The Project Gutenberg EBook of Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber, by Theodor Gottlieb von Hippel This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this eBook or online at www.gutenberg.org/license Title: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber Author: Theodor Gottlieb von Hippel Release Date: January 7, 2017 [EBook #53912] Language: German Character set encoding: ISO-8859-1 *** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK ÜBER DIE BÜRGERLICHE *** Produced by Matthias Grammel and the Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net (This book was produced from scanned images of public domain material from the Google Books project.)
Berlin, 1792.
in der Voßischen Buchhandlung
Man sagt: der strengste Beweis der Wahrheit sei, wenn gewisse Dinge jeder Bemühung sie lächerlich zu machen und zu travestiren, widerstehen, und wenn sie trotz allem Lächerlichen, womit wir sie behängen, doch ehrwürdig bleiben. Wenn die krumme Linie die Schönheits-Linie ist; so wird man es schwerlich bedenklich finden, dem Lachen die Schlüssel zum Himmelreiche der Wahrheit anzuvertrauen. Ein mißlicher Umstand! der mich bei der gegenwärtigen Schrift in eine nicht geringe Verlegenheit verwickelt, da ich einen Gegenstand vorhabe, worin bei weitem der größte Theil des Ernsthaften mit dem Lächerlichen, [S. 2] nicht von Anbeginn und von Natur, sondern durch Verjährung, so im Gemenge liegt, daß hierbei nicht so leicht ein Divisions-Exempel auf eine Auseinandersetzung gewagt werden kann. Wenn ein Ritter von ächtlustiger Gestalt den Kampf beginnt — wer und was kann vor ihm bestehen? welche Festung von System und Dogmatik sich halten? Sokrates, der Weiseste, nicht unter den Königen, sondern unter den Weisen, dieser Erzkern in einer häßlichen Schale, dieser (wiewohl nicht mit sonderlichem Geschmacke gekleidete) Engel unter den Menschen, ward in den Wolken zur Farce; und welch ein Autor kann auf einen heitern Recensenten- und Leser-Himmel sicher rechnen? — Selten gab es einen, der nicht aus dem Regen unter die Traufe gerieth, und noch nie ging ein Licht in der Welt auf, ohne seinen Aristophanes zu finden, der es, mir nichts, dir nichts, geradezu ausblies, oder — unter dem Scheine des Rechts, als wollt' er es schneutzen — es neckte und verdunkelte. Fast scheint auf diese Weise das Lächerliche das tägliche Brodt der Menschen zu seyn, und [S. 3] man wird sich ohne Zweifel am besten befinden, wenn man in Züchten und Ehren mitlacht, oder seine Schrift, des Bildes und der Überschrift des Ernstes ungeachtet, zu einem Tone stimmt, der nicht ernsthafte Blößen (die lächerlichsten von allen) giebt. — »Ihr werdet lange nicht so viel über mich weinen, wie ihr über mich gelacht habt,« sagte Scarron, der Ehevorfahr Ludwigs des XIV., zu denen, die sein Sterbelager umringten und weinten. Diese Vorstellung war im Stande, ihn im Sterben aufzuheitern — und warum auch nicht? — Jetzt, da selbst die heilige Moral nicht mehr im Klosteranzuge ihr Glück machen kann und will, vielmehr fröhlich und guter Dinge einhertritt, und die Becher, welche sie mit ihrem herzerfreuenden Wein anfüllet, zu bekränzen gebeut; jetzt, da sogar jede widerliche Außenseite des Menschen eher seines Herzens Härtigkeit als dessen Reinheit zu verrathen scheint: jetzt ist Fröhlichkeit ein lebensartiges Ingredienz geworden, und Lachen und Weinen leben in einer so glücklichen Ehe, daß jene philosophischen Gaukler, von [S. 4] denen der eine nicht aus dem Lachen und der andere nicht aus dem Weinen kommen konnte, schwerlich Professuren auf unsern Akademieen erhalten würden. Kinder, die der Natur am nächsten sind, lachen und weinen über eine und dieselbe Sache, und eine liebenswürdige Braut reißt sich weinend aus den Armen ihrer verwaiseten Mutter, um in eben dem Augenblicke sich lachend in die Arme ihres Vielgeliebten zu stürzen. — Unser Leben ist Ebbe und Fluth, immerwährender Wechsel von Freude und Leid; und sollten nicht alle Gegenstände des gemeinen Lebens Spuren und Eindrücke von der comédie larmoyante des verwünschten Schlosses von Planeten zeigen, auf dem uns eine Menschen-Rolle angewiesen ist? — die schwerste vielleicht in Gottes weitem und breitem Weltall! — vielleicht auch die leichteste, je nachdem sie gespielt wird. — Aller unvergeßlichen Bemühungen so mancher edlen Ritter ungeachtet, welche die Menschheit und durch sie die Erde entzaubern wollten, ist das Abentheuer noch nicht bestanden — O der verdammten [S. 5] Hexe, der Sünde, die das Verderben so braver Leute ist! — Wenn wir gleich durch die Erinnerung des Todes nicht unseres ganzen Lebens Knechte sind; so sind doch die Gedanken an den Tod und an Gott die, welche uns in jedem Falle zu einem Memento! bringen. Wahrlich! es war Philosophie, wenn des Königes Xerxes Majestät über sein Heer sich freute und traurig ward. — Jeder Schmerz hat seine Wollust; und wie schal ist nicht das Vergnügen, das nicht durch etwas Bitterkeit gewürzt wird! Vom Glück ist dem Weisen nur zu träumen erlaubt; das Unglück, als das gewöhnliche Loos der Menschheit, mit Fassung zu ertragen, bleibt ihm unabläßliche Pflicht: und es giebt in der That überall eine Mittelstraße, eine gemäßigte Fröhlichkeit und ein Lächeln, das bei warmen Thränen im Auge Statt finden kann. Alle vier und zwanzig Stunden giebt es Nacht und Tag, ein Licht, das den Tag regiert, und eins, das die Nacht regiert. — Noch näher kann ich dieses Exordium legen, wenn ich bemerke, daß das schöne Geschlecht, der Natur getreu, die gute [S. 6] und vollkommene Gabe von oben herab besitzt, alle seine Bitterkeiten, deren es sich zu seinen Wehr und Waffen zu bedienen pflegt, so zu bezuckern, und ihren Ernst, vermittelst eines ihn lindernden Lächelns, so zu ermäßigen, daß ich keinen Augenblick Bedenkzeit nehmen darf, diesem liebenswürdigen Beispiele zu huldigen und mich der beiden Gesichter des Janus mit patriotischer Freiheit zu erinnern. Auch scheint die Last, welche das schöne Geschlecht trägt, einem und bei weitem dem größeren Theile desselben so sanft und sein Joch so leicht zu seyn, daß es vielleicht im Diensthause Egyptens und bei den Fleischtöpfen eines gemächlichen wirklichen Alltags-Lebens zu verbleiben wünschen wird, ohne die beschwerliche Reise nach Kanaan, wo Milch und Honig der Natur fließt, antreten zu wollen. Selbst Damen von Bedeutung scheinen oft nicht zu wissen, daß sie in ihrem Prunk von Purpur und köstlicher Leinwand Leid tragen, und daß ihr Leben in Herrlichkeit und Freude eine Leibes- und Lebensstrafe ist, die man ihnen im heimlichen [S. 7] Gericht zuerkannt hat. — Wo viel Glanz ist, da ist wenig Geschmack — so wie gemeiniglich Bigotterie und Sittenlosigkeit getreue Nachbarn und desgleichen zu seyn pflegen. Wahrlich! es ist der höchste Gipfel der Krankheit, wenn Patienten Fieberhitze für blühende Gesundheit halten und jede Arznei von der Hand weisen; und so übersteigt es auch den gewöhnlichen Grad des menschlichen Verderbens, wenn Sklaven auf alle Rechte Verzicht thun und ihre Verfassung auf das gute Glück der Denkungsart ihrer Gebieter gründen. — Und wer ist Schuld an diesem Gerichte der Verstockung? das andere Geschlecht? wird man diesen Stab brechen, da selbst der Naturverkündiger Rousseau, der alle Welt, und besonders die schönere Hälfte derselben, zur Natur bekehren wollte, trotz dieser gewaltigen Predigt von Buße und Glauben am liebsten mit vornehmen Damen umging? Wie konnte seine Eitelkeit sich gütlich thun, wenn Standespersonen ihn hervorzogen, ob er gleich über das Verderben der höheren Stände bei aller Gelegenheit außer Athem kam! — — Doch ich [S. 8] will dem zweiten Theile dieses Kapitels nicht vorgreifen. Mag sich meine Schrift in die Zeit schicken, und von allen Seiten ihr Heil versuchen —! Mit der Anrufung der heiligen Zahl der drei mal drei Schwestern soll sie sich nicht brüsten, da ein dergleichen Oremus bloß poëtischen Arbeiten die Bahn zu brechen gewohnt ist; aber um alles in der Welt wünschte ich nicht, daß ihr die Ehre erwiesen würde, die Bibliothek der erlauchten Republik des Plato zu zieren. — Zur Sache.
Als Ludwig den Vierzehnten wegen der neuen Lasten, die er seinem schon gedrückten Volke zugedacht hatte, wirklich eine Art von Gewissens-Schauer anwandelte, fand er in dem leidigen Troste seines Beichtvaters Tellier, »daß das Vermögen seiner Unterthanen sein Eigenthum sei,« ein so sanftes Küssen für dieses aufgewachte Gewissen, daß er sich kein Bedenken gemacht haben würde, die Auflage, die ihn beunruhiget hatte, aus dem Stegreife zu verdoppeln; und ohne Zweifel ist dieser Köhlerglaube der Grund zu jener Behauptung: ich bin der Staat.
Die Gewohnheit wird so leicht zur andern Natur, daß die Franzosen, welche die Plackereien eines Terray, und die Härte eines Meaupou ertrugen, sich hinreichend glücklich schätzten, wenn nur ein kleiner, vielleicht der unwürdigste, Theil die durch die Zehnten der Wittwen und die Sparpfennige der Elenden gefüllten Freudenbecher des Staats in unmäßigen Zügen leeren konnte, während der andere größere und arbeitende Theil, unter dem Joche der Willkühr der Despotie und der Dürftigkeit schmachtend, doch noch immer das Glück hatte, so gut es sich thun ließ', zu springen und zu singen, zu hüpfen und zu pfeifen. — Bei einem so leichten, über Alles sich wegsetzenden und mit einem Chanson sich aus aller Noth helfenden Völkchen, war diese Zuchtruthe, theils mit Peitschen, theils mit Skorpionen, um so weniger fühlbar, da es an den Gallatagen und Staatsfesten der Ausgezeichneten unter ihm, durch ein Freibillet vermittelst der Augen Theil nahm — und dieses Völkchen lernte es je länger je mehr ertragen, daß jene den Freudenkelch für sich allein behielten und [S. 10] es für sie alle thaten. Die Brocken, die etwa dem Künstler und der Putzmacherin von den Tischen dieser reichen Männer fielen — waren ihnen eine Segenserndte, und die Hunde der Großen leckten ihnen ihre Schwären — Dies Jammer und Elend ist kommen zu einem seligen End, und Laternenpfähle scheinen über Frankreich das Licht der Natur und einer Gleichheit aller Menschen so stark verbreitet zu haben, daß man vor lauter Licht das Licht zuweilen nicht zu erblicken scheint. Es giebt Menschen, die den Wald nicht vor den Bäumen sehen, und gar zu hell macht dunkel: auch giebt es moralische Blendlinge, die das Glück oder Unglück haben, da etwas flittern zu sehen, wo das gesunde Auge des Verstandes nichts wahrnimmt. Wie wär' es, wenn ich ohne Feldgeschrei und Sturmglocke, wie weiland Diogenes, laternisirte und mit einer Handleuchte in der schönen Welt, wo so viel Überfluss von tausend und abermal tausend Dingen für Geld oder für gute Worte zu haben ist — Menschen suchte? — Ob ich finden würde? — Einige Auflösungen sind mit Brausen verbunden; [S. 11] bei einigen entstehet eine Hitze, bei einigen eine Kälte. — Daß Ew. Excellenz sich nur ja nicht ereifern, vielmehr Hochdero Galle für Ihren ungetreuen Liebhaber Num. 30. besparen! — Eine Schwalbe macht keinen Sommer, und meine Laterne ist mit einem Hauch Ihres Eifers ausgeblasen. Wollten Ew. Excellenz in aller Zucht und Ehrbarkeit Sich in einen wohlgemeinten Wortwechsel mit mir einzulassen geruhen; Sie würden, wie ich nach der Liebe hoffe, Sich eines andern besinnen, und vielleicht überzeugt werden, daß ich weniger Vorwürfe verdiene, als alle Ihre Liebhaber bis auf den sub Num. 30., der es freilich außer der Weise macht, woran indeß ich und meine Schrift auch nicht auf die entferntste Weise Schuld sind — Bin ich gleich kein galanter, so bin ich doch ein treuer Verehrer eines Geschlechtes, unter welchem Sie und viele andere Ihres Gleichen so unrichtig Excellenz heißen, wogegen andere trefliche Weiber, welche diesen Ehrennamen zehnfach verdienen, aus Hof-Etiquette nicht so genannt werden.
Keinem anderen als einem Deutschen konnte wohl ein solches Buch einfallen!
Auch unter den Franzosen gab es Sonderlinge, die, wenn sie gleich freilich nicht mit der Thür ins Haus fielen, und an keine bürgerliche Verbesserung des schönen Geschlechtes dachten, ihm doch ein anderes Verhältniß anwiesen. Ich habe geglaubt, man müsse dem Übel die Wurzel nehmen und den Staat nicht aus dem Spiele lassen.
Frankreich, wo jetzt alles gleich ist, ließ unser Geschlecht unangetastet.
Unverzeihlich! wie konnte ein Volk, das (wie weiland Voltaire par et pour die Komödianten lebte) par et pour das schöne Geschlecht existirt, bei der weltgepriesenen allgemeinen Gleichheit ein Geschlecht vernachlässigen, das eine Königin hat, derengleichen es gewiß wenige in der Welt gab. —
Wenn ich nur selbst wüßte, wie ich mich hier ins Mittel legen könnte, um aus diesem excellenten Handel mit Ehren herauszukommen! — Wohlan! ich will den gegenwärtigen Weltlauf der Damen copiren, die in Einem [S. 13] Athem trotzen und bitten, fluchen und segnen — —
Vielleicht war das menschliche Geschlecht bloß darum so vielem Wechsel von Licht und Finsterniß, von Veredlung und Herabwürdigung, von Paradies und Fall ausgesetzt, weil man die Rechnung ohne die schöne Welt machte. Es ebbte und fluthete, je nachdem man von dieser andern Hälfte Notiz nahm und je nachdem man sie als etwas Wesentliches in der Menschheit oder als etwas Beiläufiges ansah, das schon die Ehre haben würde, der Principalsache zu folgen. Man sah das schöne Geschlecht, wie den Reim, kaum für etwas mehr, als für eine Krücke an, wodurch sich der Gedanke forthilft; und bei Messiaden und andern Werken der Dichtkunst, wo man ohne Krücken ging — mußte das andere Geschlecht sich gefallen lassen, zu kurz zu kommen. Jener Römische Rechtsspruch: Mit dem Rechtsmaß, mit dem man Andere mißt, muß man sich selbst messen; schien hier völlig seine Kraft verloren zu haben, wenn er gleich zu jenen ins Herz geschriebenen gehört, die zu [S. 14] übertreten eine Sünde wider den heiligen Geist ist. — Wie ist ein Stoff zu organisiren, wenn es nicht auf die Vereinfachung des Vielfachen angelegt wird? Wie ist dem menschlichen Geschlechte zu rathen und zu helfen, wenn man so entsetzlich einseitig verfährt? Der Himmel der alten Welt hatte seine Göttinnen so gut wie seine Götter; nur unter den Menschen soll es keine anderen Götter geben neben den Männern von Gottes Gnaden! — Ist es ein Seelenfest, wenn entfernte, einander völlig fremd gewordene Gegenstände in der Geisterwelt sich zusammen finden; wenn sich oft das Allerverschiedenste in einem Berührungspunkte des Denkens trifft, wo seine ursprüngliche Verwandtschaft wieder einleuchtend wird; wenn sich dergleichen von einander abgekommene Gegenstände Hände und Trauringe geben und eine Himmelsstimme sich hören läßt: was Gott zusammen fügt, soll der Mensch nicht scheiden; ist es unaussprechliche Wonne, wenn Freunde nach langen See- und Landreisen sich wieder an Stell' und Ort umarmen und sich an die paradiesischen Jahre [S. 15] ihrer Jugend erinnern, wo sie Ein Herz und Eine Seele waren: wie weit herrlicher wird es seyn, wenn das andere Geschlecht sich wieder zu dem unsrigen verhält, wie Eva zu Adam, und nicht wie Ew. Excellenz zu Num. 30! — Laßt uns dies Werk der Zeit überlassen, die bisweilen aus unbegreiflicher Güte Combinationen zusammen bringt, auf welche, nach dem gewöhnlichen Laufe der Dinge, weder zu rechnen, noch Jagd zu machen war — Laßt uns auf den Zeitpunkt uns freuen, wo der Tag der Erlösung für das schöne Geschlecht anbrechen wird, wenn man Menschen, die zu gleichen Rechten berufen sind, nicht mehr in der Ausübung derselben behindert — und wenn man das, was so augenscheinlich gleich ist, nicht so willkührlich unterscheidet. — Ich würd' ein Frauenknecht in bester Form seyn, wenn ich behaupten wollte, daß diese goldene Zeit vom Himmel fallen werde. Verdienst und Würdigkeit sind die Bedingungen menschlicher Glückseligkeit, und der Mensch, sein eigener Bildner, kann aus dem Marmorwürfel, den die Natur ihm [S. 16] zuwarf, einen Gott und ein Thier machen — nach Belieben. Bloß auf die Behauptung schränk' ich mich ein, daß der Stoff, woraus eine Venus ward, sich eben so gut zu einem Merkur verarbeiten läßt; daß den Weibern das Recht der Gerade gebührt; und daß, wenn die Natur das menschliche Geschlecht zu schaffen anfing, sie den größeren Theil uns selbst überließ, um die Ehre der Schöpfung mit uns zu theilen. Thätigkeit ist die Würze des Genusses, und Genuß die Würze der Thätigkeit. — Es ist dem Menschen angeboren, sagt Cicero (mit andern Worten), daß, wenn er sich Gott denkt, die menschliche Natur vor ihm schwebt. — Man definire den Menschen, wie weiland der göttliche Plato, als ein zweifüßiges Thier ohne Federn, oder als ein Geschöpf, das sich wie ein Tanzmeister gerade hält, als Gott, als Thier: nirgends sind Weiber ausgeschlossen; nur müssen sie auch nicht sich selbst ausschließen — und wollen und werden sie das? Wesley, der Stifter des Methodismus, hatte die Maxime, daß es ohne Fasten und Frühaufstehen unmöglich sei, [S. 17] in der Gnade zu wachsen — Was gilt das beste Recht, wenn man sich desselben unwürdig macht! Das fräuliche Geschlecht soll in der Gerechtigkeit, und nicht in der Gnade, wachsen; indeß kann ich ihm kein anderes als dies Methodisten-Recept verschreiben: Wachsamkeit und Enthaltsamkeit — Welch ein Fürst, und wär' es der reichste und mächtigste, ist glücklich ohne persönliches Verdienst —? Thomas Payne, der den Vorwurf, ein Fürstenfeind zu seyn, höchlich von sich ablehnt, und protestirend versichert, daß Niemand treuer als Er wünschen könne, die regierenden Herren zu der glücklichen Lage der Privatmänner zu erheben, bedachte nicht, daß jeder Fürst nicht nur ein politisches, sondern auch ein Privatleben führt — daß Fürsten mehr persönliche Verdienste zeigen müssen, als andere, wenn sie geliebt und bewundert werden wollen, und daß sie Fürsten bleiben und doch sich persönlich auszeichnen können. Das ist, mit Ewr. Excellenz gnädiger Erlaubniß, der Fall mit Ihrem Geschlechte. — Quand le bon ton paroît, le bon sens se retire. — —
Eine Gardefou, eine Warnungstafel, den Blöden zum Besten: daß ich hier mit keiner wirklichen Excellenz wirklich colloquirt habe; denn außerdem, daß ich alsdann gewiß weniger zum Wort gekommen wäre, würd' ich auch meine wenigeren Worte unschwer zu verzuckern nicht ermangelt haben. — Wenn der Künstler auf bloße Portraite eingeschränkt ist und keine Ideale mehr wagen darf, so agonisirt seine Kunst, und auch sein Genie liegt in den letzten Zügen; doch muß man in seinen Idealen eine auserlesene Sammlung von Portraiten finden, falls sie den Namen Ideale verdienen sollen. In einer Venus lag ein Extrakt von fünfhundert schönen Mädchen — Meine Excellenz ist in der Ideenwelt; sie wird indeß hoffentlich kenntlich genug geblieben seyn, und man kann ihren Widerschein gewiß mehr als fünfhundert mal finden. Die eigentliche Absicht war, vermittelst dieses magischen Spiegels mein Müthlein an der gefälligen Ungerechtigkeit zu kühlen, die unser Geschlecht dem schönen beweiset — ohne daß das letztere es dazu anlegen will, sich [S. 19] von seinen Königen zu befreien, wie weiland Rom, nachdem der stolze Tarquin wegen seiner Tyrannei vom Throne gestoßen und diese Handlung mit dem Grundgesetze bezeichnet ward: die königliche Regierung auf immer und ewig abzustellen. Sehr viel mehr als ein Balken-Königreich, das man aus einer alten Fabel kennt, war und ist unsere Herrschaft doch nicht — und es giebt ein moralisches Nestelknüpfen, kraft dessen (zum wahren Glück des Ganzen) nur wenige Männer zur eigentlichen Herrschaft gelangen. — Damit ich indeß dieses erste Kapitel, welches einer Parlements- oder gar National-Versammlungs-Rede nicht unähnlich ist, einlenke, so glaub' ich, dem Buche über die Ehe, diesem belobten und betadelten Ehe-Katechismus, mit dem ich es weder halten noch verderben mag, nicht zu nahe zu treten, wenn ich zur Zerstörung der galanten Bastillen, der häuslichen Zwinger und bürgerlichen Verließe, worin sich das schöne Geschlecht befindet, mit einem einzigen Operations-Plan Markt halte, und die bürgerliche Verbesserung der Weiber [S. 20] als ein diensames Mittel diesen Zweck zu beschleichen, empfehle, anbei aber glaubensvoll versichere, daß dieser weniger im Schweiß des Angesichts zu erringende, als so zu erhaltende Stand im Staate, beiden Hemisphären des menschlichen Geschlechtes heilsam seyn werde, zeitlich und ewiglich. — Ruhig und überzeugend gehet die Vernunft, und nur da, wo man sie mit ungleichen Waffen unrühmlich bekämpfen will, wo das Vorurtheil den Handschuh wirft, und Gewalt ihr den Weg vertritt, pflegt auch sie ihren eigentlichen wohlüberdachten Plan aufzugeben, und ihm einen andern unterzulegen, wodurch nicht das Bessere befördert, sondern Schlechtes mit Schlechterem verwechselt wird: etwas Blindes mit etwas Lahmen; man verändert, ohne zu verbessern. Ein untrügliches Merkmahl aller Schwachköpfe, vom Thron bis auf den letzten Officianten-Sessel. — Es gab, Gottlob! von je her Weiber, und es giebt ihrer noch, denen ihr Stand der Erniedrigung eine zu starke Probe ist; Weiberköpfe, die nicht ihre Weiblichkeit, sondern die willkührliche Behandlung [S. 21] derselben von Seiten unseres Geschlechtes beseufzten, und die ihrer Erlösung entgegen sahen — meine Schrift soll ihnen keine Heerführerdienste leisten. — Man kann durch Lehren lernen, und durch Gehorchen sich im Befehlen unterrichten. Ich leg' es so wenig darauf an, das andere Geschlecht Knall und Fall von seiner Sklaverei zu befreien, daß ich mich vielmehr begnüge es aufzumuntern, diese Erlösung zu verdienen. Des Himmels würdig werden, heißt nicht viel weniger, als ein activer Himmelsbürger seyn. — — Findet auch selbst diese bescheidene Absicht steinichte Äcker und steinerne Herzen — immerhin! — es ist ja nichts weiter als ein Buch, das ich verbreche; wahrlich eine Kleinigkeit. Wirkte je eins? auf frischer That? an Stell' und Ort? u. s. w. Erfahrungen, Empfindungen solcher positiven Übel, welche der menschlichen Natur widersprechen, wirken; und wenn gleich die Mehrheit der Hände vielfältig entschieden hat, und noch entscheiden kann, so gilt doch dieser Vorzug der Thäter nicht von der Pluralität der Leser, die sich zu [S. 22] Denkern etwa wie Eins zu Hundert verhalten. Und du lieber Gott! selbst die Denker! sind sie nicht eine so unsichtbare Kirche, daß nur der Herr die Seinen kennet? Wahrlich! es hat auf die Wirkung keinen Einfluß, ob ein Buch zehn, fünf oder nur Eine Auflage erlebt; und der Autor, der nach der Anzahl der verkauften Exemplare ein angeworbenes Heer mit ihm gleich denkender Menschen, die vermittelst seines Buches Handgeld genommen, berechnen will, scheint weder Bücher noch Menschen zu kennen — man muß ihn in die Schule schicken. Einer jeden Schrift, sie sey weß Standes oder Ehren sie wolle, stehet das gewöhnliche Schicksal aller Schriften bevor: gelesen und vergessen zu werden; falls sie sich bloß auf Meinungen einschränkt (die unschädlichsten, unwirksamsten Dinge in der Welt, wenn anders der Censor ihnen nicht einen Schein von Bedeutung beizulegen die ungütige Güte hat.) — Gelingt es mir indeß, Leben und Erfahrung in mein Büchlein zu legen und einen Geist in die todten Buchstaben zu hauchen; so werd' ich wenigstens auf [S. 23] einen Theil der Ehre rechnen können, welche sich der mündliche Vortrag gegen den schriftlichen herausnimmt, indem es von ihm heißt: der Glaube kommt durch die Predigt. —
Bei solchen Umständen ist mein Zweck freilich eine Reise um die Welt, ohne daß ich mein Zimmer verlasse. Ob dies gerade die gemächlichste Art zu reisen sei, mag unentschieden bleiben; die unfruchtbarste ist sie wenigstens nicht. Newton maß in seinem Lehnsessel die Erde, und bestimmte, ohne den Chimborasso bestiegen und in Tornea gefroren zu haben, ihre Figur, Jahre lang früher, als die Herren Condamine und Maupertuis; auch bin ich nicht der Erste, der so reiset. —
Wie, wenn ich die gegenwärtige passive Existenz des schönen Geschlechtes in ihrer wahren Blöße zu zeigen glücklich genug wäre, um den Vorzug verdächtig zu machen, im Nichtthun stark zu seyn! wenn ich einem genußgierigen Volke, das für den sinnlichen Luxus oft selbst den moralischen verschwendet, indem es für die Nothwendigkeit knickert, ökonomischere Grundsätze beibrächte, und es [S. 24] bewegen könnte, über Leib und Seele Credit und Debet zu verzeichnen und Buch zu halten! wenn meine wohlgemeinten Vorstellungen bewirkten, daß die Weiber nicht in dem Grade männlich würden, wie die Männer weiblich, sondern daß Mann und Weib sich Mühe gäben, wirklich Mann und Weib zu seyn, da jetzt, aus verjährter Unordnung, in Hinsicht der Geschlechter Niemand recht weiß, wer Koch oder Kellner ist! wenn ich, frei von jeder Explosion, bloß jenes Ziel näher brächte, welches die Natur in eigner hoher Person angewiesen hat! wenn mich das gewöhnliche Schicksal der Reformatoren nicht träfe, die Alles außer der Jahreszeit hervorbringen wollen, denen es an Geist und Nachdruck gebricht, den Zeitpunkt schneller herbei zu führen, und die, was noch ärger ist, sich auf die Pulsschläge der Zeit so wenig verstehen, daß sie gemeiniglich zu früh, und, wenn das Glück gut ist, zu spät zu kommen die Ehre haben! — Des hoffnungstrunkenen Schriftstellers! Man hat in unserer Zeit so sehr die bürgerliche Verbesserung der Juden [S. 25] empfohlen; sollte ein wirkliches Volk Gottes (das andere Geschlecht) weniger diese Sorgfalt verdienen, als das so genannte? — Liegt der Same der Erbsünde nicht in den Müttern? und lagen die Verhinderungen einer moralischen Verbesserung des menschlichen Geschlechtes — welche Verbesserung die besten Menschen in der Welt, und unter diesen Friedrich der Zweite, anfänglich so thätig bezweckten, nachher aber betrübt aufgaben — nicht vorzüglich darin, daß man das schöne Geschlecht in seinen Ruinen ließ und diesen Tempel bloß aus unserm Geschlecht errichten wollte? Ist es nicht unverzeihlich, die Hälfte der menschlichen Kräfte ungekannt, ungeschätzt und ungebraucht schlummern zu lassen —? Gesellschaft setzt unter den Verbundenen eine Gleichheit voraus, wozu es der Urheber der Menschen auch angelegt hat, der die Menschen aufrichtig machte; nur leider! suchen sie viele Künste. In allen Gesellschaften, woran Weiber Theil nehmen, verbreitet sich Anstand; und sollte dies nicht auch der Fall beim Staate seyn, in dessen Geschäfte [S. 26] ein andres Licht und Leben kommen würde, wenn Weiber den Zutritt hätten, in ihnen ihr Licht leuchten zu lassen und ihnen einen anderen Schwung beizulegen? — Wir haben für unsere Gesellschaften noch keine Pflichtvorschriften; und doch führt man sich hier ohne Gesetzbuch so exemplarisch, daß oft Ungezogene, die der Staat aufgab, mit augenscheinlichem Vortheile in diese Schule gingen, und aus ihr als gebesserte Menschen zur Universität des Staates gebracht wurden. — Ich getraue mir (den Gegenbeweis unverschnitten) außer Zweifel zu setzen, daß in allen weiblichen Regierungen gewisse feine Züge des Anstandes aufzuspüren seyn würden, welche bei einem großen Theile der Menschen mehr bewirken, als ein wohlbestallter Codex voll kunstgerechter Strafflüche. Dieser süße Geruch der Empfehlung, dieses Gewürz des Wohlgefallens — wie liebenswürdig! Die Gesetzgebung der Grossen Katharina der II. hat davon laute Spuren. — Schon die Gegenwart der Frau vom Hause, die doch das Hausrecht gewiß nicht in aller Strenge handhaben [S. 27] kann, macht den Männern die Sprache der Bescheidenheit nothwendig — und will man einwenden, daß die Ohren alsdann gerade nur so viel keuscher geworden wären, als das Herz unkeusch; so vergißt man, daß ein gewisser Schein, eine gewisse Heuchelei, die man Lebensart nennt, unter den Menschen so nothwendig ist, daß die Menschen ohne diese Lebensart nicht, wie ein Paar Augures der alten Zeit, wenn sie einander begegneten, oder ein Paar der neuern, wenn sie ein Consilium wegen der letzten Öhlung eines Patienten halten, über einander lachen, sondern sich verabscheuen würden. — Die Reinheit der Zunge wirkt zurück; und wessen das Herz voll ist, geht der Mund über. —
Als nach dem Rathe, den Gott über das Schöpfungswerk gehalten hatte, dieser Plan ausgeführt werden sollte; schuf Er das erste und beste Paar von Menschen gleich im männlichen und mannbaren Alter, so daß ihre Hochzeit keine Stunde ausgesetzt werden durfte. Sie kamen mit den erforderlichen Jahren zur Welt, wie regierende Herren ihrem neuen Adel Ahnen verehren — Das Männlein Adam hatte zwar die Ehre der Erstgeburt; indeß ward Fräulein Eva vollkommen dadurch entschädigt, daß sie aus einer Rippe Adams, dieser dagegen nur aus einem Erdenkloß zur Welt gebracht wurde —! »Eine Schöpfung also aus der zweiten Hand?« Warum nicht gar aus der [S. 29] dritten —! Schuf nicht eben die Schöpferhand, welche Adam geschaffen hatte, auch Eva? und gereichet diese Rippen-Hieroglyphe nicht in mehr als Einer Rücksicht zum Vorzuge des Weibes? Keins erzog das andere; Keinem fiel es ein, sich über das andere zu erheben und Vaterrechte zu behaupten. — Elternrecht, das schönste und ehrwürdigste, das die Menschheit kennt, der Urquell der liebenswürdigsten Tugenden, hat (wer sollt' es denken!) die Ungleichheit unter den Menschen erzeugt. Gute Eltern, solch eine ungerathene, ausgeartete Tochter! Sind indeß viele Laster nichts anders als ungezogene Tugenden; sind, nach dem Ausspruch eines Heiligen, unsere Tugenden bloß schöne Sünden: so würde man ein Verbrechen an der Menschheit begehen, wenn man nicht auch dem Bösen und dem Ideal desselben, dem Teufel, Gerechtigkeit erweisen wollte. — Wenn man ja, nach der ältesten Urkunde das menschliche Geschlecht betreffend, einem Theile dieses ersten Menschenpaares einen Vorzug vor dem andern beilegen wollte; so würde Eva den Zankapfel [S. 30] von jedem Paris erhalten — »weil sie schöner als Helena war? und weil jeder Paris bei aller Sinneseinfalt eine Mannsperson bleibt?« Nein! sondern weil Adam durch sie zum Falle gebracht ward, oder (wie diese hohe und tiefe, erhabene und schöne Hieroglyphe nicht unrichtig gedeutet werden kann) weil er sich durch sie zum Gebrauch und zur Anwendung, zum Durchbruch der Vernunft hinaufstimmen ließ. Der seligen Stimmung! — Eva war das Pupillen-Amt, welches die Majorennitäts-Erklärung über den unmündigen Adam aussprach, nachdem er zeither vielleicht unter der Vormundschafts-Direktion der braven Eva gestanden zu haben scheint, die sich schon zuvor in einigen Stücken manumittirt haben mochte — Sie zerbrach die Ketten des Instinkts, der die Vernunft nicht aufkommen ließ, und triumphirte — Eva sollte die Vernunft, ihr zum Andenken, heißen. Die erste Hauptrevolution konnte, wie jede Revolution, nicht ohne Drangsale und Unruhe seyn. Diese sind nach der Natur des Menschen so nothwendig, daß ich nichts weiß, es sey etwas [S. 31] Theoretisches oder Praktisches, was, wenn es sich anders auszeichnet, nicht durch Zerrüttung und Leidenschaft empfangen und geboren wäre — Nur immerwährend kann dieser Braus und Saus nicht seyn und bleiben. Die Wellen müssen sich legen und die Vernunft muß endlich obsiegen — So ging es bei der ersten Revolution, und so muß es bei einer jeden andern gehen, wenn sie anders diesen Namen verdienen soll. Diese Lobrede auf Eva, welche ihr von wegen der Vernunft-Revolution so wohl gebührt, würde vielleicht zu einer theologischen, juristischen, medicinischen oder philosophischen Disputation, oder zu einem Aufsatze für irgend ein zeitverkürzendes Journal, hinreichende Gelegenheit an Hand und Kopf geben, wenn man nur wüßte, wie man den ungebetenen Gast von Assistenzräthin, die Schlange, aus dem Spiel bringen könnte. — Mit diesem Eheteufel ist leider! nichts anzufangen — Kurz und gut, sagt der gläubige Thomas Payne, ich bin dem ganzen Teufel von Monarchie feind. — Da es aber, mit Herrn Payne's Erlaubniß, [S. 32] auch gar häßliche Republikteufel geben kann und giebt; so ist es am Besten, alle Teufel zum Teufel zu jagen. Vielleicht die beste Gerechtigkeit, die man ihnen erweisen kann. —
Die Schöpfungsgeschichte erwähnet, nach dem klaren Inhalt derselben, keines andern als des Geschlechtsunterschiedes. Lasset uns Menschen machen — und er schuf sie ein Männlein und ein Fräulein — — Es ist eine weit spätere Epoche, wenn es heißt: Dein Wille soll deinem Manne unterworfen seyn und er soll dein Herr seyn! Und denkt man sich unter der Geschichte des Falles ein Bild von der Befreiung des Menschen von dem paradiesischen Joche des Instinkts, und vom Ursprunge des gesellschaftlichen Zustandes, zu welchem die weise Eva die Gelegenheitsmacherin und Heroldin war; so scheinen diese prophetischen Worte den traurigen Zustand zu verkündigen, den Eva ihrem Geschlechte durch diese Heldenthat zuzog. — Ob indeß die Natur der Sache jene allererste Urkunde und ihre Auslegung bestätigen wird? Zu übersiebnen sind dergleichen alte und wohlbetagte [S. 33] Dinge nicht; und wozu auch diese gefährliche Beweisart —? wozu, da wir Vernunft und Erfahrung als Zeugen zum ewigen Gedächtniß anrufen können. Aus dieser zweier Zeugen Munde bestehet alle Wahrheit. —
Die Natur scheint bei Bildung der beiden Menschengeschlechter nicht beabsichtiget zu haben, weder einen merklichen Unterschied unter ihnen festzustellen, noch eins auf Kosten des andern zu begünstigen — Der Geschlechtsunterschied kann nicht zur Antwort dienen, wenn die Frage ist: ob das männliche Geschlecht mit wesentlichen körperlichen und geistigen Vorzügen vor dem weiblichen ausgestattet worden sei? Andere Unterschiede, als die welche auf die Geschlechtsbestimmung gehen, zu entdecken, hat dem anatomischen Messer bis jetzt noch nicht gelingen wollen; und doch behauptet dies Instrument bei der goldnen Regel: Erkenne dich selbst, einen unleugbaren Einfluß; und überhaupt hat das brave Eisen dem menschlichen Geschlechte weit mehr Dienste geleistet, als das prahlerische Gold — Wer zuerst den Magneten die Eisenbraut [S. 34] nannte, bewies für Magnet und Eisen eine Achtung, die beiden gebührt. — Was hätte die Natur veranlassen können, die Eine Hälfte ihres höchsten Meisterstücks zu beglücken und zu ehren, die andere dagegen zu verkümmern und zu vernachlässigen, und zwar gerade in umgekehrtem Verhältnisse? Bei Erreichung jenes großen Naturzwecks, wo Menschen das göttliche Ebenbild des Schöpfers darstellen, hat das weibliche Geschlecht einen ungleich wesentlicheren Antheil als das männliche, und zwar sowohl in Hinsicht der Substanz als der Form. Dieser Absicht recht weise vorzuarbeiten, sollte die Natur die Weiber haben schwächer bilden oder unvollendet lassen wollen? »Nicht eben schwächer«, sagte ein Weiberfeind, als er diese Stelle im Manuskripte las, »aber weniger gang und gebe. Mögen Weiber Stahl seyn, die Männer Eisen —«. Nicht also; und warum ein Vergleich auf Schrauben, da das schnurgerade Recht auf der Weiberseite ist! Wir, glaubt man, wären Gottlob! völlig ausgeschaffen; und nun zerbrach der Meister die Form von Thon, und das andere [S. 35] Geschlecht, in der Repräsentantin Eva, war ein Unternehmen auf gutes Glück, auf den Kauf, eher hingeworfen als zu Stande gebracht, angefangen und nicht vollendet —! Das Weib, dem das eigentliche Geschäft bei der Vermenschlichung der göttlichen Schöpfung anvertrauet ward, sollte die Merkzeichen der Ohnmacht und der Dürftigkeit an sich tragen? Die allmächtige Natur sollte ihre Stellvertreterin schwach gelassen haben, um nicht nur schwache Personen ihres eigenen Geschlechtes, sondern auch starke des unsrigen zur Welt zu bringen? Doch scheint es so; und freilich, wenn Erfahrung spricht, muß Vernünftelei schweigen, knieen und anbeten — Der einzige Winkelzug, der ihr übrig bleibt — Erfahrung! und was lehrt sie? Das andere Geschlecht sey im Ganzen kleiner, schwächlicher angelegt, besitze weniger körperliche Kräfte, und sey mehrern Krankheiten unterworfen. Bedarf es weiteres Zeugnisses, um die Vernunft zu der Schlußfolge zu bequemen: dies wären Geschlechtsunvollkommenheiten, von welchen die Weiber bei der Ordnung der Dinge nicht [S. 36] entbunden werden konnten? Alles ist gut, was nicht anders seyn kann, und im Muß liegt eine Schatzkammer von Beruhigungsgründen, vermittelst deren man bei ein wenig Philosophie das: ich Muß, mit dem: ich Will, so auszusöhnen weiß, daß hier jeder Fluch sich in Segen, und die arge böse Welt sich in die beste verwandelt. Friede mit der Natur und mit dem schönen Geschlechte; und Friede mit uns Allen! Wie aber, wenn es so gut Trugerfahrungen als Trugschlüsse gäbe? wenn der Schein betröge? Die Vernunft fürchtet sich vor den Sinnen; und wenn wir die Operation an uns vollziehen zu lassen völlig entschlossen sind, wenden wir doch in der Stunde der Anfechtung das Auge weg — Vernunft, Herz und Sinne arbeiten sich in die Hand; und nicht nur das Herz des Menschen, sondern auch seine Vernunft und seine Sinne sind trotzig und verzagt: wer kann's ergründen? Bald dünkt der Mensch sich, ein Gott, bald weniger als ein Thier zu seyn — Nackt und bloß kommt er zur Welt, und wenn andere Thiere bewaffnet und bedeckt sind, können Se. Majestät der Mensch sich nicht entbrechen, [S. 37] das königliche Recht an Thieren auszuüben, um sich zu ernähren und zu bekleiden — Diese Finanzregierung wird oft so sehr mit dem Stabe Wehe! geführt, daß die Thiere bei der Natur die bittersten Klagen gegen ihre Allerdurchlauchtigsten Beherrscher führen könnten — und auch ohne Zweifel führen, wenn anders der Apostel Paulus recht beobachtet hat. Denn in der That die Natur hält ein schreckliches heimliches Gericht, das schrecklichste, das gedacht werden kann! Noth lehrt beten, bitten und nehmen; allein sie ist auch eine weise Lehrerin der Mäßigkeit — und wer diese ihre Stimme verkennt, in dem ist nicht die Liebe des Allvaters, dessen Kind Alles ist, was Leben und Athem hat. Nichts mehr als weinen kann der Mensch ohne Lehrmeister, zum Zeichen, daß er bei weitem nicht das höchste Loos zog; — denn da er sich nicht zu berechnen versteht, so ist der Gewinn oft schädlicher als eine Niete. Lieber! dergleichen Klagen sind durch das Machtwort: Vernunft, überwunden. Ohne Schwäche hört der Mensch auf, Mensch zu seyn — [S. 38] und wer es in diesem Erdenleben auf etwas Höheres anlegt, begiebt sich in Gefahr, weniger zu werden und den Zweck des Schöpfers zu verrücken. Kennen wir ein edleres Geschöpf außer ihm, in welchem die Kraft liegt, sich Gott und eine reine Tugend zu denken? — und diesen Vorzug hat auch der Verworfenste nicht aufgegeben — Einen Augenblick, nicht aber immer, kann der Mensch auf das Ebenbild Gottes Verzicht thun — Ist die Vernunft nicht mehr als Alles? und verdient sie diesen Namen, wenn sie nicht Begierden einschränken kann? Kann man nicht das Thier am Menschen fast vergöttlichen und seine Leidenschaften, wie die Meereswoge, bedrohen —? Wo sie ist, da wohnt Menschheit, und bei den Strahlen ihrer Gottheit diese Würde im andern Geschlechte verkennen wollen, heißt: keine Regel übrig lassen, seinen eigenen Werth zu bestimmen. Nicht steinerne Gesetztafeln würde man zerbrechen, sondern am göttlichen Geiste, der in uns ist, sich versündigen — — Kann etwas Sache Gottes seyn, was der Vernunft widerspricht? [S. 39] oder will Gott seine Sache je durch solche Mittel geführt wissen? Durch die Vernunft, den Widerhall seines Mundes, ist Er nicht fern von einem Jeglichen, der mittelst ihrer Ihm ähnlich ward und in Ihm lebet, webet und ist. — — Mein Feldzeichen ist keine nichtswürdige Präconisirung, sondern Wahrheit und Gerechtigkeit. Ist das weibliche Geschlecht in der Regel wirklich kleiner, als das männliche? ist nicht die Größe überhaupt etwas sehr Relatives, welches in Klima, Nahrungsmitteln und andern uns unbekannten Ursachen wesentlichere Bestimmungsgründe findet, als in dem Geschlechtsunterschiede? Jenseits der Wendecirkel und unter der Linie ist die Menschenart weit kleiner, als innerhalb derselben. Über den zwanzigsten und sechzigsten Grad der Breite hinaus würden unsere Werbehäuser ungefähr so viel Glück machen, wie ein Besuch der Boucaniers auf Tierra del Fuego in den Höhlen der Pescherühs. Reisende behaupten, daß Männer und Weiber dort gleichen Strich halten, und daß, wenn ihnen nicht der Unterschied der Kleidung und etwa der Bart aushülfen, [S. 40] die beiden Geschlechter von einander nicht unterschieden werden könnten. Oder sollten diese Klimate hier etwa der Entwickelung des weiblichen Körpers günstiger seyn? Mit nichten; ihr frühes Dahinwelken widerspricht dieser Muthmaßung: schon das dreißigste Jahr bedeckt sie mit Runzeln. Auch in gemäßigtern Himmelsstrichen giebt es Verschiedenheiten in Rücksicht der Größe, und unter ihnen Racen, die sich von den übrigen auszeichnen, so wie die Bewohner der Marschländer in der Regel größer sind, als die Bergbewohner, als ob die Natur diesen Menschen den Berg mit in Anschlag gebracht hätte — und am Ende, was thut die Größe?
Aber die Schwächlichkeit gegen den nervigen, eckigen, männlichen Körperbau gehalten! Freilich würde sie mehr beweisen; doch fürcht' ich, die Erfahrung sagt auch hier weniger, als wir sie sagen lassen — Ehe wir die Fehde beginnen, ist die Musterung der Heere nothwendig. Verabschieden wir unser elegantes, luftiges Völkchen, läßt das andere Geschlecht seine Damen der höheren Klassen [S. 41] sammt ihren Zofen zu den lieben Ihrigen heimkehren — was gilt die Wette? Selbst wenn unsere eleganten Damen mit unsern eleganten jungen Herren sich in Fehde einließen — auf welcher Seite wäre Hoffnung zu gewinnen? — Bei Völkern, die auf der ersten Stufe der Cultur stehen, ist das Schicksal des weiblichen Geschlechtes hart: bei Jägernationen, denen Hausthiere unbekannt sind, ist das Weib das lastbare Thier, welches den Mann zur Jagd begleitet und das erbeutete Wild nach der Hütte trägt; bei den Hirten- und Ackervölkern ist ihr Schicksal, wo möglich, noch schwerer: sie bauen das Feld, treiben Fabriken und Manufakturarbeiten, indem sie das, was ihnen der Acker und die Heerden zur Nahrung und Bekleidung darbieten, zum Gebrauch bereiten oder veredlen, und auch noch das (freilich sehr einfache) Hauswesen besorgen, während der Ehrenmann sich dem Müßiggange überläßt — Auch unter Nationen, wo die Cultur schon Fortschritte macht, ist, bei der arbeitenden Klasse des Volkes, der Antheil des andern Geschlechtes an den [S. 42] Geschäften gewiß nicht von der Art, daß davon auf eine größere Schwächlichkeit der Weiber geschlossen werden könnte. Die Arbeiten bei Bestellung des Bodens und bei der Erndte — sind sie nicht unter beide Geschlechter so ziemlich gleich vertheilt? Es wird schwer fallen, zu bestimmen, welcher Theil hier mehr übersehen werde. Bei der Musterung aller Gewerbe, die den Kunstfleiß und die Hände der Menschen beschäftigen — ist nicht der Antheil der Weiber mit einem beträchtlicheren Aufwande von Kräften verknüpft? Der Schnitter kehret heim zu seiner Hütte mit frohem Herzen, um nach ermüdender Arbeit der Ruhe zu pflegen, wenn, auch bei der einfachsten ländlichen Haushaltung, noch vielfache Geschäfte für das Weib übrig bleiben, das im Schweiße seines Angesichts die Garben band, wozu nicht minder Anstrengung von Kräften erfordert wird. Jene von Gesundheit strotzende, mit der ächten Sommerfarbe geschminkte Dirne ist eine lebendige Widerlegung dieser mißgünstigen Behauptung, und sie wird es mit Jedem aufnehmen, der es wagen [S. 43] will, die Kräfte ihrer Muskeln in Versuchung zu führen. Weiberkrankheiten sind nur die Geißel der Weiberklasse, die den Ehrennamen Weiber, so wie die in ihrem Kammerdienste sich befindenden Treugehorsamsten den Ehrennamen Männer, nur von wegen des Staats und zur Parade führen. Darf und soll die Natur Übel verantworten, welche Lebensart, Sitten und Conventionen, deren Name Legion ist, über sie gebracht haben? Gefährten unserer Thorheiten, Spießgesellen unserer Üppigkeit gehören nicht auf das Conto der Natur, die den Menschen so einfach schuf, und allenthalben, wo er seine Hütte aufschlug, für Wohnung, Nahrung und Kleidung reichlich und täglich sorgte. Hat sie je gewollt, daß er Gewürze aus Indien ziehen sollte, um sein Blut zu vergiften? oder angreifende Leckerbissen, um seine Nerven zu schwächen? Setzte sie dem Indier Eis, und dem Bewohner der Eiszone Wein vor? gab sie nicht vielmehr einem Jeden das ihm angemessene und beschiedene Theil? Und wie, grundgütige Natur! der ausgeartete Haufe deiner Kinder [S. 44] klaget dich wegen Krankheiten an, wozu er die Anlässe, trotz allen Gefahren und Hindernissen, aus Osten und Süden mit rastloser Begierde zusammen brachte, während das Häuflein deiner genügsamen Kinder, den mütterlichen Vorschriften folgsamer, mitten unter diesen unschlachtigen ausgearteten Menschen vor Dir wandelt und fromm ist, ohne von hysterischen Plagen und dem zahllosen Heere von Krämpfen zu wissen, gegen die weder die Materia medica, noch vielleicht die ganze weite und breite Natur, Mittel im Vermögen hat? Nennt die Natur nicht ungerecht, wenn ihr unnatürliche Wege wandelt! Nur gegen natürliche Krankheiten scheint die Natur Mittel zu besitzen; gegen Übel, welche Folgen unserer unnatürlichen Cultur sind, hat sie weder Kraut noch Pflaster, und ihr einziges Mittel ist nur: thut Buße und glaubet an das Natur-Evangelium! O, daß ihr Buße thätet und glaubtet! — Ohne daß wir werden wie die Kinder und in dies Philanthropin heimkommen, dem wir den Rücken kehrten — sind wir verrathene und verkaufte Menschen, zu [S. 45] denen bisweilen die wohlmeinende Stimme erschallt: Adam wo bist du? die sich indeß, so gut sie können, vor sich selbst zu verstecken suchen — Am fünften Akt scheitern besonders die meisten Frauenzimmer, so wie ein großer Theil der Theaterdichter — Die Liebe, das Glück des Lebens, wird ihr Unglück; ihr Herz war gebildet, die Tugend zu lieben, und nicht das Schicksal, sondern ihre Nachlässigkeit, macht es zur Verbrecherin — Die arbeitende Klasse kennt keine besonderen Weiberkrankheiten. Schwangerschaften und Geburten werden nur durch Nebenumstände, die ihren Grund in Lebensart, Sitten und Kleidung haben, erschwert, und sind so wenig Krankheiten, daß Ärzte sie geradesweges als Heilungsmittel vorschreiben könnten — und zuweilen wirklich vorschreiben. Bei einigen so genannten Wilden hält nicht das Weib, sondern der Mann, die Entbindungsferien. Kaum ist es seiner Bürde entledigt; so badet es sie in dem nächsten Flusse, reicht dem neuen Ankömmling die Brust, ersparet sich das Milchfieber und das Ammenkreuz, und besorgt die [S. 46] Hausgeschäfte nach wie vor, während der Mann, auf seinem Lager hingestreckt, sich pflegen läßt, und von seinen Nachbarn Wochenvisiten und Glückwünsche annimmt, weil er — man denke der Mühe! — durch sein Weib ein Kind geboren hat. Da es Helden giebt, deren die Geschichte mit Lob und Preis gedenkt, weil sie in höchsten Gnaden geruheten, sich Schlachten gewinnen und Siege erkämpfen zu lassen, ohne daß sie sich dem kleinsten Gefecht aussetzten und zum Bette der Ehren die mindeste Neigung fühlten, indem sie, wenn es hoch kam, weit über die Schußweite hinaus sehr behaglich zusahen, wie viele Arme und Beine ein Paar Lorbeerreiser kosteten: — so mag es mit dem Wochenbette dieser Männer so genau nicht genommen werden. Ihr, die ihr der Schwangerschaften und Geburten halben die Weiber für schwächer haltet als Euch; sagt: wie hätte die Natur ihr größtes Werk, die Fortpflanzung des menschlichen Geschlechtes, absichtlich mit solchen Übeln in Verbindung bringen; wie hätte sie den Becher des köstlichsten Nektars mit Wermuth [S. 47] vermischen; wie einer Handlung, über welche sie die besten ihrer Segnungen aussprach, mit so schrecklichem Fluche begleiten und auf unsere Seite lauter Wonne, auf die andere dagegen lauter Trübsal legen sollen! Allerdings sind Schwangerschaften, Entbindungen, Stillung des Säuglings mit einem Aufwande von Kräften verbunden; allein, in dem weiblichen Körper, wenn er unverdorben ist, findet sich Stoff genug, diesen Aufwand nicht nur zu bestreiten, sondern auch dessen Abgang ohne Zeitverlust zu ersetzen. Der Einwand, den man von so vielen Modefrauen ableitet, gilt nicht; denn diese erscheinen bereits so kümmerlich an Lebensstoff und Kräften, daß jede Schwangerschaft ihr luftiges Gebäude bis auf den Grund erschüttert, und jede Geburt es zu zerstören droht — Planreiche Erfinder, die ihr Rechenmaschinen erdachtet, einem Gliedermanne Schach spielen lehrtet, Luftreisen unternahmt, und durch Desorganisation Leute weiter bringt, als wenn sie in gradum doctoris utriusque medicincae promovirt hätten; ihr denen die Geister so zu [S. 48] Gebote stehen, wie dem Hauptmann von Kapernaum seine Knechte: — spannt eure Saiten tiefer, und laßt euch zu einer Kleinigkeit herab; erfindet eine Kunst, vermittelst deren unsere galanten Damen von der Last Kinder zu gebären, befreiet werden können. Laßt Söhne und Töchter wie Äpfel und Birnen wachsen; macht, daß sie wie Kohl verpflanzet werden — Sollten auch durch diese Erfindung in den ersten Jahren (kein Meister fällt vom Himmel) die politischen Volkszähler ein Minus wahrnehmen; so würde doch selbst in diesen Jahren der magern Kühe der Metallwerth des menschlichen Geschlechtes Alles ins Reine bringen, und Summa Summarum wäre um so mehr ein unläugbares Plus, da der Staat, anstatt aus Scheidemünze, aus Gliedern von ächtem Schroot und Korn bestehen würde! — Was gilt ein Persisches Heer nach Parasangen gemessen, gegen einen Macedonischen Phalanx! Doch nein! ziehet eure Schuhe aus, diese Stätte ist heilig. Den rechtmäßigsten, den allerheiligsten in der Vernunft gegründeten Ansprüchen der Menschen auf die [S. 49] Mittheilung der Wahrheit soll hier nicht durch Spott zu nahe getreten werden, der, so wie die üble Nachrede, immer etwas zurückläßt — Nur Menschenliebe nähere sich diesem feurigen Busche! Jene Kraft der Trägheit, die im Körper ihr Wesen oder Unwesen treiben soll, um ihn beständig in seinem gegenwärtigen Zustande zu erhalten, der sich der Ruhe widersetzt, wenn der Körper in Bewegung, und der Bewegung, wenn er in Ruhe ist, hat nicht die Ehre mir zu gefallen. Eine Kraft, die nur widersteht und nicht von selbst zu wirken vermag, ist eine Kraft, mit der sich wenigstens nicht prahlen läßt. Der edelste Staat muß sich zuweilen zum Angriffskriege verstehen, und es giebt Straf- und Wiederzueignungskriege, wodurch wir unser Recht und das was man uns schuldig ist, einfordern, und den zur Verantwortung ziehen, der sich an uns vergriff — Der ist weder klein noch groß, der beides nur in dem Grade ist und äußern kann, als man sich ihm widersetzt — Laßt beide Geschlechter zu ihrer Lauterkeit und Wahrheit heimkehren, und wir werden [S. 50] je länger je mehr finden, daß Mann und Weib auch in diesem Sinn Ein Leib sind — aber auch Eine Seele? Noch hat es den Psychologen nicht gelingen wollen, in dem Gebiete der Geister weit genug vorzudringen, um bestimmen zu können, ob es unter ihnen einen wesentlichen Unterschied gebe; wenigstens gab es keinen Geister-Linné, der sie klassificirte. Rorarius mag es verantworten wenn er bei den Thieren mehr Vernunft findet, als bei Menschen, Helvetius, wenn er die Seelen, denen ein Körper mit einem Huf zu Theil ward, mit denen, die einen Körper mit Händen erhielten, in Eine Klasse setzt, und Beide mögen es mit dem Cartesius ausmachen, daß sie seine Maschinenwelt zerstören. Es giebt auch philosophische und Vernunftketzer; denn der Grund zu allen Behauptungen wird aus der Natur genommen: einer Urkunde, die das mit allen Urkunden gemein hat, daß ein Jeder, was er darin sucht, auch darin findet. Jede Geschichte, jedes Faktum muß sich bequemen, sich nach uns zu richten, und der wahrhafteste Mann trägt [S. 51] zuvor etwas von seinem Selbst in jene Geschichte und jenes Faktum, so, daß Alles was der Mensch berührt, etwas von seinem Ich, von seinem Selbst, erhält. Das beste Wasser hat keinen Geschmack; und so geht es auch den meisten Thatsachen, die wir selten ungewürzt erhalten — und wenn der Würzler auch nur Salz, die kümmerlichste und beste Specerei, darzu thun sollte — Freunde und Feinde nehmen von einander so viel an, daß man unverkennbare Züge der Ähnlichkeit unter ihnen entdeckt. »Feinde?« Allerdings; und ich behaupte, daß sie noch leichter als Freunde sich in einander abdrücken — Ein Freund, der unser Widerhall ist, hat wenig Reitz für uns; allein eben das, wodurch Feinde am meisten hervorragen, was am meisten interessirt und auf ihre Seite tritt, pflegt unsere Nachahmung abzugewinnen: so wie man in den Wald schreiet, so erfolgt die Antwort. Eine ganze Schaar von Variantensammlern und Commentatoren trägt ihren Sinn und Unsinn so lange in jede Urkunde, bis eine Authentica erscheint, und diese mag [S. 52] denn, geliebt es Gott! den Werth und Unwerth des Unterschiedes zwischen den Menschen- und Thierseelen entscheiden, wenn nur wir es nicht wagen, unter den menschlichen Seelen Rangordnungen zu bestimmen, die nicht mehr und nicht weniger Realität haben, als Träume und ihre Deutungen. Giebt es denn etwa auch Geschlechtsunterschiede unter den Seelen? giebt es Seelen, die ausschließlich bestimmt sind, weibliche Körper zu bewohnen —? und wer ist der kühne Argonaut, der dieses unbekannte Meer beschifft hat? womit hat dieser Apostel der unsichtbaren Welt sein Evangelium bestätiget? Wo Satz und Gegensatz einander so nahe sind, daß sie sich die Hände bieten können, da liegt jedem die Pflicht auf, seinen Satz mit aller Stärke zu beweisen und dann dem Publico das Richteramt zu überlassen. Erfahrungen wider Erfahrungen, ehe es noch ausgemacht ist, ob die Seele mit sich selbst Erfahrungen anzustellen vermag. Nur im Spiegel kann die Seele sich wahrnehmen; und wer weiß nicht, daß dieser Spiegel das Bild sehr unvollkommen und [S. 53] oft sehr unrichtig wiedergiebt! — Der Spiegel stellt uns verkehrt dar, und es ist ein unangemessener Ausdruck: der Mensch ist getroffen wie aus dem Spiegel gestohlen — Allerdings können einzelne Erfahrungen wohl dienen, eine subjektive Überzeugung hervorzubringen; eine allgemeine Wahrheit auf diesen Grund zu bauen, reichen nur Erfahrungen hin, die so allgemein sind, wie die Wahrheit, der sie zur Unterlage dienen sollen. Wie lange ist es, daß wir in diesem Fach Erfahrungen anstellen? Welche Methoden schlugen wir ein? Waren diese so wohl gewählt, daß sich nach ihnen richtige Resultate erwarten ließen? Haben wir wirklich bereits einen solchen Vorrath von Erfahrungen, daß wir ein System wagen können, nach welchem für eine ganze Hälfte des menschlichen Geschlechtes eine so nachtheilige Unterscheidungslinie sicher gezogen werden kann? oder dürft' es uns über kurz oder lang nicht mit dieser gehen, wie weiland Sr. Unfehlbarkeit jenseits der Alpen mit der berüchtigten Demarcationslinie? Mit einem System geht es gemeiniglich, [S. 54] wie mit einem Instrument, auf das wir uns verstehen. Haben wir bei dem System, wovon hier die Rede oder die Frage ist, den gewissen Vortheil unwiderlegbar berechnet? oder ist es eins wie viele andere seiner Brüder, bei denen nichts weiter als Sprachverwirrung obwaltet, wie bei dem Thurm zu Babel; dessen Spitze bis in den Himmel reichen wollte? Nimmt man den meisten Systemen die Sprachverwirrung, was bleibt übrig? — Noch behauptet die Erfahrungsseelenkunde unter den Wissenschaften nur einen precären Rang; sie stehe indeß oder falle, die Wahrheit verliert nichts, die vor ihr war und nach ihr seyn wird. Stärke der Seele, Muth, Überlegenheit des Verstandes, ein größeres Maaß von Urtheilskraft, Festigkeit des Willens, eine größere Stärke des Gefühls und andere dergleichen Seelenvorzüge der Menschen sind es, die sich die Männer auf Kosten des weiblichen Geschlechtes als Erstgeburtsrechte zueignen. Sie sind mit dem Erdenall, das man zuweilen Erdenball heißt, von Gott belehnt — die edlen Lehnsträger! — [S. 55] Da sie indeß Kläger und Richter in Einer und selbsteigner Person sind, so scheinen sie noch gütig zu seyn, wenn sie Weiber bei Menschenseelen rechtskräftig belassen. — Ob nun (nachdem es dem männlichen Geschlechte rühmlichst gelungen, die andere Hälfte der menschlichen Schöpfung, welche nach ihrer Bestimmung mit ihm ein Ganzes ausmachen sollte, zu unterjochen und sie an den Menschen- und Bürgerrechten nur bittweise, nur in so weit es seinem Majestätsrechte nicht zu nahe tritt und ihm nicht die Krone bricht, großmüthigen Antheil nehmen zu lassen) — ob nun alle jene Erscheinungen Wahrheiten oder Täuschungen sind, ist eine Preisfrage, die mit vielen andern es gemein hat, daß die Antworten auf dieselbe von beiden Seiten hinken. — Auf diese Erscheinungen indeß dem schönen Geschlechte alle jene Geistesfähigkeiten abzuläugnen und ihm in falschem Spiel seinen Rang abzugewinnen, heißt gerade so verfahren, wie gegen die Amerikaner, denen man, auf die Aussage einiger Beobachter, die keinen Bart unter ihnen gesehen hatten, dieses männliche, [S. 56] übrigens sehr beschwerliche, Ehrenzeichen nicht nur absprach, sondern aus dem Mangel desselben auch die richtigen Folgen ableitete, daß die Natur ihnen die Keime dazu versagt habe, und daß sie mithin zu einer weit geringern Menschenklasse gehörten, nicht minder daß sie unmöglich von Einem Erzvater mit uns abstammen könnten. Was für eine Hauptrolle der Bart spielen kann, der denn doch, nach dem bekannten Sprichworte, keinen Philosophen macht! Besser wär' es freilich gewesen, wenn man sich die Mühe gegeben hätte, zu untersuchen, ob die Abkömmlinge des Mankokapak dies männliche Unterscheidungszeichen, das übrigens immer ehrenwerth und nützlich seyn und bleiben mag, nicht eben so unbequem fanden, wie die Söhne Japhets, und ob sie, in Ermangelung des Aufklärungsmetalls, des Eisens, nicht zu einem andern Mittel ihre Zuflucht genommen haben, diesen beschwerlichen Gast los zu werden. — Nach genauerer Beobachtung fand sich der Bart, und die Präadamiten büßten abermals einen Sieg ein, den sie schon vermittelst eines so [S. 57] stattlichen Arguments in ihren Händen glaubten — Das weibliche Geschlecht äußert nicht jene hervorragenden Geistesfähigkeiten, heißt bei weitem nicht: die Natur hat ihm die Anlagen dazu versagt, und also — o der unbärtigen Schlußfolge! — steht es eine Stufe niedriger auf der Jakobsleiter der Schöpfung. Sind wir etwa Gott ähnlich, und hat das andere Geschlecht bloß die Ehre uns von Gottes Gnaden ähnlich zu seyn? Warum nicht gar —! Nicht durch Körper, durch Sinne, durch Einbildungskraft nähern wir uns dem Urgeiste, sondern durch den Geist; und wie? fehlt es den Weibern an Verstand und Willen? an der Fülle des Geistes? Überlegen wir nicht oft durch sie? Würzen sie nicht in unzähligen Fällen mehr mit dem Salze der Erden, ohne das nichts schmackhaft ist, mit Vernunft? und ihre Tugend — ist sie nicht vielfältig reiner, als die werthe unsrige? Übersteigt unsere Eitelkeit die weibliche nicht an allen Enden und Orten? War jener Pharisäer und sein ganzer Jesuiterorden nicht aus unserm Geschlechte? Kann ein braves Weib (und [S. 58] deren giebt es viele) ohne Schrecken und Entsetzen an den Pharisäer neuerer Zeit denken, der mit seinen Bekenntnissen vor Gottes Thron treten, dem Weltgerichte entgegen gehen und sagen will: Wer besser ist, werfe den ersten Stein? Würde nicht selbst Therese mehr als Einen Stein haben heben können, wenn sie nicht durch diesen Gerechten wäre verdorben worden? Können die Anlagen sich entwickeln und Keime treiben, wenn keine wohlthätige Hand sie pflegt? wenn alles so gar sich vereinigt, sie zu unterdrücken und, wo möglich, auszurotten? Sind nicht von Zeit zu Zeit aus dem andern Geschlechte große Seelen aufgestanden, die alle jene ihnen aberkannten Geisteseigenschaften in einem sehr vorzüglichen Grade besaßen? Woher diese eben nicht so seltenen Erscheinungen, wenn es nicht Anlagen dazu in den Weiberseelen gäbe, und es nur eines Zusammentreffens günstigerer Umstände bedürfte? einer pflegenden Hand, um diese zu entwickeln und ihren Kräften jenen Schwung beizulegen, ohne welchen sie nie ihre eingeengte Bahn verlassen [S. 59] hätten? Oder wollen wir der Natur lieber Mißgriffe aufbürden, um nur unser System zu retten? eher das vierte Gebot in Hinsicht dieser unserer guten Mutter so gröblich übertreten, als unsere vermeintlichen Standesrechte aufgeben? Ohne die großen Namen der Fabelwelt von den Todten zu erwecken, denen man denn doch nicht jeden Funken der Wahrheit abstreiten wird — wer wage es, Zenobien, und einer Anna Komnena einen über ihre männlichen Zeitgenossen hervorragenden Verstand und Urtheilskraft, einer Elisabeth Herrschertalente, Marien Theresien Muth und Standhaftigkeit abzusprechen? Will man den Gesichtspunkt näher rücken? Es sey und gelte zwei weltberühmte Namen! Catharina die Zweite und Voltaire. Nicht die Selbstherrscherthaten der Ersteren, nicht die Kriegeslorbeern, die SIE in IHR Diadem geflochten, nicht der postische Nimbus, der die Götter der Erden umgiebt — IHR Briefwechsel entscheide, wo SIE nicht im Kaiserglanz, nicht mit den Palmen einer Weltüberwinderin erscheint — und seht! SIE bleibt [S. 60] groß, wie SIE ist — und Voltaire? klein, so klein, wie er war, so bald die Wahrheit ihm ihren magischen Spiegel vorhielt. Sein theures Selbst ist immer die erste Person; die große Frau muß sich mit der zweiten begnügen. Sie soll — man denke! — Constantinopel erobern, oder wenigstens zu Taganrok IHRE Residenz aufschlagen, damit er kommen und IHR die Füße küssen könne, weil es in Petersburg für den alten Eremiten von Ferney zu kalt sei. Noch nicht befriedigt, daß die Kaiserin seinen Uhrmachern für 8000 Rubel Uhren abnimmt, soll SIE sogar, um seine Fabrikanten in Nahrung zu setzen, einen Uhrenhandel mit China in Gang bringen. Ihr weises Stillschweigen versteht er entweder wirklich nicht, oder — was glaublicher ist — er will es nicht verstehen, bis SIE ihm denn endlich mit seinen, einer Kaiserin und eines poëtischen Philosophen so unwerthen Mercantilgeschäften an ein costiges Handlungshaus assignirt. Die prosaischste Leidenschaft unter allen, der leidige Geitz, brachte Voltaire'n vom Parnaß auf eine Börse — [S. 61] König Friedrich Wilhelm der Erste charakterisirte seine Gemählde durch die Losung: in tormentis pinxit. In der That, Voltaire schrieb hier in ebenderselben Seelenstimmung. Sonst pflegt das Genie den Dichter über sich selbst und alle Regeln hinweg zu setzen und ihm Dinge zu inspiriren, die größer als er selbst, die göttlich sind, und die er selbst nicht umhin kann, mit Ehrfurcht und Bewunderung anzustaunen. Wo ist hiervon die kleinste Spur? Wir sind ehrgebiger, weil wir ehrsüchtiger sind; und Voltaire war beides in tausend Fällen, nur hier gewiß nicht: Sein Instrument, das er sonst meisterlich spielte, ist völlig verstimmt; und war es bei diesen Umständen Wunder, daß seine Schmeicheleien Gallicismen wurden, wie man sie an der Seine täglich zu Tausenden hören kann? Die Briefe der Kaiserin führen die Sprache der Natur; nur in Fällen, wenn SIE dem eitlen Voltaire ein Opfer bringen will, zahlt SIE ihm Münze von seinem Gepräge, so wie jener Fürst einem unverschämten Poëten Verse mit Versen bezahlte. Nur auf [S. 62] eine scherzhafte Weise spricht SIE von IHRER Person, während die ganze Welt nicht aufhören kann, ehrfurchtsvoll IHREN Namen zu nennen; IHRER großen Thaten erwähnt SIE so wenig, als wenn sie sich von selbst verständen — Immer beschäftiget, IHRE unermeßliche Monarchie reich an Menschen und an edler Denkart zu machen, entwirft SIE, während SIE die Ottmannli schlägt, die Conföderirten in Pohlen zerstreuet, der Pest gebietet und den Räubereien des Pugatschef widersteht, ein Gesetzbuch für IHR Volk, das SIE aus allen Zungen und Sprachen unter dieses Gesetz versammelt, um, wie am Pfingstfeste, Einen Geist über dasselbe auszugießen und es zu Einem Ziele zu veredlen. Gleich stark im großen und kleinen Regierungsdienste, führt SIE die Inoculation der Blattern ein, beschäftiget SICH mit der Erziehung, erndtet tausendfältig von den durch sie gestifteten Anstalten, erfindet und ordnet Feste an für den Prinzen Heinrich, und hat — Muße ohne Anstrich von Eitelkeit, an den eitlen Voltaire zu schreiben. Diese Seelen mit einander abgewogen, [S. 63] und die Wagschale wo möglich in der Hand eines höheren Wesens — welche wird fallen? welche steigen? Doch warum höheren Wesens? So tief fielen die Menschen noch nicht, um nicht Ehre zu erweisen, wem Ehre gebührt — Wozu eine vollständige Nomenklatur von berühmten Weibern, von solchen die das Schicksal zu Kronen berief, und die sie mit Würde trugen? — Es sei genug, eine Margaretha von Dänemark, eine Christina von Schweden, eine Sophia Charlotta von Preußen zu nennen; und von denen, die, wenn sie Männer gewesen wären, diesem Geschlecht Ehre gemacht hätten — verdienen nicht eine Cornelia, die edle Mutter der Gracchen, eine Arria und die durch so viele Gerüchte gegangene Johanna von Arc unsere Bewunderung? Nach diesen Beispielen wird man mir ohne Zweifel den Beweis erlassen, daß es den weiblichen Seelen nicht an großen Anlagen fehle. — Herbst und Winter rauben selbst den Steineichen ihre Blätter; allein die Wurzeln bleiben. Warum jene Anlagen nicht zur Regel werden, sondern Ausnahmen sind? [S. 64] warum sie nicht häufiger entwickelt werden? sind das Fragen? Hat denn unser Geschlecht einen so großen Überfluß von edlen Seelen? Nur selten ist die Ehre, womit Ulysses und Aeneas, nicht von der unpartheiischen Göttin der Gerechtigkeit, sondern von dem oft sehr partheiischen launigen Gott Apoll kanonisirt wurden. Ohne Zweifel nahm Homer seine Penelope, Andromache, Nausikae, Arete aus der Natur; und noch immer scheinen mir die größere Gleichheit des dienenden und herrschenden Standes, die gemeinschaftlichen Arbeiten der Weiber und der Sklavinnen, die Vertraulichkeit die von dem Umstande kam, daß sie unter einander aufgewachsen und erzogen waren, die Art der weiblichen Arbeit und der Ertrag des Nutzens derselben jene Zeit für die Weiber unendlich erträglicher gemacht zu haben, als die bleierne, in welche das weibliche Geschlecht zu fallen das anscheinende Glück hatte, und welche leider! noch nicht von ihm genommen ist. Im Heldenalter waren die Sitten, wie die Liebe (von jeher lebten Liebe und Sitten in der genauesten [S. 65] Verbindung) roher, und es blieb im Takt! Die damaligen Übel des weiblichen Geschlechtes waren ungerathene Kinder des Ungefährs, dem man, bei so vielen wohlgerathenen, auch jene verzeihen kann; die Übel der folgenden und der jetzigen Zeit sind constitutionell, gründen sich auf Unfakta und inconsequente Vernünftelei! — Fürwahr, es würde eine unerhörte und nach den angenommenen psychologischen Grundsätzen unerklärbare Erscheinung seyn, wenn unter dem eisernen Drucke des Despotismus das Freiheitsgefühl nicht endlich seine Spannkraft verlieren; wenn aus Mangel an Pflege und Wartung der herrlichste Boden nicht verwildern, und endlich jeder nützliche Keim ersticken; wenn über den Gedanken von entrissenem Rechte, und daß dieses unwiederbringlich verloren gegangen sey, nicht endlich auch das Andenken an jene Rechte selbst und die demselben entsprechenden Gefühle, der Glaube an sich selbst und an seinen selbstständigen Werth, verlöschen sollte. Wenn Schonung, Achtung und Pflege der ursprünglichen Menschenrechte, wenn vorzügliche [S. 66] Cultur und Wartung aller edlen und großen Keime, welche die Natur in die Seele der Weiber legte, nie Statt findet — was ist da am Ende zu erwarten? Ein Kahn, der sich zu sehr auf die eine Seite neigt, muß umschlagen — und unser Geschlecht? wenn es eben den chemischen Versuchen auf nassem und trocknem Wege, den Feuer- und Wasserproben, ausgesetzt würde; wenn diese Hiobsleiden, womit wir das andere Geschlecht heimsuchen, über uns verhängt würden — was wäre aus uns geworden? würden wir noch so viel Urkundliches an uns behalten haben, wie das andere Geschlecht —? Würde der Mann, der Mensch, nicht bei uns weit mehr aufhören, als bei jenem? — O des großen Musters, welches das andere Geschlecht, nicht mit Pomp, wie die Stoiker und ihr Erzmärtyrer Peregrinus Proteus, beim Sterben, sondern ganz natürlich giebt, indem es nicht bloß seine Feinde liebt, sondern auch, und — das sagt mehr — seinen Freunden vergiebt! — Jenes große Wort ist sichtbar an ihm — daß es die Schwachheit eines Menschen und zugleich [S. 67] die Zufriedenheit eines Gottes besitzt. — Doch warum soll ich zurück halten? So lange die Weiber bloß Privilegia und nicht Rechte haben; so lange der Staat sie nur wie parasitische Pflanzen behandelt, die ihr bürgerliches Daseyn und ihren Werth nur dem Manne verdanken, mit welchem das Schicksal sie paarte — wird nicht das Weib den großen Beruf der Natur: das Weib ihres Mannes, die Mutter ihrer Kinder, und, kraft dieser edlen Bestimmungen, ein Mitglied, eine Bürgerin, und nicht bloß eine Schutzverwandtin des Staates zu seyn — nur immer sehr unvollkommen, und je länger je unvollkommener, erfüllen? Die Länge trägt die Last. Man gebe ihm aber seine Rechte wieder, und man wird sehen, was es ist und was es werden kann! Warum eine Kritik meiner namentlichen Beispiele? warum ein Vorwurf, daß es nur blutwenige Ausnahmen gebe? Nach dem reinen Wein unserer Philosophen kann die Tugend nicht wie eine schöne Kunst nachgeahmt werden und nach Beispielen (wären sie gleich die ersten und besten) sich bilden. Aus dem ersten [S. 68] Princip der Selbstgesetzgebung soll sie fließen, wenn sie anders ächt und rein seyn will. Nur da ist Energie der Seele, wo man aus sich selbst schöpft — und was gilt Mannigfaltigkeit ohne höchste Einheit? was einzelne schöne Züge ohne Alles anordnende und ins Reine bringende Principien? — — Die Französischen Prinzen, die ihr Vaterland verließen, erklärten öffentlich: an Gott, an den König und an ihr Schwert sich wenden zu wollen. Drei Instanzen, wo der liebe Gott sich gefallen lassen muß, die erste, das heißt im juristischen Sinne die geringste, zu seyn. Das andere Geschlecht hat nur Einen Gerichtshof: an Gott. Überall Männer — Männer, bei denen nicht Wichtigkeit des Grundes, sondern Mehrheit der Gründe gilt; und welcher Gründe? — Raisons d'État —? ich greife mir vor; wer kann sich aber zurückhalten? In der That, die Gesetze sind in Rücksicht der Weiber fast noch inconsequenter, als eine thörichte Liebe! So sehr sie auf Einer Seite die bürgerlichen Rechte der Weiber in Absicht auf ihre Personen und ihr [S. 69] Vermögen beschränken, weil sie dieselben für schwach und unvermögend, ihr eigenes Beste wahrzunehmen, erklären; so verpflichtet sie sich halten, das ganze Geschlecht zu einer immerwährenden Vormundschaft zu verstoßen: so schnell hört doch diese Schwäche auf, Schwäche zu seyn, so bald von Verbrechen und Strafen die Rede ist; beide Geschlechter werden mit einem und demselben Maße gemessen — und in der Kirche, in den Gerichtshöfen, (hoffentlich auch im Himmel) ist kein Ansehen der Person zwischen Mann und Weib: sie sind einerlei Leib und einerlei Seele. Ehre dem Divus Justinianus, der, mit mehr Zusammenhang als unsere Gesetzgeber, wegen der gröbsten Vergehungen dem schönen Geschlechte keine Zurechnung zumuthete, und es über alle Strafen wegsetzte! — Nach seiner Meinung war ein Weib so gut, daß es zu nichts taugte, wogegen es bei uns doch wenigstens einer Bestrafung — welch ein Vorzug! — würdig geachtet wird. Bei uns steht es unter dem Gesetze; bei ihm stand es nur unter der Gnade. — Wahrlich! [S. 70] man kann nicht läugnen, daß es bei uns einen Schritt zur Verbesserung gethan hat, obgleich seine Vollendung, die im weiten Felde geblieben, noch ein Wunder in unsern Augen ist — Ja wohl, ein Wunder! — Die Ewigkeit der Höllenstrafen hat ihre Bestreiter gefunden, und dieses Höllenräthsel wird zu unserer knotenlösenden Zeit, wo die kalte Philosophie so manches abkühlt, durch die ewigen Folgen ins Reine gebracht, welche von keiner bösen Handlung getrennt werden können; die Sklaverei des andern Geschlechtes indeß bleibt ein Wurm, der nie stirbt, und ein Feuer das nie verlischt. — Gerechtigkeit! man hat dir die Binde genommen; und doch siehst du nicht, daß, wenn gleich alle Handlungen, die mit den Personen und dem Vermögen des andern Geschlechtes in Beziehung stehen, ohne einen gesetzlichen Beistand ungültig sind und ohne allen bürgerlichen Effekt bleiben, deine armen Unmündigen durch alle sittliche und bürgerliche Gesetze in eben dem Maße wie die Männer verbunden werden! Selbst nicht bei Gesetzen wider die Contrebande ist nach [S. 71] dem Curator die Frage, und ob in dessen Assistenz dem Kaiser nicht gegeben ward, was des Kaisers ist — und doch ist ein Weib dem Staate nur durch den Mann verwandt und zugethan: Nur er huldigte ihm und seinen Gesetzen. Ist es Wunder, wenn Weiber die Gesetze befolgen, wie die Nonne den Psalter singt? wenn sie den ernsthaften Anordnungen des Staates eine Folie des Lächerlichen unterlegen, und sich da noch Auslegungen derselben erlauben, wo blinder Gehorsam erfordert wird? War je eine ärgere Löwengesellschaft? und trift es irgendwo klärer ein, daß man größere Diebe laufen läßt, und kleinere zu hängen sich nicht entbricht? Staaten, die zum Schutze der Menschenrechte entstanden, entziehen ihn der Hälfte ihrer bürgerfähigen Einwohner! — Es ist natürlich, wenn der Wille sich da sträubt, wo die Vernunft so viele Steine des Anstoßes und Felsen des Ärgernisses findet — — Leiden einzelner Menschen (besonders wenn diese nicht die verdammlichen Urheber davon sind) vollenden, und nichts was groß war, kam ohne sie je [S. 72] zur Reife; Leiden aber, die einem ganzen Volke nicht von der Natur und vom Schicksal, sondern bloß willkührlich zugefügt werden, hemmen allen Muth: sie erschlaffen und entseelen die edelsten Völker, so daß man ihre Stätte nicht mehr findet. — Ewig Schade um alle die Fortschritte, die durch jene männliche Grausamkeit gehemmet werden! Welch ein Stoff muß im andern Geschlechte liegen, da er allen diesen Hindernissen noch bis jetzt so stattlichen Widerstand leistete! — Doch, unmöglich könnten die Weiber noch seyn, was sie sind, und die Lage behaupten, in der sie sich befinden, wenn nicht Geschlechterneigung und Reitze ihnen Subsidien geleistet hätten. So hat bis jetzt die Natur den Menschen noch nie ganz verlassen, wenn er ihr auch unerkenntlich den Rücken kehrte! Ein gewisser glücklicher Zustand, nach welchem den Menschen wenig zu wünschen, allein eben darum viel zu befürchten übrig bleibt, macht sie unglücklich: — sie erstreben nichts; ihre Seele verliert den Schwung, ihr Geist das Geistige; und so wie dieser glücklich-unglückliche [S. 73] Zustand das Schicksal vieler regierenden Herren ist, die ihren Beruf nur von der Seite der Hoheit und der Macht kennen, auf Kleinigkeiten fallen, und Nebendinge der Regierung, oder gar solche die ihres Amtes nicht sind, zu Hauptsachen erheben: so scheint er auch überhaupt auf dem königlichen Geschlechte der Männer zu ruhen. Dieses sucht mehr durch Ausflüchte, als durch Muth und Weisheit, den Gefahren zu begegnen; es spielt mehr den Herrn und Meister, als daß es beides wäre; an Willkühr gewöhnt, verlernt es, auf Mittel zu sinnen; zur Herrschaft geboren und erzogen, denkt es nicht darauf sie zu verdienen; es vernachlässigt sich, da es keinen Anreitz hat und zu keinem edlen Wettlaufe sich in seinem Hause anstrengen darf; es fällt zusammen, da es sich nicht die Mühe giebt, sich gerade zu halten. Man sage nicht, daß die Männer bei andern Männern Licht anschlagen können; Tyrannen sind verzagt, und kriechen überall, wo sie nicht befehlen dürfen. Wahrlich! nicht nur Weiber, sondern auch wir, haben durch jene Herabwürdigung des [S. 74] andern Geschlechtes verloren — wer am meisten? Ist es zum Beispiel ein Wunder, wenn das fräuliche Geschlecht falsche Münze gegen falsche Münze wechselt, und die Tyrannei des Herrn Gemahls mit Augendienst erwiedert? — Ist es ein Wunder, wenn alle beide sich das Leben verbittern, und bei dem wohlseligen Hintritt des Herrn Gemahls — Gott tröste ihn! — die am pompreichen Leichengerüste wohlangebrachten Genien die einzigen sind, die ohne End' und Ziel, Thränen vergießen, womit sie den letzten Funken der umgekehrten Fackeln auslöschen, während die trostvolle Frau Wittwe, unter einer ehrwürdigen Decke, ihre Rolle meisterlich spielt und fröhlich und guter Dinge ist? — Von Anbeginn ist es nicht so gewesen.
Rückblicke auf die älteste Zeit.
Wenn die Weiber mit den Männern von der Natur zu gleichen Rechten berufen sind; wenn sie sich im Besitz von gleichen Körper- und Geistesanlagen befanden und zum Theil noch befinden: wo, wann und wie entstand denn die Überlegenheit des Mannes über das Weib? was gab dem Manne das Schwert in die Hand? und was verwies das Weib an die Spindel? Diese Fragen, die jeder sich aufwerfen muß, der zu fragen versteht, wenn gleich die größere Kunst zu antworten ihm nicht gegeben seyn sollte, haben allerdings nicht wenig von der Natur jenes weltberühmten Knotens, der, da er geschürzet war, auch wieder hätte aufgelöset werden sollen, den aber Alexander, nach der Weise vieler unserer Dichter, [S. 76] zu zerhauen die unästhetische Dreistigkeit hatte. Ständen wir dem Wann und Wo, der Zeit und dem Raume nach, näher; so würde es wahrscheinlich keines Oedips bedürfen, um bei dieser Meisterfrage eine akademische Prämie von dreißig Silberlingen zu gewinnen, und das Wie obendrein zur allgemeinen Befriedigung zu beantworten. Allein da über das Wann und Wo in keiner Chronik und keiner Topographie ein todtes, geschweige denn ein lebendiges, Wort zu finden ist; so müssen, bis die Hieroglyphen an den Pyramiden enthüllt seyn werden, oder bis uns ein bisher verborgenes Denkmahl darüber seine Aufschlüsse nicht länger vorenthält, das Irgendwo und das Irgendwann bei dieser großen Katastrophe zur Unterlage dienen, und das Wie, in Ermangelung der Geschichte, durch eine Conjektur der Vernunft aufgelöset oder — zerhauen werden. Alles, wobei es auf Thatsachen ankommt, kann nur bis auf einen gewissen Zeitpunkt hin verfolgt werden. Da wo die Sonne der Geschichte untergeht und sogar der Mond der Fabel sein entlehntes Licht entzieht, bleibt [S. 77] der Vernunft nichts übrig, um sich zu orientiren, und sie irret in dem unbegrenzten Meere der Möglichkeit, ohne zu wissen, woher und wohin? Was hier über Geschichte und Fabel hinausgeht, ist (da die ersten Sagen der Völker davon, als von einer Sache, die vor ihnen war, sprechen) derjenige Zustand des Menschen, wo jedes einzelne Individuum, ohne einige Verbindung mit andern seiner Art, in der vollkommensten Unabhängigkeit, bloß von den Früchten des Bodens den es durchstrich, lebte, ohne durch eine andere Zubereitung, als die man von der Natur selbst erhielt, ihr zu Hülfe zu kommen. Die Menschen hingen vom Boden und sonst von nichts weiter ab — Ob es einen dergleichen Zustand wirklich gegeben? ob je der Mensch (das geselligste unter allen bekannten Thieren, trotz jenen frommen Orang-Utangs in der Thebaischen Wüste, und ihren jüngeren Brüdern, die es doch behaglicher gefunden haben, sich aus Eremiten zu Cönobiten umzuformen) in einem solchen Zustande war — mag Hans Jakob verantworten, an dessen Grabe es heißt: Ici [S. 78] reposé l'homme de la nature et de la vérité — Dergleichen Hans Jakobsche Kinder der Natur hat weder Colombo, noch sein Märtyrer von Nachfolger, Cook, gesehen — Allenthalben wo diese hinkamen, waren schon die ersten Umrisse der Gesellschaft gezeichnet, Familienverhältnisse (wenn gleich unvollkommen) gegründet und Spuren (wiewohl freilich oft nur sehr schwache) von Cultur und Kunstprodukten vorhanden. Bei den allerrohesten Völkern fanden sie schon Hütten, eine Art von Zubereitung der Nahrungsmittel, und bei den meisten auch die ersten Anfänge zu einer Bekleidung des Körpers. Wo sie sich lange genug aufhielten, und wo es ihnen glückte, sich durch Zeichen zu verständigen, überzeugten sie sich, daß diese dem Naturstande anscheinend so nahe angränzenden Menschen schon lange, und weit über ihre Überlieferungen hinaus, immer an dieser Stelle und diesem Orte gestanden hatten. Auch nicht die mindeste Ahndung ging unter ihnen im Schwange, daß es außer dem Punkte, wo sie sich befanden, noch andere ober- oder unterwärts geben könne. So einfach [S. 79] und in so geringer Zahl ihre Familien-, Haus- und Nahrungsgeschäfte auch immer seyn mochten, da ihre Bedürfnisse noch wenig über die der thierischen Natur hinausgingen; so leicht ihre Nothdürftigkeiten gestellt werden konnten, da die Kunst sie nicht verwöhnt hatte: so waren unter den beiden Geschlechtern doch schon Casten errichtet, und eine Scheidung vorgefallen in dem, was Gott zusammen gefügt hat. Je unvollkommener auf der Einen Seite hier die gesellschaftliche Verfassung war; je schwerer es fiel, das thierische Bedürfniß zu befriedigen, weil die Natur den Boden, oder die Wälder (die königlichen Residenzen dieser Menschen) oder die Flüsse und Meere nur karg mit den Mitteln dazu ausgestattet hatte: um desto härter war das Loos, welches dem weiblichen Theile dieser halbgezähmten Menschenklasse fiel. Das Leben des Mannes war vorzüglich zwischen Genuß und Ruhe getheilt, wenn ihn nicht dringendes Bedürfniß zur Jagd oder zum Fischfang aufforderte. Das Weib begleitete ihn nur selten als Gehülfin, weil ihm die Pflicht die Speisen zu [S. 80] bereiten oblag, während das Mannthier seine Glieder in der Sonne dehnte. Freilich nur schwache, unbefriedigende Data zur Auflösung der aufgeworfenen Frage; indeß doch etwas, um uns auf Mehr zu bringen — wie jene Übermacht entstand, welche auf die eine Hälfte des menschlichen Geschlechtes alles Lästige wälzte, und sich dagegen allen Vortheil weislich vorbehielt. — Scheint nicht die Natur durch Schwangerschaft und Geburt den ersten Fingerzeig zu diesem Verlust über die Hälfte, bei der Theilung des menschlichen Werthes, gegeben zu haben? Wenn dieses Antheil, das den Weibern zufiel, auch noch so sehr erleichtert wird; wenn es auch noch so köstlich ist: — kann es auf eine andere Rubrik als auf Mühe und Noth gerechten Anspruch machen —? Der Mann scheint zum Vergnügen berufen zu seyn, das Weib dagegen zu Kummer und Elend — Wenigstens liegen in dem Familienverhältniß, in der Art und Weise wie die Keime der Geselligkeit sich zuerst bei den Menschen entwickelten und worauf ihn vielleicht das Zeugungs-Geschäft brachte, entfernte [S. 81] Winke und Hieroglyphen, wodurch der gesellschaftliche Zustand, welcher dem menschlichen Geschlecht einen so erstaunlichen Schwung gab, der Einen Hälfte des Geschlechtes so nachtheilig ward — Wiederholung der nämlichen Umstände pflegt die Dürftigkeit derselben zu bedecken, als ob Ermüdung Ergänzung wäre; und selbst unsere Philosophen sind oft in dem Falle jenes Kranken, dem der Arzt erlaubte, täglich einen Löffel voll Wein zu nehmen, und der sich einen Löffel von vier Quart machen ließ — sie sind da am beredtsten, wo sie am kürzesten seyn könnten, weil sie hier am wenigsten wissen. — Es sei mir erlaubt, jene Data durch Rückblicke auf die Geschichte, das Noth- und Hülfsbüchlein in allen Lebensfällen, zu verstärken oder zu schwächen — meine Leser mögen den eigentlichen Ausdruck suchen; doch, wenn ich bitten darf, nicht auf meine Kosten, sondern mir zum Besten.
Schon in den ältesten urkundlichen Nachrichten über den gesellschaftlichen Ursprung der Menschen, finden sich Spuren von einer [S. 82] Ungleichheit der beiden Geschlechter, und von Zurücksetzungen des weiblichen — wohin auffallend die Vielweiberei gehört.
Wie despotisch ist der Gedanke, daß ein Mann sich befugt halten konnte, mehr als Ein Weib zu besitzen, indem bei einer Berechnung an den Fingern sich herausbringen läßt, daß er durch diese Verschwendung Andere zum Darben bringt! Wahrlich, die Vielweiberei ist ein Umstand, der sich weder mit Seele noch mit Körper verträgt, und nicht nur der Vernunft, sondern selbst einer Leidenschaft widerspricht, die (wie die Kinder reicher und vornehmer Leute) durch die Schule der Vernunft gelaufen ist. Wo ein Mann mehr als Ein Weib hat, wird jener Tyrannenrath erfüllt: Theile und regiere (divide et impera). Die Weiber mußten auf diesem Wege des ihnen so nachtheiligen männlichen Luxus ihre Abhängigkeit im höchsten Grade fühlen; und wenn gleich die Sultanin des Tages sich einen Vorzug vor ihren Colleginnen anmaßte: so währte dieses Ansehen, das sie sich gab, doch nicht lange, und bald überzeugte sie [S. 83] sich, daß unter Sklavinnen keine Rangordnung Statt finde.
Die Geschichte der Sara und Hagar scheinet zu beweisen, daß die Kebsweiberschaft nicht gleich anfänglich bloß in dem eignen Belieben des Mannes gestanden, und daß er anfänglich verpflichtet gewesen, die Genehmigung seiner Frau einzuholen, eh' er sich ein Kebsweib beilegen konnte. Auch scheinet sich aus dieser Kebs-Geschichte zu ergeben, daß dergleichen Contrakte nicht auf die ganze Lebensdauer gegangen, und daß oft noch vor Ablauf der contraktmäßigen Zeit der Engel des Gewissens, und der Schutzgeist warnender Umstände dem Manne zugerufen:
stoß die Magd hinaus mit ihrem Sohne!
Schon hab' ich mein Herz ausgeschüttet, daß der erste Grund zu der männlichen Anmaßung eines Vorzuges vor dem Weibe, in dem Gange aufzusuchen sei, den die Bildung des gesellschaftlichen Zustandes nahm. Ob die Art, wie die geselligen Keime sich bei den Menschen entwickelten, die einzig mögliche; oder ob unter mehreren möglichen die, auf [S. 84] welche die Menschen von der Natur geleitet wurden, der schmale Weg sei, der zum Leben führet: das sind Nebenfragen, die, so wie ihre Stammmutter, vielleicht noch lange, vielleicht immer, unentschieden bleiben werden.
So viel scheint ausgemacht, daß diese Keime sich überall durch ähnliche Veranlassung entwickelt haben müssen, indem sie (ein Beweis, dessen ich gern entübriget wäre) für das weibliche Geschlecht einerlei nachteilige Folgen hervorgebracht haben. Die Gesellschaft ist die Quelle alles Glücks und alles Unglücks, das je dem menschlichen Geschlechte zufiel; und noch ist nicht erschienen, was die Menschen durch sie werden können und durch sie — seyn werden. Wir wissen aber, daß, wenn es erscheinen wird, wenn wir das heilige Gesetz beobachten, und dasselbe, so wie Gott, nicht fürchten sondern lieben, wir Gott ähnlicher seyn und die Krone des Lebens tragen werden. Eine Hoffnung, die Plato nicht den Traum des wachenden Menschen nennen muß, und bei welcher Glaube an das menschliche Geschlecht zum Grunde [S. 85] liegt. Könnt' ich doch hinzufügen: wahrer und lebendiger Glaube! aber noch ist solcher in Israël nicht gefunden — Dieser Glaube ist Welt-Patriotismus.
Darf ich mir ein- für allemal die Erlaubniß auswirken, rückblicken zu dürfen, ohne von irgend einer kritischen Feder das Schicksal von Loths Weibe zu befürchten zu haben?
Zum Fischefangen und Vogelstellen hat jeder Mensch noch immer einen so besonderen Hang, daß gereimte und ungereimte Warnungstafeln aushängen müssen, um den Menschen von diesen Urbeschäftigungen abzuleiten, und ihn, bei den erweiterten und verzärtelten Bedürfnissen, zu andern nothwendig gewordenen künstlichern Nahrungsquellen zu gewöhnen. Der bekannte St. Evremont war bis an sein Ende wohlbestallter Entenhüter zu St. James; jener Schweizer in Frankreich erbat sich die Anwartschaft auf die Hofstelle des Rhinoceros — jener Gelehrter bei dem Hofe Friedrichs II den vacant gewordenen Atheistenplatz; und zu wie vielen Rhinoceros- und Atheisten-Posten müssen sich Menschen nicht herablassen, [S. 86] um ihr tägliches Brot nach der heutigen Auslegung zu erreichen, wovon der Vogelsteller und Fischfänger kein lebendiges Wort wußte, keinen Traum oder todten Gedanken kannte!
Ob Jäger Esau auch ein Fischfänger gewesen, ist nicht bemerkt, und die Herren Juristen würden ohne allen Zweifel einen artigen Fang machen, wenn es ausgemittelt wäre, (ein Lieblingswort dieser Herren, die doch so oft zweckreich und mittelarm zu seyn pflegen) daß der Fischfang schon in den ältesten Zeiten unter der Jagd begriffen gewesen sei.
Warum das weibliche Geschlecht sich nicht die blutarme Fischerei zugeeignet habe, um dem nach Blut dürstenden Manne das Wild zu überlassen? ist eine Frage, die sich bei dieser Gelegenheit von selbst aufwirft. Vielleicht nahm das Weib an allem Theil — vielleicht stand es dem Manne nirgends nach; vielleicht hinderten es nur die letzten Stunden der Schwangerschaft, und sechs Stunden nach der Niederkunft, an den Geschäften des Oberjägermeisters, seines Mannes, unmittelbaren [S. 87] Antheil zu nehmen — Die Gottheit der Jagd, Diana, war bei den jüngeren Alten generis foeminini —
Dieser Stillstand, den Schwangerschaft und Niederkunft verursachten, war, von so kurzer Dauer er auch immer seyn mochte, ohne Zweifel der Grund des weiblichen Falles. In diesen Zwischenzeiten der Muße war es vielleicht, wo das Weib, durch einen dem Geschlecht eigenen und mit seiner Bestimmung vielleicht genau zusammenhangenden Instinkt zu sparen, sich sein Sklavenschicksal bereitete. Warum folgte es nicht der göttlichen Lehre: »sorget nicht für den andern Morgen; es ist genug, daß ein jeder Tag seine eigene Plage habe!« So lange die Nahrungsquellen ergiebig waren, fiel dem Manne nie der Gedanke an das Aufbewahren ein; sein Jagdrevier war seine Speisekammer, zu der alles, was Leben und Odem hatte, gehörte — eine lebendige Speisekammer, bei der er vor dem verdorbenen Geschmack an faul gewordenem Wildbret sehr sicher war! einem Geschmack, der bei allem — das leidige Geld nicht ausgenommen — [S. 88] Statt findet, was man in Scheuren sammelt, denen ohnedies das Motto angeschrieben ist: du N — heute wird man deine Seele von dir fordern; und was wird seyn das du gesammelt hast? — Doch auch dem Geitzhals, dem Teufel, muß man einen Vertheidiger beiordnen —; und in der That ist die Sorge für den andern Morgen, wenn sie rechter Art ist und in ihren Schranken bleibt, eine nicht gemeine Vernunftäußerung. Der Gedanke: »heute ohne Hunger zu jagen, um morgen nicht aus Mangel an Wildbret fasten zu dürfen,« enthält — ungeachtet jener göttlichen Lehre, für den andern Morgen nicht zu sorgen — so viel Überlegung in sich, wie in den Köpfen einer ganzen Heerde von Wilden nicht Platz hatte. Auch hier mußte das Weib dem Manne aushelfen, und wo es auf Vernunftgebrauch ankam, scheint immer das Weib die Bahn gebrochen zu haben. Jene Verlegenheit, in die es die letzten Stunden der Schwangerschaft und die ersten nach der Geburt verwickelten, leitete es, kraft des instinktartigen Gefühls, zur Selbsterhaltung, die ihm wegen der Erhaltung [S. 89] des Säuglinges noch dringender ward, an der Hand der Vernunft, weise und mächtig auf Vorrath zu denken, sich heute etwas zu entziehen, um morgen nicht ganz entbehren zu müssen. Diese Aufbewahrung von Vorräthen, welche anfänglich bloß gelegentlich und nur so lange geschah, als es die Umstände verlangten, ward nach und nach, je nachdem die Menschen sich mehrten und die Nahrungsquellen ärmer wurden, wiederholt, und mit der Zeit beständig. Wenn es wahr ist, daß in vielen Fällen Thiere die Lehrer der Menschen gewesen sind; so wird das Vorrathsammeln ohne Zweifel zu dem Lektionskatalogus dieses Unterrichtes gehören. Der Instinkt (der sich zur Vernunft, wie der Tanzbärleiter zum Hodogeten, verhält) hat seine Kinder schneller und sicherer an Ort und Stelle gebracht, als die sich Zeit nehmende kalte Vernunft die werthen Ihrigen. Gewiß sammelten die Biene und die Ameise früher als der Mensch; vielleicht versteckte das Alterthum diese Wahrheit unter der Fabel von den Myrmidonen. — Nicht etwa bloß Neugierde, wie einige wollen, [S. 90] sondern Beobachtungsanlage lenkte ohne Zweifel zuerst das Weib auf diese Experimental-Unterweisung. Vorräthe erforderten beständige Aufsicht, nähere Einrichtung und Bearbeitung; und so entstand Hausrath. Irgend ein Zufall, und ohne Zweifel die Anhänglichkeit mancher Thiere an den Menschen, lehrte ihn (wahrscheinlich zuerst das Weib), einige Gattungen von Thieren zu seinem beständigen Brauch und Dienste zu zähmen; und so vermehrte sich durch diese Dienstboten, die man im Falle der Noth auch zur Nahrung nahm, der Haushalt. Jetzt mußten die Geschäfte getheilt werden; und da wählte denn der Mann die Jagd, das Weib den Haushalt. So ward das Weib allmählich die Befehlshaberin der Hausthiere, und eh' es sich's versah, das erste Hausthier selbst. Das arme Weib! Doch was kann weiter befremden? ward es doch durch jene Revolution, wodurch es die Freiheit an's Licht brachte, eine Sklavin!
Allmählich fingen die Vortheile und Nachtheile, welche mit den unter beiden Geschlechtern so sehr verschiedenen Lebensarten verknüpft [S. 91] waren, immer mehr an sichtbar zu werden. Der Körper des Mannes, durch die Beschwerlichkeiten der Jagd oder Fischerei abgehärtet, fest, gelenk und stark, behauptete auch einen Einfluß auf seine Seele. An Gefahren gewöhnt, ward er durch diese Gewohnheit muthig, unerschrocken, standhaft, und fühlte seine Überlegenheit über Alles, was nicht Mann war, mithin auch über sein Weib, dessen körperliche Kräfte aus Mangel an Gelegenheit unentwickelt blieben, und das, aus Unbekanntschaft mit Gefahren, diese zu fürchten anfing, da hingegen der Mann, vertraut mit der Gefahr, sie vermeiden oder bestehen lernte. Mit kleinlichen Gegenständen und mit Thieren umgeben, die Zaum und Gebiß geduldig trugen, sank das Weib nach und nach an Körper und Seele zu einer niederen Stufe herab, und lernte geduldig, sich bei seinem Despoten mit der Stelle einer ersten Sklavin begnügen. Sklavin! Ohne Zweifel brachten zahm gemachte Thiere den Menschen auf diesen unmenschlichen Gedanken, und dies schreckliche Wort würdigte die Menschheit [S. 92] so tief herab, daß die verrufene Münze keine Spur mehr von Bild und Überschrift der vorigen Zeiten an sich trug. So wie unfehlbar das Weib durch den Besitz gezähmter Thiere das Hirtenleben erfand und einführte, so wird eben dasselbe, da es mehr an Einen Ort und an Eine Stelle gebunden war, auch zu Anpflanzungen und zum Ackerbau Gelegenheit gegeben haben. Gewiß hat es den ersten Sallat zum Wildbraten des Mannes bewirkt. Eine Wurzel, Körner — die, in Ermangelung eines Alderman-Schmauses, von einem antipythagorischen Bohnenmahl übrig geblieben waren, und die man, weil es fettere Bissen gab, nicht achtete — wurzelten und mehrten sich um die Hütte herum, bis es dem Weibe einfiel, absichtlich zu pflanzen und zu säen. So entstand von der Hand des Weibes vielleicht der erste Garten, den englischen Garten Eden ausgenommen; und der Gartenbau ist auch größtentheils in den Händen der Weiber geblieben, bis auf den heutigen Tag. Auch hat das Weib wahrscheinlich in Allem zuvor Probe gegessen und dem Manne zur [S. 93] Sicherheit, theils wegen der Unschädlichkeit, theils wegen des Wohlgeschmacks, gedient. — Noch jetzt ist das höchste Ziel der Kochkunst ein Vorzug der Weiber. — Der Wechsel, den das Weib an seinem eignen Körper erfuhr, gewöhnte es an die Witterung, und lehrte es so sehr auf die Zeit merken, wie den Unbestand der Witterung überstehen; und so ward durch das Weib vielleicht beides, das Hirtenleben und der Ackerbau, — erfunden oder zu Stande gebracht? — Wie viel läßt sich hierüber conjekturiren! Der gemeine Acker- und Gartenbauer räumt dem lieben getreuen Erdenvasallen, dem Monde, noch jetzt viel Einfluß auf seine Erzeugnisse ein: er pflanzt seinen Kohl und was Blätter treiben soll, im Vollmonde, und das, wodurch unter der Erde Wurzeln oder Knollen hervorgebracht werden sollen, bei Mondesabnahme. Die Phasen des Mondes sind ihm noch Epochen in seinem Wirthschafts-Kalender; und was kann ihn anders auf diese Mondweisheit gebracht haben, als die Weise der Weiber —? Von beiden Hauptnahrungsquellen, dem Hirtenleben [S. 94] und dem Ackerbau, wußte der ins Größere gehende Mann das Weib abzubringen, um es an den Haushalt zu fesseln — wozu Se. Gestrengigkeit das Weib verurtheilt hatte. »Verurtheilt?« Mit nichten; durch einen Machtspruch, durch einen Justizmord, des Landes verwiesen hatte. — Noch jetzt genießen Erfinder selten die Ehre der Erfindung, und verdienen sie vielleicht auch nicht, weil fast immer ein Ungefähr sie darauf bringt — Erfindungen und Offenbarungen werden gemacht, man weiß nicht wie! —
Ackerbau und Viehzucht sind, so wie Ursache und Wirkung, mit einander verbunden; und es ist schwer zu begreifen, warum Hirten und Ackerbauer sich gleich anfänglich haben trennen und beneiden können. Da nichts natürlicher war, als daß das Vieh keine Anpflanzung schonte, und da dieser Umstand die Hirten und Ackerbauer in beständige Gränzstreitigkeiten verwickeln mußte; so hätten diese Zwiste beide Theile sehr bald zu freundschaftlichen Verabredungen bequemen sollen.
Die Jagd allein, der Ursoldatenstand, scheint [S. 95] eine Erfindung des Mannes zu seyn; und da der Mann seine Beute oft sehr weit suchen mußte, so gab sie die erste Ursache zur Herabwürdigung des Weibes. Bei dem Ackerbau und der Viehzucht hätte es sich gewiß länger in Ehren und Würden erhalten können, wenn die Jagd nicht schon den Mann bewaffnet und er allen Vortheil und Nachtheil des Soldatenstandes in sich vereinigt gehabt hätte. Er stand bei seinem Weibe im Quartier. — Noch jetzt bin ich ein Feind der Jagd, weil sie dem Weibe jeden Schritt zur weiteren Cultur vertrat und alle jene Übel erzeugte, denen das menschliche Geschlecht durch Kriege oder Menschenjagden unterworfen worden ist. — Zwar sagt man, daß der Krieg oft ein Weg zur Cultur gewesen sey und werden könne; und freilich ist es nicht das erste mal, daß aus dem Bösen etwas Gutes wird: Ist und bleibt aber, dieser Metallverwandlung des Guten und Bösen unbeschadet, Krieg nicht ein Originalübel? Im Reiche Gottes, dessen Sonnenaufgang und Morgensegen wir mit Danksagung erwarten, wird man so wenig Menschen [S. 96] würgen und sich zur Erkenntlichkeit dem Würgengel bloß stellen, als in der andern Welt freien und sich freien lassen. —
Die Flecken in der Sonne — die man ungefähr wie die Flecken ansieht, womit die reinlichste Hausfrau in der Küche sich ihre Manschetten bespritzt, wie es dem Geschäftsmanne an seinem Schreibtische mit Tinteflecken nicht besser geht — sind nicht, was sie scheinen. In der physischen Welt ist überhaupt alles gut, sehr gut! — Und wie? dies sollte uns nicht zu der Hoffnung Anleitung geben, daß es auch in der moralischen Welt zu jener Stufe der Cultur kommen werde, wo man des Bösen nicht bedarf, um Gutes daraus zu lernen? Fehden waren es, die ihren Ursprung aus der Vermehrung der Menschen und aus der Verminderung des Wildes (des einzigen und nächsten Nahrungsmittels für den rohen Menschen) hatten; der Menschen wurden mehr, des Wildes ward weniger: und so konnte es nicht fehlen, daß nicht Streitigkeiten und Befehdungen entstanden, welche Familienkriege nach sich zogen.
Zwei Familien, die der Übermacht zu weichen gezwungen waren, stießen vielleicht durch einen Zufall auf eine dritte, der sie einzeln nicht gewachsen gewesen wären, die ihnen aber jetzt ihr Jagdrevier überlassen mußte; und dieser Umstand war es, der zwischen beiden, wenigstens so lange die Gefahr dauerte, ein gesellschaftliches Band knüpfte, ohne daß es unter ihnen zu einer Verabredung und Constitution kommen durfte. Durch Irrthum und Thorheit gelangen die Menschen zur Wahrheit, und durch Mühe und Streit zur Vereinigung und Gesellschaft. Ist mir doch schon wieder der traurige Gedanke im Wege, daß das Böse so oft ein Vorspiel, ein Präludium zu dem Textliede des Guten seyn muß! — »Oft oder allemal?« Oft, Freunde; denn es giebt Original-Gutes, Gutes aus der Wurzel — und dies könnte man göttlich Gutes nennen! Gott ist original-gut! —
Das Hirtenleben und der Ackerbau (das neue Testament, wozu die Menschen nach dem alten Testamente des Jagdlebens sich aufklärten) gab nicht minder zu Zwisten Gelegenheit, [S. 98] wozu die Tagdieberei des Hirten, und das Vorurtheil, als ob er eben darum Gott lieber wäre und von ihm mehr beglückt würde, mittelst des argen, bösen Neides nicht wenig beigetragen haben mag: Neid ist Geitz, und dieser ist, wie jeder von uns weiß, die Wurzel alles Übels. Der Hirt schonte die Anpflanzungen des Ackermannes nicht, und ehe dieser pfänden konnte, war jener mit seiner Heerde über alle Berge, und wußte sich listig der Berichtigung des Pfandgeldes zu entziehen. Dies zwang den Ackerbauer, mehr auf seine Vertheidigung bedacht zu seyn; und da er sich gedrungen sah, mehr Hände anzuwerben, um den Acker zu bestellen (Hände, die zusammen bleiben mußten, um die Zeit abzuwarten und die Witterung zu benutzen, oder ihr zuvor zu kommen:) so bauete ein Haus das andere, wie ein Wort das andere zu geben pflegt. Hierdurch waren die Ackerbauer mehr im Stande, sich den Ausschweifungen des zahmen Hirten und des wilderen Jägers zu widersetzen. Aus den Ackerbauern wurden Bauherren: (eine Würde, [S. 99] die ihnen selbst von den überwundenen Horden der Jäger oder der Hirten zugestanden ward;) und nur spät hat sich das Blatt gewendet, so daß wiederum Fürsten und Herren jagen, und Sklaven den Acker bauen. — So drehet sich Alles in der Welt, und die Menschen folgen so großen Beispielen; Familien und Reiche, Aufklärung und Verfinsterung, Gutes und Böses: Alles geht auf und unter. — Zu der Zeit, als auf den Trümmern von Familiengesellschaften bürgerliche Gesellschaften errichtet wurden, war das Schicksal der Weiber schon, wie es schien, unwiederbringlich entschieden.
Die Waffen, welche die Männer bei jenen Umständen führen mußten, und welche sie fast nie aus den Händen ließen, während die Weiber für das Hausbedürfniß ihrer Männer und Kinder besorgt waren, gaben diesen ein entscheidendes Übergewicht über jene, welche, weil sie mit Waffen nicht umzugehen wußten, sich vor ihnen fürchteten. Sie erschraken vor Gefahren, welche die Männer, mehr damit bekannt, verachteten. An Körper und Seele war ihnen der Mann, wenn ich so sagen darf, [S. 100] unter der Hand überlegen geworden; und da er sich im ausschließenden Besitze der Schutz- und Trutzwaffen befand, so vertheidigte er nicht bloß seine Person, sondern auch sein Eigenthum, wozu er seine Familie und in derselben sein Weib rechnete, das er jetzt als durchaus von ihm abhängig ansah.
Während daß die Einsichten des Mannes durch seinen vergrößerten Wirkungskreis sich vermehrten; während daß seine Geschäfte mit der bürgerlichen Gesellschaft einen höheren Schwung nahmen, indem seine Begriffe sich zu generalisiren anfingen: schrumpfte die Seele des Weibes je mehr und mehr in die Gränzen des Haushalts ein. Dieser bestand wegen Einfachheit der Bedürfnisse, dem Vater Homer zufolge, in dem Zeitalter der Heroën, selbst bei königlichen Familien, noch bloß im Weben und andern dergleichen Handarbeiten. Nach und nach verlor sich die weibliche Spannkraft gänzlich. Schade! — Durch die Umstände, daß alle Geschäfte des Staats den Weibern entzogen, und diese, bei Entstehung der bürgerlichen Gesellschaften, schon zur [S. 101] Besorgung des Haushalts verwiesen waren, wurden sie nicht Bürgerinnen des Staats, sondern Schutzverwandte. — Schon sehr zufrieden, daß der Staat ihnen diese Gnade angedeihen ließ, begnügten sie sich mit einigen Begünstigungen vor den Sklaven, die man ihnen bloß zu spendiren schien. Wunderbare Wege! Doch, ging man nicht von der Poësie zur Prosa, von dem Tanze zum Gange, vom Singen zum Reden, vom Roman zur Geschichte —? Es wirkte eine Reihe von Ursachen, (wozu wahrscheinlich die, wiewohl größtentheils mißverstandene, Natur die erste Veranlassung gab) daß nach und nach eine ganze Hälfte des Menschengeschlechtes ihre ursprünglichen Menschenrechte verlor und gegenwärtig einige Überbleibsel davon unter dem Titel von Begünstigungen, wohl zu merken, nur so lange genießt, als es der andern Hälfte gefällt, ihr dieselben zu lassen; — und doch, ist das dritte Wort dieser unterdrückenden Menschenhälfte: Recht und Gerechtigkeit, Gesetzgebung und Gesetzhandhabung! — Warum in Fällen dieser Art ängstliche Geschichtsausspürung? [S. 102] Der Geist, der in uns ist, bleibt immer die beste Quelle aller Geschichte; er gleicht im Wesentlichen dem Geiste aller derer, die vor uns waren, und giebt dem, der sich mit ihm einlassen kann, und jedem, der sich selbst verständlich zu machen weiß, wichtige Fingerzeige von Nachrichten, die weit über den Zeitpunkt schriftlicher Zeugnisse, und weit über die historische Gewißheit hinausreichen. Jedes Kind bringt das Andenken an die Kindheit der menschlichen Vernunft in Anregung, und die Hauptzüge derselben drängen sich Jedem auf, der Augen zu sehen, Ohren zu hören, ein Herz zu fühlen, und Vernunft zu ergänzen, zu vergleichen und zu verbinden hat. Mit Meinungen der Vorzeit kann uns nicht gedient seyn; und die Handvoll aufbehaltener Thatsachen sind so sehr mit jenen Meinungen in Verbindung, daß man ohne Philosophie bei den historischen Quellen der Vorzeit außerordentlich zu kurz schießt. Kann man ohne philosophischen Kopf bei den historischen Quellen auslangen? In uns liegt das Vermögen, aus jenen Bruchstücken der alten [S. 103] Welt, wo nicht ein Gebäude, so doch eine Hütte zu zimmern, und ein Ebenbild unseres Geistes, eine Einheit zu schaffen, die ohne Forscherblick weder in der Weltgeschichte, noch auch in der Geschichte jedes einzelnen Menschen, gefunden werden kann. Ohne diesen Geist der Wahrheit ist und bleibt jede Lebensbeschreibung ein Roman, der Verfasser gehe so offen zu Werke als möglich, oder verstecke sich unter die Bäume im Garten. — Zu Geschichtforschern, Auslegern des menschlichen Geistes, zu Seelengelehrten, zu Sehern, gehört Studium seiner selbst; und nur in dieser Rücksicht ist sich selbst zu kennen eine große Lehre! Nur ein Geschichtschreiber, der diese Salbung empfing, weiß die Reihe der Dinge zu übersehen, und Ursache und Wirkung unter Einen Hut zu bringen. — Es giebt historische Ergänzungen, wo uns so wenig ein lästiges Ungefähr untergeschoben wird, daß wir weder gerade noch seitwärts etwas gegen diese Ergänzungen einwenden mögen, wenn wir auch könnten. —
Seht! nicht Überlegenheit des Körpers, [S. 104] nicht Übermacht des Geistes gab dem Manne das Schwert in die Hand; die Lage der Sache begünstigte diesen Schritt. Über seinen Unterhalt bestand der Mann den Kampf mit seines Gleichen. Madam beschützte zwar anfänglich zu Hause ihre Kinder, und genoß die Ehre, in dieser Festung zu commandiren, und während der Feldzüge ihres Mannes Proviant und Montirungsstücke zu besorgen; indeß ward sie auch hier sehr bald von ihrem erstgebornen Sohn entsetzt, der, noch zu jung und zu ohnmächtig dem Heere seines Vaters zu folgen, sich hier zum Commandanten aufwarf, bis er, mit Vorbeigehung seiner Mutter, diesen Posten seinem zweiten Bruder anvertrauen konnte.
Was für eine Veränderung diese Umstände während eines Zeitraums von mehrern Jahrhunderten oder Jahrtausenden in dem Charakter, der Denkart und selbst in den körperlichen Eigenschaften beider Geschlechter nach und nach hervorgebracht haben, ist am Tage. Andere Verhältnisse und Resultate als diese Machtvortheile, waren aus jenen Vorgängen [S. 105] ohne Wunder nicht zu erwarten; doch nicht eines einzigen, sondern eines Zusammenflusses von Wundern hätt' es bedurft, allen diesen zufälligen äußeren Veranlassungen eine andere Folgenrichtung zu geben. — Der Anfang steht oft in unserm Vermögen, die Mitte selten, das Ende nie. — Warum sollt' ich es bergen, daß wir Männer von Gottes Gnaden es so gern bemänteln, wie wir zu dieser Überlegenheit gekommen sind? Überhaupt sind Mäntel die männliche Originaltracht, in die wir uns so bedächtig verhüllen, um nur so viel von uns zu zeigen, als höchstnöthig ist; die Weibermäntel sind Copien von den unsrigen. — Nähme man uns den philosophischen Mantel; entkleidete man uns von der Reverende der wohlehrwürdigen Hypothesen und von allen unwesentlichen, fremdartigen Behelfen, hinter deren Wolken wir uns so unmännlich verbergen: wie weit seltener würden wir bestehen in der Wahrheit! — Um alles in der Welt möchten wir die andere Hälfte des menschlichen Geschlechtes überreden, nicht wir, sondern die Natur habe sie zurückgesetzt und uns unterworfen; [S. 106] und doch sind wir es, die seine Bedürfnisse erregen, und Meinungen herrschend machen, wodurch wir, so wie durch jene Bedürfnisse, den Meister über die schöne Welt spielen. Jene Clubs und geheimen Gesellschaften, die, ohne daß sie den Degen ziehen, Macht, Gewalt und Herrschaft erschleichen, sind Copien des Ganges, den die Männer einschlugen — Und die Bibel? Bis jetzt haben noch alle philosophische Sekten, die gedrückte, die streitende und die triumphirende, und jede neue Staatsreform, bis auf die Französische Constitution, sich in der Bibel getroffen gefunden.
Es ist das künstlichste Spinnengewebe von Gründen, wodurch wir das weibliche Geschlecht zu einer ewigen Vormundschaft verurtheilen; und selbst bei den feierlichsten Ehegelübden, die man sich am Myrtenfeste vor Gott und den (freilich durch ein Lucullus-Mahl bestochenen) Hochzeitszeugen ablegt, verlangt das kirchliche Formular, daß, wenn gleich beide Theile gegenseitig sich zu ehren verheißen, doch die geehrte Männin dem [S. 107] Manne gehorchen und ihm als ihrem Herrn huldigen soll. Ist es zu verwundern, wenn die heiligste aller Zusagen, die Ehetreue, so schnöde gebrochen wird, da diesen Principalpunkt so viele Nebenverheißungen schwächen? Wie ist die Preisfrage eines feinen Kopfes: warum in verschiedenen Staaten, wo Eide das tägliche Brot in Gerichten sind, das Ehegelübde (der wichtigste Contrakt, den Menschen mit einander schließen können) ohne Eid vollzogen wird, zu lösen? Etwa durch die Bemerkung, daß der Gegenstand so groß wie das Verbrechen des Vatermordes sei, welches in weisen Gesetzbüchern weiser Völker ohne Strafe blieb? Etwa, weil keine Formel stark genug ist, das Ehegelübde zu besiegeln? und weil, um das Größte zu sagen, man zur Natur der Sache, zum einfachen Ja Ja, Nein Nein zurückkommen muß? Wichtige Gründe! doch schwerlich werden sie bei der Unterlassung des Eheeides entscheiden; denn müßte sonst nicht unsere Eidmethode längst verbessert seyn? Oder wie? schwört man bei der Ehevollziehung etwa darum nicht, [S. 108] weil die Gelübde nicht gehalten werden, nicht zu halten sind? nur da gehalten werden dürfen, wo die Natur in speciellen Fällen mitwirkt? Ei, Lieber! wer hält seinen Amtseid? und wird dieser Eid erlassen? Der größten Versuchungen zu falschen Aussagen ungeachtet, findet der Richter, oder — was mehr sagen will — der Gesetzgeber keine Bedenklichkeit, Eiden auszuweichen; und geht denn wirklich das Versprechen der ehelichen Treue, auf welchem die Würde, Sicherheit und Wohlfahrt des Staates, das Glück des häuslichen Standes, (des angenehmsten und tröstlichsten im menschlichen Leben) und aller Fleiß, alle Betriebsamkeit beruhen, über das Vermögen der Menschen? Hast du nicht liebe getreue Ehegenossen gekannt? Ein menschliches Schauspiel, das Engel zu sehen gelüsten könnte! Unglücklicher! was ist dir die Menschheit werth, wenn sie so tief gesunken wäre! Ich suche den Grund dieser, von unseren eidereichen Vorfahren auf uns gleich eidgierige Nachkommen gebrachten, denkwürdigen Gewohnheit in der Befürchtung, daß man Eide einer [S. 109] baaren Lächerlichkeit aussetzen würde, wenn man sie durch den unnatürlichen, vom andern Geschlechte zu übernehmenden Umstand, sich der unerkannten Gewalt des Mannes unterwerfen zu wollen, entheiliget hätte. Diese Homagial-Umstände entfernten den Eid bei der Ehe in vielen protestantischen Staaten; und die auserwählten Rüstzeuge von Reformatoren hatten nicht unrecht, den Eid aus der Trauungsformel zu verabschieden, oder ihm einen Laufpaß zu behändigen. Soll aber die durch die Natur und Erfahrung laut widerlegte männliche Macht und Gewalt über das andere Geschlecht sich durch leidige Künstelei erhalten? Werden wir, wenn Natur und Wahrheit ihre Rechte zurückfordern, die keiner Verjährung unterliegen, noch immer gewinnen und den Sieg behaupten? Durch Wiederfragen antworten, heißt, wo nicht gar spotten, so doch: die Frage keiner eigentlichen Antwort werth achten. Wer kann sich aber, wenn er auch wollte, dieser Zwittergattung von Erwiederung enthalten? wer der Fragantwort ausweichen: ob die Natur je so tief in Ohnmacht und [S. 110] Schwächlichkeit versinken könne, daß sie sich ungestraft berauben lasse, ohne das Raubschloß oder Raubnest zu zerstören? Längst sind Männer nur Titularherren, Besitzer in partibus infidelium. — Und wie! Deutsche, deren Vorfahren ihre Weiber achteten, da der Rath derselben ihnen wichtig, ihre Aussprüche ihnen heilig waren, wenn sie die Zukunft aufklärten, vielleicht weise genug, sie nach ihrem Willen zu lenken — (eine ehrwürdige prophetische Kunst!) Deutsche, die, wenn es gleich von ihnen heißt, daß sie viel für Geld thun, ihre Weiher nicht wie die Römer (als wären sie Hausrath) einkauften; Deutsche — sollten ihrer Vorfahren so unwerth seyn! Was ist anständiger: mit dem andern Geschlechte gleichen Schritt zu halten, oder uns von ihm, ohne daß wir es wissen, leiten und führen zu lassen? Nur die Zeichen der Regierung sind uns werth, die Regierung verkaufen wir für ein schnödes Linsengericht; und eine kluge Frau läßt sich von dem Manne zur Regierungs-Repräsentantin erkiesen, dem hier kein Hochverrath ahndet, und der (weil doch Hochmuth dem [S. 111] Falle vorausgeht) seine Frau selbst zum Throne führt, und sich hinreichend begnügt, daß Alles unter seinem Namen expedirt wird, Alles unter: Wir von Gottes Gnaden. — Wenn nun aber ein so betrogener Mann, der seine Frau zur List erniedrigt, der seine Kinder zu ähnlicher Denkart herabwürdigt, und öffentlich mit sich spielen läßt, bei dem allen nicht unglücklich ist; wenn er einen menschlichen Richter in Hausangelegenheiten, einen treuen Rathgeber in Fällen, wo er unentschlossen schwankt, in seiner Frau findet: — was würde sie ihm seyn, wenn sie von Rechtswegen gleich und gleich mit ihm wäre! Wie unendlich leichter würde der Stand des häuslichen und Staatslebens werden, wenn wir eine so herrliche Bundesgenossenschaft anerkennen und schätzen lernten! — Eigensinn, Trägheit und Stolz fesseln uns an alte Meinungen und Gebräuche: drei Götzen, die man auch Augenlust, Fleischeslust und hoffärtiges Leben zu nennen pflegt! — Laßt uns diesen Götzendienst mit einer vernünftigen Verehrung der Natur und ihrer Gesetze vertauschen! Schon [S. 112] lange sind die Weiber durch Leiden geprüft und bewährt, um der Herrlichkeit werth zu werden, welche die Natur an ihnen so gern offenbaren möchte. Das Ende vom Liede dieses Abschnittes.
In der That scheint eine höhere Vernunft es mit Vorbedacht und Vorsicht darauf angelegt zu haben, daß der Anfang des menschlichen Geschlechtes in einem tiefen heiligen Dunkel bleiben sollte. Chaos war eher als die Welt, Finsterniß eher als Licht, Nacht eher als Tag; und wohl uns, wenn die menschlichen Handlungen, eben so wie alle Naturbegebenheiten, nach allgemeinen Naturgesetzen bestimmt, und von einem inneren Lichte, das der große Haufe nicht selten kann, und das nur Sonntagskindern selbst in der dicksten Finsterniß leuchtet, gelenket werden!
Heil uns, wenn bei den unablässigen Bemühungen der Menschen, alles unregelmäßig zu machen, jene göttliche Regelmäßigkeit ihren festen Schritt hält, und die Weisheit ihre ursprünglichen hohen Anlagen bei der späten Entwickelung rechtfertiget! Heil uns, wenn [S. 113] wir Alle, und auch selbst die unter uns, welche am wenigsten daran denken, Mitglieder der göttlichen unsichtbaren Kirche sind! wenn der, welcher bloß für sich denkt und oft sogar des Andern Teufel ist, doch, ohne daß er es weiß, die göttliche Absicht befördert, die Welt ihrem moralischen Ziel immer näher bringt und selbst Teufeleien zum Besten kehret! O, der herrlichen Veredlung der moralischen Metalle!
Wer kann bei dieser Idee gleichgültig seyn! wer wünscht nicht, sich jenen jüngsten Tag der Menschheit lebhaft vorzustellen und den Gang des menschlichen Geschlechtes von Anbeginn bis auf unsere letzte betrübte, und die in der Hoffnung erwartete letzte fröhliche Zeit in einer Karte zu übersehen! — Wie oft würde auf diesem Menschheitsgemählde die Weisheit des Einzeln als Thorheit, und die Thorheit im Großen als Beitrag zur Weisheit erscheinen! Nur daß kein Mensch hieraus Gelegenheit nehme, in seinem verkehrten Sinne zu thun was nicht taugt, vielmehr nach bestem Wissen und Gewissen seine Tage so [S. 114] anlege, daß die Stimme seiner theoretischen und praktischen Vernunft, seiner Einsicht und seines Gewissens, nicht unbefolgt bleibe! Zwar kommt es hier immer noch bloß auf den Glauben an die Menschheit an, der durch so manche unerhörte, unerklärliche Begebenheiten nicht nur in Hinsicht einzelner Menschen, sondern auch ganzer Nationen schwankend gemacht wird; wer wollt' indeß auch bei einem Senfkorn dieses Glaubens verzweifeln! Vater der Menschen, stärk' uns diesen Glauben! Wie planlos da alles durch einander läuft! wie viel Zerstörungssucht, Hader, Neid, Zank, Zwietracht! Alles verschworen, die Wünsche des Menschenfreundes zu vereiteln und der göttlichen Bestimmung entgegen zu arbeiten! Doch jene goldreine Zeit wird kommen, wo die Menschheit mehr von Schlacken geläutert seyn wird! nur daß nicht, was bei menschlichen Handlungen glänzt, uns sogleich etwas Göttliches scheine! Nicht Alles was glänzt, ist Gold. Nur daß wir uns durch nichts, selbst nicht durch den herrlichsten kosmopolitischen Zweck, zum [S. 115] Handeln bestechen lassen, vielmehr auf nichts weiter denken, als unsere Pflicht mit strenger innigster Redlichkeit zu bewirken und sie menschmöglichst (ein theures werthes Wort!) zu erfüllen! Nur daß wir bei unseren heiligen Verbindlichkeiten nicht an den Morgen der Folgen denken, sondern lauter und rein thun, was wir schuldig sind, und Alles übrige DEM überlassen, der allein weise ist! Wer sich das Ansehen giebt, der göttlichen Regierung nachhelfen zu wollen, ist ein Gottesläugner in einem besondern Sinne — — Sollte indeß die Natur dem verzagenden Beobachter nicht wenigstens, wie Ariadne, einen Leitfaden zugeworfen haben, um sich aus diesen Labyrinthen herauszuhelfen? um, da er in Allem eine göttliche Endabsicht voraussetzen kann, dieselbe, trotz allen Kreuz- und Querzügen von eigenen Absichten der Menschen, auch bewundern und sich an ihr und an der allmählichen Erreichung derselben erfreuen zu können? Nichts würde diese Gesinnungen und diese Hoffnungen stärker befestigen, als wenn wir, von den Urzeiten ab, in allen den Krümmungen, [S. 116] die das menschliche Geschlecht einschlug, eine geheimnißvolle Entwickelung dieser Anlagen zu bemerken und den Finger einer Vorsehung zu finden im Stande wären. So bald Geschichte, Erfahrung und Nachdenken etwas von diesem ihrem Gange enträthseln können; so ist hierzu ein Plan gezeichnet, und wir sind in diesen vierzig Jahr-Wochen des Wüstenumweges nach Kanaan nicht ganz und gar verlassen und versäumet. Doch noch hat diese herkulische Arbeit keinen Anfänger, viel weniger einen Vollender; und da die Einbildungskraft in dieser Hinsicht kein leidiger Tröster ist, so läßt sie uns in, mit und unter ihrer Beihülfe, wenn gleich nicht lebendige Überzeugung, so doch beruhigende Hoffnung erlangen. Ist der Mensch ein Miniaturstück von Welt, ein Mikrokosmus; so mag die Geschichte des einzeln Menschen immerhin einen Schattenriß von der Geschichte der Menschheit abwerfen, und den Anfang derselben, so wie ihren Fortgang, in Hieroglyphen dem Auge des Sehers, wenn gleich nicht völlig, so doch kennbar, darstellen. Jeder [S. 117] Mensch feiert durch sein Leben das Leben des menschlichen Geschlechtes, und wird, wo nicht die Quintessenz, so doch ein kurzer Auszug von der Geschichte der moralischen Welt. Wenn man ohne sonderliche Vorurtheile (denn ist es möglich, sich über diese Egyptischen Plagen völlig wegzusetzen?) einen Plan entwerfen könnte, wie die Menschenwelt gehen müßte, wenn sie anders den letzten Zwecken der Vorsehung gemäß wandeln wollte; so hätte man freilich von der moralischen Welt eine treue Probe, die mit den Bruchstücken, welche wir davon geschichtlich besitzen, stimmen und die Data da ergänzen würde, wo in der wirklichen Welt Alles wüst und leer scheinet. Jetzt aber werden wir, hier und da viel oder wenig abgerechnet, wenigstens ein Ungefähr von dem herauszubringen im Stande seyn, was herauszubringen war; und sollten wir nicht Alles mit einer reinen Idee dieses Ganges übereinstimmend finden, so wird doch ein großer oder kleiner Theil stimmig seyn. Die erste Periode unseres Lebens ist so dunkel wie die Genesis der [S. 118] Welt, von der wir, da sie unter dem Herzen ihrer Mutter lag, nichts wissen. Ist unsere Kindheit (wo wir keinen Willen haben, sondern nach Instinkten und nach Leitung der Eltern, die uns entwarfen, leben, weben und sind) nicht jener Weltperiode ähnlich, die wir den Stand der Unschuld nennen? und sie mag um so mehr so heißen, da uns in derselben nichts zugerechnet werden kann. Der Mensch fühlt sich; das heißt: er emancipirt sich, giebt oft noch vor der Zeit sich veniam aetatis, glaubt in seiner Vernunft einen Gott zu haben; und seht! mitten in dieser Selbstvergötterung sinkt er, und oft so tief unter den Menschen herab, daß er kaum zu kennen ist — Leidenschaften stürzen ihn — Fall auf Fall! — Anfänglich sind diese Leidenschaften ungebetene Gäste, die man gemeiniglich lieber gehen als kommen sieht; doch über ein Kleines werden sie Vernunftgenossen, Herzensfreunde, Busen- und Schooßlieblinge, deren Umgang, wenn das Gewissen dagegen einwendet, der Mensch bis auf's Blut so vertheidigt und rechtfertiget, daß das sich selbst gelassene [S. 119] Gewissen sich anfänglich hintergehen, bald hernach sich anstecken läßt, und endlich selbst leidenschaftlich wird. — Spät nur, und wenn der Tag seines Lebens kühl geworden, kommt der Mensch durch die Stimme seines Gewissens, das sich wieder erholt hat, zum Nachdenken. »Adam, wo bist du? wohin ist es mit dir gekommen?« Das Fieber des Selbstbetruges legt sich; die Vernunft hat Zwischenstunden, kommt allmählich zu Kräften, und entwirft sich Gesetze, die der Mensch wenigstens im Durchschnitt erfüllt — Ganz wird er nie aufhören Mensch zu seyn — wie sollt' er auch eine ihm wildfremde Rolle völlig ausführen können? Bei den Fehlern des Alters erinnert er sich der Sünden der Jugend, sinkt, fällt, steht auf, und sieht am Ende ein, daß der Mensch nie zur Vollständigkeit gelangen kann; doch jaget er ihr nach, und versucht, ob er jenes Ziel erreichen werde, die Krone des Lebens. —
Das Weib — ist wie der Mann; es giebt hier keinen Unterschied: sie sind allzumal Menschen, und mangeln des Ruhmes, den sie [S. 120] haben sollten — — Das Verhältniß der Geschlechter gegen einander? Allerdings der Hauptpunkt, worauf es bei dieser ganzen Abschweifung ankam! Der gerade Gang aller kleinen und großen Gesellschaften — den ich aber aus mehr als Einer Ursache auch selbst nach den ersten Strichen nicht darstellen mag. Adam und Eva leben anfänglich im Stande der Unschuld; dann wird Adam Eva's Untergebener, gehorsam bis zur Ausschweifung; bald darauf verwandelt er sich in ihren Gebieter, welches er lange bleibt, bis sie endlich beiderseits in Frieden, Einigkeit und Gleichheit mit einander leben, und zu jenem Stande der Unschuld, wiewohl mit weit mehr Einsicht und weit mehr Glückseligkeit, zurückkehren. Genug — auch dieser Handzeichnung vom Verhältnisse der Geschlechter will ich weder Farben geben, noch sie vollenden — Ein jeder wird an diesen Strichen sich selbst kennen, und durch diese Selbstkenntniß den Gang der Menschenwelt und der beiden Geschlechter — Möchte doch auch in Hinsicht des Geschlechterverhältnisses Eine [S. 121] Heerde und Ein Hirt werden! — Doch, dieser Wunsch ist im dritten Kapitel zu früh; wer wird sich selbst in den Kauf fallen —? wer sich vor dem fünften Akt verheirathen? —
Betreffen neuere Zeit.
Das Schwert gab dem männlichen Geschlechte Machtvortheile über das weibliche; aber dem natürlichen Maße von Leibes- und Seelenkräften konnte es eben so wenig eine Handbreit zusetzen, als der Nichtbesitz der Waffen dem weiblichen Geschlecht eine Handbreit zu nehmen im Stande war, wenn gleich nicht geleugnet werden kann, daß dieser Nichtbesitz Furchtsamkeit, Mißtrauen in Kräfte, welche die Weiber nicht kannten, zur Folge hatte. Als die Griechen und Römer in ihren Kriegen mit den Indiern der Elephanten ansichtig wurden, erschraken sie über diese Kolossen, und der Muth entfiel ihnen; doch, er nahm wieder zu, als sie diesen Kriegespopanz mehr [S. 123] kennen und verachten gelernt hatten. Sie überzeugten sich, wie wenig diese unbehülflichen Massen der Gewandtheit eines geübten Kriegsheeres die Wage halten könnten; und ob sie gleich hierdurch keinen wesentlichen Zuwachs an Kräften erhielten, so ward doch durch diese Erfahrung das Zutrauen auf ihre Kräfte vergrößert. Es hatte mit diesem Zutrauen eben die Bewandniß, wie mit dem Credit der Kaufleute, wodurch sie reicher als durch Schätze sind. In der That, wir haben an körperlichen Kräften und an den Resultaten derselben, Muth und Tapferkeit, gegen unsere Väter so wenig gewonnen, daß wir es wohl weislich bleiben lassen müssen, in ihren Rüstungen und mit ihren Waffen zu fechten; würden sie aber, mit aller jener körperlichen Überlegenheit, mit allem jenem Muth und jener Tapferkeit, nicht gegen die erste beste unserer Armeen das Feld räumen müssen? Wir haben uns durch Glück und Kunst solcher Kräfte bemächtigt, gegen die sie nicht zu stehen vermögen. Verstärken aber alle diese Dinge unsere Leibeskräfte und unsere Geistesvorzüge? [S. 124] sind wir dadurch wesentlich mächtiger und tapferer geworden, als unsere Vorfahren? Haben wir auf diesem Wege ein Recht erlangt, sie unter uns zu erniedrigen, sie zu entwürdigen und zurückzusetzen? — Gerade so, und nicht anders, verhält es sich mit unsern Anmaßungen gegen das weibliche Geschlecht. Dadurch, daß die Gesellschaften nach und nach dauerhafter und fester wurden; dadurch, daß sie gewisse Formen erhielten, vermittelst deren, sie äußerlich sich immer ähnlicher wurden; dadurch, daß man in diese Formen allmählich mehr Verhältniß zur Masse brachte; kurz, dadurch, daß die bürgerlichen Gesellschaften ihre gegenwärtige Gestalt erhielten, ward den Weiberrechten nicht im mindesten gefrommt. Diese ursprünglichen Rechte waren einmal verloren gegangen, und es blieb dabei, daß man Weiber mit zum Hausgeräthe des Oberhauptes der Familie rechnete, womit mancher nothdürftig, mancher überflüssig versehen war; sie hatten nur noch Werth für ihn, in so fern sie dazu dienten, durch klugen Austausch seine Habe zu erweitern [S. 125] und sein Inventarium zu vergrößern. Die Menschen wurden Bürger; allein sie fingen ihre Bürgerschaft nicht damit an, diesen ihren bürgerlichen Verfassungen Ordnung, Dauer und Regelmäßigkeit beizulegen. Noch jetzt lernt, man in der Gesellschaft gesellig seyn, und nichts läßt sich so wenig theoretisch begreifen, als diese Kunst. Die ersten Gesellschaften dehnten sich bloß durch Gewalt der Waffen über andere aus, und gaben sich Mühe, ihre freien Nachbarn nicht zu ihren Mitbürgern und Freunden, sondern zu ihren Sklaven zu machen. So entsprang, erweiterte und bildete sich der Römische Staat; und daß dies der Uranfang aller großen bürgerlichen Gesellschaften war, bezeuget die Geschichte vom finstern Anfange bis zum angeblich lichten Ende. Immer hatte man Waffen in den Händen, man mochte seinen Freunden und seinen Feinden Gesetze vorschreiben, man mochte über Anordnungen zum Besten des Staates rathschlagen, oder über Bürgerrechte entscheiden. So waren und blieben die Männer in Rücksicht ihrer Weiber in Machtvortheilen, und ließen [S. 126] ihnen Gnade für Recht widerfahren, wenn sie ihnen einige Brosamen von ihrem Überflusse zuwarfen; das heißt: wenn sie ihnen einige Vortheile vor den Sklaven zugestanden. Indeß fanden es die Griechen, und vorzüglich die Römer, billiger oder (besser) politischer, das weibliche Geschlecht in die Staats- und Gesetzordnung mit einzuschließen. — Wie es der Orient mit den Weibern gehalten hat, ist außer dem, was der Jüdische Gesetzgeber in Rücksicht ihrer anordnet, nicht bis auf unsere Zeiten gekommen; doch scheint ihr ehemaliger Zustand in diesem Vaterlande des Despotismus und der Vielweiberei vor dem jetzigen sich nicht ausgezeichnet zu haben, da Asien und Afrika, seitdem die Griechen und Römer daselbst bekannt wurden, in der Cultur eher zurück- als vorgeschritten sind. — Der Mensch ist zur Freiheit geboren; sie ist die Sonne, deren Einfluß Alles hervorbringt. — Da, wo Freiheit unterdrückt wird, kann nichts, was menschlich ist und heißt, zu Kräften kommen. — Dort ist noch die Ehe, dieser wichtigste und heiligste Vertrag im Staate, nichts [S. 127] mehr und nichts weniger, als ein Kauf- und Tauschhandel; Weiber sind eine Waare des Luxus, weil der Zenana (Harem) einen wesentlichen Theil eines Indischen Pallastes ausmacht, und die Stelle derjenigen Örter vertritt, wo der Europäer seine Prachtliebe zur Schau trägt. Anstatt Meisterstücke der Mahlerei und Bildhauerkunst aufzustellen, anstatt die Natur durch die Kunst zu verschleiern, stellt man sie nackt und bloß dar; und anstatt in einen Tempel des Geschmackes zu führen, führt man in ein B—. Die Weiber sind dem Indier Gegenstand und Werkzeug des Vergnügens und Zeitvertreibes; und seht da den höchsten Gipfel des weiblichen Werthes! Liebe kennt er nicht; denn diese kann in Hinsicht des Geschlechtes sich durchaus nicht so theilen. — Thierisches Bedürfniß ist das Heiligthum seines Altars der Liebe, und verschwenderische Üppigkeit das Ziel seiner häuslichen Glückseligkeit. — O des in Armuth reichen Menschenthiers!
Was indeß Griechen und Römer dem weiblichen Geschlechte durch ihre Gesetzgebung [S. 128] an bürgerlichen Rechten zugestanden, war nur ein sehr dürftiger Theil desjenigen, was ihnen von Naturwegen eignete und gebührte, und was ihnen sonach weder durch Feuer noch durch Schwert, weder durch gute noch durch böse Gerichte genommen werden konnte. Wahrlich ein Raub von besonderer Art, wobei man nicht nur den Leib, sondern auch die Seele entwendet, und den sich besonders die weltberühmten rechtlichen Römer zu Schulden kommen ließen! Kann man überhaupt zu einem Rechte Zutrauen fassen, das sich nicht grämte, nicht schämte zu behaupten: die Sklaven wären für nichts zu halten, (servi pro nullis habentur L. 32 D. de Reg. Jur.) und welches den an sich so schädlichen als drolligen Einfall geltend machte, es gäbe Menschen, die nur den Werth von Sachen hätten? Durch diese gerichtliche Taxe verlor die ganze Menschheit; und so lange man den Sklaven Bild und Überschrift von Menschen nicht zu nehmen vermag — wer wird mehr entehrt, sie oder ihre Herren? Was nun besonders die unerhörte Unerkenntlichkeit der Römer [S. 129] betrifft, die durch das andere Geschlecht zu Menschen gemacht, die durch die Sabinischen Jungfrauen erzogen waren — und die ohne Zweifel jene Spuren der Menschlichkeit, die sie von ihren Gouvernantinnen lernten, in alles Römische brachten, um ihm den bitteren Geschmack der Rohheit zu benehmen — wer kann dieser Römischen Unerkenntlichkeit sich ohne Mißmuth zurück erinnern? Welch eine demüthigende Ehre, die man den Weibern erwies, sie auf immer unter Vormundschaft zu setzen, ihren bürgerlichen Handlungen die bürgerlichen Folgen zu entziehen, und sie durch eine feierliche Sanktion zu Schatten der Männer im Staate zu machen! Alle Gesetze in Hinsicht des andern Geschlechtes scheinen in Donner und Blitz gegeben zu seyn; wenn sie gleich sich das gesetzliche Ansehen (das pedantischste von allen) geben, den Evangelienton anzunehmen, sieht man, so bald man ihnen näher tritt, doch so viel Donner — und Blitz — Gesetzlichkeit in ihrem Evangelio, daß man sich sogleich überzeugt, kein Frauenzimmer habe hier mit votirt. —
Die höchste Beleidigung ist, zu erklären, daß man durch Jemanden nicht beleidigt werden könne; und durch das Privilegium, nicht Unrecht thun zu können, hat man die damit Privilegirten in keine vorteilhaftere Sicherheit gestellt, als die Blödsinnigen. Weibliche Personen vom tiefsten Sittenverderbniß wollen geschmeichelt seyn, daß sie äußerlich die Tugend ehren, die ihr Geschlecht am meisten ziert; und wie? die Gesetze selbst berauben das ganze Geschlecht alles Nervs, alles Muthes die Freiheit zu lieben, aller Vernunft den Despotismus nicht zu fürchten? wie? man erniedrigt ein ganzes Geschlecht zur Sklavenklasse, aus dessen Mitte man mehrere, und bei weitem nicht die vorzüglichsten, anbetet und als Göttinnen in den Himmel versetzt?
Ist es zu leugnen, daß die Römische Gesetzgebung, und die Adoption derselben in Deutschland, dem weiblichen Geschlechte jene odiösen Privilegia im höchsten Grade zuwandte und ihm den schlechtesten Dienst erwies, den man ihm je erweisen konnte? Beide Regeln, [S. 131] welche von der gesetzlichen Annahme an Kindes- oder Enkelstatt unzertrennlich waren, (nehmlich daß die Adoption die Natur nachahme, und daß sie bloß zum Nothhelfer für die erfunden sei, die weder leibliche Kinder, noch Hoffnung und Aussicht dazu hatten) fand zwar bei dieser Adoption des Römischen Rechtes nicht Statt. Da indeß von Rom aus, und durch die Römer, sich Künste, Wissenschaften und Sitten in Norden und Westen verbreiteten, so wie unsere ganze hochlöbliche Cultur noch gegenwärtig Römisches Vaterland verräth; so trägt besonders unsere Staats- und bürgerliche Verfassung, und vor andern unser bürgerliches Recht, noch Namen und Gepräge der Römer an Stirn und Brust, seitdem der Justinianische Gesetz- und Rechts-Codex zu Amalfi wieder aufgefunden ward. Auch das von Carmersche Neue Testament beziehet sich auf jenes Römische Sinai des Alten, und ist weniger Schöpfung als bessere Einrichtung — Nur noch wenige Züge, eh' ich dieses Feld verlasse — Jene Rechts-Peinlichkeit in Rücksicht der Hermaphroditen würde bloß [S. 132] lächerlich seyn, wenn der Geschlechtsstand des männlichen vom weiblichen Geschlechte nicht so außerordentlich verschieden wäre — Das Gefühl, Manns- und Weibspersonen würden einerlei Rechte zu genießen haben, wenn es auf die Entscheidung der Natur ankäme, brachte die Gesetzgeber, und noch mehr ihre Jünger und Prophetenknaben, in eine nicht geringe Verlegenheit; und da Ausnahmen nicht vermuthet, sondern bewiesen werden müssen, so deutete man (o, der Gerechtigkeitsliebe!) ein Gesetz, wobei die Weibspersonen nicht ausgenommen waren, auf beide Geschlechter, und die Weiber hatten die Ehre, die Worte: (si quis) wenn Jemand, auch sich zuzueignen und — welch ein Vorzug! — auch ein Jemand zu seyn. Ein großes Glück, daß man sie nicht zum Niemand verstieß. Es ist unerklärbar, wie man auch nur auf den Gedanken hat fallen können, daß nicht etwa bloß dem männlichen, sondern auch dem weiblichen Geschlechte, nach Römischen Grundsätzen, Vortheile zugetheilt wären! Ich finde deren keinen von letzterer Art; vielmehr scheinen [S. 133] mir die so genannten Weiber-Vortheile geheime Wunden und Meuchelstiche zu seyn, die noch mehr schaden, als wenn das Gesetz sich öffentlich wider die Weiber erklärt hätte. Was bedürfen wir weiteres Zeugnisses, als daß die Frauenspersonen auf kein öffentliches Amt Anspruch haben; daß sie (Mutter und Großmutter ausgenommen) nicht Vormünderinnen werden können; daß sie in Fällen, wo die Gesetze, der Feierlichkeit des Geschäftes halben, mehr als zwei Zeugen verlangen, nicht als Zeuginnen zuzulassen, mithin nicht als Zeugen bei Testamenten brauchbar sind, und daß noch Zank und Streit unter den Gelehrten obwaltet, ob und in wie weit ihnen diese Zeugenehre bei Codicillen zu bewilligen sei; daß sie an den Rechten der Römischen väterlichen Gewalt (sie war, so wie überhaupt, so besonders in Hinsicht des Vermögens der Kinder vorzüglich) keinen Antheil haben; daß man sie zur wahren Adoption unfähig erklärt, weil hier die väterliche Gewalt sich in ihrer rechtlichen Würde zeigt! — Wahrlich, nach diesen Beraubungen wird man auf die angeblichen [S. 134] Vortheile neugierig seyn, wodurch die Römischen Gesetze das andere Geschlecht zu entschädigen die Güte gehabt; und sehet da! die Unwissenheit der Rechte kann den Weibern nicht zugerechnet werden, wenn sie sich dieses elenden Einwandes in Fällen bedienen, um sich durch einen Blitzableiter wegen des Schadens und der Strafe zu sichern. Sie können nicht aus einer Bürgschaft belangt werden — und kurz und gut, sie haben das Recht, alte Kinder zu bleiben bis an ihr seliges Ende. — Der Claudianische Rathsschluß war so gnädig festzusetzen, daß, wenn eine freie Frauensperson einen Sklaven actualiter für einen Menschen anerkannte und sich mit ihm zu weit einließ, sie dem Herrn desselben, falls er ihr in der heiligen Zahl Drei diesen Umgang untersagt hatte, als Sklavin zugesprochen werden mußte, so bald dieser Herr darauf antrug. So fiel sie, und — wohl zu merken — auch ihr ganzes Vermögen, diesem so wohlmeinenden Herrn anheim, der die große Mühe gehabt hatte, sie dreimal zu warnen! — Justinian hob diese Härte, als seiner Zeiten unwürdig, [S. 135] auf; und noch schüttelt man den Kopf, unentschlossen, ob dies ein Lob- und Dankopfer, oder ein Vorwurf in Hinsicht seiner goldenen Rechtszeit sei.
Bei diesen und andern Umständen hat man nicht etwa bloß dem Geiste der Römischen Gesetzgebung, sondern auch ihren Cruditäten das Bürgerrecht verstattet, und zu ihrer Aufnahme die Thore weit und die Thüren hoch gemacht; während die Franken, Sachsen und andere Bewohner Deutschlands, nach ihrer Weise und nach Deutscher Art und Kunst, in der Cultur fortschritten. Die Handlungsweise und die Sitten erhielten zwar eine andere, aber doch keine Römische Gestalt; vielmehr machte die Eigenheit des Volks-Charakters einen sehr wesentlichen Unterschied bemerkbar: indeß wurden Deutsche Handlungen doch mit Römischen Schneiderscheeren verschnitten — Aus einem Paradiese und kühnen Naturgarten wurde kleinliche Holländische Künstelei. — Demosthenes hält es beinahe für ein Gesetz des Schicksals, daß immer die besten Menschen die ungezogensten Kinder [S. 136] hätten; und in Rom und Griechenland war es zum Sprichwort geworden, daß die Söhne der Helden selten ihren Vätern ähnlich wären. Ganz anders mit den Staatsgesetzen, deren Erziehung fast nie fehl schlägt — Wenn Mitglieder des Staates von ihren Rechten und Pflichten richtige Begriffe haben und gern denselben gemäß handeln, so sind sie sicher aufgeklärter, als wenn sie der Wissenschaften Menge besitzen, die zur bürgerlichen Glückseligkeit nichts Wesentliches beitragen, die den Schein haben und die Kraft verleugnen. Wie betrübt war das Schicksal der Deutschen bei Römischen Gesetzen! Diese Gesetze wurden dem National-Charakter der Deutschen und ihren väterlichen Sitten auf keine Weise anpassend gemacht. Man fiel nicht darauf, Gesetze und Sitten so viel als möglich in Übereinstimmung zu bringen, nicht, wo weder Sitten noch Gesetze eine Umformung annehmen wollten, diese zu verwerfen, und für jene eine Regel zu erfinden: man nahm es sich vielmehr mit patriotischer Freiheit heraus, das Römische Gesetzbuch, wie die Säulen des [S. 137] Herkules, als Gränze anzusehen, über welche hinaus sich kein Ruhepunkt für den menschlichen Verstand denken ließe; man ahndete nicht einmal, daß das, was im Römischen Staate und für Römer gerecht und weise war, in Deutschland und für Deutsche sehr unweise und ungerecht seyn könnte — Der unverfeinerte Geist der Deutschen Sitten hing mehr an einer tugendhaften schlichten Denkungsart, als an gewissen durch Convenienz so oder so bestimmten Wörtern; und die Deutschen hätten von hundert Arten der Lust nicht gewußt, wenn das Römische Gesetz (dessen um sich greifende Alleinherrschaft man nur allmählich und nothdürftig durch Spiegel und Weichbilde und Willkühre beschränkte) nicht gesagt hätte: Laß dich nicht gelüsten. Kann man nicht Laster verbreiten, wenn man sie gleich mit wahren Farben zeichnet? Giebt es nicht Sünden, die nicht anders als mit Gefahr der Verführung zu entschleiern sind? und wenn es dem Dichter schwer ist, treue Gemählde der Sitten zu liefern, ohne den sittlichen Anstand zu verletzen — mit welcher Weisheit muß der Gesetzgeber [S. 138] verfahren, um nicht mehr zu verderben als zu bessern? Kann der Dichter wenigstens jetzt — und hatten die Alten so ganz ein Recht, sich von dieser Weise auszunehmen? — viele Dinge nach der Natur mahlen? oder muß er nicht vielmehr seine Gemählde unter einer conventionellen Maske, und mithin um vieles sittlicher als die Menschen pro tempore sind, anlegen und halten? und der Gesetzgeber, so ein Prosaist er auch sonst ist — muß er nicht eben den Weg wandeln, wenn er nicht mehr Schaden als Nutzen stiften will? Die Menge der Römischen Gesetze würde vielleicht mehr abgeschreckt haben; indeß brachte das System, wonach sie gezimmert waren, (das nicht bloß die Rechtsgelehrten, sondern, wohl zu merken, auch der Bürger, studieren mußte, wenn er nicht alle Augenblicke an einer Fiktion und einer Feinheit oder deß etwas sich Kopf und Herz stoßen wollte) die Römische Gesetzkunst in Umlauf. Der größte Haufe lernte sie halb kennen, und eben diese Halbkenntniß erwarb ihr, nach wohlhergebrachter Gewohnheit, eine [S. 139] fast mystische Verehrung, so daß alles vor dem Römischen Rechte die Kniee beugte, und ihm huldigte. — Und wer mag denn auch leugnen, daß es einen Schatz von Kenntniß und Weisheit enthält? und daß, da Spitzfindigkeiten und Distinktionen für den größten Theil der Köpfe etwas sehr Hinreißendes behaupten, es besonders zur damaligen Zeit sehr natürlich zuging, wenn ihm so reichlich Jünger und Anhänger zufielen? ob es gleich den Britten nie leid gethan hat, und zu thun scheint, dieser Rechtsfahne nicht geschworen zu haben. Warum mehr Ausholung? — Das unrömische Deutsche Weib kam unter das Römische Gesetz, und die Deutschen Männer verwickelten sich selbst in das Garn, womit sie Weiber zu fangen gedachten. Zu wenig hat die Geschichte uns von unsern in Gott ruhenden Ahnherren hinterlassen, denen es überhaupt mehr darum zu thun war, Thaten der Nachwelt würdig zu thun, als sie aufzuzeichnen und aufzubehalten. Das, was Freund und Nachbar Tacitus von ihren Sitten und Gebräuchen überliefert, ist [S. 140] bei weitem nicht hinreichend, um uns von ihrer Haus- und bürgerlichen Verfassung einen ganz richtigen, am wenigsten einen vollständigen, Begriff zu machen. Nach ihm, wurde bei den Deutschen, bei denen Sitten weit mehr als in Rom Gesetze vermochten, (denn so, denk' ich, will Tacitus übersetzt seyn) der Ehebruch mit dem Tode bestraft; und bedarf es größerer Beweise, daß die Ehen den Deutschen nicht gleichgültig waren? Sie wachten über ein Geschäft, wobei der Staat so sehr interessirt ist, daß jede Vernachlässigung sich über kurz oder lang unmittelbar am Staate rächt, mit vieler Eifersucht und Strenge, so, daß auf Vergehungen dieser Art (die unter einem Himmelsstriche wie der ihrige, bei einer einfachen frugalen Lebensart und bei der Unbekanntschaft mit Müßiggang und dem Wohlleben, den Gefährten des Luxus, in der Regel sich nur sparsam ereignen konnten) dennoch eine so harte Strafe gesetzt wurde.
Der Einfluß der Deutschen Weiber in Staatsgeschäfte war wichtig, indem sie aus ihren Mitteln Priesterinnen gaben, die, außer [S. 141] ihren gottesdienstlichen Verrichtungen, einen großen Einfluß in Staatsverhandlungen behaupteten, ihre Berathschlagungen lenkten und ihren Kriegern in Schlachten Verachtung der Gefahr, Liebe für das Vaterland, und Muth gegen ihre Feinde einhauchten. Weiber waren ihren Männern nicht, wie große Staatsdiener ihren noch größeren Fürsten, rechte oder linke Hand, sondern Herz und Seele. Die Geschichte hat uns noch einen berühmten Namen, Vellede, aufbehalten. Ob sie übrigens als aktive Bürgerinnen an den Volksversammlungen Theil nahmen; ob sie mit den Männern überall gleiche Rechte genossen: das ist eine Frage, welche die Geschichte unbeantwortet läßt; indeß ist zu vermuthen, daß auch bei unsern Vätern die Weiber jene Rollen mehr aus Connivenz, als kraft einer förmlichen Berechtigung spielten, indem ein so wichtiger Umstand, der bei allen übrigen damals bekannten Völkern so sehr außer der Regel war, gewiß der Nachwelt wäre überliefert worden. Die Eheunlust, worüber Gesetzgeber und Politiker von je her so manchen [S. 142] Stab Wehe brachen — entstand sie nicht aus der Verachtung, welcher das andere Geschlecht ausgesetzt war? Scheint es nicht eine Art von Degradation seiner selbst, ein Frauenzimmer zu ehelichen, das im Grunde so ohne alle Bedeutung ist? besonders wenn man überlästige Schwiegermütter und Basen als Beilagen sub Ecce und Vide erhält! Man lasse das Mädchen seyn wie unser Einer, und gewiß wird ein ehelustiger Jüngling weniger Bedenken finden, mit ihr zu ziehen; und werden Basen und Schwiegermütter bei der Geschlechtsverbesserung noch Zeit behalten, sich als Beilagen sub Ecce und Vide brauchen zu lassen? —
Wenn es wahr ist, daß durch den Müßiggang eines Bürgers im Staate ein anderer doppelt arbeiten muß, um die Faulheit von jenem zu übertragen und Alles ins Gleichgewicht zu bringen; so bestätiget sich diese Bemerkung noch weit mehr durch die Vielweiberei, die Quelle, wodurch zwar das andere Geschlecht außerordentlich von seiner Würde verloren, die indeß auch dem männlichen, [S. 143] und sonach dem ganzen menschlichen Geschlechte, einen unglaublichen Nachtheil zugezogen hat. Nicht bloß Vater und Mutter, sondern auch die Kinder sind verdorben; der Vater kommt mit seiner Liebe zu den Kinden ins Gedränge: er liebt sie nicht als seine Kinder, sondern in so weit dieses oder jenes das Kind dieser oder jener Mutter ist! — Der Mißbrauch ist eine ansteckende Krankheit, die Alles angreift und vergiftet, was ihr zu nahe kommt — Es ist eine so feine als richtige Bemerkung: daß die Vielweiberei geradehin zu einer unnatürlichen Liebe führt, so wie Aberglaube zur Atheisterey, Verschwendung zum Geitze. — Doch, diese Abschweifung sollte bloß den Weg zu der Bemerkung bahnen, daß, so wie dem andern Geschlechte von den Männern begegnet wird, die Männer sich von den Regenten begegnen lassen — Die Sklaverei, wenn sie auch nur im Kleinen, in einer einzigen Beziehung, geduldet und geübt wird, macht über kurz oder lang alles zu Sklaven. Bei einer gelinden, gemäßigten, eingeschränkten Regierung galt das [S. 144] Frauenzimmer von jeher mehr, als in despotischen Staaten, wo die Sklaverei der Weiber politisch nothwendig ist. Den Weibern ist ohne Zweifel jene Gelindigkeit, Mäßigung und Einschränkung in der Regierung zu danken — Wo sie zum Worte kommen, stimmt sich Alles zur erlaubten bürgerlichen Freiheit; zur erlaubten, sag' ich, und füge hinzu, daß die Weiber zur despotischen Herrschaft von Seelen- und Körperswegen nicht aufgelegt sind — Zeigen sie Spuren vom Gegentheil, so waren Männer ihre Verführer. Der fromme Haller sagt:
was Böses ist geschehn, das nicht ein Priester that?
und ist Priester nicht ein Erzmann? ein Mann aus höherem Chor? Man sagt, im Orient mache das Klima es nothwendig, daß die Weiber in Festungen eingeschlossen werden, und der Zwang der Harems verbessere ihre Sitten. Lieber! kann der Zwang Sitten verbessern, wenn du ihn dir nicht selbst durch Grundsätze anlegst? oder ist die Tugend, die nicht nur einer Schildwache, sondern einer [S. 145] ganzen Festung bedarf, so vieler Umstände werth? Was muntert mehr zur Ehe auf: — Hagestolzenstrafen — Vaterprivilegien? oder eine tugendhafte Frau, die bischöflich nur Eines Mannes Weib ist, und dies ihr Licht leuchten läßt vor den Leuten, daß sie ihre guten Werke sehen? —
Welch ein Umgang ist reitzender, als unter Freunden und Freundinnen! — Freundschaft kann freilich unter Einem Geschlecht existiren; allein Umgang nicht. — Freundschaft, ächte Freundschaft ist eine Schaumünze, die man nur im höchsten Nothfall angreift; Umgang ist Ausgabegeld, für das wir tägliches Brot kaufen: und was wären wir ohne ihn? Wie viele Menschen, die zu jener hohen Stimmung der Freundschaft keinen Beruf empfingen, würden ohne Umgang lebendig todt seyn! Die Freundschaft bittet nicht, sie fordert; sie borgt nicht, auch wenn ihr Antrag noch so mächtig wäre, sie kassirt nur Schulden ein — Freunde befinden sich in Gemeinschaft der Güter des Lebens; ihr Sinnbild ist, nach dem Ausspruche des Aristoteles: Eine [S. 146] Seele in zwei Körpern. Zu historischen Belägen mögen Damon und Pythias, Orestes und Pylades dienen, deren Freundschaft stärker als Leben und Tod war. — Ein Alter hielt den schon für äußerst glücklich, der nur einen Schatten von einem Freunde angetroffen hätte. Der Umgang, wenn beide Geschlechter daran Theil nehmen, ist ein dergleichen Reich der Schatten, ein Elysium diesseits des Grabes — und an dem Eingange stehen die Worte: hasse, als stände dir eine Zeit bevor, worin du die, welche du jetzt hassest, lieben wirst; liebe die Menschen, als wenn du dich nicht würdest entbrechen können, sie einmal zu hassen — Ein Fingerzeig, der ein Hochverrath am Tempel der Freundschaft seyn würde; doch Freundschaft hat keinen Tempel, selbst nicht eine Kapelle von Menschenhänden gemacht: das Herz ist ihr Heiligthum. Noch oft wird mich das selige Wort Freundschaft entzücken. — Verzeihe, lieber **s, daß ich hier abbreche; bald sehen wir uns wieder. — — —
Die Herren Alten hatten den Weibern die Schnecke zum Sinnbilde ausersehen; allein [S. 147] durch sklavische Eingezogenheit verliert die Ehe von beiden Seiten, und die Männer ohne Zweifel am meisten. — Die Egyptischen Damen mußten mit bloßen Füßen ausgehen, damit sie einheimisch blieben; und wer erinnert sich nicht an die Geschichte jenes Weibes, das ein öffentliches, den Männern geheiligtes Haus vorbeigegangen war? — Dieser unbeträchtliche Umstand veranlaßte eine Wallfahrt nach Delphi, um in heiliger Kürze und Einfalt zu erfahren, was dieser Vorgang bedeute? Wer wollte nicht lieber an der Wirthstafel, als bei Lucullus vorlieb nehmen, wenn bei letzterem die Menge der Leckerbissen das Vergnügen des Umganges und einer gemischten Gesellschaft ersetzen sollte? — Die Römische Sprache scheint zum Umgange mit Frauenzimmern, und zum Umgange überhaupt, wenig zu taugen, weil die Römer jenes Salz der Erde nicht kannten. Zwar hat jede Nation in ihre Sprache Spuren ihrer Lieblingstugenden und Lieblingssünden gedruckt: so kommen die technischen Benennungen des Seewesens aus dem Holländischen; [S. 148] die Soldatenworte aus dem Französischen, die Baukunst, die Mahlerei und Bildhauerkunst beweisen durch ihre Ausdrücke, daß Italien ihr Vaterland ist, und das Jagdwesen erkennet Deutschland für sein Revier: indeß scheinen alle neuere Sprachen, die Deutsche selbst nicht ausgenommen, durch den Umgang mit dem andern Geschlecht etwas Eigenthümliches erhalten zu haben, das der alten Welt gebrach. — Wenn das ewige Feuer, welches die Vestalinnen unterhielten, dazu diente, Licht anzuzünden, wie ein allgemeiner Brunnen, Wasser zu schöpfen; so ist es ein schönes Bild von dem Dienste, den das schöne Geschlecht durch die Verfeinerung des Umganges der Welt erwiesen hat: Wir alle haben bei ihm Licht angezündet; — und die Regel: »beherzige deinen Körper in der Einsamkeit, bilde deinen Geist in der Welt, deinen Willen durch das Gesetz, deinen Verstand durch Freiheit,« ist so richtig, wie irgend eine Regel es nur seyn kann. — Weiber sind berufen, angegriffen zu werden und sich zu vertheidigen, und in beides eine so feine Lebensart zu [S. 149] mischen, daß, wenn sie nicht die Ehre verdient Schamhaftigkeit zu heißen, diese doch nicht ohne jene bestehen kann. Körperlicher Genuß, er sei von welcher Art er wolle, ist kurz, und dämpft jenes beglückende sanfte Feuer des Umganges eher, als daß er es dauerhaft machen sollte. — —
Auch das Recht, das die Männer sich bloß anmaßten, die Weiber verstoßen zu können, ohne es den letztern gleichfalls zuzubilligen, hat das andere Geschlecht entwürdiget. Warum ward dieses Verstoßungsrecht nicht wechselsweise und beiden Theilen verstattet? Das Weib würde sicher von diesem Rechte nur selten Gebrauch gemacht haben, da der größte Theil seiner Reitze, gleich Rosen, sehr bald dahin welkt, und da es, nach wenigen in den Armen eines Adams verlebten Wochen, so unendlich viel minder gilt, wogegen sein Adam unverwelklich bleibt. — So bald Mann und Frau die Trennung nicht gemeinschaftlich wollten, (in welchem Fall' es Ehescheidung gewesen wäre) so hätte die Verstoßung als eine bloße Gewaltausübung eine unerhörte Sache seyn müssen. [S. 150] Aller dieser wunderbaren, das andere Geschlecht erniedrigenden Gesetze und Gewohnheiten ungeachtet, wußten sich doch wenigstens Einige desselben so auszuzeichnen, daß das ganze Geschlecht durch sie gewann; und es ist — zum unsterblichen Lobe des schönen Geschlechtes sei es gesagt! — in Hinsicht seiner der Fall am öftesten gewesen, daß man nicht allgemein ein Recht ausübte, welches ein unnatürliches, ein hartes Gesetz einräumte. Von dieser Seite sind Gewohnheiten (consuetudines) das ehrwürdigste, das ich kenne; sie beweisen da, wo ihrer eine ungewöhnliche Anzahl vorhanden ist, nicht unrichtig jenen großen, edlen Menschendrang nach Recht, Billigkeit und Freiheit, und daß über die bürgerliche Einrichtung der Mensch nicht verloren ging — Was hülf' es auch dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme Schaden an seiner Seele!
Wie wär' es, wenn ich nach diesen Bemerkungen im Allgemeinen noch einmal dem Römischen Rechte ein Rauchopfer anzündete und den Grund der gesetzlichen Härte gegen [S. 151] das Frauenzimmer zu entwickeln suchte? Jede Sache hat innere Data, die, wenn man sie mit Einsicht und Bescheidenheit nutzt, die äußeren oft überwiegen; indeß hat es dem Römischen Rechte nie an Helfershelfern, Commentaroren, Epitomatoren und Auslegern gefehlt, und einem dieser gelehrten Herren gehört ohne Zweifel die Behauptung, daß die Eifersucht der Ursprung der meisten weiblichen Rechte gewesen sei. Diese Behauptung indeß ist für mich so wenig überzeugend, wie der Glaube lebendig ist, daß schuldige Verehrung und Achtung hierzu den Grund gelegt haben. So entfernt ich bin, den zweizüngigen Prokop, der den Upravda in seinen acht Geschichtsbüchern erhöhet und in seinen Anekdoten erniedrigt (recht als wenn Jemanden das im Testament mit Lob und Dank zugebilligte Legat, im Codicill mit Verachtung und Bitterkeit entzogen wird) nachzubeten, und überhaupt auf die Rechnung eines Gesetzsammlers und Gesetzgebers alle Fehler und Vorzüge eines zusammengebrachten Gesetzbuches zu schreiben; so ist doch Justinian's Schwäche [S. 152] gegen seine Gemahlin Theodora unleugbar, die weiland eine Komödiantin war, und der er nicht wenig Einfluß in die Regierungsgeschäfte ja, wenn man will, in das Allerheiligste derselben, die Gesetzgebung, einräumte. Warum gab Justinian seinen Liebesgrillen nicht eine andere Richtung? Wie sehr übertraf ihn Franz der Erste, glorwürdigen Andenkens, der zuerst die Sitte begann, daß Damen an den Hof kamen, als wodurch das, was man Hof nennt, eigentlich erschaffen ward! Ihnen zu Ehren wurden Bälle, Komödien und Turniere angestellt, und Franz des Ersten herzbrechendes Sinnbild war ein Salamander in den Flammen, als ob er nicht anders als in der Liebesgluth leben könnte. Bei seinen Hofleuten warf er sich zum Werber und Ehebeförderer auf, und gern war er ein allezeit fertiger Fürsprecher bei ihren Schönen. Traf er ein verliebtes Paar, so verlangte er zu wissen, was es sich sagte, und mit Vergnügen, legte er ihrer Zunge von seinem Salamanderfeuer Geist und Flamme bei. Freilich war auch sein Gang kein Richtsteig; doch — kam [S. 153] er der Sache nicht näher, als der gesetzgalante Justinian, der das größte Sibyllinische Buch, die Welt, dem schönen Geschlechte noch mehr verriegelte, wogegen Franz I. es ihm öffnete? — Wie konnte man überhaupt von der damaligen Zeit, wo alle Gelehrsamkeit auf so schwachen Füßen stand oder ging, Helden- und Meisterzüge der Gesetzgebung erwarten?
Es giebt, sagt man, nach der Verschiedenheit der weiblichen Rechte, auch verschiedene Beweggründe zu ihrer Bewilligung — und in jedem Gesetz ist der Grund, weshalb es gegeben ward, am sichersten aufzusuchen. Zwar ist es nicht immer der, welchen die gesetzgebende Majestät anführt; indeß wird man über die Floskeln des angegebenen Grundes sich eben so leicht wegsetzen, als wir heut zu Tage wissen, wie wir uns mit dem allgemeinen Besten und der angestammten Huld und Gnade einzuverstehen haben. Schwäche des Geschlechtes ist zum Beispiel die Ursache, warum es keine Bürgschaft gültig übernehmen kann; und da diese Schwäche selbst [S. 154] nach den eigenen Worten des Gesetzes, nicht den Mangel an Überlegung andeutet: so scheint sie eher in jener Gutmüthigkeit zu bestehen, die zu Menschen-Wort und Verheißung nicht den Glauben verloren hat; und ist dieser Glaube an Menschen Schwäche? Ist er es, so kann es von ihm in That und Wahrheit heißen: wenn ich schwach bin, bin ich stark. Eine wohlgewählte Strafe für den Betrüger würde vielleicht weit wirksamer seyn, als der Vellejanische Rathschluß, da sie auch gutmüthige Männer aus der Verlegenheit zu ziehen im Stande wäre; und wenn Lügen, als die Wurzel alles Übels, mit der gehörigen Härte bestraft, oder auf eine sonst gute Manier aus der Welt verbannt würden — welch ein Gewinnst! Das Kindergebären, das gemeiniglich zu den Hauptbeweisen der Schwäche gezählt wird, welche die Gesetze dem schönen Geschlecht außerordentlich hoch anzurechnen geruhen, legt geradezu ein Naturzeugniß seiner Stärke ab. Ich wünschte nicht, daß dieses Geschäft an unser Geschlecht käme. Wie sehr würde unser Heer von Stutzern, diese [S. 155] hybriden Geschöpfe, und wie noch mehr der Staat zu bedauern seyn! Welch ein Minus würde sich schon im ersten Jahre an gebornen Kindern, und welch ein Plus an gestorbenen Kindbettern finden —! Zählt die Tage beider Geschlechter, welche Krankheit zu heiligen erniedrigt; und ich wette, es wird in der Balanz Credit und Debet beider Geschlechter sich heben. —
Auch die Schamhaftigkeit wird als ein authentischer Grund der weiblichen Rechtsunterdrückung — wohl zu merken, von den Gesetzen selbst! — angeführt. Ein Grund, worüber sich die Schriftgelehrten schämen würden, wenn sie das könnten! Wegen der Schamhaftigkeit soll das schöne Geschlecht nicht Theil an gerichtlichen Handlungen nehmen? Wie gütig die Gesetze sind! als ob in den Gerichten die Schamhaftigkeit Gefahr liefe, oder gar aufgegeben würde! Was könnte denn hier zu unerlaubten Begierden verleiten und ein von diesen entferntes Herz dazu entflammen? Ehe beide Geschlechter sich zu dieser Tugend entschließen, und sich von jedem [S. 156] verführerischen Worte Rechenschaft abfordern — giebt es Schamhaftigkeit? — und was gilt sie einseitig? — Die Schamhaftigkeit ist eine Tugend, die, wenn ich so sagen darf, in der Ehe lebt; wenn sie nicht von Männern und Weibern zugleich geübt wird, so artet sie in Ziererei und weibliche Taschenspielerkünste aus — Und wie? ist den Reinen nicht alles rein? Eine Ehefrau kleidet eine edle Freimüthigkeit, ein unverstelltes Wesen, unendlich besser, als jene klösterliche Heuchelei. Mit ungewaschenen Händen essen, verunreinigt den Menschen nicht; und der Tugend sich mit seinem Munde nahen, sie mit seinen Lippen ehren und das Herz von ihr entfernen — ist das nicht ein Greuel?
Macht man indeß mehr auf einen reinen Mund Anspruch, als auf ein reines Herz, so hat die Gesetzstelle gewonnen Spiel, welche (L. I. § 5. D. de postulando) behauptet, daß man die weibliche Schamhaftigkeit in Labyrinthe der Versuchung führen würde, wenn es dem schönen Geschlecht erlaubt werden sollte, sich in Rechtsangelegenheiten zu mischen. [S. 157] O, der überfeinen Besorgniß! Ist das Reich Gottes nicht in uns? Tugenden, die nie das Glück gehabt haben, in Versuchung zu kommen, sind, wie die Scheidemünze, von sehr verdächtigem Schrot und Korn, ob sie gleich gemeiniglich den Vorzug haben in Cours zu bleiben. — Jenes Recht der Gegenwehr, kraft dessen wir allem widerstehen, was uns zu nahe zu treten versuchen will — wenn es nie in Anwendung gebracht wird, setzt es nicht die Menschen über kurz oder lang aus aller Disciplin, so daß sie zuletzt von ihren eigenen Schatten in die Flucht geschlagen werden? Sind die schrecklichsten Schandthaten in der großen Welt oder in der Einsamkeit empfangen und geboren? oder will man dem schönen Geschlecht die Fähigkeit und das moralische Vermögen etwas zu thun oder zu lassen, zu Deutsch das Recht genannt, in bester Form Rechtens aberkennen? Haben wir nicht bedacht, daß Recht aus der leidenden Verbindlichkeit entsteht, und daß kein Recht seyn würde, wenn keine Verbindlichkeit wäre? daß, wenn die Natur zu einem [S. 158] Zwecke durch ihr heiliges Gesetz verbindet, sie auch den Schlüssel und das Recht zu den Mitteln verliehen hat? Oder kann man ohne Mittel zum Zwecke gelangen? Stehet es nicht jedem frei, das zu thun, ohne was er seiner Verbindlichkeit nicht nachkommen oder sie nicht erfüllen könnte?
Sehr consequent in Rücksicht Römischer Rechts-Grundsätze hat Divus Justinianus (Nov. CXXXIV. Cap. IX.) angeordnet, daß kein Frauenzimmer gefänglich eingezogen werden solle. Auch wegen der größten Verbrechen will er sie nur mit dem Kloster bestrafen und sie bloß der Aufsicht anderer Weiber anvertrauen — Wir indeß geben dieses Gesetz aus männlicher Machtvollkommenheit auf, ohne dem Geschlechte andere Römische Rechtswohlthaten zu erlassen. Wer sollte denken, daß man mit Wohlthaten so sehr ins Gedränge kommen, so geplagt und belästigt werden könnte! wer sollte denken, daß man dem mit Wohlthaten so überhäuften Römischen Frauenzimmer ehemals nicht gestattete, den Volksversammlungen beizuwohnen! daß man es der [S. 159] Ehre nicht würdigte, zum Volke zu gehören, und daß eben aus dieser Herabsetzung ihm der Vorzug erwuchs, mit Bestande Rechtens in den Rechten unerfahren zu seyn und sich mit dieser Gesetzunwissenheit, wie mit einem Orden, zu schmücken! — Nicht nur unschädlich, sondern rühmlich, war ihm, diese Wohlthat der ewigen Kindheit, vermöge deren es im Reiche des Saturnus in einem immerwährenden Frühling lebte, schwebte und war — Es verschenkte alles das Seinige, um von Almosen zu leben; es vertauschte Gold gegen Flittern, Schaumünzen gegen blanke Rechenpfennige. Doch alles ist kein Vergleich gegen den Tausch des Rechtes gegen Güte — der männlichen Worte: ich fordere, gegen die weiblichen: ich bitte. Wie konnte man aber auch einer, in der gesetzlichen Herrschaft des Eheherrn befindlichen Gattin, einer der Gewalt eines Andern untergeordneten Sklavin, mehr als Gnade und Wohlthaten erweisen? Nicht sie, sondern ihr Mann hatte Kinder — Auf ihre Familie hatte sie Verzicht gethan, um zu ihres Herrn Familie einzugehen [S. 160] — Schon längst hatte man verlernt, daß die Ehe eine gleiche Gesellschaft sei, daß die Herrschaft im Ehestande eine beiderseitige Herrschaft der Eheleute neben einander bleibe, und daß der Mann sie sich nur durch einen ausdrücklichen Vertrag zueignen könne? »Nicht auch durch einen stillschweigenden?« Ach freilich! hätt' ich doch diese stumme Sünde beinahe vergessen. Die Geschichte gedenkt eines naseweisen Knaben, Papirius, im Besten, weil er, seine Mutter zu betrügen, schon in frühen Jahren reif genug befunden war. Er begleitete, nach damaliger Sitte, seinen Vater, wenn Se. wohlweise Gestrengigkeit auf das Rathhaus ging; und da seine Mutter die Debatten des Tages vom Papirius zu wissen verlangte, so schob er ihr eine baare Unwahrheit unter. »Es wäre, sagte er, die Frage zur Motion gediehen: Ob es besser sei, daß ein Mann zwei Weiber, oder ein Weib zwei Männer habe.« — — Welch eine Erniedrigung, daß eine Mutter bei einem Knaben, und, was noch mehr sagen will, bei ihrem leiblichen Sohne, nach den Dekreten einer [S. 161] obrigkeitlichen Sitzung forschen muß! und welch eine Übertretung des vierten Gebotes, daß ein Sohn seine Mutter durch eine Unwahrheit vorsetzlich zu einem weiblichen Auflauf bei der National-Versammlung mißleiten konnte, der sich entschloß, (ohne Zweifel in besserer Form und Ordnung als die Parisischen Fischweiber) wider das vermeintliche Dekret, daß ein Mann zwei Weiber haben könne, zu protestiren. Es heißt, Papirius habe von Stund' an, und nach diesem examine rigoroso ein Patent als ordentlicher Beisitzer des hohen Rathes erhalten, und dagegen sei allen übrigen Auscultatoren und Referendarien der Zutritt zu den Raths-Sessionen untersagt worden! Freilich verdienten solche altkluge, auf Treibhäusern gezogene Kenntnisse des Papirius, und ein so stattlicher Mutterbetrug, Aufmunterung und Belohnung! — Sollten indeß alle jene so übermäßige Wohlthaten nicht unter Einen Hut zu bringen seyn? Wir können in Ansehung dessen, was in anderen Fällen geschieht, wo nicht schon sicher wissen, so doch mit Zuverlässigkeit vermuthen, mit was [S. 162] für einem Maße der Einsicht in den Grund der Sache, aus welchen öffentlichen und geheimen Artikeln von Anreitzungen, Absichten und Nebenabsichten, für die Beibehaltung des Alten geeifert wird. Wenn mich nicht alles trügt, so hat die Furcht der Männer, durch die Weiber unterjocht zu werden, die ersteren zu jener Überhäufung mit Wohlthaten gebracht. Nach Art der Hofleute, die kein moralisches Aequinoctium annehmen, wo Gutes und Böses sich die Wage hält, scheinen die Männer, die schon unter sich so viele Feinde und Widersacher zählen, sich von Seiten der Weiber den Rücken decken zu wollen — Wär' es das erstemal, daß man seine Herrschaft durch das Hausmittel zu sichern suchte, die, welche man beherrscht und gern ewig beherrschen möchte, von reiner Erkenntniß und Besserung hochbedächtig zurückzuhalten? Und wie! es stand noch kein Prediger in der Wüste auf, der diesen Männerdünkel in seiner Blöße zeigte, und auf diesen Staat im Staate aufmerksam machte? — Es gab Götter und Göttinnen, die für Opfer und Geschenke [S. 163] feil waren. So ging es dem andern Geschlechte, das auch Opfer auf Kosten seiner Rechte annehmen mußte, und das, wenn gleich die Menschheit es so sehr zierte, sie doch gegen jene Göttlichkeit aufzugeben gezwungen ward. Jemanden Güte erweisen, indem man ihm Gerechtigkeit entzieht, heißt: ein Naturgesetz mit Füßen treten, und sich mit einem positiven brüsten; die Erstgeburt für ein schnödes Linsengericht verkaufen, Mücken seihen und Kamele verschlucken — O, der blinden Leiter, die, mit pharisäischer Heuchelei das andere Geschlecht einschläferten, im Trüben fischten und durch Schein des Rechts die natürlichen in das Herz geschriebenen Rechte zu vertilgen suchten! — Die Natur läßt sich nicht zwingen. — Furcht! Fiel dies Wort auf? Es sollte auffallen — Seht! ich will mein Herz ausschütten und zur Ehre des männlichen Geschlechtes bekennen, daß keine bösere Absicht, als die Furcht, das andere Geschlecht würde uns beherrschen, den Grund zu unserer Herrschaft über dasselbe gelegt hat. Auch dachten wir vielleicht unserer Seits bei [S. 164] diesem Plane nicht, den Weibern eben schwer zu fallen und ihnen Schaden oder Leides zu thun; sondern ihnen und uns nützlich zu werden. Vielleicht war ein Plan dieser vermeintlich nutzreichen Art der Anfang mancher andern, jetzt so ausgearteten Herrschaft. Die Furcht schuf Götter, sagt ein Alter; — nicht auch die Liebe? Wir sollen Gott fürchten und lieben, fängt Luther jede Erklärung der zehn Gebote an — und doch treibt die Liebe die Furcht aus —!
Sehet euch um! noch jetzt werdet ihr finden, daß Männer, die ihre Weiber anbeten, vorzüglich jedem Beitrage zur Verbesserung des anderen Geschlechtes ausweichen. Und warum dieser befremdende Widerstand? Das Gefühl von dem Werthe seines vortreflichen Weibes verstärkt die Furcht des Herrn Gemahls. Die Verehrung, die er ihm widmet, unterdrückt den Gedanken, dem Geschlechte in ihm Gerechtigkeit zu erweisen — Auch der beste Mann ist neidisch auf große Eigenschaften seines Weibes, die ihm gefährlich werden können; er will mit seinen Wohlthaten [S. 165] ihm den Mund stopfen, die Vernunft und den Willen desselben einschränken und mißleiten, damit es nicht Gerechtigkeit begehre — Eine besondere Art, mit Geschenken das Recht zu beugen, eine Wechselschuld nicht zu bezahlen, allein dem Wechsel-Gläubiger ein Geschenk zu machen, das jene Schuld überwiegt! — Dergleichen Männer bemühen sich außerordentlich, sich ihren Weibern von der besten Seite zu zeigen; und da sie wohl einsehen, wie sehr weit sie von ihren Weibern in allem zurückgelassen werden: so legen sie ein außerordentliches Gewicht auf ihren Staatsberuf, und rechnen sich die Amtsgeschäfte äußerst hoch an, um sich bei ihren Weibern in Achtung zu erhalten. — Das arme Geschlecht! wie sehr es doch durch blauen Dunst hingehalten wird —! Man erzählt von einem Türkischen Gesandten, er habe auf die Frage: wie ihm das Frauenzimmer in *** gefalle; geantwortet: ich bin kein Kenner von Mahlerei — Ist nicht jeder Beamte im Staate geschminkt? — Man nehme ihm das Weiß und Roth, das der Staat ihm Ehrenhalber [S. 166] auflegt; und wir werden weder Gestalt noch Schöne an ihm finden —- Wir mögen uns nicht anstrengen, um mit dem andern Geschlechte Schritt zu halten; und das müßten wir oft über unser Denken und Vermögen, wenn wir ihm gleich kommen wollten. Wir gehen ihm sonach Räthsel auf, die der Auflösung nicht werth sind; wir verlangen Traumdeutungen von ihm, ohne daß wir ihm den Traum bekannt machen; wir suchen es in das Spielwerk der Welt zu verwickeln, und es dem Ernste und Nachdenken so viel als möglich zu entziehen: — und doch ist dieser Müßiggang — welches Weib wird nicht dazu auf eine grobe und subtile Art verurtheilt? — der Grund von allem jenem Übel, wovon reelle Beschäftigung das Weib, seinen Mann und die Welt befreien würde. — Die Thätigkeit hat drei Grazien zu Töchtern: Tugend, Wissenschaft und Reichthum; allein welche Thätigkeit? die, wozu Männer aus Machtvollkommenheit die Weiber verurtheilen, oder jene, die man bei selbstgewählten Geschäften anwendet? die, wo Lied- und Tagelohn bezahlt [S. 167] wird, oder jene, wo das freiwillig übernommene Geschäft sich selbst belohnt? Aufgegebene Arbeiten können zwar zu andern unaufgegebenen erwecken, die über jene unendlich erhaben sind; doch müssen die aufgegebenen nie von so einförmiger Art seyn, wie die weiblichen es sind, falls sie die einmal in Bewegung gesetzte Seele zu edler Wirksamkeit hinaufstimmen sollen — Wann wird Thätigkeit aus selbsteigener Wahl einmal aufhören der königliche Vorzug der Männer zu seyn! wann werden Weiber zu dem Menschenrechte gelangen, Geschäfte nicht fürs Brot, nicht auf den Kauf, sondern mit Lust und Liebe treiben zu können! o, wann! — — Wie sehr würde man die Erklärung der siebenten Bitte durch die Verbesserung des weiblichen Verhältnisses zum Staate verkürzen! Man verbietet mit Recht nicht nur das Laster, sondern auch den Schein desselben, weil Schamlosigkeit, wenn sie ins Publicum dringt, ein allgemeines Verderben des Staates bewirkt, und ein gewisses Zeichen seines nahen Sturzes ist. — Doch bedenkt man nicht, daß eben [S. 168] die Ausschließung des andern Geschlechtes von allen öffentlichen und ernsthaften Beschäftigungen es geradesweges auf den Gedanken bringen muß, alle jene ehrwürdigen Sachen zu enttrohnen, den Werth derselben, den inneres Gehalt oder Lieblingsgrillen ihnen beilegen, zu verringern, und der jungen naseweisen Welt der Jünglinge allen jenen Ernst so zu verekeln — daß, wenn sie sich ja Geschäften widmen, sie die Maximen des Lächerlichen in Anwendung bringen, welche sie zu den Füßen des schönen Geschlechtes gelernt haben. Es werden wenige Dinge seyn, die sich von dem Roste der Pedanterie rein halten können, außer wenn das Frauenzimmer, dieses einzige Verwahrungsmittel gegen jenes Geschlechtsübel, dabei eingeflochten wird.
Der Mensch ist zur Nachahmung geneigt, und es ist eine bekannte Bemerkung, daß man das in seinem Hause im Kleinen einführt, was im Staat im Großen gäng und gebe ist; das Haus pflegt ein Miniaturstück des Staates zu seyn. Wenn aber gleich in despotischen [S. 169] Staaten der Despotismus auch in Privathäusern wüthet, und um so mehr mit gutem Bedachte wüthen zu müssen das Ansehen gewinnt, da größere Freiheit der Weiber dem Staat unüberwindliche Nachtheile zuziehen, und dieses Geschlecht, geboren der Natur getreu zu seyn, alles jene unnatürliche Wesen der Despotie an die gehörige Stelle und den rechtmäßigen Ort bringen würde; so ist doch auch in Republiken das schöne Geschlecht noch nie zu einem anständigen Grade von Besitz seiner Rechte gediehen — Zwar gewinnt es dort durch mindere Pracht; allein eben dieser Gewinn lehret die Herren Staats-Repräsentanten aufs Wort merken. Die Weiber spielen ein etwas ernsthafteres Spiel, als in Despotie und Monarchie; aber man erlaubt ihnen nicht, dieses Ziel zu überschreiten: ihre anscheinenden Vorzüge sind avanturirt (erabentheuert) — Es bleibt Spiel was sie treiben — Ihr Tichten und Trachten sind Kleinigkeiten von Jugend auf und immerdar; und, was noch ärger ist — der widernatürlich zusammengeordnete Putz entstellt die natürliche Schöne des Körpers so [S. 170] sehr, daß die Frage der Gemahlin des Kaisers von Marokko, an die geputzte Frau des Holländischen Consuls: bist du das Alles selbst? — oft ihr Glück versuchen könnte.
In der Aristokratie sind die Herren Aristokraten zum Neide und zur Eifersucht so berufen, daß sie zu verlieren befürchten, wenn sie ihren Weibern einen Vorzug verstatteten — und da selbst die Französische Revolution ihren Zustand — obgleich Weiber die Fahne derselben geführt — nicht verbessert hat; so scheinen wohl die Verschiedenheiten der Regierungsformen nicht bestimmt zu seyn, diesen Schaden Josephs zu heilen: höchstens bleiben die armen Weiber beim Mehr oder Weniger stehen.
»Es ist wider die Vernunft und wider die Natur«, sagt ein Philosoph der Welt, »daß Weiber die Hausherrschaft führen; allein Reiche können sie regieren — Im ersten Falle erlaubt ihnen ihre Schwäche diesen Vorzug nicht; im andern stimmt diese sie zur Leutseligkeit und Mäßigung. —« Mich dünkt, diese Bemerkung ist Sophisterei. Wer [S. 171] will denn, daß Weiber das Hausregiment führen sollen? Nur da, wo, nach dem altdeutschen Reim eines Reformators, ein Jeder seine Lektion lernt, wird es wohl im Hause stehen. — Es ist zu verwundern, daß jetzt, da das halbe menschliche Geschlecht auf weiter nichts sinnt, als sich mit Ehren unter die Haube zu bringen, noch so viel Policei im Punkte des Punktes herrscht — und daß, da das Frauenzimmer zu einer ewigen Vormundschaft verdammt wird, es seine Rache bloß aus der ersten Hand vom Ehemanne nimmt, und übrigens in der größeren Welt so sittsam und menschenfreundlich bleibt. Strenge Aufmerksamkeit auf einen sich selbst gegebenen Punkt unterdrückt das Gefühl des Schmerzes, und die größte Krankheit verliert einen großen Theil ihrer Feindseligkeit durch die Unterhaltung mit einem guten Bekannten, welche aber, wohl zu merken, den Kranken unvermerkt, äußerst leicht und ohne angreifende Übergänge beschäftigen muß. Ist die Ehe, nach jetziger Sitte, viel mehr als eine Krankenunterhaltung, wodurch man so sehr die lange [S. 172] Weile als die Anstrengung vermeidet, und vorzüglich das andere Geschlecht von jenem schrecklichen Gefühle seiner Abhängigkeit und Unterdrückung ableitet? — Ließen die Männer sich öfter als jetzt merken, daß sie das Verhältniß der Geschlechter besser, als die Natur, zu ordnen wüßten, wie weiland Alphonsus das Schöpfungswerk weit besser als der Schöpfer Himmels und der Erden zu verstehen vorgab: so wäre den Männern höherer Klassen schon längst von ihren aufgeklärten Damen der Krieg angekündigt; jetzt aber, da Männer diese Saite fast gar nicht berühren, oder höchstens sich über diese Sache etwa so auslassen, wie Machiavell über die Tyrannen: — jetzt bleibt es in besseren Volksklassen beim Frieden, und in den geringeren ist der Unterschied zwischen männlichem und weiblichem Werth und Unwerth zu unbedeutend, oder jene geringeren denken zu wenig an ihre Bestimmung, um anders als thierisch zu wissen, daß zwei Geschlechter unter den Menschen sind — Wird dann etwa (im Jubeljahr) unter uns ein St. Pierre, ein Bayard, [S. 173] ein Heinrich IV. geboren; so läßt das andere Geschlecht, des Verdienstes dieser hervorragenden Männer halben, dem ganzen männlichen Geschlechte Gnade widerfahren. — — Laßt uns aufrichtig seyn! Alles wodurch Menschen sich auszeichnen können, ist dem Frauenzimmer benommen. Ein Cartel erniedrigt es so tief, wie eine ungerächte Beleidigung den Ehemann; und in die Klasse der Unedlen, der Knechte, ward es unter dem Schreckbilde, daß die Gränzen seiner fräulichen Schamhaftigkeit verletzet werden könnten, verstoßen, damit nur unser Geschlecht sicher bliebe, nie von ihm zum Zweikampfe gefordert zu werden — Nicht die Ähnlichkeit, sondern das Gesetz bestimmt vermöge der Ehe den Vater; es benennt ihn, und leidet keinen Widerspruch. Wie war es möglich, daß, da die Natur unmittelbar die Mutter bestimmt, daß, da diese so unbezweifelt gewiß wie unsere Existenz und der Tod ist — die Kinder in solch eine Unerkenntlichkeit ausarteten! daß nicht gutgesinnte unter ihnen sich vereinigen, um ihre Mütter aus der [S. 174] Schmach zu reißen, in der sie von wegen des Geschlechtes schmachten! Das männliche Geschlecht spielt mit außerordentlichem Glück — Wenn die Väter ihren Töchtern vermöge des Geschlechtstriebes nicht so liebreich zuvorkämen, wie es gemeiniglich der Fall ist; vielleicht würden diese schon längst eine Conspiration veranlaßt haben, um Menschen aus Mädchen zu machen, die jetzt aus Sitte nicht sehen, hören und denken dürfen, die allein in der Einsamkeit das Recht haben dreist zu seyn, und nur im Selbstumgange jenen schrecklichen Klosterzwang ablegen können, der sie in Gesellschaft zur entsetzlichsten Einsamkeit verdammt. Was kann man von dieser Erziehung erwarten, die von der Heuchelei dirigirt wird, nach welcher selbst der Plan, zur Heirath Anlaß zu geben, so insgeheim ausgeführt werden muß, daß oft das lauteste Nein das herzlichste Ja bedeutet! — Alle jene Gesetze zur Fortpflanzung des menschlichen Geschlechtes, jene Aufmunterungen zur Ehe, die Drei-Kinder-Ehre — was sind sie anders, als unnatürliche Hülfsmittel, die alle aufhören [S. 175] würden, wenn man Männer und Weiber in den Gang der Natur einlenkte? — Wie würde sich hier Alles von selbst verstehen! — Man trachte zuerst nach dem Reiche Gottes und nach seiner Gerechtigkeit; und in Wahrheit, alles Andere wird von selbst zufallen. Darum Leute im Staat ehren, weil sie in der Ehe leben, weil sie Kinder, weil sie drei Kinder haben; darum, weil man die meisten Kinder hat, zuerst im Rathe votiren — ist eben so wunderbar, als die Seele nach dem Körper messen; und jener General hat sich mit uns ausgesöhnt, der Specialkarten verwarf, und nur Generalkarten wollte, weil er General war, oder der es nicht begreifen konnte, daß man ein großer Mann seyn und doch nicht über vier Zoll messen könne. — Vielleicht kommt noch die Zeit, daß man belohnt wird, weil man essen und trinken oder schlafen kann! Mit Volksmenge allein ist dem Staate nicht gedient, wohl aber mit Bürgern, die mit der natürlichen Beschaffenheit und der Größe desselben in richtigen Verhältnissen stehen, die frei, arbeitsam, wohlhabend [S. 176] und wohldenkend sind. Und selbst die Volksmenge! würde sie nicht über die Hälfte vermehrt werden, wenn man das andere Geschlecht zum Volk zu machen sich entschließen, und Weiber zu Colonisten im Staat aufnehmen wollte? Man wende einmal die Münze um; und der Revers der Sache —? Zu elenden Kunstgriffen muß man sich herablassen, wenn man die Winke der Natur vernachlässiget — Merkwürdig ist es, daß selbst Weiber zu einer gewissen Zeit in Rom durch Kinder sich aus der beständigen Vormundschaft hinaus gebären konnten! — Die Freigeborne mußte deren drei, die Freigelassene vier haben. —
Heil den Gesetzen, die nicht ansehen, was vor Augen ist, sondern die nach dem Beispiele des Stifters des Christenthums das Herz verlangen; die es auf den inneren Menschen anlegen; die nicht äußere Schäden verbinden, sondern heilen; nicht Palliative bewirken, sondern das Blut reinigen! —
Derjenige, der später bezahlt, bezahlt weniger — Die bündigste Antwort, wenn von [S. 177] der Erlaubniß, Zinsen zu nehmen, die Frage ist. Wie viele Verzögerungs-Zinsen werden wir dem andern Geschlechte schuldig werden —! Als Cromwell'n gerathen ward, seine Tochter Carl dem II zu geben, nachdem er Carl den I hatte enthaupten lassen, war seine Antwort: »Nein; denn könnte er wirklich vergessen, was ich that,« fügte er hinzu, »so wär' er nicht werth, eine Krone zu tragen —«
Sollten die Weiber nicht dereinst über kurz oder lang ihre Existenz den Männern beweisen, so wie weiland Alcibiades die seinige den Atheniensern, die ihn zum Tode verurtheilt hatten? Sollten sie nicht auch ein Sparta finden, um ihren Atheniensern von Männern den Krieg anzukündigen? sie, die schon jetzt während ihres fünfjährigen Pythagorischen Stillschweigens so deutlich zu erkennen geben, wie sehr sie verdienen für mündig erklärt zu werden? sie, die mit zwei Augen mehr sehen, als Argus mit hundert? sie, die schon jetzt, noch ehe erschienen ist, was sie seyn werden, privilegirte Seelen aufzuweisen haben, die es mit unserem Geschlechte [S. 178] aufnehmen? sie, welche die Sphäre ihrer Zeitgenossen durchbrechen und, ohne sich nach Brücken umzusehen, mit Geistesflügeln sich erheben und, wenn es nicht gehen will — sich hinaus denken und wie Felix auf einen gelegenern Augenblick warten? — Oder wie! ist es Wollust, keine Wollust zu genießen? ist es ein Göttermahl, zu fasten? ist bloß Streben unsere Tugend, und Hoffnung unser Glück —? Beweiset nicht ein großer Theil der Weiber, daß edle Seelen auch in Ketten frei sind, wie ein Herrscher bei entgegengesetzter Denkart sich in selbsteigener Sklaverei befindet? Der schlechteste Herr, der nur zu finden war! So diente Alexander, und Diogenes war frei — Alexander! dem ein Seeräuber in die Augen zu sagen den Alexander-Muth hatte: kleine Diebe hängt man — Diogenes! der, als Alexander ihm Gelegenheit gab, sich eine Pension zu erbitten, (und eine größere, als alle zusammen genommen, die Friedrich II seinen Leib-Philosophen und Dichtern gab) nur verlangte, daß Se. Alexandrische Majestät geruhen möchte, ihm, der [S. 179] werth sei, von der Sonne beschienen zu werden, diesen Vorzug nicht länger zu rauben. — Diogenes beurlaubte Alexandern: der reiche Bettler den armen ihm die Cour machenden Weltbesitzer. — Gründet sich fortschreitende Vervollkommnung des menschlichen Geschlechtes, und wahre, nicht Schein-Aufklärung, auf eine unpartheiische Kenntniß der Natur, und auf die Einsicht, ihre Gaben recht zu gebrauchen; so kann kein politischer Zwang Menschen behindern, an ihrem Glücke zu arbeiten, und die Würde der Gerechtigkeit und ihre wahren Verhältnisse zu Allem, außer sich, einzusehen. — Selten wird ein Mann leugnen oder nur bezweifeln, was allgemein angenommen ist; ein Weib aber rechnet es sich zum Vorzuge, täglich dergleichen Ausnahmen zu machen. Oft thut ein Weib es früher, als es die Umstände beprüft hat; und wenn es dann aus der Noth eine Tugend zu machen sich gedrungen sieht, so ist es angenehm zu bemerken, wie es Gründe sucht und findet, wodurch es bei seinem Wagestück von Nein sich bei Ehren erhält, und sich, wenn [S. 180] nichts mehr, so doch den Vorzug erwirbt, sonderbar zu scheinen. Ein Glück, das dem Verstande in Nothfällen übrig bleibt, um zu zeigen, wie viel man zu thun im Stande gewesen wäre, wenn man nicht zu vielen Hindernissen unterliegen müssen. Wir sind mehr für die Gewohnheit, Weiber mehr für die Neuheit — Beide Neigungen lassen sich aus der Lage beider Geschlechter ziemlich richtig erklären. Was geht dem andern Geschlechte ab, um würdig zu seyn, in den vorigen Stand zurückgesetzt (in integrum restituirn) zu werden? Die Thränen der Weiber sind nicht bloß Beweise der Schwäche, sondern auch Beweise der in ihnen wohnenden Kraft. Sind Thränen nicht schon im gemeinen Leben öfter Anzeigen des Entschlusses, als der Reue? und haben nicht Schuld und Unschuld ihre Thränen? Daß übrigens nicht bloß Weiber und Kinder greinen, (wenn von Verstellung der Geberde bei Thränen die Rede ist) sondern auch Männer, wird selbst dem gemeinsten Beobachter nicht entgangen seyn. Die Launen der Weiber werden in der That zu wenig von uns [S. 181] beobachtet; wir würden hier oft auch bei kleineren Gewässern tiefe Gründe finden, da hingegen jetzt diese Launen auf Flügeln der Morgenröthe uns entfliehen, auch selbst wenn wir sie zurück zu halten bemühet sind. — Die Weiber wissen die wenigste Zeit, wie sie mit sich selbst daran sind, und sie sollten mir danken, daß ich ihnen hier eine nicht kleine Entdeckung mache — sie sollten manches, was zu ihrem Frieden, zum wahren, zum Frieden Gottes gehört, in ihrem Herzen bewegen, um eine Stärke recht beurtheilen zu lernen, die sich bloß — auf ihre angebliche Schwachheit gründet. Von Liebenden sind uns alle Ergebenheits-Bezeugungen verhaßt, wenn wir nicht der eigentliche Gegenstand der Neigung sind. Männer! habt ihr von euren Weibern mehr als den Schein der Liebe? und verdient ihr mehr? — Verdient ihr nicht, daß sie euch nur in dem Grade lieben, wie Sklaven Tyrannen bedienen? Es giebt Augenliebe, wie Augendienst. — Hätte man die Weiber bloß von einigen, augenscheinlich origetenus und von Haus aus männlichen Dingen ausgeschlossen; [S. 182] wer unter diesem sanften Volke hätte gemurret —? Es hätte sein Marlbrough s'en va t'en guerre geleiert, und damit wäre Alles vergeben und vergessen gewesen. —
Die Macht kann überall weniger ausrichten, als die Weisheit. Wer sich Gott als den Mächtigsten denkt, ist sein Knecht; wer ihn sich aber als den Weisesten vorstellt, verdient den Namen seines Kindes. — —
Soll es denn aber immer mit dem andern Geschlechte so bleiben, wie es war und ist? sollen ihm die Menschenrechte, die man ihm so schnöde entrissen hat, sollen ihm die Bürgerrechte, die ihm so ungebührlich vorenthalten werden — auf ewig verloren seyn? soll es im Staat und für den Staat nie einen absoluten Werth erhalten, und immerdar beim relativen bleiben? soll es nie an der Staatsgründung und Erhaltung einen unmittelbaren Antheil behaupten? soll es nie für sich und durch sich denken und handeln? ohne End' und Ziel nur als Scheidemünze gelten? Werden wir uns bei diesen Fragen mit einer wohlweisen Römischen Rechtsfiktion oder einem wohlhergebrachten Verjährungs- und Besitzrechte aushelfen können, um sie ab- und zur unangenehmen Ruhe zu verweisen? Werden wir selbst unser männliches Gewissen mit Bedenklichkeiten [S. 184] über die möglichen Folgen, mit Mißbräuchen und was dergleichen Popanze mehr sind, wodurch man Kinder schreckt, beruhigen und diese Angelegenheit der Menschheit auf die lange, ja lange Bank schieben können —? Dann ist freilich der schöne Morgen der Erlösung noch nicht nahe. — Werden wir uns aber hierbei entbrechen können, uns selbst noch Gothen und Vandalen zu heißen, was weiland unsere Väter waren, wenn wir nicht dieses Unrecht je eher je lieber zu vergüten suchen? Mißbrauch des Rechtes verwirkt nicht das Recht. Menschenrechte können niemals, Bürgerrechte nur durch Felonie verloren werden; und was ist Felonie? Dies aus dem Lehnsrecht entlehnte Wort (keine sonderliche Abkunft!) bezeichnet Alles, was man der Lehnsverbindlichkeit zuwider thut oder unterläßt, und wird aus dem Lehns-Contrakte beurtheilt. Da es sowohl für den Lehnsherrn als für den Vasallen Rechte und Pflichten giebt, die sie einander schuldig sind; so kann nicht nur der Vasall, sondern auch der Lehnsherr der Felonie schuldig werden. [S. 185] Und wie? geht denn wegen einer jeden Handlung oder Unterlassung, die dem Lehns-Contrakte zuwider ist, schon das Lehn verloren? Ist der Lehnsherr, da er nichts mehr und nichts weniger als ein Mensch ist, nicht vielmehr verbunden, den Vasallen zur Leistung der contraktgemäßen That, und zur Vermeidung der contraktswidrigen Unthat von Rechtswegen anzuhalten und auf Schadenersetzung anzutragen? Werden Contrakte durch zugefügte Contraventions-Strafen geschwächt, oder vielmehr verstärkt? Können die Handlungen eines Andern Jemanden zugerechnet werden? und wenn der Vasall wegen Felonie das Lehn verliert, ist der Lehnsherr nicht verpflichtet, es nach dessen Tode demjenigen wieder zu geben, dem es nach dem Ableben des der Felonie schuldig und des Lehnsbesitzes unwürdig befundenen Vasallen zufällt? Kann je durch Felonie das Lehn aufhören? — und wer machte denn den Mann zum Lehnsherrn, und das Weib zur Vasallin —? sind sie nicht beide göttliche Lehnsträger? — Die Erde könnte vielleicht eher ein Weib-, als ein Mannlehn [S. 186] heißen, und ist ohne Zweifel ein vermischtes Feudum. — Man lasse doch die Weiber-Felonie an seinen Ort gestellt seyn, wovon Natur und Geschichte kein lebendiges Wort wissen, und vergesse nicht, daß Gott dem Menschenpaar, welches ER (o, der Menschenwürde!) abschattete, dieses Erden-Lehn anvertrauete, und daß zwischen seinem Lehnrecht und der Stümperei des menschlichen keine Vergleichung denkbar ist. — So weit von bürgerlichen Rechten! — über Menschenrechte kann nur Gott richten; und in seine Hände zu fallen — wie wohl thut das, wenn wir die gehegten und ungehegten Banken der Menschen dagegen halten! —
Ist es etwa Furcht, oder ist es bloß eine Grimasse derselben, die wir vorgeben, um jener gegründeten und rechtmäßigen Forderung mit Anstand ausweichen zu können? Werdet wie die Kinder, ist ein wohlgemeinter Rath; denn nur die kindliche Furcht ist nicht unmännlich: sie besteht in der Sorgfalt, dem auszuweichen, was den ewigen Gesetzen des Wahren und Guten entgegen ist. Jene knechtische, [S. 187] wenn man aus Furcht vor der Strafe thut, was die Gesetze wollen, oder unterläßt, was sie nicht wollen, ist unmännlich, so wie ihre Verwandtin, die Befürchtung, vermittelst deren wir den Gelegenheiten zuvorkommen wollen, wodurch wir dergleichen Strafen und Strafgerichten unterworfen werden können.
Wir wollen ein Geschlecht fürchten, das zur Liebe geschaffen ist, und, wenn es zürnt, selten die Sonne über seinen Zorn untergehen läßt? das bis auf Einen Punkt (und dieser ist eine Sünde wider den heiligen Geist des Geschlechtes) dem Beleidiger zwei Drittheile des Weges entgegen kommt, um ihm Versöhnung anzubieten! Wie viel mehr Ursache haben wir, uns selbst zu fürchten, als ein Geschlecht, das, wenn man es in seine Rechte einsetzte, uns, wo nicht Erkenntlichkeit, so doch Wohlwollen schuldig wäre, und diese Schuld kraft seines Wesens und Seyns so gern abtragen würde!
Man sagt, es sey schwer zu hoffen, daß das menschliche Geschlecht, welches von der Natur sich so weit und breit zu entfernen die [S. 188] Ungezogenheit gehabt, das durch keine Religionsempfindung sich leiten, durch keine Staatstäuschungen sich blenden lasse, sich zu Gesetzen bequemen werde; und so liege denn die Furcht nicht so sehr aus dem Wege, als man es gemeiniglich denke. — Lieber! wie kannst du fordern, daß das Menschengeschlecht sich ewig am Gängelbande wohl befinden werde? Erregen jene Staatstäuschungen und jene Religionsempfindungen, wenn sie nicht von Grundsätzen abstammen, nicht einzig und allein Unglauben und Mißtrauen in Rücksicht der Gesetze? Sollte der Mensch nie zur Achtung für Pflicht gebracht werden? Sollte er nie zu dem Hauptprincip des Lebens gelangen: sei vernünftig? — Sollen denn Sinnlichkeiten ihm mehr als die moralische Vernunft und das Sittengesetz gelten —? Wird er sich nie so weit erheben, seiner geistigen Natur würdig zu seyn, und für das, was er nicht siehet, Ehrfurcht und Achtung zu fassen —? Soll denn bloß Weichheit des Temperaments ihn zur Neigung bringen? oder giebt es auch außer der Temperamentsneigung, [S. 189] die, wenn sie geläutert wird, eine Herzensneigung heißen könnte — giebt es außer ihr auch eine Geistesneigung, so wie es ein Geistesvergnügen geben kann —? Für nichts, was in die Sinne fällt, hat der stolze Mensch in die Länge Achtung — es familiarisirt sich mit ihm, und es ist wie unser einer. — Das einzige Mittel des größten Helden und des größten Gelehrten, sich bei übermenschlicher Ehre (was soll aber die?) zu erhalten, ist: sich zurück zu ziehen. Sobald wir uns näher zeigen, geben wir uns wohlfeiler. — Je höher die Spannung war, je schneller läßt sie nach. Alles, außer sterben, muß der Mensch lernen — Zu Allem, es sei gut oder böse, kann er sich gewöhnen — Ein scheues Pferd führt man zu dem Gegenstande zurück, den es fürchtete; und wie? hier, wo das höchste Ziel seiner Würde auf dem Spiele steht, sollte der Mensch auf seinen Nachdruck Verzicht thun? — Mit nichten — Wir können und werden dahin kommen, daß wir die Göttlichkeit der Gesetze in ihrem Heiligthum, in unserer Seele, verehren und unser Herz durch [S. 190] jene Überzeugungen des Geistes gewinnen. Noch würde sich freilich der Gesetzgeber gröblich verrechnen, wenn er seine Gesetze auf festes Zutrauen zur Vernunft und zur Weisheit seiner Bürger calculirte; allein wird die Menschheit nie die Kinderschuhe ausziehen? Ist dies — nun, so bleibe Alles Altflickerei, und der Mensch schäme sich, daß er Mensch heißt. — Ist die Menschheit indeß im Stande, zu jenem Grade der Vollständigkeit zu gedeihen, den sie sich vorstellen kann, jene Tugend zu üben, die ihr im Ideal Freude macht —; so entferne man den Nebel der Täuschung, wodurch man Menschen betrog, die über kurz oder lang zum Gebrauche der Vernunft kommen und sich betrogen finden müssen. Männer, würdet ihr die Furcht nicht barbarisch und unmenschlich finden, wenn man euch Alles und Jedes von Freiheit bloß darum entzöge, weil ihr es mißbrauchen könntet —? Wie wollet ihr denn jene Furcht nennen, die euch abhält, dem andern Geschlechte seine Ehre wiederzugeben? Die Zeiten sind nicht mehr, um das andere Geschlecht [S. 191] überreden zu können, daß eine Vormundschaft wie bisher für dasselbe zuträglich sei, daß sie seinen Zustand behaglicher und sorgloser mache, als eine Emancipation, wodurch es sich mit Verantwortungen, Sorgen, Unruhen und tausend Unbequemlichkeiten des bürgerlichen Lebens belasten würde, die es jetzt kaum dem Namen nach zu kennen das Glück habe. Wahrlich ein abgenutzter Kunstgriff des unmenschlichen Despoten, wodurch er seinen feigen Sklaven das Gewicht der Ketten erleichtern will! als ob die Freiheit mit allen ihren Ungemächlichkeiten nicht der gemächlichsten Sklaverei vorzuziehen wäre! Glauben Sie nicht, daß das Wirtembergische Land Ihrentwegen geschaffen ist, schrieb Friedrich II an den jetzt regierenden Herzog von Wirtemberg; sondern überzeugen Sie Sich, daß die Vorsehung Sie hat geboren werden lassen, um ihr Volk glücklich zu machen. Und Männer! ihr wollt glauben, eine halbe Welt wäre zu eurem bon plaisir, zu eurem eigentlichen Willen, das ist verdollmetschet: zu eurem Eigenwillen, da? Thiere [S. 192] wirken; Menschen handeln — Warum soll das Weib nicht Ich aussprechen können? Wahrlich ein sanftes Wort, denen, welche die neidlose Natur verstehen — Wer die Kunst versteht, ist neidisch und verräth den Meister nicht — Ist es nicht der größte Menschenvorzug, sich selbst zu kennen? Unser Werth ist unsere Sache; unsere Würde ist die Sache Gottes und gerechter Menschen. Hat Gott bei dem anderen Geschlecht etwas versehen? oder sind es die Männer, die sich an diesem Geschlechte wider den Willen des Schöpfers versündigen! Warum sollen die Weiber keine Person seyn? warum nicht wissen: das ist mir gut, und das ist gut, oder das ist vortheilhaft, und das ist recht? Vieles, und fast das meiste, was mit Vergnügen anhebt, leistet bei weitem nicht, was wahrhaft vortheilhaft ist — Aus ächtem Vortheile tugendhaft seyn, heißt sonst mit andern Worten: es in Reinheit seyn.
Frankreich schreckt eben jetzt mit der Freiheit diejenigen Mächte, welche die zu weit gegangenen Beschlüsse der Nationalversammlung [S. 193] einzuschränken drohen. Gott! zu Ende des achtzehnten Jahrhunderts — wo kein Gespenst, und wär' es eins von nicht ganz kleinem Range, ein Poltergeist, mehr Wirkung thut — kann man mit Freiheit schrecken —! Dahin wär' es gekommen? Ach! auch selbst dem, der an der Kette erzogen ist, blitzt der Name Freiheit auf, dieser göttliche Funke, durch den wir sind was wir sind, und der uns so wenig schrankenlos macht, daß er uns vielmehr fester als Alles an das Allerheiligste der Gesetze bindet. Das weibliche Geschlecht kam um die Menschenrechte ohne seine Schuld, bloß durch den Schwung, den die menschlichen Angelegenheiten bei den Fortschritten zu ihrer Cultur nahmen; Bürgerrechte, die es leider! sehr zeitig und schon bei Entstehung kleinerer Familienstaaten verlor, hat es nie, weder durch Unterhandlungen noch mit Gewalt, zu erringen gesucht, und erwartet sie noch heute mit aller Selbstverleugnung von unserer Gerechtigkeit und Großmuth. Und wir wollen es vergeblich warten lassen? und das Gesuch, welches die Natur für die [S. 194] Weiber einreicht, zu einer Zeit da Menschenrechte laut und auf den Dächern gepredigt werden, mit einem aufrichtigen und deutlichen Nein abweisen?
Die neue Französische Constitution verdient eine Wiederholung meiner Vorwürfe, weil sie für gut fand, einer ganzen Hälfte der Nation nicht zu gedenken, ob sie gleich einem kleineren Theile derselben, der überall wo er sich befindet, auf das Duldungsrecht beschränkt ist, die Rechte aktiver Bürger zugestand. Alle Menschen haben gleiche Rechte — Alle Franzosen, Männer und Weiber, sollten frei und Bürger seyn. Jene Vorschläge zur dégradation civique, wodurch die Männer vermittelst einer feierlichen besonderen Formel der Ehre eines Französischen Bürgers für unwürdig proclamirt werden sollten, falls sie durch Verbrechen diese Strafe verdienten, sind nicht auf das andere Geschlecht ausgedehnt. Über dieses sollte bloß der Fluch ausgesprochen werden: Euer Vaterland hat euch einer infamen Handlung überführt befunden —
Mirabeau, der zur gegenwärtigen Generation [S. 195] von Menschen sein Zutrauen verloren haben mochte, setzt, wie alle große Thäter, sein Zutrauen auf Erziehung, und weiset in seinem Posthumus Travail sur l'éducation publique, die sein Arzt und Freund Cabanis herausgab, das Frauenzimmer zur Häuslichkeit und zu stillen, sanften Tugenden an, (ist denn nicht jede Tugend sanft und still?) worauf das Glück der Familien, und am Ende das Glück des Staates so sehr beruhe. Ohne mich in den Streit einzulassen, der über den Grafen und Nichtgrafen Mirabeau von Freunden und Feinden übertrieben worden, sei es mir erlaubt, der Behauptung zu widersprechen, daß Jemand in seinem Privatleben ein elender Mensch, dagegen doch der tugendhafteste Bürger und der höchste Grad desselben, ein geschickter Officiant, seyn könne. Ein Mensch, der gegen Alles gleichgültig zu seyn vermag, was gut oder böse, gerecht oder ungerecht ist, ein nicht rechtschaffener Mensch, kann kein rechtschaffener Bürger seyn. Horaz sagt: nur Jupiter gehe über den Weisen; der Weise sei reich, frei, gerecht, ein König aller [S. 196] Könige — Da das andere Geschlecht vom Menschen auf den Bürger zu schließen gewohnt ist und jene Rollenspieler, die Nichts aus Grundsätzen, Alles aber nach Zeit und Umständen sind, sehr richtig berechnet; — ist es Wunder, daß diese Glücks- und Unglücksritter das andere Geschlecht zu entfernen suchen? —
Wir irren, wenn wir uns überreden, daß Weiber für die Ehrensache der Menschheit, für den Kampf der Freiheit mit der Alleingewalt, keine Sinne besitzen. Sie haben nicht bloß durch ihren lauten Beifall bezeugt, daß sie den Werth der Freiheit zu schätzen wissen, und daß das Gefühl für dieselbe noch lichterloh aufflammen kann; selbst thätig haben sie mitgewirkt, die Fesseln zu brechen, die man der Nation anlegte, und wahrscheinlich lag es nicht an ihnen, daß sie bei diesem Schauspiele nur Rollen vom zweiten Range spielten.
Die berühmte Verfasserin der Geschichte der Königin Elisabeth, Mad. Keraglio, vertheidigt seit der Revolution in ihrem Journal [S. 197] d'État et du Citoyen die Rechte der Menschheit mit Freimuth, Wahrheit und Stärke. Weiber fühlten jene Zurücksetzung, jenes tiefe Stillschweigen bei einem so schönen Anlaß, jene Verstoßung, wenn es Staatsdienst gilt — Eins unter ihnen wagte es, ihren Unwillen laut werden zu laßen. In einem an die Nationalversammlung abgelassenen Briefe bemerkt es, daß kein Wort in der Constitution von den Weibern vorkomme, obgleich die Mütter Bürgerinnen des Staates seyn müßten. Es schmeichelt sich mit dem Befehle, kraft dessen den Müttern erlaubt seyn werde, in Gegenwart der Bürgerbeamten diesen feierlichen Eid abzulegen. Diese ehrwürdige Ceremonie würde es wünschenswerth gemacht haben, Mutter zu seyn. Die Geschichte sagt nicht, was von den Repräsentanten der Nation auf diese Adresse einer edlen Französin beschlossen worden ist. Betrübt feire ich heute ihr Andenken, heute den 18ten März 1792, da ich in öffentlichen Blättern lese, daß die Franzosen, ungerührt durch diesen Wink, es dahin kommen lassen, daß das andere Geschlecht [S. 198] dringender um diese Rechte angehalten. Schöner würde es gewesen seyn, wenn man dem Geschlechte mit der Bürgerehre zuvorgekommen wäre, und bei dieser ernsthaften Sache kein Ärgerniß des Lachens gegeben hätte. Wehe dem Menschen, durch welchen dergleichen Ärgerniß kommt! Würden wohl alle jene Laternenscenen sich ereignet haben, wenn Weiber Aktivvotantinnen in Frankreich gewesen wären? Durch geheimen Einfluß wird in jedem Staate, besonders in freien, Alles verdorben — Doch ist es die Frage, ob die Pariser Damen schon die Selbstüberwindung gehabt haben, so weit zur Natur zurückzukehren, daß sie die gute Sache menschlich und bürgerlich beherzigen können — — Wahrlich! zu Deutschen Weibern ist größeres Vertrauen zu fassen — Wem Gott Kraft gab, gab er dem nicht auch das Recht sie anzuwenden? sollen denn die Weiber ihr Pfund im Schweißtuche vergraben, ohne es auf Wucher anzulegen, der dem Staate tausendfältige Früchte bringen würde?
Auf Vernunft und auf ihr Meisterstück, [S. 199] die Gesellschaft, kommt es an, ob jener Kraftsanwendung freier Lauf zu lassen oder ob sie einzuschränken sei; nie aber kann der Staat sich herausnehmen, sie ganz unterdrücken zu wollen. Und wie? er wollte ein Räuber der Freiheit seyn, welche zu befördern die Hauptabsicht seiner Existenz ist?
Wenn Stände nur durch ihres Gleichen repräsentirt werden können; wenn so gar unsere Vorfahren durch Ebenbürtige sich die Gesetze zumessen und Recht sprechen ließen: wie kann man Weiber vom Staatsdienste ausschließen, in so weit er sich mit der Gesetzgebung oder Gesetzausübung beschäftiget? Will man etwa den Weibern die Weihe zu diesen Mysterien abschlagen, um sie nicht unsere Schwäche da sehen zu lassen, wo wir den höchsten Grad unserer Stärke hieroglyphisch vorgeben? Man kann dreißig Jahre dienen und nur Ein Jahr leben, wie weiland M. Plantius, welcher nur von der Zeit an sein Leben zählte, als er aufhörte für das Öffentliche, und anfing für sich zu leben — Ein lehrreiches Zeugniß auf Kosten des Staatsdienstes! [S. 200] Ist das Leben für den Staat des Ehrennamens: Leben, werth, wenn es uns für unsere eigene Person sterben läßt, uns vom selbsteigenen Leben entfernt —? Nur als uns selbst können wir den Staat, unsern Nächsten lieben; Alles darüber ist vom Übel. Wenn man nicht durch den Staatsdienst vervielfältigt lebt, so liegt es entweder an uns oder am Staate; in beiden Fällen bleibt die Krankheit gefährlich — Ist es nicht der gewöhnliche Fall, daß wir vor lauter Räderwerk nichts ausrichten, vor lauter Eingängen das Thema vergessen? Kommt nicht vor lauter kluger Vorsichtigkeit gemeiniglich Kleinheit zum Vorschein —? Die meisten Staatsbeamten sind Accoucheurs eines Berges, der eine Maus zur Welt bringt, die indeß bei der Taufe die prachtvollsten Namen erhält, und fast mit noch mehr Paukenhall ins Publicum gebracht wird, als wenn ein Schriftsteller sich selbst recensirt. Wer in großen Residenzen zu leben die Gnade gehabt hat, wird mich am leichtesten verstehen — Welcher Schweiß des Angesichts! — Collegia und Ausschüsse, [S. 201] das Plenum und Committés, Gerichte und Commissionen! was für eine Menge Papier wird getragen, geschrieben, gelesen! — Agioteurs von einer andern Art — Papierhändler von höherer Würde! Scheint es doch, als wäre Alles gegen Alle, weil Alle gegen Alle sind (bellum omnium contra omnes); und doch bezwecken jene herkulischen Beschäftigungen, jene Versammlungen, Richterstühle und Aktenberge das allgemeine Beste, dessen Flor in den Kirchen bebetet und in Schauspielhäusern beklatscht wird, (beides ex officio, von Amtswegen.) Ist es klug oder nöthig, daß man so viele Holzhauer und Wasserträger, Virtuosen und Zünftler in Athem setzt, um eine einzige Staats-Manège anzulegen? so viele Meister politischer Art und Kunst, um ein Staatsregierungs-Exercitium, ja Exercitium, zusammen zu stümpern? Nur Einen Hebel verlangte jener Weise, um die Welt zu heben; und wenn das allgemeine Wohl solch eine Anstrengung braucht, so liegt es gewiß, oder mich trügt Alles, an dem politischen Oberrechenmeister — Wahrlich diese so beschäftigten [S. 202] Herren dienen nicht dem Staate, sondern der Staat dient ihnen — Der Weise, der diesem Staatspiele näher tritt und dessen joujou bis auf sein Schach kennt, überzeugt sich, daß Ein Kopf hinreichend ist, dies Alles zu lenken. Waren nicht schon Petrus und Paulus streitig? Ist nicht Ein Kopf vermögender, das Ganze zusammen zu halten und zu übersehen? Man verlangt sonach nicht ohne Grund Einen Principalmeister; wo aber Einer zu finden? Wer wird die Selbstverleugnung haben, die vielen Künste zu verlassen und der Natur zu huldigen? wer den Wortsturm aufgeben, das brausende Meer bedräuen, und zur Stille des Denkens und Handelns eingehen? Wer, ohne zu befürchten, daß er beim Fürsten und beim Volke verliere —? Das Volk wird durch den Schein dieser fast übermenschlichen Anstrengung hintergangen, und der Fürst desgleichen, der, wenn es nicht so viel Schweiß kostete, sich gewiß näher mit diesen Staatsarbeiten bekannt machen würde — und da möchten denn die hohen und nächsten Staatsgehülfen sehr leicht [S. 203] auf eine kleine Rolle zurückgesetzt werden und aus Staatsräthen in Schreiber zusammen schrumpfen! — Ich setze wenig oder nichts von Menschenübeln auf Rechnung der Fürsten; gewiß das Meiste gehört auf das Conto der Minister, die nicht schwach nicht stark, nicht kalt nicht warm, sondern unentschlossen und lau sind, sich von jedem Winde hin und her treiben lassen, Jeden um seine Meinung befragen und, wenn sie deren unzählige gesammelt haben, nicht wissen, wozu sie sich entschließen sollen. — Wer selbst keine Meinung hat — wie kann der aus so vielen die beste finden? Hierzu kommt, daß Gemächlichkeit und ewiger Hang zum Vergnügen sie noch stumpfer machen — Sie kommen nicht aus den Beten heraus, die sie abzuspielen haben! — Noch ärger sind die, welche nicht über ihren theoretischen Leisten gehen, immer Schuster bleiben, die sie sind, und in armseliger Pedanterie Trost suchen und finden, wenn ihnen nichts einschlägt — Was können wir dafür, daß der Staat, den wir zu regieren haben, sich nicht nach unserem Orbis [S. 204] pictus und einem Compendio schmiegen will, das uns zum Pharos demüthigst empfohlen worden? — Allerdings! und welche Greuel, wenn die Minister gar Genies zu seyn sich einbilden und zu Dero Haupt ein so unumstößliches Zutrauen gefaßt haben, daß das große Wort: Er hat es gesagt, ihren Commis hinreichend scheint, die einleuchtendsten Vorstellungen abzuweisen und zu entkräften! — Das Recht des Vernünftigern ist ihnen, nach ihrer, zwar etwas freien, indeß wie sie glauben nicht unverständlichen, Übersetzung, das Recht des Stärkeren; und freilich — wer darf es wagen, der Gewalt, so lange sie am Ruder ist, den Verstand abzusprechen? Jene gewaltigen Genies berechnen Alles an den Fingern — Newton könnte von ihnen rechnen lernen; und freilich, wenn die Data zu ihren Berechnungen richtig wären — wer würde ihnen gleich kommen? Zur Calculatur geboren, sind sie im göttlichen Zorn Minister und Staats-Administratoren geworden —
Stumpfe Köpfe, ihrer eigenen Schwäche bewußt, sind für Collegia. Das Sprichwort: [S. 205] vier Augen sehen mehr als zwei; bringt sie zur Multiplication der Augen — die blinden Leiter! In der Oper hilft Jeder, der Schriftsteller, Spieler und Sänger, zum Ganzen — und da fallen Coloraturen, Läufe, schmelzende, verzweiflungsvolle, schmachtende, fürchterliche Gänge vor, die der Verfasser den Spielern und Sängern in Mund und Kehle legt — Hier aber verläßt sich entweder Einer auf den Andern, und sieht die Stunden, die er wohl bezahlt absitzen muß, als eine ihm angewiesene Schlafzeit an, worin er sich stärkt, um desto geistreicher am Spieltische zu glänzen; oder er hauet die Kreuz und Quer ein, so daß nach vielstündigem Zank die Sache am Ende weit übler als am Anfange steht, und der kleinere Theil die schrecklichste Mühe von der Welt hat, nicht die Angelegenheit ins Reine zu bringen, sondern das per plurima herausgebrachte Schluß-Votum von den Ungereimtheiten so vieler disparaten Meinungen zu säubern und zu läutern, und es W. R. I., oder — wenn es hoch kommt — verständlich zu machen. Der so witzige als [S. 206] einsichtsvolle Vorschlag, daß die Minorität der Stimmen gelten sollte, ist der auffallendste Beweis, was man sich zu diesen vierzig Perücken oder ihren Stöcken zu versehen habe — Viele Köche versalzen den Brei, und Ein Kopf ist mehr werth, als ein ganzes Synedrium von — — Kinnbacken. —
Wenn die Staats-Officianten auf die Pflicht angenommen wurden, nichts zu verderben und sich leidend zu verhalten — wie viel weiter wäre die Welt! - Sind das die hohen Collegia und hohen Stühle, von denen man das schöne Geschlecht ausschließt —? Man sollte sie aufnehmen, wie in freien Reichsstädten politische Kannengießer und Aufwiegler zu Rathsgliedern, damit sie schweigen — Vielleicht hätte man dies Stratagen auch wirklich schon segensreich in Anwendung gebracht, wenn man zu der Verschwiegenheit des schönen Geschlechtes mehr Zutrauen fassen könnte. Johnson sagt: man kann so sehr ein Mann nach der Welt seyn, daß man nichts mehr in der Welt ist. Sollte man nicht weit eher so sehr ein Staats-Officiant seyn können, [S. 207] daß man bei weitem zu der Ehre ein Staatsbürger zu seyn, unfähig ist? — Wahrlich, um sich wieder zu orientiren, sollte man die Weiber zum Staatsdienste vociren — wozu sie unstreitig einen göttlichen Ruf haben, an dem es den meisten Taugenichten von hohen Staatsbeamten ermangelt.
Ist es zu leugnen, daß man in jedem Gesetz-Codex von den Grundsätzen der natürlichen Gleichheit ausgehen, und mit dem Paradiese anfangen kann und muß, wenn nur der Sündenfall nicht vergessen wird? Jene Grundsätze der Gleichheit werden und müssen so gar bei ihrer Anwendung auf den Staat das Resultat politischer Ungleichheit unter den Bürgern herausbringen. Bei jener natürlichen Gleichheit gewinnt das andere Geschlecht allerdings; allein auch die politische Ungleichheit kann nie ein ganzes Geschlecht unwürdig proclamiren, in welchem es in der Regel mehr Mündige, als in dem unsrigen giebt, und wozu vielleicht kein anderer Grund vorhanden ist, als daß die Gesetzgebung bloß aus Männern besteht. Soll ich bemerken, daß ich [S. 208] hier nicht bloß vom Gebrauche des Mundes und der Zunge, sondern der Seele und des Herzens rede? So bald Stärke, Obermacht und Verjährung nicht Gesetze abnöthigen; — und wehe der Staatsgrundlegung, die solche Ecksteine in Anwendung bringt! — so bald jede regelmäßige Gesellschaft so gar eben dazu entsteht, um jene natürlichen Hervorstechungen in's Gleichgewicht zu bringen: so hat das andere Geschlecht ein Recht, vom Staate zu fordern, daß er ihm Gerechtigkeit erweise, daß er über die Schwächlichkeit des Körpers, welche zum größten Theil durch Vorurtheil entstanden ist, die Stärke der Seelen der Weiber nicht vergesse. Macht denn nicht die Seele den Hauptbestandtheil der Menschen? Die natürliche Gleichheit erfordert eine politische Ungleichheit, weil die Erhöhung des natürlichen Werthes des Menschen nur durch eine gegenseitige politische Verbindung derselben unter einander möglich ist, und hervorragende Menschen durch Gesetze, so wie Genies durch Regeln, in Ordnung gehalten werden müssen. Kann aber dieser an sich nicht [S. 209] unrichtige Grundsatz auf ein ganzes Geschlecht gedeutet werden? Ist es gerecht, billig, rathsam und nur menschlich, daß unser ganzes Geschlecht zu einer Standeserhöhung gebracht und als der Mittelpunkt angesehen wird, um dessenwillen das andere Geschlecht existirt? — Es giebt nur zweierlei Thatsachen, von denen wir Begriffe haben: Natur und Freiheit; und sowohl zur Physik als zur Moral, haben Weiber unverkennbare Anlagen. Will man Natur und Freiheit sinnlich abbilden, so müssen beide in Gestalt eines Weibes dargestellt werden. Und was ist ihnen denn im Wege? das positive Gesetz? Kein Gesetzbuch, und würde es mit Engelzungen reden, kann Formula concordiae und eine Augspurgische Confession werden. Gesetze erziehen Menschen, und müssen sich, wenn Menschen mündig werden, von Menschen erziehen lassen. — Angenommen, Weiber wären körperlich schwach — angenommen! und was wäre da die Pflicht der Gesetze? in den Schwachen mächtig zu seyn. Nicht die Starken bedürfen des Arztes, sondern die Schwachen.
Weiß ich denn nicht, daß manche Frau bei manchem Manne auch jetzt sich wohl befindet? Was indeß bloß auf persönlicher Gesinnung beruhet, muß seiner Natur nach wandelbar seyn; und es ist auch bei den tolerantesten Gesinnungen im Staate nothwendig, daß keine intolerante Stelle im Gesetzbuche bleibe. Wer steht für den Nachfolger im Reiche? Weiber wissen ihre Männer zu überzeugen, als hätten Weiber keinen Willen. Doch eben wenn sie auf ihren Willen in bester Form Rechtens Verzicht zu thun scheinen, werden sie Alleinherrscherinnen, ohne den starken Glauben ihrer Männer zu schwächen, als ob diese ganz allein regierten — Sie regieren nicht mit Gewalt (vi), sondern heimlich und bittweise (clam et precario).
Der Liebhaber glaubt in dem Dienst einer Göttin zu seyn, welche Apotheosen so sehr in ihrer Gewalt habe, wie Facultaten Doktorhüte. Der glückliche Geliebte dünkt sich wenigstens halb Gott, weil er so glücklich ist, einer solchen Gottheit zu dienen — Erwacht er über ein Kleines aus diesem Traume; seht! so verwandelt [S. 211] sich die Raupe nicht in einen Schmetterling, sondern in einen Zuchtmeister, und die entgötterte Frau wird seine Sklavin; der Bräutigam wird nicht Ehemann, sondern Ehevogt. So hörten Monarchen auf, Götter und Divi zu seyn, und hatten die Güte zu den Menschen herabzusteigen; doch würdigten sie, um über anderen Menschen zu seyn, diese anderen eine Stufe unter die Menschen hinab — Halbe Wahrheit ist gefährlicher, als eine ganze Lüge; diese ist leichter zu kennen, als jene, welche sich in Schein zu verkleiden pflegt, um doppelt zu betrügen. Männer, laßt doch Menschen seyn, die Gott zu Menschen schuf! Laßt uns Menschen machen, hieß es, ein Bild das uns gleich sei; und er schuf sie ein Männlein und ein Fräulein. Sie sind Bein von unserm Bein, und Fleisch von unserm Fleisch; und warum nicht Bürger wie wir? warum nicht, da ihnen weder Sinn noch Kraft zu Bürgertugenden gebricht, und es bloß darauf ankommt, daß sie zu Bürgerinnen erzogen werden! Jetzt freilich, wie sie da sind, zum Spielzeug, für Männer gemodelt; jetzt, [S. 212] wenn sie auf einmal aus dem Gynäceum auf den großen Schauplatz des gemeinen Wesens, einen für ihren Körper und ihre Seele so fremden Boden, treten und männliche Rollen spielen sollten: jetzt würden sie kaum erträglich debütiren. Wer fordert dies aber von ihrem Kopfe und von ihren Händen? Sie sollen eben den Weg gehen, den wir gingen, eben die Wüsten betreten, die uns auf der Bahn nach Kanaan beschwerlich wurden; nur durch Erziehung, Unterricht und Erfahrung sollen sie das Ziel erreichen, dessen sie so würdig sind — Das Licht braucht beinahe acht Minuten, um von der Sonne zu uns zu kommen, und wir sehen die Veränderungen, die in der Sonne vorgehen, jedesmal acht Minuten nachher. Pythagoras legte seinen Schülern zuvor Schweigen auf, ehe ihnen die philosophische Zunge gelöset ward. Dies mögen Fingerzeige für Männer und Weiber seyn: für diese, um nicht auf Meisterrechte Ansprüche zu machen, ehe sie die Lehrlingsjahre zurückgelegt haben; für jene, von einem Geschlechte, das so lange vernachlässiget ward, nicht vor der Zeit Früchte [S. 213] der Buße zu fordern. Der Verstand und die Natur kommen sehr leicht in richtigen Einklang; und wenn Mittel unbedeutend scheinen, wenn sie es wirklich sind — wer wird Mittel nach eigener, und nicht vielmehr nach der Größe des dadurch zu erreichenden Zweckes schätzen? Eine Eiche von einem nicht kleinen Alter kann noch sehr jung heißen, wenn ein gleichzeitiges Gesträuch und eine zu seinen Füßen blühende Blume an der Gränze ihres Lebens sind — Nicht im einzelnen Falle, in allen Fällen, nicht im einzelnen Menschen, sondern im Geschlechte, offenbaren sich die Ehre und der Zweck der Menschheit. — Woher jetzt der Unterschied in der Erziehung beider Geschlechter, der sich bei der Wiege anhebt und beim Leichenbrette endiget? warum ein so wesentlicher Unterschied, als wären beide Geschlechter nicht Eines Herkommens, nicht Eines Stoffs, und nicht zu einerlei Bestimmung geboren? — Die Scheidewand höre auf! man erziehe Bürger für den Staat, ohne Rücksicht auf den Geschlechtsunterschied, und überlasse das, was [S. 214] Weiber als Mütter, als Hausfrauen, wissen müssen, dem besondern Unterricht; und Alles wird zur Ordnung der Natur zurückkehren. Noch lange ist Erziehung nicht das, was sie seyn könnte und sollte. Nur sehr spät fiel man auf das, womit man hätte anfangen sollen: den Zweck der Erziehung zu bestimmen, das Ziel aufzusuchen und seinen Lauf darnach zu richten. Statt daß wir sonst, wie irrende Schafe, ohne Plan und Regel in das Weite liefen, sei es unsere erste Sorge, heimzukehren zu der Natur und nicht außer uns uns selbst zu suchen! — Was hülf es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und an sich selbst Schaden litte! — Ohne jenen Zweck der Erziehung zerreißt das Band, welches alle einzelne Theile zusammen hält — und in Kindern liegt das Reich Gottes. —
Zwar hat man in unsern Tagen angefangen, dies wichtige Staatsbedürfniß zu beherzigen; aber auch kaum nur angefangen. Die Staaten und ihre Repräsentanten selbst, deren erstes und wichtiges Interesse die Erziehung ist, scheinen dieses Bedürfniß entweder noch [S. 215] nicht genug zu fühlen; oder wohl gar sich für verpflichtet zu halten, den gemachten Versuchen, Bürger zu bilden, Hindernisse in den Weg zu legen. Wenn die Befehlshaber des Volkes bedächten, daß nichts als eine gute Erziehung sie auf immer in dem Besitz gesetzlicher und auf Verträge sich gründender Vorzüge sichern kann; sie würden zu dieser ihrer Zeit bedenken, was zu ihrem Frieden dienet. Lange hat man Erziehung und Unterricht, die doch ihrem Wesen, ihrer Form und ihrem Endzwecke nach so sehr unterschieden sind, für Eins gehalten. Lange muthete man Lehrern zu, die in der Regel selbst keine Erziehung hatten, sie sollten zugleich Erzieher seyn; und man wußte nicht zu begreifen, wie man gelehrt seyn und doch keine Sitten haben könnte. Fest glaubte man an das goldene Sprichwort: daß Künste und Sitten Schwestern und Brüder sind, und Niemand dachte daran zu untersuchen, ob Künste und Sitten sich wie Ursache und Wirkung verhielten.
Rechnet man zu diesen Mängeln den Umstand, [S. 216] daß die Hälfte des menschlichen Geschlechtes entweder ohne alle Erziehung blieb, oder verzogen ward, und daß gerade dieser Hälfte der wichtigste Theil der Erziehung überlassen war; so ist es fast noch Wunder, daß wir Menschen sind. Ohne allen Zweifel bestimmte die Natur das andere Geschlecht zu diesem großen Erziehungsgeschäfte, und versah es mit den nöthigen Anlagen und Fähigkeiten, mit den empfänglichsten Sinnen, mit den feinsten Empfindungen, in der edelsten Sprache, selbst im Kleinen und Zufälligen das Wahre vom Falschen, das Ächte vom Scheinbaren zu unterscheiden — um jene große Bestimmung zu erfüllen —. Die Sokratik, die Sokrates von seiner Mutter, einer Weisemutter (sage femme), lernte, indem er auf Seelenentbindungen ausging und ein weiser Mann (homme sage) ward, ist wahrlich dem andern Geschlecht eigen, welches nie, auch beim Heißhunger, den Magen der Wißbegierde der Kinder mit Kentnissen überstopft, sondern jeden neuen Begriff ihnen einzeln zu denken giebt und ihn so viel wie möglich in [S. 217] Empfindung zu verwandeln sucht. Jedem geistigen Gedanken geben Weiber einen Körper, bekleiden ihn und verleihen ihm eine sinnliche Form. Robinet meint, die Natur habe den Weibern einen Hang zur Geschwätzigkeit gegeben, damit sie die für die Kinder zu starke Wörterkost ihnen desto leichter vorkauen könnten — Heißt das nicht, einer herrlichen Naturgabe einen bösen Leumund machen? Rousseau sagte zu Grétry, der ihm seine Hand bot, um ihm über einen Haufen Steine zu helfen: Laissez moi me servir de mes propres forces; und wem ist jene Entwickelung der in den Kinder-Seelen liegenden Ideen natürlicher, als dem andern Geschlechte? — Es spinnt sie heraus, knüpft das Sinnliche an geistige Begriffe durch Bilder und Gleichnisse — Wir sind für heroische Methoden; folgt indeß nicht nach einer Bravurarie jederzeit eine Leere, da ein zu lebhafter Eindruck dem Effekte des Ganzen schadet? — — Es kommt nicht darauf an, eine gute Empfindung zu erregen, sondern die Summe der Empfindungen zu ziehen und auf sie zu wirken. Wie richtig [S. 218] sind hier wenn und wie! Alle Wege des Wanderers zwecken ab, an einen Ort zu kommen; alle kleine Flüsse gehen zum großen Meere — — —
Wie ist es aber möglich, daß Weiber diesem Berufe genügen können, wenn jene Anlagen und Fähigkeiten so wenig entwickelt werden! Man vernachlässiget sie nicht bloß; man unterdrückt sie absichtlich. Das Kind ist geschlechtslos; warum sind wir der weiseren Natur zuvor geeilt? warum haben wir früher die Geschlechter abzusondern angefangen, als die Natur uns dazu einen Wink gab? Das Kind ist gesellig, nicht weil es durch einen besondern Trieb dazu gereitzt wird, sondern aus Bedürfniß und um thätig zu seyn. Nicht das moralische Gefühl, welches den Menschen an seines Gleichen kettet, um sich ihnen mitzutheilen, um durch den Umgang mit Andern das Eckige seines Charakters abzuschleifen und um sich durch Andere zu vervollständigen — nicht dieses Gefühl macht das Kind gesellig. Was kennt es mehr als sein Bedürfniß? Es will genährt und vergnügt seyn: [S. 219] darum ist es gesellig; es ist gesellig zum Zeitvertreib — Wo es diese Absicht erreicht, befindet es sich wohl; Geschlechtsunterschiede stehen, so wie moralische und geistige Eigenschaften, mit seiner Gesellschaft in gar keiner Beziehung —
Erst um das zwölfte Jahr fangen unter dem Europäischen Himmel die Geschlechtskeime an bei dem weiblichen Theile sich zu entwickeln und nie gewohnte Unruhe, eine vorher unbemerkte Ahndung und sanfte Sehnsucht zu erwecken. So lange sollte unter Kindern Alles bis auf die Kleidung gleich bleiben, weil die Natur es so will. Erziehung, Unterricht, Zeitvertreib können für beide Geschlechter einerlei seyn, weil in diesem Zeitraume die Bildung sich mit dem Menschen beschäftigen und für die Entwickelung jener Anlagen sorgen soll, ohne alle Rücksicht auf anderweitige Bestimmungen, als auf die erste ehrwürdigste: einen Menschen nach der urkundlichen Deutung der Natur darzustellen.
Auf diesen einzigen Endzweck müssen es alle pädagogische Bemühungen anlegen, und [S. 220] indem sie den jungen Kindern Hebammendienste leisten, den Spielraum für die ersten Versuche der erwachenden Kräfte erweitern, und nur nach und nach mit großer Vorsicht es wagen, den üppigen Auswuchs zurückzuhalten, und dergestalt mittelbar den Trieben der Natur die eigentliche Richtung zu geben. Der Unterricht bedarf in diesem Zeitraum eben so wenig besondere Rücksichten auf Geschlechtsunterschied, als auf künftige bürgerliche Verhältnisse. Hat das Kind von diesem Allen selbst nur Ahndungen? geschweige denn Begriffe! und bleibt nicht aller Unterricht in dieser Rücksicht für dasselbe todter Buchstabe, bis nach dem Laufe der Natur Empfänglichkeit für diese Lehre sich entwickelt? Aller Unterricht muß sich in diesem Zeitraum auf das einschränken, was der Mensch glauben, wissen und thun soll.
Warum der Unterschied zwischen weiblichem und männlichem Unterricht, da Mann und Weib noch nicht geboren sind? Sind Spiele für Kinder das, was sie seyn könnten und sollten? Nur in unsern Tagen, als die [S. 221] Erziehungskunst einen neuen Schwung erhielt, fing man an, den großen Einfluß derselben zu bemerken; allein machte man nicht, wie gewöhnlich, einen schlechten Gebrauch davon, wenn man das Spiel zu einem allgemeinen Unterrichtsmittel erhob? Spiele müssen nie zur Methodik werden; wohl aber können sie Anlässe zur Bereicherung des Gedächtnisses und zur Übung des Verstandes seyn. Wenn sie den Unterricht erleichtern, so ist und bleibt ihr Werth bloß subjektiv. Bei Spielen der Kinder muß jederzeit die Absicht zum Grunde liegen, sie auf eine ihrer Fähigkeit und ihrem Alter angemessene Art zu beschäftigen. Nur dürfen die Kinder diese Absicht nicht errathen; sonst ist das Spiel verloren. Früh indeß müssen Kinder angewöhnt werden, Spiel und Geschäfte zu unterscheiden, um diese achten und lieb gewinnen, jene aber entbehren zu lernen, wenn sie anders nicht ewig Kinder bleiben sollen. Doch warum mehr Bemerkungen über einen Gegenstand, der jetzt das dritte Wort unserer Schriftsteller ist, und auf allen Dächern gepredigt [S. 222] wird! Ich kehre mit dem Vorschlage zurück, daß so lange bis das Kind zum Mädchen oder zum Knaben heranreift, beide unter den Händen und der Aufsicht des weiblichen Geschlechtes bleiben sollten. Der Staat und das weibliche Geschlecht würden dabei gewinnen. Alle Kinderschulen sollten Weiber zu Aufseherinnen und Lehrerinnen haben, weil die Natur das weibliche Geschlecht dazu mit ausgezeichneter Fähigkeit hinreichend ausgestattet hat. Reinlichkeit, ein zur Erhaltung der Kinder so nöthiges und wichtiges Erforderniß, Sanftmuth, Geduld, Ausdauer bei anscheinend kleinlichen Beschäftigungen, Mittheilung, Redefertigkeit, und andere zur Kindererziehung unentbehrliche Eigenschaften, scheinen dem weiblichen Geschlechte von Natur eigen, bei dem männlichen dagegen bloß Kunstfertigkeiten zu seyn. Wie sich Natur zur Kunst verhält; so würde sich auch eine Kindererziehung durch Weiber gegen die jetzige verhalten. Schon gegenwärtig ist ihr Antheil groß; was würden wir ohne ihren Beistand vermögen? O, was für eine Schule [S. 223] für Mütter mittleren Standes, wenn eine Hauscapelle weinender und heulender Kleinen ihre Geduld prüft, und die Kinderfragen heranwachsender neugieriger, verschämter Mädchen und dreister Buben sie in Verlegenheit setzen! Ich begreife nicht, wie manches treffliche Weib so heterogene Angelegenheiten zu bestreiten vermag — Dort windet sie dem kleinen Feldmarschall Jakob Gabel, Messer und Scheere aus der Hand; hier reißt sie dem vielfräßigen Domherrn Peter schädliche Dinge aus dem Munde; bald verscheucht sie von der kleinen schlafenden Jette die Fliegen; und wie schwer ist der Wildfang Karl zu befriedigen, der von Einem Zeitvertreibe zum andern abspringt! Wie viele Vigilien und wie viele Tageslasten sind ihr Theil und Erbe bei den ihr obliegenden Familiensorgen! — Ist nun gleich die Dame höheren Standes, die nach Landes-Sitte und Brauch das strenge Recht für sich hat, ihre Kleinen wie Findelkinder zu behandeln, bei weitem so beschäftiget nicht; ist sie es indeß nicht immer weit mehr, als ihr geschäftiger Müßiggänger von Gemahl, der, [S. 224] mit großen Kleinigkeiten und vornehmen Gebrechen beladen, außer der Spinnstube seines hohen Collegiums, noch so viel anderes anzuspinnen hat, was freilich fast immer darauf hinausläuft, schlichte Dinge zu verwickeln, und den leichtesten Sachen einen Anstrich von Bedeutung zu geben! Des großen Staatsspinners! — *Doch wie? würden Weiber wegen ihrer Furchtsamkeit und aus Gefühl ihrer Schwäche die Kinder nicht noch mehr verzärteln, und das menschliche Geschlecht nicht noch weichlicher machen, als es gegenwärtig schon ist?* Ein Einwurf, der nicht ohne Grund zu seyn scheint; allein nichts mehr als ein Gespenst, welches unsere Einbildungskraft in Schrecken setzt, aber desto mehr verschwinden muß, je mehr die Weiber sich ihrem Ziele nähern. Zärtlichkeit oder eigentliche Schwächlichkeit des Körpers ist oft ein Erbtheil der Geburt, und ungleich seltener eine Folge der weichlichen Erziehung. Im letzten Falle kann die Geschicklichkeit des Erziehers im Knaben- und Jünglingsalter wieder herstellen, was übel verstandene Zärtlichkeit im Kindesalter [S. 225] verdarb; da aber, wo der Keim schon kränkelt, wird die pflegende Hand der Kunst, anstatt eines Baumes, immer nur ein Zwerggewächs erziehen. Völlig wird jene Furcht verschwinden, wenn die Ordnung der Natur, die wir umkehrten, wieder in den vorigen Stand gebracht wird, und wir fürs erste uns entschließen, das andere Geschlecht bei diesem Geschäfte zu leiten. Schon hat man zum Theil aufgehört, das Kind in eine Puppe zu verwandeln, es in Federn zu ersticken, und, wenn es sich des einzigen Mittels seiner Lunge bediente, um sich aus seiner peinlichen Lage zu befreien, es mit Theriak oder einer sanften Hirnerschütterung zu betäuben; und gewiß, man wird aufhören, Kinder der Luft und dem Wasser zu entziehen, so bald die Weiber sich selbst bei dem Einflusse dieser Elemente behaglicher fühlen werden. Schon hat man die bisherige Knabenkleidung verdächtig zu machen gesucht, und dem Kinderanzuge überhaupt den Zwang vorgerückt, wodurch der Einfluß der Luft auf den ganzen Körper verloren geht, die Ausdünstung gehemmt, [S. 226] die Brust verengt, das Herz unterdrückt, Saft und Kraft — wenn gleich (was leider nur selten der Fall ist) Alles unverdorben auf die Welt gebracht seyn sollte — frühzeitig erschlafft und die Maschine übereilt wird. Die tyrannische Mode! Selbst unsere Mahler und Bildhauer sind ihrethalben der traurigen Verlegenheit ausgesetzt, zu einem idealischen Costume ihre Zuflucht zu nehmen, da die Ungereimtheiten der Mode nicht bei dem Altare des Geschmackes bestehen — Eine feine Rache, welche die Natur an ihren Verächtern nimmt —! Bei Gelegenheit der bürgerlichen Weiberverbesserung wäre nichts leichter, als eine Kleiderordnung in physischer und moralischer Rücksicht in Gang zu bringen, sie wohlfeil, natürlich und einfach zu stellen, und diese Sache gleich fern von Übertreibung und Montirungssucht in Erwägung zu nehmen. Nur aus unverzärtelten, festen, wackern Kindern werden unverzärtelte, feste, wackere Leute! — Lasset die Weiber erst sich selbst stark fühlen, und sie werden an Leib und Seele starke Kinder leiblich gebären und geistlich [S. 227] wiedergebären — sie zur Welt bringen und erziehen. Warum soll denn die Haut mit der Sonne in Feindschaft leben? Fehlgeschlagene Hoffnungen, Unterdrückungen, Collisionen sind der Geschmeidigkeit des Charakters, den Grazien der Sitten ungünstiger, als jenes unbiegsame Äußere. Vom Gefühl einer edlen Freiheit, hangen Muth, Freimüthigkeit und jene umfassende Heiterkeit ab, die auch durch die finsterste Stirn bricht und auf der rauhesten Oberfläche durchschimmert — Und was gilt euch mehr: jene zweideutigen Aussprüche zu Delphi, oder eine unbiegsame Aufrichtigkeit? Aufrichtigkeit bahnt den Weg zur moralischen Allmacht — wogegen durch lebensartige Feinheit der Absicht ganz entgegengesetzte Wirkungen resultiren — Je nachdem man auf diesen oder jenen Umstand Licht fallen läßt; je nachdem thut er Wirkung — Hat die Furchtsamkeit ihren Grund nicht bloß in dem Gefühl des Mangels an körperlichen Kräften und in der Beschränktheit des Verstandes? Ein berühmter Englischer General bemerkte, daß seine Truppen [S. 228] nie mehr Muth hatten, als wenn ihr Magen mit Pudding und Roastbeef angefüllt war. Hunger macht feige, Mangel blöde, Unterdrückung verzagt. —
Die Weiber zu Sparta kannten weder Weichlichkeit noch Furchtsamkeit. Ich habe ihn für das Vaterland geboren, war die heroische Antwort jener Spartanerin, als man ihr die Nachricht brachte, ihr einziger Sohn sei in der Schlacht gefallen.
Entwickelt sich der Unterschied der Geschlechter im Knaben und Mädchen, so muß der Bürger auf den Menschen gepfropft, der Stand des Bürgers an den der Natur geknüpft, und die Vorbereitung zu mannigfaltigen untergeordneten Bestimmungen eröffnet werden; und nun ist es Zeit zu einem sichtbaren Merkzeichen der Absonderung der Geschlechter.
Diese Geschlechts-Einkleidung wird alle besorgliche Folgen, welche die Natur-Uniform etwa bei den Schwachen, die doch immer unter uns sind, erregen möchte, unausbleiblich vertilgen, Knaben und Mädchen, die als Kinder vertraut waren, in Fremde (wenn gleich [S. 229] nicht in Wildfremde — und weshalb auch das?) umschaffen, und Alles bis auf die Rückerinnerung ihrer ehemaligen Bekanntschaft vertilgen. Würde nicht diese Geschlechts-Einkleidung auf einmal den einzigen Unterschied, den die Natur beabsichtiget hat, zwischen beiden Geschlechtern festsetzen, ohne dadurch einen bürgerlichen Unterschied herauszubringen oder zu erzwingen, und ohne dadurch Sitten und Wohlstand im mindesten in Gefahr zu setzen? Dies wäre der Glockenschlag, welcher Erziehung und Unterricht der Geschlechter- und Bürgerbestimmung näher bringen würde. — War nicht schon bei den Römern eine ähnliche Einrichtung in Hinsicht auf das männliche Geschlecht? und sagt nicht die Geschichte, daß der Jüngling Vaterlandsliebe und alle große Eigenschaften eines Römers mit der toga virili (mit dem Mannskleide) anlegte? Es ist eine Schande, eine Stunde länger zu leben, als man hätte leben sollen; — allein es bleibt eine eben so große Schande, eine Stunde früher zu leben anzufangen, als man dazu fähig ist — und so wie [S. 230] das Ende das Werk krönt, und der letzte Tag der Richter aller seiner Vorgänger ist, so sollte man gewisse Tage aussondern, und sie zu Denkmählern machen. Jener Tag der Geschlechtsabsonderung, der bürgerlichen Einsegnung, würde zu diesen festlichen Tagen gehören. Ganz müßte das Erziehungsgeschäft in dieser neuen Epoche noch nicht den Händen der Weiber entzogen, noch weniger ein Unterschied in Erziehung und Unterricht zwischen beiden Geschlechtern veranstaltet werden, bis auf die Verpflichtungen, zu denen jedes von der Natur besonders berufen ward, welche, in so fern sie für diesen Zeitraum gehören, bei jedem Geschlechte durch Personen des seinigen gelehrt werden müßten; wogegen alles Übrige ohne Rücksicht auf diesen Unterschied, so wie die Umstände es forderten oder erlaubten, von Personen beiderlei Geschlechts gelehrt werden könnte. Da Mann und Weib eigentlich nur Ein Mensch sind; so kann auch selbst nach jener Geschlechtsabsonderung keine völlige Scheidung eintreten: Was Gott zusammen fügt, soll der [S. 231] Mensch nicht scheiden — In der Epoche, welche bei Mädchen etwa bis zum 16ten, und bei Knaben bis zum 18ten Jahre dauern könnte, müßten beide Geschlechter zu den bürgerlichen Bestimmungen vorbereitet und in Allem, was darauf Beziehung hat, ohne daß man auf den Geschlechtsunterschied Rücksicht nähme, unterrichtet werden. Daß hierbei die völlige Entwickelung des Menschen nicht aufzugeben oder nur bei Seite zu setzen ist, versteht sich von selbst. Würden bei dieser soliden Einrichtung nicht mit dem mannbaren Alter beide Theile ohne Unterschied unbedenklich da hingestellt werden können, wo sie, dem Staate nützlich zu seyn, Anlage zeigten? Entwöhnt dem größten aller Übel, der langen Weile, die mehr als der Tod zu fürchten ist, müßten jetzt der Jüngling und das Mädchen Geschäfte angewiesen bekommen, wozu sie mit Neigung und Geschicklichkeit versehen sind. Ehre, Rechte und Belohnungen werden alsdann nicht ein Geschlechts-Prärogativ, sondern Folgen des persönlichen Verdienstes. Weiber, die bisher ein Etwas ohne Namen [S. 232] und Rechte waren, würden auf diese Weise Personen und Staatsbürger werden. — Plato wollte die Vertheilung des Privatvermögens den Gesetzen in die Hände spielen. So viel Gerechtigkeit auch in dieser Idee zu liegen scheint, zu so vielen Ungerechtigkeiten würde sie verleiten. — Das Vermögen der Weiber indeß, wenn sie gleich ganz allein darüber zu verfügen glauben, scheint bloß ihrer Gewalt unterworfen zu seyn; denn eigentlich sind Männer die Eigenthümer desselben, die mit diesem Kreuz, das sie wohlbedächtig in Händen behalten, sich zu segnen nicht ermangeln. Wie viele Kassen-Defraudationen hier vorfallen, liegt am Tage. — Bloß der Entschluß der Weiber, sich dem Staate nicht entziehen zu wollen, setzt sie in das Eigenthum ihres Vermögens, und sie werden nur sich selbst nöthig haben, um zu denken und zu handeln. »Er beleidigte nicht mich, sondern den, für den er mich ansahe,« sagte König Archelaus, als man ihn auf der Straße mit Wasser begossen hatte; — und so wird das andere Geschlecht sich oft erklären müssen, und sich gern [S. 233] erklären, ehe jene Grundsätze, es ehren zu wollen, weil ihm Ehre gebührt, zur Gewohnheit geworden sind.
Die Physiokraten halten in ihrem System die producirende Klasse der Staatsbürger für die nützlichste, und da für den Staat der Nutzen das Einzige ist, was die Rangordnung der Bürger bestimmt; da dieser Nutzen die Bürger klassificirt: wie wollen wir denn eine ganze Hälfte des menschlichen Geschlechtes, welche an der Hervorbringung und Fortpflanzung desselben den wesentlichsten Antheil hat, von der Bürgerehre ausschließen? und da wir sie schon ohne Urtheil und Recht willkührlich aus angestammter Machtvollkommenheit ausgeschlossen haben, ihnen die Wiedereinsetzung in den Paradiesstand verweigern? Werden sie nicht, gehörig dazu vorbereitet, mit Ehren rathen, helfen, fördern in allen Staatsnöthen? Bis jener hingeworfene Umriß einer neuen Ordnung der Dinge in seinem ganzen Umfange in der bürgerlichen Gesellschaft eingeführt werden kann, öffnet, Männer! der jetzigen weiblichen Jugend je eher je lieber unsere [S. 234] Educations- und Lehranstalten, und erlaubt ihr, an der Erziehung und dem Unterrichte, so wie er hier gelehrt und gelernt wird, Theil zu nehmen, ohne euch von der Furcht vor nachtheiligen Folgen abwendig machen zu lassen. Prüft jene hämischen Alltagszweifel: es wird Anstoß, Aufsehen, Ärgerniß geben, es wird nachtheilige Folgen haben; — prüft, und ihr selbst werdet sie unentscheidend finden. Man kann sich vor der Furcht, und auch vor der Hülfe fürchten. Soll eine verwerfliche Einrichtung der Dinge, und wenn sie tausend mahl tausend Jahre gewährt hätte, auch bei dem unbehaglichen Gefühl des Nachtheiligen, bei der gewissen Aussicht einer besseren Zukunft, darum noch ungestört fortdauern, weil ihre Abänderung mit Schwierigkeiten, vielleicht mit anscheinend bedenklichen Folgen, verknüpft seyn kann? Wäre je in der Welt etwas Großes unternommen worden, wenn wir das Für und Wider so ängstlich abgewogen hätten? Wäre der Mensch da, wo er gegenwärtig ist, hätte er je so merkliche Fortschritte gethan, wenn er, nach der Weise des Elephanten, [S. 235] ehe er den Fuß weiter fortbewegt, ängstlich untersucht hätte, ob der Boden, den er betreten wolle, auch fest sey? — Anstoß! Wie man dies Wort von weitläuftigem Bedeutungsbezirk nimmt. Unsere symbolischen Vorfahren hätten gewiß den schrecklichsten Anstoß genommen, wenn in einem Erziehungshause Kinder mit und ohne Vorhaut zusammen gekommen wären, um an allerlei Unterricht Theil zu nehmen. Welchen Nachtheil für das Christenthum würde man befürchtet haben, wenn ein Abkömmling des Stammes Juda mit dem Sohne eines General-Superintendenten aus dem blinden Heiden Cicero Menschen- und Bürgerpflichten gelernt hätte! Und wer kennet nicht Staaten, wo dies ohne das leiseste Geräusch der Eiferer bewirkt wird, und ohne daß die Grundfesten des Christenthums auch nur die mindeste Erschütterung befürchten?
Die Sittlichkeit würde Gefahr laufen!
Wie denn das? Werden nicht schon jetzt Mädchen und Jünglinge von einem und demselben Geistlichen, zu einer und derselben Zeit, [S. 236] auf eine und dieselbe Art in der Religion unterrichtet? Die Anstalt ist schon da; sie darf nur ausgedehnt werden. Und was kann uns behindern, die, denen wir in der Kirche gleiche Rechte mit uns einräumen, in die Bürgergemeinschaft aufzunehmen? Werden Mädchen und Knaben durch gemeinschaftlichen Unterricht zu Christen vorbereitet, warum sollen wir sie nicht gemeinschaftlich zu Bürgern erziehen? Sollte denen, welchen die erforderliche Anlage zu Himmelsbürgern zugestanden wird, der Beruf zur Staatsbürgerschaft abgesprochen worden? Warum leiden in dieser Gemeinschule die Sitten nicht, obgleich der Religionsunterricht in Jahren ertheilt wird, wo der Geschlechtstrieb äußerst reitzbar ist? Sind die Schüler und Schülerinnen dort nicht eben so wie hier unter Aufsicht? wird ein kluger Lehrer und Erzieher den Veranlassungen zur Erweckung des Geschlechtstriebes nicht überall geschickt auszuweichen wissen, und jede Belehrung über die künftige Bestimmung seiner Zöglinge so einzulenken verstehen, daß die Folgen nicht schädlich, sondern segensreich ausfallen?
Wird das andere Geschlecht unseren Erwartungen entsprechen? wird es unsere Bemühung lohnen?
Wir wollen also erndten und uns der Mühe überheben, zu pflanzen? Auf welche Art werden wir uns von der Tragbarkeit des Bodens versichern, wenn wir ihn nicht anbauen? Hat denn nicht bis itzt jeder Boden dieser Art den auf ihn verwendeten Fleiß gelohnt? und dürfen wir hier einen andern Erfolg befürchten, wenn wir es unserer Trägheit nur abgewinnen können, einen ernstlichen Versuch anzustellen? In Alles was die Natur hervorbrachte, legte sie Keime, die nur einer Veranlassung bedürfen, um entwickelt zu werden. Würden nicht die Weiber jedem bürgerlichen Stande, zu welchem man ihnen Zutritt vergönnte, Ehre machen? Und welches bürgerliche Geschäft könnte, so lange sie durch ihre besondere Geschlechtsbestimmung nicht daran behindert würden, unter ihren wohlwollenden Händen sich schlechter befinden? Müßte das Ganze wegen des Wetteifers, der zwischen beiden Geschlechtern entstehen würde, [S. 238] nicht unendlich gewinnen? Nicht die Nymphe Egeria, welche Numa selbst, nicht Pythia, welche die Helden des Alterthums um Rath fragten, wenn sie Gesetze geben, wenn sie Länder erobern wollten, nicht die Aspasien und Phrynen, zu denen ein Perikles, ein Sokrates in die Schule ging, um Weisheit und Regierungskunst zu lernen — sollen sich hier der Beispiellehrstühle bemächtigen. Jene hat die Fabel in ein ätherisches Gewand gehüllt und sie unserm Auge zu weit entrückt, als daß wir sie noch ferner dem Geschlechte zum Vortheil anrechnen könnten, ob sie gleich seinen Namen führen und keine Fabel ohne Wahrheits-Ingredienz anfängt und vorhanden ist — So hieß der Grosoncle eines von den weltberühmten Lügnern neuerer Zeit, Josephs Balsamo, der sich Graf Cagliostro nannte: Cagliostro — Lauter Lügen halten so wenig zusammen, daß nie etwas Vernünftiges, etwas Ganzes herausgebracht werden kann — Will man den poëtischen Tugenden jener weiblichen Heldennamen keine Glorie und keinen Ehrenschein einräumen — immerhin! wir haben [S. 239] auch prosaische Beispiele, um außer Zweifel zu setzen, daß, ungeachtet das weibliche Geschlecht (wenn gleich nicht durch ein förmliches Gesetz, so doch durch ein stillschweigendes Übereinkommen, welches oft noch grausamer und drückender ist) von der Stoa, der Akademie und dem Prytaneum entfernt gehalten wurde; ungeachtet man den Weibern die Schulen des Unterrichtes und der Weisheit verschloß, sie dennoch Gelehrte und Weise unter sich aufweisen können, die ihre Namen durch Thaten und Schriften unsterblich gemacht haben. Es würde nicht schwer fallen, in vielen Fächern des weitläuftigen Gebiets menschlichen Wissens und menschlicher Kunst weibliche Namen aufzufinden, die sich einen Anspruch auf Achtung und Ruhm erwarben. Schon erwies ich einigen in so weit Gerechtigkeit, als sie sich durch große Eigenschaften auszeichneten. Wohlan! die Geschichte mag auftreten, und uns bezeugen, welchen wichtigen Antheil das weibliche Geschlecht an der Ausbreitung der christlichen Religion nahm, und wie groß in dieser Rücksicht [S. 240] sein Verdienst um Sittlichkeit und Aufklärung ist! Der Stifter dieser wohlthätigen, die Rechte der Menschheit vertretenden und menschenfreundlichen Religion (die sich so himmelweit von jenen heidnischen Culten unterscheidet, welche über die Götter die Menschen vergaßen, und eben so von den Jüdischen, die den Menschen durch äußeren Zwang allmählich zum Geiste der Tugend gewöhnen wollten, aber das Volk, bei der besten Absicht seines Heerführers Moses, in der Wüste der Heuchelei und der Äußerlichkeit ließen, ohne daß es je das moralische Kleinod erreichte, wozu diese Umwege es anlegten) unterrichtete die Schwester seines Freundes Lazarus, und gab der Maria vor der bloß häuslichen Martha den Vorzug: Maria hat das beste Theil erwählt, das nicht von ihr genommen werden soll. Die Geschichte der Apostel gedenkt einer frommen Tabea, die sich nicht nur durch ihren Wandel unter den Neubekehrten auszeichnete, sondern auch thätigen Antheil an der Ausbreitung der Lehre nahm, die sie angenommen hatte. Nennet die Kirchengeschichte [S. 241] nicht eine Menge von Weibern, die mit Heldenmuth ihren Glauben bekannten, und sich weder durch Martern noch Verheißungen in ihrem Bekenntnisse wankend machen ließen? die bei dem Verzicht auf alle Hoheit, auf Ehre und Überfluß, unter Verachtung, Hohn, Mangel und Verfolgung ihrer Überzeugung mit unerschütterlicher Standhaftigkeit anhingen? Der Stifter der christlichen Religion bewundert so oft das gläubige Zutrauen des andern Geschlechtes zu seiner Lehre, und hat dasselbe so wenig von der Theilnahme an den Vorzügen der vernünftigen lauteren Milch seines Unterrichtes ausgeschlossen, daß er es vielmehr mit auf die Erhebung desselben und auf Befreiung von den Ketten, die es trug, angelegt zu haben scheint. Und in der That, wenn diese Religion in ihrer reitzenden kindlichen Gestalt erscheinen will — zeigt sie sich nicht in Kindern und ihren Pflegerinnen, den Weibern? Weibliche Herzen sind, wenn ich so reden darf, mit den Lehren dieser Religion gleichsam amalgamirt; denn in Wahrheit, die höchste Stufe der [S. 242] Menschheit ist nicht speculirende Vernunft, nicht Philosophie allein, sondern ein gewisses Etwas, das, wenn es Regierungskunst heißt, eine Kunst ist, der die Natur selbst sich unbedenklich unterwirft — Ein kühler Trunk kann Lebensgeister zu der Wohnung, die sie fast schon verlassen hatten, zurückrufen, kann aber auch ein Gift für den erhitzten Wanderer werden: Das Schwert, das uns beschützt, wird leicht unser Mordgewehr. Die gebildete Freiheit, die sich so sehr von der unregelmäßigen und von dem höchsten Grade derselben, der Zügellosigkeit, unterscheidet, könnte christliche Freiheit heißen. Und ihre Schule? — ist die Schule der Weiber. — Wenn Männer mit Verzichtleistung auf ihre Stärke, die so leicht in Leidenschaft ausartet, eigentliche Christen werden, und Selbstrache, Blutvergießen, alle Machtsprüche und Machtbeweise aufopfern sollen; so wähnen sie, daß sie bei diesen christlichen Tugenden ihr Geschlecht einbüßen — Es ist schwer Gutes zu wollen und zu thun, wenn das so leicht auszuführende Böse noch obendrein Ehre bringt — [S. 243] Ich mag diesem Gegenstande wohlbedächtig nicht näher treten — — —
Überall wo Genieflug und Kunstfleiß der Menschen hinreicht, treffen wir Weibernamen an, die um den Preis ringen. Es sind nicht Weiber, die auf einem ganz entgegen gesetzten Wege ihre Eitelkeit zu befriedigen suchten, weil sie auf dem geschlechtsüblichen nicht fortkamen; sondern solche, die, von ihrem Geiste getrieben, jene Kräfte anlegten, welche die Natur ihrem Geschlechte so reichlich und täglich gespendet hat. Welch eine ehrenvolle Stelle nimmt Anna Comnena unter den Byzantinischen Geschichtschreibern ein! Die große Tochter Heinrichs des Achten, die England nicht durch das Parlament regierte, sondern deren Wink für dieses, Staatsgesetz war, vor der es die Knie beugte, die, wenn sie gleich nicht den stolzen Philipp so doch seine unüberwindliche Flotte überwand, hat eine ihr würdige Geschichtschreiberin an der Keraglio gefunden. In den Jahrhunderten der Unwissenheit, wo tiefe Mitternacht die Völker Europens von einem Ende bis zum andern bedeckte, [S. 244] wo alle Sehnen des Geistes völlig abgespannt waren, versuchte es die Nonne Roswitha, das heilige Feuer der Gelehrsamkeit wieder anzuzünden. Die Dacier und die Reiske thaten sich durch Sprachkenntnisse hervor; und wie viele machten sich nicht in England, Frankreich und Deutschland durch Schriftstellertalente berühmt? Wem sind die Namen einer Macaulay, einer Genlis, einer Sevigné, einer la Roche unbekannt?
Weiber entdeckten nichts, erfanden nichts. Es gab unter ihnen keinen Newton — keinen — — —
Und warum? war es nicht ein Ungefähr, das von Anbeginn unter Menschen Erfindungen zu Stande brachte? Schien nicht die Natur bei allen menschlichen Erfindungen sich den Haupttheil zu reserviren? legte sie nicht dies beste Brot vor das Fenster? Wurden jene Entdeckungen und Erfindungen nicht den Erfindern und Entdeckern in die Hand gespielt? Lag es an Weibern oder an der ihnen verweigerten Gelegenheit, wenn sie hier zurückblieben? — Man räume ihnen Kanzeln und Lehrstühle [S. 245] ein, und es wird sich zeigen, ob sie (der schuldigen Achtung für Paulus unbeschadet, welcher nicht will, daß die Weiber in der Gemeine sich sollen hören lassen) nicht eben so gut unsere Überzeugung zu gewinnen wissen. Ohne allen Zweifel werden sie sich einen noch leichteren Zugang zu unserm Herzen bahnen. Schon sind uns hier die Quäker mit ihrem Beispiele vorgegangen. Die Predigten der Weiber würden sich zu den Predigten vieler unserer Seelenwächter sehr oft verhalten, wie die von Bourdaloue zu denen von einem Stümper seiner Zeit: Wenn dieser predigte, ward gestohlen; wenn jener auftrat, ward wiedergegeben. So wie es bei Körpern eine Ansteckung giebt, so auch bei Gemüthern und Seelen; und wenn es allgemein nicht unrichtig ist, daß schon in den Augen Tod und Leben liegt, und daß gewisse Leute vermittelst derselben beides, tödten und lebendig machen, können: so ist dies besonders der Vorzug der Weiber — Die ganze Zauberei scheint sich aus den Augen herzuschreiben — Auge und Athem sind [S. 246] die Seelenvocale der Liebe und des Hasses; und wer versteht die Augensprache besser als die Weiber? Sie können vermittelst derselben lange Reden im Zusammenhange halten; und wer ist, der von dieser Beredsamkeit nicht ein Zeugniß abzulegen im Stande wäre? — Sind es aber bloß die Augen, die bei den Weibern reden? Das ganze Leben der Weiber bestehet mehr im Reden als im Handeln: ihre Reden sind gemeiniglich Handlungen; und wenn wir einen Mann verachten, dessen Leben eher ein Lexikon als eine Geschichte vorstellt, so ist dies nicht der Fall bei dem schönen Geschlechte, das gewaltiglich spricht — Das Leben eines Weibes würde ein Conversations-Gemählde seyn — wie bewunderungswerth ist es, selbst in anscheinend unwichtigen, oder so genannten Nebenfällen! Was Weiber sagen, fließt oft weit mehr aus ihrem Herzen, als das, was Männer thun; und so haben ihre Reden für den denkenden und empfindenden Menschen auch oft mehr Interesse, als viele Handlungen der Männer. Durch Reden kann man, wenn ich mich so ausdrücken [S. 247] darf, seinem Gedankengemählde ein gewisses Colorit mittheilen; und wie viele Nüancen giebt es hier, wenn man bloß bei seinem Herzen Unterricht nimmt! Man sollte fürchten, daß Weiber, an Toiletten gewöhnt, ihre Gedanken und Empfindungen an diesem Altar durch Putz verderben würden. Nein! diese Seelen-Toiletten überlassen sie gern unserm Geschlechte — Selbst wenn viele unter ihnen von Amts- und Geschlechtswegen Musterkarten des modischen Putzes und der gäng' und geben Hofeitelkeit werden müssen, verändert ihr Ausdruck nicht seine Natur; Milch und Honig bleibt ihre Rede. — — Heißt Genie Weisheit? Wörterkram und Sophisterei Vernunft? Alles was nicht auf gesunden Menschenverstand und moralische Religion berechnet werden kann, ist nicht wahre Weisheit und ächte Vernunft. Falsche Perlen und Glanzgold, womit Weiber ihren Körper schmücken, überlassen sie in Hinsicht des Geistes den Männern — Die tiefste Wahrheit kann in eine Volks-Idee gekleidet werden, und eine Wahrheit, die kein Sokrates in das [S. 248] gemeine Leben bringen kann, ist nicht viel mehr als Sophisterei, womit man seinen Kopf nicht verderben und sein Herz nicht verfälschen sollte — Weiber sind geborne Protestantinnen, und haben die Religion der Freiheit, die Anweisung Gott im Geist und in der Wahrheit anzubeten. Bei dem systematischen Gerüste der Religionslehren finden sie kein Interesse, und schwerlich werden sie je durch Doktorhüte in der Gottesgelahrtheit gereitzt werden. Sie legen es nicht darauf an, Gottes Existenz zu erweisen; vielmehr sind sie dem Neumonde von Philosophie anverwandt und zugethan, der den unerweislichen Gott für ein Postulatum der Vernunft erklärt, weil er zu unserer Glückseligkeit nothwendig ist. »Wer gewisse Dinge erweisen will,« sagte Frau v. **, »zweifelt entweder selbst, oder will den Zweifeln Anderer mit Höflichkeit zuvorkommen.« Ein theures wahres Wort —! Das Minimum von Glauben, ein Glaubens-Senfkorn, und die Vorstellung von der Möglichkeit der Existenz Gottes, ist hinreichend, um Alles aus uns zu machen, was aus uns [S. 249] gemacht werden kann, und unsere Tugend menschenmöglichst untadelhaft und rein darzustellen in der Liebe — Der Zweifel anderer, besonders in gutem Geruch stehender, kluger Männer verwickelt oft wider Denken und Vermuthen (könnte man nicht sagen: wider Verstand und Willen?) in Zweifel — Weiber haben Gott im Herzen; und da sie wohl wissen, daß wegen der zweckvollen Einrichtungen der Natur die Grundursache als verständig gedacht werden muß: so kümmert es sie nicht, wie viel oder wie wenig die speculative Vernunft zu diesem Glauben beitrage. Der moralische Beweisgrund (er verdiene den Ehrennamen Beweis oder nicht) wirkt in ihnen einen lebendigen Glauben. Wie viele haben Gottes Existenz tapfer demonstrirt und durch ihr Leben diese Demonstration noch tapferer widerlegt! — Seinen Willen thun, bleibt der beste Beweis, daß er sey. Das größte Problem ist, den Menschen den Willen beizulegen; an Einsicht fehlt es ihnen weniger. Franklin, ein Mann, deßgleichen weder das Griechische noch das Römische Alterthum aufzuweisen [S. 250] hat, sagte: »Gäbe es einen Gottesleugner, er würde sich beim Anblick, von Philadelphia, einer so wohleingerichteten Stadt, bekehren;« und die Erde, diese große Stadt Philadelphia, sollte so viel nicht über den Gottesleugner vermögen, so bald er aufhört, Alles nach seiner, eigenen kleinen Elle zu messen? Nicht auf unsere Meinungen, sondern auf das kommt es am Ende an, was diese Meinungen aus uns machten. — — Das Glück der Unschuld, die Würde der Natur, der Drang nach Freiheit, die Freude eines stillen Lebens, der hohe Werth der Kunst sich in sein Schicksal zu finden, sind Hauptgegenstände der Weiber. Wie man aus dem Umgange den Menschen kennt, so bestimmen seine Lieblingsgegenstände seinen Verstand und seinen Willen — Jene Verschiedenheiten des Ausdrucks, jenes Zurückhalten, ist bei Weibern nicht wie bei uns Heuchelei; um Alles würden sie gewisse Dinge nicht sagen, einer gewissen sittlichen Reinheit der Sprache nicht ungetreu werden, und in plumpe Zweideutigkeiten und Zoten fallen, wenn auch diese [S. 251] Sittsamkeit und Enthaltung weniger Reitze hätte. Die Keuschheit des Körpers ist mit der Keuschheit der Seele und der Sprache in genauer Verbindung — Weiber kennen so wenig die Regeln als die Gränzen der Sprache, überschreiten die ersteren, und erweitern die letzteren — Wie manche glückliche Bereicherung hat die Sprache ihnen mittelbar und unmittelbar zu danken! Das Mittelmäßige kann im Geschlechte gar nicht aufkommen; was sich unterscheidet, ist vorzüglich — Sie reden zwar noch, wenn sie schweigen; keiner ihrer Blicke ist sprachlos; ihre unarticulirten Ausdrücke der Leidenschaften, wodurch Menschen tief in das Herz der Menschen dringen, sind unüberwindlich —: allein, wer ist beredter als sie, wenn sie wirklich sprechen! — Jene sprachlose Beredsamkeit kann weiter Niemand als sie auf Worte bringen und übersetzen. Männer sagen oft nichts, wenn sie zu viel sagen, so wie man nichts beweiset, wenn man zu viel bewiesen hat. In den Worten der Weiber, auch wenn sie überfließen, liegt Absicht, Gewicht und Nachdruck. [S. 252] Auge und Sprache sind Ein Herz und Eine Seele, und Weiber haben nicht nur in ihrem Blick, in ihrem Auge und auf ihrer Zunge Hölle und Himmel, Leben und Tod, Wohl und Wehe; sondern selbst ihr Hören ist von der äußersten Bedeutung — Sie hören anders als wir; und wer kann den Einfluß leugnen, den das Gehör auf unsere Rede behauptet? — Ich kenne einen schwer beamteten vornehmen Mann, der in dem Rufe steht, daß er alle Menschen höre; auch hört er wirklich Alles, was sich in seinem Vorzimmer hören lassen will: und doch klagt alle Welt, daß er nicht höre; — entweder ist er zerstreuet oder unfähig zu verstehen. Es giebt eine moralische Taubheit bei dem besten physischen Gehör — Man kann gütig und gerecht, unfreundlich und zuvorkommend hören — Der schüchterne bescheidene Jüngling zieht aus dem geneigten Gehör seines Beschützers Muth und Leben, und man kann abhören, anhören, aufhören, aushören und beim Hören in eine Art von Horchen fallen, welches durch das Ohrenspitzen in Verlegenheit, [S. 253] wo nicht gar in Verwirrung, setzt — Weiber sind Meisterinnen in der Kunst zu hören, Original-Hörerinnen, und ich weiß nicht, ob sie im Hören oder im Sprechen stärker sind. Es ist leichter, mit dem Publico, als mit dem Cirkel fertig zu werden, worin man lebt, wenn dieser Cirkel aus witzigen Weibern besteht; und nicht der Männer, sondern der Weiber halben bleib' ich anonymisch, so sehr auch meine Schrift den Weibern das Wort zu reden scheint. —
Die Weiber sind viel zu sehr Kenner des menschlichen Herzens, als daß sie nicht wissen sollten, auch die verborgensten Falten desselben auszuspähen, Leidenschaften zu erregen oder dem Ausbruche derselben zuvorzukommen. Wer weiß mehr als sie, ihre Wuth zu besänftigen, je nachdem es ihre Absichten erfordern! und gewiß würde es ihnen auf dieser Bahn besser glücken, als den berühmtesten Demagogen. Rom würde vielleicht bald nach seiner Entstehung wieder in sein voriges Nichts zurückgefallen seyn, wenn die neuen Römerinnen sich nicht ihrer Räuber [S. 254] angenommen, und die entrüsteten Sabiner beruhigt hätten. Was wär' aus Coriolan's Vaterstadt geworden, wenn die Mutter den Sohn nicht besänftigte? Ohne den Römischen Stolz und die edle Aufforderung eines Weibes (Margarethe Herlobig) wäre der Schweizerbund vielleicht nie zu Stande gekommen — Die Überredungsgabe eines Weibes übertrifft Alles, was Kunst je geleistet hat. Und ihre Lehrmethode? In Wahrheit, Weiber sind äußerst lehrreich: sie sind so große Lehrerinnen, als Erzieherinnen. Wer Weiber bloß auf Gefühle und Empfindungen reducirt, kennt weder Gefühle, noch Empfindungen, noch die Weiber. Oder wie? lehrt das Herz etwa den Kopf? verleihet das Gefühlsvermögen dem Erkenntnißvermögen evidente Gefühle zum Vergleichen und zum Entscheiden? Stammt das moralische Gefühl, wenn es anders ein wirkliches Etwas seyn soll, nicht aus der Vernunft? Muß nicht der Kopf dem Herzen Grundsätze so eigen machen, daß es die Achtung für das Gesetz als Gewohnheit, als Gefühl ansieht? — Das Herz, unbelehrt von [S. 255] der Vernunft, kann wenig oder nichts ausrichten; es muß geistisch gerichtet seyn — Wenn der Philosoph, der Wortführer der Vernunft, nicht wäre; was würde der Dichter, der sich nach dem Haufen richten und selbst zu Volksunarten sich herablassen muß, Gutes stiften? Der Dichter muß seine Weihe im Tempel der Vernunft erhalten und die süßesten Gefühle an Grundsätze knüpfen, wenn er unsterblich seyn will. Weiber verstehen jene Chemie, die man die höhere nennen könnte, Grundsätze in Gefühle aufzulösen, und das, was der theoretische Hexenmeister der Philosophie in schweren Worten ausdrückt, zur Leichtigkeit einer Gewohnheit zu bringen — Weiber haben Sitten, Männer Manieren: diese werden durch Erziehung erworben, durch Nachahmung erlernt, durch Umgang mitgetheilt; jene hangen von Herz und Vernunft ab. Man sagt: Weiber wären kärglicher in ihren Wohlthaten, und an sich und von Natur geitzig. Nicht also; ihre Neigungen des Wohlwollens entstehen aus Grundsätzen, nicht aber aus dem vorübergehenden Rausche [S. 256] des Mitleidens, wie es sehr oft bei uns der Fall ist. Seht! wie schön wissen sie selbst bei angestammter Etiquette, bei den patentisirten Manieren noch zu modificiren! Auch sogar bei der Liebe halten sie sich nicht an das Formular und an die Agende.— Wir haben unsern Kubach, und alles ist in bekannter Melodie — Von Weibern könnte man sogar sagen: sie lieben insgesammt, doch jede liebet anders. — Zur Hoffnung haben sie eine außerordentliche Anlage; überall wollen sie Aussicht: ein Garten, der sie ihnen raubt, ist ihnen ein Gefängniß — Die gnädige Frau ist in guter Hoffnung, heißt: sie wird bald Mutter werden —. Wir wollen alles fröhlich um uns haben, wenn wir es sind, und legen diese Fröhlichkeit unserm Cirkel so nahe, daß, er mag wollen oder nicht, er einstimmen muß — Weiber machen Alles fröhlich, wenn sie es sind. Alle ihre Feste sind Erndtefeste, Laubhüttentage, welche die Natur geheiligt hat; bei den unsrigen werden Kanonen gelös't — sie können sich ohne Tafelmusik behelfen. (Der leibliche, geistliche [S. 257] und ewige Tod aller Unterhaltung.) An Gott denken, heißt ihnen Andacht; — an sich denken, heißt ihnen sterben lernen, und philosophiren sich verlieben; und wer so denkt der denkt wohl! — wer so handelt, ist nicht auf unrichtiger Bahn —
Sprachen sieht man nicht ohne Grund als den Schlüssel zu dem Magazin aller Kenntnisse und alles Wissens an, und eine jede Sprache, die wir erlernen, ist ein Schatz des Wissens, den wir fanden. Sprachen zu lehren, wird ein besonderes Talent erfordert, welches seltener das Theil und Erbe der Männer, als der Weiber, ist. Unsere zeitherige Schulmethode Sprachen zu lehren, ist gewiß nicht von Weibern erfunden; denn kaum würden diese mit der Grammatik den Anfang gemacht haben. Seht da den Lehrer, der es sich Lastträgermühe kosten läßt, Kindern begreiflich zu machen, warum der Römer die Wörter in seiner Sprache so und nicht anders auf einander folgen ließ! seht da den Schüler, der etwas begreifen soll, das schlechterdings unbegreiflich ist, so lange er nicht [S. 258] weiß, wie die Römer ihre Sprache redeten oder schrieben. Bleibt die Kunst eine Sprache sprechen zu lehren, nicht vorzüglich den Weibern eigen? und sollte ihnen nicht der Sprachunterricht ausschließlich überlassen werden? Gedächtniß, Einbildungskraft, und ein gewisser Geist für das Detail scheinen, wenigstens so lange sie wie jetzt sind, vorzüglich ihr Eigenthum zu seyn. Giebt es viele Beispiele, daß man bei einem Sprachmeister die Französische Sprache mit Fertigkeit sprechen lernte? Wer nicht ihretwegen eine Reise nach Frankreich that, lernte sie von Mutter oder Gouvernantin. Kaum hat der Mann angefangen, Materialien zu begreifen und anzufassen, so will er schon zusammen setzen, generalisiren, Capitalien machen; — allmählich zu sammeln, dauert ihm zu lange. —
Wer kann den Weibern ein gewisses Kunstgefühl absprechen? und scheint nicht weniger der Mangel an Anlagen, als ihre zeitherige Lage, Schuld zu seyn, daß sie so wenig Vorzügliches in den schönen Künsten und Wissenschaften leisteten? An dem reitzenden [S. 259] Schauspiele ringender, wenn gleich oft auch unterliegender, Kräfte ist uns zuweilen mehr, als an der Entscheidung und an prahlenden Siegen gelegen; und schlummert nicht zuweilen auch selbst der große Homer? Werden nicht selbst sehr wache Augen vom Schlaf überwunden? schläft nicht zuweilen Brutus? Schöne Künste und schöne Wissenschaften erfordern einen weiten Spielraum, leiden keinen drückenden Zwang, und gedeihen nur da, wo der Geist, sich keiner Fesseln bewußt, das Gebiet der Einbildungskraft, jenes Reich der Unsichtbarkeit, durchkreuzen kann. Auch bei der größten Empfänglichkeit für schöne Formen und Gefühle, auch bei der glücklichsten Organisation, wird, so lange der jetzige Druck dauert, nichts Großes, nichts Vollendetes das Theil der Weiber seyn; eben so wenig wie der Griechen, die bei den nämlichen Anlagen, bei dem nämlichen milden Himmel, nie etwas, den unerreichbaren Meisterstücken ihrer Vorfahren Ähnliches hervorbringen werden, so lange ihr Nacken noch in das eiserne Joch der Türken eingezwängt [S. 260] bleibt. Wie wär' es möglich, daß das weibliche Geschlecht, so lang' es im Käficht eingeschlossen ist, und ein schnödes Vorurtheil seine Flügel lähmt, sich in die höheren Regionen aufschwingen sollte? Die Seele pflegt schwach zu seyn, wenn der Leib es ist, und Sklaverei erlaubt ihren Gefesselten keinen Flug eine Spanne hoch über die Erde. Doch zeigten Einige, daß sie Eines Geistes Kinder mit Männern wären; und irre ich mich, oder ist es gewiß, daß sie weniger nach jedem Fünkchen eines fremden Lichtes haschten, um es aufzufangen, als wir? Mit geübterem Verstande, mit geschärfterer Empfindung, mit reicherer Phantasie, mit festerem Charakter, werden sie reifere Früchte bringen, und in dem Felde des Schönen, auf das sie ohnehin schon unleugbare Ansprüche haben, Thaten thun — werth der Unsterblichkeit. Man klagt nicht ohne Grund: alle Oberideale wären mit dem Heidenthume verloren gegangen; und da die ins Große gehende Kunst ohne Ideale nicht bestehen könne, so schiene es, als ob unsere Dichter und Künstler sich nicht über die gemeine und [S. 261] wirkliche Natur zu erheben im Stande wären. — Vielleicht ist es dem schönen Geschlechte vorbehalten, sich hier neue Bahnen zu brechen, und mit neuer verjüngter Einbildungskraft zu schaffen was verloren ging, ohne dem Segen der größeren und heilsameren Wahrheit der christlichen Religion, welche für alle jene Ideale durch ihren weisen und beglückenden Einfluß entschädiget, zu nahe treten zu dürfen.
Unser Geschlecht hat Gelegenheit, so viel von der Prosa der wirklichen Welt kennen zu lernen, und dünkt sich, die Wahrheit zu gestehen, in derselben so gewaltig viel, daß es nicht umhin kann, der wirklichen Welt, so herrlich und schön sie auch ist, keinen poëtischen Stoff zuzutrauen. Unzufrieden mit Menschen, spricht es: »Laßt uns Götter schaffen, ein Bild, das uns gleich und doch Gott sei!« — Und da wird? Seht doch, seht! ein Himmel voll Ganz- und Halbgötter, alle zusammen nicht werth einen einzigen wackern Kerl abzugeben. An den himmlischen Harem mag ich gar nicht denken, der gewiß noch [S. 262] weit weniger ein einziges braves Weib aufwiegt — Wozu der Götterunrath? — Mährchen, sie mögen nun Volks- oder Helden- und Staatsmährchen seyn, gehören, sagt man, für das Kinder- und Greisenalter; wer wird indeß diesen Spielen der Einbildung nicht gern Gerechtigkeit erweisen, wenn sie zum Ernste der Wahrheit leiten, und von der Vernunft die vollzähligen Weihen erhalten haben? wer die Imagination nicht ehren, wenn sie bei allen ihren Avantürier-Eigenschaften ein Sprößling der Vernunft ist? — Nur thut unser Geschlecht zu oft so äußerst nothgedrungen, eine Abschweifung in das Reich der Möglichkeit machen zu müssen, obgleich von der lieben Wirklichkeit noch so viel in Rückstand ist; — nur will es zuweilen höchst unzeitig die Einfälle aus dem Reiche der Einbildung zu Gesetzen in der Sinnenwelt, die vor uns liegt, tausendkünsteln; nur macht es sich kein Gewissen daraus, die hehre und mächtige Religion der Vernunft, welche sich bescheidene Flügel beilegt, mit aller Gewalt zu überflügeln und, ohne sich mit ihr und der Volksreligion [S. 263] zu berechnen, bloß auf Vergnügen auszugehen, wo sich doch die Vernunft ihren Aufsehersitz und ihre Stimme nicht nehmen läßt. Hier ist Stoff zum neuen Himmel und zur neuen Erde. Und sag' ich zu viel, wenn ich behaupte, daß dem andern Geschlechte hier noch ein Richtsteig vorbehalten ist und Palmen, die nicht etwa im dritten Himmel zu brechen sind, wo man zu unaussprechlichen Worten entzückt ist — sondern nicht fern von einem Jeglichen unter uns. — Genug, wenn seine Dichtkunst das Herz nicht verfehlt, wenn sie von Herzen kommt und wieder zu Herzen geht. — Was soll ein wildes Feuer? Ein heiliges ist sein Ziel. Nie wird es sich erlauben mehr anzulegen, und wär' es Cedernholz, als nöthig ist, und um die Wette wird seine Dichtkunst mit der Cultur, Leidenschaften zu lenken und zu zähmen sich bemühen — der edelste Beruf der Vernunft und der Dichtkunst! Grundsätze, welche die Vernunft im Allgemeinen lehrt, macht Dichtkunst durch treffende Beispiele anschaulich. Wovon die Vernunft innerlich überzeugt ist, das stellt die [S. 264] Dichtkunst in Lebensgröße unsern sittlichen Augen dar, und bringt ein unaussprechliches Vergnügen zu Stande, das einzige, das wir durch kein Opfer erringen dürfen — und das immer mit in den Kauf geht! — Wie? dieser heilige Geist sollte nicht über das andere Geschlecht ausgegossen seyn? diese Gaben hätt' es nicht empfangen? O, ihr Kleingläubigen! — als ob der Pegasus bloß für Männer wäre! Dies so überaus gute Thier, das sich so viel gefallen läßt, sollte keinen Quersattel vertragen? Sollte dieses Vorurtheil nicht zu übersiebnen seyn? Allerdings. Wie herrlich sind jene weiblichen Explosionen, die Lieder der Liebe der Sappho, die selbst auch in Deutschland mehr als neun Schwestern hatte, von denen eine der vorzüglichsten (Karschin), nachdem ihr der Dichter Friedrich II vier Gulden verehrt, und Friedrich Wilhelm II, der kein Poët ist, ein Haus hatte bauen lassen, unlängst zu ihrer älteren Schwester heimging. — Darf ich mehr als Elisen nennen, um ihrem Kopf und ihrem Herzen den Rang beizulegen, der beiden gebührt — und der durch [S. 265] eine exemplarische Bescheidenheit noch mehr gewinnt? — Angelika Kaufmann, die Schöpferin schöner Formen, und mehr ihres Gleichen waren und sind Mahlerinnen. Der Vorwurf, den man der Angelika macht, daß sie männliche Gesichter zu weibisch mahle, ist nicht ohne Grund; vielleicht nimmt sie hierdurch an unserm Geschlecht eine heimliche Rache. Man sagt: Weiber würden nie Meisterinnen im Portraitiren. — Daß ich nicht wüßte; *ra** trifft zum Sprechen — zum Hören —. Wär' es in der Regel der Fall, so würd' ich es mir aus dem Umstande erklären, daß sie immer Züge aus ihrer trefflichen Seele hineinzeichnen, so wie Mahler der Venus Züge von ihren Weibern und Töchtern verehren. — Mahlerinnen würden in dem Grade die Seelen der Männer in ihren Portraiten verschönern oder verklären, wie Mahler die Gesichter des andern Geschlechtes schminken — Ist es, weil die Männer von der Natur entfremdeter sind, als die Weiber; oder hat die Natur wirklich zu dem andern Geschlechte mehr Vorliebe und Zutrauen; [S. 266] oder macht es die Seltenheit, daß die Männer, weil sie zu wenig in die Heiligthümer der Natur kommen, nicht recht wissen, wie sie mit ihr daran sind? — ich weiß es nicht. Wer kann indeß unter den Männern, er sei Dichter oder Mahler, im Wonnegefühl der Natur, in der Fülle ihres Genusses, darstellen, was er empfindet? — wer erliegt nicht unter der Gewalt alles Erhabenen und Schönen, das ihm zuströmt und ihn entweder in einen Schlummer einwiegt, oder ihn so angreift, daß er den zu großen Eindruck nicht umfassen und entwickeln kann. Der Schlummer ist ein Beweis der Schwäche; und auch aus zu großer Spannung wird man ohnmächtig. Diese Lagen (sowohl die Schlummer- als die Spannungslage) darzustellen, ist Manchem unter den Männern so vortreflich geglückt, daß, da alle geneigte Leser sich getroffen fanden, diese Darstellungen als Meisterstücke bewundert wurden. Man erstaunte, daß die Kraft der Kunst in dieser Schwachheit so mächtig war! Hat sich das Feuer des Eindrucks gelegt, ist man aus einem entzückenden Schlaf [S. 267] erwacht, so mahlen wir aus dem Spiegel der Zurückerinnerung, und die Natur hat nicht Ursache, diese Copien für viel weniger als Originale zu halten — Es sieht wie aus der ersten Hand aus, ob es gleich eigentlich aus der zweiten ist. Weiber können im vollen Genusse der Natur diesen Genuß beschreiben; auf das innigste in sie verwebt, verlieren sie den Ausdruck nie; sie scheinen Ein Herz und Eine Seele mit der Natur zu seyn, und da sie weder zu hoch gespannt sind, noch in süßen Schlummer versinken, so gebricht es ihnen bloß an Dreistigkeit, um ihren Naturgenuß auch Andere durch Darstellung geniessen zu lassen. — Sie können im ersten Feuer arbeiten, wenn wir uns zuvor abkühlen müssen. Gewiß hatten wir manche weibliche Ossiane, wenn wir es wollten; und was wäre unsere Karschin geworden, wenn man ihr nicht die Flügel der Morgenröthe durch den Unterricht in der Mythologie beschnitten hätte! Die Originalität gedeihet nur im Schooße der Freiheit; und kann wohl die Natur durch Weiber vernehmbar seyn, ehe Männer aufhören, die Weiber [S. 268] (diese Gefäße zu Ehren) zu bevormündern, und ehe Geist, Herz und Zunge dem andern Geschlechte gelöset werden? — Wozu dies Alles führen soll? Männer, wo nicht aus Pflicht, so doch aus Kunstneugierde zu reitzen, daß sie den Schooßkindern der Natur die Geistesfreiheit nicht länger vorenthalten, ihre Kräfte nicht weiter unterdrücken, und ihre Vernunft durch unzeitige Blödigkeit nicht vor wie nach zurückhalten. Die Dichter, die Helden, die Weisen der Vorzeit sahen keine andere Sonne, erblickten keine andere Natur, als wir: Jene göttlichen Natureingebungen, welche die Uralten hatten, können wir noch neutestamentlich aus Hand und Mund der Weiber mit Danksagung empfahen. —
»Musik?«So unbestritten die weiblichen Talente für die Musik sind; so wird ihnen doch der Vorwurf gemacht, daß sie noch keine Obermeisterin in der Composition aufweisen können. Es fehlt ihnen ohne Zweifel auch hier an Muth, um zu dieser Obermeisterschaft zu gelangen; schon befriedigt, wenn sie Compositionen der Großmeister unseres Geschlechtes [S. 269] mit Empfindung ausdrücken, begnügen sie sich mit dem zweiten Range. Das Lied indeß kann wörtlich so im Dichter stehen; die Noten können genau getroffen seyn: und doch wird oft weder Dichter noch Componist sein Werk wieder kennen, wenn es ein Weib singt oder spielt — dies haucht ihm eine lebendige Seele ein. Schaffen ist gut; erhalten nicht minder. — Möchten Weiber immer beim zweiten Range bleiben, wenn nur nicht ein neuerer Reisebeschreiber auch von Kastraten bemerkt hätte, daß nie Jemand unter ihnen ein großer Componist gewesen sei. Sollte diese Bemerkung Kastraten und Weiber mit Recht treffen, so ist die Ursache bei beiden unendlich verschieden. Kastraten können nichts schaffen; Weiber dagegen sind die eigentlichen Erhalter und Mitschöpfer. — — Bei dem gegenwärtigen Druck, worin die Weiber sich befinden, legen sie es bloß darauf an, Alles was sie verstehen, faßlich und begreiflich zu machen, und das, was wir schwer ausdrückten, zu erleichtern und in Umlauf au bringen. Sie ebenen die Wege, verstehen [S. 270] den Strahl der schwersten Ideen zu reflektiren und zu vervielfachen, das Abstrakteste verständlich und deutlich darzustellen, und dem Verachteten aufzuhelfen, so daß sie allen Wissenschaften einen unleugbaren Vortheil gebracht haben könnten, wenn man sie zum Meister- und Bürgerrecht ohne männliche Geburtsbriefe zugelassen hätte. Die Behauptung, daß es keine Synonime in der Sprache gebe, beweisen sie meisterlich, wenn gleich das Buchstabiren (eine wirklich männliche Sache) sie wenig bekümmert. Das negative Un wird von ihnen, so wie die Null im Rechnen, oft so geschickt zum Verstärken des Ausdruckes gebraucht, daß man über ihre Feinheit und Geschicklichkeit, womit sie bei Ohr und Verstand alles ins Reine bringen, erstaunen muß! Von Weibern muß man reden, von Männern schreiben lernen. — Sind Weiber schon jetzt, da sie bloß geduldet werden, und vermittelst Concessionen und Begünstigungen arbeiten, von dieser Seite so schätzbar; was könnten sie leisten, wenn sie nicht länger so unwürdig von dem edlen Wettkampfe ausgeschlossen [S. 271] würden! Es ist eine nicht unrichtige Bemerkung, daß verdorbene Beredsamkeit verdorbene Sitten verräth. Da man aber in dem schönen Geschlechte tausend Lippen findet, die vom Honigseim einer überzeugenden Beredsamkeit überfließen; so kann es mit Recht von ihnen heißen: wessen das Herz voll ist, geht der Mund über. Der Unterricht legt es nicht geradezu darauf an, und kann es nicht darauf anlegen, aus allen Schülern Meister zu bilden. Auch bedarf es in der Erziehungsfabrik nicht lauter Meister. Sie bildet Gefäße zu Ehren und zum Haus- und Kammergebrauch; sie beschäftigt Meister, auch die es secundum quid sind, an der Drehscheibe. So ist der Lehrer schon geschickt, wenn er das Mechanische der Kunst und die Methode weiß, jenes dem Lehrlinge hinzubringen. Hat man nicht Meister gehabt, denen es nie gelang, geschickte Schüler ihrer Kunst zu ziehen? Fehlt es nicht vielen an der Gabe der Deutlichkeit und, um ein Kunstwort anzubringen, an der Lehrgabe? und ohne Zweifel noch mehreren an der unentbehrlichen Lehrtugend, [S. 272] der Geduld, die das männliche Geschlecht zwar in seiner Tugendliste rühmlichst mit aufzuführen nicht unterläßt, die indeß unserem Geschlechte nur sehr selten eigen ist. Wir zeigen, daß in unserer Garderobe auch unmodische Anzüge sind, nicht um sie zu gebrauchen, sondern um sie zu haben; statt daß bei dem weiblichen Geschlechte Geduld das schönste Hauskleid ist, das ihm am besten steht. — Ist die Weibergeduld nicht im Stande, auch aus dem unfruchtbarsten Boden Keime herauszulocken? Kann der beharrliche Fleiß der Weiber nicht selbst dem Verkrüppelten, wo nicht eine schöne, so doch eine erträgliche Form geben, und, wenn nicht Künstler, so doch Kunstverwandte bilden? Der Vorwurf, den man den Weibern macht, daß sie Neuheit und Wechsel lieben, ist nicht ungerecht; aber nicht im Geschlechte, sondern im Druck, den wir veranlassen, liegt die Ursache davon. Das Ausdauern und Beharren ist gewiß weniger unsere als ihre Sache, wenn der Gegenstand es verdient. Wer kann Weibern jetzt ihre Flüchtigkeit übel deuten, wer ihrem Leben [S. 273] es verdenken, wenn es von ihm heißt: sie leben als flögen sie davon? — Wer? — In der That, es wären der moralischen Karrikaturen weit weniger, wenn wir uns entschließen könnten, dem weiblichen Geschlechte einen größeren Antheil an dem Unterricht und der Erziehung einzuräumen. Und wie? haben Weiber bloß den Grazien, ihren Freundinnen, geopfert? oder sind sie wirklich auch zum Allerheiligsten der Wissenschaften eingedrungen? In der That, sie wußten sich auch hier Eingänge zu eröffnen, Ehrenstellen zu erringen und sie mit Würde zu behaupten, ungeachtet aller Hindernisse, welche Vorurtheile, Herkommen und niedere Mißgunst ihren Talenten und ihrem Eifer in den Weg legten. Es wird nicht viele Wissenschaften geben, die unter ihren Eingeweiheten nicht einige Namen von Weibern zählen, welche sich mit ihnen beschäftigten, und zwar nicht bloß solche, die von der Oberfläche schöpften und zum Zeitvertreibe; nein solche, die ins Innere derselben mit Eifer und Anstrengung eindrangen, die von dieser Ambrosia der Wissenschaften [S. 274] nicht bloß kosteten, sondern mit dieser Seelenspeise sich sättigten bis zum Wohlgefallen. Freilich können Weiber jener inneren Freiheit des Geistes genießen, nach welcher sie ihren Kopf eigenbeliebig anzuwenden im Stande sind — Wir haben ihn indeß dem andern Geschlechte abgesprochen, und statuiren nur sein Herz, auf das wir Rechnung machen — als ob Eins ohne das andere etwas gölte! Und wenn Weiber sich auch über unser Criminalurtheil wegsetzen wollten und könnten; ist ihre selbstgewählte ruhige Geistesthätigkeit vermögend, reifere und schmackhaftere Früchte zu bringen, da wir die Barbarei haben, uns an ihren Blüthen zu vergreifen? — Was die Geistesfreiheit, die keine Geschäftsstörung verdirbt, bei den Weibern ausrichten könnte, wird durch den Schwall von Kunstwörtern und Kunstregeln erstickt, womit man von Männer-Seite sich wohlbedächtige Mühe giebt, die Weiber zu verwirren und verzagt zu machen, so daß sie ohne Noth ermatten und sich aufgeben — Jammer und Schade! Doch gab es einige, die den Faden nicht abrissen, die mit [S. 275] Standhaftigkeit sich entschlossen, zu beharren bis ans Ende; und unter diesen, welche die letzten Gelübde ablegten, fanden sich sogar solche, die sich zu Vorstehern und Lehrern im Tempel der Musen weihen ließen. — In dem bekannten Institut von Bologna lehret Laura Bassi die Physik, und hält ihre Vorlesungen in Lateinischer Sprache; und wie lange ist es, daß Signora Agnes von Mayland hier die Mathematik mit Beifall lehrte? Eben hier bilden Lilli und seine geschickte Gattin die Muskeln und Blutgefäße des Körpers, der Natur mit so vieltäuschender Wahrheit nach. Italien, dieses Land, das wechselsweise so viel Licht und Finsterniß über die Völker der Erde verbreitete, trägt kein Bedenken, Frauenzimmern Lehrstühle zu öffnen. Unlängst ward in Deutschland ein weiblicher Doktor kreirt (der Doktor Schlözerin); und würden wir wohl so zuverlässige und beträchtliche Neuigkeiten vom Firmament erhalten, wenn der unsterbliche Herschel von seiner ihm ähnlichen Schwester nicht so unermüdet in seinen Beobachtungen und Arbeiten unterstützt würde? [S. 276] Ärzte werden eben so krank wie Nichtärzte, und die größten Philosophen sind nicht nur oft unweise, sondern verlieren sich auch zuweilen so in Speculationen, daß sie nicht aus noch ein wissen —. Weiber sind sehr für innere Wahrheit; und wenn sie gleich jenes berühmte Ministerphlegma nicht besitzen, so wissen sie doch mit Kälte zu unterscheiden, was bloß trockne und was brauchbare Kenntniß ist. Wenn Salz und Laune fehlen, sind ihnen die reichstbesetzten Tische ein Greuel, und auf die Schauessen der Philosophen nehmen sie keine Einladung an. — Freund Montagne geht indeß zu weit, wenn ihn gelüstet zu behaupten: er habe zu seiner Zeit hundert Handwerker und hundert Bauern gesehen, die vernünftiger und glücklicher gelebt (auch gedacht?) hätten, als mancher Rektor auf einer Universität (Rektor! als wenn dieser das non plus ultra der Gelehrsamkeit wäre! Kästner, Kant und andere unserer ersten Köpfe sind Rektores, weil die Reihe sie trifft), und habe lieber jenen als diesem ähnlich seyn wollen. (Immerhin! verliert die Gelehrsamkeit [S. 277] dadurch, wenn einige ihrer Meister nicht Weisheitsbeflissene sind?) Hat der Rektor der großen Römischen Universität, Cicero, so ganz Unrecht, wenn er dem Studieren den Preis über Alles zuerkennt, was sonst beschäftigen kann und mag? Wie kann man mit größerem und bleibenderem Gewinne seine Zeit benutzen? Der Handarbeiter, sagt man, wendet sie an; der Gelehrte vertreibt sie. Ei, Lieber! müssen denn nicht Feldherren seyn, wo es Krieger giebt? müssen nicht Officiere überlegen, was gemeine Soldaten ausführen? — Durch tiefes Denken gewöhnen wir unsere Seele zu einer Art von Existenz außerhalb des Körpers; sie bereitet sich durch eine kleine Reise nach Rekahn zu einer Cookschen vor, durch einen Weg über Feld zu einem andern — der uns Allen bevorsteht. Wenn Cicero es nicht ungeneigt nehmen wollte, daß ich seinen guten Geist bei dieser Gelegenheit schon wieder citire; so sollt' es seinen Ausspruch gelten, daß das ganze Leben des denkenden Mannes eine Todesbetrachtung sei. — Darf bei diesen Umständen das schöne Geschlecht [S. 278] Bedenken tragen, mitunter gelehrt zu seyn —? Ist es aber im Stande Wissenschaften sich eigen zu machen, sie leicht und mit sichtbarem Nutzen Anderen beizubringen; wie könnt' es ihm denn wohl an den Talenten gebrechen, seine erworbenen Kenntnisse auf andere Weise dem Staate zum Besten in Anwendung zu bringen, sobald der Staat geruhete, den Bann allergnädigst aufzuheben, mit welchem ein barbarisches Vorurtheil es seit Jahrtausenden belegt hat! Hätten jene Ritter, die unter ihren Gelübden die Verpflichtung hatten, Damen zu schützen, ihre Grenzen weiter gesteckt; wie unendlich würdiger wär' ihr Beruf gewesen! Schade, daß diese treflichen Männer, welche, mit Ausschluß der irren unter den irrenden, die edelsten und klügsten ihres Zeitalters waren, nicht, anstatt Weiber zu schützen, sie über diesen Schutz erhoben! — Ist der Schleichhandel zu verkennen, der, aller jener Verbote ungeachtet, vom andern Geschlechte getrieben wird? oder ist nicht vielmehr der große Einfluß sichtbar, den das weibliche Geschlecht zu allen [S. 279] Zeiten auf alle bürgerliche und Staatsangelegenheiten behauptet hat? Wenn es auf große Plane ankam, die ausgeführt oder rückgängig gemacht werden sollten, waren es Weiber, welche die Hauptrolle übernahmen. Bei Weisen und Thoren, Regenten und Priestern, Staatsmännern und Mönchen waren sie wirklich geheime Räthe; sie gehörten jederzeit zum geheimen Ausschusse des Staatsrathes, dessen Dekrete das Plenum blos mit Curialien versah — und dem es Sekretariendienste erwies. — Und wem ist hier ein dirigirendes Weib, wär' es selbst eine Maitresse, nicht lieber als Leithämmel von Kammerdienern, Hofzwergen, Heiducken u. s. w., die ohnehin nur Substistuten ihrer Weiber oder ihrer Liebchen sind? Nicht bloß mit dem klingenden Spiel und den fliegenden Fahnen ihres Witzes, nicht bloß durch den vermittelst der Ideen-Association verstärkten Vortrag wissen Weiber sich Eingang zu verschaffen; ihr zur Beurtheilung geschmeidiger Verstand vermag Alles — Wie manchem Tyrannen von Minister, der mit den Thränen des Volkes sein Spiel, und [S. 280] mit Glück und Unglück der Menschen Handel trieb, der Alles drüber und drunter warf, wußten sie auf eine bessere Bahn zu lenken! Weiber halten den Faden, an dem die Cabinette geleitet werden: sie mischen die Karten, mit denen die Excellenzen spielen; und so wie neue Hindernisse neue unberechnete Kräfte erzeugen, so gelangten sie oft vermittelst ihrer Schwachheit zum höheren Grade der Stärke — Ein sanfter gemäßigter Charakter ist dem andern Geschlecht eigen — Die Natur verlieh ihm dazu große unverkennbare Anlagen, und nur bei wenig mehr philosophischem Nachdenken und Ausweichung der Verführung, würde das schöne Geschlecht uns eine gewisse edle unempfindliche Gleichgültigkeit gegen so Manches lehren, was uns jetzt so leicht außer uns setzt; und diese Gleichgültigkeit ist ohne allen Zweifel die Krone des diesseitigen Lebens. Hat die Natur nicht oft den Correggio an der Schönheit und Sittsamkeit übertroffen, womit er seine Frauenzimmer ausstattete? Woher nehmen Mahler ihre Engelgesichter? und was ist der Sanftmuth [S. 281] unmöglich — ob sie gleich sich zuweilen, auch rückwärts zum Ziele zu kommen, verbunden sieht? Welche scharfe Umrisse, welches lebendige Colorit geben die Weiber ihren Vorstellungen und den Charakteren, die sie darin verflechten! Gleich ihr erster Blick trifft das Ungewöhnliche bei jeder Sache, und da dies Ähnlichkeit mit dem Wunderbaren hat, an welchem die meisten Menschen so gern hangen bleiben — ist es Wunder, wenn sie oft selbst auf das tägliche Brot ein solches Licht fallen lassen, daß es feierlich wird? ist es Wunder, wenn sie das ländliche Mahl zur Würde eines hohen Festes erheben? Höhere Deutlichkeit und stärkendes Licht mit mehr Vergrößerung zu vereinigen, ist das Ziel, das sie mit so wenig Mühe und Aufwand erreichen, ob es gleich so überschwenglich wirkt — Das andere Geschlecht nimmt in der Regel für, das unsrige wider sich ein. Jenes ist gut, bis das Gegentheil bewiesen ist; — von uns heißt es: wir sind böse, bis man unser Gutes außer Zweifel gesetzt hat. Weiber haben einen Vor-, wir einen Nach- [S. 282] Geschmack — Jene Runzeln, die das Alter von der Weisheit, oder die Weisheit von dem Alter hat, schrecken weder ihren Witz noch ihren Verstand ab — und nichts, weder Verstand, noch Schönheit, noch Vermögen, macht sie schüchtern — Dem Verstande lauern sie sehr auf den Dienst, und finden bald zu ihrem Troste etwas an Lehr' und Leben der Herren Philosophen auszusetzen, worüber schwerlich etwas einzuwenden ist; und da sie geborne Naturalisten (im natürlichen Sinne) sind — wie leicht wird es ihnen, von Artisten ein Federchen abzulesen! Weit eher als wir, haben sie Anlage, zu dem von Vorurtheilen und Aberglauben befreieten Gebrauche der Vernunft zu gelangen — auf ein Haar wissen sie den gelahrten Weizen von der gelahrten Spreu zu unterscheiden — und den Shakespearschen Ausdruck zu deuten: »er redet eine Menge Nichts — zwei Weizenkörnlein versteckt er in zwei Bündlein Spreu.« Weiber sind dazu gemacht, den Philosophen, wenn er sich in den Spinneweben des Systems verlor, (wie ein bekannter Gelehrter sich in seinem [S. 283] eigenen Hause, das wohl gar ein Familienhaus und vom Großvater und Vater auf ihn gekommen war, verirrte) an Stell' und Ort zu bringen und zu orientiren; sie geben ihm, wie Ariadne, einen Faden in die Hand, und rufen Jedem zu, der Länge und Breite nicht unterscheidet, der das Ruder seiner selbst eingebüßt hat: Vous êtes orfèvre, Monsieur Josse! — Der Geist jener Philosophie, die der Übermenschlichkeit nicht wohl will, hat schon lange auf ihnen geruhet — Wer wußte es besser als sie, daß weder praktische noch theoretische Vernunft Überzeugungen, vom Daseyn intelligibler, unsinnlicher Gegenstände zu verschaffen im Stande ist, und daß wir uns in unvermeidliche Widersprüche verirren, wenn uns beide Vernunftarten unsinnliche Gegenstände feil halten. Weiber fühlen das Halbwahre von allem jenem, was so gern im Allgemeinen gesagt wird, und bestehen durchaus darauf, daß dergleichen Behauptungen individueller gemacht werden — Sie handeln nach nahe liegenden Motiven — Spieler, Schiffsleute und alle die durch Glücksfälle [S. 284] regiert werden, die Avantüriers nicht ausgenommen, sind zum Aberglauben geneigt — ist es Wunder, daß die Weiber es weniger als wir sind? — Die Schönheit bei einer Mannsperson gilt ihnen durchaus nichts; und wenn man den reichen Mann in Ehren hält, weil er, wenn er wollte, helfen könnte, so wissen sie wohl, daß er es nie wollen wird — Ihre unbefangene Seele findet überall Weg und Steg; und wer nur ein fleischern Herz hat — kann der ihrer Herzlichkeit widerstehen? Die Frau eines Lichthökers hatte kein Bedenken, an der armen Seele des David Hume ihr Heil zu versuchen. Hume konnte die Seelsorge, die sie für ihn hatte, nicht anders vom inneren Lichte abbringen, als daß er ihr versprach, sein äußeres Licht von ihr kaufen zu wollen. — Vom Philosophen Terraston sagte Madame de Lassay: nur ein Mann von Witz könne ein solcher Thor seyn; — und wär' es historisch richtig, daß Karl XII an den Senat geschrieben hätte: »ich will euch meinen Stiefel schicken, dem ihr gehorchen sollt;« so würden die Weiber der Herren Senatoren [S. 285] laut gelacht haben. — Was doch kluge Weiber von dem weltberühmten Processe des Ehrenmannes Hastings denken mögen, der für die Papiermüller allein schon so viele Sporteln abwirft! Nie konnten sie sich des Lachens oder des Weinens über die jetzt sanft und selig entschlafende Pariser Policei enthalten, welche weiland Farcen und unmenschliche Trauerspiele unter den Scheine der Wachsamkeit und Obhut aufführte — Wie war es möglich, in, mit, und unter dieser elenden Policei sich Ausnahmen von der Wahrscheinlichkeit der menschlichen Wachsamkeit zu denken! »Hier sind wir alle entweder Fürsten oder Dichter,« sagte Voltaire, als er sich bei einem Fürsten zu Tische setzte; und das ist der eigentliche Ton eines Weibes — Sie sind nicht für Gemähldeausstellungen, wo denn doch auch gegen Einen Kenner zehn Schuster sich einfinden, die über den Leisten gehen; sie wirken zwar im Stillen, doch wirken sie am liebsten ins Allgemeine, wie die Natur, ihre Schutzgöttin — Oder kann man dies etwa nicht anders, als wenn man Kanzeln und [S. 286] Rednerstühle ersteigt? In der allgemeinen und sichtbaren Kirche giebt es Lehrerinnen, so wie Lehrer, ohne daß beide examinirt und ordinirt sind —
Es ist dem andern Geschlecht eine schonende Gutmüthigkeit im historischen Urtheil eigen; doch verstehen es Weiber, ein Faktum, so wie einen Menschen, (immerhin so verwickelt als möglich) aufzulösen, und zu concentriren. Auch können sie jenen Totaleindruck, den Faktum und Mensch auf sie machen, Andern mittheilen, welches uns schwerer wird. — Glückseligkeit ist, so wie Wahrheit und Gottheit, eine Einheit; diese Einheit in Allem herauszubringen, ist eine hohe Weisheit, und, wir wollen gerecht seyn — sie ist den Weibern eigen. Bei uns wird oft eine Sache, die auch anders scheinen kann, die diesem oder jenem Sonderlinge wirklich anders vorkam, gleich zum Gegenstände eines gelehrten Streites. Da haben wir denn eine extrafeine Geschicklichkeit, die Zweifelsgründe bald zu verstecken, bald wieder sichtbar zu machen, ihrer Größe eine Elle zuzugeben oder [S. 287] abzunehmen, und die Entscheidungsgründe mit denselben so abzuwägen, daß, wenn gleich, besonders bei dem Faktum, die beiderseitigen Wahrscheinlichkeiten einander ziemlich gleich sind, doch die Schale, je nachdem wir wollen, steigen oder sinken muß. — Das andere Geschlecht liebt keine Spielgefechte mit einer langen Linie aufgestellter und überwundener Argumente — Eins ist ihm Noth. Nie wird es das Publicum mit Sophismen äffen: es verliebt sich bei weitem so leicht nicht wie wir in eine Idee, die im Grunde keinen Gegenstand hat; allein es fürchtet auch dergleichen Gespensterideen weniger als wir — Gelehrte und witzige Leute, (Gelehrte in dem Sinne der gelernten Gelehrsamkeit genommen) blind verliebt in den Gegenstand, dem sie nachjagen, verargen sich auf diesem Wege kleine Unrichtigkeiten nicht — Alle Menschen sind Lügner, heißt es in der Schrift; Weiber sind hier wachsamer und peinlicher. — Man sagt: starke Wahrheiten wären nur für gute Köpfe, (so wie starke Getränke nur für ächt nervige Menschen sind;) schwache würden [S. 288] schwindelig — Man mache mit Weibern den Versuch, und wir werden finden, daß es keine Wahrheit giebt, die ihr Kopf nicht ertragen könnte; sie wollen so weit wie möglich — Wir glauben zu leicht, daß unser Plan regelmäßig organisirt sey; die Weiber sind leichtgläubiger bei der Ausführung — Sie fürchten nichts Hohes, nichts Niedriges, nichts was Unwissenheit oder Gelehrsamkeit, Witz und Unwitz, Verstand und Unverstand vermögen; wäre ihnen die ausübende Gewalt anvertrauet — sie würden sicher mehr leisten als wir, und, wenn sie sänken, es wie der sterbende Sokrates machen, der, als er seine Füße durch Gift schon in Leichnam verwandelt fühlte, sie streichelte und mit lachender Stirne sagte: so nahe gränzen Vergnügen und Schmerz an einander; — oder wie Seneca, der Wasser mit seinem Blute vermischt, Jupiter dem Befreier weihete. Ach, wie oft, wenn mich so mancher Dienst-Nero bis aufs Blut verfolgte und die Wuth blödsinniger Tyrannen mir zwar nicht die Ader öffnen ließ, wohl aber mir weit härter fiel, stärkte mich dieses [S. 289] Weihwasser, und das Elogium Jupiter dem Befreier! — Beweis von der Freudigkeit im Tode der Weiber? Beweis! Seht Männer und Weiber sterben. Ist Philosophiren sich zum Tode vorbereiten, so sind die Weiber große Philosophen; und in Wahrheit, sie sind es unendlich praktischer als wir. Zwar sagt man: studieren sei sterben lernen, weil man seinen Geist dem Körper entzieht, ihn über den Körper erhebt; allein Weiber haben diese Kunstgriffe nicht nöthig, um den Tod zu hintergehen und ihm das Schwert aus der Hand zu schlagen — Warum Fechterkünste? Den Tod so ganz wie er da ist verachten, ist Weisheit; ihn durch Stratageme hintergehen, scheint Weisheit zu seyn. Kein einziger zieht ein anderes Loos; wir sind Alle zum Tode verurtheilt — nicht aber als Kriminalverbrecher, sondern als Menschen. — Käme es auf Weiber an, sie würden selten den Ärzten ihr Lebens- und Todesurtheil anvertrauen, und sich von ihnen das Leben absprechen lassen — Mißtrauisch gegen die Kunst Galens, haben sie Alle eine Neigung, sich, wenn ja noch [S. 290] etwas seyn soll, einem Unzünftigen anzuvertrauen. Ich muß und ich will, ist ihnen fast einerlei; — und soll es auch nicht also seyn? Jene Grundsätze einer bekannten Sekte: entweder Vernunft oder Strick — entweder sich ins Leben schicken oder es verlassen, sind den Weibern wie angeboren. Nur der kann frei leben, sagte ein Weiser des Alterthums, der den Tod zu verachten weiß. Wie viele Freiheitsanlagen sind den Weibern bei ihrer Todesgleichgültigkeit eigen! Sollte man sie etwa eben dieser Anlagen halben so sorgfältig von der Freiheit entfernen? Nur der, welcher mehr auf sich selbst als auf die Freiheit hält, besitzt eine Sklavenseele, und ist unwerth der Freiheit. Sind die Weiber in diesem Falle? — Wenn die Weisheit verdrießlich macht, wer wird Lust und Liebe zu ihr haben? Dies Leben ist ein Geschenk; laßt uns jeden Tag als eine Zugabe ansehen, auf die man nicht zu rechnen im Stande war — »Was heute geschehen kann, muß man nicht auf morgen aussetzen;« so denken Weiber; und allerdings tragen ihre körperliche Schwächlichkeit, [S. 291] die Einschränkung ihrer Freiheit diesseits des Grabes, und das Verhältniß, das ihnen nicht das Schicksal sondern die Männer zumaßen, zu ihrer Lebensgleichgültigkeit bei. Vorzüglich aber bewirken sie jene größeren Leiden, welche die Natur ihnen als Menschen auferlegte, wogegen die Mannspersonen, zu einiger Entschädigung, sich größere bürgerliche Lasten aufgebürdet zu haben scheinen — »Viel Glück, Diogenes!« sagte der Philosoph Speusippus, der wassersüchtig war und sich tragen ließ. »Wenig Glück!« antwortete Diogenes, »da du das Leben in einem solchen Zustande ertragen kannst.« — So selten indeß weibliche Thränen Murren und Unwillen anzeigen, und so oft sie ein leise gewagtes sanftes Sehnen nach mehr bürgerlicher Freiheit sind; so hilft allerdings auch der Überdruß eines Lebens, das kaum diesen Namen verdiente, ihren freudigen Weg zum Grabe ebnen. Daß es in der andern Welt gewiß nicht schlechter für sie seyn könne, ist die Nativität, die sie sich bei ihrem Ausgange aus dieser Welt (wahrlich für sie einem Jammerthale) [S. 292] mit vieler Gewißheit stellen — Der Tod ist ihr Jupiter der Befreier — Sie schaffen sich eine andere Welt, wo Gerechtigkeit wohnt — wo sie auf Rosen unter einem heiteren Himmel wandeln — ein elisisches Idyllenleben —! Sanfte rührende Schwermuth und leise Schwärmerei helfen ihnen die Welt und sich überwinden — und des Lebens und des Todes Bitterkeit verschmelzen — Seht Weiber sterben! wie ruhig! sie sterben in der Regel alle philosophisch. Wenn dieser Fall sich bei unserm Geschlecht ereignet, welch ein Geschrei wird über diese Resignation erhoben! Der Natur, der die Weiber leben, sterben sie auch; sie scheint ihnen die Hand zu bieten, um ihnen überzuhelfen — Die Weiber wollen nicht täglich sterben, sie wollen nicht Augenzeugen von den zu merklichen Verlusten seyn, die man, je länger man lebt, je mehr in Hinsicht des Lebens macht; haben sie ein hohes Alter erreicht, so kennen sie die Beschwerden des Lebens noch genauer, und der Tod hat keine Gelegenheit, ihnen hart zu fallen, wenn er auch wollte. Sokrates erwiederte [S. 293] denen, die ihm die Nachricht brachten, daß man ihm zum Tode verurtheilt habe: die Natur hat dieses Urtheil auch über meine Richter publicirt — Das Leben giebt den Tod, der Tod giebt das Leben — Nicht nur wer im Schweiße seines Angesichts, sondern auch wer im vollen Maße des Vergnügens seinen Lebenstag vollbracht hat, ist gern schläfrig — Wäre der Schlaf nicht der ältere Bruder des Todes, es würde sich nicht so leicht sterben lassen; jetzt aber schlafen wir nur auf länger ein, als gewöhnlich — Warum etwas fürchten, was Allen bevorsteht, etwas dem Niemand entgeht, und nähm' er Flügel der Morgenröthe, um an das äußerste Ende der Erde und des Meeres zu fliehen! — Wenn Männer die Kunst zu sterben lernen; so lernen Weiber die Natur des Todes: ihr Herz erschrickt nicht, und fürchtet sich nicht — Will man mit dem Tode zu seinem Troste bekannt werden, so muß man Weiber und nicht Männer im Sterben beobachten — Gewiß stirbt man im Kriege leichter, als auf seinem gewöhnlichen Lager; allein der Tod [S. 294] in der Schlacht hat bei weitem nicht so viel Lehrreiches, wie der Tod einer Wöchnerin in dem Feldzuge, den die Natur ihr anwies — Wie schön ist hier der Tod, der Tod fürs Vaterland! Ich muß abbrechen; sonst würde ich zu sehr verrathen, daß ich in Hinsicht des Todes nur ein Mann bin. Zwei Freundinnen, mit denen mich die Natur so nahe verband, starben diesen Muttertod — »Es kommt auf die Kleider an, die man dem Tode anzieht,« sagte * * * — Du hattest recht, Liebe — Dein Tod war leicht, froh, muthig angezogen — — — So sterben Weiber; und wie leben sie? Männer thun, was sie thun, mehr aus Temperament, als aus Grundsätzen: von Umständen hangen sie ab, und lassen sich von ihnen, wie Schiffe die Mast und Ruder verloren vom Winde, hin und her treiben — Aus Noth, aus Trägheit, aus Bedürfniß handeln sie. Sie sind im Grunde weit furchtsamer als die Weiber; — es scheint nur anders. Immer verbinden sie sich mit andern Männern, und nennen oft (o der Entheiligung des Namens!) Freundschaft, was Furchtsamkeit [S. 295] heißen sollte. Freundschaft! wo ist eine reine? wie selten gewinnt man, ohne daß ein Anderer verliert! — Handlungen leiden keine Freundschaft, und nur mit Worten scheint sie sich behelfen zu sollen — Durch Mißwachs gewinnt der Landmann; durch Verschwendung und Üppigkeit der Kaufmann; durch Zank, Hader und Streit der Richter; durch Neid und Haß der Geistliche. — »Ein jeder Mensch hat seinen Preis, für den er sich weggiebt,« ist die Behauptung eines Engländers, eines Mannes aus einem Volke, das noch einen Werth auf sich zu legen versteht — Und wenn es wahr ist, was einer der Alten behauptet, »daß ein Arzt es ungern sieht, wenn seine Freunde gesund sind, und ein Soldat, wenn sein Vaterland Frieden hat;« wenn der Untergang des Einen Dinges die Schöpfung des andern ist: wo wird reine Freundschaft seyn? Freundschaft, die allen Graden der Versuchung gewachsen, die auch gegen eine Welt nicht feil ist —! Von einem Freunde muß es, wie von Voltaire'n, heißen: Sein Geist ist überall, sein Herz ist hier (im [S. 296] Hause des Herrn von Villette, dessen Gemahlin Voltaire'ns Pflegetochter war). Freundschaft ist ein geschliffener Stahl, dem schon ein feuchter Hauch den Rost zuzieht. — Nie kann ich auf die großen Worte Tod und Freundschaft stoßen, ohne daß mein Herz sich ausschüttet — und sollte mir diese Wiederholungen nicht jedes in meiner Lesewelt verzeihen, das auch ein Herz für Freundschaft hat, und das — sterblich ist? — Freundschaft ist Leben; denn ohne sie hat die menschliche Existenz keinen Werth. Ich habe meine Schrift überhaupt durch die Bemerkung vorgeleitet, daß, da ich für die Freiheit schreibe, ich mich nicht selbst binden werde. Lehre und Leben müssen sich in die Hand arbeiten; und darf ich wohl im Münzverstande meine Schrift legiren —? genug, wenn ich mich geleitlich halte — und darüber wird hoffentlich kein geierlicher Zoll- und Accisebedienter, kein Freund und Feind, mit Grunde Rechtens Beschwerde erheben können. — Freundschaft war die Losung, und dieses herrliche Wort verdient, daß wir Platz nehmen. — Die Frage: [S. 297] wie leben Weiber? kann bei dieser Abschweifung nichts verlieren. Laßt Könige licitiren: die Freundschaft ist nicht verkäuflich; — und eine solche Freundschaft, die, wenn sie gleich nicht zu den sieben Wunderwerken, so doch zu den Seltenheiten der moralischen Welt gehört, würde sich häufiger ereignen, wenn auch das andere Geschlecht bei ihren Altären zu Ablegung der Gelübde zugelassen würde, die gemeiniglich mit der Grundregel anfangen, seinen Freund so behutsam zu behandeln, daß er, uns unbeschadet, auch unser Feind werden kann. Jene Einschränkung des Zutrauens und der wechselseitigen Herzensergießung, jene Mäßigung in Entdeckung unserer geheimen Beschwerden, hebt das, was Freundschaft ist, auf, und macht dagegen einen gewissen Schein gäng und gebe, der immer als Weltklugheitsmaxime Dienste leisten mag, der aber den Altar der Freundschaft entheiligt. Unsere gegenwärtigen Freundschaften sind gemeiniglich nichts mehr und nichts weniger, als gemeinschaftlich geschlossene Connivenz, wo beide Theile im Gewinn sind; [S. 298] und so wie die Bescheidenheit das Verlangen ist, feiner gelobt werden zu wollen: so ist die Freundschaft ein Bund, desto reiner zu gewinnen. Heißt nicht schon der unser Freund, welcher nicht unser erklärter Feind ist? Die Kaufleute nennen die: Freunde, mit denen sie in Handlungsverkehr stehen, wo es also Provision zu berechnen giebt; und so wie der schon für gut gilt, der ein böser Mensch von der allgemeinen Art ist: so gilt der schon für unsren Freund, der ein Menschenfreund, ein Mensch von keinem schlechten Herzen ist, der uns nicht verräth und verkauft, oder der uns zu verrathen oder zu verkaufen keine Gelegenheit gefunden hat. Unser Geschlecht ist zu glücklich, als daß wir ächte Freunde der Weiber seyn sollten; und zu unserer Freundschaft gegen einander, auf die wir so stolz thun, haben die Weiber nicht das mindeste Zutrauen — Können wir (wie kann es nach der Weiberlogik füglich anders lauten?) wohl mit Freundschaften aus der Tasche spielen und mit Aufopferungen prahlen, da wir uns nicht einmal herabzulassen vermögen, den [S. 299] Weibern Gerechtigkeit zu erweisen? Überhaupt ist selbst unser Leben nur halb, da wir die Weiber nicht zu leben berechtigen; und wie leben sie denn?
Ob sie gleich heut zu Tage noch zu sehr der Sinnlichkeit fröhnen, woran sie weniger Schuld sind, als unsere Härte; obgleich noch bei weitem nicht an ihnen erschienen ist, was sie seyn können und seyn werden: so zeigen sie doch bei so vieler Gelegenheit eine Selbstbeständigkeit, eine Fassung, die uns so oft beschämt. — Ihre Ausschweifungen, die wir so schrecklich vergrößern, entstehen mehr aus Befriedigung der Eitelkeit als der Begierde. Sie haben keine andere Olympische Bahn, als Männer zu fahen; man öffne ihnen andere, und sie werden Wunder thun. Das Promemoria, welches jener Kaufmann in sein Denkbuch trug: »Ja nicht zu vergessen, mich in Hamburg zu verheirathen!« ist ins Herz der Frauenzimmer verzeichnet — Darum das Werben ihrer Augen — Gemeiniglich haben sie hierbei keine Absicht; sie treiben das Mienenspiel der Mode halben, und weil keine kluge [S. 300] Mannsperson daraus etwas zu schließen wagt. Montagne sagt: jungen Gelehrten geht es wie den Kornähren; so lange sie leer sind, richten sie ihre Spitzen gerad' und keck empor: kommen aber ihre Körner zur Reife, so lassen sie ihr Haupt sinken. — Warum wollen wir die Weiber wegen ihrer Mienen so scharf richten, und Eitelkeit, Koketterie und Wollust für einerlei halten? Man lacht über jene Dame, in deren Gegenwart man die schwarzen Augen ihrer Nachbarin lobte, und die sehr schnell erwiederte: »jetzt trägt man keine schwarzen Augen mehr;« sind wir aber nicht die, welche das andere Geschlecht zu solchen Antworten verleiten? befördern wir nicht unserer Eitelkeit halben die ihrige? Laßt die Weiber zu Kräften kommen, und ihr werdet sehen, daß sie im lauten Geheul der Stürme, wo Männer sich nur selten ein geneigtes Gehör zu verschaffen wissen, bei den schrecklichen Wogen des empörten Meeres, sich finden, und dem Meere und dem Winde Silentium gebieten werden. Wenn man zur Zeit der sanften Ruhe erlernt und überdenkt, was man zur [S. 301] Zeit der Schiffbruchsgefahr anwenden will, so bleibt es zwar nicht unrühmlich, in der Zeit zu sammeln, um in der Noth zu haben; wenn aber Weiber selbst in diesem Ungewitter Entschlüsse zu fassen verständen; wenn sie kein Lexicon zusammengetragener Regeln aufschlagen dürften, die ohnehin nie ganz auf einen einzelnen Fall passen? — wenn —? Doch, laßt uns erwägen, nicht was dieser Wallfisch des menschlichen Geschlechtes werden wird, wenn ihm nicht mehr Tönnchen zum Spielen zugeworfen werden, sondern was er selbst in seiner jetzigen so traurigen Lage war und ist! Als Sokrates von der Gottheit zum Weisen erhoben und ihm das Diplom hierüber wegen seines Wohlverhaltens ertheilt ward, maß er sich mit vielen seiner Zeitgenossen, und fand, daß Andere diese Würde, wo nicht mehr, so doch eben so gut verdienten, wie Seine Wohlweisheit — Endlich überzeugte er sich, daß diese Würde, bloß weil er sich nicht für weise hielte, ihm auf Allerhöchsten Göttlichen Special-Befehl wäre zuerkannt worden — Kann der, welcher Aufsehen macht, weise [S. 302] seyn? hat der, bei der rastlosen Bemühung sein Ansehen zu schützen und den Neid zu entkräften, Zeit und Raum zur Weisheit? Ob den Weibern wirklich die Bescheidenheit bei ihren Handlungen eigen ist? Die Erfahrung überhebt mich der Antwort. Ob Weiber wirklich gehandelt haben? O, der beleidigenden Frage! — —
Ohne eine Isabelle wäre America vielleicht noch nicht entdeckt worden, vielleicht nicht durch Columbus, oder doch erst spät, und auf einem entgegengesetzten Wege. Ferdinand hatte nicht Muth und Entschlossenheit, einem so kühnen Unternehmen seinen Nahmen zu leihen, und seinen Schatz zu öffnen. Würde Cicero ohne die Fulvia die Verschwörung des Catilina entdeckt, und den Namen eines Erhalters des Römischen Staates gewonnen haben? Karl V verdankte es bloß dem Einfluß eines Weibes, daß seine Donquixotterien einen besseren Ausgang hatten, als sie verdienten. Und warum eine größere Aufzählung solcher Begebenheiten, an denen Weiber nicht bloß Antheil nahmen, sondern die durch sie [S. 303] entstanden, durch sie geleitet und ausgeführt wurden, wo sie nicht bloß untergeordnete Dienste leisteten, sondern der Geist waren, der über den Wassern schwebte, die Seele, die den Gang der Begebenheiten ordnete und lenkte! —
Frankreich ist seit zweihundert Jahren durch Weiber regiert worden; ob gut oder schlecht, ist ein Umstand, auf den es hier nicht ankommt. Daß es schlecht regiert ward, ist nicht die Schuld der Weiber überhaupt, sondern jener Weiber, die listig, verwegen und ehrsüchtig genug waren, die Zügel des Staates den schwachen Händen zu entwinden, denen das blinde Glück sie anvertrauet hatte, oder die in anderen Rücksichten aufgestellt wurden, und die dann, neben dem schwereren Geschäfte die lange Weile von einem müßigen Monarchen zu verscheuchen, auf den Einfall kamen, das ungleich leichtere Geschäft der Staatsverwaltung zu übernehmen.
Seitdem Semiramis mit rascher entschlossener Hand das Zepter ergriff, und es mit so vieler Würde als Weisheit führte, haben viele [S. 304] Weiber, und unter diesen mehrere welche die Geburt nicht für ein Diadem bestimmte, den Herrschertitel mit Ehren getragen. Giebt es nicht Länder, die in ihren Regentenlisten eben so viele berühmte Namen des einen als des anderen Geschlechtes aufführen? Wenn das Cabinet außer der Ritterin d'Eon keinen weiblichen Geschäftsträger aufzuweisen hat; sollte dies wohl die Unfähigkeit des anderen Geschlechtes beweisen? Bei Allem, was durch Vernunft erklügelt, durch Dreistigkeit errungen, durch Witz erhascht, durch Gutmüthigkeit erreicht werden kann, wird die schöne Welt nicht zurückbleiben; — und wenn feile Seelen allen Triebfedern dienstbar sind, werden Weiber nie vergessen, was anständig ist — welches da, wo der Anstand sich das Ansehen giebt am höchsten getrieben zu seyn, oft schnöde vergessen wird. Lord Chesterfield soll bei einer Assemblee auf Voltaire'ns Frage: halten Sie die Englischen oder die französischen Damen für schöner? geantwortet haben: ich verstehe mich nicht auf Gemälde; und doch wüßt' ich keinen Hofmann, der sich so [S. 305] zu schminken verstanden hätte, wie dieser Mann, der unter den Lords den Gelehrten, und unter den Gelehrten den Lord machte. Wer le fin du fin in dem diplomatischen Fache kennt und übt, richtet auf diesem Wege oft am wenigsten aus — Adler fangen nicht Fliegen, und der Prätor setzt sich über kleinfügige Subtilitäten hinweg — Der weibliche Vortrag ist gemeiniglich mit dem was vorgetragen wird, aus Einem Hause; diese Zwei sind Eins, und nie oder selten findet hier eine Mésalliance Statt, welches aber zwischen dem männlichen Vortrage und der vorzutragenden Sache sehr oft der Fall ist — Wüßten wir, was in Cabinetten durch Weiber geschehen ist: wir würden über die interessantesten aller Spiele, die Täuschung der Imagination, erstaunen, wodurch Weiber zu ihrem Zwecke kamen; wir würden die Kunst bewundern, mit welcher ein Weib oft den Faden einer Begebenheit anspann, den sie durch alle Schleichwege der Intrigue glücklich bis zum Ziel hinausführte. Eigentlich scheinen sie jener Künste, worauf die Politik heut zu Tage [S. 306] stolz thut, sich bloß darum zu bedienen, daß die Männer mit gleicher Münze bezahlen können; im Grunde sind sie von Natur aus, weniger, als wir mit jenen Schlangenwindungen der Zweideutigkeit, mit jener politischen Falschheit ausgerüstet, die nach den Regeln der jetzigen Kunst im Finstern schleicht; und es ist von ihrem Verstande und von ihrem Herzen zu erwarten, daß sie die Politik säubern, und ihr zum Besten der Menschheit mehr Natur und Wahrheit beiordnen werden. Mit dem Talent, die heimlichsten Gedanken eines Andern auszuspähen, und sie in den verborgensten Winkeln zu ertappen, werden sie den schlauesten Diplomatiker überlisten, ohne daß es Sr. Excellenz gelingt, ihnen ihr Geheimniß zu entwenden; und obgleich der Wille der Principal-Excellenz, wie ein Taglöhner, oft dem liederlichsten Weibe verkauft wird: so wird doch auch der Feinste von den Feinen vergebens sie verleiten, ihren Fuß an einen Stein zu stoßen — Nicht bloß die verliebte Schäferin, sondern auch der Hofmann verbirgt sich [S. 307] im Gesträuch; allein beide lassen sich zuvor sehen — Die Kunst vermehrt oft die Schmerzen des Kranken, und es giebt eine verkünstelte Kunst die in's Abderitische fällt, wodurch unser Geschlecht in der Diplomatik Glück machen will — Wir verfehlen nicht, dem Erzengel Michael und dem Drachen eine Kerze zu widmen — Warum doch so viele Künste! — Werden Weiber aber bei diesem Geschäfte den ihnen eigenen Edelmuth aufgeben? jene aus Menschenliebe abstammende Bereitwilligkeit zur Selbstverleugnung? werden sie je bei der ihnen eigenen Kunst Menschen zu vernehmen und zu erforschen, aufhören, großmüthig zu seyn und sich selbst zu besiegen? Nimmermehr! Schwache Männer pflegen gern boshaften Menschen ihr Zutrauen zu schenken, schwache Weiber dagegen sich edlen Menschen zu überlassen: Weiber hassen Verrätherei und den Verräther; wir nur, wenn's köstlich ist, den Verräther: wir sehen es gern, wenn dergleichen Leute viel bringen, und geben uns nur Mühe, daß sie wenig oder nichts mitnehmen — Weiber, weit [S. 308] hinweg über jene politischen Tiraden, über jene politischen Metaphern und jenen politischen Salto mortale, wählen die Natur zu ihrer Lehrerin, und richten mehr aus, als Excellenzen durch abgenutzte, verrathene und verkaufte Kniffe, die den beschrieenen Namen Künste bei weitem noch nicht einmal verdienen —! Können Weiber nicht zeigen und verbergen, was sie wollen? Haben sie nicht eine Offenheit, durch die sie mehr, als durch Zurückhaltung, ausrichten? eine unvergleichliche Biegsamkeit der Gedanken, eine Helle im Ausdruck, eine Geschmeidigkeit im Urtheil —? Ihr Mienenspiel, ihr Glück und ihr Verdienst, mit geringen Hülfsmitteln die größten Wirkungen zu bewerkstelligen — ihre Kunst, jedem einen Spiegel vorzuhalten, worin er sieht, was sie wollen; ihre gelenkige Zunge, wodurch sie ihren Ideen eine Macht beilegen, die Alles überwindet: — dies sind Eigenschaften, wodurch sie alles ausrichten. Man nimmt nur die Wirkung an sich wahr, und sieht sich vergebens nach den Ursachen um, welche die Weiber sehr künstlich zu [S. 309] verstecken wissen. Schon im gemeinen Leben verwickeln sie mit ihrem Witze alle Charaktere der Gesellschaft auf eine so angenehme Art, daß man diese ihre Leichtigkeit bewundern muß. Indem sie der Ausdruck zu verlassen scheint, indem sie ihn aufgeben, finden sie eine überschwengliche Sprache: sie belauschen kleine Ideen, die der, den sie gewinnen wollen, fallen läßt; — sie wissen auf ein Haar seine Leibgerichte, seine Neigungen, seine Stärke, seine Schwäche; und besitzen die große Gabe, von Glück und Unglück Gebrauch zu machen — wie bewunderungswürdig! — Unser Geschlecht verstehet es selten, aus dem Glück, und fast nie, aus dem Unglück Vortheil zu ziehen und glücklich durch Unglück zu seyn. —
Der Mangel der Verschwiegenheit, den man dem andern Geschlechte so oft zur Last legt, ist nur eine Unart des weiblichen Pöbels; und der männliche Pöbel macht in dieser Hinsicht so wenig eine Ausnahme, daß er fast schwatzhafter zu seyn scheinet. Weil die Weiber viel reden, hat man sie der Unverschwiegenheit [S. 310] beschuldiget; allein unser Geschlecht verdient diesen Vorwurf unendlich mehr; — wenn es voll süßen Weins oder verliebt ist, fast immer, und auch oft dann, wenn es sich weder durch Liebe noch durch Wein erhitzt hat — Nichts kann Manchen zurückhalten, sogar seine selbsteigene Schande zu entdecken — Kein Soldat kann so begeistert von seinen Siegen erzählen, wie ein Zierling (Élégant) von den seinigen. Hat man nicht Mirabeau, dem goldenen Munde neuester Zeit, den Vorwurf gemacht, daß er nichts verschweigen können? Jene Weigerung guter Menschen, Alles hören zu wollen, nur keine Geheimnisse, beweiset, daß wenige Menschen zu solchen Depositis sich Treue genug zutrauen. Viele unseres Geschlechtes haben so viel selbsteigene Geheimnisse zu bewahren, daß sie sich mit fremden Depositis nicht füglich befassen können; viele sind niedrig genug, Depositen-Gebühren auf eine unverschämte Weise zu verlangen — Wer sich selbst nicht treu ist, und seine eigenen Unthaten unter die Leute zu bringen für unbedenklich [S. 311] hält, glaubt sich, wo nicht rechtfertigen, so doch entschuldigen zu können, wenn er seinen Herrn oder seinen Freund verräth! — Männer sind so fein sich zu überreden, daß sie zum Heil und Frommen eines besseren Menschen das Beichtsiegel brechen können, das auf die Geständnisse eines minder guten schon gedrückt war! — Mancher Richter macht sich kein Gewissen, unter Versicherung des Nichtgebrauchs, Bekenntnisse herauszulocken. »Hat denn,« fragt er, »der Staat nicht mehr Recht auf mich, als meine Verbindlichkeit?« Du irrest, Verräther! der Tugend stehet das größere Recht zu. Die Pflichten gegen das Vaterland heben bei weitem nicht alle anderen Pflichten auf, und ein Bürger muß nie aufhören ein Mensch zu bleiben. Im Kriege selbst darf man den Vorzug nicht aufgeben, ein Freund seines Freundes zu seyn! Auch haben die Männer ein verrätherisches Schweigen, ein Achselziehen im Gebrauch, die Weise ein halbes Wort zu sagen, den ersten Buchstaben anzugeben — Diese Judas-Verrätherei durch einen Kuß, dieses [S. 312] plauderhafte Stillschweigen, läßt das andere Geschlecht sich gar nicht zu Schulden kommen — Man rede nicht von der Unverschwiegenheit der Weiber! — —
Noch weniger aber sollte den Weibern untersagt seyn, an der inneren Staatsverwaltung und Staatshaushaltung Theil zu nehmen, da ihnen gegenwärtig schon im Ganzen die Verwaltung ihres eigenen Hauswesens anvertrauet ist, und sie bei diesem, ihnen zugefallenen Pflichtteile, selbst nach dem Zeugnisse der Männer, sich rühmlichst verhalten. Gewiß hätten wir alsdann weniger Tyrannen, die auf festem Grund und Boden Schiffbrüchige mit Lust arbeiten sehen, oder die des Spaßes wegen solchen, die mit den Fluthen ringen, unter Pauken- und Trompeten-Schall vermittelst einer heilsamen Verordnung Strohhalme zuwerfen; weniger Blutigel, die hier jeden Bissen finanzmäßig zuschneiden, und dort den Schweiß und das Blut der Unterthanen ohne Maß und Ziel verschwenden; — die sich Mühe geben, dem gemeinen Manne das Huhn aus dem Topfe herauszurechnen, [S. 313] welches Heinrich IV ihm alle Sonntage in den Topf hineinzurechnen Königliche Sorge trug; — die ihre Administration, wie elende Feldherren ihre Einnahmen, mit Plünderungen anfangen, und, um sich aus dem Gerede über neue Plackerei zu bringen, Redouten und Bälle, Diners und Soupers geben, und es wie weiland Alcibiades machen, der seinem schönen Hunde Ohren und Schwanz abschnitt — — Wir hätten alsdann weniger Großprahler und Meister, die gleich vom Himmel fallen, ob sie schon entweder Colporteurs von alten abgetragenen Meinungen sind, welche sie wie ein Bettelkleid mit einem Flick von Sammet bereichern, oder aber (trotz jenem Ober-Chirurgus, der sich dienst- und kunsteifrig dahin ausließ: hinter die Krankheit muß ich kommen, wenn auch das ganze Regiment darauf ginge!) eine neue verzweifelte Kur nach der andern probiren — und das Alles? um reiche Arme und arme Reiche zu machen — O, wie viele hochgepriesene Schwachköpfe giebt es, die Einen Stand auf Rechnung des andern in verhältnißwidrigen Cours bringen, [S. 314] damit der eine durch Übermuth, und der andere durch Hungersnoth verderbe! wie viele, die nichts im Ganzen übersehen können, und denen es ein leichtes dünkt, aus Deutschen Franzosen, und aus Pohlen Holländer zu fabriciren —! wie viele Finanzblitzer, deren Aufblitz nur dazu dient, daß man das Schreckliche der Verderbensnacht mit Schauder erblicke! — Diese Herren sollten die Ermahnung jenes Weisen an einen Frevler beherzigen, der bei einem gefährlichen Ungewitter die Götter bestürmte: — sich still zu halten, damit die Götter nicht wüßten, daß er hier wäre. — Nehmt das Triumvirat unserer außerordentlichen Minister, des Grafen Struensee, Pombals, Neckers; — und das sollte kein Weib thun, was diese Excellenzen thaten?
Wer dem weiblichen Geschlechte die Fähigkeit abspricht, das Ganze zu übersehen, Anordnungen für Königreiche zu treffen, sie im Großen auszuführen, weit aussehende Plane zu umfassen, und kurz, ihre Begriffe bis zum Allgemeinen zu erheben, der verräth wenig Weltkenntniß, und schließt von den Geschäftendes [S. 315] Detail — denn größtentheils werden bloß diese den Weibern jetzt anvertrauet — auf ihre Fähigkeit. Und wie? soll es denn bei diesen Geschäften nicht auch subalterne Köpfe geben, da Arbeiten dieser Art bei unsern jetzigen Einrichtungen überall existiren? Wo es Feste oder Erhöhungen gewisser Tage des gemeinen Lebens giebt, da müssen auch Werktage seyn — Nur alle sieben Tage ist ein Sonntag — Weihungen gewisser Lebens-Momente zu einem vorzüglichen Lebensgenusse setzen auch gewöhnliche Tage voraus. Und sind wir denn lauter Sonntagskinder? — Bewunderungswürdig ist das Talent zu rechnen selbst bei gemeinen Weibern, ob sie gleich sich über unsere Rechnungsmethode wegsetzen, und oft ihre eigene Arithmetik auch alsdann noch beibehalten, wenn sie nach der gewöhnlichen Schulmethode zu den Geheimnissen der Zahlen zugelassen worden sind. Ihre Kanzelei ist mir, bei aller ihrer Unregelmäßigkeit, schätzbar, wenn gleich Keuschheits-Procuratoren noch nicht einig sind, ob und in wie weit das Schreiben dem weiblichen Geschlechte [S. 316] nützlich oder schädlich sei. Giebt es nicht Männer genug, die ihre Töchter nicht anders zu bewachen wissen, als daß sie ihnen Tinte und Federn untersagen?
Storch, ein neuer Reisender, fand, nach seinen Bemerkungen über Frankreich, in der Schule des berühmten Tachygraphen Coulon de Thévenot zu Paris Mädchen, unter denen es einige in der Kunst geschwind zu schreiben, zu einer erstaunenswürdigen Fertigkeit gebracht hatten. Heißt das nicht mehr als Orthographie und Kalligraphie?
Vieles in der Stadt- und Landwirthschaft hat man bis jetzt als unbedeutend behandelt; viele Hausthiere sind lange nicht in dem gehörigen Maße genutzt und im Ertrage in Anschlag gekommen, und überhaupt ist das anzubauende Feld nicht klein, welches auf Weiberköpfe und Hände wartet, um urbar zu werden — Fast möcht' ich sagen, die Ökonomie sei weiblichen Geschlechtes, und vorzüglich die, welche ins Große geht — Wie wir doch Alles so meisterhaft — wie soll ich sagen? — umzukehren oder zu verkehren gewußt haben!
Und du, heilige Justiz! unübersteiglich dem, der dich, wie der Pilger die Alpen, ohne Alpenschuhe, Stab und Führer ersteigen will! mystische Aristokratie, die du dich oft zwischen Fürsten und Volk stellest — angeblich um Mittler- oder Mäkler-Dienste zwischen beiden zu üben, eigentlich aber um beide zu beherrschen — darf ich es wagen, dich um Audienz zu bitten? Zwar weiß ich, wie edel dir deine Zeit ist, um dich nach einem dreistündigen Sessionsschlaf zu erholen, und zu einer abermaligen Sessionsruhe neue Kräfte zu sammeln; doch will ich dich gewiß weniger aufhalten, als du alle deine Partheien aufhältst — Die Beobachtung der Natur hat den größten Meistern in den schönen Künsten die Regel zugeführt: daß wenige und einfache Zeichen, wenn sie mit Weisheit gewählet werden, eine kräftigere Wirkung thun, als durch eine verschwenderische Häufung zwecklos gewählter Zeichen möglich ist. Darf ich so frei seyn, diesen Umstand der gesetzgebenden und gesetzübenden Justiz zur Erwägung zu empfehlen? Hume ging von seinem Freunde [S. 318] Jortin, einem Geistlichen, mit dem er über natürliche und geoffenbarte Religion einen Wortwechsel gehabt hatte; und da der Philosoph nicht zugeben wollte, daß der Geistliche ihn begleitete, fiel er. Der Geistliche, der ihn fallen hörte, kam ihm mit seinem Lichte zu Hülfe, und machte ihn mit den Worten verdrießlich: »Habe ich Ihnen nicht oft gesagt, lieber Freund, daß Sie Sich nicht zu viel auf eigene Kräfte verlassen sollen, und daß das natürliche Licht nicht hinreicht?« Die natürliche Religion verlor durch diesen Fall Hume'ns nur eben so viel, wie die geoffenbarte durch das Licht Jortin's gewann; allein die Justiz verliert durch den Umstand, daß auch die ersten ihrer Officianten sehr oft nicht wissen, wie sie mit ihr daran sind — Sie fallen mit und ohne Licht, mit und ohne Begleitung; und ich weiß nicht, woran es liegt, daß Niemand recht weiß, was Rechtens ist. Ihre Sentenzen, welche die Sache lösen wollen und sollen, sind gemeiniglich neue Räthsel, die sie aufgeben; und doch gehören viele Sächsische Fristen und viele doppelte [S. 319] Sächsische Fristen dazu, ehe man die hochlöblichen Herren zum Stehen bringt; und wie viele Fristen verlaufen nicht, ehe sie zum Sitzen kommen! Die Justiz war zu jeder Frist eine dürftige Krücke, an welcher der Staat hinkte, und noch obendrein von so schadenfroher und bösartiger Natur, daß sie auch selbst dem, der sich zutrauensvoll auf sie stützte, die Hand durchbohrte. Wie oft sind ihre Urtheile vergiftete Hostien, die man bei großem Pomp des Hochamts empfängt. — — In ihrer goldenen Zeit ist die Justiz ein Guckkasten, worin schöne Raritäten und schöne Spielwerke zu schauen sind — Es gab von jeher unter den Juristen Élégants; und wer hat nicht von der eleganten Jurisprudenz reden gehört? Auch der einsichtsvollste Jurist wird in eigenen Angelegenheiten nicht wissen, was er zu thun und zu lassen habe, um etwas Rechtbeständiges zu unternehmen; und so scheint die gar zu große Kunst der Justiz dem Menschen, den Gott aufrichtig gemacht, völlig unangemessen zu seyn.
Sollte sich einst die bürgerliche Verbesserung [S. 320] der Weiber bis auf die Rechtspflege erstrecken, und das Recht aufhören, ein Monopol einer besondern besoldeten Männer-Klasse zu seyn; nur alsdann wird man anfangen einzusehen, daß Rechtspflege nicht heißt, im Orakelton unverständliche Formeln hersagen, die nur wirksam sind, weil neben der Wagschale auch das Schwert liegt, sondern daß sie sich bemühen muß, die Partheien über Recht und Unrecht zu belehren und zu überzeugen, wenn sie einen Theil der Ehre verdienen will, die sie sich jetzt so gränzenlos und machtvollkommen beilegt. Man sagt: Necker sei tugendhaft, um damit prahlen zu können; la Fayette sei es, um es zu seyn und nicht zu scheinen. Würde dies nicht der Fall mit Richtern aus der weiblichen und männlichen Klasse seyn?
Schon fängt der Gedanke an sich je länger je mehr zu regen, daß nur Gleiche zwischen Gleichen entscheiden können, wenn Recht nicht ein todter Buchstabe bleiben, sondern ein lebendiger werden soll. Würde es indeß nicht schreiendes Unrecht seyn, bis dahin, [S. 321] und ehe jener glühende Funke in der Asche zum Feuer ausschlägt, den Weibern die Richter- und Schöppenstühle zu verschließen? Man behauptet in England: unbesoldete, dem Beklagten gleiche, von ihm anerkannte, nur auf eine kurze Zeit zum Wohl der Mitmenschen und nicht schnöden Gewinnstes oder eitler Ehre halben berufene, einstimmige Richter, oder Geschworne (Juries), wären eine Schutzwehr der bürgerlichen Freiheit, und eine unüberwindliche Festung, wenn gleich die Künstelei der politischen Maschine bisweilen zu gesucht seyn sollte, wenn gleich in ihrem Räderwerke zu viel oder zu wenig Zusammensetzung Statt fände, wenn gleich in der Vertheilung der Gewalt, in der Repräsentation des Volkes, und in der Abtheilung der Stände Organisations-, Schwachheits- und Bosheitsfehler wären — Jene Justiz-Verwaltung allein würde schon, was schwächlich ist, beim Leben erhalten, und nichts erschöpfen lassen, was zum Vortheile und zum Glanze der Nation einen Beitrag liefern kann. In der That, auch im monarchischen Staate [S. 322] könnte durch eine ähnliche Justizverwaltung Alles einen andern Schwung bekommen, und so Manches belebt werden, was jetzt gelähmt ist — Monarch und Volk würden gewinnen. Wie aber, wenn sogar das andere Geschlecht an dieser Rechtspflege Antheil nähme, wenn nicht bloß durch gute Männer (arbitros), sondern auch durch gute Weiber, Zank und Streit beigelegt oder entschieden würde? müßte da die Justizverwaltung nicht noch vollkommener werden? Menschen, die bloß gesetzlich sind, haben keine Haltung; — es sind im eigentlichen Sinne bloß unnütze Knechte, die zwar thun, was ihnen geboten ist, allein damit nichts Gutes stiften — Die Gesetze und die Leidenschaften sind oft so verwandt, daß der, welcher der Vernunft und dem Gewissen (der praktischen Vernunft) nicht folgt, bei aller positiven Gesetzlichkeit nicht selten ein verdorbener Mensch ist — Wer kann hierauf genauere Rücksicht nehmen als das andere Geschlecht? wer es mehr empfinden als Weiber, daß der Zwang, durch den Andere eben so frei werden, die Probe der wahren Freiheit [S. 323] sei? — Trockne und ungekünstelte Wahrheit gilt in der Geschichte und überall mehr, als eine noch so glänzend scheinende Falschheit. Jener medicinische Pfuscher, der einen König von einem Quartanfieber befreiete, welchem alle kunstverständige Ärzte, ihrer hohen und tiefen Gelehrsamkeit ungeachtet, nicht gewachsen waren, antwortete, als er par ordre du Roi den Doktor-Hut erhalten sollte, und der Form halben examinirt ward, auf die Frage: »was ist das Fieber?« eine Krankheit, die Sie, meine Herren, sehr geschickt zu definiren, und nicht zu curiren verstehen, und die ich nicht definiren, wohl aber curiren kann — Die evidente Vernunft ist eine Mitgift, welche die Natur allen Menschen in gleichem Maße bewilligt hat. Der allergemeinste Grundsatz des Naturrechtes, mit dessen Ausübung Zwang unwidersprechlich verbunden werden kann, ist das Gesetz:
verhindere, daß die Vollkommenheit aller
Menschen nicht gemindert werde;
und liegt in dem höchsten Material-Gesetze der Sittlichkeit:
vervollkommne alle Menschen.
Ist Vollkommenheit nicht die höchste Stufe der Ausbildung aller Kräfte zu einem Ganzen? Ich will es hier mit keiner Schule verderben; denn meine Absicht ist nicht, nach väterlicher Weise der Richter- und Philosophenstühle, durch Zank und Streit die edle Zeit des Handelns zu versäumen. Darf ich indeß, um die Justiz zu überzeugen, daß sie mit sich selbst uneins ist, noch beiläufig bemerken, daß die Vollkommenheit aller Menschen mir der Zweck der sittlichen Gesetze zu seyn scheint? Und was will man mehr als diese höchste Ausbildung? Sollten indeß Gesetze nicht auf alle Menschen ausgedehnt werden? Kann man ein vernünftiges Wesen bloß als Mittel zu höheren Zwecken ansehen? Jener allgemeine materielle Grundsatz ist und bleibt ein Kennzeichen der Form aller Sittlichkeit, gemäß der allgemein geltenden Gesetzmäßigkeit und ihrem obersten Grundsatze: die Vorschriften, nach denen du handelst, müssen so beschaffen seyn, daß sie allgemeine Gesetze werden können. Verschlag' ich zu weit, oder kann unsere neue Philosophie nicht ein Tribunalsausspruch [S. 325] meiner Vorschläge werden? Eine gute Gesetzgebung ist sicher das Meisterstück des menschlichen Geistes; und wer aus Kenntniß unserer Natur weiß, daß die Sitten der Nationen ihre Bildung größtentheils der Wirkung der Gesetze zuschreiben müssen, wird es mir nicht verdenken, daß ich unsere Juristen etwas weiter zurückführe, als diese Herren vom gewöhnlichen Schlage zu gehen gewohnt sind. Schon da, wo die Weiber jetzt das Richteramt führen, in gewissen causis privilegiatis, zeigen sie sich als Meisterinnen in ihrer Art, und beschämen ihre Männer, die gemeiniglich Alles verderben, sobald sie es sich herausnehmen, Stellvertreter ihrer Weiber seyn zu wollen —
Man sagt: Weiber wären hart; allein läßt sich die Justiz in Gefühle auflösen? sie wären zu peinlich bei ihrer Nachforschung; allein kann man es zu sehr seyn, wenn es Schuld und Unschuld der Menschen gilt? Es fehlt den Weibern selbst nicht an Gedächtnis, um eine Legion Gesetze zu behalten, noch an Geduld, die ewigen Klagen und Schutzreden der Partheien anzuhören, und in einem feinen [S. 326] guten Herzen zu bewahren; nicht an Beredsamkeit, um den Sturm der Partheien zu besänftigen und die Fluth der Rede in ihr Ufer zurück zu weisen — Wie geschickt würden sie zu Versuchen der Sühne seyn! — Überraschung ist der natürliche Ersatz für alle unangenehme Verwirrung, ohne die sie nicht zu erhalten war; allein ist dies der Fall bei unsern richterlichen Sentenzen? sind sie nicht gemeiniglich ein neues verwickeltes Knäuel? wechselt nicht Verwirrung, bis endlich die dritte Instanz, gemeiniglich durch einen Machtspruch (so sehr auch dies Wort bei den Herren Juristen gehaßt und verfolgt wird) aller Fehd' ein Ende macht? —
Bis jetzt hatten die Weiber kein anderes ernsthaftes Geschäft als Liebesangelegenheiten. Freilich, wenn sie auf einmal, wie vom Himmel gefallen, ohne Vorbereitung, ohne ihnen bewilligte bürgerliche Rechte, und ohne daß man ihnen auf politische Köpfe und Füße hilft, sich in Staatssachen werfen — ist es Wunder, wenn sie, nach einem Französischen Viso reperto, zwar die hysterischen Zufälle [S. 327] verlieren, indeß in noch ärgere fallen? Ernsthafte Sachen sind ihnen zu schön und zu erhaben, als daß sie nicht Alles dieser köstlichen Perle halben veräußern sollten. Zarte Fasern, die man pflegen und warten soll, muß der Gärtner nicht zerreißen; bei einer scheinbaren Ermattung, oder bei einem zu starken Auswuchs, kann er nicht, ohne ein Miethling zu seyn, jene sich hervordrängenden Zweige abschneiden, die so leicht zu besseren Zwecken zu leiten gewesen wären — Er läßt sie in die Höhe schießen oder zur beschützenden Krone gedeihen — Man mäßige bei dem andern Geschlechte die zu starke Neuheit; man bringe Weiber mit mehr ernsthaften Sachen, und zwar allmählich, in Verbindung: und hysterische und andere angeblich ärgere Übel, Leibes und der Seele, Gutes und Ehre, sind gehoben. Die Pfeifer und Geiger wurden auf der Stelle verabschiedet, als Jairi Töchterlein von den Todten erweckt werden sollte — Selbst die Bevölkerung müßte hierbei zunehmen; »es verlohne zu leben,« würden die Weiber denken. Und wie ging es in aller [S. 328] Welt zu, daß man bis jetzt den Vortheil der Menschheit so sehr verkannte? daß man die Weiber als abgeschiedene Seelen in einem Psychodocheum hielt, und sie nie zum wirklichen, sondern bloß zu einer Art von Leben berechtigte? — zu einer Art von Ritterleben von trauriger Gestalt! — Viele Züge würden mehr gehoben, andere sanfter gemischt werden; man würde uns nicht so oft statt eines Nachtstückes die Nacht mit schwarzen Farben verkaufen; nicht so oft aus bloßer Angst und Furcht ein Held seyn; nicht so viele Rechtsglücksgreifer und Marionettenspieler in den Gerichten finden, nicht so viele flache, mit groben Farben überladene Richter und Anwälde und wie die Herren weiter heißen — wenn Weiber an der Rechtsverwaltung Theil hätten. Sind unsere praktischen Rechtsgelehrten nicht gemeiniglich Feinde des Warum? Ist das Verdienst des größten Theils von ihnen nicht, Urtheile in Umlauf zu bringen, die man ein Spielzeug des Gewissens nennen könnte —? Urtheile, die oft das gerade Gegentheil von jener inneren Gerechtigkeit sind, [S. 329] bei der Jeder, wenn er auch gleich durch alle drei Instanzen verloren hätte, sicher seyn kann, daß er nach Gefühl und Einsicht der gesitteten unparteiischen Welt gewinnen und das Feld behalten werde! — Sind die meisten Dikasteria nicht Säulenreihen, die nichts Wichtiges zu tragen haben, und wo man unbedeutende Gegenstände mit Verzierungen überladen hat? Der sichere Ehrgeitz ist weit unausstehlicher, als der, welcher sich vor List und Nachstellung fürchten muß — Die Römer waren, als Staat genommen, keine sonderlichen Financiers; und oft hat mich der sündliche Gedanke angewandelt, ob nicht mit darum Juristen und Financiers einander so spinnenfeind wären, bis auf den heutigen Tag. Würden Weiber an der Finanz- und Rechtsverwaltung Antheil nehmen — ich wette, dieser Haß zwischen Herodes und Pilatus müßte aufhören, und beide Theile mehr zu Gesinnungen der Menschheit kommen, da jetzt die Herren Financiers oft ins Recht pfuschen, und die Justiz es so wenig bedenklich findet, eine Art von Finanz-Operation zu werden — daß [S. 330] die Juristen oft genug die Furierschützen des Finanz-Departements sind. —
Themis! weibliche Gottheit, öffne deine Heiligthümer deinem Geschlechte, und du wirst Wunder sehen, ohne daß du dich bemühen darfst, sie zu thun —!
Während daß wir unsere Hände nach Allem ausstrecken, nicht zufrieden über die Seelen der Weiber à la Padischah zu gebieten, sondern auch an ihren Körpern zu Helden zu werden, zwingen wir das andere Geschlecht, auch auf die Heilkunde Verzicht zu thun, zu der es einen unwiderstehlichen Hang behauptet. Und warum ist die Heilkunde in ihrem weitesten Umfange nicht eine freie Kunst der Männer und Weiber? Fühlen die Weiber nicht so lebhaft, daß die Natur sie ganz eigentlich zu diesem Geschäfte berufen hat? treiben sie nicht, trotz allen Anordnungen, aller Aufsicht und allen Strafen, dieses ihnen so strenge verbotene Handwerk? und haben sie sich nicht — was noch sonderbarer ist — dabei so gar einen Nahmen zu erwerben Gelegenheit gehabt? Frau * * auf * * curirt [S. 331] ihr Haus und ihre Unterthanen, aller Recepte von Scheltworten und Drohungen der kunsterfahrnen Facultisten ungeachtet, und kann sich nicht mit der gestrengen Rechtsgläubigkeit dieser Herren einverstehen, wenn gleich diese Eiferer für des Herrn Haus sich viele gelehrte Mühe geben, in Rücksicht anderer unbedeutender Ärztinnen, ihre Orthodoxie inquisitorisch zu beurkunden — Hüten Sie Sich, gnädige Frau, daß Sie nicht über Hals und Kopf in ähnliche Anfechtung fallen, und wegen ihrer kunstlosen Arzeneien verantwortlich werden! — In einigen Spanischen Provinzen barbieren die Weiber, und Marquis de Langle setzt hinzu: so sollt' es eigentlich und überall seyn, denn ihre weichen sanften und fleischigen Hände taugen weit besser als unsere, das Kinn einzuseifen und das Messer zu handhaben. — In den Entscheidungsgründen kann ich diesem Weiberschutzpatron nicht beistimmen; wohl aber in der Behauptung selbst — Jene nicht ungerechte Befürchtung des Meuchelmordes würde, wo nicht aufhören, so doch außerordentlich geschwächt werden, wenn [S. 332] das andere Geschlecht diese gefährliche Kunst triebe. Die Anlage des andern Geschlechtes zur Arzeneikunst und Chirurgie beweiset unwiderlegbar seine vorzügliche Beobachtungsgabe. Nicht leicht entgehet seiner Aufmerksamkeit auch nur die kleinste vorübergehendste Veränderung der Farbe, der Mienen, des Auges — Jede, auch die unbeträchtlichste, krampfhafte Bewegung der Muskeln weiß sein Blick zu erreichen. Sein Takt ist zarter und feiner, und auch da noch fühlt es Pulsschläge, wo der Arzt, wegen seines gröberen Gefühls, nichts mehr bemerkt. Der leiseste Hauch entgeht den Weibern nicht; sie vernehmen noch das Wort, das auf der Lippe zitterte und starb, und oft verstehen sie die Gedanken — Am praktischen Urtheil, von ihren gesammelten Beobachtungen Gebrauch zu machen, fehlt es ihnen sicher nicht — Schon jetzt bei dem kargen Vorrath von Kenntnissen, und ohne allen Beistand der Kunst, übernehmen sie Kuren, die dem erfahrensten Arzte, wo nicht lauten, so doch stillschweigenden Beifall abzwingen. Wie viel weiter würden [S. 333] sie seyn, wenn ihnen der Zugang nachgelassen wäre, den ihnen ein neidischer Zunftgeist bis jetzt vorenthielt! Würden ihnen das Heiligthum des Epidaurischen Gottes, und die unermeßlichen Schätze der Natur aufgethan und sie in die Geheimnisse der Kunst als Priesterinnen eingeweihet; wie viel wäre für das menschliche Geschlecht gewonnen! da hingegen jetzt die große Angelegenheit, die Gesundheit des Menschen, sich immer in sehr mißlicher Lage befindet, indem viele von unseren Ärzten sich nicht begnügen, Diener der Natur zu seyn, sondern sich zu gestrengen Herren derselben aufwerfen — Wo wir doch überall Herren seyn wollen! Die Arzeneikunst aller, der Natur nahe kommenden Menschen ist so einfach und so stark, daß sie mit wenigen Mitteln alle Krankheiten heilt, so wie Brot die tägliche Schüssel auf allen Eßtischen ist. Die Natur ist so gutmüthig, daß sie uns durch Krankheiten gesund machen will — Unpäßlichkeit ist ein Glockenschlag, wodurch wir zum Bußtage aufgefordert werden — Die Natur macht uns aufmerksam auf uns selbst — [S. 334] und will uns damit locken, daß wir glauben sollen, sie sei unsere liebe gute, unsere rechte Mutter. Und ist sie das nicht? — Der Schmerz? Ach, dagegen ließe sich noch viel sagen. In der That, die Natur scheint mit dem Schmerz ihr Spiel zu treiben. Es giebt Fälle, wo der Schmerz mit der Gefahr in keinem Verhältnisse steht — Zahnschmerzvorfälle, in welchen das Leiden weit größer ist, als die Gefahr; und so auch umgekehrt — Vielleicht wollte die Natur uns lehren, uns aus dem Schmerze überhaupt nichts zu machen und ihn nie auf einen ernsten Fuß zu nehmen. Mache was du willst, sagte ein Stoiker zum Schmerz, (ob er sich gleich nicht entbrechen konnte, mit den Zähnen zu knirschen) ich werde doch nicht sagen, daß du ein Übel bist! und man sage was man will, es liegt in unserm Reden mehr als Ein Linderungsmittel. Wenn wir dem Schmerze freundlich zureden, scheint er Mitleiden mit uns zu haben; und wenn wir ihm trotzen, scheint er sich zu fürchten. Wer den Schmerz in Schimpf oder Ernst übersieht, und sein [S. 335] unverwandtes Seelenauge mit strenger Aufmerksamkeit auf einen andern Gegenstand heftet, spielt dem Schmerz einen Streich, daß er nicht weiß, wie er daran ist. In allen diesen Rücksichten ist vom andern Geschlechte mehr, unendlich mehr, als vom unsrigen zu erwarten — Ein gewisses Segensprechen, ein gewisses Hohnsprechen, ist ihm eigen — Man seh' es leiden, man seh' es mitleiden, und Beileid bezeigen — man hör' es Trost und Muth zureden —
Wie viel eine vernünftige Lebensordnung zur Erhaltung der Gesundheit beiträgt, und welch ein bedeutendes Hauptstück hier Speise und Trank ausmachen; wie vieles dabei auf wahre Zubereitung ankommt: das sind Umstände, von denen jeder überzeugt ist; und doch wird dieser wichtigste und eigentlichste Theil der Arzeneikunst ganz dem weiblichen Geschlecht überlassen, ohne ihm die geringste Kenntniß von dem zu lehren, was es zubereitet, noch wie es dasselbe zubereiten muß, wenn die thierische Maschine unterhalten und nicht zerstöret werden soll — Vielleicht würde [S. 336] es durch Vermittelung der Weiber dahin kommen, daß Speise und Trank zu unserer Medicin würden, daß wir Medicin nicht mehr einnehmen dürften — Wird nicht die Hälfte ihrer Wirkung durch den Ekel eingebüßt, den das Einnehmen veranlaßt? Kurz und gut, das zahllose Heer von Processen und Krankheiten würde vermindert werden, wenn Weiber Richter und Ärzte wären. Ist es nicht leichter, manchen Krankheiten auszuweichen, als sie zu heilen? ist es nicht heilsamer für den Staat, wenn weniger seiner Bürger von Krankheiten heimgesucht werden, als wenn ihnen durch die Kunst der Ärzte die Gesundheit wiedergegeben wird? Ist das auch wirklich Gesundheit, was diese Herren den Kranken dafür verkaufen? Wahrlich, eben so wenig, wie das Gerechtigkeit ist, was wir in unsern Gerichtshöfen sehr theuer bezahlen —
Väter des Staats, errichtet, statt klinischer Institute, Schulen für die Weiber, wo das, was zum Unterhalt und zur Nahrung des Menschen dienen soll, näher geprüft und untersucht wird; wo sie gelehrt werden, Speise [S. 337] und Trank auf eine unschädliche und schmackhafte Weise zu bereiten, und das Leben und die Gesundheit der Staatsbürger zu sichern. Aber auch selbst in moralischer Rücksicht wäre es den Sitten, und dem Staate, dem die Sitten seiner Bürger vorzüglich zu Herzen gehen müssen, vortheilhaft, wenn den Weibern gestattet würde, Arzeneikunde zu üben.
Weibliche Ärzte müßten sich weit eher das Zutrauen bei den Kranken ihres Geschlechtes erwerben. Diese würden ihre Gebrechen leichter und mit weniger Zwang entdecken, und jene, aus Erfahrung mit der Natur und Beschaffenheit des weiblichen Körpers, mit seiner periodischen Ausleerung bekannt, sicherer dem Übel nachspüren, rathen und helfen können. Dann würden weibliche Krankheiten nicht mehr die Schande der Ärzte seyn, und vielmehr eine Vollkommenheit in der Kunst erreichet werden, in so fern Vollkommenheit zu erreichen ist —.
Schamhaftigkeit, diese Tugend, die das andere Geschlecht so herrlich kleidet, mit der, wenn sie verloren ginge, alle Grazien [S. 338] und Reitze ihre Kraft verlieren würden; sie, die durch nichts ersetzt wird — ist sie nicht oft die Ursache, daß Mädchen Gebrechen so lange verheimlichen, bis dieselben nicht mehr zu heben sind? oder daß sie lieber mit Gefahr ihres Lebens auf die Hülfe der Kunst Verzicht thun? Wie manche hat eine Entzündung in's Grab gebracht, die, wenn sie weniger schamhaft gewesen wäre, im Augenblick hätte gerettet werden können —! Wie viele büßen nicht durch schwere Geburten ihr Leben ein, die es erhalten und dem Staate noch viele Bürger geschenkt haben würden, wenn Geburtshülfe eine weibliche Kunst wäre, wenn man den Hebammen nicht bloß das Mechanische dieser Kunst überließe, das Wissenschaftliche derselben aber sehr weislich den Männern vorbehalten hätte! Ist es bei diesen Umständen ein Wunder, daß in London und Dublin von Frauen, die sich durch Hebammen entbinden lassen, Eine unter 70, und von denen, die sich der Aufsicht männlicher Geburtshelfer bedienen, nur Eine unter 140 im Wochenbette stirbt? In der That, es bleibt [S. 339] unsittlich, daß ein Eheweib ihren Körper vor irgend einem Manne, den ihrigen ausgenommen, entblößt! Verscheucht dergleichen Überwindung der Schamhaftigkeit nicht Alles, was man Ehrbarkeit nennen kann? Wie viele Villacerfsche Fälle mögen, ohne daß sie verzeichnet sind, sich ereignet haben, wo ein Arzt im verliebten Taumel nicht wußte, was er that! wo er, um ein Weib zu verführen, oder ein Mädchen zu gewinnen, die Kur verlängert, sie anders lenkt, und oft bloß in dieser Rücksicht einen langsamen oder schleunigen Tod, ohne daß er es dazu anlegte, befördert! Und wenn man weiß, was Eifersucht vermag, wer zittert nicht bei diesem Gedanken und bei der Einrichtung, nach welcher man dem Arzte so viel anvertrauet, ohne selbst nur den leidigen Trost zu haben, durch drei Instanzen seinen Proceß zu verlieren!
Woher kommt es, daß der so wichtige und über alles gehende Widerstreit zwischen Wohlstand, Sitten und Bedürfniß bis jetzt übersehen worden ist? Hat man ihn aber nicht übersehen, warum ist denn dieser Mißstand, [S. 340] dem so leicht abzuhelfen war, unabgeholfen geblieben? Man kann sich bei dergleichen Umständen des zudringlichen Gedankens nicht erwehren, das moralische und physische Wohl der Bürger sei nicht das, womit die Staats-Piloten sich zu beschäftigen scheinen. In der That, Glück und Zufall sind es gemeiniglich, welche Bahn und Fahrt bestimmen; denn es giebt der hier einschlagenden Unschicklichkeiten noch weit mehr, von welchen der Staat keine Notiz nimmt, ungeachtet sie einer ernstlichen Rüge bedürfen, und ungeachtet es federleicht seyn würde, diese Quellen so mancher unmoralischen Folgen zu verstopfen — Noch bedient man sich der Tanz- und Singemeister, um dem Frauenzimmer Tanz und Musik beizubringen, und scheint es entweder nicht zu wissen oder nicht wissen zu wollen, wie nahe die weibliche Tugend hier der Gefahr ist, wie Manche diesen Versuchungen nicht widerstanden und als Opfer fielen.
Man läßt es geschehen, daß Männer Weiberköpfe putzen, und ahndet nicht, was hier [S. 341] für Gedanken geweckt, was für Bilder aufgeregt und was für Begierden gereitzt werden. Man vergißt, daß die Gattin und Tochter müßig sitzen, daß das Wühlen in den Haaren einen gewissen physischen Kitzel, wo nicht bei beiden, so doch bei Einem Theile erregt; man übersieht gewisse Stellungen, die einen aufmerksamen Beobachter viel errathen lassen. Zwar hat man angefangen, diese Geschäfte weiblichen Händen zu übertragen; allein noch ist dies eine Seltenheit und eine ökonomische Veranstaltung. Ein kleinlicher Bewegungsgrund, wo es doch deren so viele und so wichtige giebt.
Auch die weibliche Kleidung sollte durch Weiber angemessen und gefertiget werden. Die Manipulation eines männlichen Schneiders und Schusters ist unschicklich. Wär' es dem Staate Ernst, die große und edle Hälfte seiner Bürger nützlich zu beschäftigen; fühlte er die große Verpflichtung, diejenigen, welche die Natur gleich machte, auch nach Gleich und Recht zu behandeln, ihnen ihre Rechte und mit diesen persönliche Freiheit und Unabhängigkeit, [S. 342] bürgerliches Verdienst und bürgerliche Ehre wiederzugeben; öffnete er den Weibern Cabinette, Dikasterien, Hörsäle, Comptoire und Werkstätten; ließ' er dem vermeintlich stärkeren Manne das Monopol des Schwertes, wenn der Staat sich nun einmal nicht ohne Menschenschlächter behelfen kann oder will; und machte er übrigens unter beiden Geschlechtern keinen Unterschied, so wie die Natur es wollte, und wie die bürgerliche Gesellschaft es auch wollen sollte, wenn sie sich nicht etwa ihrer natürlichen Herkunft schämt: so würden Staatswohl und Staatsglückseligkeit sich überall mehren, die Menschen wachsen wie die Weiden an den Wasserbächen, und die Menschheit ihrer großen Bestimmung mit schnellen Schritten zueilen —
Doch! ich wollte nur Winke geben, und verdiene vielleicht den Beinamen, den man Burke'n zu einer gewissen Zeit beilegte: the dinnerbell, die Eßglocke, weil die meisten Parlamentsglieder, wenn er zu peroriren anfing, das Haus verließen. Die Wahrheit bedarf keiner [S. 343] Schminke, und wer der Schönheit wegen schreibt, unterwirft sich dem Schicksal einiger Damen unserer verderbten Zeit, die sich weit lieber erkälten, als dem Putze das Mindeste von seinen modischen Rechten entziehen. Will man etwas in seinem ganzen Umfange, in seiner ganzen Stärke genießen, so entferne man alles Fremdartige, und mache es wie große Esser, die, außer dem Geschmack, den übrigen Sinnen in ihrem Eßsaale den Zutritt nicht verstatten. Selbst weite Aussicht, Tafelmusik, unterhaltende Gespräche entkräften ihr Vergnügen — Still essen sie, und Alles hat bei ihnen seine Zeit — Alles was kolossalisch in's Auge fällt, ist schwächlich. Wer Menschen vergöttert, macht weniger aus ihnen, als sie von Gottes- und Naturwegen seyn können. Immerhin Gott, nur kein Mensch, hieß es von Höchstseligen Tyrannen — Detail-Vorschläge geben sich von selbst, wenn nur der Total-Eindruck unauslöschlich ist. Der Text muß sich nicht in den Prediger, sondern der Prediger in den Text schicken; und was hilft wissen und wollen, wenn es [S. 344] nicht zum Thun kömmt! Wer nicht Nebenfolgen von eigentlichen, und Nebenursachen von Hauptursachen zu unterscheiden weiß, hat seinen Plan nur schlecht angelegt — oder hat gar keinen. —
Wie aber! es erheben sich Einwendungen an allen fünf Fingern der vorigen Kapitel. Immerhin! und wären sie auch nichts weiter als wiederholte Wiederholungen, an denen denn doch meine Wenigkeit nicht Schuld ist, sondern (Niemand übrigens zu Leide gesagt) meine gebetenen Gäste von Opponenten. — Jene Chroniques scandaleuses wider das schöne Geschlecht, von Misogynen und vielbeweibten Männern, von Kastraten und körperlichen Kraftgenies, (die, in der Voraussetzung, das sinnliche Bedürfniß sei das größte Band unter beiden Geschlechtern, des Dafürhaltens sind, die starken Männer wären auch die besten) von Thoren und Weisen, von Heiligen und Liederlichen, von Sultanen und Keuschheitswächtern, geschrieben und erzählt — werden sie vermögend seyn, uns umzuschaffen oder der Natur Gewalt zu thun —? Das [S. 345] Weib sei nur des Mannes wegen? Wohl, so wie der Mann des Weibes halben. Hast du nie ein Weib gesehen, Freund, das bei liebenswürdiger Einfachheit eine erhabene Größe verräth? bei voller Publicität und Offenheit eine enthaltsame, strenge Zurückhaltung? — bei edler Zutraulichkeit forschende Prüfung? — Es legt es nie auf Herzen an, und doch gewinnt es alle Herzen. Das edle Absichtlose, das die Poësie behauptet, ist seine Weise; und wie viel richtet es damit aus! Sein Blick, der durch die Kirchenschlösser der Herzen dringt und Alles für und wider entdeckt; — seine Kraft, die Alles niederdrückt und hebt was es will; gleich frei von Freude wie von Leid, von Furcht und Hoffnung unbefangen, für den heutigen Tag lebend ohne Sorgen für den andern Morgen — wie schnell und wie umfassend wirksam, zur Selbstherrscherin aller Herzen geboren, erhebt dies Weib zu seinen Freunden, die es durch die Hoheit seiner Würde zu seinen Untergebenen machte! Koketterie — sagst du —? Nun, so ist Kosmopolitismus Stoicismus — und die [S. 346] erhabenste Menschentugend im Leben und im Tode Koketterie! Von Natur sollte das Weib nicht den Cajus, Titius und Sempronius lieben, sondern das Geschlecht; durch die Ehe wird es Eines Mannes Weib: an jene Umfassung gewohnt, geht auch seine Denkart in's Allgemeine, in's Ganze, in's Große — Macht ein großer Mann jene Rolle des großen Weibes; sage unverhohlen: fehlt ihr nicht oft Geist und Leben? — Du zürnest, Freund? Was denkest du Arges in deinem Herzen?
»Alle Übel in der bürgerlichen Gesellschaft sind Werke der Weiber!«
Der Weiber, die doch in den politischen Gesellschaften nur Nullen sind, und ohne eine vorstehende männliche Zahl keine Bedeutung haben? Und warum ihr Werk? weil sie Männer dazu verleiteten? die Curandinnen die wohlweisen Curatoren? Wegen des Einflusses, den man den Weibern nicht versagen konnte, den auch Sklavinnen über ihre gestrengen Herren behaupteten. So sehet denn da die Rache, welche die Natur sich nicht versagen [S. 347] kann, wenn man ihre Majestät beleidigt —! Entzieht den Weibern keinen jener Antheile, wozu sie unleugbare Rechte haben, und ihr werdet jenen Schleichhandel von selbst heben, den jetzt die Weiber zum Nachtheile ihrer Männer und des Staates treiben. Die Vernunft ist göttliches Ebenbild, und wo ihr sie findet, da ist es Pflicht, ihre Superiorität an zuerkennen — Wo sie erscheint, ist Werth, Würde und Selbstbeständigkeit. Sie regiert im Kleinsten der Unterthanen den Größten, den Herrn der Welt — und in dem Staate, wo sie unterdrückt wird, hören die Weisen die Stimme, welche sie auf ebene Bahn leitet: Stehet auf und lasset uns von hinnen gehen! Oder wie? ist etwa der Werth des anderen Geschlechtes nicht auf Vernunft, sondern auf Sinnlichkeit gegründet? Ei, Lieber! können wir uns, so lange wir Kleider der Sterblichkeit tragen, über die Sinnlichkeit hinaussetzen? Nur ein Pedant kann die Sinne die Deutschen Klassen nennen; kommen wir nicht durch sie und durch die Empfindung der Vernunft zuvor? gründen die Sinne nicht die Vernunft? [S. 348] sind sie nicht — die höchsten Revisoren derselben? erheben sie die Vernunft nicht zu ihrer eigentlichen Würde? ist die Vernunft nicht generis foeminini? und der Geschmack? ist er nicht mit so schönen sittlichen Ideen ausgestattet, daß es eine Lust ist? Muß die Vernunft sich nicht vielmehr von Amtswegen versinnlichen, um über das Herz zu siegen, das ein trotziges und verzagtes Ding ist, wer kann es ergründen —? Würden wir nicht aufhören Menschen zu seyn, und übernatürlich werden, wenn wir auf das Wesen der Menschen Verzicht thäten? ist übernatürlich nicht auch unnatürlich? Das feinste Raffinement ist immer ein Verwandter der Simplicität. Das Loos dieses Lebens ist eine Menschenrolle; ist sie so subaltern wie sie scheint, und verdient der Beförderung, der im Geringeren ungetreu ist? Erst durch die Ehe wird das Weib in eben dem Grade durch den Mann vollendet, wie der Mann durch das Weib — Mann und Weib machen einen ganzen Menschen aus — Die relativen Eigenschaften, die zwischen beiden auf einander angelegt sind, [S. 349] setzen diese Behauptung außer Zweifel. Darf ich es noch einmal wiederholen, daß der Vorzug der physischen Größe und Stärke des Mannes in Hinsicht des Weibes sich auf keine moralische Überlegenheit unseres Geschlechtes bezieht? Kein Geschlecht hat den mindesten Werth ohne das andere; zusammen genommen machen sie die Menschheit aus. Wir spielen aus Einer Kasse, und die Natur hat Mann und Weib so zusammen gefügt, daß kein Mensch sie scheiden kann — In einander verwebt, ist Eins um des Andern willen. Eifersucht auf Ansehen ist der Hebel, wodurch nur schwache Menschen gereitzt und in Athem gesetzt werden können. Was kann sich ohne Weiber gruppiren? Gehe mit einem dir völlig gleichgültigen Weibe um, nur langer Weile halben — ehe du es merkst, wird deine Seele in die ihrige eingreifen; ihr werdet nicht von einander lassen, ohne daß Lust oder Liebe hierbei den mindesten Einfluß hat — Dieser Einklang ist Geschlechtstrieb, oder inniges geheimes Gefühl, Bestätigung der göttlichen Worte: Es ist nicht gut, daß der [S. 350] Mensch allein sei — Ohne Eva ist Adam ein Thier, und Eva ohne Adam eine Klosterjungfer. Wer bemerkte nicht, daß fast alle Männergesellschaften mit dem Paradiese anfangen und mit dem jüngsten Gerichte enden! Man erstaunt über die Sprünge, welche Männergespräche nehmen — Weiber knüpfen sie zusammen und bringen Alles in das Verhältniß, wenn gleich gesellschaftliche Unterhaltungen mit Recht die Art der Englischen Gärten behalten, die genau gebahnte Wege vermeiden. — Wäre größere körperliche Stärke mit einer größeren Seelenkraft verbunden, so würde diese Schrift sehr klein geworden seyn, und es hätte nicht verlohnt, an eine bürgerliche Verbesserung der Weiber zu denken. Macht aber der Geist des Menschen sein eigentliches Wesen und Seyn, so ist die Unfähigkeit des Weibes zu Staatsgeschäften, Künsten und Wissenschaften ein Vorwand, allein kein Einwand — Selbst nicht immer sind die Weiber schwächer gebauet als die Männer — »In einzelnen Fällen —? in niederen Klassen?« Nein! auch selbst im Allgemeinen. In Champagne, wo [S. 351] die Einwohner ein gesunder Schlag Leute sind, sollen, nach der Bemerkung der Reisenden, die Weiber stärker seyn als die Männer; und wie viele junge Wüstlinge giebt es, die sich das Alter in der Jugend inoculiren ließen, um so wenig vor Alter, wie an den Pocken zu sterben —! Ich will für meinen Einwender Gründe auslegen, die er mir hoffentlich zu seiner Zeit erstatten wird. Zugegeben, daß das Weib im Allgemeinen und bei allen Nationen, so wie überhaupt, in der ganzen thierischen Schöpfung, schwächer, feiner und zarter gebauet ist als der Mann; zugegeben, daß die weiblichen Nerven biegsamer, reitzbarer und zärtlicher als die unsrigen sind: was folgt daraus? etwa, daß der Körper der Weiber nicht zu langen Anstrengungen des Geistes angelegt sei? daß sie wegen ihrer lebhaften Imagination nicht lange bei einem Gegenstande verweilen können? daß Anstrengung des Kopfes, Sammlung des Geistes ihre Sache nicht sei? — Giebt es nicht wissenschaftliche Gegenstände, welche Biegsamkeit und Feinheit erfordern? Läßt denn körperliche Stärke auf [S. 352] geistige schließen? und hat ein vierschrötiger Tagelöhner die beste Anlage zum Generalsuperintendenten? — Die vorzüglichsten Menschen hatten schon oft die schwächlichsten Körper. Eine große Seele hat selten einen handfesten Leib zu seinem Gefährten gewählt; Freund Hume und einige andere ausgenommen, waren große Geister in der Regel klein und schwächlich —. Was wohl leibet, heißt es in einem alten Sprich- und wahren Worte, seelet oft übel. Selbst Alexander und Friedrich II waren klein von Körper, so wie Helden gewöhnlich nicht auf große Statur Anspruch hatten. Oder wie? haben Physiologen ausfindig gemacht, daß die ursprüngliche weibliche Organisation die Weiber zu subalternen Geschöpfen mache, ihnen den Weg zu allem Edlen und Großen vertrete, und, wenn auch Jünglinge und Mädchen einerlei Unterricht empfingen, von einerlei Motiven zu ihrer Geistesbildung angetrieben würden — jene doch diese allemal überflügelten? Wären diese Beobachtungen wahr und richtig, so müßte man freilich glauben, auch wenn man das gerade Gegentheil sähe — Ei Lieber! [S. 353] wo hat man den Erfahrungsschatz gefunden? gesammelt hat man ihn doch nicht? wo sind Versuche gemacht? absichtlich gemacht? und müßte das nicht vorausgegangen seyn, wenn man über Anlagen und Fähigkeiten so absprechen wollte? Es hat nie weder an Köpfen noch an Herzen unter den Weibern gefehlt, die den Männern den Rang abgewonnen! Ich beziehe mich auf den Anfang dieses Ohrfingers von Capitel, welcher so spendivisch preiswürdige Namen genannt hat — Und warum wollen wir mit einander streiten, da jeder Blick aus der Arche der Studierstube das Vorurtheil der Weiberverachtung widerlegen kann und wird — falls ihm kein gefärbtes Glas die Kraft benimmt. Es geht meinem Gegner wie vielen andern seiner Art: er bestreitet nicht die Sache selbst, sondern die unrichtigen Begriffe, die er sich von der Sache macht; nicht mich, sondern sich —
Freilich — (ein erwünschter Anfang von einem Opponenten!) Freilich wallfahrtete die Königin aus Arabien, um bei dem Professor Salomo einen philosophischen Cursus zu hören; [S. 354] und wir können nach der Liebe hoffen, daß er sie nicht ohne augenscheinlichen Segen seiner Schule entlassen haben wird.
Der Schule der Weisheit doch wohl? sonst müßt' ich dies Freilich mit Zinsen zurückgeben. Wo der liebe Gott eine Kirche hat, da bauet sich der leidige Feind eine Kapelle — Jede Akademie der Weisheit hat ein Gymnasium der Torheit in der Nähe; in der größten Schönheit liegt der Stoff zur größten Häßlichkeit — Je glücklicher die Vernunft den blauen Dunst zu verbreiten sucht, der unser Auge verfälscht; je heftiger wird die Begierde, sie durch Besuche aus jenen Gegenden zu widerlegen, wo abgeschiedene Seelen hausen — Beweiset die königliche Wanderschaft (des Freilichs ungeachtet) nicht klärlich, wie begierig die schöne Welt — wohl zu merken nach Weisheit ist —? in Ernst, was wissen wir denn? Sind Weiber gleich zuweilen des Dafürhaltens, einer Philosophie nicht zu bedürfen, nach welcher wir uns rühmlichst den Kopf zerbrechen, um grundgelehrt sagen zu können: wir wüßten nichts; [S. 355] können ihnen dagegen wohl Energie der Seele und tiefgeschärfte Bemerkungen abgesprochen werden? Und so wäre denn auch dieses Spiel für die Weiber gewonnen — — — Kinder reicher Leute sind gemeiniglich so baufällig, wie die Hütten der Armen, und langer Nichtbrauch kann Kräfte schwächen; — allein auch heben?
Wer kann behaupten, daß das Eigenthümliche des Geschlechtes nichts Bestimmendes für die bürgerliche Gesellschaft habe? Das Weib hat Selbstliebe und die damit correspondirende Selbstbeständigkeit — Ist bürgerliche Gesellschaft denn etwas anderes, als eine vergrößerte häusliche? oder sind etwa auch in der häuslichen Gesellschaft die Weiber nicht an Ort und Stelle? Wo sind Privatgesellschaften, die in die Länge ohne Weiber sich halten könnten? Ihren Hauptreitz verdanken sie den Weibern, deren munterer leichter Ton Alles in's Geschick bringt, und die schwersten Gegenstände schmackhaft, anmuthig, gefällig und geläufig zu machen versteht — Sie finden zu den Gedanken des Mannes die schicklichsten Ausdrücke; und oft hab' ich zu bemerken Gelegenheit [S. 356] gehabt, daß, umgekehrt, Männer die Gedanken des anderen Geschlechtes durch wohlgewählte Worte zu beleben suchen. Bei jeder Regel haben sie zehn Fälle bei der Hand, die jene bestärken oder widerlegen; ihre vom richtigsten Geschmack gebildete Einbildungskraft bringt in die abstraktesten Dinge eine lebendige Seele! Wir wollen viel wissen, die Weiber viel verstehen; wir wollen viel gedacht haben, die Weiber viel sagen und in Umlauf bringen. Sie protegiren gemeiniglich nicht Gelehrte, sondern die Gelehrsamkeit; weniger eitel in dieser Hinsicht als wir, legen sie es darauf an, weniger gelehrt als weise zu seyn; sie ehren den Witz, und bedienen sich seiner als der ihnen von Natur beigelegten Waffen, sich in Achtung zu setzen und darin zu erhalten. Durch Witz beleben sie ihre gesellschaftlichen Cirkel, und halten jede Ungezogenheit ab; ihre gefällige Laune tingirt Alles mit Wohlgefallen — Dem Pedanten schleifen sie den Rost ab, damit er erträglich werde; und wenn Newton ihren Finger nimmt, um seine Pfeife nachzustopfen, so wissen sie [S. 357] diese unverzeihliche Zerstreuung zu seinem Vortheile zu wenden; wenn er etwas über die Offenbarung Johannis schreibt, so thut es durch den Schutz, den sie ihm angedeihen lassen, ihm an dem Orte, wo er lebt, keinen Schaden. Ein großer Gewinn! Nichts wird so wenig vergeben als persönliches Verdienst, und nichts wird so gern von Damen in Schutz genommen als eben dieses. Empfindlichkeit ist innig mit Genie verbunden: in unserem Glücke liegt auch immer der Keim unseres Unglückes; und wie viel haben Damen zu thun, um hier Alles zum Besten zu kehren, zu ebenen und in's Gleichgewicht zu bringen! Ruhe und Ruhm sind selten gute Freunde; Damen versuchen die Sühne unter ihnen, und wissen sie zu vergleichen. Sie vertreiben jenen Rauch in den Schriften der schönen Geister, der Alles räucherig gemacht haben würde, wenn nicht in Zeiten frische Luft dazu gekommen wäre. Sie stellen bei kleinen Soupers witzige Turniere an, und lenken das Gefecht. Sie widersprechen nicht wie mein Gegner, sondern oft nur, damit man einsehe, [S. 358] daß hier ihrer Zwei sind — Wenn Gelehrte Gedanken überschlagen, so wie man Blätter überschlägt; so füllen sie die Lücken, und setzen Alles in Verbindung — Ihre Aufmunterung erhält den verdienstvollen Schriftsteller aufrecht, wenn Knaben ihn einen Kahlkopf heißen; sie decken ihn mit ihrer Ägide vor den feurigen Pfeilen des Neiders und Spötters, so daß die besten Autoren an ihrer Hand die Stufe der verdienten Würde erstiegen, die sie ohne diese Engel der Stärkung gewiß nicht erreicht haben würden — In der Blüthe wären sie verwelkt, und noch ehe sie zu männlicher Stärke gelangten, würden sie, ohne weibliche Aufmunterung, Autorlebenssatt dahin geschieden seyn — Die Prämien aller Akademien können nicht den aufgekitzelten Witz eines Spötters in unserm geselligen Kreise zügeln; — und Weiber, die so wohlthätig in kleinen Gesellschaften sind, sollten es weniger in größern und im Staate seyn —? Ein Englischer Reisender macht die Anmerkung, daß die Französinnen in den Tagen der Fröhlichkeit und des Genusses glänzten, die Engländerinnen [S. 359] dagegen im Schatten des eingezogen Lebens und in der häuslichen Ruhe — Man lasse sie zu Staats-Geschäften, und wir werden finden, daß sie nicht bloß zum Englischen Frühstück, zu einer Französischen Assemblee, sondern auch in Geschäfte die nämliche Milde und Güte bringen werden, die sie überall, wo sie sind, verbreiten — Sie sind das Salz der Erden, das Allem Geschmack giebt, das Licht, das überall erleuchtet, es mag als Mond des Hauswesens, oder als Sonne des Staates aufgehen. Nicht nur die angeborne Moral ihrer schönen Seelen; nicht nur ihre Herzenskunst die feinsten Winkelzüge des menschlichen Empfindens zu erreichen; nicht nur ihr durchdringender Blick, der wie die Steine Davids Goliathe tödtet; sondern auch jene Eigenschaften, die uns die Kindheit so liebenswürdig machen, ihre edle Einfalt, ihre Güte des Herzens, ihre von, aller Menschenfurcht entfernte Seele, ihr unbesorgtes Vertrauen auf den Vater im Himmel und auf eine gerechte, eine gute Sache, würden die Staatsgeschäfte wiedergebären, und wir einen neuen [S. 360] Himmel und eine neue Erde des Staates sehen, wo Gerechtigkeit und Milde wohnten, und in einem neuen heiligen Leben wandeln. — Es wäre eine unverzeihliche Spötterei, wenn man auf die Frage: warum die weiblichen monarchischen Regierungen besser als die männlichen sind? antworten wollte: weil alsdann Männer das Ruder in Händen haben, so wie, wenn Männer regieren, Weiber sich am Ruder befinden; allein auch selbst diese Spötterei, so wenig sie von der Geschichte gerechtfertigt wird, beweiset mindestens, daß Weiber guten Rath zu schätzen wissen: und ist dies nicht bei Männern nur selten der Fall? Doch, berufen Einwendungen zu lösen, wie komm' ich zur Apologie —?
»Eine Hauptbestimmung des Weibes ist Kindererziehung. Um desto sicherer zu glänzen, versäumt es diese Pflicht, die Miethlingen überlassen werden muß; und wenn etwa eine Mutter noch mit getheiltem Kopf und Herzen die Erziehung ihrer Tochter übernähme — ist es Wunder, daß sie, durch Gesellschaft verdorben, anfänglich mit ihr paradirt, [S. 361] und nicht lange nach diesen Tagen eifersüchtig auf sie wird?« —
Lieber! ist die Erziehung bloß Pflicht der Mütter, oder liegt sie nicht auch den Vätern ob? gehören die Kinder nicht beiden? Und wenn der Vater, dieser Verpflichtung ungeachtet, nicht aufhört gesellig zu seyn, warum soll es denn die Mutter? Wozu werden Kinder erzogen? nicht zur Gesellschaft im Großen und Kleinen? und diese kennen zu lernen, soll die Mutter Verzicht thun? sie soll erziehen, ohne die Erziehungskunst zu kennen? — Einer der ungerechtesten Vorwürfe ist es, die große Weichlichkeit unseres Jahrhunderts auf die Rechnung der Weiber, und des Tons, den sie in Gesellschaften angeben, zu setzen. Sind wir wohl so weichlich wie die cultivirten Völker, die ihre Weiber einsperren? Selbst zu gymnastischen Übungen giebt das andere Geschlecht unsern Jünglingen Gelegenheit, die indeß kaum noch Kraft zum Tanze haben, der ohne die Weiber völlig aufhören würde —! — Die Weichlichkeit fing von jeher bei unserem Geschlechte an, und gewiß haben wir es den [S. 362] Weibern zum größten Theil zu verdanken, daß sie nicht noch größere Verwüstungen macht. Jene Eitelkeit, die jetzt den Weibern anklebt, wird von selbst aufhören, wenn wir ihnen den Zutritt zu Dingen verstatten, wo sie sich von einer vortheilhafteren Seite zeigen können. Bis jetzt schränkte sich ihre ganze Bestimmung auf die Kunst ein uns zu gefallen, und ein Mädchen hat seinen Lauf vollendet, wenn es das Glück hat, einen Jüngling anzuwerben, der seiner würdig ist. Gebet den Weibern und Mädchen andere Beschäftigungen, und sie werden jene Kleinigkeiten, jene Puppen aufgeben, und die äußerlichen Vorzüge weit unbeträchtlicher finden, als ein großer Theil unserer Narcissen, die im Spiegel der Mädchen bloß ihr geziertes Selbst erblicken. Befriedigen wir überhaupt durch das, was wir dem anderen Geschlechte zugestehen, nicht weit mehr unsere Eitelkeit, als die Forderung der Natur, als die Wünsche eines denkenden Weibes? Es ist nicht zu leugnen, daß jetzt auch eine tugendhafte, ihrem Manne getreue Frau eine gewisse Koketterie für keinen [S. 363] Fehler hält und Männern von Verdiensten so liebreich und zuvorkommend begegnet, daß diese nicht umhin können, ihr eine vorzügliche Dankbarkeit zu erweisen — Doch sollen hierdurch Begierden nicht geweckt oder gereitzt werden; nie denkt jene liebe Frau sie zu befriedigen, und der Mann, der darauf Rechnung machen wollte, wäre ein Neuling, oder ein Prahler oder — Wenn der liebe Gott einen Menschen strafen will, so fängt er an, ihn inconsequent reden oder handeln zu lassen — — Es giebt stillschweigende Bedingungen, die, ob sie gleich nicht verabredet, sondern vorausgesetzt und angenommen sind, doch heiliger als schriftliche Contrakte, mit Notariatssiegeln verunstaltet, erfüllt werden — sie sind eine Art von Spielschuld, die auch den Königlichen Allerhöchsten Kassen vorgeht — Bei der jetzigen Lage der Dinge trägt diese Koketterie des gemeinen Lebens dazu bei, daß der Umgang anziehender wird — man macht, wenn ich so sagen darf, nicht dem Körper, sondern der Seele den Hof, und es giebt in der That Seelen-Cicisbeos, die unschuldigsten [S. 364] Geschöpfe unter der Sonne — Eine gewisse Art von Gleichheit unter den Menschen, welche an die Unschuld der ersten Welt erinnert, wird hierdurch zu Stande gebracht; und so lange Weiber an den Staatsgeschäften nicht Theil nehmen, und wir keine ernsthafte Dinge mit ihnen und in ihrer Gegenwart treiben können, ist diese Koketterie ein Nothübel, ohne das unsere Gesellschaften das Schalste, Unreitzendste und Langweiligste seyn würden, was je in der Welt gewesen ist und seyn kann.
Der Einwand meines Gegners, daß Weiber zu viel Zeit auf ihren Leib verwenden, spielt den Krieg in sein eignes Land — Sind wir es nicht, die ihnen die Seele bestreiten —? die sie auf den Körper einschränken? Ist denn etwa der Körper uns bloß Ballast, mit dem die arme Seele sich beschwert hat, um auf der Fahrt dieses Lebens fortzukommen? oder ist er nicht vielmehr ein ehrwürdiger Theil des Menschen? — Wer die Seele den Genius des Menschen nannte — hatte der so ganz unrecht? Man gradiere die Weiber im [S. 365] Staate, so wie man dem Golde eine höhere Farbe giebt; und sie werden über den Leib die Seele nicht versäumen — Ist es Ernst, lieber Einwender, oder ist deine Behauptung, daß die Weiber eine unüberwindliche Neigung zur Pracht besitzen, wodurch sie ihre Männer zur Verschwendung und zu betrügerischen Concursen verleiten, Scherz? — Ernst also! Lieber! wer brachte sie auf die Bahn zur Pracht? nicht der Stand des Mannes? müssen sie nicht diesem oft die glücklichsten Neigungen ihres Herzens aufopfern? Ist ihre natürliche Stimmung nicht für Einsamkeit und Landleben? — Landleben? — Allerdings! Nicht aber für jenes, das keine Wohnung der Weltentfernung, sondern eine Gelegenheitsmacherin zu neuen Üppigkeiten und zu einer ganz neuen Art der Übertreibung ist — An der Hand des Weibes scheint die Natur sich mit uns vertraulicher einzulassen und recht Gelegenheiten aufzusuchen, ihre Milch und ihren Honig, den ganzen Reichthum ihrer Wollüste, uns schmecken und sehen zu lassen. Die edlen Ergüsse der Zärtlichkeit, wenn sie reitzend [S. 366] ausgewechselt werden sollen, suchen das Land, und entfernen sich von Hof und Stadt, wo sie Fremdlinge sind — sie leiden keine Zeugen, und weit weniger Laurer und Faher — Wie oft muß sich das Land mißbrauchen lassen, die verstimmten Sinne des Hofmanns, nicht zur Tugend und zu sanften Sitten, sondern zu neuen Ausgelassenheiten aufzuheitern! — Man sucht reinere Luft, um sich zu einer neuen Art Ausschweifung aufzufrischen — Weiber suchen das Land, und warten nicht darauf, dahin verwiesen oder ausgestoßen zu werden — Freund! sie sollten die Gräfin **b* kennen! Sie darbt, wenn man an der Hand der Natur darben kann, um für ihren Schlemmer von Gemahl eine ungeheure Schuldenlast zu bezahlen, die nicht bloß Sünden der Jugend sind, sondern die er in einem Staatsposten, der seinen Mann nährt, noch immer vergrößert — Weiber schaffen sich Welten, die sie besäen und bepflanzen, durch eine wohlthätige Einbildungskraft, die ohne Mühe reich macht: in der wirklichen Welt — wie unbedeutend ist da ihre Rolle! — sie zogen [S. 367] Nieten aus jenem Glückstopfe; wir die Gewinner — Man kann durch Gedanken sich erhitzen und zu einer Röthe kommen, die man eine Seelenröthe nennen könnte, und die sich von allen jenen unterscheidet, welche durch körperliche Erhitzungen veranlaßt werden; und so eine Röthe innerer Zufriedenheit, mit Zuziehung einer wohlerlaubten Einbildungskraft erregt — welch eine Zierde auf der Wange eines edlen Weibes! Hast du nie die Wonne eines Familienzimmers empfunden, wo man eigentlich zu Hause ist? denn in den übrigen wohnen Gäste oder ein antisokratischer Dämon von Pracht und Stolz; und welches Zimmer ist dem andern Geschlechte das angemessenste? das erste das beste — Und wie! wenn es auch Weiber giebt, die zu meiner Beschreibung nicht passen, wurden sie nicht schon als Bräute zum unzeitigen Aufwande durch Geschenke verführt, die weit über das Vermögen des Bräutigams gingen? Schwingt sich das Weib zum Regiment, so wird es ihm schwer und unerträglich sich herabzustimmen —; und wenn es sich wirklich herabstimmt, [S. 368] ist es verzeihlich, solche Blößen zu geben? solche Betrüge ungestraft zu begehen? ist es nur anständig, als Bräutigam den Pastor fido zu spielen, um nachher als Ehemann den Orlando furioso zu machen? sein Weib aus dem Himmel in die Hölle, aus Eldorado in eine Schenke zu werfen, wo man es durch ein Schattenspiel an der Wand entschädigen will? — So betete man weiland in Paris die Komödianten an, denen man im Tode ein ehrliches Begräbniß versagte —.
Weiber sind auffahrend; der Zorn aber (das Vorspiel der Raserei) thut nie, am wenigsten in Staatsgeschäften, was Recht ist.
Und woher dieser Zorn? der Ohnmacht halben, und weil den Weibern keine rechtmäßige Macht zustehet? Was hilft es, mit sich selbst zu Rathe zu gehen, wenn es an ausübender Gewalt fehlt, die weise genommenen Beschlüsse zur Vollziehung zu bringen! — »Kannst du regnen, so kann ich auf Holzschuhen gehen,« heißt es in einem alten Deutschen Sprichworte; und wer leugnet es, daß man bei den Ausbrüchen des Zorns die eignen Gedanken [S. 369] der Seele nicht vernimmt, so wie man bei tobendem Gewitter sein eignes Wort nicht hören kann! — Als jener edle Mann des Alterthums nach seiner Rückkehr sein Hauswesen in unverzeihlicher Unordnung fand, stellte er seinen Vizdum, den ungerechten Haushalter, bloß mit den weisen, bewunderungswürdigen Worten zur Rede: wie würd' ich dir begegnen, wenn ich nicht böse wäre —! Mein guter Freund ** sah einem Diebe gelassen zu, der ihm sein Holz stahl, und nur als er zu befürchten anfing, der Holzdieb würde sich zu sehr belasten, bat er ihn dienstfreundlich, sein selbst zu schonen, und sich, den Weg zweimal zu gehen, nicht verdrießen zu lassen. Rechtsum, schön! und Linksum? Welchem Herrn dient der Knecht lieber: dem, der ihn in der ersten Hitze seine Strafhand empfinden, oder dem, der eiskalt ihn blutig stäupen läßt? »Der Teufel verliert keinen Dreier dabei, wenn ich nicht fluche,« sagte ein Bauerknabe, als ihm das zweite Gebot eingebläuet ward — So theuer bezahl' ich die Weisheit nicht — Wie Vielen kostete die Zornunterdrückung Gesundheit [S. 370] und Leben! — Gesetzt Weiber verständen die Kunst nicht, ihren Zorn äußerlich zu zähmen, und eine gewisse Ruhe zu schwarzkünsteln — sind nicht die unversteckten Fehler die leichtesten und gemeiniglich Schwachheitssünden, von denen sich auch fromme gottgefällige Seelen nicht lossagen können? Die Heiligen sind in dieser Rücksicht nicht ohne Fehl vor Gott; — vor Menschen es zur Scheinheiligkeit zu bringen, kann nicht schwer fallen. Jene Fehler bleiben die gefährlichsten, die in Schafskleidern zu uns kommen, inwendig aber reißende Wölfe sind: an ihren Früchten sollt ihr sie erkennen — Zürnet und sündiget nicht — Ist nicht der Zorn eine Art von Waffen, womit wir oft Gutes erweisen können, ohne zu schaden? Was würden Weiber ohne dies Hausmittel bei der Kindererziehung ausrichten? Giebt es nicht Unbeschnittene an Herz und Ohren, denen man nachdrücklich und gewaltiglich andeuten muß, was zu ihrem Frieden dient? — »Verziere das Nützliche,« sagte die Weisheit; die Thorheit, die alles umzukehren gewohnt ist, kehrte [S. 371] das Gebot um, und machte das Hauptwerk zum Nebenwerke. Giebt der Zorn nicht oft der Sache einen gewissen Schwung —? Wer kennt und schätzt nicht den Diensteifer, der das dritte Wort ist, wenn wir dem Staate unsere Dienste anbieten, wenn wir wirklich seine Officianten werden und wenn wir mit der Bitte einer Pension den Staatsdienst verlassen —!
Der unbilligste Einwand von allen ist, daß Weiber darum nicht zu Geschäften berufen sind, weil sie zu keiner Freundschaft unter sich Verstand und Willen haben. (Man übersehe nur nicht, daß nicht ich sondern mein Feind so freundschaftlich ist, an die Freundschaft zu denken —) Ich leugne nicht, daß ohne ein gewisses Band so genannter Freundschaft, eigentlich Offenheit, gutmüthiger Bekanntschaft, Staatsgeschäfte schwerlich bewirkt, und die leider zu künstlich gerathene Maschine des Staates vereinfacht werden kann, weil ohne dieses Band keine Einheit im Staate herauszubringen ist und alles in der Irre ohne Zusammenhang und Ordnung bleibt — [S. 372] Wer ist aber im Stande, den Weibern Überlegung hierzu, kalte Schätzung des Gegenstandes, Feinheit, zuvorkommendes Wohlwollen und Aufopferung abzusprechen —? Schon jetzt giebt es Freundschaften unter ihnen, die den unsrigen nicht weichen — Nur das Vorurtheil der Männer hat ihnen die Anlagen zur Freundschaft abgesprochen. Sind sie nicht zarter, treuer, unüberwindlicher, unbestechbarer, als viele Männer, wo Neid und Rivalität von so vieler Art die Triebe des Herzens verfälschen, und die Freundschaft zum Contrakt do ut des, facio ut facias, nicht zum Herzens-, sondern zum Sachentausche machen? — Damon- und Pythias-Freundschaften sind Fälle, die zu den seltenen gehören, und die bei dem Einerlei der Weiber, bei ihrem Alltagsleben um so weniger zu erwarten stehen, da Proben und Situationen zu dergleichen Freundschaften durchaus unentbehrlich nöthig sind — Und wie verschieden sind jene Damon- und Pythias-Freundschaften vom Dienstgleichgewichte, das durch ein gewisses Einverständniß bewirkt wird. Weiber müssen [S. 373] jetzt von Geschlechtswegen, wo nicht interessiren, so doch Herzen gewinnen, wo nicht angebetet, so doch geliebt werden wollen; setzt sie über die Sinnlichkeit hinaus, und ihre Eitelkeit, ihre Neugierde, ihr jetziger Hang zum Vergnügen werden sich veredeln — sie werden nicht aufhören, Weiber zu seyn; — wie unglücklich wären wir, wenn sie das könnten! — nur werden sie aufhören, die Weiber zu seyn, die sie jetzt sind — Diese Verwandlung wird uns heben, statt daß man uns jetzt, wie jenen Elephantenleiter, fragen könnte: bist du darum so trotzig, weil du Thiere commandirst? An uns ist der erste Schritt, und nur von unserm bußfertigen Entschlusse hängt es ab, diese Revolution zu bewirken. Werdet andere Männer, und Alles, vorzüglich die Weiber, ist anders als jetzt. Mit dem Maße mit dem wir sie messen, werden sie uns wieder messen. Dienstfreundschaft! Ist sie denn unserm Geschlechte eigen? Nicht nur die Kraft, auch den Schein verleugnen wir. Führen die Staatsdiener nicht unter sich den dreißigjährigen Krieg? Der [S. 374] Financier ist wider den Justizmann, und der Justizmann wider den Financier; das diplomatische Corps wider das Kriegs-Departement, und dieses gegen jenes — Einer will den andern übermeistern, ohne daß er seiner selbst Meister ist: Einer will dem andern die Gränze verrücken, einer stellt dem andern ein Bein — Doch, leider! ist es immer der Staat, der bei dieser Gelegenheit in die Grube fällt — Oft giebt sich sogar Richtercomplott und Höllenbund wider den Unterdrückten für Dienstfreundschaft aus; und da ist das letzte Übel ärger, als das erste; da ist guter Tag und guter Weg ein Himmel gegen jene Mörder-Bande —
Der sittliche Zustand der Weiber gründet sich sehr natürlich auf ihren gesetzlichen — Da das Mädchen sich ihren Gefährten des Lebens nicht laut und deutlich wählen kann; so sieht es sich genöthiget, dieses Geschäft zutrauensvoll seinem Auge zu übertragen, das, an diese Einladung gewöhnt, nie ganz diese Weise aufgeben kann — Man scheint dieser Manier eine Art von Dankbarkeit erweisen zu [S. 375] wollen, die jetzt, da Alle dies Blickspiel treiben, das Unanständige nicht hat, das es sonst haben würde. Diese Blicke, wodurch sie eine besondere Art von Beherrschung, die man Augenherrschaft nennen könnte, und eine gewisse gefällige Freundschaft üben, haben ihren besondern Contract social und so bestimmte Gesetze, daß man auf ein Haar weiß, wann die erlaubte Grenze überblickt wird — Dem Reinen ist Alles rein — Wer findet nicht einen sicheren Weg zur Wonne, in dem schönsten der Spiele, einer verstohlnen Liebe? Die Genüsse der Verstohlenheit steigen zu einer geistigen Würde, zu einer hinreißenden Delicatesse — Durch jenes Glück, das die Mädchen sich erblickten, durch jene anziehende Kraft, wodurch sie auf die Jünglinge wirkten, hat ihre Verlegenheit auch bei weitem noch nicht ihr Ende erreicht, wenn sie die Ehre haben, in die Gewalt der Männer zu kommen. Sie sinnen unaufhörlich darauf, diese Gewalt durch alle Künste einzuschränken, so daß am Ende nicht viel davon übrig zu bleiben pflegt — Da sehen sich denn Weiber zuweilen — [S. 376] ist es ihnen zu verargen? — nothgedrungen, vermittelst der Augen mit getreuen Nachbarn und desgleichen Allianzen zu ihrer Deckung einzugehen; und so unschuldig dieser Freundschaftsanfang gemeiniglich ist, so schuldig können oft Schutzverträge dieser Art werden. Von Personen ihres Geschlechtes können sie keine Beihülfe erwarten, und ihre Freundschaften unter sich sind von anderer und originaler Weise. Giebt es aber nicht eben so viele wahre Freundinnen, als es wahre Freunde giebt —? Von der bürgerlichen Verbesserung der Weiber wird es abhangen, daß ihre Freundschaftsanlagen berichtiget und verbessert werden — Wie unbillig sind wir, von Weibern — denen wir die Würde Personen zu seyn, versagen — mehr zu fordern, als ihnen zu leisten möglich ist! — — Fast könnte man behaupten, daß die Gesetze, die für ihr Vermögen, wie für das Vermögen eines Unmündigen, sorgen, ihre Personen darüber vernachlässigen, oder sie wenigstens vergessen zu haben scheinen. Frauenzimmer, welche Mütter werden können, sind keine Kinder [S. 377] mehr — Der bittere, nicht unverdiente Vorwurf, den man unserem Geschlechte macht, »daß es heut zu Tage keine Kinder mehr gebe« — stehet er nicht mit unserer Grausamkeit, die Weiber als große Kinder zu behandeln, in engerer Verbindung, als man denken sollte? — — —
Es giebt Regenten, die sich den landesväterlichen Wunsch des Caligula aus Geitz eigen machen: ach, wenn doch alle ihre Provinzen nur Einen Hals hätten! nicht um ihn zu brechen, sondern nur eine einzige Röhre zum Essen und zum Trinken in ihrer Monarchie zu haben. So tyrannisch bin ich nicht in Hinsicht meiner guten Freunde von Opponenten, die es indeß nicht viel besser als die Virtuosen machen, welche oft beschwerlich sind, wenn sie Niemand hören will, dagegen stumm und eigensinnig, wenn sie sich hören lassen sollen.
Die Unbeständigkeit soll ein so charakteristischer Zug des weiblichen Verstandes seyn, daß Weiber bei keinem Gegenstande der Untersuchung und des ernsten Nachdenkens [S. 378] mit gleicher Anstrengung lange zu verweilen im Stande wären.
Der größte Theil des andern Geschlechtes, der Mittelstand, hat nur eine einzige Art von Beschäftigung, kommt nie aus dem Takt, und weiß nur vom Hörensagen, was lange Weile ist. Diese entsteht aus einer Art von Luxus der Beschäftigungen, und gehört in der Regel zu den Eigenschaften der Männer, obgleich auch Damen höherer Region an diesem Übel Theil nehmen, und an demselben schwach und krank danieder liegen, wenn das Vergnügen länger dauert, als sie es auszuhalten gewohnt sind. Die Frau Gräfin hatte lange Weile in der Komödie, weil heute noch Redoute ist; allein auch auf der Redoute wird ihr die Zeit lang werden; weil sie keine Partie findet; und auch wenn sie diese gefunden hat, würde die Zeit von ihrem Blei kein Gran verlieren, da ihr Cicisbeo bei dem fürstlichen Souper lange Weile hat, und sie mit ihrem Verehrer nicht minnespielen kann. Bei einem einzigen Spiel findet die schöne Welt zu wenig Beschäftigung. Konnte doch [S. 379] Julius Cäsar lesen, schreiben, und sieben Cabinetssekretarien sieben besondere Briefe diktieren! — — Und lebt die schöne Welt wirklich? — Nein doch! sie spielt das Leben — Unbeständig überhaupt find' ich das andere Geschlecht nicht mehr nicht weniger, als das unsrige; vielmehr ist ihm eine gewisse Weltüberwindung eigen. Es verstehet sich darauf in's Dunkle zu werfen, und glänzt eben darum desto besser — Stilles Verdienst ist sein Eigenthum; und sind dies Anzeigen des Unbestandes? — Zeitiger und fester nimmt es seine Partie als wir — Zwanzig exemplarische alte Jungfern gehen auf einen Hagestolzen gleicher Art.
Die große Lebhaftigkeit weiblicher Empfindungen und weiblicher Einbildungskraft, das zu reitzbare Nervensystem soll indeß Schuld an der Unbeständigkeit und dem bloß flüchtigen Feuer bei Gegenständen des Nachdenkens in Hinsicht der Weiber seyn; auch sollen sie für große Gegenstände des menschlichen Wissens nur selten ein wahres Interesse fühlen —
Und giebt es denn in unserm Geschlechte Viele, bei denen jene Ausdauer ist? die ein, dem ersten neuen und frappanten Eindruck gleiches, Feuer bei scientifischen Gegenständen behaupten, die dem Spiele schnell auf einander folgender angenehmer Empfindungen widerstehen, und einem Gegenstande getreu bleiben bis in den Tod? Hat nicht fast jeder, außer seinem Haupt-, noch einen Neben-Beruf, den er Erholung nennt, und an dem er weit mehr hängt, als an seiner Hauptsache? Die eigentliche Strebsamkeit ist dieser Nebensache gewidmet: und hierbei pflegt man es auch, durch Gottes Segen, in kurzer Zeit weiter zu bringen, als bei der eigentlichen Hauptsache. Friedensschlüsse verbinden jeden, nur nicht die, welche sie schlossen; und angewiesene Officianten haben überall Kraft und Macht und Glauben in ihrem Amtsbezirk, wenn sie gleich — (während sie eine Aktenrelation fertigen, ein Paar über Nichts und wider Nichts uneins gewordene Nachbarn ausgleichen, dem jungen Greise von Vormunde, bei dem sein Mündel das erloschene Feuer anfachen soll, [S. 381] dies unschuldige Geschöpf entreißen, ein Domainen-Stück taxiren, den verfallenen Nahrungsstand eines Fleckens untersuchen, die Klagen von hundert unterdrückten Bauern hören, und einer Wittwe zu dem ihr vertheuerten Rechte verhelfen, und ihre Rechtssache verkürzen sollen) — ein Lied auf den Frühling zusammenstümpern, einer Wildenschweinsjagd beiwohnen, ein Pikenik abwarten, eine Strohkranzrede halten, oder in Liebelei versinken — Haben doch Könige und Fürsten Kühe gemolken, Netze gestrickt, Knöpfe gedrechselt, gemahlt u. s. w. Leibnitz war so wenig Professor Philosophiae, als Wieland Professor Poëseos; und was giebt es denn für große Gegenstände des menschlichen Wissens, für die nicht Jemand aus dem andern Geschlechte eine Neigung gezeigt hätte? Die Geduld, das Ausdauern der Weiber ist zum Bewundern; und legen sie nicht täglich davon ein Zeugniß ab, indem sie die Formen nicht zerbrechen, in welche Gewalt und List sie goß? indem sie Kinder erziehen und in's Geleise bringen, die ihre Väter oft durch blinde [S. 382] Liebe und eben so oft durch blinde Strenge verderben —? indem sie mit ihren Männern (leider! nur zu oft alten Kindern) gelinde umgehen, wie mit jedem Übel, das nicht zu ändern ist, und sie heben und tragen und leiten, um sie nur wenigstens leidlich zu erhalten? — Aristoteles ging spazieren, wenn er lehrte und lernte, und hieß der Spazierer (Peripatetiker) — Oder ist es nöthig, daß Alles im ersten Feuer gearbeitet wird? daß die Phantasie uns Alles mit Flammen mahlt? und daß Alles, was wir denken und sagen, ein immerwährendes Feuerwerk, ist? — Außer dem Feuer giebt es noch andere wohlthätige Elemente — Ungezügelte Bilder, funkelnde Sprüche, tiefgeschöpfte, schwer herausgezogene Sätze mögen immer bleiben, was sie sind; es giebt Gedanken, die ihren stillen Werth haben — die, gerechtfertigt werden durch That —! — Wenn den gelehrten Arbeiten der Weiber eine gewisse Furchtsamkeit anklebt — ist es Wunder, da sie sich in die gelehrte Republik bloß hineinstehlen müssen? Von Natur sind sie dreister als wir; das Gefühl [S. 383] des Unvermögens, den Vorzügen Anderer gemäß zu reden und zu handeln, das Allem eine gewisse Ängstlichkeit giebt, ist ihre Sache nicht — Die Gabe ihrer leichten ungezwungenen Unterhaltung wird ihren Vortrag nie mit üblen Angewohnheiten und Einschiebseln verunstalten, die sich nicht viel besser ausnehmen, als wenn verlegene mit der Welt noch unbekannte Jünglinge von ihren Händen und Füßen geärgert werden — oder wenn Fliegen in ein reitzendes Gericht fallen. Müßige Phrases in's Gespräch einschalten, heißt ihnen: die Zeit tödten; und durch schöne Redensarten einnehmen: das Vergnügen als Zweck des Lebens behandeln. Seht Prinzen — und seht regierende Herren selbst, wie furchtsam sie sind! — Das Hof-Ceremoniel scheint nur erfunden zu seyn, ihrer Blödigkeit auszuhelfen. Auch giebt es eine edle Freiheit, welche die Folge eines guten Gewissens ist, — so wie es ein Wohlbefinden giebt, ein Gut- und Übelaussehen, das vom Gewissen kommt; und dies ist dem andern Geschlecht eigen — Warum sollten Weiber denn wohl als Schriftstellerinnen [S. 384] furchtsam und verlegen thun und seyn, da die aufgehaltene Sprache sich durchbrechender Empfindungen eine Gewalt und Stärke besitzt, gegen die schwerlich sonst etwas zu wirken vermag, als unser kritischer Übermuth, der die Weiber durchaus nicht aufkommen lassen will? Weiber wissen Wahrnehmungen zu Beobachtungen zu erhöhen; und da Männer Sätze zu Grundsätzen zu erheben wissen, (die, wohl zu merken! der Philosoph sogar dem Mathematiker vorschreibt) und mit ihnen Tausend schlagen: so schlügen Weiber mit ihrem Witze gewiß Zehntausend, wenn Männer ihn nicht durch eine Art von Gründlichkeit (die genau genommen wenig oder nichts bedeutet) zu lähmen und in Verlegenheit zu setzen suchten. Weiber besitzen die Geschicklichkeit, alle Seelenkräfte auf Witz zurückzubringen — Gelingt ihnen nicht Umfassung der Sache auf eine bewunderungswürdige Weise? Wissen sie nicht das ewige Einerlei, wozu sie verurtheilt sind, unübertrefflich schön zu modificiren? und Aufmerksamkeit in hohem Grade, oder Scharfsinn zu zeigen? [S. 385] Wie können sie aber einem Schwalle von Kunstwörtern widerstehen, womit wir Sturm laufen! wie eine schwerfällige Gelehrsamkeit widerlegen, wodurch wir sie aus dem Tempel der Wissenschaften hinauskritteln, dessen Allerheiligstes doch so leicht und einfach ist —! Warum soll es ihnen an Gedankenfülle, großen erhabenen Darstellungen von Charakteren, an hohem Schwunge gebrechen, oder an Schöpfungskraft und hohem Grad des Enthusiasmus, da sie von dem allen ungesuchte und anspruchlose Proben im gemeinen Leben äußern? — Feine originelle und der Natur abgelauschte Züge sind ihnen eigener als uns; was ihnen am scharfen Umriß bei ihren Charakteren (richtig ist er fast immer) abgeht, ersetzen sie durch ihr lebendiges Colorit — So wie sie ihren Körper zu kleiden verstehen, so kleiden sie auch ihre Gedanken — Die Angemessenheit ihrer Worte und die große Einfachheit in der Wortfügung, geben ihrem Styl eine Deutlichkeit, die nichts übertrifft. Die besten Denkzettel, die ein Autor seiner [S. 386] Schrift anhängen kann, sind, wenn er durch seine Darstellungen uns an uns selbst erinnert; wenn seine Schrift dem Menschen durch das Herz geht; wenn die Leser sich einbilden: es fehle wenig oder nichts, so hätten sie diese Schrift selbst stellen können; sie wären im Stande gewesen, sie dem Autor in die Feder zu sagen; aus ihrem Herzen hätt' er es genommen und ihnen verkündiget — Solch ein Widerschein erleuchtet und frommt!— Wir lassen uns von Ideen, wie Sokrates von seinem Dämon, verfolgen, wir versetzen uns, wie Plato, in eine Republik; und so wie der, welcher ein unverwandtes Auge auf Einen Punkt heftet, zuletzt sieht, was er sehen will: so sehen auch wir mit dem Auge der Seele Windmühlen für Riesen, Wirthshäuser für Schlösser, Teiche für Weltmeere, eine Abderitische Posse für einen wohlüberdachten Finanz-Kniff oder Operation an — Nicht genug; auch Worte spielen den Meister nur zu oft über uns — Wir veruntreuen ihre Bedeutung, werfen eine willkührliche Markscheidung derselben auf, und fallen, wie Leute, die reich [S. 387] werden wollen, in Versuchung und mancherlei Stricke, wenn wir nach der leichtesten Art reich zu werden, zu sparen, oder nach der schwersten, zu speculiren, suchen — Wir arbeiten Alles zum Druck aus, in der bestimmten Absicht, es dem gelehrten Publico zu überantworten, oder es in einem privilegirten oder unprivilegirten Cirkel vorlesen zu lassen — Und ob es gleich freilich correkter ausfällt, wenn der Inhalt lehrreicher ist, oder so aussieht, wie ein hingeworfener weiblicher Aufsatz; so wird die Arbeit des anderen Geschlechtes doch mehr Individualität zeigen, und eine Intuition behaupten, die wir, im Namen und von wegen unserer stupenden Gelehrsamkeit, fast keinem unserer Werke in gleichem Grade verleihen können. Leichter und flüchtiger sind weibliche Arbeiten; allein darum oft treffender, richtiger, eindrücklicher. Weiber lieben schon nicht lange Worte, weil hier eine Hauptsylbe sich die anderen unterordnet und sich die Herrschaft über diese anmaßt — Lange Perioden sind ihnen nicht angenehm, weil sie die Alten nicht genug kennen, weil dieselben schwerer [S. 388] zu lesen und zu fassen sind, und weil der Witz ein Todfeind dieser Potsdammer ist — von denen ein plumper Holländer behauptete, daß nur ein kleines Herz in einer dergleichen gewaltig großen Maschine gefunden werde — Selten lassen Weiber einen üppigen Sprößling des Ausdruckes aufschießen — und ereignet sich der Fall, so ist es eine Feldblume, die sich nicht aus den Grenzen der Bescheidenheit wagt — Bei uns gewinnt Nachdenken, bei Weibern Empfindung die Oberhand — Die Oberhand, sag' ich; denn auch Nachdenken leistet der weiblichen Empfindung hülfliche Hand: und sind in ihren Aufsätzen nicht alle Ungleichheiten geebnet, so bleibt ihnen dagegen mehr Eigenthümliches — Man rücke das Ziel ihres geschäftigen Lebens über die Küche und Stricknadel hinaus; man führe sie nur an: und sie werden uns sehr bald an Scharf- und Tiefsinn übertreffen, ohne sich kraft ihres gesunden Menschenverstandes zu versteigen. Ach! wer kann sich entbrechen, wenn vom Vorzuge unseres Geschlechtes die Rede ist, mit Daniel auszurufen: Seht, das sind eure Götzen!
Weiber können nicht allein seyn —
Nicht allein? Lieber! wenn die Einsamkeit gemahlt werden soll, muß ein Weib sitzen, oder sie ist nicht getroffen.
Oder nichts allein überlegen.
Und doch ziehen Männer sie alle Augenblicke zu Rath; und wohl ihnen, und dem Collegio und dem Staate, wenn Männer es thun! O! wie gern wälzen die Männer ihre Bürde von ihrem Herzen auf ihre Weiber, denen sie ihre Geheimnisse anvertrauen! und wie viel haben Weiber zu tragen! o, wie viel! Von Weibern dagegen ist fast keine einzige, die nicht etwas hätte, was nur Gott und sie weiß, was kein Beichtvater erfährt, und womit sie der Zeit und Ewigkeit unerschrocken, entgegen geht — Unsere Geheimnisse verfliegen oft, gleich einem flüchtigen Geiste; die ihrigen sind ihnen in Herz und Seele geätzt — Wenn Gedanken ihren Schöpfern entkommen, die sich bei aller oft widerlichen Anstrengung nicht zurückbringen lassen — ihren Schöpfern, die nur selten Gedankenerhalter sind; so verstatten Weiber ihren Gedanken nicht so viel [S. 390] Ausgelassenheit — Was ich doch sagen wollte, wird man selten oder gar nicht von Weibern hören. Ihr Gedächtniß ist getreuer, als das unsrige; und schwerlich wird ein Weib so zerstreuet seyn, wie Terrasson, und so sehr sein Gedächtniß verlieren, wie er. Weiber halten Zerstreuungen für Affektation, und können sich nicht des Lachens enthalten, wenn sie von Terrasson hören, daß er kurz vor seinem Ende im Gedächtniß-Concurs Alles an seinen Verwalter Luquet assignirte, so daß er, als sein Beichtvater ihn bei der letzten Beichte nach seiner Sündenmenge fragte, demselben auch diese Assignation gab: Fragen Sie nur Luquet. —
Weiber wären nicht selbstständig und allein fähig? Eine Einwendung, die, so leimgestärkt sie auch scheint, sich nicht halten kann. Wenn wir zwischen Furcht und Hoffnung schwanken, nehmen sie gleich Partie, und sind entschlossen an Leib und Seele — Ihre Entbindungen machen sie so dreist. Bei minder wichtigen Dingen halten sie es nicht werth, es noch auf Entschlüsse auszusetzen: [S. 391] Es gehe, wie es gehe — In politischen Angelegenheiten schlagen sie, wenn wir kannengießern, sich zu keiner Parthei, und wählen das beste Theil: Was wir leisten, macht unsern Lehrern Ehre; was sie leisten, ihnen selbst — Sie mischen die Karten, und theilen sie so aus, daß Spieler und Zuschauer zufrieden sind, wenn dagegen eine Menge staatskluger Köpfe beisammen sitzen, und noch immer in gerechter Befürchtung, nicht Kopfs genug zu besitzen, auf Verstärkung ihrer Beisitzer denken. Vor lauter Räderwerk wird nichts zu Stande gebracht, vor lauter Reden kommt es zu keiner That, vor lauter Stimmenzählung zu keinem Schlusse. Wer von uns hat sich über das Stimmen der Instrumente nicht geärgert, ehe es zur Sinfonie kommt —? Hohe Deutlichkeit und stärkeres Licht mit mehr Vergrößerung zu vereinigen — das ist das Ziel der Ausrüstung, um Augenreisen in die Ferne zu thun. Wie oft zerschlagen unverständige Kinder und bärtige Collegia einen stattlichen Spiegel, um eine Fliege zu tödten! und noch öfter wird das Kind mit dem Bade ausgegossen. [S. 392] Des Bocksbeutels und der verkünstelten Kunst halben kommen Dekrete zum Vorschein, mit denen am wenigsten in allen Fällen, und höchstens nur provisorisch, auszulangen ist; Dekrete, die höchstens Palliative sind, um sich eine angenehme Ruhe für die nächste Nacht zu machen.
Warum soll man den Jesuitenorden von den Todten erwecken, und die heimlichen Jesuiten, Jesuiten en tapinois (das schöne Geschlecht) privilegiren?
Warum? weil die heimlichen schädlicher sind, als die öffentlichen, weil die öffentlichen (wenn nämlich nichts heimlich bei ihnen bleibt) aufhören Jesuiten zu seyn, und weil geheime Krankheiten die gefährlichsten sind — Wie kommt aber das andere Geschlecht zur Ordensehre?
Maitressen von guter Abkunft haben bei weitem das Böse nicht gestiftet, was die Maitressen niederer Abkunft, eine Pompadour, eine du Barry, sich zu Schulden kommen ließen. Allerdings! und also nehme man nicht Maitressen, sondern Weiber.
Nein, also lasse man die Weiber in ihrer Dunkelheit! Getroffen, wenn sie Maitressen werden sollen — Wenn sie aber ihren göttlichen Ruf, Weiber zu seyn, befolgen, so hebe man sie nicht durch Flittergold, sondern durch Ächtheit — Sind die Türkischen Bassen und Veziere, die Beys in Ägypten darum menschlicher, weil sie in ihren früheren Jahren das Elend des Volkes aus erster Hand kennen lernten?
Welche Widerlegungen! Sind etwa die Einwendungen besser? Es läßt sich Alles vertheidigen — und wider Alles einwenden. Ich wollte um Vieles, um Alles in der Welt kein Weib seyn —; ich auch nicht — und doch — und eben darum. Wer hat nun Recht —? Wer die Wahrheit sagte. Und wer sagte die Wahrheit? nicht wahr: wer Recht hatte?
Wer die Sache der Unterdrückten führte, und wer der Menschheit sich annahm.
Der Menschheit?
Sind etwa Weiber nicht Menschen?
Der Unterdrückten?
Sind wir nicht ihre Tyrannen?
Heil den irrenden Rittern!
Heil und fröhliche Gestalt, wenn ihr Ritt auf Menschenwohl ausgeht —
und wenn sie keine Dulcineen haben,
als die Reinheit der Absicht, die Dulcinee unserer Philosophen —.
Dies Buch wäre nicht eines Weibes halben geschrieben —?
Nicht eines Weibes, sondern der Weiber halben — Keines weiß, daß ich es geschrieben habe, keines wird es, so Gott will, wissen.
Und warum denn nicht jener schmale Weg, der das zu Viel und zu Wenig vermeidet und durch Beides sich durchschlängelt?
Weil Wenige sind, die darauf wandeln —
Besser als Viele!
Nicht immer, wenn von bürgerlicher Tugend und Untugend die Rede ist.
Der Mittelstand zwischen Skepticismus und Leichtgläubigkeit —
ist ein unseliges Mittelding — So oder nicht so, ist mein Wahlspruch; — nicht aber: so oder anders, oder halb so. Ja Ja, ist bei mir ein halbes Nein; und Nein Nein ein halbes Ja. Ja, Nein, was drüber und drunter ist, ist vom Übel —
Und die Gesetze! — wird dies Buch es mit ihnen ausmachen?
Mein kleinster Kummer! mögen es die Gesetze mit den Gesetzen ausmachen! mögen die Todten die Todten begraben! — Freilich thun die Gesetze zuweilen so, als ob es Kräfte in der Menschheit gäbe, die außerhalb der Menschheit lägen —
Was will das sagen?
Es giebt Gesetze, welche die einzelne Kraft des Menschen unterdrücken, damit die Summe aller Kräfte desto stärker sei; und doch ist natürlich die Gesammtkraft desto größer, je größer die Summe der Kräfte einzelner Menschen ist — Unsere Herren Staatsrechenmeister verrechnen sich gewaltig, da sie die Zahl der Weiber auswerfen —
Wenn sie indeß auf den Zweck der bürgerlichen Gesellschaft sehen —
O! dann verrechnen sich die Oberrechnungs-Cameralisten noch mehr. Giebt es einen andern Zweck, als die individuelle Freiheit zu schützen, und die Eingriffe eines Jeden in die Freiheit eines Andern zu behindern —?
Das sollte auch auf Geschlechter Anwendung finden?
Sind die etwa nicht moralische Personen?
Und die Billigkeit?
ist ganz auf meiner Seite. Was im Lande gilt, ist Recht; was in der Welt gilt, ist billig — Was nach der Meinung der mehresten Menschen recht ist, ist billig —
und billig ist der, der so handelt, daß es die mehresten Menschen für Recht halten — Ein billiger Autor ist der, der so schreibt, daß —
Wahr —!
Wenn wir zählen wollten —
würd' ich gewinnen, falls nur die stimmten, die man nicht fragen darf: »verstehest du auch, was du sagest —? weißt du auch, was du thust —?«
Immerhin Verbesserung; warum bürgerliche?
Weil man sich an Zweige, und wohl gar Blätter, nicht halten muß, wenn der Stamm anzugreifen ist —
Und der Ausdruck dieses Buches —!
Nachdem die Materie, in der man arbeitet, nachdem die Bruchstücke und Späne, welche fallen —
Mögen doch meine Leser und Leserinnen, denen der obige längliche Streit und Widerstreit beschwerlich gefallen ist, an dieser runden Manier sich erholen und Luft schöpfen, oder mögen sie es nicht, wie es ihnen beliebt — —
Wenn es wahr ist, daß von der Theorie des Drucks die ganze Operation eines glücklichen Finanzsystems und einer weisen Staatsregierung abhängt: so haben die Männer wenigstens nicht die rechte Art des Druckes erwählt; denn in Wahrheit, wir verlieren durch die Art, wie wir das andere Geschlecht behandeln, mehr als es selbst. Man sagt, dies sei auch der Fall, wenn man im Unterthan die Tugenden des Fleißes, der Industrie und des Gehorsams durch siebenmal sieben Plagen erzwingen will. Zwar bei dem Magnetismus erregen Druck, Reiben und Streicheln ein übermenschliches Vermögen; allein der politische Druck hat noch nicht die Divinationsgabe erregt, den Hunger ohne zu essen, und den Durst ohne zu trinken, zu stillen. Es ist höchst jämmerlich kein anderes Gesetz zu haben, als den souverainen Willen; und wo [S. 399] wandelbare Launen des Despoten, seine Indigestionen, seine Galle, seine Blähungen die Stelle der Numas und Solone vertreten — wer mag da unter Anordnungen stehen? Es ist schon unerträglich, auch dem besten Menschen untergeben zu seyn, wenn er väterlich über Menschen regieren will, die längst die Kinderschuhe auszogen! — Seht! in dieser traurigen Lage befindet sich das andere Geschlecht. Jene Zeit ist nicht mehr, wo ewige Fehden alles in beständiger Unruhe und Furcht erhielten, wo das Rauben eine Heldenthat schien, und wo man durch Raufen zu Ehren kommen wollte. Was ist aber ärger, seines Schicksals gewiß seyn, oder unter dem Beistande des Rechtes leiden? einem ganzen Geschlecht unter der scheinheiligen Vorgabe des gemeinen Bestens seine Rechte und Privilegien rauben? oft thun als stände man unter dem Befehle seiner Sklavin, und noch öfter wirklich schon ihre Winke befolgen, und doch im Ganzen ihr Tyrann seyn und bleiben? Scheint nicht fast die Liebe aufzuhören, sich in eine Herrschbegierde zu verwandeln, und diesen [S. 400] Gräuel der Verwüstung an heiliger Stätte schon frühzeitig und in den Flitterwochen der Liebhaberei durch Eifersucht zu verrathen? Jetzt schmachtet und liebkoset der schüchterne Jüngling, um über ein Kleines als Mann kalt und trotzig zu gebieten — Im Theater wird wahre Welt zum Vorschein kommen müssen, wenn sie noch sichtbar werden soll; denn in der wirklichen Welt wird Komödie gespielt. Wo giebt es Abderiten-Fälle, welche denen gleichen, die das Verhältniß beider Geschlechter täglich an den Tag legen — Wenn ein vernünftiges Wesen eines anderen Planeten Zeit übrig hätte, eine Wanderschaft auf diesen Erdenkloß zu unternehmen, und das Verhältniß beider Geschlechter zu beherzigen; würde nicht, wenn das vernünftige Wesen nach seiner Heimkunft eine Reisebeschreibung herausgäbe, die Reise dieses Nikolaus Klimm eine der ernsthaftesten Dogmatiken (das ehrbarste, das ich kenne) scheinen? An einem Verleger wird es dem Wanderer dort hoffentlich nicht fehlen — Die allgemeine Vernunft ist über den Codex, nicht [S. 401] aber der Codex, der doch sein eigener Beweis nicht seyn und sein eigenes Kriterium nicht aus sich selbst nehmen kann, eine Proceß-Ordnung für die allgemeine Vernunft — Wie lange will man unserer Seits der Vernunft widerstehen! Die Menschen schieben gern Alles auf Andere; und wenn sie keinen finden, der seinen Rücken zu dieser Belastung darbietet, so muß die Natur sich diese Denunciation gefallen lassen — und so fehlt es auch unserem theuren werthen Geschlechte nicht an Behelfen, die auf die Rechnung der schönen Welt gesetzt werden — Eine Schande für uns, daß wir nicht nur ungerecht sind, sondern auch die Schuld dieser Ungerechtigkeit von uns entfernen, und sie dem anderen Geschlechte zuschieben! Das Weib, das du mir zugesellet hast, sagte schon der alte Adam, hat mich verführt; — und wir sind bis jetzt noch so treue Adamiten, daß wir nicht ermangeln, uns von der Schuld des subalternen Ranges, den wir dem anderen Geschlechte zueignen, in bester Form Rechtens loszusagen. Die armen Weiber, die, wenn sie sich mit [S. 402] uns auf kalte Negociation einlassen wollten, kein Gehör finden, können es noch weit weniger gegen uns auf ernsthaftere Schritte aussetzen — Sie haben keinen Leonidas, keinen Franklin, keinen Washington; sie sind keine Spartaner, keine Schweizer, keine Amerikanische Kolonisten: können sie aber nicht dies Alles haben? können sie nicht dies Alles seyn? Maria Antonia und la Fayette sind zwei gleich große Charaktere, die in der Französischen Revolutions-Geschichte glänzen werden. Eitelkeit und Furcht vor Schande sind gemeiniglich die Basis von dem ganzen Muthe der Männer; Temperament ist es bei den Weibern. Eine Reihe von Jahrhunderten hatte Europa nur Eine Gestalt. Despotismus und Sklaverei, Unwissenheit und Barbarei herrschten überall; und warum sollten die Weiber nach einer, wenn gleich langen, Unterdrückung, nicht zu jenem Range erhoben werden können, der ihnen als Menschen gebührt? Ein großer Theil unter ihnen scheint der Ketten, die ihnen das Gesetz so vortheilhaft schildert, müde, und fühlt einen unüberwindlichen [S. 403] Hang, sie eher zu zerbrechen, als mit ihnen, wie mit Kinderklappern, zu spielen. Man trauet den Damen zu wenig zu, wenn man sich Mühe giebt, ihnen Alles in einem Säftchen beizubringen, wenn man ihnen Alles bezuckert und in Nähebeutelformat behändiget, als ob sie so schwach und hinfällig wären, nichts Größeres als ein Duodez-Bändchen halten zu können. Die Frage: verstehest du auch, was du liesest? wird in der Regel das Duodez-Männchen von Stutzer weit eher, als ein edles Weib, treffen. Wenn gleich die Geistes-Arbeiten der Weiber, sobald sie in's Größere gehen, für's erste bas-relief sind — sie werden weiter kommen; denn nur wir halten ihren Geist am Gängelbande, um sie nicht allein gehen zu lassen. Ein großer Kinderlehrer ließ in * * die Buchstaben in Pfefferkuchen backen, damit die Kinder das A B C in den Kopf bekommen möchten; allein die liebe Jugend bekam das A B C in den Magen, und ward krank zu derselben Stunde. Diese Pfefferkuchen-Methode ist der gewöhnliche Fehler, den man bei der Erziehung [S. 404] des anderen Geschlechtes begeht. Man will weder seinen Verstand, noch seinen Willen zur Reife kommen lassen. Die Weiber sind en biscuit; und wir! sind wir ausgebrannt? und wären wir es — was ist denn am Porcellain? — Böttcher wollte Gold machen, und brachte Porcellain heraus. Was ist der Mensch? »Der halbe Weg vom Nichts zur Gottheit,« sagt Young; und unser frommer Haller, der den Namen Gottes nicht unnützlich führen wollte: unselig Mittelding vom Engel und vom Vieh — daß sich Gott erbarm! Friederike Baldinger versichert in ihrer Lebensbeschreibung, mit einer Vorrede ausgestattet von Sophie de la Roche: »als Frau war ich erträglich; wie klein würd' ich als Mann seyn!« Um Vergebung, sollte dies nicht auch ein jeder Mann umgekehrt von sich sagen müssen — so lange: ein Mann seyn, nicht mehr heißt: als ein Mensch seyn —? Enthält jene Bescheidenheit der Friederike Baldinger nicht zugleich einen Vorwurf für unser Geschlecht in Beziehung unserer Selbsterhöhung —? Unser Herschel, der wegen [S. 405] Miß Carolinen, seiner Schwester, und in puncto der Astronomie mehr als einmal in dieser Schrift von Amts- und Rechtswegen genannt zu werden verdient, nimmt an: die Centralkräfte wären nicht nur die erhaltenden, sondern auch die bildenden und erneuenden Kräfte der Weltsysteme; und nach seiner Meinung können auch mehrere Gattungen von anziehenden und zurückstoßenden Centralkräften in dem Baue des Himmels wirksam seyn. Könnten, wenn männliche und weibliche Centralkräfte in der Menschenwelt anzögen und zurückstießen, nicht Dinge bewirkt werden, von denen man bis jetzt nicht träumt —? Löset Herschel die dem bloßen Auge sichtbaren Nebelflecke vermittelst seines Teleskops in Sterne auf — wie leicht würden die Flamsteads und Mayers ihre Verzeichnisse von Sternen am Weiber- oder besser am Menschenhimmel erweitern können, wenn beide Geschlechter Ein Herz und Eine Seele wären! —
Geh' ich zu weit, wenn ich behaupte, daß die Unterdrückung der Weiber Unterdrückung [S. 406] überhaupt in der Welt veranlasset habe? Wahrlich, die Tapferkeit ist keine Entscheidung des Schicksals, wen sie zum Regenten bestimmt hat. Durch Großmuth, nicht durch List, muß man den Feind überwinden, und es ist und bleibt unanständig, sich des Andern Unerfahrenheit zu Nutze zu machen. Ist es besser, sich des Sieges schämen zu müssen, oder sich über das Glück zu beklagen? Die Erhaltung eines einzigen Bürgers — ist sie nicht besser, als die Niederlage von hundert Feinden? Das was nach der Meinung der meisten Menschen Recht ist, das ist, verdollmetschet: so ist wie es seyn muß; ist recht in einem erhabenen Verstande. Dies rechte Recht gründet sich in der Natur der Sache, und hat sich von den Schlacken der Willkühr und des Türkischen Despotismus gereinigt — Wollte man, nach dieser allgemeinen Meinung von den Verhältnissen des fräulichen Geschlechtes, glauben, (glauben muß man in einem besondern Sinne wollen) daß das vielfach tausendjährige Reich der Sklaverei der Weiber in diesem rechten [S. 407] Rechte oder in der Billigkeit sich gründe? Ich will nicht glauben. Nicht alles was wir ungestört leiden, hat die Ehre unsers inwendigen Menschen vor sich. Sehet euch um! ihr werdet finden, daß das meiste Unrecht in der Welt in dem Bestreben besteht, so zu handeln, daß es die Mehresten für Recht halten. Wer kann wohl, ohne eine Gewaltthätigkeit zu begehen, behaupten: die Weiber müßten einen gewissen Standpunkt auch bei dem höheren Grade neuerer Cultur und Sittenverbesserung behalten, und sie könnten, wegen ihrer angebornen Bestimmung als Mitglieder der Societät und als Weiber, bis an den lieben jüngsten Tag nur so weit und nicht weiter kommen? Unsere Gränzen der Ausbildung sollten nicht abgesteckt seyn? nur die ihrigen wären behügelt? O, du liebe Zeit! Die relativen Bestimmungen des Weibes in der Gesellschaft, in so weit es Weib ist — wer fragt nach diesen? diese sind so ewig, wie die Bestimmungen des Mannes als Mann. Allein soll das Weib an Verstand und Willen stehen bleiben, wenn der Mann Fortschritte [S. 408] macht; so muß es mit der Aufklärung in's Gedränge kommen, und sie muß Kinderspott werden — — Man könnte Männer mit der Speise, Weiber mit dem Trank vergleichen; und nur Speise und Trank in Gemeinschaft halten Leib und Seele zusammen. Das Gefühl der Bedürfnisse bildet den Menschen aus, und der Schöpfer scheint es ihm nachgelassen zu haben, Bedürfnisse zu erfinden, um sie im Schweiße des Angesichts befriedigen zu lernen, durch Sprachunterricht zu Realkenntnissen hinauf zu reifen — Selbstliebe, Neigung zum Wohlbefinden, Abneigung gegen den Schmerz, sind Triebfedern, den Menschen immer weiter und weiter zu bringen; und das andere Geschlecht fühlt sie, wo nicht in weit größerem Maße, so doch gewiß nicht minder — Haben etwa Verabredungen, die aus jenen Bedürfnissen und jenen Trieben entstehen, gemeinschaftlich Menschen seyn zu wollen, um desto leichter zum Zweck zu kommen — haben etwa Verabredungen in den Stand der Gesellschaft zu treten, den Weibern ihre Stelle angewiesen —? Nicht also! Die [S. 409] Punktation zum Stande der Gesellschaft machte Eva; und hat sie es sich wohl je vorstellen können, daß auch hier die Ersten die Letzten werden sollten? Setzte unser Geschlecht mit Vorwissen und Vorwillen des andern auf dasselbe das Motto der Hölle: Hier ist die Hoffnung ausgeschlossen; oder ist vielmehr durch den Stand der Gesellschaft der Stand der Natur geheiligt? sollen nicht in jenem, wie in diesem, alle Menschen gleich bleiben? Völker sind sich eben so gleich wie einzelne Menschen, und Geschlechter so wie Völker. Ist nicht durch Unterdrückung des Schwächeren das innere Verderben der Staaten entstanden, woraus denn gerades Weges Unterdrückung und Zerstörung von außen sich nach und nach ergab? Kommt es bei diesen Dingen mehr auf spielenden Witz, schalkhaften Vortrag, übermüthige Phantasie-Einfälle, oder auf Wahrheit und Recht an? und können wir in der Gesellschaft auf Gerechtigkeit Anspruch machen, wenn wir keine erweisen?
Können wir, die wir uns so unrühmlich zu Herren des weiblichen Geschlechtes aufgeworfen [S. 410] haben, es leugnen, daß wir diese Herrschaft von je her nur sehr schlecht verstanden? und in dieser Wissenschaft, wie es am Tage ist, bis jetzt nicht weiter gekommen sind? können wir es vor unserm Gewissen verhehlen, daß wir die Urheber und Veranlasser aller weiblichen Fehler sind, und daß das meiste Gute, welches wir an uns haben, auf die Rechnung des andern Geschlechtes gehört? Furchtsame Männer werden allerdings den Stab über mich brechen, weil ich angeblich die Eitelkeit der Weiber gereitzt, und ihre von Natur schon übermüthigen Begriffe von ihrem Werthe genährt habe; allein, lieben Leute, durch eure Feuer rufende Befürchtung, ich möchte die weibliche Bestimmung zu weit hinausgerückt haben, beweiset ihr, daß ihr, anstatt stark zu seyn, schwach seyd, und daß ihr durch diese Schwäche eure angebliche Ordnung der Dinge umkehret — und daß euch die Geisteskraft und Denkfähigkeit mangeln, die ihr aus bloßem Neide dem andern Geschlechte absprechen wollt. — In der That, ihr solltet der Natur für das Hausmittel [S. 411] danken, durch das andere Geschlecht angespornt und aufgemuntert zu werden, immer weiter zu kommen, aber nicht Feigenblätter suchen, eure stolze Faulheit zu decken. So bald Weiber Menschen sind und Vernunft haben, sind ihre Geistesanlagen nicht zu beschränken; am wenigsten können wir hier psychologische Richter seyn, da wir so sehr Parthei sind, und da wir weit besser gelernt haben, unsere Sache zu führen und Schildknappen der Autorität zu seyn, als das der Natur weit treuer gebliebene andere Geschlecht. Wo es nicht an innerer Kraft fehlt, da ist nur Gelegenheit nöthig, um sie zu äußern; und nur dann, wenn man sich den Vernunftgebrauch untersagt, kann man sich zur Ableugnung jener Wahrheit bringen, daß nicht Alles menschlich gleich sey, was menschlich vernünftig ist. Nur dann, wenn bodenloser Stolz an der Bestimmung des Menschen künstelt, entkommen wir der eigentlichen Ausbildung der Anlagen unserer Natur, und sie entkommt uns. Schade! —
Was für einen Einfluß Erziehung, Klima [S. 412] und andere äußere Umstände auf Menschen (Männer nicht ausgeschlossen) behaupten, lehrt die Erfahrung. Der Weinbauer bleibt auch in ergiebigern Ländern ein Beispiel von Indolenz und einer daraus entspringenden Verderbtheit des moralischen Charakters — Weiber verstehen nur natürliche Waffen zu führen; wir würzen unsere Schutzschriften mit gelehrten Gründen, treffen provisorische Einrichtungen, und wissen Bescheid, unsere Schwächen so zu verhängen, daß sie nicht in die Augen fallen — und eben darum behaupten wir geradehin, daß Weiber nur aus Neugier, nicht aus Wißbegierde, nicht aus eigenem freien Triebe, sondern weil sie dazu aufgemuntert werden, und nur aus Eitelkeit, sich hier und da mit Wissenschaften abgegeben hätten, ohne sich doch je darin auszuzeichnen — Aber außerdem, daß die Reinheit des männlichen Verstandes und des männlichen Willens keine Lobrede verdient, und daß Selbstsucht mit ihrer ganzen Sippschaft von Eitelkeit, Stolz, Geldhunger und Schmeichelei, die Männer gar übel plagt; außerdem, [S. 413] daß auch der Gelehrteste, wenn er sich irgend kurz fassen kann, kaum drei Wochen gebrauchen würde, um alles zu beichten, was er wirklich weiß, und selbst was er wirklich glaubt, so daß sein Wissen und sein Weißsagen doch immer nur Stückwerk ist; außerdem daß zwischen Zuckerbrot der Lektüre, und dem herben Wein der Erfahrung ein großer Unterschied bleibt: so ist das Ende vom Liede aller Wissenschaften und alles gelehrten Dichtens und Trachtens, (wenn es nicht bloß Lückenfüller und Langeweiltröster seyn soll) moralisch besser zu werden. Sind wir das? O, alsdann tret' ich beschämt zurück, widerrufe Alles, was in meiner Schrift nur nach Apologie aussieht, und bleibe bloß bei der demüthigsten Bitte, dem andern Geschlechte durch eine bürgerliche Verbesserung Zeit und Raum zur moralischen Buße zu gönnen, und es zur Verpflichtung gegen die Gesetze des Staates, zu jener bestimmten und äußerlich vollkommenen Verpflichtung zuzulassen, die doch jeder Staatstheilnehmer oder Bürger haben sollte —
Und nun der Schluß? Der Mensch läuft spornstreichs, um zum Ende zu kommen, und wenn er sein Ende sieht, muß er sich ganz zusammen nehmen, um sich zu fassen. Machiavell schrieb seinen Principe, um die Despoten-Republik zur Sprache zu bringen; und ich wollte nichts mehr — Wenn ich Dinge einander nahe lege, die sich für gewöhnliche Augen sehr entfernt berühren, so lasse man mir und Jedem doch seine Weise; denn wenn alle Bücher eine und dieselbe Melodie hätten — würden sich wohl noch so viele Leser finden? an Thäter des Wortes ist so nicht zu denken! Eine Schrift kann nie ein mächtiges um sich greifendes Feuer anzünden; und wenn man behauptet: Rousseau, Voltaire und Montesquieu hätten die Französische Revolution zu Stande gebracht; so vergißt man Nordamerica: und es gehört zu den Zeichen dieser Zeit, wenn man mit Büchern bekannter als mit Menschen ist, um zu regieren; wenn man die äußere Form des Systems viel zu lieb hat, um sie gegen das Gründliche und Consequente der Lebensphilosophie aufzuopfern; [S. 415] wenn man nur auf Mittel für einen Tag sorget, um seinen Zweck durchzusetzen; wenn man seinem Ehrgeitze nur ein anderes Kleid anzieht, das weit weniger als der vorige Anzug Achtung für die Leidenschaft erregen kann; wenn man nicht die Weisheit anschauender, anziehender und wirksamer zu machen sich bemühet, sondern bloß seinem theuren Ich Ehre zudenkt, und, wohl zu merken! ein solcher Schwelger und Schlemmer im Ehrgeitze ist, daß man nicht an den andern Morgen denkt, und sich befriedigt, vier und zwanzig Stunden im Saus und Braus eines hohen Vivat zu glänzen, und Plane auf die Zukunft gegen das schnöde Linsengericht eines stündigen Zujauchzens zu verprassen — — — Theilnehmende Achtung für den Schwächeren hat etwas Göttliches; und wenn Stände zum Controlliren der Staatsofficianten ein herrliches, in Geduld Frucht bringendes Ding für den Regenten und das Volk sind, warum will man diese Controlle des menschlichen Geschlechtes den Weibern nicht anvertrauen? ihnen, die nie gewohnt sind, [S. 416] etwas Imaginaires, sondern immer etwas Wirkliches zum Grunde zu legen, wenn wir uns gleich die schnödeste Mühe geben, sie zu Romanen zu gewöhnen, um sie, kraft der Reminiscenzen dieser Lektüre, aus der wirklichen Welt hinauszubringen — Weiber haben mehr Geist, als Wissenschaft; Männer mehr Wissenschaft als Lebens-Philosophie, und leicht vergißt unser Geschlecht, daß man nach Tugend und Rechtschaffenheit am ersten trachten muß, wenn uns alles Andere zufallen soll. Bettelmönche haben oft größere Gewalt als Eminenzen; Diese haben nicht Zeit, nicht Lust, es auf das Seelen-Regiment anzulegen, da hingegen Jene wirkliche Seelen-Despoten sind, ob sie gleich (etwas bescheidener) sich bloß Seelsorger nennen. Ich schrieb keine Grammatik, wo man die Ausnahme gleich hinter der Regel verzeichnet: das Zeichnen sollte den kalligraphischen Übungen vorgehen, und die Geschichte, nach dem Vorschlage geprüfter Pädagogen, rückwärts vorgetragen werden. — Ich werde mich für hinreichend befriedigt halten, wenn man mir im [S. 417] Ganzen beifällt, obgleich noch nähere Bestimmungen gütlich oder rechtlich nöthig gefunden werden. Ein Buch, das Gedanken erweckt, ist oft besser als eins, das Alles erschöpft, und die Leser wie Unmündige behandelt. Winke fruchten mehr als lange Belehrungen; und wenn ein Schriftsteller das große Amt verkennt, das ihm von der Natur anvertrauet ward, Menschen gegen offenbare Ungerechtigkeiten zu schützen; so verdient er selbst unterdrückt zu werden. Wer es über sein Gewissen bringen kann, ein Geschlecht zum gebornen Despoten des andern zu erheben, wird vielleicht nicht ohne Fertigkeit seyn, volksübliche Sitten nachzuäffen und höheren Volksklassen nachzulallen; allein auf rechtskräftiges Urtheil wolle er in Zeiten Verzicht thun, und seinen Schlaftrunk von Vortrag für jenes Mittelgut von Menschen aufsparen, die Welt und eine Fabrikartigkeit besitzen — wenn gleich gemeiniglich die Pluralität auf ihrer Seite ist. Das Deutsche Weib galt in älterer Zeit allemal mehr als andere Weiber, und ich bleibe gewiß in den Schranken [S. 418] der Wahrheit, wenn ich behaupte, daß auch noch jetzt Deutsche Weiber, so wie sie da sind, einer Verbesserung empfänglicher und fähiger wären, als alle andern, zu welcher Zunge und Sprache sie sich bekennen, und welcher Vorzüge sie sich sonst gegen die Deutschen mit Recht oder mit Unrecht rühmen mögen — Nachtwandler erweckt man, wenn man sie bei Nahmen ruft; — und sollten unsere Deutschen Herren Männer nicht auf den kühlenden Trank nüchtern werden, den ihnen diese Schrift reichet? — Es giebt Schriftsteller, die, wenn sie mit ihren Werken bei ihrem Geschlechte durchzukommen sich nicht getrauen, ihre Schrift mit der Nothlüge begaben, sie hätten sie zu Heil und Frommen des andern Geschlechtes gestellt. Auch glaubt sich mancher Nachdrucker bei Ehren zu erhalten, wenn er das schmackhafte neugebackne Brot eines Andern bröckelt, ohne selbst durch Milch oder Butter ihm ein anderes Ansehen zu geben, und dies alles auf Kosten des andern Geschlechtes thut — als ob der Herr Nachdrucker im Brote des weiblichen [S. 419] Geschlechtes wäre, oder als ob es nicht mehr könnte als (brockenweise) Brot essen! — —
Wozu alle Vergleichs-Vorschläge und Verbesserungs-Plane, die, wenn man gleich ihnen Vorkaufs-Anmaßungen nicht vorrücken kann, die, wenn sie es gleich mehr bei bescheidenen Fingerzeigen bewenden lassen, als daß sie strafsüchtige Warnungstafeln ausstellen, doch um so weniger Lebensfrüchte sicher verheißen können, als man von ihnen nicht weiß, ob und in wie weit sie in der Feuerprobe der Ausübung bestehen werden?
Freilich! warum alle Katheder und Predigerstühle? Sind die Menschen nicht von je her Lügner, Undankbare, Räuber, Neider, Geitzhälse gewesen? Raubvögel haben zwar von Anbeginn ihre Nächsten, bescheidnere Nebenvögel, gefressen, so bald sie sich ihrer bemeistern konnten; Menschen, welche einsehen, daß besser besser ist, und daß sie besser werden können — sollten die ewig Raubvögel bleiben? Mich tröstet der Glaube an die analogisch zu vermuthende Absicht der [S. 420] väterlichen Gottheit — und das rastlose Fortstreben des menschlichen Geistes, der einmal aufgeweckt und in Thätigkeit gesetzt ist. Die gesunde Bergluft ist ohne Zweifel die Ursache von dem Heimwehe der Schweizer; was sollte aber das andere Geschlecht bewegen, in seiner jetzigen Lage zu bleiben? Es wird wollen, wenn wir zu wollen uns entschließen werden —
Ungern muß ich mich noch zu einer Art Menschen wenden, an die ich gewiß am wenigsten gedacht hätte, wenn nicht ganz frische Spuren mich schreckten — Daß dies die Herren Recensenten nicht sind, versteht sich von selbst. Es giebt wackere Männer unter ihnen, die, wenn sie gleich sich einen ehemals ungewöhnlichen Reskriptenton angewöhnen, es so übel nicht meinen; man lasse sie reskribiren — Du lieber Gott! was reskribirt heut zu Tage nicht alles —! Wenn Kinder und Säuglinge an Jahren und an Verstande in unseren hohen Dikasterien den Nahmen Gottes und ihres Fürsten so unnützlich führen, und dummdreistes Zeug in diesen breiten goldenen [S. 421] Rahmen fassen; wenn sie so ungestraft blinden Lärm zu machen, die Vernunft in blödsinnigen Sentenzen gefangen nehmen, den guten Ruf trefflicher Männer als gute Prise ansehen, und von Rechtswegen fünf gerade gehen lassen können — wird man nicht, wohl zu merken! bei würdigen Recensenten, denen jene unbärtigen Großsprecher nicht werth sind die Schuhriemen zu lösen, die weit kleineren Reskripten-Freiheiten, die sie sich herausnehmen, ganz gern übersehen? Ich habe in Wahrheit nichts gegen Recensenten, die sich wie wohlthätige Egel an unsere Bücher hängen, um ihnen das böse Blut abzusaugen; vielmehr wünsch' ich herzlich, daß dieser Blutdurst ihnen allerseits nach Stand und Verdienst wohl bekommen möge. Wenn aber Mücken um ein Paar Blutstropfen mich verfolgen, und meinen Nahmen (wahrlich ein Paar Blutstropfen) entwenden wollen; so bitt' ich diese Anekdotensauger in Erwägung zu nehmen, daß ein Buch darum keinen Fingerlang oder Fingerbreit schlechter oder besser wird, weil man weiß, daß es diesen oder [S. 422] jenen Verfasser hat. In der Schrittstellerwelt giebt es keinen Erbadel; und warum will man die gelehrte Republik in einen monarchischen, wo nicht gar despotischen, Staat umwälzen? warum nicht Jeden bei so viel Freiheit, wie nur mensch- und politisch-möglich ist, lassen? Da giebt es denn aber Kraftgenies ohne Genie, ohne genialische Anlage und Nachdruck, die im Gefühl ihrer Geistesarmuth Anekdoten haschen, um unter Gelehrten die Gelehrten zu spielen, die sie nicht sind, und die sie ohne wundervolle Pfingst-Inspiration auch nicht werden können! Ein Pfeifer und Geiger, ein Flöter und Trommeter glaubt taktlos sich für Kant und Wieland in Einer Person ausgeben zu können, ob er sich gleich begnügen sollte, die Mauern von Jericho umzublasen und die Steine tanzen zu lassen. Voll Vademecums-Belägen wissen dergleichen Masken — und was denn? was unter braven wackern Gelehrten der wenigste Kummer ist; — allein dafür sind jene Kraftmänner auch vor aller andern Hypochondrie, als der, die aus Unwissenheit entsprießt, und die mit [S. 423] Nahmen-Wuth anzuheben pflegt, sicher ihr Lebenlang — machen sich aus Litteratur-Kindern und philosophischen Säuglingen eine Macht, und kommen nicht selten in die Gefahr jenes Menschenkenners, der einen trefflichen Mann fragte: Ist der Herr nicht der Küster aus * *? »Nein, ich bin der General-Superintendent * *, und wer Sie sind, mag ich nicht wissen.« — Wer leugnet es, daß durch Gelehrte von Profession, z. B. durch Kant und Heyne, die Wissenschaften große Fortschritte machten? Gewiß würde der Meister der Philosophie Kant in seinen patriarchalischen Jahren nicht so kraftvolle Arbeiten liefern, und durch einen wohlgestalteten Seelenerben nach dem andern der Welt ein Lachen bereiten, wenn er nicht in der Blüthe seines Lebens mit diesen Gegenständen vertraut geworden, und bei seinem Unterrichte zu denken von Anbeginn gewohnt gewesen wäre. Seine Vorlesungen waren die Goldwagen seiner Grundsätze — Solch eine Pflege kann kein Geschäftsmann seinem Buche geben; noch nie aber haben verdienstvolle akademische [S. 424] Lehrer einem Lessing, Spalding, Teller, Moses Mendelssohn u. s. w. ihr Verdienst abgesprochen, vielmehr es gern gesehen, wenn diese fein sokratisch ihre Systeme in Philosophie der Welt, ich weiß nicht ob erniedrigten oder erhöheten? — Und wozu diese Bemerkung? Um eine andere einzuleiten — Wenn die Kritik der reinen Vernunft mit dem Nahmen Immanuel Kant in die Welt kommt — Wer hat etwas dagegen? Wenn aber ein Geschäftsmann Autor ist — in welche Schwierigkeiten sieht er sich verwickelt! Der Präsident beneidet ihn, wenn er Rath; und der Minister, wenn er Präsident ist. Zum gemeinen Leben berufen, muß er sich nach demselben einrichten und sich in die Zeit schicken lernen, und es ist bei dem Geschäftsmanne nur zu oft böse Zeit. Kritiken schaden den Gelehrten von Profession so wenig, als wenn Renomisten sich an den Fenstern des zu strengen Rektors vergreifen, die denn doch durch Laden gesichert werden können; und wie leicht ist das Haus Sr. Magnificenz wieder befenstert! Der unsauberste Geist indeß schadet [S. 425] dem Geschäftsmann, indem witzleere Antagonisten desselben den schalsten Einfall mit Freuden aufnehmen, und mit diesen fremden Kälbern pflügen, um den braven Mann zu kränken. Der Gelehrte von Profession schlägt den Ball, den ihm ein unfreundlicher Kritikus zuschlägt, weiter; der Geschäftsmann kann ihn nur zurückschlagen — Jeder Unglücksfall im Dienst wird auf die Rechnung der Autorschaft geschrieben; jede ungegründete Beschwerde einer chicanirenden Parthei findet gewisses Gehör, weil der Herr Decernent, oder Instruent, Referent und wie die enten alle heißen mögen, Autor ist und sich nicht Zeit nahm — alle Menschen klug zu machen. — Der Revers der Sache? wird nicht mancher Schriftsteller das Ansehen, welches er in der gelehrten Welt hat, zum Schreckmittel brauchen, um sich zu einem Noli me tangere zu erheben? wird nicht sein Vorgesetzter seiner Schriftstellerfeder auf Rechnung seines Postens eine Pension zuwenden, und Andern aufbürden, was Jenem zu thun oblag —? Practica est multiplex. Ein Mann, [S. 426] der Vater ist, wenn er Brutus seyn soll, der unter den Autoren Präsident, und unter den Präsidenten Autor ist, verdient die Züchtigung eines Johnson's, da hingegen ein Autor, welcher der gelehrten Welt so wenig von seinem politischen Verhältnisse, als diesem von jener verräth, zwiefacher Ehre werth zu seyn scheint, indem er sich nicht aus Einer Lage in die andere hinein schmeichelt, keine Folie nöthig hat, und nicht Eine Farbe in die andere spielen läßt, sondern überall Mann ist — — Das Leben eines Mannes von dieser Art zu lesen, wenn er aufhört entweder politisch oder natürlich zu leben — kann wahrlich ein besseres Lehrbuch werden, als das Leben unseres trefflichen Semlers, der geheime Wissenschaften an geheimen Orten zu lernen suchte — um sie kurz vor seinem Ende öffentlich zu treiben — oder anderer Selbstbekenner, die geistliche und leibliche Jahr- Monaths- Tage- Stunden- und Minuten-Bücher stellten —. Shakespear ward in seinem Leben wegen seiner Sonetten, Milton wegen seiner Lateinischen Verse und prosaischen Schriften geschätzt, derentwegen [S. 427] sich Beide schwerlich bis auf den heutigen Tag erhalten haben würden — —
Friedrich II., der doch selbst von der Poësie, wie von einem Dämon, gar übel geplagt ward, so daß sie sogar bei Schlachten nicht verfehlte, IHM Cour zu machen, sagte zu einem Staatsdiener, dessen Andenken ich heute an dem Tage seines Todes feiere: ich mache Ihn zum * *; aber lass' er mir das Schreiben — So etwas stört, und im Amte muß Er sich durch gar nichts stören lassen — hört Er? Ja! und wer Ohren hat zu hören, der höre! Sind das die Gesinnungen eines königlichen Schriftstellers, (nach Weise des königlichen Propheten David) wie viel ist von Fürsten zu fürchten, denen, außer der Salbung zu Regenten, keine andere zu Theil ward —! wie noch viel mehr von Königschen, die, zu schwach zu einer kritischen Sichtung, an Autoren, welche ihnen über den Kopf zu wachsen scheinen, so gern zu Rittern werden — Ob von diesen Fällen Einer oder keiner der meinige sei, thut nichts zur Sache; daß sie aus dem Leben genommen [S. 428] sind, wird Niemand ableugnen — Und darf ich noch bemerken, daß Kunstrichter, wie alle andere Richter, nicht die Personen ansehen müssen, und daß es pflichtwidrig ist, es auf den Namen des Schriftstellers anlegen zu wollen —?
Wenn unsere Anekdoten- und Nahmenhäscher dies in Erwägung zögen — würden sie nicht lieber Fische fangen und Vogel stellen, da sie doch einmal verdorbene Gesellen sind? — Wie viel wollt' ich geben, wenn ich dieses Schlusses hätte überhoben seyn können! — denn in der That, ich weiß ihn so wenig in den Takt dieser Schrift zu bringen, daß ich mich vielmehr begnügen muß, zu bemerken, wie die Menschen nur alsdann sich zu nahe kommen, wenn sie nichts thun wollen oder können, und, anstatt sich mit sich selbst zu beschäftigen, es gemächlicher finden, auf und gegen Andere zu wirken —
Daß dieser Epilogus jene lieben, trefflichen, edlen Seelen nichts angeht, die in keiner andern Absicht, als um sich näher mit dem Schriftsteller zu verbinden, der mit ihnen [S. 429] so harmonirt, seinen Nahmen gern wüßten — darf ich dies erst bemerken? — Möchte doch der unerforschliche Gott diesen trefflichen Seelen öffentlich vergelten, was sie auch etwa an mir insgeheim thaten! — Möchte ihnen doch an der Hand gutdenkender Weiber des Lebens Last und Hitze nicht schwer seyn! Leicht sei ihnen die Erde im Leben und im Tode —! —
I. |
Formale und Materiale der gegenwärtigen Schrift. |
Seite |
1 |
II. |
Giebt es außer dem Unterschiede des Geschlechtes
noch andere zwischen Mann und Weib? |
28 |
|
III. |
Woher die Überlegenheit des Mannes
über die Frau entstanden? Rückblicke auf die ältere Zeit. |
75 |
|
IV. |
Nähere Angaben, woher die Überlegenheit
des Mannes über die Frau entstanden ist. Betreffen neuere Zeit. |
122 |
|
V. |
Verbesserungs-Vorschläge. |
185 |
|
VI. |
Nutzanwendung. |
398 |
Unterschiedliche Schreibweisen wurden beibehalten.
Typographische Fehler und einzelne Satzzeichen wurden stillschweigend geändert.
End of the Project Gutenberg EBook of Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber, by Theodor Gottlieb von Hippel *** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK ÜBER DIE BÜRGERLICHE *** ***** This file should be named 53912-h.htm or 53912-h.zip ***** This and all associated files of various formats will be found in: http://www.gutenberg.org/5/3/9/1/53912/ Produced by Matthias Grammel and the Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net (This book was produced from scanned images of public domain material from the Google Books project.) Updated editions will replace the previous one--the old editions will be renamed. Creating the works from public domain print editions means that no one owns a United States copyright in these works, so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United States without permission and without paying copyright royalties. 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Redistribution is subject to the trademark license, especially commercial redistribution. *** START: FULL LICENSE *** THE FULL PROJECT GUTENBERG LICENSE PLEASE READ THIS BEFORE YOU DISTRIBUTE OR USE THIS WORK To protect the Project Gutenberg-tm mission of promoting the free distribution of electronic works, by using or distributing this work (or any other work associated in any way with the phrase "Project Gutenberg"), you agree to comply with all the terms of the Full Project Gutenberg-tm License (available with this file or online at http://gutenberg.org/license). Section 1. General Terms of Use and Redistributing Project Gutenberg-tm electronic works 1.A. By reading or using any part of this Project Gutenberg-tm electronic work, you indicate that you have read, understand, agree to and accept all the terms of this license and intellectual property (trademark/copyright) agreement. 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Hart is the originator of the Project Gutenberg-tm concept of a library of electronic works that could be freely shared with anyone. For thirty years, he produced and distributed Project Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support. Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper edition. Most people start at our Web site which has the main PG search facility: http://www.gutenberg.org This Web site includes information about Project Gutenberg-tm, including how to make donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks.