oben im Saal und so weit erhöht, daß es von allen darin Befindlichen gesehen werden konnte, befand sich das Orchester, eine etwas zusammengewürfelte Schaar von Streich- und Blaseinstrumenten, die, nur mittelmäßig eingeübt, da oben, wie es der Amerikaner nennt „einen angenehmen Spektakel,“ machten. Die Musici spielten Tänze und Märsche aus Französischen und Deutschen Opern, Negerlieder und Englische Balladen, was gerade vorkam; und der Zweck war viel weniger eine Unterhaltung, als ein Halten des Publikums, das sich in dem warmen, hell erleuchteten und von Musik durchströmten Raum wohl fühlen sollte. Blieben die Leute dann lange da, so ließen sie sich auch wohl verleiten, wie fest Viele auch im Anfang zum Gegentheil entschlossen waren, einmal zu setzen; und das Honorar der Musiker zahlte reichlich die entsetzlich hohe Miethe der Spieltische. Das Publikum drängte auch gleichgültig unter der Musik hin und her. Nur die Backwoodsmen, die, wie ein Yankee meinte, lange genug vor dem Kuchentisch gestanden, „ihren Schatten an der Wand zu lassen,“ machten auch hier Front und schauten erst in stummer Verwunderung zu den vielen Trompeten hinauf, bis die Posaune anfing aus- und einzuziehen, und stießen sich dann feixend in die Rippen und lachten über den wunderlichen Mann mit der Trompete von „glänzendem Gummi“. Jetzt schwiegen die Blas-Instrumente. Die der Mitte Nächsten traten ein wenig zurück, und mit einem kleinen leichten Notenpult in der rechten, einer Violine mit dem Bogen unter dem linken Arm, trat ein junges, bildschönes Mädchen auf das Orchester. „Da ist sie wieder -- da oben steht sie“ -- flüsterten die Nächststehenden einander zu, und die Augen von Hunderten richteten sich, wie die Worte unten von Mund zu Mund liefen, oben auf die liebliche Erscheinung. Selbst der Thee wurde in diesem Augenblick vernachlässigt, und nur ein langer Yankee blieb, eine volle Tasse vor sich -- es war die siebzehnte heute Abend -- beide Ellbogen auf den Ladentisch gestemmt, allein und als Sieger zurück. So starrte er in das freundliche Gesicht der Verkäuferin -- die allerdings hart an sich halten mußte nicht gerad’ herauszulachen, und dadurch einen ihrer besten Kunden zu verscheuchen. Die Violinspielerin oben begann jetzt auf dem Orchester ein Adagio-Solo, dessen leise, schwellende Töne aber in dem Murmeln der Versammlung gänzlich verschwammen. -- „Bst -- bst“ -- tönte es von den Lippen der Zunächststehenden; aber was kümmerte die Spieler die Melodie da oben. Wenn in diesem Augenblick ein Engel niedergestiegen wäre, seine himmlischen Weisen anzustimmen, Karten und Würfel würden ihre Augen gefesselt, ihre Ohren verschlossen gehalten haben, und leise gemurmelte oder laut ausgestoßene Flüche waren die einzige Antwort, wenn Jemand etwa gar direkt gemahnt wurde weniger Geräusch zu machen „der Musik wegen“. „~Damn the music~,“ -- lautete dann wohl die barsche Antwort, mit einem noch schlimmeren Fluch als Träger -- „was zum Teufel hab’ ich damit zu thun -- die Fiedelspieler geben +mir+ mein verlorenes Gold nicht wieder -- geht zum Teufel.“ Das Mädchen oben aber kümmerte sich nicht um den Lärm und spielte ruhig weiter. Ihre Töne hoben sich und drangen zitternd und weich und doch so mächtig, bis in den entferntesten Winkel des weiten Raumes, und die Musici oben saßen still und schweigend und lauschten tief ergriffen den wunderbaren Lauten. Es war ein junges Mädchen von etwa siebzehn Jahren, jedenfalls südlicher Abkunft, mit dunklen rabenschwarzen Locken und eben solchen Augen, aber marmorbleichen und doch so zarten, fast durchsichtigen Zügen, die jetzt in der Erregung des Augenblicks, wie tief unter der Haut, von einem schwachen rothen Schimmer durchzogen wurden. Wie kam das arme Kind hier in diesen entsetzlichen Aufenthalt des Lasters? wie hatte sich die Nachtigall dazu hergeben können, ihren Ton zu leihen, die Beute in die Fänge der Eule zu locken? -- Was hatte sie überhaupt an diese wilden, ungastlichen Ufer getrieben, wo die Gier nach Gold jedes edle Gefühl, jede zarte Sitte und stille Weiblichkeit unter die Füße trat? -- Ein Lockvogel in einem Spielhaus -- trauriges, trauriges Brod, das sie vielleicht mit ihren Thränen netzte. Oder wäre auch dieses junge Herz schon verdorben gewesen von dem Gifthauch des ~El Dorado~? Das seelenvolle, unschuldige Auge strafte den Verdacht Lügen, und die milden schwellenden Töne des Instruments klangen doch wieder wie wehzerrissene Klagen schuldiger Brust. „Verdammt feines Mädchen das da oben,“ -- sagte ein Miner zum Andern, mit dem er unter dem Orchester stand und hinaufschaute, „wollte ein Paar Pfund drum geben, wenn ich die mit oben in unserm Winterzelt hätte. Donnerwetter, wie die Jungens droben schauen würden, wenn ich solch einen Brodverzehrer mit hinaufbrächte.“ „Würde auch theuer zu kaufen sein,“ -- meinte Anderer -- „sie sieht stolz und vornehm aus, die ist Nichts für unsereins.“ „Bah,“ -- sagte der Andere verächtlich -- „Nichts für unsereins! weshalb? -- mit Gold kauf’ ich Alles -- möchte wissen, wo sie herkommt?“ „Aus dem alten Lande,“ -- sagte ein Dritter, der das Gespräch überhört hatte, leise zu den beiden Minern, -- „ist aber nicht zu bekommen. Das hat schon Mancher versucht. Dort steht ihr Alter.“ „Wo? -- der da mit dem schwarzen abgetragenen Rock und den dunklen langen Haaren? -- Das ist ein Spanier.“ „Ja wohl, und so stolz, als ob er der König selber wäre.“ „Aber er spielt hoch --“ „Beide,“ -- lachte der Amerikaner -- „die Eine da oben, der Andere hier unten, nur mit dem einen Unterschied, daß die Dirne dort der Brodverdiener ist, und der Alte hier das Geld allabendlich schon im Voraus verspielt, was sie da oben von den Spielern bekommt, um Grüne hereinzulocken.“ „Und wovon leben die Leute?“ „Gott weiß es -- keinenfalls kostbar, und ich glaube, sie haben ein Zimmerchen hier im Hause irgendwo, hoch oben unterm Dach.“ „Aber was zum Teufel spielt sie für Zeug?“ -- sagte der Erste wieder -- „hübsch ist sie, aber mit der Fiedel weiß sie nicht umzugehen; da kann ja kein Mensch einen Tackt dazu tanzen.“ „Ja, zum Tanzen spielt sie’s auch wohl eigentlich nicht,“ -- sagte der Hinzugekommene -- „wer geht mit, eins zu trinken?“ „Wer geht +nicht+ mit?“ -- lachte der Erste -- „Trinken ist immer besser wie Musik!“ Ein klein wenig oberhalb der Bar oder dem Schenktisch, schien jetzt etwas vorzugehen, und die Neugierigen sammelten sich bald um eine Stelle, wo ein junger Bursch von vielleicht dreizehn Jahren hinter einem kleinen Tisch stand und mit einigen „~green mountain boys~“[34] ~vingt-un~ spielte. Die beiden Burschen sahen aus wie ein Paar Farmerssöhne aus dem Gebirg, die eben noch nicht viel von dem Leben und Treiben in der Welt gesehen; hier aber, mit den Französischen Karten, die sie eher kannten wie die Spanischen, und mit einem Spiel, das sie selber schon oft in New-York hatten spielen sehen, oder vielleicht selbst gespielt hatten, ihr Geld glaubten „finden“ zu können, ohne gerade in die Berge zu gehen und hart danach zu graben. Die ersten vier fünf Male gewannen sie auch kleine Summen, und der Eine von ihnen fing an Gewissensbisse zu fühlen, daß sie dem „Kind“ das Geld abnähmen. „~Damn it~“ -- sagte er halblaut zu seinem Bruder, denn die Aehnlichkeit zwischen den beiden langen knochigen Burschen ließ sich nicht verleugnen -- „~damn it, Bill~, ’s ist eigentlich ein Skandal, daß wir beiden großen erwachsenen und vernünftigen Menschen mit solch kleinem „~greenhorn~“[35] spielen -- wir wollen lieber wo anders hingehen.“ „Bah, das seh’ ich nicht ein,“ -- sagte der Andere eben so leise -- „wenn der Junge so dumm ist sich hier herzustellen und Andere zum Spiel aufzufordern, können wir ihn so gut rupfen wie Jemand Anders. Aber was mich freut ist nur, daß er glaubt er hätte ein Paar „Grüne“ erwischt -- halloh mein Junge, wie der sich geschnitten hat.“ Der kleine Bursch verzog, während sich die Beiden solcher Art leise mit einander unterhielten, keine Miene, nur die Lippen hielt er fest zusammengekniffen; und wären die Yankees nicht so eifrig in ihr Gespräch vertieft gewesen, hätten sie wohl sehen können, wie er mit einem Nachbar von sich, einem andern Knaben in gleichem Alter, der hinter einem großen Würfelbecher stand, ein Paar rasche Blicke wechselte. Der junge Bursch sah nicht wie ein „~greenhorn~“ aus. „So, hier mein Herz, ist ein Dollar auf die beiden Karten,“ -- sagte der Aeltere, jetzt wieder sein Blatt aufnehmend und besehend -- „und ich kaufe“ -- „Ist’s genug, Sir?“ „Genug? -- hm -- ja -- ich passe.“ „Und Sie?“ „Ich kaufe noch“ -- „Eine Vier; die wird Ihnen recht sein.“ „~Damnit~, nein -- noch eine“ -- „Ist’s jetzt genug?“ „Dreiundzwanzig,“ rief der Jüngere, die Lippen ausstoßend und schob dem jungen Spieler das Geld hin. Dieser warf lächelnd seine Karten auf; er hatte Funfzehn. „Ich passe auch,“ -- sagte er und der andere Amerikaner warf ihm, ohne seine Karten zu zeigen, mit einem leisen Fluch das Geld hinüber. -- Weshalb hatte der junge Gauner schon auf Funfzehn gepaßt? Wieder begann das Spiel; die beiden Brüder verloren zu ihrem Erstaunen an den jungen Burschen und wurden immer heftiger. Zwei Dollar setzten sie auf eine Karte, dann drei, und ohne daß sie es selber merkten, hatte sich indessen eine ganze Schaar von Zuschauern um sie versammelt, um dem „Rupfen“ mit allen Zeichen augenscheinlichen Vergnügens zuzuschauen. Nur immer gieriger dadurch gemacht, setzten die beiden Burschen, ohne selbst auf manches wohlmeinend geflüsterte Warnungswort zu hören, mehr und mehr. Der eine warf zuletzt eine ganze Hand voll Silber mit einigen Goldstücken darin -- vielleicht seine ganze Baarschaft -- zu einem letzten entscheidenden Streich auf seine Karte. Dies Mal mußte er gewinnen -- er hatte Einundzwanzig; der Bruder hatte zwei Goldstücke auf seiner Karte stehen und zwei Bilder in der Hand. -- Das Glück hatte sich gewandt. Der junge Bursch warf seine Karten auf; er hatte ein Aß und eine Drei -- darauf konnt’ er nicht stehen bleiben. Er kaufte eine Zehn -- das waren vierzehn; er kaufte noch einmal, eine Sechs -- Zwanzig! Weiter zu kaufen wäre Wahnsinn gewesen, aber sein Blick fliegt von einem der Sätze zum anderen, und suchte verstohlen und wie nachdenkend das eigene Kartenspiel das er etwas vorgeschoben in der Hand hält. „Ich kaufe,“ -- ruft er dann, wie mit einem verzweifelten Entschluß, und das Einzige, was ihn konnte gewinnen machen von allen Karten, -- das Aß -- fällt, während er mit einem ruhigen Lächeln das Geld einstreicht. „Nicht verzagt, Gentlemen, nicht verzagt,“ -- ruft er dabei. „Das nächste Mal kommt die Reihe an Sie -- Glück ist Alles, nicht verzagt -- wie ist Ihr nächster Satz? -- soll ich Ihren nächsten Satz sehen?“ Aber die beiden ~green mountain boys~ hatten gerade genug, und vielleicht selber nicht einmal mehr für einen nächsten Satz übrig. Sie stießen einander an und verließen den Tisch, während sich Andere hinandrängten, ihre Stelle einzunehmen. Der Tisch nebenan machte keine so guten Geschäfte, wenigstens keine so großartigen, obgleich ebenfalls Dollar nach Dollar einkam, wenn auch der Einsatz meist nur in Vierteln gestellt wurde. Es war ein Würfeltisch, ein Stück Leinewand mit fünf großen Buchstaben ~A. B. C. D. E.~ bemalt, darauf. -- Drei Würfel lagen daneben, von denen jeder die Buchstaben und ein blankes Feld trug. Der Knabe, der hinter dem Tisch stand, hatte einen großen Lederbecher zum Werfen vor sich stehen. Wer pointiren wollte, setzte irgend einen Satz auf einen oder mehre der Buchstaben und warf dann selber. War der gesetzte Buchstabe mit aufgeworfen, so bekam er seinen Satz herausgezahlt, ja doppelt oder dreifach, wenn es das Glück wollte, daß er zum Beispiel auf das ~D.~ gesetzt, und alle drei Würfel das ~D.~ gezeigt hätten; dagegen war der Satz verfallen, wenn andere Buchstaben kamen. Gleich daneben war ein Roulet -- weiterhin ein Pharaotisch. Dort stand ein Spieler mit drei Karten die er, halb zusammengebogen, herüber und hinüberwarf, um die erstaunten Zuschauer einzuladen darauf zu setzen. Diese aber wagten es nicht, oder glaubten daß er nur Scherz mache, weil die Sache so entsetzlich leicht und handgreiflich schien. Dicht vor dem Tisch stand ein Mann in einem schwarzen Leibrock und betrachtete sich die Karten und das Wechseln derselben aufmerksam; um ihn herum stand ein Schwarm Backwoodsmen und Miner und flüsterte miteinander, und der Spieler warf indessen die drei Karten langsam und in solcher Art hin und her, daß man den einzelnen recht gut und leicht mit den Augen folgen und dann auch ganz unzweifelhaft wissen konnte, wo das Aß oder die Dame oder die Zehn -- denn das waren die drei -- lagen. „Hier, Gentlemen, hier!“ -- rief der Spieler dabei, die Karten mit der inneren Seite gegen die Zuschauer haltend, daß sie dieselben deutlich erkennen konnten -- „hier ist das Aß, das leg ich dahin, hier ist die Zehne, die kommt dahin, und hier ist die Dame, die kommt dahin -- sehen Sie, jetzt wechsle ich die Karten, nun liegt das Aß hier, nun hier -- nun hier und so -- und so und so -- passen Sie wohl auf -- wer gute Augen hat, ist in großem Vortheil -- nun, wo liegt das Aß jetzt?“ „Hier!“ sagte Einer der Miner und deutete entschlossen auf die mittlere Karte, die der Spieler für ihn umwarf -- es war in der That das Aß. „Ja, Gentlemen, da muß ich ein wenig schneller mischen, sonst komm’ ich mit Ihnen nicht fort,“ -- sagte der Spieler achselzuckend; „so, hier ist das Aß jetzt, und nun hier, so, so, so, so“ -- und etwas rascher die Karten durcheinander stellend, aber immer noch langsam genug daß man den einzelnen recht gut mit den Augen folgen konnte, hielt er wieder ein. „Boys,“ -- sagte da der Mann im schwarzen Frack, sich zu den Minern halb umdrehend und mit leiser unterdrückter Stimme -- „der Kerl muß toll sein, oder er hat sein Geld auf der Straße gefunden. Hier ist eine Gelegenheit etwas zu verdienen, und ich will sie nicht unbenutzt vorüber gehen lassen -- ich setze.“ Der Spieler hatte indessen die Karten wieder aufgenommen und durchgemischt, und zeigte sie den jetzt in Menge Herandrängenden, um sie dann etwas schneller als vorher wieder durcheinander zu mischen. „Hier sind zehn Dollar auf das Aß da!“ rief der Mann im schwarzen Frack plötzlich und setzte zwei Goldstücke vor die der Länge nach halb zusammengebogene Karte. „Thut mir leid -- nehme keinen Satz an unter fünfundzwanzig,“ sagte aber der Spieler ruhig. „Fünfundzwanzig?“ rief der im schwarzen Frack, „das ist viel; -- aber halt nehmt die Karte nicht weg, ich halt’ es. Donnerwetter,“ flüsterte er dann dem neben ihm Stehenden zu -- „ich weiß ganz genau daß es die rechte Karte ist, und ich +muß+ gewinnen.“ „Ich weiß es auch -- ich hab’s auch gesehen,“ -- riefen die Anderen leise -- „der Mensch muß verrückt sein.“ „Wartet -- paßt einmal auf, daß er die Karten nicht verwechselt,“ -- rief der im schwarzen Frack jetzt im vollen Eifer -- „hier ist das Geld -- zwanzig, ein-, zwei-, dreiundzwanzig -- +nun+? -- keinen Dollar mehr? alle Wetter -- ich glaube doch?“ Er befühlte sich umsonst alle Taschen, dreiundzwanzig Dollar waren sein letztes Capital, und er bat einen der ihm nächst Stehenden, daß sie ihm auf die Paar Secunden die zwei Dollar borgen möchten. „Jawohl, mit dem größten Vergnügen, sicherer war noch kein Geld angelegt.“ „Hier sind die fünfundzwanzig Dollar -- +das+ ist das Aß.“ „Dank Ihnen, Sir, für den Satz -- wollen jetzt gleich nachsehen,“ -- sagte der Spieler -- „ich muß aufrichtig gestehen, ich weiß selber nicht mehr wohin ich die Karte gethan habe -- also diese?“ „Ja wohl, die.“ „Wahrhaftig das Aß,“ sagte der Spieler, sich verlegen das Kinn streichend -- „hier -- fünfundzwanzig Dollar waren es, nicht wahr?“ „Fünfundzwanzig -- hier stehen sie noch.“ „Ja, s’ist in Ordnung,“ sagte der Spieler kaltblütig -- „kann es nicht ändern -- das nächste Mal rathen Sie’s vielleicht nicht. Also hier, Gentlemen, hier geht das Spiel von vorn an. Hier ist das Aß, und nun so, und so, und so und so -- Wer setzt?“ „Ich -- ich!“ riefen mehrere Stimmen. „Nicht unter fünfundzwanzig Dollar.“ „Hier sind sie -- hier sind noch funfzig, auch auf die Karte!“ rief ein Dritter ganz im Eifer, während der im schwarzen Frack die zwei Dollar mit den zwei Dollaren Gewinn zurückerstattete -- „das da ist das Aß und meinen Hals noch zu den funfzig, wenn Ihr ihn haben wollt.“ „Danke, danke,“ sagte der Spieler lächelnd, -- „möchte meinen nicht dagegen setzen -- also fünfundsiebzig auf die Karte; nicht mehr?“ „Nein; deckt nur auf zum Henker -- +Das+ Spiel spiel’ ich die ganze Nacht mit.“ „Also diese Karte?“ „Die hier -- nun?“ „Ist die Dame; diesmal haben Sie sich versehen, Gentlemen,“ -- sagte der Mann mit einem förmlich süßen, mitleidigen Lächeln -- „und ich habe die Karten doch so langsam umgelegt.“ „Den Teufel noch einmal,“ -- riefen die Setzenden erschreckt, denn sie hatten an nichts weniger gedacht als zu verlieren -- „und das verdammte Aß steckt da?“ „Nächste Mal mehr Glück, Gentlemen, nächste Mal mehr,“ -- lachte der Spieler mit seinem süßen, freundlich höflichen Lächeln -- „hier gehen die Karten wieder -- da das Aß, und nun da, und nun da -- da -- da -- da -- da -- wer setzt, Gentlemen? Passen Sie genau auf -- wissen Sie jetzt, wo das Aß ist? -- keiner wird es glauben, +hier+ ist’s in dieser Ecke.“ „Das habe ich gewußt -- ich auch, bei Gott!“ schrieen Mehrere. „Schade, daß sie nicht darauf gewettet haben, Gentlemen,“ -- lachte der Spieler -- „sonderbar, daß die Menschen so leicht auf etwas schwören und so schwer auf das nämliche wetten wollen. Hier gehen die Karten wieder, Gentlemen, ~going, going, going, going, going~? -- Hier ist das Aß und nun da, und nun da und wieder da, da, da, da, da! -- Wer will setzen?“ „Ich -- hier -- da sind meine Fünfundzwanzig -- und hier meine. -- Die Karte hier ist das Aß -- wenn sie’s nicht ist, hat der Teufel die Hand im Spiele.“ „Wär’ ein gefährlicher Compagnon, Gentlemen, also funfzig Dollar gerade? wird mein Gewinn von vorher wohl wieder in die Brüche gehen. Diese Karte hier, sagen Sie?“ „Die Karte da, ja -- die mittelste!“ riefen mehrere. „Das thut mir Leid, Gentlemen,“ sagte der Spieler achselzuckend -- „das hätt’ ich Ihnen aber vorher sagen können, das ist die Zehn. Das Aß liegt hier!“ „Teufel!“ schrieen die Getäuschten, mit dem Fuße stampfend, während die Anderen lachten. Der Mann in dem schwarzen Frack war indeß von dem Tisch fortgetreten; er hatte nicht wieder gesetzt und -- lieferte später das gewonnene Geld zur Theilung im Ganzen, wieder an seinen „Compagnon“ ab. Aber nicht überall sind die Spieler so glücklich. Dort an den Tisch ist ein Spanier in einer alten zerrissenen Serape, den breiträndrigen Hut tief über die Stirn gezogen, getreten, und folgt dem Lauf des Spiels mit der gespanntesten Aufmerksamkeit. „Nun, Señor, wollen Sie Ihr Glück nicht versuchen heut Abend?“ -- sagte der Amerikaner verbindlich -- „weshalb stehen Sie so müßig da?“ „~Porque?~“ -- sagte der Spanier -- „ich möchte etwas lernen.“ Das zweideutige Lächeln das dabei um seine Lippen zuckt, gefällt dem Yankee nicht der die Bank hält. Die Spanier sind großentheils abgefeimte Spieler, und besonders mit den Ränken und Finessen des Monte-Tisches genau bekannt. Er zieht vorsichtig ab, denn der dunkelaugige Bursch nimmt ihm die Augen nicht von den Fingern. „Haben Sie kein Geld, Señor?“ lächelte er endlich verlegen. „~Si, poquito~[36]“ -- sagte der Californier und nimmt, ohne einen Blick von der Hand des Amerikaners, die die Karten hält, zu verwenden, einen alten geflickten Leinwandbeutel aus der Serape, den er auf die vor ihm liegende Karte setzt. Der Spieler taxirt ihn flüchtig, er kann etwa sechzig oder siebzig Dollar halten. Einen etwas unruhigen Blick wirft er dabei auf die eigenen Karten in seiner Hand, der dem Californier nicht entgeht. „~’sta bueno?~“ sagt dieser mit einem leichten, fast boshaften Lächeln. Der Spieler zögert, aber er wagt nicht seine gewöhnliche List dem gewitzten Gegner gegenüber anzuwenden. Die Gefahr, der er sich dabei ausgesetzt ist zu groß -- er zieht ab, und die Karte des Californiers hat gewonnen. „Wie viel enthält der Sack Señor?“ sagte der Amerikaner mit anscheinender Kaltblütigkeit. „~No se~,“ -- erwiederte der Gewinner achselzuckend -- „zählt es.“ Der Amerikaner zieht den Sack zu sich herüber, öffnet ihn und kann einen Ausruf der Ueberraschung, des Entsetzens nicht zurückhalten. Der Sack ist mit Doublonen gefüllt, und die zitternde Hand, die sie auf den Tisch schüttelt, zählt hundert und dreizehn. Des Californiers Antlitz ist dabei wie aus Marmor gehauen. Er weiß, daß ihm das Geld werden muß, und wartet vollkommen ruhig das Zählen ab, das fast den Tisch aufräumt. Den unteren Zipfel seiner alten schmutzigen Serape dann aufhaltend, streicht er das Gold hinein, nimmt den Sack wieder unter den Arm und verschwindet so geräuschlos unter der Schaar der Zuschauer, wie er gekommen. -- Aber nicht so unbeachtet, denn zwei, in dunkle Röcke gekleidete Männer sind Zeugen des Gewinnes gewesen. Ihre Augen begegnen sich dabei, aber haften nicht aufeinander. Gleichzeitig schweifen sie nach den Bildern an der Wand hinüber, und die Beiden treten, nach verschiedenen Richtungen hin und von Niemand beachtet, vom Tisch ab; doch sie behielten den dunklen Hut des Spaniers im Auge, und als dieser die düstere Plaza betritt, verlassen auch sie den hellerleuchteten Saal. Wollen wir ihnen folgen? -- Ueber die Plaza schreitet der Mann jetzt, da er aus dem Saal hinaus ist, und summt dabei ein leises, lustiges Spanisches Lied, denn er freut sich des Triumphs den er über die verhaßten Americanos davon getragen. Er hat ein schweres Gewicht im Arm, aber sein Schritt ist nichtsdestoweniger leicht und elastisch, und er lacht sogar einmal laut auf, wenn er an das Gesicht zurückdenkt das der Amerikaner schnitt, als er den Beutel öffnete und +Gold+ fand, wo er billiges Silber vermuthete. „Hahahaha, wie bleich er wurde!“ -- murmelte er leise vor sich hin, und die Augen funkelten in dem Gedanken -- „und wie ihm die Finger danach zuckten die Volte zu schlagen, jene fatale Karte, die der Schurke recht gut kannte, von oben fortzubringen -- ~caramba~, er wußte, daß mein Auge auf ihm haftete und ich ihn durchschaute -- er wagte es nicht. Der -- ha --“ Er horchte, ohne den Kopf zu wenden, zur Seite. Er hörte Schritte, die ebenfalls stehen blieben als er hielt. Kearney-Street hinunter und herauf gingen und kamen noch viele Leute, aber über California-Street hinüber, wo der Weg nach der Mission hinausführte, wurde es öde. Bis an die breite, sandige California-Street reichten auch die gedielten Straßen; dann hörten sie auf, und wer dort nicht Geschäfte hatte, vermied den beschwerlichen, öden Weg. Dorthin lenkte der Spanier jetzt seine Bahn; aber im Gehen hatte er das Gold, wozu er sich im Spielhause nicht die Zeit genommen, handvollweis in den breiten, mit drei großen Taschen versehenen Ledergürtel geborgen, den er nach Art der Argentiner um den Leib trug. Nachdem er die Serape wieder von ihrer Last befreit, nahm er den Beutel mit den Doublonen unter den linken Arm und schritt rascher vorwärts; aber er sang nicht mehr. Seinem scharfen Gehör waren die vorsichtigen Schritte nicht entgangen, die ihm folgten. Es schien auch daß er gehofft hatte, zu noch nicht so später Stunde mehr Menschen unterweges und besonders in diesem Theil der Stadt zu finden, wo erst ganz kürzlich ein Circus angelegt war; denn wie er die öde Straße vor sich sah, hielt er unschlüssig an und schaute zurück. Aber auch hinter ihm war Niemand mehr zu sehen, und nur die dunklen Gestalten von zwei Männern kamen jetzt mit raschen Schritten näher. „~Caracho~,“ -- murmelte der Mann, zum ersten Mal vielleicht die Gefahr, in der er sich wirklich befand, erkennend. Raubanfälle waren, vor der Entstehung der dadurch grade in’s Leben gerufenen ~vigilance comittee~, gar nichts Seltenes etwa, in diesen Stadttheilen von San Francisco. Vorsichtig hatte seine rechte Hand auch schon nach dem langen Messer gefühlt, das ihm im Gürtel steckte. Aber er wußte auch daß die beiden Burschen, wenn sie wirklich Böses gegen ihn im Schilde führten, jedenfalls mit Todtschlägern und Pistolen bewaffnet waren, von denen sie im Nothfall Gebrauch gemacht, und daß sie sich dabei auch auf die Scheu der Nachbarn verlassen hätten, an Händeln Theil zu nehmen bei denen sie nichts gewinnen konnten. So, ruhig und in seinem alten Schritt um die Ecke in California-Street einbiegend, floh er dort jetzt, den Verfolgern aus Sicht, mit raschen Sätzen die Straße hinauf, einer Stelle zu, wo, etwa fünfzig Schritt weiter oben, aufgeschichtete Breter für einen Bau, vielleicht für die Dielung der Straße selber bestimmt, standen, und erreichte diese gerade, als die beiden Verfolger, denn als solche erwiesen sie sich jetzt wirklich, ebenfalls flüchtigen Laufs um die Ecke bogen. „Teufel, wo ist er hin?“ -- flüsterte der Eine von ihnen, als er an der Ecke stehen blieb und die Straße hinauf sah -- „er muß gelaufen sein, denn wir waren ja dicht hinter ihm.“ „Er wird dort hinter den Bretern stecken,“ sagte der Zweite, „und wird glauben wir geben ruhig vorüber und lassen ihm freien Lauf. -- Hahaha, vorbeigeschossen mein schlauer Señor; wir haben den Goldfuchs jetzt in der Falle.“ „Geh Du rechts davon, ich will links gehen,“ -- flüsterte der Erste rasch und heimlich -- „aber nicht schießen, nur in Selbstvertheidigung, wir sind noch zu weit in der Stadt hier, und der Teufel könnte doch sein Spiel haben.“ Ohne weiter ein Wort zu wechseln, und um keine Zeit zu verlieren, wenn der Flüchtige etwa hinter dem Holze fortgeflohen sein sollte, sprangen sie, Jeder die furchtbare Waffe dieser Art Gauner, eine Kartätschenkugel an etwa fußlanger Schlinge in der Hand, ihrem Posten zu, denn nirgends ließ sich auf dem helleren Sand der Straße eine Gestalt erkennen, und der Spanier +mußte+ noch zwischen dem Holze stecken. Noch ehe sie aber den oberen Rand desselben, der hier nach beiden Seiten etwas auslief, erreichten, schraken sie auch vor einer allerdings unerwarteten Begegnung zurück, denn aus den hier offenen Breter-Stößen heraus flog in raschem Ansprung ein +Reiter+, -- und eine lachende Stimme rief ihnen höhnisch zu: „~Buenas noches, señores!~[37]“ „~Damn you!~“ zischte der Erste zwischen den Zähnen durch und riß fast unwillkürlich seinen Revolver aus der Tasche, aber das Pferd sprengte in vollem Carriere die Straße hinauf, und die schon so sicher geglaubte Beute war ihnen entgangen. Es war jetzt etwa zehn Uhr; aber je später es ward und je mehr Läden draußen in der Stadt geschlossen wurden, desto mehr füllten sich die Säle der verschiedenen Spielhäuser -- die hier schon die ganze eine Front der Plaza einnahmen und noch rechts und links hinaufreichten -- mit Müßigen, die mit ihrem Abend nichts weiter anzufangen wußten als ihn hier zu verbringen. Stunde nach Stunde verging dort in dem wilden, gierigen Ringen nach Gewinn -- nach Gold. Was für eine Welt von Leidenschaften deckte an einem solchen Abend das einzelne Dach; Triumph und Verzweiflung, Haß und Neid und Gier und Habsucht -- jede Brust ein sturmbewegtes Meer, mit Hoffnungen genährt und zertrümmert, und lauernder Betrug unter dem Schutze der Gesetze, falsches Spiel und offener Raub, des Unerfahrenen harrend, der die Höhle des Unthiers betrat. So unnatürlich wie die ganzen Verhältnisse des Landes -- so unnatürlich dies Verhältniß im Staat, das mitten im Frieden dem Räuber einen Kaperbrief giebt, auf ruhige Bürger zu fahnden und den Arglosen zu plündern. Und die Nacht durch dauert das Drängen und Treiben, bis zwei, drei Uhr, ja oft bis der frostige Morgenwind in dem durchkälteten Saal die von Aufregung und Spirituosen Ermatteten heimtreibt auf ihr Lager -- im Traum noch die Karten fallen zu sehen, und in fieberhafter Angst dem Lauf des Spieles zu folgen. Es war drei Uhr -- fast alle Spieler hatten ihr Gold in Säcke gepackt und mit sich fortgetragen, um die Nacht mit geladener Waffe dabei zu liegen und den Schatz zu wahren. Die Lichter waren meist schon verlöscht -- das Orchester hatte schon lange aufgehört zu spielen, und nur noch an einem der Tische schienen die Spieler gezögert zu haben, noch hier und da einen der aus anderen Häusern Zurückkehrenden heranzulocken und ihm die, vielleicht anderswo gemachte Beute -- ein keineswegs seltener Fall -- wieder abzujagen. Hinter dem Tisch stand der Eine von ihnen, vor dem in einem starken Lederbeutel verwahrten Geld; der Andere war seitwärts im Saal ein Stück vom Tisch entfernt, um etwas fortzutragen oder zu holen, als ein Mexikaner, ein kleiner brauner Bursche, der schon eine Weile in der Thür gestanden und hereingeschaut hatte, den Saal betrat, seine alte zerrissene Serape von den Schultern zog und neben die Thür legte, und dann langsam durch den Saal ging. Der Spieler betrachtete ihn im Anfang aufmerksam, aber der Mann sah nicht aus als ob er irgend Gold zu vergeben hätte; was er sonst wollte, kümmerte ihn nicht. Der Mexikaner kam den schmalen Gang herauf, der zum Tische führte, und bog etwas seitwärts ab, als ob er daran vorübergehen wollte. Der Spieler drehte ihm in diesem Augenblicke den Rücken zu, seinen eigenen Mantel umzunehmen, als der Mexikaner, den Moment benutzend, mit einem Satz am Tisch war, den Goldsack aufgriff und damit der Thüre zusprang. „Diebe -- Diebe!“ schrie der andere Spieler, der es von weiten zu seinem Entsetzen sah, ohne, der vielen Tische und Stühle wegen, zuspringen zu können. -- „Diebe!“ -- aber der Mexikaner war schon fast an der Thür, und einmal draußen in der dunklen, vollkommen menschenleeren Straße, wäre eine Verfolgung unendlich schwer, wenn nicht ganz unmöglich gewesen. Auf den Ruf fuhr der Mann hinter dem Tisch rasch herum, und sein erster Blick suchte das Gold -- es war fort. Aber auch ihn hemmten die Stühle und Stände, und ohne weiter viel Zeit mit Rufen oder Nachsetzen zu verlieren, riß er den immer bereiten Revolver aus der Brusttasche, zielte einen Moment vollkommen ruhig auf den flüchtigen Mexikaner und drückte ab. Es bedurfte keines zweiten Schusses; mit dem Knall fast klirrte der schwere Sack auf den Boden nieder und mit einem Satz und Schrei war der Dieb zum Haus hinaus und auf der Straße. Deutlich konnten sie noch die hohlklingenden, flüchtigen Schritte in der anderen Straße hören. „Hahahaha!“ lachte der Spieler, der indessen über den Tisch gesprungen war und zu seinem Beutel trat, ihn vom Boden aufzuheben, „der Schuß kam zur rechten Zeit.“ „Hast Du ihn getroffen, Bill?“ rief der Andere. „Weiß nicht; ich hoffe aber doch; ich kam gut ab.“ „Wollen einmal nachsehen, ob er geblutet hat.“ „Bah, was liegt dran?“ -- sagte der Erste gleichgültig. -- „Hat er was gekriegt, werden sie ihn schon, wenn’s hell wird, in der Straße finden -- hast Du die Schlüssel, Jim?“ „Ja, hier -- war doch eine grenzenlose Frechheit von dem Kerl; da liegt auch noch seine alte Serape.“ „Wirf sie hinaus -- so, und nun komm. -- Jeder versucht’s auf seine Art, und wär’ er gut weggekommen hätt’ er Recht gehabt. -- So war’s eine Dummheit.“ Und die Spieler, die letzten im Saal, schlossen die Thür ab und stiegen langsam hinauf in ihr Schlafzimmer, dem uneinträglichen Morgen ein Paar Stunden Schlaf abzugewinnen und dann zu neuer Thätigkeit bereit zu sein. Vier Tage auf der Bai von San Francisco. Die Regenzeit war jedenfalls vorüber, der Himmel lachte wieder so klar und blau, die Sonne schien so warm, die Luft wehte so lind und labend wie je. Einen schöneren Tag konnte man sich zu einer Wasserfahrt kaum denken, und da zugleich ein Geschäft damit verbunden werden sollte, säumten wir nicht die günstige Zeit zu benutzen. Die deutsche Brauerei auf der Mission Dolores, unter der Firma „Witzleben, Brothers und Walter,“ wollte nämlich eine Quantität Fässer aufkaufen, die in einer Bucht, Namens Corte Madeira, in der Bai von San Francisco lagern sollten, und um diese vorher in Augenschein zu nehmen, schifften wir, Herr A. von Witzleben und ich, am Sonnabend Morgens den neunten März, uns ein. Der Wind wehte zu schwach um ein Segel mit Vortheil führen zu können, wir griffen deßhalb zu den Rudern, und da wir die Strömung der Ebbe für uns hatten, schossen wir rasch vorwärts, durchschnitten den äußeren Theil des Hafens von San Francisco, zwischen den letzten dort vor Anker liegenden Schiffen und der Insel Yerba Buena hindurch, und hielten auf die Insel Los Angelos zu, noch unschlüssig, ob wir sie zur Linken oder zur Rechten lassen sollten, da wir wohl ungefähr wußten nach welcher Richtung hin Corte Madeira lag, den Platz selber aber weiter auch nicht im entferntesten kannten. Wir hatten ein nicht eben großes Ruderboot, eine sogenannte Captains Yawl, und machten ziemlich guten Fortgang, riefen dicht vor Los Angelos ein anderes Boot, des gesuchten Ortes wegen, an und hielten nun, den Eingang der San Francisco Bai, das sogenannte „goldene Thor“ zu Backbord lassend, auf die erste Spitze von Los Angelos zu. Die Ebbe, die uns bis jetzt günstig gewesen, kam uns von hier aus nämlich gerade entgegen, indem wir nun in den nördlichen, nach dem Sacramento und Joaquin hinaufführenden Theil der Bai einliefen. An Los Angelos beschlossen wir zu landen und zu frühstücken; am sandigen Strome schlug jedoch die Dünung zu schwer gegen unser Boot an, und wir liefen deßhalb in eine kleine mehr geschützte Felsenbucht ein. Eigenthümlich war hier eine Höhle, die sich das Widerschlagen der Wellen bei steigender Fluth ausgehauen hatte. Sie bildete gerade mit dem über sie herabhängenden Felsen die eine Spitze der Insel, und lag nur jetzt, bei fallender Ebbe, trocken. Mit einiger Schwierigkeit kletterten wir über die bröcklichen schlüpfrigen Steine hindurch und fingen dort eine Partie Seekrabben oder Seespinnen, die sich hier auf den warmen Steinen sonnten und bei dem Geräusch von Fußtritten immer rasch und seitwärts in ihre Felsspalten zurückglitten. Auf der Insel wuchs üppiges Gras, und eine frische Quelle sprudelte den Rasen hinunter und rieselte über den Sand des Ufers hin in die Bai. Die Insel Los Angelos ist die größte der Bai von San Francisco, mit etwa fünf Meilen im Umfang, und war in letzter Zeit an einen gewissen Tomson für eine verhältnißmäßig sehr geringe Summe verkauft, sonst aber fast noch gar nicht weiter benutzt, als daß an den entgegengesetzten Enden zwei Hütten darauf standen. Vieh habe ich nicht auf der Insel gesehen, ebenso wenig Fenzen oder andere Zeichen der Cultur, sie wird aber in späterer Zeit schon ihrer vortrefflichen Lage wegen gewiß ein nicht unbedeutender Platz in der schönen Bai werden. Nach einigen Stunden, die wir zwischen den Felsen und auf den blumigen Wiesen zugebracht, ruderten wir in der jetzt stiller gehenden Ebbe am Ufer hinauf bis zu dem nächsten Vorsprung, und hielten von dort aus quer durch die Strömung und Nord zu West nach dem gegenüberliegenden Festland hin. Wir wollten im Anfang nicht dort landen, ein halb Dutzend Seehunde aber, die am Ufer spielten, und deren glänzende Felle in der Sonne hell herüberblitzten, änderten unsern Entschluß. Wir liefen in eine kleine weiter oben liegende Bucht ein, und ich schlich mich von da zurück einen der faulen Bursche zum Schuß zu bekommen. Die Thiere waren aber entweder schlauer als ich gedacht, oder ihre Spielzeit mußte gerade vorüber sein; denn wie ich den Felsen erreicht hatte, den ich mir gemerkt, und der sich in ungefähr hundert Schritt von ihrem früheren Spielplatz befand, war dieser leer und ich sah die glattköpfigen Amphibien eine kurze Strecke vom Ufer herumschwimmen, manchmal mit den schwarzen erstaunten Gesichtern urplötzlich auftauchen und dann blitzesschnell wieder in der Tiefe verschwinden. Allerdings schoß ich von hier aus einen von ihnen, in der Hoffnung daß er vielleicht, wenn schwer verwundet, zum nahen Ufer kommen sollte, er sank aber unter und die übrigen entfernten sich rasch aus dem Bereich der Kugel. Am Strand fanden wir ein zerschelltes Canoe, aus Cederholz leicht und scharf geschnitzt, das jedenfalls aus einer der Südseeinseln hierhergeschafft sein mußte; auch mehrere Stücke Planken, von welchen letzteren wir einige in unser Boot nahmen. Mein Gefährte fing ein Paar ganz eigenthümliche Seespinnen, die in den, die Felsen überwuchernden Seegewächsen saßen. Der Abend rückte indeß allmählich heran, und es war Zeit daß wir aufbrachen, wenn wir heute noch einen ordentlichen Schlafplatz erreichen wollten. Eine lange Strecke ruderten wir jetzt, immer noch gegen die Strömung, aber dicht am Lande hin, aufwärts, und hielten nur manchmal, um theils eigenthümliche Pflanzen näher zu betrachten und Blumen zu pflücken, oder an den niederrieselnden Quellen zu trinken, da wir in der That ganz vergessen hatten einen Wasservorrath für unsere Seefahrt mitzunehmen. Gerade mit einbrechender Nacht erreichten wir die Mündung einer Bai, und beschlossen in diese einzulaufen. In weiter Entfernung erkannten wir auch ein Licht und hielten darauf zu, es war aber schon zu dunkel, weiter etwas zu erkennen, und da das Licht ebenfalls bald darauf wieder verschwand, beobachteten wir nur die ungefähre Richtung nach dem Umriß der Berge und glitten, von keiner Gegenströmung mehr zurückgehalten, ziemlich rasch vorwärts. Manchmal kam es uns wohl noch so vor, als ob wir das Licht wieder blitzen sähen, es verschwand aber eben so rasch wieder, und unsere einzige Hoffnung blieb jetzt nur noch auf zwei dunkle Punkte geheftet, die wir deutlich auf dem hellern Wasserspiegel erkennen konnten und für dort angehangene oder vor Anker liegende Boote hielten. Jedenfalls mußten diese die Nähe menschlicher Wohnungen bekunden. Das einzige was uns etwas beunruhigte, war das immer seichter werdende Wasser; schon fühlten wir, daß unser Kiel auf dem weichen dünnen Schlamm hinglitt, und die Boote waren noch eine ziemliche Strecke entfernt. Das Rudern schien uns zuletzt gar nicht mehr von der Stelle zu bringen, wir nahmen deßhalb die Ruder aus den Dollen, und stießen das Boot langsam dem Orte zu, wo wir die Fahrzeuge vermutheten und wo dann auch wahrscheinlich tieferes Wasser war. Nach wohl halbstündiger Anstrengung in der wirklich stockfinstern Nacht erreichten wir endlich, das eigene Boot aber dabei fortwährend in dem jetzt immer zäher werdenden Schlamm weiter stoßend, die vermeintlichen Kähne und fanden -- zwei Muschelbänke, die aus dem hier kaum acht Zoll tiefen Wasser vorragten. Mit einem Landungsplatz war es nichts, so viel sahen wir bald, und wollten wir nicht hier in dem Schlamm übernachten, so mußten wir machen daß wir wieder zurückkamen. Nach ziemlicher Anstrengung gelang uns das auch endlich, und wir erreichten, jeden Gedanken an ein Nachtlager unter Dach und Fach aufgebend, das rechte Ufer der Bai, wo wir unser Boot so weit wir konnten auf den Sand zogen, nach frischem Wasser umschauten, aber leider keines in der Nähe fanden, und uns dann, müde und durstig im Boote selbst in unsere Decken wickelten. Die Nacht war schön und wir schliefen vortrefflich, nur peinigte uns, wenn wir aufwachten, der Durst. Den konnten wir aber gleich mit anbrechendem Tage löschen, denn wie es heller wurde fanden wir nicht weit davon eine kleine Quelle, nahmen ein sehr frugales Frühstück, aus etwas Brod und Schinken und einem Cognac bestehend, ein, und machten uns jetzt fertig die Gegend, in der wir uns eigentlich befanden, zu recognosciren. Wilde Enten kamen indessen so nahe an unser Boot heran, daß wir zwei davon schießen konnten, wir holten sie aus dem Wasser, befestigten dann das Tau gut am Ufer, und stiegen nun die ziemlich steile Landspitze hinan, die hier, den oberen Theil der kleineren Bai bildend, in die größere -- oder wie man recht gut sagen könnte -- in +See+ hinauslief. Die Aussicht von hieraus war reizend; über dem Hügel hinüber fanden wir wieder eine andere Bai, die noch tiefer in das Land einschnitt als die, in welcher wir die Nacht campirt, und ziemlich weit oben, am Fuß der Hügel, die noch von der See durch eine breite Strecke morastigen Landes getrennt wurden, lag eine dicht gedrängte Häusergruppe mit rothen Dächern, neben der, in geringer Entfernung, ein einzelnes, ziemlich stattlich aussehendes Gebäude stand, das jedoch ganz in der Art der spanischen Ranchos errichtet war. Einzelne der den Hintergrund bildenden Hügel waren mit Bäumen bewachsen. Viel pittoresker lag dagegen die andere, eben verlassene Bai da. Ein hoher spitzer Berg bildete den Hauptpunkt des Hintergrundes, düstere Rothholz- und Kieferwaldungen zogen sich an ihm hinauf, und bedeckten mit ihren spitzen, schlanken Wipfeln die benachbarten niedrigen Hügel. Wie ein Spiegel lag davor die ruhige Bai, auf der Hunderte von Wildenten hin und wieder strichen, und wellenförmiges Hügelland umschmückte, mit lebendigem Grün bekleidet, die stille Bai. Ein kurzer Kriegsrath ward jetzt auf dem Gipfel des Berges gehalten. -- Die vor uns liegende Häusergruppe wurde einstimmig für die, von der Mission Dolores etwa 20 Meilen entfernte Mission San Raphael erklärt, und die Frage blieb nur noch: ob Corte Madeira wirklich in der eben verlassenen oder der noch über San Raphael hinaus befindlichen Bucht liege. Am wahrscheinlichsten schien uns das erste, doch konnten wir auf dieser Seite nicht ein einziges Haus erkennen, und da wir die Mission San Raphael doch zu besuchen wünschten, beschlossen wir zu unserem Kahn zurückzukehren und zuerst nach der Mission hinüber zu rudern. Schon seit einiger Zeit hatten wir indessen einen der kleinen Prairiewölfe, die es hier überall in bedeutender Menge gibt, bellen und heulen hören, ihn jedoch weiter entfernt geglaubt; als ich aber jetzt den Hügel wieder herunterkam, nach unserem Boot zu gehen, sah ich einen der kleinen Burschen, wie er in etwa 150 Schritt von dem angebundenen Boote, diesem zugewendet stand, und aus Leibeskräften über den für ihn jedenfalls fremdartigen Gegenstand zu räsonniren schien. Er lief dabei, sich aber stets in gleicher Entfernung vom Ufer haltend, bald auf den nächsten kleinen Hügel hinauf, bald wieder hinunter und bezeugte jedenfalls eine ungewöhnliche Neugierde. Von Witzleben war indeß an der andern Seite des Hügels herumgekommen, und wir hatten ihn so gewissermaßen eingeklemmt auf der engen Landzunge. Wenn er nicht das Wasser annahm, mußte er einen von uns zum Schuß kommen; ich schnitt ihm, rasch nach Rechts hinunter, den Weg ab, und hierher wandte er sich auch, um zunächst wieder in die Büsche zu kommen. Das Terrain war ihm jedoch zu ungünstig, die Bai schnitt hier gerade nach mir zu ein, und als er, das Sumpfland zu umgehen, den Hügel schräg hinaufsprang, kam er mir auf etwa siebenzig Schritt zum Schuß. Beim Knall schon brach er zusammen, raffte sich dann rasch wieder auf und rannte, den rechten Vorderlauf schleifend, davon, stürzte auch noch mehreremale, und war augenscheinlich schwer getroffen, kleine Dickichte standen aber nicht weit davon entfernt, eines von diesen erreichte er und blieb dort, da wir uns nicht die Mühe nahmen, weiter nachzusehen, liegen. Wir schifften uns jetzt wieder ein, umgingen das kleine Vorgebirge und ruderten nun die ziemlich lange Strecke bis zur Mündung des San Raphael Rivers (unter +River+ ist hier nämlich nur der von Ebbe und Fluth abhängige, sonst aber allerdings flußartige Einlauf des Sumpflandes verstanden). Es war Sonntag, und von fern schon tönten uns die Glocken der Mission entgegen, die wir aber erst gegen ungefähr 12 Uhr erreichten. Eine Masse von großen Schnepfen und Enten waren im und am Fluß, wir konnten aber keine bekommen. Die Mission San Raphael ist noch kleiner und unbedeutender als die von Dolores, wenigstens sind da lange nicht so viel Gebäude, und Kirche und Missionshaus sahen wo möglich noch elender und verfallener aus als die Doloreskirche. Das einzeln stehende Gebäude, das wir schon vom Berge aus bemerkt, stach desto mehr dagegen ab, denn es war jedenfalls das beste, wohnlichste und solideste Haus, was ich bis dahin noch in ganz Californien gesehen hatte. Es wird von einem Mr. Murphy, einem alten Ansiedler an der Bai, bewohnt, der hier ebenfalls eine Farm und bedeutende Strecken Landes besitzt; er hält auch, durch einen californischen Steward, eine Art Gasthaus, in dem Fremde wenigstens Nahrungsmittel und Obdach bekommen können, und wir benutzten dies, unsere etwas ausgehungerten Mägen wieder zu restauriren. Der alte Murphy ist ein geborner Irländer, zwanzig Jahr schon in Californien und eine wahre Riesengestalt, so hoch und derb und kräftig gebaut. Er wollte eben sein Land ausverkaufen und sich nach der weiter obenliegenden San Pedro Spitze, wo er eine Stadt anzulegen gedenkt, zurückziehen. Wir hörten hier daß die Bai, in der wir die Nacht campirt, allerdings die von Corte Madeira und bei Land nur etwa drei Meilen von da entfernt sei, verzehrten also zuerst unser Mittagessen, hingen dann die Büchsen über die Schulter, und stiegen langsam den Bergrücken hinauf, der die Thäler Corte Madeira und San Raphael von einander trennt. Der Hügel war ziemlich steil, doch entschädigte uns dafür die Aussicht vom Gipfel desselben, und wir konnten von hier aus deutlich die kleine Häusergruppe Corte Madeira’s sehen, die uns am vorigen Abend durch Hügel und Büsche verdeckt gewesen. Allerdings hatten wir die Büchsen mit, ich erwartete aber hier kaum Wild zu finden, und war nicht wenig erstaunt, als v. Witzleben plötzlich den Hügel hinabzeigte und „ein Hirsch“ rief. Und in der That war es ein junger „Bock,“ der hier mit der Rikke gestanden und jetzt, bei unserem Näherkommen in langen Sätzen den Hügel hinunter floh. Ich suchte ihm zuvor zu kommen, doch umsonst. Das Wild ist hier durch das viele Jagen der neu eingetroffenen Amerikaner zu scheu gemacht, und aus den besiedelten Stellen in die stilleren Thäler zurückgescheucht; die wenigen aber, die noch ihren alten Weidegründen treu geblieben, sind sich der Gefahr, in der sie fortwährend schweben, nur zu gut bewußt, und fortwährend bei dem geringsten Geräusch, bei der geringsten fremden Witterung, auf der Flucht. Ohne weiter etwas Merkwürdigem zu begegnen, stiegen wir in das Thal hinunter, einen andern kleineren Bergrücken wieder hinauf und hatten nun auf der andern Seite des Thales „Corte Madeira“ (Holzschneide oder Sägemühle) dicht vor uns. Der Ort lag in seiner bescheidenen Zurückgezogenheit, von den dunklen Bäumen hoch überragt, und aus dem Grün der Gebüsche gar traulich vorschauend, freundlich genug da; eine ziemlich bedeutende Fläche cultivirten Landes (die sogenannte „Farm des Capitän Coover,“) gab dem Ort zu gleicher Zeit einen Anstrich von Civilisation und die Aussicht auf die grünen Flächen und Hügelhänge, auf denen zahlreiche Heerden weideten, und zwischen dem Laub der Büsche hindurch nach der Bai hinüber, über die von der andern Seite her ein einzelnes Segel glitt, schmückte ihn dabei mit einem ganz eigenen freundlichen Zauber. Vor allen Dingen galt es jedoch jetzt dem nachzukommen, wegen dem wir hierher gefahren, und zwar nach hundert achtzehngallönigen Fässern zu fragen, die hier in dem Hause eines gewissen Mr. Cordua lagern und von uns besichtigt werden sollten. Das Resultat was wir hier erhielten, war ein sehr mittelmäßiges -- die Ersten, die wir deshalb befrugen, schienen uns nicht recht Rede stehen zu wollen. Ein Mr. Cordua hatte allerdings dort gewohnt, und zwar in einem Häuschen, etwas weiter nach der Bai zu, seit zwei Jahren aber schon Corte Madeira verlassen, und Fässer -- lägen auch nicht mehr in dem alten Haus -- ein halbes Dutzend vielleicht ausgenommen. Mr. Rendall oder Randell, der jetzige Pächter von Capitain Coopers Farm, sollte uns die nächste Auskunft geben. Zu diesem gingen wir also -- er wohnte in demselben Hause, bestätigte uns aber nur als Thatsache, was wir bis dahin blos oberflächlich gehört. Mr. Cordua sollte Corte Madeira seit zwei Jahren verlassen und sich um seine zurückgebliebenen Fässer gar nicht weiter bekümmert haben. Seit der Zeit waren aber große Veränderungen in ganz Californien, und auch in diesem etwas abgelegenen Theile desselben vorgefallen, unter anderem besonders aber eine Masse fremder Einwanderer gelandet. Von diesen besuchten manche auch die Bai von Corte Madeira, und Einzelne hielten sich des Jagens wegen länger dort auf. Was konnte ihnen da bequemer kommen als das dicht an der Bai befindliche alte unbewohnte Gebäude des Mr. Cordua. Die darin lagernden Fässer kamen ihnen ebenso erwünscht; ein Theil davon wurde zu Stühlen, ein anderer zu nach und nach absterbenden Tischbeinen verwandt, und der übrige Rest als trockenes Holz zu Brennmaterial. So ein Faß war bald zusammengeschlagen, und die um das Haus herumliegenden eisernen Reife sollten die Wahrheit des Gesagten bestätigen. Zu zweifeln brauchten wir an dem uns eben Mitgetheilten nicht -- darin, daß keine Fässer mehr da sein sollten, stimmten alle überein; die Verwendung derselben mochten wir aber nicht allein den „fremden Jägern“ zuschreiben, denn gerade in des guten Mannes Hause, der uns all diesen Aufschluß gab, sahen wir nahe an ein Dutzend der nämlichen Fässer, zu sehr verschiedenen Zwecken verwendet, stehen, und konnten jetzt wohl denken, daß die ganze Nachbarschaft aus einem solchen, für jeden Hausstand bequemen Waarenvorrath den größtmöglichsten Nutzen gezogen hatte. Mr. Rendall meinte dabei die Fässer seien ihm übrigens gar nicht übergeben gewesen, und er habe also auch nicht für fremdes Gut stehen können: übrigens brauchten wir gar nicht nach dem Hause hinunterzugehen, denn es sei alles so wie er uns gesagt habe. Herr Rendall war Alcalde von Corte Madeira und San Raphael; wir wollten uns aber doch lieber selber überzeugen, und wanderten deshalb, da die Sonne noch hoch genug stand, an dem kleinen Fluß, der sich in die Bai ergießt, hinunter, kamen an der neu eingerichteten Dampfsägemühle vorbei, die dem ganzen schönen Thal seinen sicherlich unpoetischen Namen gegeben, und erreichten bald darauf das bezeichnete Haus, wo wir die Aussagen des Alcalden allerdings bestätigt fanden. Der Ort sah wild genug aus: eiserne Faßreifen lagen in ziemlichen Quantitäten auf den Dächern und dem Boden herum, und im Inneren des Hauses war alles oberst zu unterst gekehrt. Zwei lebensmüde Tische, die noch unschlüssig schienen nach welcher Seite hin sie zuerst umbrechen wollten, die Ueberreste eines wirklichen Stuhles, einzelne Fässer, die theils zum Sitzen, theils zu Speiseschränken benutzt worden, die Hälfte eines alten blauen Rocks mit einem einzigen messingenen Knopf, eine total durchgesessene Hose, einige paar Sockenschäfte, und ein isolirter Stiefel, der auf einem Bein in der Ecke stand, füllten den inneren Raum des einen Gemachs, während ein frischgemaltes tüchtiges Seeboot, mit den Rudern darüber auf den Querbalken gestützt und wohlverwahrt, den anderen einnahm. Bewohnt war das Haus auf keinen Fall, die Asche im Kamin bewies aber, daß dann und wann dort gerade von der Nacht überraschte Jäger oder Bootsleute, welche die Bai hereingekommen waren, übernachtet hatten. Gute oder wenigstens noch brauchbare Fässer -- denn von Wind und Wetter mitgenommen sahen sie alle aus -- standen in und vor dem Gebäude, nur noch 19 Stück statt der versprochenen hundert, und derenthalben war es allerdings nicht der Mühe werth, den weiten Weg mit dem Boote von Mission Dolores herzukommen, unser Weg war also umsonst gewesen, und wir konnten uns, so schnell es uns gefiel, wieder auf den Rückweg machen. Für diesen Abend war das freilich etwas zu spät, langsam schlenderten wir deßhalb wieder über die Berge nach San Raphael, sahen noch unterwegs einen Hirsch und mehrere Hasen -- ohne jedoch im Stande zu sein in dem dichten Gebüsch etwas zu erlegen, und legten uns, nach bei Murphy eingenommenem Abendessen ruhig in unser Boot, um schon in der Nacht mit steigender Fluth von dem Schlamm, auf dem uns die Ebbe zurückgelassen, loszukommen. Um 10 Uhr Abends bekamen wir aber nur halbe Fluth, kamen nicht los, und mußten nun die nächste, gegen 11 Uhr am anderen Morgen abwarten. Der Morgen und die Fluth kamen, mit ihm aber auch ein ungewöhnlich starker Südwester, der mit der steigenden Sonne ebenfalls zu wachsen schien. Zwischen den Hügeln spürten wir ihn aber nicht so stark, brieten vor allen Dingen zum Frühstück unsere Enten und ruderten dann langsam den ziemlich breiten Einfluß hinunter. Enten und Schnepfen gab es in Masse, sie waren aber entsetzlich scheu und nur im über uns Wegfliegen waren wir im Stande zwei der großen Sumpfschnepfen (wie ein junges Huhn groß) zu schießen. Die See brauste indessen; über das flache Land hin konnten wir schon von weitem den weißen Schaum der aufthürmenden Wogen erkennen, und gegen das Ufer spritzte die Brandung in jähen Schlagwellen empor. Die Ebbe hatten wir dabei allerdings zu unserem Gunsten, der stürmische Südwest war uns aber total entgegen und hob den Vortheil also mehr als auf. +Gegen+ Wind und Wellen mußten wir an, und gegen Wind und Wellen legten wir uns aus Leibeskräften in die Ruder, so daß sich das elastische Holz bei jedem Schlage bog und den widerspenstigen Kahn immer gegen neu heranstürzende Wassermassen antrieb. Nicht möglich war es dabei dicht unter Land zu halten, da der weite flache Sumpf, der sich nach dem Lande hin wohl über zwei Meilen ausbreitete, das Boot zwang gerade in See zu halten, den zähen Schlamm seiner Ufer zu vermeiden. Nur langsamen Fortgang machten wir auf diese Art; dabei wurde, je weiter wir hinauskamen, das Wasser desto stürmischer, das Wogenheer drohender und gefährlicher, und der ein paarmal über Bord schlagende Kamm einzelner Wellen machte uns auch darauf aufmerksam daß wir füllen und dann, nur zu zweien, keine Hand würden entbehren können das eingenommene Wasser wieder auszuschöpfen. So langsam rückten wir zu gleicher Zeit vor, daß noch Stunden vergehen mußten, ehe wir im Stande gewesen wären das andere Ufer zu erreichen. Füllten wir, so war in dem weichen Schlamm nicht einmal Rettung möglich -- und hätten unsere ununterbrochen in Anspruch genommenen Kräfte auch so lang ausgehalten? Ein paar rasch gewechselte Worte, denn zu langen Berathschlagungen blieb keine Zeit, waren genügend unser weiteres Verhalten zu bestimmen -- der Bug des Fahrzeugs flog, von einer Woge gerade gehoben, rasch herum, und +vor+ Wind und Wellen suchten wir jetzt, mit wirklich äußerster Anstrengung, den vor kaum einer halben Stunde verlassenen und gegen die Wogen wenigstens geschützten Hafen zu erreichen. Aber selbst zurück zeigte sich die Fahrt schwieriger als wir gedacht; ohne Steuerruder lag das Gewicht der Wellen zu sehr auf der Außenseite, als daß wir ihm immer hätten so schnell als nothwendig begegnen können, und während wir zwar rasch vorwärts glitten, trieb das Boot auch zu gleicher Zeit dem schlammigen Ufer näher. Berührte nur der Kiel den Grund, daß die Wogen beim Anprallen den geringsten Widerstand fanden, so schlugen sie über uns hin, und unsere Lage wäre dann allerdings eine fatale gewesen; der zähe Schlamm hätte uns selbst am Schwimmen verhindert. So weit sollte es aber nicht kommen, dicht am Schlammufer hin glitt unser wackeres Fahrzeug, die äußerste Spitze des gefährlichen Ufers war erreicht, und im nächsten Augenblick befanden wir uns in ruhigem sicherem Wasser. Rechts einbiegend, wo der kleine Fluß eine Biegung gegen die Hügel macht, glitten wir in eine kleine geschützte Bucht, befestigten dort unseren Kahn und erreichten dann, da von hier aus eine schmale Kiesbank bis fast zum Fluß führte, auf dieser die nächsten Hügel, an denen hin wir zur, am letzten Abend erst verlassenen Mission wieder zurückgelangen konnten. An diesem Tag war an einen zweiten Aufbruch nicht zu denken, denn jedenfalls mußten wir, da der Sturm auch nicht eine Viertelstunde nachließ, die Fluth des nächsten Morgens abwarten. Um unsere Zeit deshalb nur in etwas zu benutzen, besuchten wir das Missionsgebäude. Lieber Gott, ich hatte geglaubt die Mission Dolores stehe schon, was Kirche und Privatwohnungen anbetraf, unter den niedrigsten Erwartungen, fand aber jetzt daß sie im Vergleich mit der von San Raphael, ein wahres Prachtgebäude sei. In Art der Anlage haben beide Aehnlichkeit mit einander; die Jesuiten sind mit ihren californischen Missionen wohl ziemlich nach einem gemeinsamen Plane verfahren, Zeit und Wetter den aus ungebrannten Lehmsteinen errichteten Gebäuden aber keineswegs günstig gewesen. Es regnete gerade was vom Himmel herunter wollte, als wir in die zwar geräumige, aber öde Kirche traten. Kirche? -- und warum nicht? -- Die Leute, die diesen allerdings etwas wüst aussehenden Platz aus freiem Antrieb aufsuchten, hier ihre Andacht zu verrichten, konnten das gewiß dort ebenso gut als wenn das Haus von prächtigem Marmor ausgeführt und von Säulen getragen worden. Die so oft gepredigte und so selten befolgte ächt christliche Bescheidenheit und Anspruchslosigkeit wäre auch hier vollkommen gut repräsentirt gewesen, nur störte die Masse bunten Nürnberger Flitterwerks, das wahrscheinlich +gute+ Christen um den Altar herum aufgehäuft hatten, den wenigstens auf mich hervorgebrachten guten Eindruck, und contrastirte eigenthümlich genug mit den kahlen Lehmwänden und dem durch das zerrissene Dach in Traufen niederströmenden Regen. Die Priesterwohnung stand in vollkommenen Verhältniß mit der Kirche; der Geistliche, ein geborner Franzose, hatte einen kranken Fuß und saß, diesen pflegend, in der hohen kahlen, kalten und feuchten Stube. Ein allem Anschein nach sehr hartes Bett, noch dazu nur dürftig mit Decken versehen, ein paar Stühle, ein wackliger Tisch, ein kleiner Bücherschrank und mehrere augenscheinlich europäische Koffer bildeten sein ganzes Hausgeräth. Die Stube schmückten noch außerdem einige Heiligenbilder -- Gott verzeih es dem Maler der die Gesichter von sicherlich ganz braven Leuten auf so scheußliche Art entstellt hatte -- und ein Bündel Rosenkränze -- wahrscheinlich zu Geschenken bestimmt. Die Bibliothek, in der ich mich nach alten, auf die Mission bezüglichen Werken vergebens umsah, enthielt nur einige spanische Gebetbücher und mehrere Predigten in Manuscript -- keinesfalls etwas erhebliches. Indianer sahen wir nur wenige in der Mission; das Missionswerk scheint überhaupt für Californien vorbei zu sein. Man wird allerdings die wenigen armen eingebornen Teufel, die nach der gewaltsamen Entwicklung dieses wunderbaren Landes noch übrig bleiben, zu der äußeren Bekennung der christlichen Religion bringen, dabei wird es aber auch bleiben, und sich um ihr +wirkliches+ Christenthum Niemand besonders kümmern. In San Raphael beabsichtigte man ebenfalls eine Stadt anzulegen -- wie überhaupt an sämmtlichen nur halbweg günstig gelegenen Plätzen der Bai -- und Bauplätze wurden zu 30 Dollars ausgeboten. Die Nacht schliefen wir, um dem starken, von heftigem Wind begleiteten Regen zu entgehen, in Mr. Murphy’s Haus. Gegen Morgen legte sich der Sturm, und um 11 Uhr als sich das schlimmste Wetter gelegt und die See etwas beruhigt hatte, gingen wir aufs neue in See -- dießmal aber, mehr vom Wind begünstigt als gestern, unter Segel. Allerdings mußten wir so dicht wir konnten, bei dem Wind halten und machten deshalb keinen sehr bedeutenden Fortgang, die Ebbe war uns aber ebenfalls günstig, und nur etwas zu weit in die Mitte der Bai hinausgetrieben, hielten wir scharf auf die obere Spitze von Los Angelos zu. Nach Mittag drehte sich der Wind wieder etwas, wir mußten das Segel einziehen und zu den Rudern greifen und erreichten etwa zwei Stunden vor Sonnenuntergang nach schwerer Arbeit Los Angelos. Am westlichen Ufer der Insel hin hielten wir uns diesmal, noch immer von der abströmenden Fluth begünstigt, und lagen dort etwa eine halbe Stunde still, uns theils auszuruhen, theils die nächste Fluth abzuwarten, um mit dieser gegen San Francisco hinaufzuhalten. Der Abend rückte aber rasch heran, und der Himmel selber sah viel zu drohend aus, als daß wir viel Zeit hätten unnütz versäumen dürfen. Wir setzten deshalb das Segel wieder und hielten an der Insel Alcatraces vorüber, auf die Westspitze der Insel Yerba Buena zu, von wo aus wir hoffen durften, entweder die über der Stadt und nach Dolores zu liegende Baispitze oder doch wenigstens die Stadt selber zu gewinnen. Von da an konnten wir dann, von dem hoben Ufer geschützt und von der steigenden Fluth begünstigt, noch in derselben Nacht in den Baiausfluß der Mission Dolores einlaufen. Wind und Wetter machten uns jedoch einen bedeutenden Strich durch diese Rechnung. Noch vor Yerba Buena kam uns der Wind wieder entgegen und wir mußten rudern, und als wir kaum das erste und äußerste der vor San Francisco vor Anker liegenden Schiffe erreicht hatten, und gerade als sich die Fluth drehte, brauste er wieder über die See herüber, und der weiße Kamm der heranbrechenden Wogen kündete uns eine Fortsetzung des gestern Begonnenen. Dabei wurde es dunkel. Sollten wir nach dem über zwei Meilen entfernten Lande in solch stürmischer See hinüber halten? Jedenfalls wäre es sehr gewagt gewesen, und da die Noth es nicht dringend erforderte, beschlossen wir da, wo wir uns gerade befanden liegen zu bleiben. Hinten am Spiegel der Barke hing nämlich ein ziemlich großes Lichterboot, eine sogenannte Scow. In dieser lagen einige Bretter -- das Boot befestigten wir an die Scow, schoben uns die Bretter dachförmig zurecht, deckten unser Segel darüber -- was wenigstens vollkommenen Schutz gegen den Regen gab -- und machten uns dann bereit die Nacht hier zu verbringen. Immer lauter heulte aber der Sturm, immer höher hoben sich die Wogen, und unser Boot drohte an der schweren Scow zu zerschellen. Mit in dem Lichter gefundenen Stricken und einem sandgefüllten Sack, den wir neben den zusammengedrehten Seilen über Bord hingen, sicherten wir in etwas unser Boot. Wie sich das Wetter aber verschlimmerte, wurde auch dessen Zustand bedenklicher, und zuletzt erreichte es einen solchen Grad, daß wir die Erhaltung unseres Fahrzeugs fast aufgaben, und wenigstens alles, was herausgenommen werden konnte, wie Ruder, Dollen u. s. w. in die Scow retteten. Provisionen hatten wir, außer etwas trockenem Schiffszwieback und den beiden, aber doch nicht roh zu verwendenden Schnepfen, keine, auch keinen Appetit etwas zu verzehren, und müde und kalt drückten wir uns, nachdem das Boot so gut verwahrt war wie es die Umstände nur gestatteten, unter unser extemporirtes Schutzdach, unter dem wir wie in einem Sarge lagen. Ich habe schon manche schlechte Nacht in meinem Leben mit durchgemacht, so gefroren aber noch in keiner. An Schlafen war dabei gar nicht zu denken; die Wogen schlugen gegen die Scow an, hoben sie und schleuderten sie hin und wieder; der Regen klatschte auf das Segel nieder, der Sturm heulte und zum Ueberfluß hing noch ein anderer, aus Brettern roh gezimmerter Kahn an demselben Schiff mit uns, barst schon in der ersten Stunde durch die wiederholten Schläge, und donnerte nun seine Stücke die ganze Nacht hindurch gegen die Vorplanken der Scow an, auf denen wir gerade mit dem Kopfe lagen. Schlaflos warfen wir uns auf den feuchten Planken herum, und der kalte Wind pfiff unter dem Segel durch, daß uns das Mark in den Knochen erstarrte. Die Vergangenheit trug ebenfalls nicht dazu bei, mir wenigstens meine Lage zu erleichtern -- an demselben Abend hatte ich im vorigen Jahr die Meinen verlassen, und jetzt? -- Hol der Teufel das Nachdenken, wenn der Geist sich an solche Punkte klammert, und nicht los davon zu reißen ist. Die Nacht kam mir so lang wie ein Monat vor, und als der Morgen endlich trübe durch unser naßgraues Segel dämmerte, konnte ich die erstarrten Glieder kaum so viel bewegen, unter unserem Dachwerk vorzukriechen. Mein erster Blick war nach dem Boot, der zweite nach Himmel und Wellen -- das Boot lag wirklich noch unbeschädigt neben uns, die See hatte sich beruhigt, der Sturm etwas nachgelassen, und wenn uns auch der Wind entgegen war, konnten wir doch jetzt leicht mit Rudern das Ufer gewinnen. Unser Frühstück hielt uns nicht lange auf, ein Stück Schiffszwieback und ein Schluck Wasser. Rasch packten wir unsere Habseligkeiten wieder in das Boot und stießen, jetzt mit der besten Hoffnung, von unserem Nachtquartier ab. Das Schiff an dem wir gelegen, war eine große französische Barke, +L’Abeille+ und von den Leuten die wir an Bord sahen, wie sie uns von dort herunterriefen, vor einigen Tagen aufgefangen, ohne daß weder der Capitän noch sonst irgend jemand von der Mannschaft an Bord gewesen wäre. Nach zwei Stunden etwa erreichten wir San Francisco. Wir sahen übrigens aus wie die Räuber und Mörder, und wären in jeder Stadt Europas, augenblicklich beim Kragen genommen und durch irgend einen wohlwollenden Polizeidiener der Aufmerksamkeit der Straßenjungen entzogen worden. Hier aber fällt das nicht auf, die Leute sind an abenteuerliche Gestalten jeder Art gewöhnt. Unbelästigt konnten wir uns restauriren und liefen noch an demselben Morgen, allerdings etwas müde, sonst jedoch wohl und gesund in den kleinen Fluß der Missionsbucht ein. Der Mexikaner in den californischen Minen. Die Mexikaner bilden in Californien, fast wie die Chinesen, eine ganz besondere und streng in sich abgeschiedene Gesellschaft, die dem fremd Eingewanderten gleich von allem Anfang an, zuerst durch ihre dunkle Hautfarbe sowohl wie durch das Eigenthümliche ihres National-Kleidungsstückes, der bunten, oft in den lebendigsten Farben prangenden Serape ausfällt, während er, je mehr er mit ihnen zusammenkommt, desto mehr kleine Züge kennen lernt, die sie von allen anderen Stämmen deutlich abzeichnen und unterscheiden. Wohl zu trennen dabei sind die Mexikaner von den Californiern, den eigentlichen Herren des Landes, die früher allerdings unter mexikanischer Botmäßigkeit standen, doch aber eine gänzlich verschiedene Raçe scheinen, und sich mit den eigentlichen Mexikanern auch nicht viel abgeben, jedenfalls sich für mehr und besser halten, als diese. Der Californier (ich spreche hier nicht von dem eingebornen Indianer, der in Farbe, Haaren und Gesichtsbildung seinen östlichen Bruder nicht verleugnen kann, sondern von den Abkömmlingen der echt spanischen Raçe, die aber in Californien geboren wurde) ist schlanker und kräftiger gebaut, als der Mexikaner, auch wohl von etwas hellerer Gesichtsfarbe, aber in Tracht und Sitte ähnelt er seinem südlichen Milchbruder, wie in dem Haß gegen den Amerikaner, in dem er ihn vielleicht noch übertrifft. Doch mit diesem haben wir es hier nicht zu thun, eben so wenig mit den anderen spanischen und meist von Süd-Amerika heraufgekommenen Volksstämmen, den Chilenen wie den Argentinern, beides treffliche Lassowerfer, die selbst dem Californier nicht nachstehen darin oder den Peruanern und Bewohnern der centralamerikanischen Staaten. Der Mexikaner zeichnet sich vor Allen aus und ist leicht erkennbar. Schon auf den Straßen die nach den Minen führen, tritt sein Charakter scharf und deutlich vor. In kleinen Trupps zusammen und mit keiner anderen Nation sich mischend, mit Maulthieren, wenn sie reich genug sind solche zu bezahlen, oder sonst zu Fuß, mit der runden hölzernen Waschschüssel auf dem Rücken, die kurze, leichte Brechstange, das einzige Werkzeug bei ihrer Arbeit, in der Hand, und das Wenige, was sie außerdem noch brauchen, in ein kleines Bündel auf den Rücken geschnallt, ziehen sie singend, lachend und erzählend ihre Straße entlang und lagern, wenn es Abend wird, seitab von dem Weg oder Pfad, in dem sie die Packsättel ihrer Maulthiere, in einem engen oder weiten Kreis, je nachdem sie zahlreich sind, um sich herum aufstellen, und mit dem anderen Gepäck dazwischen eine Art befestigtes Lager bilden, als ob sie fortwährend einen Ueberfall fürchteten. Sie tragen leichte Hosen und Jacken und meist weiße Hemden, und ihre Serape, was der Süd-Amerikaner Poncho nennt (eine große, wollene, bunt gewebte Decke mit einem Loch in der Mitte, den Kopf hindurchzustecken), bei kaltem oder nassem Wetter halb zusammengeschlagen, den einen Zipfel über die linke Schulter gelegt, daß er nur etwas vorn herunterfällt und den anderen über den Rücken herum vorn über die Brust gezogen und dann nach hinten über die linke Schulter geworfen. Es sieht das einestheils sehr malerisch aus und hält auch Brust und Leib warm und gegen den Regen vollkommen geschützt, da das dicht gewebte wollene Zeug keinen Tropfen Wasser durchläßt. Ein Panama-Strohhut auf dem Kopf, und Ledersandalen an den Füßen vollenden ihre Toilette, die bei den Wohlhabenderen noch durch eine meist rothseidene, chinesische Schärpe, welche sie um den Leib tragen, und deren lange Zipfel von den Seiten herunterfallen, gehoben wird. Während der Argentiner aber z. B. nie ohne sein langes Messer, das ihm hinten im Gürtel steckt, gesehen wird, und selbst der weniger blutdürstige Chilene sehr gern ein solches trägt, wird man den Mexikaner selten damit finden, er müßte es denn versteckt unter den Kleidern führen. Nur die Berittenen haben meist einen Säbel bei sich, den sie auch auf etwas eigenthümliche Art, wenn sie zu Pferd oder zu Maulthier sitzen, unter dem linken Bein durch, an den Sattel geschnallt tragen, wo der Griff solcher Art der rechten Hand leicht und bequem liegt. Der Säbel hindert sie dadurch nicht allein nicht beim Reiten, indem er, wie gewöhnlich umgeschnallt, an der Seite herumklappern würde, sondern sie können auch, besonders wenn sie durch Busch und Wald reiten, nirgends damit hängen bleiben. Pistolen führen sie ungemein selten, wissen auch nicht mit Feuerwaffen, oder doch nur sehr mittelmäßig umzugehen. Dafür haben sie ebenfalls den Lasso rechts hinter sich am Sattel zusammengerollt aufgebunden, daß er mit einem Griffe zu lösen und zu fassen ist. Der Mexikaner ist aber keineswegs so blutdürstig und grausam wie manche seiner Stammgenossen, und die Ursache hierzu liegt sicher mit in der großentheils vegetabilischen Nahrung. Während sich der Argentiner nie um Brod bekümmert, wenn er Fleisch haben kann, und selbst der Californier es wohl ißt wenn er es gerade hat, aber sich auch keine besondere Mühe damit geben mag, bilden die auf großen Blechen gedörrten, ganz dünnen, knusprigen Weizenkuchen einen Haupt-Bestandtheil von des Mexikaners Mahlzeit, und er wird lieber dem Fleisch entsagen, ehe er diese aufgiebt. Ueberhaupt bietet ein solcher mexikanischer Lagerplatz ein belebtes, fröhliches Bild, und wenn kein Fremder zwischen ihnen ist, singen und lachen sie und tanzen auch wohl, trotz dem ermüdenden Ritt über Tag, bis spät in die Nacht hinein, um am anderen Morgen wieder mit Tages-Anbruch aufzustehen und ihren Marsch fortzusetzen, oder ihre Arbeit zu beginnen. Eine außerordentliche Fertigkeit haben sie im Bepacken ihrer Maulthiere, auf die sie mit ihren Lassos und langen ledernen Riemen an zwei- bis dreihundert Pfund, sei dies nun in Kisten, Fässern oder Säcken, aufbinden. Säcke packen sich am besten, und ein Maulthier, schwer geladen, trägt gewöhnlich drei, von je hundert Pfund; Fässer mit gepöckeltem Schweinefleisch und anderen Provisionen werden immer zu zweien aufgeladen, und kleinere und größere Kisten auf eine Art weggestaut und befestigt, daß sich die Last nicht rühren und regen kann und das Thier, wenn es überhaupt nicht überladen ist, leicht darunter fortschreitet. Selbst einzelne große Fässer, besonders mit gepöckeltem Schweinefleisch, die oft dreihundert Pfund wiegen, wissen sie +allein+ oben auf dem Packsattel eines Maulthieres so geschickt zu befestigen, daß ein Nachschnüren unterweges fast gar nicht nöthig ist. Die Mexikaner verdienten deshalb auch gleich im Anfang viel Geld damit, Lebensmittel in die Minen und besonders in die Bergschluchten zu schaffen, die man mit Wagen und Geschirr gar nicht erreichen konnte, und wo Fracht, besonders im Winter bei schlechten Wegen, nach den entfernteren Stellen bis zu einem und einunddreiviertel Thaler preuß. Courant (siebzig, achtzig, ja, bis zu hundertzwanzig Cent) +für das einzelne Pfund+ bezahlt wurde. So verdienten sie oft mit einer einzigen Reise, die sie recht gut in acht Tagen zurücklegen konnten, ihr Maulthier. Die Mexikaner sind dabei ungemein mäßig; sie essen nur wenig und einfache Kost und trinken fast Nichts als Wasser, sind deshalb auch vortrefflich geeignet, in den Minen und in einsamen Bergschluchten -- ihren Lieblingsstellen -- auszuhalten, und verdienen gewöhnlich eine für ihre bescheidenen Ansprüche sehr große Quantität Gold, mit dem sie sich dann eben so ruhig über die Berge wieder zurück in ihre Heimat ziehen, wie sie gekommen sind. Der Amerikaner mag übrigens deshalb den Mexikaner eben so wenig wie den Chinesen leiden. Die Menschen +verzehren+ zu wenig, haben zu wenig Bedürfnisse, und das wenige Geld, was sie umsetzen, bleibt fast ausschließlich unter ihren Landsleuten. Sie kommen meist in Karawanen und Zügen zu +Lande+ von Mexiko herauf und weichen dem Amerikaner in Californien aus, so viel sie können. Sie suchen auch die Gesetze, die ihnen für Arbeiten in den Minen einen gewissen Beitrag auferlegen, so viel als möglich zu umgehen, indem sie fortwährend aus einer Schlucht in die andere wechseln, bis sie einen guten Platz gefunden haben den sie, ohne sich mit einem Laut zu verrathen, ausbeuten und dann wieder mit ihrem Gold verschwinden. Sie haben dabei eine von den übrigen Stämmen ganz verschiedene Art zu arbeiten. Während die Amerikaner, wie sämmtliche übrige Nationen fast, sich der Schaufeln und Hacken zum Auswerfen der Erde und der verschiedenartigsten Maschinen zum Auswaschen derselben bedienen, bleiben die Mexikaner noch in den meisten Fällen, größere Compagnieen ausgenommen, bei ihrer hölzernen Waschschüssel und dem kleinen, kurzen Brecheisen, mit dem sie die Erde aufstoßen, dieselbe mit den Händen in die Schüssel werfen und forttragen. Natürlich ist es mit diesem unvollkommenen Handwerkszeug viel mühsamer den schweren Grund zu bearbeiten, und wollten sie dabei auf dieselbe Art verfahren, wie alle übrigen Goldwäscher, d. h. große Löcher auswerfen und frei arbeiten, und dann daran gehen, das von der oberen Decke befreite, so wie sie die Golderde einmal erreicht haben, auszuwaschen, würden sie nie und nimmer auf die Kosten ihrer Arbeit kommen, wie auch gar nicht im Stande sein so viel Erdreich mit ihrem unvollkommenen Geschirr zu bewältigen. Die Mexikaner arbeiten aber auf ganz andere Art. Gewöhnlich graben oder wühlen sie ein brunnenartiges Loch aus, von so schmaler und enger Röhre aber, daß wirklich nur ein Mexikaner sich im Geringsten darin regen könnte. Mit ledernen Säcken meist schaffen sie die taube Erde dann zu Tage, fortwährend dabei mit ihren hölzernen Pfannen versuchend, ob sie noch nicht auf goldhaltigen Grund kommen und die „Ader“ treffen. Von da an nun wühlen und stochern sie weiter, folgen der Goldader, die sich fast immer in nicht zu großem Umfange, bald hierhin, bald dorthin abkreuzend, in der Erde hinzieht, stoßen die Erde vor sich weg mit den Brechstangen gleich in ihre Pfannen oder Säcke los, und scharren und kratzen sich ordentliche Stollen unter dem Erdboden hin auf weite Strecken. Die Amerikaner nennen dieses Arbeiten ~cayoting~, nach den kleinen Wölfen, ~cayotas~, die sich auch ihre Höhlen in die Erde graben. Still und abgeschlossen, halten sie sich dabei für sich, ja selbst den Eingang ihrer Gruben verborgen, so weit das irgend geht, und arbeiten fleißig und unverdrossen fort, verkehren auch so wenig wie möglich mit ihren Nachbarn und stehen selten oder nie dem Fremden, der sich mit ihnen einlassen will, Rede und Antwort. Kömmt man deshalb an einer solchen Stelle vorbei wo sie arbeiten, und will sich mit ihnen in ein Gespräch einlassen, so hält das schon an und für sich schwer. Sie sehen es auch gar nicht gern, wenn man bei ihnen stehen bleibt, obgleich sie es eben auch nicht verhindern können, und antworten nur artig auf den ihnen gebotenen Gruß; jede weitere Frage wäre vollkommen nutzlos. Hundertmal wohl habe ich gehört, wie sie von Anderen angeredet wurden, die aus ihnen herauszubekommen suchten, ob sie irgend etwas verdienten. „~Mucho oro aqui, amigo?~“ („Viel Gold hier, Freund?“) ist eine Redensart, die besonders den Amerikanern geläufig wird, da es auch ungefähr das Einzige ist, was sie von der spanischen Sprache behalten, und sie sehen dann gleichgültig und ernsthaft dabei aus, als ob ihnen eben nicht besonders viel daran läge es zu erfahren -- die Antwort bleibt +immer+ dieselbe. „~Si, poquito, Señor~“ („Ja, ein wenig, Señor“) was sie mit einem eigenthümlich singenden Ton und einem halben Achselzucken erwiedern. Alle anderen gebrochenen Redensarten verstehen sie nicht, und wer wirklich spanisch spricht und dadurch schon näher mit ihnen bekannt geworden ist, fragt sie schon überhaupt um Nichts, denn wenn er auch Etwas erführe, könnte er sich darauf verlassen, daß es eine Lüge wäre. Sogar an total wasserarmen Stellen, wo es keinem Amerikaner einfallen würde zu arbeiten, sieht man sie mit ihren kurzen Brechstangen stoßen und wühlen oder „trocken waschen“, wie es die Uebrigen nennen. Sie zerdrücken dann die bröckliche Erde in ihren hölzernen Pfannen und blasen den Staub mit dem Mund hinaus, wo das schwerere Gold natürlich zurückbleibt; aber es läßt sich denken, welche schwierige Arbeit das ist, und was für eine Lunge dazu gehört. Mit diesem stillen, unermüdlichen Fleiß und der Art ihrer Arbeit, bei der sie sich nicht mit oberflächlichem Untersuchen begnügen, sondern eben in die Erde wie ein Maulwurf hineingehen, und darunter fortwühlen, haben sie aber auch schon in Californien fast an allen Wassercoursen die reichsten Goldlager zuerst entdeckt, und sind nicht selten später von den Amerikanern daraus vertrieben worden. So war es in Murphy’s Diggings, wo die Letzteren ein paar Mexikaner mit einer Frau an der Arbeit fanden, die unter einigen einzeln stehenden Kiefern eine Art Brunnen gegraben hatten und von den rohen Gesellen geradezu verjagt wurden. Der Platz wies sich nachher als sehr reich aus. Sodann mit Carson’s-Flat, wo zehn oder zwölf Mexikaner fast ein halbes Jahr gearbeitet hatten und, wie das Gerücht ging, eben nur knapp ihren Lebensunterhalt verdienten, denn wo sie sich ihre Provisionen holen mußten, bezahlten sie nur mit sehr feinem, unansehnlichem Gold, und handelten bis auf das Blut, um Alles billig zu bekommen. Als aber einige Amerikaner später zufällig und wirklich fast aus Verzweiflung, nirgends anders Etwas finden zu können, mit begannen, erwies sich die ganze Fläche als eine der reichsten in den californischen Minen, und die Mexikaner zogen still mit schwerbeladenen Maulthieren ab. Dieser Nation wurden auch, besonders in den ersten Jahren, eine Menge Mordthaten vor die Thür gelegt, die sie an Minern verübt und sie beraubt haben sollten. Gewiß ist, daß es auch unter ihr, wie bei allen Nationen, eine Masse Gesindel gab, das sich den ungeregelten Zustand der Minen zu Nutzen zu machen suchte und manches Verbrechen verübte. Ihnen allein darf aber wahrlich nicht die Schuld gegeben werden, denn auch jener von Amerika herübergezogene Schwarm von Spielern, die, wenn sie kein Gold mit falschem Spiel erbeuten konnten, eben so gern bereit waren mit Blut und Raub ihre Säckel zu füllen, ferner die von Australien in nicht unbeträchtlicher Zahl hierher verschifften Deportirten, die sich glänzende Aerndten mit Aufnahme ihres alten Geschäfts versprechen durften, suchten, wenn sie eine solche That verübt, den Verdacht auf Mexikaner zu lenken, indem sie irgend ein kurzes Brecheisen, am häufigsten eine hölzerne Waschschüssel oder auch eine Sandale als ~corpus delicti~ zurückließen, und nun vielleicht gar mit die waren, welche gleich von Anfang an Zeter über die blutdürstigen „~Mexicans~“ schrieen. Mehrere Mordthaten haben sich, besonders in der Gegend des Sonora-Camp und der benachbarten Minen, anfänglich mit den Beweisen mexikanischer Hände, endlich doch auf jene Bande zurückführen lassen, deren Hauptstamm später in San-Francisco durch die ~Vigilance Committee~ aufgehoben und zerstört oder wenigstens zerstreut wurde. Nichts destoweniger war jenem amerikanischen Gesindel, das in Masse von den Vereinigten Staaten mit eingeschmuggelt worden, ein solcher Verdacht gerade gegen diese fleißigen und für die Bearbeitung der Minen so geeigneten Stämme nur höchst wünschenswerth, denn sie machten nicht selten ordentlich Jagd auf solche mexikanische Lager, in deren Nähe sie stets, und oft nicht mit Unrecht, die reichsten oder doch reichhaltige Stellen vermutheten. Wo sich das bestätigte, griffen sie dann irgend ein altes Gerücht eines verübten Mordes auf, und vertrieben die armen Teufel von ihren mühsam bearbeiteten Plätzen. Der Haß der Mexikaner gegen die Amerikaner fand dadurch immer neue Nahrung, aber nur in einzelnen und sehr wenigen Fällen wagten sie, sich ihnen wirklich ernstlich zu widersetzen; Tapferkeit gehört nicht zu ihren vorwiegenden Eigenschaften, und sie räumten meist immer das Feld, sobald die tollköpfigen Amerikaner gegen sie anrückten. Dann zogen sie sich wieder, um auch besonders der den Fremden auferlegten monatlichen Steuer zu entgehen, in noch unbearbeitete Berge zurück, und es war ihnen solcher Art schwer beizukommen. So viel aber ist gewiß, daß sie mit ihrem Fleiß und ihrer Ausdauer, wie zugleich mit ihren mäßigen Ansprüchen an das Leben, in den meisten Fällen vortreffliche Geschäfte machten. Ob sie nun in den Bergen gruben oder als Maulthiertreiber Waaren und Provisionen in die Minen schafften, sie verdienten Geld und, was mehr ist, sie bewahrten was sie verdienten, bis sie für ihre Bedürfnisse genug hatten und in ihr Vaterland zurückkehren konnten. * * * * * An den Wassern des Stanislaus, in den südlichen Minen und an ziemlich reichen Stellen arbeiteten auch, während meines dortigen Aufenthalts, in der Nähe eines kleinen Minenstädtchens oder großen Lagers mehrere Gesellschaften Mexikaner und einige Deutsche und Amerikaner. Der Platz, wo das meiste Gold, auch wieder durch die Mexikaner, gefunden worden, war eine große „~Flat~,“ d. h. eine ebene Strecke in einem Thal, wo diese schon mehrere tiefe Löcher gegraben und, wie es hieß, viel Gold herausgenommen hatten. Herzuwandernde Miner fingen dort ebenfalls an nach Gold zu suchen, und die Bewohner des Camps oder Lagers stellten, wie das fast immer geschieht, ein Gesetz zwischen sich fest, daß ein einzelner Arbeiter nicht berechtigt sein sollte mehr Terrain zum Niedergraben zu beanspruchen, als eine gewisse Anzahl Quadratfuß (gewöhnlich 48-64, höchstens 80). Hatten sie die ausgearbeitet, so konnten sie einen neuen „~Claim~,“ wie derartige Plätze genannt wurden, beanspruchen. Drei Deutsche arbeiteten ebenfalls in dieser „Flat,“ hatten sich ihre drei „~Claims~“ gleich zusammen an einer Stelle genommen und ein weites bequemes Loch ausgeworfen, bis auf den goldhaltigen Kies hinunter zu arbeiten, wonach sie erst, jedenfalls die bequemste und auch sicherste Art, wollten zu waschen anfangen. Einige zwanzig Schritt von ihnen entfernt arbeiteten mehrere Mexikaner, und der Platz zwischen den beiden Parteien lag noch, wenn auch schon belegt, doch noch nicht in Angriff genommen. Die Deutschen, Wolf, Meier und Ehrhardt, hatten da begonnen, wo das höhere Land anfing aufzulaufen, und zwei Bäche, aus beiden Thälern kommend, niederliefen. Unter ihnen arbeiteten die Mexikaner, die schon wochenlang da thätig gewesen waren und viel Gold herausgeschafft haben mußten, sie wären sonst nicht so lange auf der einen Stelle geblieben. Das hier aufsteigende Land zwang die Deutschen aber auch, bei der großen Anlage ihres ~Claims~, eine große Masse Erde auszuwerfen, und sie hatten mit angestrengtem Fleiß ziemlich acht Tage gehackt und gegraben, ausgeworfen und weggefahren, als sie endlich auf lehmhaltigen Kies, fast stets die goldhaltige Erdart, stießen und nun zu probiren anfingen. Wolf hatte eine Pfanne voll heraus und zum Wasser genommen, sie dort zu untersuchen, und die beiden Anderen saßen unten auf dem Kies, die Rückkehr des Kameraden abzuwarten und das Resultat zu erfahren, ob der Kies „lohne,“ d. h. ob es der Mühe werth wäre mit Waschen anzufangen, oder ob sie erst lieber noch einen „Spatenstich“ hinauswerfen sollten. Wenn die Pfanne voll Erde nicht wenigstens etwa ein Sechstel Thaler Goldwerth enthielt, wurde der Grund gewöhnlich noch nicht für gut befunden, und selbst das „zahlte nicht,“ sobald man ihn weit zum Wasser zu schaffen hatte. Wolf kam jetzt zurück, blieb oben am Rand des etwa zehn oder eilf Fuß tiefen Loches stehen und sagte, die Blechpfanne vor sich haltend und langsam mit dem Kopfe schüttelnd: „’s Große ist’s noch nicht!“ „Nun wie macht sich’s Wolf?“ fragte ihn Meier, aufstehend und den Arm nach der Pfanne ausstreckend um sich von dem Goldbestand zu überzeugen, „sollen wir anfangen?“ „Ich weiß nicht,“ meinte Wolf, die Pfanne hinabreichend, in der Beide unten die paar Körner Gold, die sie enthielt, herüber- und hinüberschoben, „wenn’s nicht mehr ausgiebt kann’s noch Nichts helfen, und wir werfen den Quark lieber zu Tag, als daß wir uns den Buckel damit wund schleppen. Das lohnt nicht.“ „Hm, wir wollen lieber erst noch einmal eine andere Pfanne voll probiren,“ sagte Meier, „am Ende werfen wir uns sonst selbst das Gold hinaus und behalten nachher nur ein paar Zoll Erde zum Waschen übrig. Ich glaube gar nicht, daß wir so schrecklich weit vom Fels ab sind, und nachher ist’s Essig.“ „Gut, dann können wir noch eine Pfanne voll aus der Ecke da drüben versuchen,“ meinte Ehrhardt. „Nach +der+ Seite hin hab’ ich so das meiste Vertrauen.“ „Das weiß der Henker,“ sagte Meier jetzt, sich überall umsehend, „mir ist es immer, als ob ich hier unten so was bubbern und klopfen höre, und es regt sich doch Nichts -- ob es hier Maulwürfe giebt?“ „Maulwürfe?“ lachte Ehrhard, der zu gleicher Zeit seinen Spaten aufgegriffen hatte und die Pfanne (aus der er vorher die paar Goldkörner auf einen flachen, trockenen Stein gelegt) wieder auffüllte, „wo sollen hier Maulwürfe herkommen? und +wenn+ sie da wären, machten sie doch keinen Spektakel; wo ist denn was?“ „Jetzt ist es wieder ruhig,“ meinte Meier, der ein paar Sekunden aufmerksam gehorcht hatte, „aber ich habe es den ganzen Morgen schon gehört.“ „Wer weiß was Dir in den Ohren gebrummt hat,“ sagte sein Kamerad, mit dem Spaten dabei die aufgefüllte Erde auf die Pfanne festschlagend, daß sie nicht herunterfiel -- „der Grund wird übrigens hier tüchtig lehmig, und es sollte mich nicht etwa wundern, wenn wir bald auf den Felsen kämen.“ „Stoß doch einmal mit der Brechstange in das Loch hinein, das Du jetzt eben ausgeworfen hast,“ rief Wolf, der sich am Rand der Grube hingekauert hatte und den Beiden zusah, von oben nieder -- „da kannst Du zugleich fühlen, wie weit wir noch etwa haben, und ob Du festen Grund oder Fels kriegst.“ „Na, sei so gut,“ sagte Ehrhard, „das wäre nicht übel, wenn wir jetzt schon auf den Fels kämen; die paar Spatenstiche zahlten dann auch die ganze Arbeit nicht, denn jetzt ist es ja nicht einmal der Mühe werth anzufangen. Nein, ich habe starke Hoffnung daß wir noch ein paar Ellen tiefer müssen und dann eine Zeitlang tüchtig hinter einander waschen können.“ Meier hatte indeß die Brechstange, die an der Wand lehnte, und die sie manchmal gebrauchten größere Quarz- oder Kiesblöcke bei Seite zu wälzen, aufgenommen, ging damit zu der Stelle, wo die letzte Pfanne voll Erde hinausgeschaufelt und der Grund dadurch etwa sechs Zoll tiefer geworden war als in dem übrigen Theil ihres Claims, und stieß hinein. „Fühlst Du was?“ fragte ihn Wolf. „Noch nicht,“ sagte der Andere, mit der eingestoßenen Brechstange in dem etwas harten Boden herumarbeitend, die begonnene Oeffnung zu erweitern und einen zweiten Stoß zu versuchen. -- „Das wär’ auch zu früh, aber der Lehm wird zu zähe sein, die Stange geht nicht durch,“ und mit den Worten hob er das lange Eisen aufs neue und stieß es mit aller Kraft in das aufgedrehte Loch hinein, wäre aber beinahe vornüber gefallen, denn die Stange schwand ihm plötzlich fast unter den Händen fort und sank wohl einen Fuß tiefer, als er erwartet hatte. „Hallo,“ rief Wolf von oben herunter, „~no bottom~[38], eh?“ „Jesus, Maria und Joseph!“ schrie aber Meier, ließ die Brechstange los und sprang mit ein paar Sätzen an dem eingestellten Baum, der ihnen als Treppe diente, hinaus aus dem Loch, an dessem Rande er, ein Bild des Entsetzens, mit todtenbleichen Zügen und stieren Augen stehen blieb, während Ehrhard, der nicht anders glaubte als die Wand fiele ein, seine Pfanne, die er eben aufreichen wollte, fallen ließ und ihm, so rasch ihn seine Beine trugen, folgte. „Alle Wetter,“ lachte Wolf oben, als er die Beiden so im Sturm ankommen und nicht die mindeste Ursache dafür sah, „wer ist todt und wo brennt’s? -- Mensch, Meier, was machst Du für ein Gesicht? -- Hast Du am hellen, lichten Tage einen Geist gesehn?“ „Wolf,“ stöhnte aber Meier und strich sich mit der linken Hand, noch immer in Schrecken und Entsetzen, die Haare aus der Stirn, während er mit der anderen, und stieren Blicks in das ausgeworfene Loch hinunterdeutete. -- „Da unten -- da unten hat was -- da unten hat was geschrieen.“ „Hahahahaha!“ lachte Wolf, „das ist gut -- das ist kostbar -- und was hat +Dich+ heraufgejagt, Ehrhard?“ „Mich?“ fragte dieser verdutzt -- „mich? -- ich weiß nicht -- aber, wie Meier so auskniff, da glaubt’ ich, die verdammte Bank fiele ein, und seit ich dabei war wie der Neger verschüttet wurde, hab’ ich allen Respekt vor solchem Einsturz bekommen -- was war denn los, Meier?“ „Ich sage Euch, Menschen!“ rief aber dieser, noch immer todtenbleich und an allen Gliedern zitternd -- „so wahr ich hier stehe und lebe und gesund zu bleiben hoffe, dort, unter der Erde d’runten -- Du brauchst nicht zu lachen, Wolf -- da unten hat, bei Gott! was geschrieen.“ „Na nu setz mich mal an Land!“ rief Wolf, der einige Seereisen gemacht und noch gern Schiffs- und See-Ausdrücke in seiner Rede gebrauchte -- „Junge, Du hast Dir heute die Brandyflasche zu genau gegen das Licht gehalten.“ „Ich bin bei meinen fünf Sinnen,“ betheuerte aber Meier -- „ich lebe und sterbe darauf, und es ist mir den ganzen Morgen schon so vorgekommen, als ob da unten etwas laut wäre.“ -- „Hallo, was ist da vorgegangen!“ riefen jetzt von den benachbarten Gruben ein paar Amerikaner, die die Aufregung der Deutschen sahen und rasch herbeigesprungen kamen, -- „wer hat einen Klumpen gefunden?“ „Ja Klumpen gefunden,“ lachte Wolf noch immer -- „mein Compagnon da hat mit der Brechstange in den Grund gestoßen und behauptet jetzt, es hätte Jemand da unten geschrieen.“ „Geschrieen? -- wo? -- unter der Erde?“ „So wahr ich selig zu werden hoffe,“ betheuerte Meier. „Aber Menschen, weshalb steht Ihr denn da hier oben?“ rief der Amerikaner, „hat’s Euch gebissen? -- weshalb seht Ihr denn nicht nach?“ „Was soll denn da schreien?“ rief Wolf. „Was da schreien soll? -- ja, weiß ich’s?“ rief der Nachbar, „aber horchen kann man doch einmal;“ und rasch an dem zackigen Stamm, der in der Ecke lehnte, niedergleitend, sprang er, jetzt von den Deutschen gefolgt, in die Grube hinunter und blieb, die linke Hand, zu Stillschweigen mahnend erhoben, einen Augenblick lauschend stehen. „Dort war’s wieder!“ rief Meier plötzlich, nach der Ecke deutend, „gerade, wo die Stange steckt!“ „Bei Gott!“ rief aber auch jetzt der Amerikaner, der sich bei den ebenfalls gehörten Lauten mit dem Ohr auf die Erde geworfen hatte und jetzt gerade über der ausgeworfenen kleinen Grube lag, -- „da unten stöhnte Etwas, gerade wie ein Mensch.“ „Ein Mensch,“ -- rief Wolf, der ebenfalls mit heruntergekommen war, „wie soll ein Mensch da unten hingekommen sein, -- der müßte jetzt ein paar tausend Jahre unter der Erde liegen und sollte wahrscheinlich das Schreien verlernt haben.“ „Spaten her, meine Burschen!“ rief aber der Amerikaner jetzt, in die Höhe springend, -- „Spaten her, da unten liegt irgend etwas Lebendiges, das wir heraushaben müssen, -- vielleicht ist’s eine Naturmerkwürdigkeit, und dann bekommt Ihr mehr Geld dafür, als ob es Gold wäre.“ „Das ist ein Mensch!“ rief aber auch Meier jetzt, der sich ebenfalls auf den Boden geworfen und sein Ohr in die Oeffnung hineingehalten hatte, „ich kann deutlich sein Wimmern hören.“ „Nur zwei Dinge sind möglich,“ lachte der Amerikaner, „entweder ist’s ein Cayota oder ein Mexikaner, und in beiden Fällen wollen wir bald wissen woran wir sind. Zugepackt meine Burschen, am Ende steckt doch ein Menschenleben da unten.“ Er brauchte die Deutschen aber wahrlich nicht mehr anzufeuern, denn nun über die erste, ziemlich natürliche Bestürzung hinweg, gingen sie mit vollem Eifer daran, die Erde aus und in die andere Ecke der Grube zu werfen. Wie sie aber an der Stelle kaum einen Fuß tiefer gegraben hatten, wich der Boden plötzlich unter ihnen fort, und wenn sie bis dahin noch irgend einen Zweifel gehabt, wurde er durch das aus der Oeffnung tönende „~Ave Maria purisima~“ gehoben. Sehen konnten sie allerdings noch Nichts, aber wie sie den Kies jetzt nur etwas vorsichtiger weggeräumt, kam ein blau gestreiftes Hemd zum Vorschein, und etwa funfzehn Minuten später förderten sie richtig einen Mexikaner zu Tage, der sich unter ihrer Grube durchgewühlt und glücklicher Weise mit seinem Kopf eben unter die noch von ihnen stehen gelassene Wand gerathen war, der niederstürzende Kies hätte ihn sonst ersticken müssen. So, obgleich von der schweren Erde böse gedrückt, war ihm doch wenigstens genug Luft zum Leben geblieben, und nach tüchtigem Einreiben mit Brandy, von dem sie ihm auch etwas einflößten, nach Waschen mit kaltem Wasser, wie Reiben seiner Glieder mit wollenen Lappen, die Ehrhard lieferte, indem er sein wollenes Hemd auszog und in Stücke riß, brachten sie den armen Teufel nach etwa einer Viertelstunde wieder wenigstens so weit, daß er die Augen aufschlug. Seine Kameraden mußten indessen geholt werden, denn obgleich sie den Auflauf der Miner gesehen, die fast sämmtlich von allen Ecken und Enden herbeiströmten, zu erfahren was es da gebe, hielten sich die Mexikaner fern von dergleichen. Sie mochten mit den Amerikanern in keine Berührung kommen, und hatten in der That keine Ahnung daß sie die Sache so nahe anging. Unter der Erde nämlich, der Goldader folgend, ist es ungemein schwer ohne Kompaß die genaue Richtung zu wissen, welche der bald rechts, bald links hinüberzweigende Stollen genommen. Kümmerten sie sich doch auch nicht darum, wenn sie eben nur die goldhaltige Erde zu Tage förderten. Mit dem Bewußtsein des Betäubten, der dort unten jedenfalls Todesangst ausgestanden, gewann aber auch Meier seine Sprache wieder, und kaum sah er daß er lebte und außer Gefahr war, als er auch an die Ursache dachte, die den Burschen dort unter ihren Claim geführt und daß nun all ihre Mühe, den weiten Platz niederzugraben, vergebens gewesen wäre. Hatten doch diese „diebischen mexikanischen Schufte,“ wie er sie in vollem Grimm nannte, ihnen die „Butter vom Brod geleckt“ oder im wahren Sinne des Worts das „Gold aus der Pfanne gestohlen.“ Ueber die Art wie der Mexikaner dahin gekommen, blieb denn auch in der That kein Zweifel mehr. Nach alter Gewohnheit hatten er und seine Kameraden, der Goldader folgend, in den harten festen Boden sich eingewühlt und waren so nach und nach weit über ihren Claim hinaus, unter den ihrer nächsten Nachbarn gerathen, die jetzt umsonst ihre ganze Arbeit an dieser Stelle gethan hatten. Das, was die Mexikaner übrig gelassen, lohnte allerdings nicht mehr der Mühe es auszuwaschen. Die komischste Figur war übrigens jedenfalls der Mexikaner, der, einer in einer Falle gefangenen Ratte nicht unähnlich, zuerst, als er seine Besinnung wieder erlangte, gar nicht begreifen zu können schien, wie er dahin gelangt sei und wo er sich eigentlich befinde, und nur langsam und nach und nach zu einem ihm allerdings höchst fatalen Verständniß gebracht werden konnte. Als sich übrigens diese Mexikaner später weigerten, das Gold, was sie unter dem Claim der Deutschen ausgegraben, diesen, als den rechtmäßigen Eigenthümern, zurückzuerstatten, und bei ihrer Behauptung blieben, sie hätten nicht zehn Dollars Werth darunter gefunden, wurden sie von den also Uebervortheilten (eigentlich sollte man hier sagen „Untervortheilten“) bei dem amerikanischen Alkalde verklagt und mußten eine nicht unbeträchtliche +Strafe+ zahlen: über ihren Claim hinausgegangen und in den einer anderen Gesellschaft eingebrochen zu sein. Das Strafgeld aber behielt der Alkalde natürlich für sich selbst, und die Deutschen konnten auf einer anderen Stelle wieder von vorn anfangen. Der Ostindier. Die Julisonne brannte heiß und sengend auf Douglas-Flat -- ein kleiner Thalgrund an einem der Calaveres-Arme -- nieder, und die Mittagszeit hatte die meisten der Minenarbeiter oder Goldwäscher, wie man sie eigentlich nennen sollte, von ihren Maschinen unter den Schutz der Zelte oder der einzeln stehenden Eichen gejagt, ihr einfaches Mittagsmahl zuzubereiten und dann ein paar Stunden süßer Ruhe zu pflegen, ehe die „Quälerei“ auf’s Neue begann. Douglas-Flat lag in der Nähe von Murphys neuen Diggings, und zwar nur zwei Meilen davon entfernt, über den ersten Hügel hinüber, der sie im Südosten umzog. Bis dahin waren auch häufig „Prospektirer“ mit Pfanne, Spitzhacke und Schaufel dort hinübergezogen, und hatten hie und da eingeschlagen, noch nie aber etwas Erkleckliches gefunden; jetzt aber, da eine große Anzahl von Arbeitern in Murphys Diggings selber nicht so gut „ausmachten,“ als sie wohl erwartet haben mochten, und schon große Lust bezeigten die Gegend ganz wieder zu verlassen, zu gleicher Zeit aber eine wahre Unzahl von Waaren und Provisionen durch Spekulanten dort hinaufgeschafft waren, läßt sich denken daß diese letzteren, die ihnen zur Consumirung ihrer Vorräthe nöthigen Arbeiter nicht gern wieder ziehen ließen, ohne wenigstens ihr Möglichstes zu thun sie zurückzuhalten. Allwöchentlich tauchten deshalb neue Gerüchte von ganz in der Nähe von Murphys gefundenen, fabelhaft reichhaltigen Minen auf, die Alle etwas leicht Exaltirte in einer wahren fieberhaften Aufreizung hielten, und ihrem Zweck auch vollkommen entsprachen. Ehe die Leute mit Sack und Pack weiter zogen, wollten sie das, was sich ihnen hier ganz in der Nähe bieten sollte, doch wenigstens erst noch einmal probiren, und ein Sack Mehl nach dem andern wurde aufgezehrt, während die Masse, weil hie und da Einzelne doch wirklich manchmal etwas fanden, eine Zeit lang unverdrossen weiter arbeitete, bis sich endlich im September die meisten von ihren nutzlosen Anstrengungen überzeugt hatten, und selbst Fletscherism und Mesmerism, beides mit Erfolg eine Zeit lang angewandt nicht mehr zogen. Am 2. Juli befand sich Douglas-Flat aber gerade in seiner Glanzperiode, d. h. die ersten Gerüchte von, bis jetzt durch ein paar Mexikaner entdeckten, und bis dahin geheim gehaltenen Reichthümern waren eben nach Murphys Diggings gedrungen, und in wenigen Tagen standen schon dort, außer den zahlreichen kleinen Leinwand- und Buschhütten der Goldwäscher selber, drei größere „Store“-Zelte, nicht allein mit Mehl, Fleisch, Zucker und Salz, sondern auch mit Luxusartikeln der Minen, mit Zwiebeln, Kartoffeln, „Pickles,“ in Oel eingesetzte Sardines, Butter, Essig und vor allen Dingen mit Brandy, Genevre, Rum und Wein reichlich und vollauf versehen. Es war eine Pracht, die bunt geschmückten Schenktische nur anzuschauen. Wo aber das Aas ist sammeln sich die Adler, und kaum verbreitet sich das Gerücht neu entdeckter Minen -- ob nun gegründet oder ungegründet -- so kann man auch sicher darauf rechnen, auf halb todt gehetzten Thieren ein paar Exemplare von dem „Fluch Californiens“ -- ein Paar +Spieler+ ansprengen zu sehen, die ihre bunte Californische Serape als Teppich auf einen der Tische eines Schenkzeltes breiten, zur Lockspeise ein paar hundert spanische Dollar d’rauf häufen, und nun geduldig der Dinge harren, die da kommen sollen. In ein solches Zelt mag mir der Leser jetzt auch einen Augenblick folgen, denn es ist, wenn auch schon ziemlich spät am Nachmittag, heiß, und ich glaube selber nicht daß uns ein Glas Wein und Wasser schaden wird. „Hol’s der Teufel, Rogers, Euer Wein ist sauer!“ rief der eine Spieler, der sich eben ein Glas gefüllt und es hinuntergestürzt hatte -- „das ist Essig -- verdammt will ich sein, wenn Ihr Euch nicht vergriffen habt -- gebt einmal die andere Flasche dort her!“ „Sauer?“ wiederholte der Wirth ungläubig und versuchte sein Getränk selber mit prüfender Lippe, während er dabei leise vor sich hinlächelnd in das schauerlich verzogene Gesicht des „Gamblers“ schaute -- „sauer? -- der soll sauer sein? -- da weiß ich denn doch wahrhaftig nicht, was Ihr vom Weine verlangen wollt -- natürlich +Syrup+ ist’s nicht.“ „Nein, bei Gott nicht,“ bestätigte ein anderer -- „ich hätte auch schon lange d’rüber geschimpft, wenn er mir nicht die ganze Kehle wie einen Geldbeutel zugeschnürt hätte.“ „Dann hat mich der verwünschte Franzose damit angeschmiert,“ entgegnete der Wirth mit einem derben Fluche -- „ich weiß überhaupt nicht, weshalb wir sie hier noch ihr Wesen in den Minen treiben lassen. Zu Hunderten kommen sie angeströmt, und ob Einer von den Hallunken wohl etwas von einem Amerikaner kaufte, -- Gott bewahre, und wenn der ihm dicht auf der Nase sitzt, läuft das französische Gesindel doch lieber fünf Meilen, um nur irgend einem Landsmanne die paar Bit zuzutragen. Man hat keinen Nutzen, nur Schaden von den Parlevuß.“ „Ich wollte überhaupt wir Amerikaner hielten einmal ordentlich zusammen,“ meinte da ein langer Texaner, der sich phlegmatisch auf einen der Tische hinflegelte, „und trieben die ganze Fremdenbande zum Teufel -- Franzosen, Mexikaner, Deutsche und wie sie alle heißen -- sie gehören nicht in’s Land, und wenn alle Amerikaner dächten wie ich, wären sie lange draußen.“ „Wenns mit dem Munde abgethan wäre,“ entgegnete ruhig ein Franzose, der gerade eingetreten war, sein Gold -- ein paar Unzen -- an der Bar wiegen zu lassen. „Hallo,“ sagte der Texaner, hob, ohne seine bequeme Stellung zu verändern, den Kopf etwas in die Höh’ und sah den Sprecher erstaunt an -- „habt Ihr gesprochen?“ -- der würdigte ihn aber keiner Antwort weiter, wog sein Gold und verließ das Zelt. „So, das ist recht,“ brummte Rogers -- „läßt sein Gold wiegen, trinkt nicht einmal ein Glas und ist dann auch noch obendrein prutzig -- hol Euch Alle der“ -- „Alle Wetter, was ist dort los?“ unterbrach ihn da plötzlich der eine Spieler, der sich eben dem Eingange des Zeltes zugewandt hatte, und hinaus über die Ebene hin nach den Hügeln zu zeigte, wo sich allerdings etwas Außergewöhnliches zuzutragen schien. Wenigstens versammelten sich die im Zelt befindlich Gewesenen augenblicklich vor dem Eingang, und schienen an dem ganzen Vorgange besonderes Interesse zu nehmen. Die Ebene oder Douglas-Flat, war hier etwa eine halbe Meile breit, und nach den Hügeln zu von keinem Baume beschattet, hinter ihr aber dehnte sich ein langer, an manchen Stellen steil aufsteigender Bergrücken hin, der zur linken einen vollkommen abgerundeten Gipfel zeigte, nach rechts zu aber unten mit Eichen und nach oben mit schlanken Fichten ziemlich dicht bewaldet war. In diesen Bergen, an einer klaren, dort aus dem Felsen sprudelnden Quelle, hatte bis dahin ein Stamm der Kayota-Indianer ihr einfaches Buschlager gehabt, das jedoch von den Zelten nicht zu sehen war; von der Richtung her aber sprang eine wunderliche Gestalt und ihr folgten mit Bogen und Pfeilen, die sie aber unbenützt in der linken Hand trugen, sonst aber schreiend und gellend, ein halb Dutzend Indianer, und es war augenscheinlich daß sie den Ersten, der übrigens fast dieselbe Hautfarbe mit ihnen trug, sonst aber mehr europäisch gekleidet war, verfolgten. Dieser Erstere verdient eine nähere Beschreibung. Ostindiens heiße Sonne hatte ihn gebräunt; er war aus der Gegend von Bombay gebürtig und seine Hautfarbe dunkelbraun und glänzend, das Haar schwarz und gelockt, und sein Auge eben so dunkel und feurig, aber unstät, vielleicht von der Angst sich von den braunen Söhnen der Wildniß also verfolgt zu sehen, und er schien dabei sonderbarer Weise noch unschlüssig, ob er den Zelten der Weißen, wo er doch jedenfalls Schutz fand, zufliehen, oder rechts den kleinen Creek hinab, flüchten sollte -- wo er bis Murphys Diggins weiter keine Zelte fand. Eine kleine Gruppe von Indianern, die aber auch nach dort zu, vielleicht zufällig, vor ihm auftauchte, machte seinen Zweifeln, wenn er die irgend noch gehabt, ein rasches Ende und er nahm gerade die Richtung nach Rogers Zelt zu, als die Zechenden darin sein gewahr wurden und vor den Eingang traten. Sobald die Indianer das bemerkten, kehrten sie um, und nur zwei von ihnen blieben noch, wie eine Art Vorposten, stehen, während sich die andern nach den Bergen hinüber zogen. Sie schienen jeden Gedanken an Verfolgung aufgegeben zu haben. Der Ostindier trug eine, einst weiß gewesene Drillhose, ein rothwollenes Hemd, Schuhe und Strümpfe und eine blauschottische wollene Mütze, um den Leib auch noch statt des Gürtels, ein rothseidenes Tuch. Kaum war er aber in Rufs-Nähe der Zelte gekommen, als er kläglicher zu lamentiren anfing, und in sehr gebrochenem Englisch, aber doch so daß man etwa verstehen konnte was er eigentlich wollte, schrie, er sei bestohlen und beraubt und die Indianer hätten ihm neunzehn Tausend Dollar in Goldstaub, den er bei sich gehabt, abgenommen. „Neunzehn Tausend Dollar?“ schrie einer der Spieler -- „Donnerwetter Mensch, das ist ein Heidengeld -- und das haben die braunen Schufte dort?“ -- „All -- All“ -- kreischte der Indianer wieder und warf sich heulend dem Spieler vor die Füße -- „all -- all -- todt -- todt - ich bin todt -- ich bin verloren!“ „Bei Gott!“ schwur der eine Texaner, dabei fast wie unwillkürlich nach seiner Büchse greifend, die an dem Brunnen vor dem Zelte lehnte, -- „wenn die Canaillen dem armen Teufel Alles abgenommen haben, so sollte man das ihnen doch nicht so ruhig hingehen lassen. Sie werden so immer dreister. Ich habe verdammte Lust einmal zu versuchen, ob ich nicht schneller laufen kann als sie -- Hallo Ben, was meinst Du dazu?“ „Neunzehn Tausend Dollar!“ murmelte Ben, der Spieler, dem das Geld im Kopfe herumging, denn er wußte recht gut, daß es, wenn erst einmal in seinen Krallen, zu seinem rechtmäßigen Eigenthümer schwerlich wieder zurückkehren würde. „Der Schuft, der neunzehn Tausend Dollar in Gold schleppt, kann auch nicht so rasch laufen als die Uebrigen -- hol’s der Teufel, ich gehe mit -- wo ist meine Büchse Rogers?“ -- „Hilfe, Hilfe!“ schrie der Ostindier dazwischen, dessen dunkle Augen indeß blitzesschnell von einem zum andern der Sprecher gezuckt waren -- „all, -- all -- ~I am lost~.“ „Neunzehn Tausend Dollar haben sie dem Schwarzen gestohlen?“ frug ein anderer Amerikaner, ein Arkansas-Mann, der am nächsten Zelte gestanden und den Lärmen gehört hatte -- „ei, da soll ja die Pest die diebische Rotte holen -- wer geht mit?!“ „Halt, wir Alle!“ rief Ben, dem schon Angst war, es könnte ihm einer der Uebrigen zuvor kommen. -- „Ich muß nur erst meine Büchse haben -- zum Teufel Rogers, Ihr macht eine Ewigkeit und die schuftigen Hallunken bekommen zu vielen Vorsprung -- o da kommen noch mehr!“ In der That strömten auch jetzt von allen Ecken die Goldwäscher herbei, und ohne weiter viel zu fragen, was der Lärm eigentlich bedeute, oder ob die Anklage auch gegründet sei, wurde eine Verfolgung der Indianer kaum schneller beschlossen, als ausgeführt. „Aber der schwarze Schuft sieht gar nicht aus als ob er neunzehn Tausend Dollar im Vermögen gehabt hätte!“ rief der Franzose und wollte gegen ein so rasches Einschreiten der Amerikaner protestiren. Damit kam er aber schlecht an. -- „Wenn’s blos nach dem Aussehen geht, dann seht Ihr noch viel lumpiger aus,“ rief der Texaner. „Hol mich der Teufel, wenn’s nicht wahr ist,“ lachte der Spieler und warf die Büchse, die ihm Rogers eben gereicht hatte, über die Schulter -- „zurück Mann -- eine Krähe hackt der andern die Augen nicht aus, und uns, den Eigenthümern vom Boden, gebührt es auch Gerechtigkeit zu üben. -- Hurrah Boys.“ -- „Eigenthümern vom Boden!“ wiederholte der Franzose zürnend, „und wie zum Hohn vertreibt und mißhandelt Ihr dabei die wirklich rechtmäßigen Eigenthümer, die armen harmlosen Indianer von den Gräbern ihrer Väter. Hätte ich meinen Willen, ich wollte Euch da bald einen Riegel vorschieben. Aber hallo Sir,“ unterbrach er sich plötzlich und vertrat dem Ostindier den Weg, der sich, als er den einen Theil so eifrig mit der Verfolgung der Indianer, den andern mit Zuschauen beschäftigt sah, leise von dem Zelte ab, und nach einer ganz anderen Richtung fortzudrücken suchte -- „wollt Ihr nicht abwarten, bis sie Euch die neunzehn Tausend Dollar zurückbringen? -- he Rogers, der Kerl ist mir verdächtig, ich glaube gar nicht, daß sie ihm Gold gestohlen haben.“ „Das kümmert mich nichts,“ sagte der Händler, und drehte ihm den Rücken -- „was geht mich der Schwarze an -- aha, die braunen Canaillen riechen Lunte. Hui, wie sie auskneifen.“ „Dann will wenigstens +ich+ mich um ihn kümmern,“ sagte der Franzose und sich dann zu dem Ostindier wendend, der damit gar nicht besonders einverstanden schien, rief er ihm zu: „Du Bursche bleibst jetzt bei mir, bis die Amerikaner wieder zurückkommen, und dann wollen wir einmal sehen, ob wir hier oben einen Alkalden blos zum Spaß haben, oder ob er auch seiner Zeit ordentlich und gesetzlich einschreiten kann.“ Damit nahm er ohne Weiteres den Ostindier beim Kragen und führte den armen Teufel, der sich lieber ein paar Meilen von hier fortzuwünschen schien, ohne ein Wort weiter mit ihm zu wechseln, in sein Zelt. Die Verfolgung. Indessen bot die Ebene Interesse genug, die Aufmerksamkeit der bei den Zelten Zurückgebliebenen zu fesseln. Die Indianer, die noch eine Zeit lang zurückgeblieben waren, als ob sie den Rückzug der Anderen decken, oder doch wenigstens beobachten wollten was von Seiten der Weißen geschehe, stießen, als sie diese auf sich zueilen sahen, einen eigenthümlich gellenden Schrei aus und flogen in nächster Richtung den Bergen zu. Zu gleicher Zeit wurden die andern wieder auf einer kleinen nackten Anhöhe sichtbar, und wandten sich dann ebenfalls rasch in die Berge. „+Das+ sind die Hallunken die das Gold haben,“ brummte Ben vor sich hin, und lief schräg über die Ebene den letzteren zu, während ihm einige seiner Kameraden, wie der Texaner und noch zwei andere Amerikaner folgten. Die Uebrigen blieben hinter den zwei anderen, weil ihnen diese näher schienen und sie dieselben leichter einzuholen hofften. Noch immer mochten aber die Indianer glauben, es sei mit der Verfolgung nicht so rechter Ernst, oder sie wollten ihren Verfolgern auch vielleicht zeigen, daß sie sich nicht sonderlich vor ihnen fürchteten, denn erstlich liefen sie gar nicht so rasch, wie sie es sicher gekonnt hätten, und dann blieben sie auch manchmal stehen und überschauten das Terrain, als ob sie die Zahl der Verfolger und ihren Fortgang überzählen wollten. Damit zogen sie sich aber nach und nach in die Berge hinein und waren den Zelten lange schon aus den Augen gekommen, als plötzlich der eine Indianer rasch über eine Anhöhe rannte, und hinter dieser verschwand. Die Amerikaner folgten jetzt mit so größerem Eifer und Ben besonders hatte gesehen, daß der Eine von ihnen etwas Schweres zu tragen schien. „Das ist das Gold,“ dachte er bei sich, und ohne den Anderen ein Wort von seiner gemachten Beobachtung mitzutheilen, beschloß er, diesen Wilden ganz besonders im Auge zu behalten. Gerade hinter dem niederen Hügel aber lag das indianische Dorf, und als die vier bewaffneten Amerikaner auf der kahlen Anhöhe erschienen, sahen sie eben noch, wie die Frauen mit den kleinsten Kindern auf dem Rücken, und andere hie und da ängstlich an der Hand, nach allen Richtungen hinausstoben und ihre Lagerfeuer, wie sie davon aufgesprungen, in den Händen der tollen Verfolger zurückließen. Im nächsten Augenblicke waren Ben und der Texaner, die ihren Begleitern eine ganze Strecke vorausgeeilt waren, mitten dazwischen, der erste hatte aber sein ausersehenes Opfer nicht aus den Augen verloren und als er es gerade wieder den nächsten Hügelrücken hinanspringen sah, griff er, laut dabei auflachend, einen der Brände, an denen er vorbeisetzte, auf, und schleuderte ihn mit den Worten: „wir wollen den Canaillen doch wenigstens leuchten!“ in die nächste Laubhütte. Der Lagerplatz, wie ihn die aufgeschreckten Weiber verlassen hatten, bestand aus niederen, mit trockenen Büschen dicht überdecken Hütten, eng zusammen errichtet Schutz gegen die sengenden Sonnenstrahlen zu gewähren. Die kleinen Feuer, an denen auch hie und da Fleisch stak für die einfache Mahlzeit brannten dicht dabei, und an mehreren Orten lag Mais und Gebröckel trockenen Schiffszwiebacks, den sie sich theuer genug für Gold von den Weißen eingehandelt. Auf einer wollenen Decke lag etwa ein halber Büschel gelbes Maismehl, und in einer Ecke befanden sich die flachen runden, mit Eichelmus gefüllten Erdgruben, in denen die Frauen das gewöhnliche Eichelpoe auf gar geschickte und eigenthümliche Weise zubereiten. Diese Gruben vernichteten die Tritte der Verfolger, die noch wilde Flüche ausstießen, weil sie sich dabei die Füße beschmutzten und wie Pulver fast zündeten dabei die dürren ausgetrockneten Fichtennadeln und Eichenblätter, so daß kaum eine Minute später das halbe Lager schon in Flammen stand und dem Ganzen kaum mehr zu vermeidendes Verderben drohte. Der Spieler und der Texaner sahen sich aber kaum darnach um. „Hui, das flackert ja, wie ein Bund Schwefelhölzer,“ lachte der Erste, als er leicht wie ein Hirsch, über einen quer vor ihm liegenden Baum wegsetzte -- „wohl bekomm’s!“ „Ihr hättet das Lager nicht sollen anstecken,“ meinte aber der Texaner, ohne sich jedoch selber darnach weiter umzuschauen -- „’s ist nur um der armen Weiber willen.“ „Hol die schwarzbraunen Bestien der Teufel,“ lachte der Spieler, „sie sollen froh sein, daß wir jetzt Besseres zu thun haben, uns nicht noch weiter um sie zu bekümmern, -- alle Wetter, da biegt der Kerl rechts ab,“ und ohne ein Wort weiter sprang der schnellfüßige Yankee seinem Opfer nach, das eben wieder einen der Hügelgipfel erreicht hatte. Der Texaner blieb etwas mehr links, um den andern vielleicht den Weg abzuschneiden. Indessen hatten die beiden anderen Amerikaner, die nicht so schnell auf den Füßen waren, ebenfalls das jetzt hell aufflackernde Lager, in dem schon die zurückgelassenen Provisionen und Decken brannten erreicht und der Erste blieb stehen. „Das ist nicht recht,“ rief dieser, ein junger kräftiger Mann, mit braundichten Locken, während er mit der linken Hand den Strohhut abnahm, die Büchse mit den Kolben auf die Erde stieß und in den gebogenen linken Arm fallen ließ, und sich mit dem rechten Rockärmel den Schweiß von der Stirne trocknete. „Die Frauen haben uns nichts gethan, daß wir wie Banditen sengen und brennen sollten.“ -- Und von einem besseren Gefühle ergriffen, warf er sein Gewehr in’s Gras nieder und riß die eine Hütte, die etwas einzeln stand, und eben gleichfalls an zu brennen fing, durch die aber dann auch das Feuer in den andern Theil des Lagers gebracht worden wäre, auseinander. Sein Gefährte half ihm dabei, und in wenigen Minuten hatten sie das Feuer so weit gebändigt, daß es wenigstens nicht weiter mehr um sich greifen konnte. Eben als der Erste seine Büchse wieder aufgriff, fiel ein Schuß. „Alle Wetter!“ schrie da der Andere, „sie sind handgemein geworden -- da müssen wir dabei sein,“ und ohne weiter eine Antwort abzuwarten, sprang er bergauf. Der Andere folgte ihm und sie standen Beide gleich darauf auf dem Gipfel des Hügels, von wo aus sie das ganze Schauspiel übersehen konnten. Der Spieler kniete im nächsten kleinen Thal auf der Erde, griff etwas auf, und schleuderte es dann ingrimmig wieder zu Boden; der Texaner war ihm jetzt ein Stück voraus und zielte eben wieder auf einen andern Indianer, der aber rasch, nachdem er seinen letzten Pfeil auf den Feind abgedrückt hatte, hinter den Büschen verschwand. Ueber einen andern Hügel schleppten aber vier Mann mit unglaublicher Schnelle einen Verwundeten oder Todten, und sechs andere standen mit aufgelegten Pfeilen, den Rückzug der Kameraden zu decken. Die ganze Verfolgung hatte jedenfalls einen höchst ernsthaften Charakter angenommen -- es war Blut geflossen und so harmlos und ruhig der Californische Indianer sonst auch ist, und so selten er die Weißen belästigt, so krümmt sich auch der Wurm, und wenn gestellt, greift selbst der scheue Hirsch den Jäger an. Die beiden Amerikaner die es hier zu einem wirklichen Gefecht kommen sahen, wollten sich jetzt aber mit einem lauten Hurrah recht mitten hineinstürzen, und sprangen, die Büchsen über den Köpfen schwingend, in langen Sätzen an dem Spieler vorbei. Dieser richtete sich aber in dem Augenblicke auf, und rief ihnen mit mürrischer Stimme zu: „Halt an Boys -- Gott verdamme mich, wenn ich nicht an zu glauben fange, daß die ganze Geschichte Humbug ist, und der Canaille von Ostindier eben so wenig neunzehn Tausend Dollar gestohlen sind, wie mir!“ „Kein Gold gestohlen?“ rief da der junge Amerikaner verwundert. „Habt Ihr denn den Einen nicht verwundet, und schossen die Indianer nicht mit Pfeilen herüber? Da stecken ja noch zwei in der Erde.“ „Ah bah“ -- sagte der Spieler verächtlich -- „was können sie denn mit dem Kinderspielwerk für Schaden thun. -- Auf achtzig Schritte schießen sie doch keinen Bogen Papier mehr durch -- und der eine Kerl -- nun der, von dem ich glaubte, daß er das Gold trüge und dem ich eine Kugel nachbrannte, -- hatte nur ein Stück eingewickeltes Fleisch -- ein Stück von einem Ochsenbein unter dem Arme. Der Lump muß einen schmählichen Hunger gehabt haben, eine Partie Knochen und Sehnen soweit mit herum zu schleppen.“ „Und da habt Ihr den armen Teufel so ohne weiteres niedergeschossen?“ „Ei, zum Henker, ich konnte nicht mehr mitkommen und fortlassen wollte ich die schwarze Bestie, die ich nun einmal für den Dieb hielt, auch nicht. Nun, wenn er’s jetzt nicht verdient hat, schadet’s gar nichts, an der Bande dann und wann ein Exempel zu statuiren; sie werden doch mit der Zeit zu frech und übermüthig -- der Kerl schoß ja wahrhaftig alle seine Pfeile nach mir ab, wie er die Kugel schon im Leibe hatte.“ „Ist er todt?“ frug ihn der Andere, tupfte seinen Finger in das Blut, das auf dem Laube lag, und besah es dann aufmerksam. „Ich weiß nicht,“ -- sagte der Spieler gleichgiltig, der indessen seine Büchse wieder geladen hatte und nun schulterte, „ich habe ihm aber auf’s Blatt gehalten und treffe sonst nicht übel.“ Damit wandte er sich und wollte der Richtung nach Douglas-Flat wieder zu schlendern. „Aber Gift und Klapperschlangen,“ rief der Amerikaner ärgerlich, „sollen wir denn die Verfolgung schon aufgeben und sind wir nur deshalb herausgekommen, daß wir den Frauen die Hütten über den Köpfen ansteckten und dem armen Teufel eine Kugel durch den Leib jagten? -- was machen wir jetzt mit dem Ostindier, wenn es doch wahr ist?“ „Der Ostindier kann zu -- Grase gehn,“ brummte der Spieler und stieg den Berg wieder hinan nach Rogers Zelt zurück, „des Lumps wegen habe ich mir den Athem nicht aus der Lunge gerannt. Ich wollte nur sehen ob die Canaillen wirklich das Gold hätten oder nicht.“ Er war bei den letzten Worten schon fast außer Sprechweite und den andern Männern blieb jetzt, da die Indianer indessen auch zuviel Vorsprung gewonnen hatten sie wieder einzuholen, nichts weiter übrig als seinem Beispiele zu folgen. „Der schwarze ostindische Schuft soll aber, wenn wir zurückkommen, beweisen, daß ihm das Gold wirklich gestohlen worden ist,“ rief da ein Amerikaner, den diese Art Gerechtigkeitspflege doch nicht so recht gefallen mochte, entrüstet aus: „Und wenn er das nicht vermag, so kann er sich darauf verlassen, das es ihm eine Weile schlecht geht.“ „Ja, der wird warten bis wir zurückkommen,“ lachte der Texaner, indem er die dort in der Erde steckenden Pfeile herauszog und zusammen nahm -- „der ist jetzt schon gewiß über alle Berge. Es sind aber doch bösartige Dinger, diese gläsernen Pfeilspitzen, und wenn die so in einer Wunde abbrechen wie hier im Boden, müssen sie verdammt böse Folgen nach sich ziehen -- vergiften sie ihre Pfeilspitzen auch manchmal?“ „Nein, ich glaube nicht,“ erwiederte ihm der Amerikaner, -- „habe wenigstens nie davon gehört, und so bösartig sind diese Stämme nicht. Aber kommt, es wird spät, und ich möchte nach dem Vorgefallenen hier nicht im Walde campiren. Verdenken könnte man’s den braunen Burschen wenigstens nicht wenn sie Rache nähmen.“ „O, hol’ sie der Böse, dazu sind sie zu feig,“ rief der Texaner, beschleunigte seine Schritte aber doch, und die Sonne stand noch ziemlich hoch am Himmel, als sie Douglas-Flat wieder erreichten. Das Verhör. Wie der Texaner glaubte, wäre es auch wohl geschehen, und der Ostindier nach dem Vorgefallenen schwerlich mehr an dem Abend in Douglas-Flat zu finden gewesen. Durch des Franzosen Dazwischenkunft war er aber verhindert worden diesen löblichen Vorsatz auszuführen, und als die Amerikaner zurückkamen und ihn noch vorfanden, ihr Gewissen überdies von einer übereilten Handlung nicht frei wußten, beschlossen sie ihn den Gerichten zu übergeben, damit diese die Sache jetzt (die nun doch einmal verpfuscht war) wieder in Ordnung bringen könnten. Der Ostindier sollte vorher übrigens noch gestehen ob er wirklich Gold bei sich gehabt hätte oder nicht. Er schien aber urplötzlich jede Kenntniß der englischen Sprache total verlernt zu haben, und fing auf eine so fürchterliche Art an zu kauderwelschen, daß weder Sinn noch Verstand in das was er sagte zu bringen war. Seine Inquisitoren mußten es in Verzweiflung aufgeben, und ein paar Freiwillige wurden aufgerufen, die ihn noch an dem Abend an den Alkalden in Murphys New Diggins oder Stoutenburgk, wie der Ort genannt wurde, abliefern sollten. Freiwillige fanden sich hiezu genug, denn die zahlreichen Spieltische in Stoutenburgk lockten doch fast jeden Abend einen großen Theil der Goldwäscher aus Douglas-Flat dort hinüber, und bald darauf wurde der Ostindier, wegen dem vor ein paar Stunden die ganzen Minen in Alarm gekommen, und auf dessen bloses Wort hin Menschenblut -- und wahrscheinlich das Blut eines Unschuldigen -- vergossen war, mit auf den Rücken gebundenen Händen nach Stoutenburgk geführt, und dort dem Sheriff zu weiterer Untersuchung übergeben. Noch an demselben Abend kamen aber zwei der Kayota-Indianer als Abgesandte ihres Stammes nach Stoutenburgk. Beide sprachen etwas englisch, ließen sich vor den Alkalden führen und brachten dort ihre Klagen gegen die weißen Männer vor, die sie überfallen und auf sie geschossen hätten. Sie frugen dabei, ob die Bleichgesichter wirklich Krieg mit ihnen, die sie nie gekränkt oder beleidigt hätten, führen wollten, oder ob das blos ein Paar „~bad men~“ gewesen wären, die ihren armen Kameraden „~potolok~“ gemacht. Major Lyatt, der Alkalde von Murphys New Diggins, ein kleiner dicker Mann, der vielleicht manchen andern Platz -- besonders wo Fleisch nöthig war -- vortrefflich ausgefüllt haben würde, hatte jedoch nicht den mindesten Begriff von irgend einer Rechtssache, und stürzte sich in alle dergleichen Geschichten mit wahrer Todesverachtung, nur der Unzen wegen, die er nie versäumte daraus zu ziehen. Hier aber schien ein ganz verwickelter Fall vorkommen zu sollen, und -- das schlimmste bei der ganzen Sache -- weder Kläger noch Verklagte hatten Gold, nicht einmal das übliche Honorar, eine einzelne lumpige Unze war zu erwarten. Trotzdem konnte er hier, wo Blut vergossen war, die Kläger nicht abweisen, noch dazu da die Regierung der Vereinigten Staaten durch besondere Statuten die Indianer Californiens unter die Gerichtsbarkeit, also auch unter den Schutz der respectiven Alkalden oder Friedensrichter gestellt hatte. Er mußte also nothgedrungen in den sauren Apfel beißen und versprach, die Sache morgen zu untersuchen; auch den Angeklagten so lange in Verhaft zu halten und bewachen zu lassen. Davon wollten die Indianer aber nichts hören. Sie schienen den Weißen insofern nicht zu trauen, daß diese den Ostindier vielleicht wieder über Nacht entwischen ließen und damit auf eine geschickte Weise den eigenen Nacken aus der unangenehm gewordenen Affaire zögen. Selber erboten sie sich daher den Gefangenen, der die Ursache des vergossenen Blutes gewesen sei, zu bewachen. Sie warteten auch gar keine Antwort weiter ab, sondern nahmen jeder zwei Pfeile aus ihren Köchern von Fuchsfellen, hielten diese auswendig am Köcher mit der linken Hand, während die rechte den gespannten Bogen trug, und setzten sich so gerüstet neben den Gefangenen nieder. Diesem waren indessen die Hände losgebunden und er saß frei die ganze Nacht zwischen seinen beiden Wächtern, aber er rührte sich nicht von der Stelle. Er wußte recht gut was ihm bevorstand, wenn er versucht hätte zu entfliehen. Die Indianer hatten übrigens noch keine Idee von der gegen sie erhobenen Klage, dem Ostindier neunzehn Tausend Dollar abgenommen zu haben -- ebenso schienen sie zu glauben daß er, und nicht etwa einer von den Weißen, ihren Kameraden erschossen habe. Aus ihren Reden ging das wenigstens hervor, und die Amerikaner hüteten sich ihnen den Glauben zu benehmen. Wie sie den Abend, wie sie die ganze Nacht gesessen, so saßen sie noch am nächsten Morgen und hielten Wacht, und der Ostindier lag zwischen ihnen und schlief. Er wußte, daß er keine Hinterlist von diesen rothen, zwar wilden, aber noch unverdorbenen Kindern der Wildniß zu fürchten hatte. An diesem Nachmittage sollte das Verhör sein, vorher aber wurde eine Jury erwählt, welche die Indianer in ihrem Lager besuchen und den ~status quo~ untersuchen sollte. Der Sheriff hatte den Richter darauf aufmerksam gemacht, daß man +vor+ dem Verhöre jedenfalls Erkundigung einziehen müsse, ob der geschossene Indianer wirklich todt, oder vielleicht nur leicht verwundet sei, und indessen Zeugen aufsuchen, den wirklichen Thäter -- jenen Spieler -- zu belangen und ihn dann ebenfalls nach dem Gesetze zu bestrafen. Zu gleicher Zeit wollte er sehen herauszubekommen, ob der Ostindier wirklich Gold bei sich geführt habe oder nicht, und wo er die letzte Zeit, ehe er nach Douglas Flat gekommen sei, sich aufgehalten. Der Sheriff war zugleich der Fleischer des Orts, ein Irländer, und ein höchst rechtlicher und unerschrockener Mann, der übrigens die barocke Idee hatte, daß ihn der Richter, wie er selber auch gesonnen sei Kopf und Kragen an Ausübung wirklicher Gerechtigkeit zu setzen, dabei unterstützen müßte. Der Richter hatte weit wichtigere Sachen im Kopfe -- er mußte kleine Stücke Land, acht Fuß lang und vier Fuß breit ~à~ zwei Dollar per Stück als „Claims“ in Murphys Flat an Stellen verkaufen, die schon zwei- und dreimal über verkauft waren. Dabei dachte er gar nicht daran es mit den Texanern etwa zu verderben, die seine besten Kunden waren, und dem Gesetz zum Trotz, das jedem nur +einen+ Claim in der Flat zusprach, nicht allein schon zehn und zwölf nach allen Richtungen hin angekauft hatten, sondern noch dreimal mehr beanspruchten. Die Jury wurde gewählt, das Verhör auf den Nachmittag angesetzt, und wir wanderten jetzt unserer sechse, von zwei Indianern, die den Morgen noch in das Lager gekommen waren, begleitet den Bergen zu. Dort hinauf hatten sich die verscheuchten Indianer so lange geflüchtet, bis ihnen erst die Gewißheit werden sollte, ob die Weißen Krieg oder Frieden mit ihnen beabsichtigten. Der Halteplatz der flüchtigen Indianer. Wir waren unserer sechse, hatten aber alle unsere Waffen, selbst die Messer, zurückgelassen, die armen Teufel von Indianer nicht noch mehr zu ängstigen. Nur der Sheriff trug seinen „Revolver,“ ein sechsläufiges Pistol, hinten im Gürtel. Die beiden Indianer dagegen führten jeder eine einläufige Flinte, Pulverhorn und Schrotbeutel, so daß es fast aussah, als ob sie uns als Gefangene in die Berge escortirten. Unterwegs schauten uns auch ein Paar Züge von wandernden Goldwäschern, denen wir begegneten und die von dem ganzen Lärm noch gar nichts gehört hatten, verwundert genug nach, wir hielten uns aber mit diesen nicht auf, sondern wanderten rasch durch die weite Ebene, auf die der Sonne Strahlen sengend niederbrannten, die schattigeren Hügel sobald als möglich zu erreichen. Unsere braunen Begleiter sprachen auch über die Ebene hin kein Wort. Lautlos und mit gesenkten Köpfen gingen sie dicht hinter einander, aber so rasch her, daß wir kaum zu folgen vermochten. Der eine Amerikaner, ein dicker, wohlbeleibter Gesell, das Gesicht glühend und die großen klaren Schweißperlen auf der Stirn, erklärte endlich feierlich -- d. h. er schrie hinter uns drein -- er könne nicht mehr mit, und wenn das Gericht den sechsten Theil der Jury auf so leichtsinnige Art hinten lassen wollte, so möge es das auf seine eigene Verantwortung thun, er aber wasche seine Hände in Unschuld. Dabei biß er in stiller Resignation ein riesiges Priemchen von einer langen Stange Tabak, die er bis dahin wie einen Dolch in der Hand gehalten, ab. Die Indianer, denen das begreiflich gemacht wurde, gingen von jetzt an zwar etwas langsamer, immer aber noch in einer Art kurzem Trab, und erst als wir an den Hügel kamen, blieben sie zum ersten Mal stehen, untersuchten rechts und links den schmalen Hirschpfad, den wir die letzte halbe Stunde gefolgt waren, und bogen dann rechts nach einer niedern Hügelkuppe, die von höheren Wänden umgeben war, ab. Ziemlich auf dem Gipfel angekommen, hielt Einer von ihnen einen Moment und stieß dann plötzlich einen scharfen, gellenden Schrei aus, der zu unserem Erstaunen fast in derselben Secunde und zwar dicht neben uns beantwortet wurde. Dabei sprang hinter einem Baumstamme, an dem wir so nahe vorübergegangen waren, daß wir ihn hätten mit dem Fuße berühren können, ein bewaffneter und bemalter Krieger mit Bogen und Pfeilen vor, wechselte, ohne uns weiter auch nur eines Blicks zu würdigen, ein Paar Worte mit unsern Begleitern, und schritt uns dann rasch voran. Eine Meile mochten wir auf diese Art wieder gemacht haben, als er einem von unseren früheren Führern ein Zeichen gab, und dieser gleich darauf erst sein Gewehr losschoß und dann dicht danach einen gellenden Kreisch, wie früher, ausstieß. Der Ruf wurde von beiden Seiten in der Ferne beantwortet, und als wir schon wieder weiter schritten, sah ich wie rechts und links an beiden Hügelhängen ein Paar bewaffnete braune Gestalten über die Felsen fortsprangen und mit uns, ohne näher zu kommen, Schritt zu halten suchten. Der Indianer hatte wieder geladen, und der andere schoß bald darauf sein Gewehr auf ähnliche Art ab, wonach wieder fremde Gestalten sich unserem Zuge in der Ferne anschlossen. In solcher Weise zogen diese braunen Söhne der Berge ihre Vorposten zusammen, und auf den Haupttrupp zurück, und zeigten den Ihren dadurch zu gleicher Zeit an, daß die Weißen friedlich gesinnt seien und sie weiter keinen Angriff zu erwarten hätten. Wir kamen jetzt an das angezündete indianische Lager. Es war ein trauriger Anblick: halbverbrannte wollene Decken und Lederschürzen, die noch an den verkohlten Zweigen hingen -- auf der Erde die zerstreuten oder versengten Provisionen -- hier sogar noch die Stücken eines kleinen Kinderkorbes, der zurückgeblieben war als die Mutter, wahrscheinlich in Todesangst, ihr Kind aufgriff, sein und ihr Leben in Sicherheit zu bringen. Der Indianer mit Bogen und Pfeilen, der sich uns zuerst angeschlossen hatte, blieb einen Moment stehen, sah auf sein Lager und dann auf uns -- ich mochte seinem Blicke nicht begegnen -- aber er sprach kein Wort. -- Die Andern schritten, ohne auch nur einen Blick auf ihr zerstörtes Eigenthum zu werfen, schweigend und finster daran vorüber. Wir stiegen von hier aus in der Schlucht eines kleinen Baches bis zu dem Gipfel hinauf, an dem er entsprang. Unser Zug war dabei, schon lange ehe wir den Ort unserer Bestimmung erreichten, angekündigt worden, denn von verschiedenen Seiten wurden Rufe gethan und beantwortet. Endlich näherten wir uns dem oberen Rücken des Berges, und meine Begleiter hielten, denn hier standen einige zwanzig Krieger, alle ihre Bogen in der Hand und mehrere sogar die Pfeile wie größerer Bequemlichkeit wegen, schon aufgelegt. Ich kannte aber diese Indianer schon und hatte mich ihnen in mancher Hinsicht freundlich bewiesen, glaubte daher auch nicht etwas von ihnen fürchten zu dürfen. Außerdem war es keineswegs gerathen, in einem solchen Augenblicke Furcht zu zeigen, und ich sprang rasch den etwa noch hundert Fuß hohen Abhang hinauf, gerade in ihre Mitte. Nie werde ich den Anblick vergessen der sich mir hier bot, denn wenn mir auch hie und da aus dunkelglühenden Augen finstere Blicke entgegenblitzten, und besonders ein alter Krieger mit grauem Haar und kalten starren Zügen gar keine üble Lust zu haben schien, die Glasspitze seines Pfeils an meiner Haut zu versuchen, -- ja er spannte sogar, wie unwillkürlich, die Sehne des Bogens, und nur als mein Blick dem seinen fest begegnete, ließ er sie wieder, aber nur langsam und widerstrebend, nach, -- nahm doch das Wunderbare, Wilde, Eigenthümliche all der mich umgebenden Gruppen meine Aufmerksamkeit augenblicklich und einzig und allein in Anspruch. Den Mittelpunkt bildete der unglückliche Verwundete, der aufgerichtet unter einer niedern Eiche stand, und seine linke Hand auf die Schulter seines Weibes stützte. -- Er stand aufrecht, aber in seinen Zügen lag der Tod, und die Lippen zuckten von nur mühsam verhaltenem Schmerz. Sein Oberkörper war nackt, nur um die Hüften trug er ein altes, blutbeflecktes Stück Cattun geschlagen, und seine Farbe hatte das Braunglänzende verloren und mehr ein mattes Graubraun angenommen. Seinem armen Weib perlten dabei die großen hellen Thränen die dunklen Wangen herunter, aber sie sprach kein Wort, keine Klage kam über ihre Lippen. Nur ihr Blick flog manchmal zu dem des Leidenden empor, und senkte sich dann wieder still zur Erde nieder. Um ihn her standen fünf oder sechs Männer, wie alle Anderen mit ihren Bogen und Pfeilen in der Hand, und sahen vorwurfsvoll zu mir herüber. -- „Das hat Einer von euch Weißen gethan!“ sagte der Aelteste in gebrochenem Spanisch; ein Jüngerer aber vertheidigte mich -- „~Americano~“ sagte er -- „~no Alemano~“ -- Er hatte aber auch recht; ich glaube nicht daß ein Deutscher so leichtsinnig auf einen armen Teufel von Wilden geschossen hätte. Etwa zwanzig Schritte zurück lagerten die Frauen mit ihren Kindern und den wenig geretteten Habseligkeiten, und hie und da keuchten noch andere mit den spitzen, um die Stirne mit Tragbändern befestigten schwergeladenen Körben, hie und da auch noch ein Kind obendrauf, herauf, und drückten sich scheu und furchtsam, so weit sie konnten von den fremden Weißen zurück -- wußten die Armen doch nicht, ob ihnen aus dem neuen Zusammentreffen nicht wieder ein Unglück und Kummer bereitet werde. Und um sie her breiteten sich die weiten, mit den herrlichen Fichten bedeckten Berge Californiens, und die Sonne lag weich und warm auf den kühlen Schatten der Gebirge. Armes Volk, es ist das nur das Vorspiel zu deinen spätern Leiden, und du wirst einst das Schicksal deiner rothen Brüder in allen anderen Ländern der Erde theilen müssen -- aber tröste dich, du wirst dafür civilisirt. Wenn der Letzte deines Stammes, der vielleicht all die Deinen, durch Stahl, Blei, ansteckende Krankheiten durch Habsucht und Goldgier oder das vernichtende Feuerwasser der Weißen in die stille Erde sinken sah, stumm und traurig an ihren Gräbern steht, mag er sich damit trösten, daß er zwar Alles verloren was er auf dieser Welt sein eigen nannte, -- aber die christliche Religion ist ihnen doch verkündet worden, und -- der Versuch ist gemacht, ob sie nicht der Cultur gewonnen werden könnten. Daß das nicht anging war allerdings traurig, aber auch nicht der Christen Schuld. In der Bibel steht: „Gehet hin und lehret alle Heiden,“ und dazu gehörten sie ebenfalls -- warum konnten sie das nicht vertragen. -- -- Und nun die Entdeckung des Goldes gar: Lieber Gott, in den anderen Ländern ließ man den armen Teufeln doch noch Zeit, sich wenigstens selber unter einander aufzureiben, da aber, wo das Gold die Leidenschaften noch außerdem anfachte -- nicht blos die Fruchtbarkeit des Bodens oder der Reiz ihrer Weiber -- da ging die Civilisation mit rasenden Schritten vorwärts -- nur das Resultat blieb dasselbe. Wir hatten unter unserer Jury einen Doktor -- wenigstens nannte er sich so, und trug zum Beweis ein Besteck mit chirurgischen Instrumenten bei sich; der untersuchte jetzt vor allen Dingen den Verwundeten. Die Indianer schienen, als sie das sahen, großes Vertrauen in ihn zu setzen -- die Frau wenigstens verschlang, während er die Wunde besichtigte, mit gierigen Blicken den Ausdruck seiner Züge. Er wußte aber keinen Rath dafür, und ich glaube auch kaum, daß noch ein Arzt auf der Welt dem armen Burschen hätte helfen können. Die Kugel war hinten im Rücken, dicht neben dem Rückgrat auf der rechten Seite etwa zwei Hände hoch über der rechten Hüfte eingegangen, und saß allem Anschein nach irgendwo an der linken Seite inwendig fest -- der Schießende hatte beim Schuß etwa dreißig Fuß höher gestanden, als das Opfer. Die Oeffnung, wo die Kugel eingegangen war klein -- die Büchse schoß etwa 35 Kugeln auf das Pfund. Der Doktor schüttelte mit dem Kopfe, stand auf und überließ den Verwundeten seinen Freunden. Dieser konnte sich jetzt auch nicht mehr länger aufrecht halten, und man sah ihm an welche entsetzliche Mühe er sich dazu gegeben hatte. Langsam ließen sie ihn auf die Erde nieder und die Frau breitete ihre Decke unter seinen Rücken und legte seinen Kopf in ihren Schooß. Er schien das Alles freilich nicht mehr zu fühlen; sein Blick sah starr in den grünen Wipfel der Eiche hinauf, unter der er lag, und nur manchmal rang sich, so sehr er sich auch Mühe gab das zu unterdrücken, ein leiser Seufzer aus seiner Brust. Hier oben war weiter nicht viel zu thun, als herauszubekommen weshalb die Indianer den Schwarzen eigentlich verfolgt hätten, und ob es wahr sei daß dieser Gold bei sich gehabt habe. Einer der Weißen, der schon drei Jahre in Californien lebte, sprach die Sprache der Indianer ziemlich fertig und suchte nun Erkundigungen einzuziehen. Nach Aussage der Indianer -- und später abgehörte Zeugen machten das auch wahrscheinlich -- verhielt sich die Sache einfach so: Der Ostindier war an dem vorigen Abend zu ihrem Lager gekommen und hatte mit ihnen gegessen und die Nacht dort geschlafen. Schon am Abend hatte er versucht, mit einer oder der anderen von den Frauen anzuknüpfen -- und ich glaube, daß es wenig wilde Stämme giebt, von denen die Frauen zurückgezogener und keuscher leben -- war aber von allen zurückgewiesen, und mochte nun wohl geglaubt haben daß ihm die Gegenwart der Männer blos hinderlich wäre. Er verhielt sich also die Nacht ziemlich ruhig und verließ am nächsten Morgen das Lager, bis er glaubte, daß die Männer etwa auf die Jagd oder ihren sonstigen Beschäftigungen nachgegangen wären. Dann kehrte er zurück, und suchte mit Gewalt das zu erreichen, was ihm durch Ueberredung nicht möglich gewesen war. Dabei kam er aber bös an, wie der Blitz waren ein Paar von den Männern bei der Hand, und der Ostindier behielt eben nur noch Zeit, sein Bündel aufzufassen und die Flucht zu ergreifen. Im Fliehen hatte er nachher, wie Einer der Indianer sagte, das kleine Packet Kleidungsstücke von sich geworfen, und es war in dem Lager zurückgeblieben, wo es wahrscheinlich mit den übrigen Sachen verbrannte -- oder auch noch dort lag -- es hatte sich Niemand weiter darum gekümmert. Von Gold wußten sie gar nichts -- und hatten keines bei ihm gesehen. Der Golddiebstahl war von dem Hallunken rein erfunden, und ihm sonst von den Indianern gar kein Schaden zugefügt worden; nur aus ihrer Nähe hatten sie ihn vertreiben wollen, und nicht einmal mit einem Pfeile nach ihm geschossen -- und dafür dies Elend. In einer recht trüben und wehmüthigen Stimmung verließen wir Alle das Lager, jetzt aber von einer größeren Anzahl der Indianer begleitet. Diese hatten nämlich nun erfahren, was der Ostindier von ihnen erzählt, und wollten im Lager der Weißen ihre Unschuld beweisen und den Schurken bestraft wissen. Ihr großer Häuptling, -- Jesus genannt, -- der unter seiner Oberherrschaft die verschiedenen Stämme des Magualome, Calaveres und Stanislaus vereinigte, war gerade jetzt leider nicht anwesend. Der Häuptling der Kayotas ging aber mit uns hinunter und ihm folgten etwa noch zwölf oder sechzehn seiner jungen Leute, Alle mit Bogen und Pfeilen bewaffnet -- die meisten nackt, nur mit einem Tuch um die Hüften, und einige mit einem bunten Hemd bekleidet. Als wir den Hügel verließen blieben alle Indianer plötzlich stehen und schauten zurück -- der Verwundete lag ausgestreckt auf der Decke und athmete schwer -- sein Weib saß starr und regungslos ihm zu Häupten. Keine Thräne hing mehr an ihren Wimpern aber ihr Blick haftete fest und stier, fast ausdruckslos auf der wogenden Brust des Sterbenden. Ueber diesen aber hingebeugt lag jetzt eine alte Frau -- seine Mutter -- und ihr schrilles monotones Wehgeschrei zuckte mir durch die innersten Nerven. Es war ein entsetzlicher Augenblick und ich floh, ihm so schnell als möglich zu entgehen, mit raschen Sätzen den Berg hinunter. Als ich unten ankam, folgten mir die übrigen Weißen und bald darnach schlossen sich auch die Indianer wieder unserem Zuge an. Wir wanderten, ohne weiter ein Wort mitsammen zu wechseln, jeder mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt, vorwärts. Ueber dem Gipfel des Berges aber schwebten ein paar Aasgeier mit langsam faulen Flügelschlägen. Das Urtheil. Nachmittags drei Uhr etwa kamen wir zurück, und es wurde augenblicklich eine neue Jury gewählt, das Verhör des Ostindiers zu beginnen. Indessen hatten sich noch mehrere Zeugen von Carsons Flat, (etwa zehn Meilen entfernte Minen) eingefunden. Die sechs Jurymänner, den Richter oben an, nahmen an einem Tische Platz, und der Ostindier, dessen freiwillige Wache noch immer die Indianer waren, wurde in dem zum Verhör bestimmten Raum -- eines der gewöhnlichen Spiel- und Trinkzelte -- geführt. Er sah fast stahlgrau aus, denn einige der Amerikaner hatten sich einen Spaß daraus gemacht ihm zu sagen, seinetwegen sei ein Mensch erschossen worden und er solle nun aufgehenkt werden. Obgleich er kein Wort darauf erwiederte, und auch that als ob er es gar nicht verstehe, hatte er seit der Zeit zum ersten Mal einen Versuch zu entwischen gemacht, der aber natürlich an der Wachsamkeit der Indianer gründlich scheiterte. Er war von jetzt an unruhig und ängstlich, und der kalte Schweiß stand ihm auf der Stirne, aber er hatte diese Züchtigung in reichem Maß verdient. Nachdem zum Eingang einigen Gesetzformen genügt war, und der Sheriff gemeldet hatte daß der Indianer, der Mittags zwar noch lebte, jetzt aber wahrscheinlich schon todt sei -- und so wies es sich auch später aus -- von einem Weißen aus Douglas-Flat, dessen Namen er aber habe noch nicht erfahren können, getödtet sei, erbat er sich einen Verhaftsbefehl, den Mörder aufzugreifen. Dazu schien der Richter indessen nicht die mindeste Lust zu haben. Die Texaner in Murphys Diggins hatten nämlich an dem Nachmittage laut geäußert, daß sie dem, der Hand an einen Weißen legen würde, weil er eine verdammte Rothhaut umgeworfen, oder auch dem der nur den Befehl dazu geben sollte, mit größtem Vergnügen eine Kugel durch den Pelz jagen würden, und dabei schlenderten die wilden trotzigen Burschen in größter Gemüthsruhe mit ihren Büchsen auf der Schulter in dem kleinen Minenstädtchen auf und ab. Der Richter erklärte jetzt -- armer Major Lyatt -- er werde das Gesetz jedenfalls aufrecht halten, könne aber keinen Verhaftsbefehl ausstellen, ehe Jemand als wirklicher Kläger gegen den betreffenden Mann, „der den Indianer verwundet haben sollte,“ auftreten und ihm den vollen Namen desselben nennen würde, damit er danach einen ~Warrant~ ausstellen könne. Er wandte sich hierauf selber an die Umstehenden und frug sie, ob Einer von ihnen den Namen vollständig wisse -- als ihm dieß Niemand beantworten konnte, schwieg er etwa eine halbe Minute und +erklärte dann diese Anklage plötzlich als erledigt+. Auf eine Einsprache hernach erwiederte er mürrisch, daß +er+ Richter sei und recht gut wisse was er zu thun oder zu lassen habe, und daß sich Jeder nur um sich selber bekümmern solle. Nach diesem Akte Californischer Gerechtigkeitspflege kam das Verhör des Ostindiers, und dieß schien mit großem Eifer betrieben zu werden. Der braune Bursche wurde hereingeführt, und vor allen Dingen hörte man die weißen Zeugen gegen ihn ab. Hierzu gehörte erstens die Jury, die oben in den Bergen gewesen war. Von dieser weigerte sich aber ein Theil, gegen den Ostindier auszusagen, bis der weiße Mörder nicht verhaftet wäre, und da sich der Richter hierauf nicht einlassen wollte, begnügte er sich mit dem Zeugniß zweier Amerikaner, die ihm berichteten wie sie die Amerikaner oben in den Bergen gefunden hätten, und daß sie glaubten der Verwundete würde diese Nacht nicht überleben können. Hiernach kamen die Zeugen von Carsons Flat, zwei Wirthe, die aussagten, der Ostindier sei vor zwei Abenden in ihren Zelten gewesen und habe ein Glas getrunken, nachher aber nicht Geld genug gehabt dafür zu bezahlen, und sie hätten ihn hinausgeworfen. Der eine von diesen war ein junger Mann, der schon lange Jahre zwischen den Indianern lebte, ihre Sprache vollkommen gut redete, und auch, in indianischer Art, einen breiten Perlmutterschmuck um den Hals trug. Er sagte aus, daß er gerade diese Stämme, so lange er in Californien sei, kenne, und daß er noch nie von ihnen gehört habe, wie sie entweder einen Menschen beraubt noch sonst beschädigt hätten. Als vollkommen Fremder war er zu ihnen gekommen und auf das gastlichste aufgenommen worden. Er sprach zum Schluß seine feste Ueberzeugung aus, daß der Ostindier sie schwer beleidiget haben müsse, ehe er sie dahin bringen konnte ihn gewaltsam fortzujagen. Daß sie ihm neunzehn Tausend Dollar gestohlen haben sollten sei reiner Unsinn -- er glaube nicht daß der schwarze Hallunke neunzehn Cent bei sich gehabt hätte. Hierauf wurden die Indianer vorgerufen, und der Richter entschuldigte sich bei der Jury daß er Indianer zu Zeugen aufrufe, was, nach den Gesetzen der Vereinigten Staaten, gegen +Weiße+ unter keiner Bedingung geschehen könne; mit dem Ostindier, der aber doch ein „halber Nigger“ sei, glaube er, daß +er+ eine Ausnahme machen dürfe. Dieser sei, seiner Ansicht nach, selber nicht besser wie ein Indianer und stünde mit den letzteren auf vollkommen gleichem Fuße. Die Indianer wurden auf spanisch verhört, was dem +Alkalden+ -- wunderbare Ironie des spanischen Titels -- erst übersetzt werden mußte. Sie sagten das nämliche aus was wir schon oben auf den Bergen von ihnen gehört hatten, und frugen dann, „wo der weiße Mann sei der ihren Bruder geschossen habe.“ Da sie das, nach des Richters Meinung, gar nichts anging, hielt es dieser auch nicht für nöthig ihnen darauf zu antworten, und wandte sich nun mit der Bemerkung an den Protocollführer, Alles auch hübsch ordentlich niederzuschreiben. Dieser hatte bis jetzt an der Feder gekaut und den Datum noch nicht einmal auf dem Papiere. Der Richter wandte sich hierauf gravitätisch und mit der vortrefflichsten Amtsmiene an den Ostindier, der bis dahin die jedesmaligen Sprecher, ob sie nun spanisch oder englisch sprachen, so lange sie redeten starr und ängstlich beobachtet, aber sicherlich nicht das zehnte Wort von dem Englischen und gar nichts von dem Spanischen verstanden hatte, und frug ihn: „+was er auf die eben vorgebrachten Zeugenaussagen zu erwiedern habe?+“ Der Indier schwieg natürlich, sah ihn aber mit den dunklen Augen erschreckt an -- er glaubte wahrscheinlich, daß ihm jetzt das Urtheil bekannt gemacht werden sollte. „Aber Richter,“ -- meinte da der Sheriff trocken, „wenn er all das Gesprochene nicht versteht, wie soll er denn da gegen die Zeugen sich vertheidigen? -- wir brauchen einen Bombay-Dolmetscher -- weiter Nichts. Hallo, da ist Einer der spricht deutsch, der wird ja auch wohl bombaysch können.“ „Sein Sie so gut,“ antwortete ihm der Deutsche -- „Bombay liegt nicht in unserm Kirchspiel.“ „Ja aber, was ist da zu thun?“ sagte der Richter, die Achsel zuckend; „ich spreche auch nicht bombaysch -- versteht denn kein Mensch das verdammte Kauderwelsch?“ „Laßt mich einmal zu ihm!“ sagte jetzt ein langer breitschulteriger Yankee, der bis dahin, ohne eine Sylbe zu äußern, in der einen Ecke gestanden und den Ostindier angeglotzt hatte als ob er ihn verschlingen wollte. „Laßt mich einmal zu ihm!“ „Das ist recht, Barneywater, versucht’s einmal!“ sagte der Richter aufmunternd; „schwört ihn als Dolmetscher ein. Sheriff -- schwört ihn als Dolmetscher ein!“ Der Yankee arbeitete sich indessen zu dem Ostindier durch, und dieser, als er den langen, bleichen Menschen mit dem finster entschlossenen Gesicht auf sich eindrängen sah, schien das Schlimmste zu fürchten. Er drückte sich, so weit es die ihn Umstehenden gestatteten, zurück, und sah sich ängstlich nach Hülfe um. Die hie und da lächelnden Gesichter die ihn umgaben, mochten ihm um so entsetzlicher vorkommen. Der Yankee hatte ihn jetzt erreicht, faßte ihn mit der rechten Hand an der Schulter und bog sich zu ihm nieder. „~Solu gu’a orang~,“ stöhnte der Indier. „~Never mind~,“ sagte der Yankee, und schrie ihm dann, als ob er ein Schiff aus weiter See anriefe, in die Ohren: „He du! hast du was dagegen einzuwenden, was die Zeugen da eben gegen dich ausgesagt haben?“ Der Indier stieß ein paar kurze, abgebrochene Worte heraus -- der kalte Todesschweiß stand ihm auf der Stirn, die meisten der Umstehenden lachten aber, und nur der Richter schrie: „Das ist ja aber nicht bombaysch -- das versteh’ ich auch!“ „Na, +ich+ kann doch nicht bombaysch!“ sagte der Yankee, sich verächtlich nach ihm umsehend; „in Connecticut sprechen sie rein amerikanisch.“ „Ja dann hilft uns ja aber auch die ganze Geschichte Nichts!“ klagte der Richter. „Gentlemen!“ nahm hier plötzlich ein eben hinzugekommener Fremder, der nicht wie einer der Goldwäscher aussah, sondern einen schwarzen Frack und Seidenhut trug, das Wort, „ich protestire hier feierlich gegen jedes solche Verfahren, als Sie ausüben zu wollen scheinen. Sie dürfen den Mann nicht zum Tode verurtheilen, das steht nur dem Distriktsgerichte zu „Double Spring“ zu, und Sie werden die Folgen, die etwa daraus entstehen könnten, dann ganz sich selber zuzuschreiben haben.“ „Wer ist denn das? -- wo kommt der auf einmal her? -- was will er hier? --“ lief es von Mund zu Mund in der Versammlung, und „der Collecteur, es ist der Licenzausgeber, der eben eingetroffen ist!“ lautete alsbald die beruhigende Versicherung. „Aber wer sagt Ihnen denn, daß der Mann auf ein todeswürdiges Verbrechen angeklagt ist?“ fuhr der Richter erschreckt auf. „Dürfte ich um ihren werthen Namen bitten?“ „Sie +dürfen+ ihn gar nicht auf ein todeswürdiges Verbrechen anklagen!“ fuhr der unverbesserliche Dazwischenredner keineswegs eingeschüchtert fort. „Das steht, wie, ich Ihnen schon einmal die Ehre hatte zu bemerken, nur dem Distriktsgericht in Double Spring zu, und +wenn+ Sie es thun, so begehen sie als Friedensrichter eine ungesetzliche Handlung -- wenn Sie mir die Bemerkung nicht übelnehmen.“ „+Dürfte+ ich um Ihren werthen Namen bitten?“ rief der Richter. „Sie werden -- Sheriff, halten Sie gefälligst das Maul, ich will dem Herrn die Sache schon auseinander setzen -- Sie werden mir doch erlauben Sie zu bedeuten, daß wir noch gar nicht daran gedacht haben, den Mann auf Leben und Tod zu --“ „Sie +haben+ auch gar nicht über Leben und Tod abzuurtheilen!“ schrie der unverwüstliche Collektor, der eben so wenig wie der Ostindier zu verstehen schien, was überhaupt gesagt wurde. „Ich habe schon die Ehre gehabt Ihnen zu bemerken, daß das allein dem Distriktsgericht in Double Spring zusteht, und ich protestire hiemit feierlich gegen jede derartige, auf’s äußerste ungesetzliche Verhandlung.“ Und mit diesen letzten Worten schoß er wie ein Pfeil aus dem Zelt. Ihm nach aber tönte das Gelächter der Umstehenden und nur der Richter schrie jetzt, auf’s äußerste erboßt und mit einem feuerrothen Kopf: „Ich verweise hiemit den unberufenen Sprecher zur Ruhe -- ~Sheriff order~ -- Donnerwetter, warum thut Ihr Euere Pflicht nicht; soll ich nicht allein den Alkalde, sondern auch noch obendrein den Sheriff spielen?“ Dies kleine Intermezzo, dem der Ostindier übrigens mit ängstlicher Spannung zugehört, diente in etwas dazu, die sonst feindliche Stimmung gegen den Angeklagten zu mildern. Verständlich war ihm dabei doch nichts zu machen, da selbst die letzte Hoffnung auf Barneywater fehlgeschlagen, die Beweise aber sämmtlich gegen ihn, daß seine Aussage falsch gewesen, und durch seine Veranlassung Menschenblut vergossen war. Die Jury verständigte sich deshalb dahin, daß ihm am nächsten Morgen -- denn die Dämmerung fing jetzt schon an einzubrechen -- fünf und zwanzig Peitschenhiebe gegeben, und er aus diesen südlichen Minen für immer verwiesen würde. Das Urtheil sollte ihm gerade bekannt gemacht werden, als ein anderer kleiner Zwischenfall den Ernst der ganzen Verhandlung mit Tischen und Stühlen über den Haufen zu werfen drohte. Zwei große Hunde nämlich, die sich dicht vor dem Zelt schon eine ganze Weile dermaßen angeknurrt hatten, daß die, im Innern desselben und ihnen am nächsten Stehenden schon besorgliche Blicke nach der dünnen Leinwand warfen und aus der Gegend wegzudrängen suchten, brachen, durch Muthwillige noch außerdem gehetzt, in offene Feindseligkeiten aus. Natürlich nahmen sie dabei mehr auf ihre eigene Haut, als auf die Beine der benachbarten Menschen Rücksicht, und ehe nur irgend einer die Katastrophe verhindern konnte, befanden sich die beiden Streiter unter dem löblichen Gerichtstische, den sie augenblicklich aus seinen Angeln hoben, daß er wie ein Schiff auf stürmischem Meere wogte und schwankte. Der Sheriff fing mit merkwürdiger Geistesgegenwart das Dintenfaß in seinem Hute auf, und Barneywater, der mit seinem langen Leichnam gerade die oberen Zeltstützen erreichen konnte, erfaßte diese, hoch aufgreifend, und zog seine langen Beine aus dem Bereich jeder möglichen Verletzung. Dem Ostindier schien bei dieser allgemeinen Verwirrung eine Idee von plötzlicher Flucht durch das Hirn zu zucken -- er warf die Blicke rechts und links hinüber und richtete sich hoch auf. Wäre er auch nur von Weißen bewacht gewesen, hätte es ihm am Ende in der mehr und mehr zunehmenden Dämmerung vielleicht gelingen können, denn er war nicht gebunden und sehnig genug gebaut, ein guter Läufer zu sein. So aber standen ihm rechts und links ein paar eben so braune dunkeläugige Burschen zur Seite als er selber war, und wenn sie auch ein Auge zum Besten ihrer eigenen nackten Beine verwandten, damit die bissigen Hunde denen nicht vielleicht unerwartet zu nahe kämen, hielten sie das andere doch fest auf ihrem Gefangenen -- und dieser überzeugte sich bald, daß er hier keine Aussicht auf Entrinnen habe. Die Ruhe wurde indessen wieder hergestellt. Einzelne, die ihre Beine sicher wußten, schienen sich allerdings das allergrößte Vergnügen daraus zu machen, die Thiere noch mehr anzuhetzen. Glücklicher Weise befanden sich aber die beiden Eigenthümer der Thiere in der Nähe, erfaßten sie bei den Halsbändern und rissen die Blutenden von einander. Dann wurden sie vor das Zelt spedirt, der Richter, der sich mit seiner kleinen dicken Gestalt ungemein rasch aus dem Bereich der Beißenden gewußt hatte fortzuarbeiten, kam wieder auf seinen Platz, frische Dinte wurde in das Dintenfaß gegossen, denn die alte hatte der Sheriff im Hut, und der Vormann der Jury verkündete dem, ihm mit stieren Blicken zuhorchenden Ostindier, das über ihn gefällte Urtheil. Es wurde ihm dabei angekündigt, daß er die Nacht über wieder in das Zelt zurückgeführt und von den Indianern bewacht, am nächsten Morgen aber die Strafe an ihm vollzogen werden sollte. Ein Theil der Neugierigen, die bis dahin den Tisch umstanden, traten theils zurück an den Schenktisch, sich dort in etwas wieder zu erfrischen, theils vor das Zelt hinaus, und der Sheriff nahm den Gefangenen am Arm, ihn wieder hinüber nach seinem alten Platz zu führen. Dieser aber, der wahrscheinlich noch immer die fixe Idee hatte, er solle jetzt geraden Wegs hinaus gebracht und gehangen werden, warf sich dem auf’s Aeußerste Erstaunten zu Füßen und beschwor ihn, wahrscheinlich mit den rührendsten Ausdrücken, sein junges Leben zu schonen. Nur sehr schwer konnte ihm begreiflich gemacht werden, daß er gar nichts Besonderes zu fürchten habe, und dießmal mit einer Tracht Schläge, Landesverweisung und Entziehung der Nationalkokarde wegkommen solle. Als er dieß endlich zu verstehen schien, war seine Freude auch desto ausgelassener, und er bat sich mit den deutlichsten Geberden das ganze Viertelhundert augenblicklich aus. Dem konnte aber nicht genügt werden, und er wurde wieder in seinen alten Gewahrsam unter der Escorte der Indianer abgeführt. Der vierte Juli. Der vierte Juli, das Freiheitsfest der Amerikaner, der Jahrestag ihrer Unabhängigkeits-Erklärung, brach hell und sonnig an. Von dem hohen Fahnenstock Stoutenburgks, wie von den meisten Zelten flatterten die „Sterne und Streifen“ der Union. Alle Minenarbeiter, und das kleine Zeltstädtchen zählte wohl drei- bis vierhundert Einwohner, mit Amerikanern, Franzosen, Deutschen, waren festlich geschmückt (d. h. hatten reine Wäsche an) und die Arbeit war, ohne daß darüber vorher irgend eine Bestimmung getroffen wäre, allgemein ausgesetzt. Nur die Mexikaner arbeiteten hie und da in den einzelnen ~gulches~ -- erstens wußten sie Nichts von dem Fest, und dann hätten sie sich auch wohl wenig daran gekehrt. Um zehn Uhr hielt sogar ein langer Yankee, ein Mr. Moos, dem sonntäglichen Fest ein kurze Predigt, und ein paar andere Amerikaner sprachen einige Worte zum Andenken des für die Union so wichtigen und bedeutungsvollen Tages. Das war aber keinen Falls Alles; diese Masse von Menschen aller Nationen, die sich hier herum drängte, besonders diese Unzahl von Indianern, die heute von allen Lagerplätzen herbeigeströmt schienen, rasch und geschäftig durch einander preßten, ein paar Worte mit einander wechselten und wieder nach verschiedenen Richtungen aus einander stoben, hatte jedenfalls noch einen andern Grund. Ein hier eben ankommender Fremder -- und es kamen heute +viele+ an, da fast alle Amerikaner aus den benachbarten Minen Stoutenburgk als den Mittelpunkt dieses Theils zur Feier des vierten Juli gewählt hatten -- wäre aber nicht lange in Zweifel geblieben, denn wo zwei Weiße zusammenstanden, bildete die Ursache dieses eigenthümlichen Lebens den einzigen Unterhaltungsstoff. Nur die Indianer schwiegen, wenn sich ein Europäer oder Amerikaner ihren Gruppen näherte. Die Ursache war übrigens doppelter Art -- die Weißen und auch viele der Indianer, wie z. B. fast der ganze Stamm der Kayotas hatte sich versammelt, die Abstrafung des Ostindiers mit anzusehen. Von Carsons Creek herüber waren aber Boten der +Witongs+ gekommen und hatten eine neue, viel gewichtigere Anklage gegen den braunen Sohn der Indischen Wälder gebracht. Zuerst nahmen sie deshalb Rücksprache mit ihren Nachbarn, und dann wandten sie sich an die Gerichte der Weißen, von diesen Gerechtigkeit und Schutz zu verlangen. -- Der Alkalde war außer sich. Die neue Anklage lautete auf Mord, und zwar Meuchelmord. Der Ostindier war vor zwei Tagen mit einem Indianer aus dem Stamme der Witongs von Carsons Creek fortgegangen. Er selber hatte damals, wie das schon bewiesen worden, keinen Cent Geld, wenigstens nicht einmal genug gehabt ein Glas Brandy zu bezahlen. Der Indianer, der Gold in die Ecke eines kleinen, rothbaumwollenen Taschentuchs geknüpft, bei sich geführt, war nicht zu den Seinen zurückgekehrt; gestern Abend aber, gerade mit Dunkelwerden, hatten ihn zwei vom Eichelsuchen zurückkehrende Frauen mitten in einem der dürren Rothholzdickichte +erwürgt+ gefunden, und die Schlinge, mit der die That vollbracht war, trug er noch um den Hals. Dieselbe Nacht noch brachten die Frauen ihre Männer an Ort und Stelle, und mit Tagesanbruch folgten diese den Spuren des Mörders -- denn Regen war seit der Zeit nicht gefallen -- nach Douglas-Flat. Natürlich hörten sie dort gleich was vorgefallen, und eilten nun nach Murphys Diggings herüber, wo sie gerade zur rechten Zeit vor der Strafe des Verbrechers eintrafen. Der Alkalde wollte sich aber auf Nichts weiter mit ihnen einlassen. Sie sollten ihm erst einen weißen Mann zum Zeugen bringen, und überhaupt wäre das auch eine „verdammt unsichere Geschichte,“ wie er meinte, daß das gerade der Ostindier gewesen sein solle. Das könne auch einer von ihnen gewesen sein, und jetzt wollten sie’s auf den andern Braunen schieben. Diesem Zweifel machte übrigens der Sheriff ein Ende, er visitirte den Ostindier, dem gar nicht wohl bei der Sache zu sein schien, und fand bei ihm etwa zwei Unzen Gold in +rothen Cattun+ eingebunden. Die Witongs-Indianer erkannten und reclamirten das Gold, Major Lyatt nahm es aber vor allen Dingen erst einmal selber in Beschlag und erklärte, später darüber entscheiden zu wollen. Mit dem Sheriff hielt er jetzt eine sehr lange und lebendige Unterredung. Obgleich dieser aber darauf antrug, den Ostindier für sein erstes Vergehen hier abzustrafen, und dann auf die neue Anklage hin nach Double Spring an die Distrikt Court zu senden, wollte er darauf unter keiner Bedingung eingehen -- er hätte das Gold ja sonst wieder abliefern müssen -- und gab bald darauf den Befehl, den Indier hinaus zu führen und ihm seine bestimmte Anzahl Schläge zuzutheilen. Der zweite Sheriff oder Constabel ging jetzt in das Zelt, nahm den Indier am Arm und führte ihn über die Straße nach der Einfriedigung hin, die der Fleischer für sein Vieh gebaut. Erst an diesem Morgen hatte er einen Ochsen darin geschossen und ausgeschlachtet, und der Blutfleck war noch in der Mitte. Als der Indier in die hohe starke Fenz, an der hie und da Pfosten in die Höhe standen und ein paar Bäume hinüberhingen, hineingeführt wurde, als er den Blutfleck und seine ganze Umgebung sah, und das Jubelgeschrei der Indianer hörte, wurde er wieder aschgrau und die Kniee versagten ihm fast den Dienst. Da fiel sein Blick auf einen dicht neben ihm stehenden Witong -- dieser trug dieselbe Schlinge in der Hand, mit der er den Indianer gewürgt hatte, und hob die Schnur, als er sah, daß er von dem Verbrecher bemerkt wurde, drohend gegen ihn empor. Ob aber nun der Indier glauben mochte, daß er jetzt mit derselben Schnur, trotz aller frühern Versicherungen vom Gegentheil, gehenkt werden solle, oder ob er nur darin den Beweis seiner entdeckten Frevelthat sah, die ihn natürlich auch das Schlimmste mußte fürchten lassen, kurz er sank plötzlich in die Knie, schlug vor dem Sheriff zur Erde nieder, und richtete in Todesangst ein wildes Gemisch fremdklingender und dem Mann natürlich total unverständlicher Worte an ihn. Die Indianer stießen, als sie das sahen, ein wildes, ohrzerreißendes Freudengeschrei aus. Der Constabel versuchte ihn dabei zu beruhigen, vermochte es aber nicht, und mußte ihn zuletzt mit Gewalt zu dem hintern Theil der Fenz schleifen. Dort zog er ihm das Hemd herunter und band ihn dann mit ausgespreizten Armen an zwei Pfosten, den Rücken dem innern Raum zugekehrt. Es war ein eigenthümlich malerisches, aber auch zugleich wildes und schauderhaftes Bild, dessen Mittelpunkt ein gequältes, mit Todesangst ringendes Menschenkind bildete. Es war allerdings ein Verbrecher, aber doch auch ein Mensch, und litt in diesem Augenblick, wo er gar nicht wußte, was man mit ihm vor hatte, und durch das teuflische Geschrei der braunen mitleidlosen Wilden fast rasend gemacht wurde, sicherlich mehr als Todesqual. Der innere Raum der Fenz, wenigstens die Hälfte, in der der Delinquent angebunden stand, und bis zu dem Blutfleck etwa, war ziemlich frei geblieben, von dort an standen, besonders an der Fenz hin, die Bewohner Stoutenburgks, und harrten der Dinge die da kommen sollten. Die wunderlichsten Gruppen zeigten sich aber auf der Fenz selber. Hier hingen auf den starken Balken, die schwer genug eingerammt waren, einem mit voller Kraft dagegen rennenden Stier Trotz zu bieten, in den tollsten Stellungen und den buntesten Trachten, die Männer der Kayotas und Witongs. Die dunkelbraunen Gesichter glänzten von Fett und Freude, und unter den grellrothen oder hellfarbenen Kopftüchern, die sie gern trugen, glühten die schwarzen Augen in wilder blutgieriger Lust heraus. Ihre Bogen und Pfeile hielten Alle in der Hand und Viele führten sogar noch ein Messer im Gürtel. Ein alter Häuptling sah besonders trotzig und kühn aus. Er hatte die langen, straffen, schwarzen Haare sämmtlich hochauf gestrichen, und mit dicken Schnüren weißer Muscheln in der Mitte des Kopfes festgebunden, so daß sie wie ein hoher wulstiger Federbusch emporstanden. In diesem stacken zwei lange, nickende Adlerfedern, und an der einen hing, aus der Spitze herab, eine kleine rothverzierte und umwickelte Federspule, die im Winde hin- und herflatterte. Sein Oberkörper war nackt, und nur um die Hüften hatte er einen schmalen, baumwollenen Schurz geschlagen. Er führte dabei einen außergewöhnlich langen Bogen, mit hellblinkender weißer Sehne bezogen, und die Spitzen seiner Pfeile waren volle drei Zoll lang und schmal und scharf. Um den Hals trug er vier dicke Reihen eben solcher Perlen, als seine Haare zusammenhielten, und durch den Nasenknorpel und beide Ohrenlöcher lange weiße Stücken zierlich geschnitzten Holzes. Er stand, mit einem Arm um den Pfosten geschlagen, dicht über dem angebundenen Verbrecher oben auf der Fenz. Rechts und links von ihm hingen jüngere Leute, mit bunten Kopf- und Lendentüchern, oben auf den Stangen. Von beiden Seiten der Fenz herüber und aus dem Innern derselben heraus riefen sie sich dabei in ihrer wunderlich klingenden, kurz abgestoßenen Sprache ihre Bemerkungen zu, und lachten und jubelten vor lauter Freude über den fröhlichen Anblick der sie erwartete. Indessen hatte der Constabel seine kurzstielige Peitsche hergerichtet, schritt auf den gebundenen Indier zu, der ihn dabei von der Seite mit weit aufgerissenen, ängstlichen Augen erwartete, holte langsam aus und zog dem Zusammenzuckenden einen scharfen Schlag über den Rücken. Der Schrei, den die Indianer hiebei ausstießen, machte selbst den Constabel erschreckt zusammenfahren; der alte Häuptling aber, mit den zusammengebundenen Haaren, fing oben auf der Fenz an einen wunderlichen Tanz aufzuführen, und die Augen leuchteten und blitzten ihm dabei, und die Stangen über dem Gebundenen bogen sich und drohten jeden Augenblick, mit dem springenden Wilden auf ihn hinab zu schlagen. „Allah, Allah!“ schrie der Muhamedaner in seiner Noth, die Indianer hielten das aber für ihren Gruß: ~Walle, Walle~, und glaubten, der Indier wolle dadurch ihr Mitleiden erflehen -- „~no walle walle~“ -- schrieen sie von allen Seiten -- -„~no walle walle -- mucho mas -- mucho -- mucho~!“ Der Constabel fuhr, während dieses wirklichen Heidenlärmes, ruhig in der Vollziehung seiner Pflicht fort, der Indier wand sich unter den scharf und mit Kenntniß geführten Streichen, die jedesmal dicke Schwielen hinterließen, und an einigen Stellen, wo sie sich kreuzten, schon die Haut geöffnet hatten. Die Indianer jauchzten und jubelten, die Sonne schien warm und freundlich von dem blauen, von keinem Wölkchen getrübten Firmament hernieder, und die Amerikanische Flagge flatterte munter in der frischen Brise über dem wilden Schauspiel -- zur Feier des vierten Juli. -- Die meisten Amerikaner schüttelten aber auch mit dem Kopf und meinten, der Alkalde hätte die ganze Geschichte wohl auf den nächsten Tag verschieben können. Nach dem dreizehnten Schlage hörte der Constabel zu schlagen auf, winkte einem der jungen Indianer, die ihn umstanden, heran, gab ihm die Peitsche und bedeutete ihn fortzufahren. Das Urtheil war +dahin+ von dem Richter bestimmt, daß ihm der Sheriff +einen+ Theil, und um die Indianer mehr zu versöhnen, Einer aus ihrer Mitte den +andern+ geben solle. Der Indianer griff die Peitsche mit wahrer Gier auf, warf dann seinen Bogen und seine Pfeile nieder und schlug fast in demselben Moment auch schon auf den Indier los, der jetzt wahrscheinlich glauben mochte, er solle nun seinen Feinden ausgeliefert werden, und ein Zetergeschrei mit „Allah Allah“ -- erhob. „No Walle Walle!“ versicherte ihm aber der Californier bei jedesmaligem aus vollen Kräften geführten Streiche, und die übrigen schrieen ordentlich vor lauter Vergnügen, daß der Gepeitschte bei den Hieben ihres Kameraden so viel mehr lamentirte, als bei denen des Constabels. Der schlaue Indier war aber klug genug sie nur glauben zu machen er litte mehr Schmerzen, denn nach den frühern Hieben konnte er diese kaum fühlen. +Der Indianer verstand nicht zu prügeln+; seine Schläge fielen, ohne daß sich die Peitsche über die Haut zog, nur gerade darauf nieder und hinterließen keine Schwielen, war aber auf’s Aeußerste entrüstet, als er nach dem zwölften Schlage, wo er sich nun erst recht hinein und warm gearbeitet hatte, schon wieder aufhören sollte. Von allen Seiten schrieen auch die Indianer: „~mas, mas, mucho mas!~“ aber es half nichts, der Constabel nahm die Peitsche an sich, band den Gefangenen los und führte ihn fort. Jetzt entstand ein anderer Streit. Die Indianer wollten ihn, wenn ihn die Weißen nicht mehr bestraften, ausgeliefert haben -- die Witongs verlangten ihn, weil er Einen ihres Stammes getödtet hatte, wenigstens so lang, bis ihr großer Häuptling, Jesus, von Magualome zurückkommen und darüber entscheiden würde. Die Weißen wollten sich aber darauf nicht einlassen, und der Richter beauftragte den Constabel, den Abgestraften freizulassen. Hiergegen protestirte aber jetzt der Sheriff, indem er meinte, das sei gerade so gut, als ihn an die Indianer ausliefern, die förmlich und offen erklärt hatten, sie würden ihn unter keiner Bedingung lebendig von hier fortlassen. Gäben sie den Angeklagten unter diesen Umständen frei, so müßten sie gewärtig sein, daß er vor ihren Augen von den aufgeregten heißblüthigen Rothhäuten mit Pfeilen erschossen würde, und dann könnten sie nachher von dem Distriktsgericht, und mit Recht, zur Verantwortung gezogen werden. „Gut denn!“ rief der Richter endlich in Verzweiflung, „so behaltet ihn heute noch hier und laßt ihn die Nacht oder morgen früh laufen -- +ich+ will aber von dem verdammten Kram nichts weiter hören, ich habe jetzt gerade genug damit. Kommt Sheriff, wir wollen einen trinken.“ Der Sheriff lachte, gab die nöthigen Anweisungen und ging dann mit dem Alkalden in das nächste Zelt. Dem Indier wurde indessen begreiflich gemacht daß er frei sei, daß ihm aber die Indianer zu Leibe wollten und es besser für ihn sei die Nacht noch bei den Weißen zu bleiben. Wunderbarer Weise schien er hier ein jedes Wort zu verstehen, denn er überflog mit den Blicken die Zahl der Rothhäute, die überall durch das Städtchen und die Ebene zerstreut waren, und folgte dann schnell, und jetzt mit ganz heiterem Gesicht dem Constabel, der ihn in sein eigenes Zelt führte und ihm dort zu essen gab. Dicht vor dem Zelte vertrat ihnen übrigens der alte Indianer den Weg und verlangte von dem Constabel noch einmal den Mörder Eines der Seinen. Dieser dagegen bedeutete ihn, daß heute „Sonntag“ sei und nichts weiter gethan werden könne. Er solle morgen früh zum Alkalden gehen, dann könnten sie das mit einander ausmachen, bis dahin bliebe der Indier in Gewahrsam. Der Indianer hatte, während er sprach, den Ostindier, gerade über dem Gürtel vorn, mit zwei Fingern an dem wollenen Hemd festgehalten -- er sah die Beiden scharf an, bog sich dann halb herum -- und plötzlich sprang der Gefangene mit einem Schrei zurück. Der Indianer drehte sich aber ab und ging, ohne weitere Notiz von den Beiden zu nehmen, zu seinem Stamm zurück. Zu seiner nicht geringen Verwunderung sah indeß der Constabel, daß der braune Bursche in dem einen Moment mit wirklich fabelhafter Gewandtheit dem Indier das kleine Stück Zeug in einem runden Fleckchen, vorn aus dem Hemd geschnitten hatte, das er zwischen seinen Fingern gehalten. Des Indiers Flucht. Der vierte Juli ging laut und geräuschvoll genug vorüber; alle Violinen, Flöten, Mundharmonikas und Akkordions, die nur irgend im Städtchen vorräthig waren, spielten aus den verschiedenen Zelten in eben so viel verschiedenen Tonarten den ~Yankee doodle~, ~hail Columbia~ und ~the star spangled banner~. Eine Unmasse von Brandy und Claret wurde dabei consumirt, und Abends brannten an allen Ecken und Enden Freudenfeuer. Herrliches Material hierzu lieferten trockene und verlassene Laubhütten, wie dürre Fichtenbäume, die die Flammen hoch zum Himmel emporwirbelten, und an einer mitten in der Stadt stehenden, riesigen Kiefer, der man bis auf den obersten stehen gelassenen Büschel die Aeste alle um wenige Zoll vom Stamm abgesägt hatte, war sogar hoch oben ein Transparent mit dem roth flammenden Worte ~Liberty~ angebracht. Gegen zehn Uhr Abends, als der Brandy sichtlich die Oberhand gewonnen, bemühten sich sogar einige tolle Gesellen den ganzen Baum in Brand zu setzen, der sich dann unvermeidlich quer über das ganze Zeltdorf hinübergelegt hätte. Der Baum war aber klüger als die Menschen, und weigerte sich hartnäckig Feuer zu fangen. Die Indianer hatten sich indessen, wahrscheinlich der Versicherung des Constabels trauend, in ihre verschiedenen Lagerplätze zurückgezogen, wenigstens sah man keinen von ihnen mehr in der Stadt. Nur zwei Betrunkene trieben sich mitten in der Straße, besonders aber vor des Alkalden und Constabels Zelt noch umher, und Einer von diesen war der alte Häuptling mit dem Muschelschmuck. Der Constabel war mit dem Alkalden und Sheriff, dem Collektor, der gestern in dem Verhör so kräftigen, wenn gleich ganz unnöthigen Einspruch gethan, Barneywater und noch mehreren anderen Amerikanern, bei einer fröhlichen Abendmahlzeit versammelt. Die ganze Gesellschaft saß kreuzfidel um einen Tisch herum und lachte und sang, und Major Lyatt erzählte komische Geschichten, wobei er selber lachte daß ihm die Thränen in die Augen kamen und kein Mensch weiter auf ihn Achtung gab. Toaste wurden ausgebracht und Gesundheiten getrunken, und um elf Uhr lagen der Collektor und der Alkalde sich in den Armen und schwuren sich unter Thränen ewige und unverbrüchliche Freundschaft. In dem Zelt des Constabels aber lag der Ostindier ausgestreckt auf einer wollenen Decke, hatte das Zelttuch ein klein wenig in die Höhe gehoben und schien aufmerksam das Niederbrennen einer gewaltigen Fichte zu beobachten, die gar nicht weit von dem Zelte stand und durch ihre züngelnden Flammen die ganze Nachbarschaft mit Tageshelle erleuchtete. Es war außerdem Vollmond und die runde glänzende Scheibe stand hoch und klar am Himmel; von Nordosten herauf zogen aber dichte Wolkenstreifen und näherten sich mehr und mehr dem Monde. Mitternacht war vorüber -- der Himmel hatte sich bewölkt und die Fichte war niedergebrannt -- die halbverkohlten glühenden Trümmer rauchten nur noch, und dann und wann stieg zuckend ein heller Flammenstrahl in die Höhe, wenn die Hitze einen bis dahin verschont gebliebenen und niedergefallenen Rindenstreifen erfaßt hatte und nun rasch und gierig verzehrte. Im Zelt des Constabels war Alles ruhig, Nichts regte sich und nur dicht daneben kamen eben ein paar fröhliche Zechbrüder vom späten Mahl zurück. Unterwegs waren möglicher Weise bei dem Einen von ihnen Zweifel über die Bewohnbarkeit des Mondes aufgestiegen, die der Andere dagegen hartnäckig vertheidigte, und sie stellten sich jetzt vor das Zelt hin, gesticulirten nach dem gleichgültig zu ihnen niederschauenden Mond empor, und wurden dabei unnöthiger Weise viel heftiger, als die Gelegenheit erforderte. Endlich beruhigten sie sich aber doch wieder, hatten auch vielleicht schon vergessen über was sie eigentlich gestritten, und suchten ihre verschiedenen Zelte auf, aus denen sie nur noch einzelne unzusammenhängende Schimpfwörter vorbrummten. Gerade jetzt stand eine schwere Wolke vor dem Mond; in diesem Augenblick hob sich die hintere Wand von des Constabels Zelt und eine dunkle Gestalt glitt rasch daraus vor. Unter dem nächsten straußartigen Rothholzbusch hielt sie etwa eine Minute an, kroch dann mehr als sie ging nach dem Creek hinunter, den sie, ohne den darüber hinliegenden Baumstamm zu benützen, dicht unter diesem durchwatete und verschwand gleich darauf als der Mond wieder hinter den Wolken vortrat, in den düstern Schatten, welchen die steilen hohen Ufer auf den murmelnden Strom hinunterwarfen. In dem Mondschein zurück aber blieb eine andere Gestalt, die jetzt gerade unter dem Stamme weg, an welchem hin der Indier geflüchtet war, und aus dem Wasser heraus vorstieg -- es war der alte californische Häuptling, mit dem Muschelschmuck. Lange -- lange horchte er, bis die Schritte des davon Eilenden weit in der Ferne verklungen waren und er sich sicher fühlte, daß Jener keinen Blick mehr auf den jetzt hellbeschienenen Hügelhang zurückwerfen könne -- dann stieß er einen leisen schrillen Ruf aus -- gerade wie die Schnepfe ruft, wenn sie Nachts über dem Wald ihren Lieblingswiesen zustreicht, und folgte, ohne eine Antwort darauf abzuwarten, blitzesschnell dem Davongeeilten. Der Constabel kam an dem Abend spät, oder vielmehr an dem Morgen sehr früh zu Hause und war viel zu glücklich an etwas anderes zu denken, als an sich selber, ja die Abwesenheit seines Gefangenen oder eigentlich Gastes nur zu bemerken. Als er aber gegen acht Uhr etwa von den hellen Sonnenstrahlen geweckt wurde, sich ein wenig auf das Vorgefallene besann und in seinem Zelte umschaute, entstand auf einmal ein Mordspektakel, und die herbeigerufenen Nachbarn erfuhren gleich darauf, daß der „verdammte schwarze Hallunke von Bombay“ nicht allein sich selber -- damit waren alle zufrieden -- aber auch zwei Pistolen, ein Messer, zwei Hemden, eine wollene Decke und einen kleinen Lederbeutel mit circa drei eine halbe Unze Gold, mit fortgenommen habe, den der Constabel leichtsinnig genug unter seiner Matratze hatte liegen lassen. Von Indianern war kein einziger mehr in Stoutenburgk zu sehen. So ruhig fortlassen wollte man aber den schwarzen Verbrecher nicht, und der Constabel beschloß, ohne erst einen großen ~Warrant~ auszunehmen, ihn augenblicklich nachzusetzen. Einige Freiwillige schlossen sich ihm gleich an. An die Kayotas wurde zugleich ein Bote abgeschickt, ein Paar von ihnen zum Spüren herüberzuholen, die dann auch, als sie hörten worauf es abgesehen sei, nicht lange auf sich warten ließen. Zwei Stunden später setzte sich der kleine Zug in Bewegung, von den Indianern geführt, den Fährten des Bombay Mannes zu folgen. * * * * * Und wo war der indessen geblieben? -- Den kleinen Bergstrom hinab verfolgte er, bei dem unsichern Licht des Mondes, seine stille Bahn. Nicht rechts noch links schaute er, denn links gähnte die tiefe Schlucht und unten hin murmelte über hineingerollte Felsblöcke der Strom, und rechts stiegen hohe rauhe Steinmassen empor, die eine Wanderung bei Nacht zwischen ihnen nicht allein sehr schwierig, sondern fast unmöglich machten. Von dort brauchte er daher auch keine Verfolgung, keinen Ueberfall zu fürchten; vor ihm konnte noch Keiner sein, da seine Flucht erst sicher am nächsten Morgen entdeckt wurde, und hinter ihm -- die hätten rasch und sicher auf den Füßen sein müssen, die bei Mondschein und solchem Terrain seinen flüchtigen Schritten gefolgt wären. -- Nur einmal hielt er an und lauschte -- nein, er hatte sich nicht getäuscht -- durch das dürre Laub sprang und rollte ein Stein und fiel jetzt schwer und geräuschvoll in das Wasser hinab. Konnte der Fuß einer seiner Feinde den Stein hinabgestoßen haben? -- Er zog die eine Pistole aus dem Gürtel -- der Hahn derselben hakte in dem Loch, das ihm der Indianer in das Hemd geschnitten hatte, und er mußte ihn erst mit der linken Hand befreien -- dann drückte er sich hinter einen vorstehenden Felsen und lauschte mit klopfendem Herzen. Aber es blieb Alles ruhig, kein Blatt regte sich mehr, so still war die Nacht geworden, und nach zehn Minuten setzte er rasch und zufrieden gestellt seinen Weg fort. Massen von wilden Katzen und Waschbären gab es hier, eines dieser Thiere, die Nachts den Wald durchstreifen, hatte die Steine wahrscheinlich berührt und hinabgestoßen. -- Er folgte indeß dem Lauf des Stromes nicht weiter, als bis er zu einer Strecke kam, wo breite solide Felsplatten, auf denen jede Spur eines Menschenfußes verschwinden mußte, einen Theil seines Ufers bildeten. Hier verließ er diesen Wassercours und kletterte jetzt in einem rechten Winkel ab, auf einzelnen Felsstücken höher und höher klimmend, den Berg hinauf und den Wassern des Calaveres zu. Dort lagen noch weite, wenig bearbeitete und bevölkerte Strecken, steile, unzugängliche Gebirgsmassen waren durch die angeschwellten Ströme wie von einander gerissen worden, und einmal in diesen Bergen, brauchte er nicht so leicht zu fürchten, einem Bekannten zu begegnen. Dort hinüber lag auch sein Weg nach den nördlichen Minen, denn er mußte aus dem Bereich der Jesus-Stämme sobald als möglich zu kommen suchen. -- Jetzt hatte er den Gipfel erreicht, keuchend blieb er stehen, durch kurze Rast wieder frische Kräfte zu sammeln und sah den Weg zurück den er eben gekommen, und der düster und steil, wie aus einem Abgrund heraufführend, hinter ihm lag. In Osten dämmerte der erste Strahl des jungen Tages, in den Eichen fing der Morgenwind an zu flüstern und leise, leise tönte dazu das ferne Geräusch des sprudelnden Bergstromes herauf. Der Indier athmete hoch auf, als er aber den Kopf wandte, zuckte er gählings zusammen, denn kaum zwanzig Schritte von ihm entfernt duckte sich in diesem Augenblicke -- er konnte es deutlich erkennen, -- eine menschliche dunkle Gestalt hinter einen umgestürzten Baumstamm, und schien in den Boden verschwunden. Das erste Gefühl des Indiers mochte sein sich dem einzelnen Feinde geradezu entgegen zu werfen und den zu vernichten, der sich seiner Flucht in den Weg stellen wollte. Blitzesschnell, als ihn der Gedanke durchzuckte, riß er das Pistol aus dem Gürtel; da aber raschelte es rechts von ihm im Laub und wurde lebendig unter den dunklen Schatten. Gerade da, wo er den Berg heraufgekommen war, sprang eine dunkle Gestalt von Stein zu Stein und mit kaltem Entsetzen ergriff ihn die Ueberzeugung, daß er umstellt -- verloren sei. Noch aber blieb ihm ein Ausweg, links hin über den Bergrücken, der die Wasser des Calaveres von denen des Stanislaus schied, war ihm die Bahn noch offen und das Bündel das er bis dahin getragen von sich werfend, die gespannte Pistole in der Hand, flog er in wilden Sätzen den rauhen Bergrücken entlang. Es galt sein Leben und es war, als ob ihm der Gedanke übermenschliche Kräfte verliehen habe. Aber er hatte die schnellfüßigen Krieger vom Stamme der Witongs hinter sich -- ihr Jagdruf schallte durch die Berge, und nicht allein das Echo der Thäler gab ihn zurück, sondern rechts und links, ja selbst von vorn herüber antwortete der gellende Gegenruf, der dem flüchtigen Mörder das Blut zurück in das klopfende Herz trieb. Näher und näher kamen sie heran, das Wild war umstellt und die Jäger ihrer Beute gewärtig -- der Indier wußte schon nicht mehr wohin er floh -- nur vorwärts -- vorwärts brach er durch die Büsche. Nicht die scharfen Steine, die seine Füße wund rissen, nicht die Zweige, die in seine flatternden krausen Haare griffen, achtete er -- vorwärts -- das Pistol in der krampfhaft geballten Hand stürzte er sich mehr als er lief einen niederen Berghang hinunter -- vorwärts. Aber auch von dort traten ihm die Feinde entgegen -- überall, wie aus dem Boden heraus tauchten sie auf, und der alte Häuptling mit dem Muschelschmucke sprang neben ihm her, schrie ihm sein höhnisches „Walle Walle“ entgegen, und schwang die Schnur um den Kopf, mit der der Indier den Witongkrieger erwürgt hatte. Der Bombay-Mann schrie laut auf in Todesangst, und brannte in demselben Augenblicke, aber selbst unbewußt, was er that, die Pistole aus den alten Häuptling ab. Doch seine Hand flog ihm wie in Fieberfrost; selbst auf die wenigen Schritte Entfernung vermochte er sein Ziel nicht zu treffen, und als der Knall der Schußwaffe noch donnernd über die Hügel hinschmetterte und das Echo in all den hundert kleinen Schluchten und Gulches weckte, lag er, von des Indianers Arm zu Boden geschlagen, bewußtlos auf den Steinen. * * * * * Denselben Nachmittag um drei Uhr etwa erreichten die weißen Männer aus Stoutenburgk, von den jungen Leuten der Kayotas geführt, eine kleine Schlucht. Alle Spuren, die sie unterwegs angetroffen, führten dorthin, und der Constabel, der sich den Indianern ziemlich zur Seite gehalten hatte; rief aus, er sei überzeugt der Dieb habe sich nach den San Antonio Diggins hinüber gewandt. Da deutete plötzlich einer der Indianer mit einem halbunterdrückten Schrei die Schlucht hinunter. Aller Augen folgten der Richtung, und sie sahen deutlich eine dunkle Gestalt, die in der Luft zu schweben schien. Wenige Secunden raschen Laufes brachten sie an Ort und Stelle, und bald fanden sie, daß sie nicht weiter zu gehen brauchten -- sie hatten Alles was sie suchten gefunden. An einer niedrigen Eiche, von der nämlichen Schnur getödtet, die er selber gebraucht hatte sein Opfer zu erwürgen, hing der Ostindier; unter dem Baum aber lag Alles, was er aus dem Zelte des Constabels mitgenommen hatte, selbst der Beutel mit dem unangerührten Golde, obgleich die Indianer das recht gut für das Geraubte hätten beanspruchen können. An dem Körper war keine Wunde weiter zu entdecken; nur ein einzelner Pfeil stak in seiner Brust, und zwar genau durch das Loch geschossen, das der Häuptling schon am vorigen Abend mit dem Messer in das Hemd seines ausersehenen Opfers geschnitten hatte. Von den Söhnen der Witongs aber war keine Spur mehr zu finden. Leipzig, Druck von Giesecke & Devrient. Fußnoten: [1] ~Spade~, Spaten; ~pick~ oder ~pickaxe~, Spitzhacke, die beiden Hauptwerkzeuge der Miner. [2] Pfeffermünzkraut, das dort in großer Menge wächst. [3] Heißes Wasser, Branntwein. [4] Setzt Euch, José. [5] Der Leser darf nicht etwa glauben, daß auch nur ein Buchstabe dieser Redensarten übertrieben ist -- ich habe +alle+, wie sie aus Erben’s Mund kamen, auf der Stelle niedergeschrieben, und werde nie im Leben das halb verdutzte, halb drollige Gesicht vergessen, das Erbe immer schnitt, wenn er mir etwas zu erzählen anfing und ich dann gleich mein Taschenbuch herauszog und zu notiren begann. Im Anfang wollte er auch nicht weiter erzählen; ich kam aber von Leipzig, und dem konnte er nicht widerstehen. So habe ich die wenigen Monate, die ich mit ihm auf der Mission Dolores zubrachte, manche lange Stunde mit ihm verplaudert. [6] ~To raise up~, aufrichten, eigentlich unrichtig als +aufstehen+ gebraucht, da es mehr passiv ist; [7] ~by myself~, allein; [8] ~tent~, Zelt; [9] ~hill~, Hügel; [10] ~jackass~, Esel; [11] ~of course~, gewiß, natürlich; [12] ~to travel~, reisen, marschiren; [13] ~to keep up with somebody~, mit Jemand Schritt oder gleiche Entfernung halten. [14] ~to stumble~, stolpern; [15] ~pocket~, Tasche; [16] ~hole~, Loch; [17] ~to hurt~, weh thun, beschädigen; [18] ~road~, Weg, Straße; [19] ~it is no matter~, es thut nichts, es schadet nichts; [20] ~trouble~, Mühe; [21] ~stump~, Baumstumpf. [22] ~waterholes and briars~, Wasserlöcher und Dornen; [23] ~to stop for good~, endlichen Halt machen; [24] ~to be knocked up~, ermüdet, total erschöpft sein; [25] ~to fall in a doze~, einschlafen, auf kurze Zeit einnicken. [26] ~close to me~, dicht bei mir; [27] ~to look~, sehen; [28] ~to smell a rat~, Lunte riechen; [29] ~rock~, Stein, Fels; [30] ~to crawl~, kriechen. [31] ~satisfied~, zufrieden gestellt. [32] ~To have seen the elephant~, den Elephanten gesehen haben, bedeutet in Amerika, etwas versucht zu haben, was vielleicht mit großen Schwierigkeiten verbunden war, und doch ohne Erfolg blieb. [33] ~Pile~, Haufen (Gold), Cal. Redensart. [34] ~Green mountain boys~, aus dem Staat Vermont. [35] Dasselbe was Gelbschnabel ist. [36] Ja, ein wenig. [37] Gute Nacht, meine Herren. [38] „Kein Grund?“ der Ruf beim Senkbleiwerfen am Bord. End of Project Gutenberg's Californische Skizzen, by Friedrich Gerstäcker *** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK CALIFORNISCHE SKIZZEN *** ***** This file should be named 54422-0.txt or 54422-0.zip ***** This and all associated files of various formats will be found in: http://www.gutenberg.org/5/4/4/2/54422/ Produced by the Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net (This book was produced from scanned images of public domain material from the Google Books project.) 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Hart is the originator of the Project Gutenberg-tm concept of a library of electronic works that could be freely shared with anyone. For thirty years, he produced and distributed Project Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support. Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper edition. Most people start at our Web site which has the main PG search facility: http://www.gutenberg.org This Web site includes information about Project Gutenberg-tm, including how to make donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks.