*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK 53218 *** #################################################################### Anmerkungen zur Transkription Der vorliegende Text wurde anhand der 1842 erschienenen Ausgabe so weit wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Zeichensetzung und offensichtliche typographische Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Ungewöhnliche sowie inkonsistente Schreibweisen wurden beibehalten, insbesondere wenn diese in der damaligen Zeit üblich waren oder im Text mehrfach auftreten. Fremdsprachliche Begriffe und Zitate sowie eingedeutschte Fremdwörter wurden nicht korrigiert; einzelne unleserliche Buchstaben wurden aber sinngemäß ergänzt. Das Inhaltsverzeichnis wurde vom Bearbeiter erstellt. Für die von der im Originaltext verwendeten Frakturschrift abweichenden Schriftschnitte wurden die folgenden Sonderzeichen verwendet: gesperrt: +Pluszeichen+ Antiqua: _Unterstriche_ #################################################################### Cölestine, oder der eheliche Verdacht. Von Julian Chownitz, Verfasser von: Moderne Liebe, Marie Capelle, Leontin, Eugen Neuland, Geld und Herz, Heinrich von Sternfels u. s. w. Zweiter Theil. Mit 3 Illustrationen. [Illustration] Leipzig, Verlag von Franz Peter. 1842. Cölestine, oder der eheliche Verdacht. Inhaltsverzeichnis. Erstes Kapitel. Edmund und einer seiner besten Freunde. 3 Zweites Kapitel. Die Nichtswürdigen. 33 Drittes Kapitel. Der Schmerz der Gatten. 58 Viertes Kapitel. Hoffnung, Verzweiflung, Resignation. 76 Fünftes Kapitel. Die Promenade auf der Bastei. 95 Sechstes Kapitel. Immer noch Promenade. 124 Siebentes Kapitel. Der Zurückgezogene. 150 Achtes Kapitel. Die Verlassene. 189 Neuntes Kapitel. Trauer und Verzweiflung. 210 Zehntes Kapitel. Auf der That ertappt. 234 Elftes Kapitel. Die Katastrophe. 240 Zwölftes Kapitel. Das Fest bei dem Chevalier von Marsan. 245 Dreizehntes Kapitel. Schluß. 280 Erstes Kapitel. Edmund und einer seiner besten Freunde. Seit dem beim Schlusse des vorhergehenden Bandes erzählten Vorfall sind zwei Tage vergangen. -- Es ist jetzt nahe vor Tagesanbruch und wir haben das uns bereits bekannte Logis Edmunds von Randow vor unsern Augen. Wir wissen, dasselbe befand sich im väterlichen Hause und nahm hier einen ziemlich ausgedehnten Raum ein. Wo wir uns jetzt befinden, dies ist das Schlafzimmer des jungen Mannes -- wir müssen gestehen, daß sich hier seit der Zeit unseres früheren Besuches so Manches, und zwar nicht zum Vortheile, verändert hat, was, wenn es eine Folgerung auf den Bewohner gestattet, diesen in ein sehr trauriges Licht stellen wird. Mitten im Gemache steht ein Bett, über welchem sich aus Seidenzeug ein drapirtes Zelt erhebt -- aber einige dieser Draperien sind hart beschädigt -- einige, wie es scheint, erst gestern oder heute mitten entzwei gerissen worden.... Das Bett ist nicht einmal aufgedeckt und doch liegt eine Person darauf, von der wir später reden werden. -- Rings herum erblickt man umgestürzte Meubel, zerbrochenes Geschirre -- hingeschleuderte Kleidungsstücke; -- ferner sind die Fenster angelweit offen, wiewohl es draußen stürmt (wir befinden uns im Anfange des Winters,) und selbst die Thür ist nicht fest verschlossen, sondern wird vom Zugwind hin- und herbewegt.... Kurz in diesem Zimmer deutet Alles darauf, daß hier nur ein Trunkener schlafen und ein Liederlicher wohnen kann. -- Wir haben uns nicht geirrt. Jene Person +auf+ dem Bette ist wirklich in dem bezeichneten Zustande: sie liegt nur halb entkleidet, und zwar so, daß der eine ihrer Füße (er ist mit einem Stiefel versehen) sich auf dem Bette befindet, der andere (dieser ist ohne Stiefel) neben demselben herunterhängt; die Arme sind in einer ähnlichen Positur -- und der Kopf folgt jenem Arme, der über den Rand hinausragt. -- Diese Person ist +Edmund+. -- Nicht weit von hier, an die Wand gerückt, steht ein Sopha, welches ebenfalls aussieht, als hätte man darauf z. B. getanzt. Hier liegt ein zweites Individuum im tiefsten Schlaf versunken, was durch zeitweises kräftiges Schnarchen hinlänglich bestätigt wird... auch dieses Individuum ward gestern vom Genius der Nüchternheit nicht begleitet -- und was seine Gestalt betrifft, so war sie uns schon einigemal vorgekommen. Jedoch ist hier weder der edle Venusritter von Althing -- noch etwa gar (das Gegentheil wäre indeß nicht so ganz unmöglich) der tapfere Graf von Wollheim gemeint.... an Herrn von Marsan ist nicht zu denken. -- Eine ganz andere Person tritt hier vor unsere Erinnerung und wir fühlen uns hierbei zu den Anfangspunkten gegenwärtiger Geschichte versetzt. Kurz: der Baron von Leuben, jener bleiche, schwärmerische, wilde Jüngling, den die Vermählung Cölestinens so unglücklich gemacht hatte -- steht, oder vielmehr liegt hier vor uns. -- Wie aber ist er hierher gekommen? wie in diesen Zustand, der nicht sein gewöhnlicher war, gerathen? -- welche innige Verbindung herrscht zwischen ihm und Edmund, da ihre Bekanntschaft in früherer Zeit doch eine ganz alltägliche, wie sie unter allen jüngern Leuten eines Standes herrscht, war? -- -- Geduld, alle diese Fragen sollen früher oder später beantwortet werden. Man sieht es, daß auch dieser Mensch stark betrunken ist; indeß hat sein Zustand bei ihm keine so eclatanten Symptome hervorgebracht -- -- entweder ist seine Natur kräftiger, wie jene Edmunds (was aber nicht scheint) -- oder -- --[A] Edmund scheint den Schlaf schon vor dem Eintreten in dieses Schlafzimmer, worin indeß das Gelage nicht stattfand, -- antizipirt zu haben... er befindet sich jetzt in jenem abscheulichen Zustande, wo die Dünste des Weines bereits den Kopf, die Hefen jedoch den Magen noch nicht verlassen haben. Man schläft nicht -- man ist nicht mehr ohne Besinnung -- aber man wird von schmachvoller Uebelkeit gequält. -- In dieser Indigestion (gleichgesinnte Jünglinge in Deutschland nennen sie: +Katzenjammer+) fährt Edmund auf seinem Lager, welches für ihn eine Folter ist -- wüthend hin und her -- er möchte Alles zerbrechen und zersprengen -- er möchte die ganze Welt zerreißen, nur um aus ihr, d. h. aus sich selber herauszukommen..... Alle Augenblicke sehen wir die Lage des wackern Jünglings verändert -- und haben wir früher eines seiner Beine aus dem Bette heraushängen sehen, so wird uns jetzt das Vergnügen zu Theil, beide so zu erblicken.... später will sogar der Kopf der Mutter Erde näher kommen.... kurz: ein Kaleidoskop bietet nicht so viel abwechselnde Bilder wie Edmunds Lage in dieser Stunde. „Verflucht!“ schreit der junge Ehrenmann in einem Anfalle von Verzweiflung auf: „wird denn das ewig so währen? -- Seit einer Stunde“ (seit dieser Zeit +wußte+ er von seinem Zustande -- früher hatte er in demselben blos vegetirt,) „seit einer Stunde leide ich wie ein Lazarus... und Keiner von den Spitzbuben, meinen Bedienten, kommt -- mir Hilfe zu leisten.... Ah, Ah! die Schurken haben seit einiger Zeit allen Respect vor mir verloren.... Seit dieser Hund von einem +Lips+ mich besucht -- seit ich so recht wie der Herrgott in Frankreich lebe -- -- sind die Kerle wie verwechselt.... ja sie werden mit mir ordentlich familiär... Doch was red’ ich da? -- Es gehört nicht hierher... Lieber will ich klingeln -- -- aber der Teufel weiß, wo die Klingel ist... und gepocht hab’ ich bereits hinlänglich, ohne etwas auszurichten.... auch das Rufen wird nichts nützen: -- Johann! - Franz! -- Karl! -- Karl! -- oder Charles!....“ brüllte er, hörte jedoch bald auf: „es ist umsonst -- Oh! Oh! Uh! Buh! Auh! -- -- Hätt’ ich nur einen -- Tropfen Sodawasser...“ setzte er ermattet hinzu. „Und jener Kerl dort -- --“ fing er später wieder an, „jener Lump von einem Freunde dort auf dem Sopha... wie der schnarcht -- schläft -- und sich um mich, der hier fast des Teufels wird -- nicht für einen Dreier Werthes bekümmert.... Heda! Holla! -- Leuben! -- -- Klotz, Murmelthier!... Wirst Du endlich erwachen? -- -- Aber das schläft -- als sollte es erst zum jüngsten Tag wieder aufstehen!“ -- In diesem Augenblick brach, durch einen allzuhastigen Ruck, den unser Tugendheld that, die Bettstelle unter ihm durch -- -- und alsbald fühlte der Unglückliche sich mit einem Ende seines Körpers zwölf Zoll über, mit dem andern zwei Fuß unter seinem vorigen Horizont. Er schrie entsetzlich -- denn abgesehen von dem Schmerze, den ihm dieser Wechselfall verursachte -- wußte er im Schrecken auch nicht sogleich, was mit ihm geschah. -- Bei dem Schrei erwachte der jenseitige Tugendspiegel auf dem Sopha -- streckte die Arme von sich -- und stammelte auf eine Weise, als hätte er den Mund mit Brei gefüllt: „Nun, was ist denn das hier -- für ein Tausend Donnerwetter! -- -- Was geschieht denn?“ „Oh weh! Oh weh!“ jammerte Edmund... „Schweige doch -- -- und störe einen ehrlichen Menschen nicht in seiner Ruhe -- -- Du -- Du --“ „Hol’ Dich der Kuckuk -- sammt Deiner Ruhe, abscheulicher Kerl -- der seit einem halben Tage schläft -- wie ein Pflanzer in Domingo ... Oh weh! Au! Au! -- ich bin gerädert!“ „Lass’ mich zufrieden.... Ich möchte schlafen!“ murmelte Jener und drehte sich um... „Nein, nein, Du sollst nicht schlafen! Das ist schändlich! Du sollst mir helfen aus diesem verdammten Abgrunde herauszukommen.... Hörst Du! Oh weh!“ Der Andere brummte etwas Unverständliches und legte sich gemüthlich auf den Bauch... „Aber -- zum Henker! -- Hörst Du denn nicht, Leuben?... ich bin gerädert -- zerfleischt -- -- zu Hilfe! -- -- Au! die verdammte Bettstelle! der verdammte Zustand!“ Der edle Baron indeß gab als ganze Antwort einige Schnarchlaute zum Besten. -- Da wurde jedoch unser Mann wüthend, griff um sich herum -- zog eine Latte aus der Bettstelle und warf sie mit einem Fluche seinem Kameraden dermaßen auf die Beine, daß -- einen solchen Schlag auf den Kopf -- die Welt um einen Biedermann ärmer geworden wäre. -- Mit einem Satz stand Leuben auf seinen magnetisirten Beinen (nur nicht ganz fest) -- und indem er versuchte die Augen aufzuthun, welche jedoch wie zusammengenäht waren, rief er: „Was ist denn das! Ist hier der Beelzebub los.... und schmeißt nach mir mit Knitteln?... Was ist denn das? Was ist denn das?“ „Still! still!“ entgegnete Edmund, der unter dem Einfluß der letztern Begebenheit abermals um einen Grad nüchterner geworden schien: „Still! Mach’ kein solches Geschrei! Es war eine Latte und weiter nichts! -- -- Ich habe Dich mit derselben geweckt, da es auf andere Weise nicht ging....“ „Hol’ Euch -- allesammt der Teufel...“ schrie Leuben, der zu glauben schien -- in einer Gesellschaft von Mehrern zu sein...; dann bückte er sich mechanisch und rieb an seinem Beine, fiel jedoch bei dieser Operation zurück auf’s Sopha, wo er alsbald wieder eingeschlafen sein würde, hätte Edmund sich jetzt nicht aus den Trümmern und Matratzen losgewickelt und wäre er nicht zu ihm hin gewankt, rufend: „Aber nein! Du sollst nicht länger schnarchen -- abscheulicher Kerl. Bei der Hölle, Du sollst kein Auge mehr zuthun -- -- denn so allein halte ich es in diesem Zustande nicht aus....“ Und er rüttelte und schüttelte den Braven so lange, bis dieser, abermals sich die Augen reibend, in gähnender Weise ausrief: „Nun, es ist vorbei! -- Aus ist es mit dem schönen Schlafe! -- -- Aber, zum Henker... wozu soll ich denn jetzt mitten in der Nacht wachen?“ „Weil ich auch wache...“ „Und weshalb wachst Du?“ „Weil ich nicht schlafen kann... weil ich wie ein Märtyrer leide... und...“ „Du wie ein Märtyrer?“ „Die verfl-- Fête! Ich werde an sie denken!“ „Ja -- es war eine herrliche Fête!“ „Hol’ sie der Teufel! -- -- Sie hat mich vollständig ruinirt, an Leib und Seele...“ „Aber, das begreife ich nicht... Ah! Ah!“ Und er gähnte wie ein Lohnkutscher. „-- -- Ich begreife es um so mehr! -- Oh! Oh! -- -- Wenn nur erst dieser schmähliche Katzenjammer vorüber wäre! Ich habe doch im Leben so manchen verdaut... aber einer wie dieser ist in Europa noch nicht vorgekommen...“ „Du hast also den Katzenjammer! Was ist dabei? -- Lumperei! Weiter nichts als Lumperei....“ „Ja, ja -- -- ich merke aber, daß mein Katzenjammer nicht nur ein physischer ist, sondern aus physischem und moralischem zusammengesetzt...“ „Aus moralischem?... Wenn auch!... Was will das noch Alles sagen? -- habe im Leben so manchen allermoralischsten Katzenjammer verarbeitet -- und stehe noch da, als eine Säule der Junggesellenschaft...“ „Thor! Weißt Du denn auch, auf was sich dieser mein moralischer Katzenjammer gründet? -- Er gründet sich auf 8000 Stück Dukaten, die ich in Zeit von vier Stunden zahlen muß.“ „Muß, muß! -- was heißt das: muß?“ versetzte Leuben, und in diesem Augenblicke hätte Einer, der schärfer sah als jetzt Edmund -- bemerken können, daß hinter dieser Gleichgiltigkeit und Trunkenheit, hinter dieser ganzen Geberdung Leubens .... noch etwas steckte, welches aussah wie der böse Geist Mephistopheles, als er in Auerbachs Keller hinter einem mit Flaschen und Betrunkenen besetzten Tische stand. -- Um nicht lange in Räthseln zu sprechen, erklären wir frischweg, Leuben war zwar berauscht -- jedoch nicht so sehr, wie er +that+. Ein scheußliches Lächeln hatte sich nach obigen Worten über seine Züge ausgedehnt... und er wiederholte: „Muß! Muß! -- Du mußt in vier Stunden 8000 Dukaten zahlen, sagst Du?... Ich aber sage: ein Mann kennt das Wort „Muß“ gar nicht...“ „Ja -- Du hast leicht reden!... Wäre ich in Deinen Verhältnissen! -- Erstens -- reich wie ein Nabob und dazu Herr seines Vermögens; sodann überhaupt nicht an Familienrücksichten gebunden -- -- drittens, was die Hauptsache ist, ein Kerl, der die Kaltblütigkeit eines Krokodils besitzt, wenn es sich um Dinge handelt, die Einem an den +Hals+ gehen... endlich viertens, und dies ist die hauptsächlichste Hauptsache: Du Beneidenswerther besitzest noch Deine Seele! Hast sie dem Beelzebub noch nicht verkauft... dem Beelzebub, welcher unter uns einherschreitet in der Gestalt des Meisters Lips.... Oh, Oh! meine Zunge brennt schon, wenn ich diesen Namen nur nenne.“ „Nun -- gut; aber was ist mit diesem Lips weiter? -- Mache Dich von dem Spitzbuben los!....“ „-- Mensch! Mensch! -- dies ist leichter gesagt, als gethan. „Mache Dich los!“ wie schnell ist das ausgesprochen! -- Aber ich sage Dir: eher macht man sich aus den lieblichen Umarmungen der Menschenfresser los, wie von Meister Lips -- besonders wenn man sich mit ihm bereits so weit eingelassen, wie -- leider Unsereins.“ Leuben neigte sich ein wenig zur Erde, um die Freude, von der sein Gesicht strahlte, zu verbergen; darauf fragte er in neugierigem Tone: -- -- „Also ihm hast Du die 8000 Ducaten zu bezahlen....?“ „Freilich -- freilich, Du Narr, Du! -- Ihm, dem Meister Lips -- und dann noch jenem verfl-- Coujon, den Du seit vier oder fünf Tagen zu den Orgien mitbringst, die wir bei jener saubern Frau Wratschifratschi -- oder wie sie sonst heißt.... kurz bei jener tugendhaften Dame mit ihrem halben Dutzend tugendhafter Freundinnen feiern; -- -- diesen zwei Menschen bin ich 8000 Dukaten schuldig; dem Ersteren zwei -- dem Andern sechs Tausend....“ „Du nanntest meinen Freund einen Coujon, obwohl er ein Ehrenmann ist, wie Du oder ein Anderer; doch das mag Dir um unseres beiderseitigen Zustandes willen hingehn. -- --“ „Was -- Zustandes! Ich wiederhole nochmals: ein Coujon, ein Spitzbube ist der Kerl ... ein falscher Spieler, woran nicht zu zweifeln; denn seit vier oder fünf Tagen hat er mir mit einer Regelmäßigkeit, die mathematisch genau ist, ungefähr 10,000 Dukaten abgenommen... und ich, ich Thor, ich spielte mit ihm noch immerfort .... spielte, als mein Geld verloren war, auf Ehrenwort.... und.... beraubte meine..... doch genug!“ Edmund schwieg plötzlich. Ein besseres Gefühl schien über ihn gekommen zu sein, welches die nichtswürdigen Gesinnungen, die seine Brust jetzt beherrschten, auf einen Augenblick überwand.... er ging wieder zu seinem Bette zurück -- legte sich darauf und barg sein Gesicht in die Kissen.... Der Andere aber schickte ihm einen Blick nach, der von der Natur des Basilisken geborgt zu sein schien -- nickte mit dem Kopfe und rieb sich die Hände; sodann streckte er sich der Länge nach und mit großer Behaglichkeit ebenfalls auf sein Sopha hin -- und begann wieder...: „Und diese beiden Gläubiger, sagst Du, holen in vier Stunden ihre 8000 Dukaten? -- Aber woher dies Zusammentreffen? -- Es wirft auf meinen Freund ein ungünstigeres Licht, als mir lieb ist....“ „Hol’ ihn der Henker, Deinen Freund, sammt allen Lichtern, die jemals auf eine solche Schandgestalt wie die seine gefallen sind! -- -- Aber eben dies Zusammentreffen, wie zufällig dasselbe auch sein mag, gleicht einem geheimen Fingerzeig Gottes, der so viel sagen will, als: diese zwei Schufte gehören neben einander.... Wenigstens, was mich betrifft, ich dachte gestern, als ich diesem saubern Freunde Deines Herzens sagte, er möge heute 11 Uhr Vormittags sein Geld bei mir in Empfang nehmen -- damals dachte ich nicht daran, daß zur selben Zeit auch Meister Lips hier erscheinen werde, wiewohl ich es längst wußte..... und jenes Spiel einige Minuten früher blos in der einzigen Hoffnung eingegangen war, das Geld, welches ich für Lips heute brauchte, dabei zu gewinnen --“ „Mit diesen Worten, mein Bester, vernichtest Du ja selbst den Verdacht, welchen Du vorhin auf meinen Freund +Theobald Wurmholzer+ so ungerechter Weise geworfen.... Hast Du ihn für keinen ehrlichen Mann gehalten, so hättest Du mit ihm nicht spielen sollen.... allein eben weil Du mit ihm spieltest, gabst Du ihm so zu sagen selbst das Zeugniß, daß er einer sei.“ „Schon gut, schon gut!“ versetzte Edmund, und fing wieder an, sich umherzudrehen -- -- „Deine Argumentation scheint sehr richtig.... allein der verd-- Katzenjammer kommt schon wieder.... Uh! Puh!“ „Der moralische -- oder der physische? --“ „Beide, beide! -- Weh mir!“ Mittlerweile war es hell geworden, der Tag guckte zu den Fenstern herein, was ihm sehr bequem wurde, denn diese waren noch offen, wie zur Nachtzeit. Indessen fing das Schneegestöber, welches draußen herrschte, an, seine Wirkung bis mitten ins Gemach zu verbreiten -- weshalb Leuben aufstand, um Fenster und Thür zu schließen; und als er zufälligerweise die letztern heftig zuschlug, schrie Edmund erschreckt auf: „Ach! wer kommt da! Sollten es bereits die zwei Schurken sein....?“ „Welche -- Schurken?“ „Lips -- und jener ehrliche Wurmholzer. --“ Erst jetzt erhob er sein edles Haupt: „Ach!“ sagte er nach der Thür sehend -- mit erleichtertem Herzen: „sie sind es nicht. -- Freilich aber,“ begann er nach einer Pause: „werden sie nicht lange ausbleiben. Die eilfte Stunde wird herankommen, ehe man sich’s versieht. -- Heute galoppirt die Zeit, wie ein arabischer Renner.... Kannst Du mir vielleicht sagen, was jetzt die Uhr ist?“ „Ich vergaß meine Uhr zu Hause... Indeß kannst Du ja nach einer von den Deinigen sehen.“ „Nach einer von den meinigen?!“ wiederholte der wackere Sprosse des Randow’schen Hauses mit kläglicher Stimme. „Wo sind die -- meinigen! -- Der Teufel hat sie bereits alle geholt....“ „Alle?“ „Ja -- ja; mein lieber Freund -- Lips kann mehr von diesem Kapitel erzählen....“ „Ich will nicht hoffen -- daß dieser Elende Dich schon sogar um Deine Uhren gebracht hat --“ „Um meine Uhren? -- Ach, er hat mich noch um so manches Andere gebracht! Die Uhren, die Ringe, die Ketten, die Waffen, die tausenderlei hübschen glänzenden Sachen.... sie sind alle sein -- -- -- Ja sogar -- -- Kleider, Wäsche -- Requisiten -- -- Oh! verfl-- Katzenjammer!“ Der Andere schlug, da ihm Edmund in’s Gesicht sah, die Hände zusammen, mit einer Miene voll zärtlichen Mitleids und Schreckens rufend: „Allein -- wie konntest Du es nur so weit kommen lassen, unglücklicher Freund?!“ Er wischte sich eine Thräne aus dem Auge: „Sahst Du denn nicht, mit wem Du es zu thun hattest.... Meister Lips hätte Dir ja gleich beim ersten Handel, den Du mit ihm eingingst, die Lust zu einem zweiten benehmen sollen....“ „O mein Freund!“ seufzte Edmund: „sprich lieber: mit dem +ersten+ Handel hatte der nichtswürdige Kehlabschneider +zugleich alle übrigen gemacht+.... Einmal in seine Klauen gerathen, gehörte ich für immer ihm.... ich konnte nicht mehr los! Glaube mir, das Alles kann ich Dir nicht so leicht erzählen -- wie leicht es ihm zu +vollbringen+ war.... ich kann Dir von dem Wie und Warum keine Erklärung geben: ich kann Dir nur sagen: es ist geschehen -- Punktum! Damit ist Alles gesagt. --“ „Und wenn,“ fuhr der Taugenichts fort, „wenn ich Dir zum Schluß noch einige Notizen geben soll, so werden es folgende sein: Lips hat Wechsel, Obligationen, Hypotheken von mir in Händen -- bei deren Erinnerung mir schon der Kopf schwindelt -- und das Hirn in demselben siedet..... Der Satan weiß es, wie ich mich aus den schauderhaften Papieren herauswickle! Soviel jedoch ist gewiß: daß Meister Lips mich mit Haut und Haar in seiner Gewalt hat -- und es kostet ihm nur ein Wort -- so bringt er mich dahin, wo Heulen und Zähnklappern herrscht.“ Eine tiefe Pause entstand. -- „Aber,“ begann jetzt Leuben: „kannst Du denn hierbei nicht die Hilfe der Deinigen in Anspruch nehmen, Edmund? -- Ich bin gewiß, Dein Vater, Deine Mutter würden Dich gerne aus dieser Verlegenheit ziehen -- es bedarf vielleicht nur eines offenen und zugleich reumüthigen Bekenntnisses von Deiner Seite. -- Du siehst, ich rede zu Dir als Freund.“ Es hatte leicht reden, dieses edle Herz. War es ihm doch hinlänglich bewußt, daß der General für seinen Sohn in diesem Falle nichts thun würde; ja, daß er, unterrichtet von dem wüsten, unvernünftigen und unehrenhaften Treiben des Letztern -- vielleicht ganz und gar seine Hand von ihm abziehen, ihn verstoßen dürfte. Der Charakter und die Grundsätze des alten Herrn bürgten dafür. Edmund begnügte sich daher auch, statt aller Antwort -- laut und mit einem gräßlichen Tone aufzulachen; sodann barg er das Gesicht in beide Hände und blieb völlig stumm. „Und Deine Schwester?“ fing Jener wieder an. „Sollte Cölestine, welche Dich doch so zärtlich liebt und zugleich von Deiner innigen Neigung zu ihr überzeugt ist -- sollte sie Dich nicht retten können?... Freilich ist sie in diesem Augenblick noch nicht Herrin ihres Vermögens -- und darf über das eigene eben so wenig, wie über jenes ihres Mannes verfügen. Gleichwohl scheint es, daß es ihr im Ganzen nicht schwer werden sollte.... mehrere tausend Gulden aufzutreiben....“ „Wo denn?“ fuhr der Jüngling dazwischen. „Etwa bei Meister Lips?“ „Nein doch! -- aber -- ich meine -- -- sie besitzt ja Kostbarkeiten, Juwelen -- Schmuck -- --“ Edmund stieß bei diesen Worten einen tiefen, erschütternden Seufzer, der aus dem innersten Grunde der Seele kam, aus. Seine Augen wurden feucht, und als er die folgenden Worte sprach, schluchzte er wie ein Knabe: „Ach, unglückliche Schwester! Arme Cölestine! Liebevolles, heiliges Herz -- -- -- womit, womit hast Du dies Alles verdient! -- -- O! Ich bin ein Frevler, ein Nichtswürdiger, ein Verräther an Dir und Deiner Liebe! -- Und ich verdiene nicht mehr in Dein mitleidvolles, zärtliches Auge zu blicken! -- Ja, ja! Möge es sich mir auf ewig verschließen.... möge es Einem leuchten, der dessen würdiger ist, als ich... -- O, ich Elender!“ schrie er im gewaltigen Schmerze auf: „ich verachte mich! ich speie mich an!“ Nach diesen Worten schien es, als bräche sein innerstes Wesen zusammen. Er lag bewegungslos, starr wie ein Leichnam da -- -- und hätte nicht das schwere Stöhnen, welches er von Zeit zu Zeit hören ließ, Kunde von seinem Leben gegeben -- man würde ihn haben hinaustragen können zur Bestattung. -- Daher gab er auch auf die Frage, welche Leuben zuletzt an ihn that: „Und Marsan -- Dein Freund, der glänzende, großmüthige Marsan? -- -- Weshalb vertraust Du Dich nicht ihm an?“ -- keine Antwort. -- -- Wir hoffen, der Charakter Edmunds von Randow ist unsern Lesern bereits deutlich genug vor Augen gestellt. -- Wie aus mehrfachen Scenen, in denen wir diesem jungen Menschen begegnet sind -- erhellt, haben wir es hier mit einer, aus zweien, scheinbar widerstreitenden Hälften zusammengesetzten, Natur zu thun -- diese Hälften jedoch, diese scheinbaren Gegensätze -- sind nichts weiter, als die zwei Theile einer aus derselben Wurzel entsprießenden Pflanze -- einer Blume, die Blüthen und zugleich scharfe Dornen trägt... Wir wollen uns sogleich weitläuftiger über diese Sache auslassen und versuchen, ein Spiegelbild jener Menschengattung zu liefern -- in welcher der Krankheitsstoff unserer Zeit am entschiedensten zum Durchbruch gekommen. -- Edmund war ein leichtsinniger, ein verschwenderischer, ein nichtsthuender junger Mensch, der jedoch in gewissen Fällen der wärmsten Hingebung, der edelmüthigsten Aufopferung -- und einer bis zur reinsten Liebe gesteigerten Zuneigung fähig war. -- Er an und für sich war wenig... durch Denjenigen, an welchen er sich anschloß, konnte er jedoch Alles werden. Er hatte von der Natur weiter nichts mitbekommen, als ein weiches Herz und einen heitern Sinn; diese Gabe aber ist äußerst gefährlich; ohne die richtige Pflege bildet sich durch sie ein Charakter heraus, der zuerst blos +gut+ und +schwach+ scheint -- später jedoch +leichtfertig+ und +thöricht+ wird. Vermöge des Ersteren hing Edmund seinen Verwandten und darunter besonders seiner Schwester mit schwärmischer Liebe an -- vermöge des Letztern schloß er schnell mit Jedermann -- am schnellsten mit lustigen Brüdern Bekanntschaften und Bündnisse. Welche Resultate für sein Leben, für seine persönlichen Verhältnisse hieraus erwuchsen, ließ sich voraussehen. Da es in der menschlichen Natur liegt, mit einem Gemüthe, wie das Edmunds, dem Bösen zugänglicher zu sein als dem Guten, so war auch nichts natürlicher, als daß bei ihm der Einfluß seiner +Freunde+ jenen seiner Verwandten nicht nur überwog -- sondern in progressivem Verhältniß langsam vernichtete, dermaßen, daß Edmund zum Beispiele im gegenwärtigen Zeitpunkte -- Dank dem elenden Leuben -- Althing -- dem alten Wollheim und dem Würger Lips, der anfangs als +Freund in der Noth+ galt, -- Dank also diesen schlechten Freunden -- in diesem Augenblick auf einem schauderhaften Gipfel des Elends und der geheimen Noth stand. Daß es das Geld ist, welches im vorliegenden Falle wieder den _nervus rerum_ vorstellt, läßt sich leicht errathen; wann sollte dieses fluchwürdige Princip nicht das herrschende gewesen sein -- -- mag man auch die Bücher der Weltgeschichte, von den grauen Zeiten des Alterthums bis auf die neuesten, durchblättern.... wo war es dies nicht stets? -- Fürwahr, man ist versucht, dieses Princip für dasjenige zu nehmen -- von welchem die Bücher der heiligen wie die der weltlichen Weisheit als von dem +bösen+ sprechen. -- -- Wir könnten hier eine lange Expectoration einschließen -- wir könnten hier mit sanften Engelsstimmen sowohl wie mit dem Brüllen des Donners reden, um unserm Satz die rechte Verständlichkeit und Kraft zu verleihen; wir könnten tausend Mal fragen: „Wo ist das Gute, welches durch den Mammon gestiftet wurde?“ -- ohne daß man uns hierauf auch nur eine einzige Antwort zu geben vermöchte; -- -- wir könnten hinwieder fragen: „Wo ist das Böse, das durch ihn angerichtet wurde?“ und auf der ganzen Erde würde jeder Punkt rufen: „Hier! hier! hier!“ -- Doch zu solchen Experimenten ist hier weder Zeit noch Raum, und so kehren wir denn wieder zu den wesentlichen Theilen unserer Darstellung zurück. Als wir Edmund zum ersten Male sahen, fanden wir im Aeußern einen jener lustigen, ausgelassenen, dabei gutmüthigen jungen Kavaliere, an welchen in großen Städten eben kein Mangel ist. Wir hatten jedoch zu jener Zeit uns noch nicht näher um ihn bekümmert... wir hatten noch nicht nach seinen inneren Zuständen geforscht und so konnten wir leicht über ihn +lachen+; wir hatten noch keine Ursache, uns wegen seiner zu +betrüben+ -- denn ein Mensch kann lustig, ausgelassen und bei dem Allen doch sehr glücklich sein. Als uns Edmunds schönes Verhältniß zu Cölestine, als uns einige der edleren Eigenschaften seines Herzens bekannt wurden -- mußten wir sogar für ihn eingenommen werden. -- -- Aber nur zu bald enthüllten sich unserem Blick alle jene düstern Einzelheiten dieses Wesens und Lebens, welche nicht mehr geeignet sind zu belustigen, sondern wodurch unsere bisherige Theilnahme dem Schreck, ja dem Ekel wich. -- Wir sahen Edmund nicht mehr blos aus Leichtsinn und Unüberlegtheit sich thörichten Neigungen hingeben -- sondern mit schamlosem Bewußtsein; -- ja wir erblickten ihn zuletzt sogar in den Armen der nichtswürdigsten Laster.... und bald, bald werden wir mit Entsetzen vor ihm fliehen. -- Dahin jedoch mußte die Consequenz eines Treibens, wie das seinige war, ihn führen, und dahin wird Jeder kommen, der, gleich ihm, auf die Sirenentöne jener Leute hört, die sich uns im gewöhnlichen Leben häufig als unsere „+besten Freunde+“ bezeichnen. -- Wenn wir die Liste der Kameraden Edmunds durchgehen -- welche Subjecte finden wir da! Alle Sorten der Thorheit und des Lasters -- von der niedrigsten Stufe bis zur schwindelndsten Höhe. Zuerst den im Ganzen unschädlichsten alten Gecken +Althing+, an dessen Seite er zuerst die traurige Süßigkeit des Müßiggangs und die lügnerische der Galanterie kennen lernte; sodann den albernen Jäger und Säufer Wollheim -- mit dessen Hilfe er schon um einige Stufen höher stieg. -- Diese zwei Leute beglückten ihn durch jahrelangen Umgang und nannten ihn in allem Ernste ihren „+Schüler+“, sowie er dieselben lange Zeit hindurch als seine „+Meister+“ anerkannte. Später sodann machte er die Bekanntschaft des Chevaliers -- und diese wirkte eben wegen ihrer direkten Entgegengesetztheit am verderblichsten unter allen bisherigen auf ihn; denn durch dieselbe plötzlich in eine Sphäre gerissen, worin er sich noch niemals befunden -- gerieth er in abscheuliche Verlegenheiten -- denen er nur dadurch entkam, daß er seine Zuflucht zu dem allesvermögenden Götzen des Geldes nahm -- ein Götze, welcher den jungen wüsten Verschwender rasch in die Klauen seines Priesters: des Meister Lips führte... Zu Allem diesen kam noch, gleichsam als Krone des Werkes -- die Verbindung mit Leuben, welche dieser seit Kurzem absichtlich und dringend suchte und auch sehr leicht gefunden hatte. -- Leuben, früher ein gewöhnlicher Mensch und ein verliebter Wahnsinniger, trat ihm jetzt als der ausgemachteste Roué entgegen und führte ihn in noch tiefere und stinkendere Kloaken des Lebens -- als in welchen der Thor Edmund bisher gewatet hatte. -- -- So standen die Sachen und nun antworte man uns: ist hier nicht ein ursprünglich zu Gutem bestimmtes Gemüth, eine an sich reine und edle Natur untergegangen? Doch -- so mächtig ist der Keim des Göttlichen in uns, daß er, und wäre er auch nur so groß wie ein Samenkorn, die hundertfachen Schichten des Lasters und des Bösen, von denen er eingeschlossen wird, und die ihn gerne ersticken möchten, dennoch durchdringt -- um über ihnen, wenn auch nur auf Augenblicke zu leuchten.... den blinden Thoren sehen zu machen. -- Die gefürchtete Stunde nahte heran; je näher sie kam, je heftiger zitterte das Herz in dem Leibe des Elenden. Leuben hatte ihn verlassen .... er wollte nur kurze Zeit wegbleiben, um seinen Anzug in Ordnung zu bringen, dann wollte er, wie er sagte, wieder kommen, und aus freiem Antriebe seinen „unglücklichen lieben Freund Edmund“ mit einem Darlehen -- gegen die Wuth des Meister Lips schützen. Das hatte er ihm gelobt. -- Was er jedoch that, bestand in Folgendem: er verfügte sich von hier zuerst zu dem andern „lieben Freunde“ +Theobald Wurmholzer+, sodann -- denn die Verbindungen, welche er seit einiger Zeit angeknüpft hatte, reichten weit -- zu seinem dritten „lieben Freunde“ dem Meister +Sophronias Lips+.... und setzte diese zwei Ehrenmänner von der Gemüthslage Edmunds in Kenntniß. -- Er handelte, wie man sieht, nach einem Systeme, dessen Ziele uns immer näher und immer zahlreicher vor den Blick treten -- bis wir sie zuletzt als Schlußstein eines ganzen Intriguengebäudes sehen werden -- welches Gebäude bestimmt ist, auf die Welt darunter zusammenzustürzen, -- wenn anders nicht etwa eine mächtigere Hand noch bei Zeiten dazwischen fährt, zertrümmernd den arglistigen, verderbenschwangeren Bau.... erlösend und versöhnend die Welt, welche so lange in diesem Kerker geseufzet. -- Zweites Kapitel. Die Nichtswürdigen. Eben hatte es auf einem Thurme in der Nähe elf Uhr geschlagen. Dieser Klang tönte erschütternd durch die Ohren Edmunds, welcher sich von seinem Lager noch immer nicht erhoben hatte, sondern dasselbe Stunde für Stunde mit seinem Angstschweiße tränkte -- gleich einem Armensünder-Lager. Wir haben bereits Vieles von dem Treiben und Thun dieses verlornen Jünglings erzählt -- wir haben jedoch noch nicht Alles, noch nicht das Letzte gesagt. -- Edmund von Randow, der Sohn eines der edelsten und ruhmvollsten Häuser des Landes, war nicht nur Müßiggänger, Libertin, Verschwender, Spieler und ein Roué der gemeinsten Klasse geworden -- -- Edmund von Randow, der Sohn eines der ersten und vornehmsten Geschlechter zweier Reiche -- -- war sogar bis zum +Betrüger+ hinabgestürzt.... Nachdem wir dies entsetzliche Wort ausgesprochen haben, bleibt uns nichts anderes übrig, als es zu rechtfertigen, und dies soll sofort geschehen. Es waren seit dem letzten Glockenschlage noch kaum einige Minuten verflossen, als nicht der Baron von Leuben, wohl aber Herr Theobald Wurmholzer in’s Zimmer trat. Auf die Stirne dieses Menschen hatte sein Leben und sein Handwerk Züge gezeichnet, die nicht zu verkennen waren. -- Herr Theobald erschien mit einer lustigen Schurkenmiene und einem schmetternden „Guten Morgen!“ Als er Edmund, dessen Zustand und Lage erblickte -- brach er laut in die Worte aus: „_Sacre bleu!_ Was ist denn das? Hat für meinen Busenfreund Edmund der Hahn noch nicht gekräht? -- _Bougre!_ das nenn’ ich einen guten Schlaf -- der freilich auch einem guten Tage folgt....“ Edmund begnügte sich damit, sich halb aufzurichten und dem Abscheulichen eine Art von Willkomm entgegen zu murmeln, womit dieser zufrieden schien, denn er setzte sich, nach dem Brauche solcher Herren, ohneweiteres auf das Bett -- und fuhr in seiner lärmenden Weise fort: „Sie werden wissen, mein verehrungswürdiger Freund Randow -- daß ich nicht gekommen wäre, Ihren süßen Schlaf zu stören, nöthigte mich hierzu nicht jene dringende Pflicht, die ich gegen mich selber habe und die Ihnen hinlänglich bekannt ist; Sie begreifen --: Die heiligste Pflicht des Gentlemans und Spielers besteht in --“ Edmund fuhr bei dem letzteren Worte ein wenig überrascht in die Höhe --: „Sie nennen sich also kurzweg: einen Spieler!“ „Darauf kommt es hier nicht an und es wird Ihnen auch gewiß sehr gleichgiltig sein...“ „Ich meine nur -- -- bisher haben Sie sich unter diesem Titel noch nicht vorgestellt....“ „_Diable!_ -- dies will ich schon glauben!... Wer in der Welt wird sich bei einem fremden Menschen gleich als +Spieler+ einführen? -- Es wäre sehr gegen die Lebensart! -- Allein nachdem man zusammen drei bis vier Nächte hindurch am grünen Tische gesessen -- nachdem man mit Einem überdies auf Ehrenwort gespielt -- und endlich gar an ihn eine Forderung von circa 2000 Ducaten zu stellen hat -- darf man sich doch wohl kurzweg als das bezeichnen, ... was man ist, _Tonneur de Dieu!_ -- Welchen Titel soll man für sich erfinden? -- -- Man hat von Jemand für einige Sätze im _rouge et noir_ 2000 Ducaten zu fordern... also ist man ein +Spieler+.“ „An dieser Logik ist wohl nichts auszusetzen --“ versetzte Edmund eintönig und mit bitterem Lächeln -- --; „ich hätte längst selber von ihr Gebrauch machen sollen....“ „Allein, wie ich sehe, _mon cher_ -- -- so jagen wir uns da mit einer nutzlosen Phraseologie ab... und beim Himmel! meine Zeit ist sehr kostbar: ich habe heute noch wichtige Geschäfte in Ordnung zu bringen. Kommen wir daher zur Sache! -- +Haben Sie das Geld in Bereitschaft+, _mon petit coeur_?“ Mit kurzen Worten antwortete Randow: „Ich habe nichts in Bereitschaft. Ich besitze keinen Heller!“ „Wie -- Sie besitzen keinen Heller!“ schrie Herr Theobald so mächtig, daß es draußen auf allen Gängen widerhallte: „_Morbleu!_ -- Sie besitzen keinen Heller!“ Theobald war aufgesprungen und hatte sich vor ihn hingestellt: „Was ist dies für eine sonderbare Erklärung -- mein Herr von Randow?“ „Die Erklärung ist sehr einfach und noch dabei sehr wahr;“ sprach Edmund mit einer Ruhe, deren man ihn nach seiner früheren Stimmung nicht fähig hätte halten sollen. -- Allein freilich die früheren Bewegungen seines Innern standen weniger mit diesem als mit dem andern Falle, mit dem Meister Lips, in Verbindung. „_Enfin!_“ rief der Spieler: „Sie zahlen also nicht: Sie tragen Ihre Schuld nicht ab -- mein Herr?“ „Es ist mir unmöglich -- mein Herr.“ „Wissen Sie auch, mein Herr -- daß dies eine Ehrenschuld ist?... daß Sie auf’s +Wort+ gespielt haben?“ „Ich weiß es, ich weiß Alles.“ „Und dennoch -- glauben Sie mir so mit der größten Seelenruhe sagen zu dürfen, daß Sie nicht zahlen wollen?...“ „Allein -- was soll ich Anderes thun? Sagen Sie es selbst, mein Herr!...“ „Dies -- _mon Dieu_!“ versetzte scheußlich lachend Herr Theobald -- der nach Art der Leute seines Metiers unabläßlich mit französischen Brocken um sich herum warf... „Dies, _mon Dieu_ -- ist doch fürwahr nicht meine Sache... es geht mich nicht im Geringsten an... _Sacre!_ Was soll ich Ihnen denn noch sonst sagen, als: zahlen Sie! zahlen Sie -- -- ich muß auch zahlen! -- --“ Der junge Mensch antwortete nicht -- er seufzte nur und rieb sich die Stirne, die zu zerspringen drohte unter den Gedanken, welche -- nicht Herrn Theobald betrafen. „Endlich, mein Herr,“ nahm dieser sich zusammen und blickte ihn wild und finster an: „Endlich -- damit wir zum Schlusse kommen: was ist Ihre Absicht? Wollen Sie mich als Mann von Ehre, wie es Ihrem Stande angemessen, befriedigen -- oder aber wünschen Sie, daß ich noch in dieser Stunde zu Ihrem Vater gehe -- -- und den würdigen General von Randow veranlasse, das Wort seines Sohnes und dessen Reputation zu retten?... _Morbleu!_“ Der Spieler war richtig berathen. Kaum hatte er den Namen von Edmunds Vater genannt, als der Jüngling erschrocken vom Lager aufsprang und im Nu aufrecht stehend sich seinem Gläubiger gegenüber befand: „Um Gotteswillen, mein Herr!“ rief er mit bebender Zunge: „Thun Sie das nicht! Machen Sie keinen Schritt aus diesem Zimmer -- bevor unsere Angelegenheit nicht in Ordnung gebracht ist. -- -- Sie wollen, ich soll Ihnen 2000 Ducaten bezahlen. -- Nun wohl -- nun wohl.“ Er sann einen Augenblick nach -- -- jetzt hatte sein ganzes Denken sich um diesen Punkt konzentrirt: „Hören Sie meinen Vorschlag! -- Gedulden Sie sich noch bis morgen -- dann sollen Sie Alles bis auf den letzten Pfennig erhalten...“ „_Tonneur!_ -- --“ versetzte der Spieler schon mit einem viel heiteren Tone: „das geht nicht, mein Bester! -- Das wird nicht gehen! .... Wie ich es immer auch herumdrehe -- wie ich auch immer kalkulire.... ich brauche das Geld noch heute...“ „Nun denn --“ bedeutete Jener, dem der Angstschweiß von der Stirne rann: „dann geben Sie mir mindestens einige Stunden Frist -- -- z. B. bis zum Nachmittage...“ Nach einer Pause rief Theobald aus: „_Eh bien donc!_ -- Bis zum Nachmittage -- 3 Uhr will ich warten, _mon coeur_... bis 3 Uhr also .... Jedoch länger nicht eine Minute... fürwahr ich kann nicht! _Parole d’honneur_ -- es liegt nicht in meiner Macht.... es ist unmöglich ... _c’est impossible!_“ „Nun denn -- um 3 Uhr holen Sie hier das Geld ab.“ „_Bon, bon!_ -- Ich werde hier sein -- _sans doute_ -- ich werde erscheinen, _mon très cher ami_! -- Also: -- _au revoir_!“ Er reichte ihm die Hand hin -- die der Unglückliche ergriff und drückte, als sei sie die Hand eines Ehrenmannes. Darauf verließ Monsieur Theobald Wurmholzer das Zimmer. -- -- Kaum war er fort, als schon wieder an der Thür geklopft wurde. Dieses Klopfen erkannte Edmund -- es drang ihm erschütternd durch Mark und Bein. Sogleich öffnete sich die Thür und herein trat, mit lächelndem Joko-Gesichte und der trauten Keule in der Hand, Meister Sophronias Lips, Wechsler, Antiquar, Juwelier, Hühneraugen-Operateur und Würgengel dieser guten Stadt. Er war ganz so anzuschauen, wie wir ihn sahen, als uns das unaussprechliche Glück ward, zum ersten Male mit ihm zusammenzutreffen. Da war wieder der mittelalterliche Gustav-Adolph’sche Rock, halb Frack und halb Jacke -- da waren wieder die antediluvianischen Beinkleider -- da die Wunderstiefeln, der eine mit Stulpen, der andere ritterlich trichterförmig mit einem Stück Sporren daran -- da war auch der Hut, _vulgo_ Pferdesattel -- da die heidnische Priesterweste -- -- da endlich -- und natürlich im vollen Glanze, die herrliche Keule, diese Königin unter den Handstützen. „Mein Gnädigster -- ich habe die Ehre, Ihnen einen vortrefflichen Tag zu wünschen... ’s ist recht kalt heute, auf Ehrenwort!“ So begrüßte der Biedermann unseren Freund, der sich bei dessen Eintritt erhoben hatte und ihm wie einem Manne von Rang entgegen ging... jedoch sprach Edmund nicht ein Wort. Um so mehr Gelegenheit hatte hierzu Meister Lips und er schien Lust zu haben, heute von dieser Gelegenheit den ausgedehntesten Gebrauch zu machen: „Nun, wie geht es Euer Gnaden?“ begann er lächelnd, mit dem Kopfe nickend und seine holde Keule schwingend: „Wie befinden Sie sich, mein Gnädiger, he? -- Hoffentlich geht es Denenselben recht wohl -- was mich ausnehmend freuen würde, auf Ehrenwort! -- Und wie haben Dieselben geschlafen?... Wahrscheinlich gut!“ Wie schon gesagt, Edmund war, trotz dieser Zuvorkommenheit und Cordialität des Meister Lips -- an Worten ein Bettler; kaum daß er ihm alle diese Fragen im Allgemeinen beantwortete; jedoch schien Lips das nicht zu beachten und fuhr fort, seine Freundlichkeit zu verdoppeln, zu verdreifachen... so daß es eine wahre Lust war, diesen, an sich so cynischen Philosophen, jetzt eine Fluth der galantesten Redensarten ausströmen zu hören. Im Ganzen fand eine merkwürdige Aehnlichkeit zwischen Lipsens gegenwärtigem Betragen und demjenigen statt, welches Herr Theobald Wurmholzer bei seinem Eintritt in diese Stube angenommen hatte. Die Sache ist sehr einfach. Sie wiederholt sich bei jedem Gläubiger. Wenn Euch ein solcher besucht, ist er die Artigkeit und Liebenswürdigkeit selber -- -- kaum aber habt Ihr mit ihm einige Worte gesprochen, so wirft er rasch die Maske ab -- -- er will von Euch Geld haben und keine Worte -- er wird ernst -- grob -- unverschämt -- so zwar, daß Ihr, die Ihr anfangs die zärtlichsten Freunde zu sein schienet -- als die bittersten Gegner, als Feinde auf Tod und Leben von einander scheidet. -- -- -- -- Eine merkwürdige psychologische Erscheinung; jedoch sehr bewährt, sehr bewährt! Doch folgen wir ruhig dem Gange des Gespräches unserer zwei Männer und sehen wir zu, wie sich dasselbe nach und nach entwickeln wird. „Allein -- mein theuerster, mein verehrtester, mein süßester Gnädiger -- -- Sie haben mir ja noch gar nicht gesagt, wie Sie so eigentlich sich fühlen; und doch wissen Sie, welchen namenlos gewaltigen Antheil ich an Dero Wohlbefinden nehme -- -- Auf Ehrenwort! ich würde lieber mir selbst meine rechte Hand abhauen -- -- als daß ich Sie nur den allerleisesten Schaden nehmen sähe. Auf Ehrenwort!“ „Ich danke, Herr Lips, ich danke!“ antwortete der Jüngling und setzte sich neben den Alten, welcher auf dem Sopha Platz genommen...: „Ich glaube Ihnen schon gesagt zu haben, daß es mit meiner Gesundheit leidlich steht -- bis auf eine kleine Erregung noch von gestern her.....“ „Ei, ei -- Sie müssen sich schonen, Gnädigster! Wirklich, das müssen Sie.... So eben bemerke ich, daß Ihr theures Angesicht wirklich Spuren trägt von -- von -- -- nun gleichviel wovon.... Doch, mit einem Worte, Sie müssen sich schonen. O wie schade wäre es um einen so ausgezeichneten Kavalier!“ „Sie sind sehr gütig, mein Herr....“ „Es ist mein heiligster Ernst, auf Ehrenwort! -- Allein weshalb nennen Euer Gnaden -- mich heute stets „mein Herr“ und „Sie“ und so fort?.... Womit habe ich es verdient, daß das trauliche, das ehrende +Du+, womit Sie zu anderer Zeit mich anredeten und was meinem treuen Herzen so wohl that -- daß es, sage ich, heute plötzlich verschwunden ist?....“ Hierauf erwiderte Edmund nichts. Sein Blick, der starr vor sich hin gerichtet war, verdüsterte sich immer mehr; denn diese sarkastische Freundlichkeit des alten Schurken erschreckte ihn mit Recht im Innersten der Seele... „Und wozu,“ fuhr dieser fort, -- „sind hier die Fenster geöffnet, gnädiger Herr? -- Dies kann für eine so zarte und edle Constitution, wie die Ihre, sehr nachtheilig werden. -- Und als treuer Freund oder vielmehr Diener halte ich es für meine Pflicht, dieses große Unglück nach Möglichkeit zu verhüten.... weshalb ich mir auch die Freiheit nehme, Ihre Fenster ein wenig zu schließen.... oder aber mich selbst vor sie hinzustellen, um auf solche Weise mit meinem eigenen Leibe Sie zu schützen...... Auf Ehrenwort!“ Wirklich ging er hin und that, wie er sagte; er verschloß die Fenster -- und da eines derselben vom Winde in der Nacht zerschlagen worden war, stellte er sich da gleich einer Schildwache auf.... „Allein,“ fuhr er fort und balancirte seine Keule auf dem Nagel des kleinen Fingers -- „allein,“ sagte er und jetzt ließ er dieses ungefähr 20 Pfund schwere Instrument wieder herabgleiten und begann dasselbe in einem Kreise herumzuschwingen, gerade so als wäre es eine Reitgerte -- --: „ich sehe, daß meine Reden Ihnen Langeweile verursachen -- Hochgebietender .... und so will ich Sie denn nicht länger mit ähnlichen belästigen, sondern mich augenblicklich hinwegzaubern -- sobald ich nur erst noch zwei unumgänglich nothwendige Wörtchen mit Höchstdenselben gesprochen haben werde. Also: wie steht es mit unserer Angelegenheit, Durchlaucht? Haben Allerhöchstdieselben jene lumpichten 6000 Holländerchen schon in Bereitschaft gelegt?... und wo sind die allerliebsten Dingerchen -- damit ich sie berge in meinen väterlichen Schooß?“ Hier nun wieder ging an dem Jünglinge eine Veränderung vor, welche mit der vorigen in Gegenwart Theobalds, und zwar aus derselben Ursache entsprungen, eine große Aehnlichkeit hatte... Edmund erhob sich kalt und ruhig, sein Auge richtete sich fest auf seinen Gegner und sein ganzes Wesen schien plötzlich jener wunderbaren Fassung theilhaftig geworden zu sein, welche uns stets vom Muthe -- nicht selten aber auch von der Verzweiflung verliehen wird. „Herr Lips,“ begann Edmund mit Würde: „wozu sollen wir diese Sachen in die Länge oder gar in’s Scherzhafte ziehen. Reden wir ernst und kurz mit einander -- denn bei Gott! mir ist es sehr ernst um die ganze Angelegenheit. Sie, vermöge Ihres Scharfblickes und Ihrer Menschenkenntniß (Eigenschaften, die Ihnen selbst Ihr Feind zugestehen muß) --“ Signor Lips verbeugte sich und salutirte mit seiner Keule wie ein Offizier mit seinem Degen -- „Sie können sich unmöglich auch nur einen Augenblick lang über die Lage, worin Sie mich jetzt finden, täuschen. Sie wissen recht gut -- daß ich ärmer bin als ein Bettler -- zahlungsunfähiger als ein Kind -- daß ich indessen auch den redlichsten und eifrigsten Willen habe, Alles zu thun, was in meiner Macht steht, -- und sollte es auch mit Aufopferung meines halben Lebens geschehen...“ Die plötzliche Metamorphose im Wesen des Jünglings hatte auch eine in dem des Greises hervorgerufen, welche zwar ebenfalls ernst und finster erschien, dabei jedoch einen Strahl von tiefer Ironie nur um so greller durchblicken ließ, je mehr dieser unterdrückt werden sollte... „Das ist -- wie mich dünkt -- das alte Lied!“ hatte Lips mit tiefer Stimme gesprochen .... „Dieses alte Lied jedoch behagt mir in diesem Augenblick so wenig, daß ich, sollte ich es noch einmal hören müssen, lieber entschlossen bin, die Zither sowohl wie den Zitherschläger in tausend Stücken zu zertrümmern..... Ist das Deutsch gesprochen...?“ Edmunds Lippe zitterte ohnmächtig und wortlos -- sein Athmen, sein Seufzen, wodurch seine Brust bewegt wurde, glich dem Stöhnen eines Kranken... er fühlte sich hinsinken und mußte sein Haupt auf die Lehne des Sopha’s legen -- --. Da begann Lips wieder im strengen Tone: „Sie wissen, wie die Sachen stehen -- mein Bester. Ich habe nicht nöthig, sie Ihnen weitläuftig wiederzukäuen. -- -- Sie sind erstens zwei Wechsel, jeden à 1500 Dukaten mir zu bezahlen schuldig -- macht: 3000 _netto_. -- Sodann besitze ich von Ihnen einen dritten Wechsel à 1000 Dukaten -- trassirt auf Ihren Herrn Schwager, den hochgebornen und insbesondere hochzuverehrenden Herrn Grafen Alexander von A--x, und angeblich acceptirt von Hochdemselben -- -- was sich jedoch später als eine Lüge, d. h. eine Namensfälschung -- d. h. ein Criminalverbrechen zweiter Klasse erwies, denn nicht der hochgeborne Herr Graf hat seinen Namen geschrieben -- sondern Sie machten diesen allerliebsten Streich selber... hehehe!.... -- -- Maßen ich jedoch in meiner Brust kein Felsenherz -- sondern ein so weiches wie Schwanenflaum trage -- auf Ehrenwort! -- habe ich mich vor einigen Tagen in dieser Angelegenheit mit Ihnen dahin geeinigt, daß Sie mir anstatt der auf dem falschen Wechsel notirten 1000 Dukaten -- 2000 ausbezahlen sollten... was ein wahrhaft christlicher Handel ist..... Da haben Sie die ganze Sachlage, da den ganzen Casus, wie wir Philosophen sagen.... Auf Ehrenwort!“ Statt aller Antwort schüttelte der unglückliche junge Mensch wie sinnlos das Haupt -- -- und schlug sodann ein kurzes heiseres Gelächter auf. -- „Was -- Sie lachen noch, mein Bester? -- -- Mir aber, das versichere ich Ihnen -- ist es in diesem Augenblicke gar nicht zum Lachen .... und gleichwohl dürfte dazu an mir die Reihe noch eher sein, als an Ihnen. Dies wollte ich blos so nebenbei bemerkt haben. Und jetzt noch einmal deutsch gesprochen: Ich bitte mir höflichst 6000 Dukaten aus!“ „Ich besitze nicht 6000 Heller --“ „Nun wohl, noch deutscher: Sie haben einen reichen Papa -- -- Papa wird das Sümmchen bezahlen --“ „Herr Lips, mein Vater bezahlt für mich nichts. Sie wissen es sehr gut.“ „Dann wird Mama es thun....“ fuhr der Wucherer fort und schwang seine Keule.... „Meine Mutter kann es ebenfalls nicht, da die Kasse sich nicht in ihren Händen befindet....“ „Ferner haben Sie eine geliebte und liebende Schwester, mein Freund....“ „Auch Cölestine ist nicht im Stande, mir zu helfen....“ „... Zuletzt bleibt uns noch immer der Herr Graf von A--x, auf welchen ja auch dies Haupt-Papierchen ausgestellt ist....“ „O -- um aller Seligkeit willen.... mein Herr!“ schrie Edmund auf: „bringen Sie mich nicht zum Wahnsinn! -- -- Das Alles, was Sie da vorgeschlagen haben -- hilft zu Nichts. -- Allein, Sie reden immer von 6000 Dukaten .... mein Herr! Habe ich Ihnen denn nicht vor ein paar Tagen einen +Schmuck+ im Werthe von fast eben so viel überliefert.... weil Sie mir schon damals mit der Geltendmachung des unglückseligen falschen Papiers -- zu dessen Anfertigung ich mich in halber Trunkenheit verleiten ließ -- drohten.... Und diesen Schmuck rechnen Sie für nichts....“ „Ei bewahre!“ versetzte Lips: „wie sollt’ ich das? Halten Sie mich nur nicht für einen so unbilligen, gefühllosen Menschen! -- Diesen Schmuck im Werthe von fast 5000 Dukaten gaben Sie mir (Sie müssen sich dessen noch erinnern,) als blose Abschlagzahlung, weil ich damals von Ihnen neben diesen dreien annoch im Besitze von zwei älteren Papierchen war -- wir haben die ersteren vernichtet und ich habe mit dem verfänglichen bösen Rechte gezögert bis zum heutigen Tage, wo Sie mir das Ganze bezahlen (will sagen diese 3 vorliegenden Wechselchen honoriren) sollen -- oder aber Alles steht wie zuvor. Ist das klar gesprochen?“ Nach einigem qualvollen Grübeln versetzte Edmund: „Hören Sie mich, mein Herr! Um was ist es Ihnen zu thun? -- Um Bezahlung, nicht wahr? -- -- Nun denn: warten Sie noch einige Tage.... mittlerweile werde ich Gelegenheit haben, mit meiner Schwester -- vielleicht auch mit meinem Vater zu reden. Denn so geradezu kann ich mit einer solchen Forderung nicht vor sie hintreten. Der Letztere würde es mir kurzweg abschlagen -- ja, erführe er den vollen Thatbestand -- so wäre es mit mir für immer aus; meine Schwester aber müßte, angenommen, daß sie Etwas thun könnte -- die Summe jedenfalls erst zu borgen suchen.... denn sie kann über ihr Vermögen bis jetzt noch nicht verfügen... Geben Sie mir also 5-6 Tage! Herr Lips -- --“ „Fünf bis sechs Tage!“ schrie dieser: „Wo denken Sie hin, das ist unmöglich! Bis dahin gehe ich ohne das Geld zu Grunde!... Fünf bis sechs Tage! -- Um Gotteswillen machen Sie mich nicht unglücklich!“ „Aber -- mein Herr -- es ist -- --“ „Wissen Sie was? damit Sie immer mehr meine rührend gefühlvolle Seele kennen lernen sollen.... einen halben Tag will ich Ihnen noch gewähren! -- Aber länger ist es mir nicht möglich -- auf Ehrenwort!...“ „Das hilft zu nichts! das ist umsonst!“ versetzte Edmund dumpf und faßte sein Haupt zwischen beide Hände, um zu verhindern, daß es zerspringe. „Nun denn -- noch einen halben Tag dazu! -- Aber auf Ehrenwort!.... das ist Alles, zu was ich mich als Christ -- ja und wäre ich selbst Herrnhuther, herbeilassen kann!“ Er schwang seine Keule fürchterlich im Kreise, daß sie in der Luft saus’te, wie ein großes Mühlrad. -- „Erbarmen Sie sich meiner! -- Sie sehen -- ich gehe zu Grunde! Was soll ich in 24 Stunden ausrichten?.... Sind sie vorüber -- so stehen wir gewiß noch auf dem alten Fleck, weh mir!“ „Weh +mir+! +mir+! ich habe das Recht, dies auszurufen,“ schrie Lips wild -- und arbeitete mit der Keule umher, wie Herkules, als er gegen den Nemäischen Löwen auszog.... „Nun denn -- Donnerwetter!“ brüllte der Wucherer und schlug mit ihr jetzt so gewaltig auf den Boden, daß in den Dielen ein Loch entstand: „so gebe ich Ihnen denn eine Frist von 48 Stunden -- mein Mann! Aber,“ setzte er drohend wie ein Caraibe hinzu und rollte gräßlich die Augen: „sind diese verstrichen und ich habe mein Geld nicht.... dann, mein Mann -- lasse ich Sie durch zwei handfeste Polizeisoldaten holen -- und Ihnen kurzweg den Prozeß machen wegen Wechselfälschung, Betrügerei, Erpressung -- und noch einiger andern Nebenumstände... so wahr ich Sophronias Lips heiße und eben sowohl der Freund der Guten wie der Schrecken der Bösen bin.... Hier haben Sie mein siebenfaches Ehrenwort darauf! -- -- Wohlan denn: auf Wiedersehen!“ brüllte er wie ein Orkan. Jetzt stürzte er fort -- man hörte draußen nur noch einige Keulenschläge, die er im Zorne gegen das Pflaster des Ganges machte.... „Auf Wiedersehen!“ dies sonst so freundliche Wort hätte kein Teufel fürchterlicher aussprechen können, als es Meister Lips gethan; es klang ganz so als hätte er gerufen: „Auf Wiederwürgen!“ * * * Die anberaumte Frist war verstrichen. Edmund, der nicht vermochte, die 6000 Dukaten aufzutreiben -- war verschwunden. Niemand wußte, wohin er kam; doch meldete einige Tage darauf ein Brief, der seinen Eltern von Prag aus zugesendet wurde, daß er in einer Ehrensache gezwungen gewesen sei, an die Grenze des Kaiserstaates zu flüchten -- von wo er ihnen jedoch bald weitere Nachrichten werde zufließen lassen.... * * * Ach, welch ein Schlag traf die armen Eltern! Kaum hatten sie den Brief Edmunds gelesen, als sie von fremder Seite eine ganz andere Kunde empfingen. -- +Ihr Sohn war der Wechselfälschung und anderer Verbrechen angeklagt.+ Lips war der Kläger. Leuben hatte ihn dazu bewogen, indem er ihm die volle Summe von 8000 Dukaten zu bezahlen versprach und im Augenblick der Denunciation auch sogleich 6000 bezahlte. Drittes Kapitel. Der Schmerz der Gatten. Wir müssen uns bei unserer Erzählung nun um einige Tage in der Geschichte zurückversetzen. Es handelt sich darum, wieder zu Cölestinen und ihrem Gatten zurückzukehren, und sie in dem Augenblick und an jenem Orte aufzusuchen, wo wir beide zuletzt verließen. -- Wir wissen, wie jene furchtbare Scene geendet, in welcher Alexander einen so unzweifelhaften Beweis für die Untreue seines jungen Weibes erhalten zu haben glaubte -- wir wissen, daß er damals mit zertretenem Herzen und vernichtetem Sinne auf sein Zimmer floh und sich in das Dunkel desselben barg, wo ihm wohler ward, denn die äußere Lichtlosigkeit des Ortes harmonirte mit der dumpfen Finsterniß seiner Brust. Dies ist Alles, was wir von der Begebenheit wissen; hier schnitten wir uns den ferneren Pfad ab -- hier eröffnen wir uns denselben wieder und wandeln darauf fort. -- Es ist von uns schon in irgend einem andern Buche gesagt worden -- daß es Keiner versuchen möge, die Qualen eines unglücklich Liebenden zu beschreiben; denn für diesen Schmerz haben wir keine Worte, für dies Unglück keine Farben.... Dieser Schmerz ist unbedingt der größte, der tiefste und der zerstörendste, von dem ein Menschenherz getroffen werden kann. -- Was sind alle Wunden, alle Qualen, jedes Siechthum des Körpers... was sind alle Leiden des Geistes und Herzens: Armuth, Noth, Verbannung, Demüthigung, Verläumdung, verfehltes Streben, verletzter Ehrgeiz, Verrath des Freundes -- Undank des Kindes -- -- und wie sie alle heißen mögen, die zahllosen Köpfe der Hydra, welche am Herzen der Edelsten genagt haben -- -- was sind sie alle gegen die Hyänenbisse der Eifersucht, gegen die Harpyien-Wuth betrogener, verrathener Liebe. -- -- Jedes Leiden, mag es auch noch so groß sein, hat dennoch seine bestimmte Begrenzung -- über diesen Umkreis hinaus fängt wieder die Welt für uns an mit ihren, wenn auch noch so wenigen, Freuden.... Nur Liebe, Liebe, zertretene Liebe kennt außer sich keine Empfindung.... denn sie ist so ungeheuer, daß sie den ganzen Raum unseres Daseins einnimmt -- unsern ganzen Horizont erfüllt. -- Wir haben außer ihr keine Welt -- keinen Himmel und keine Erde; -- und weil +sie+ denn so ganz und gar +Hölle+ ist, so leben wir in dieser auch vom Scheitel bis zur Sohle.... Fürwahr, wenn Einer es verdient, daß wir ihm eine Zähre des Mitleids weihen, so ist es der unglücklich Liebende.... er, der in seinem größten Schmerze selbst nicht weinen kann. Da kommen sie dann, die Tage -- in denen er sich flüchtet in den Schooß der Wüsten und Einöden -- in Höhlen -- Klüfte und Abgründe und auf die Gipfel riesiger Berge -- hin, wo die wilden Thiere, der Wolf und der Steinadler hausen.... bei denen, wie er glaubt, er mehr Liebe und Treue finden wird, wie unter Menschen.... denn das ist nebenbei auch sein Fluch, daß er, betrogen von +einem+ Weibe, sie alle, ja die ganze Menschheit für Heuchler und Verräther hält.... Da kommen sie dann, die Nächte, in denen allein er wagt zurückzukehren zur Stadt, wo ihn jetzt keine Menschenblicke vergiften -- und keine Menschenworte verrathen können.... aber er kommt nicht hierher, um zur gewohnten Lebensweise zurückzukehren -- um sein Haus zu betreten oder gar seine Lagerstätte aufzusuchen.... nein, er kam nur, weil ihn unbewußt der Magnet zurückgezogen hat -- der ihn zwingt, bei +ihrem+ Hause vorbei zu gehen, wenn sie vielleicht längst schläft -- -- sich ihrem Fenster gegenüber in irgend einen Winkel zu bergen und es anzustarren -- mit der Qual eines Verdammten es anzustarren -- hinter dessen herabgelassenen Gardinen sie den süßen Schlaf der Glücklichen schläft.... Aber es dauert nicht lange -- so reißt es ihn empor und treibt mit wilder Gewalt ihn von hier weg -- weit, weit weg -- peitscht mit Wuth seine Füße, daß sie rennen -- rasen möchten bis an’s Ende der Welt ...... Jedoch nicht lange verträgt die elende Kreatur diesen Kampf... sie sinkt nieder -- und wenig fehlt, so würde sie ihren Geist aushauchen... dessen Leben jedoch aufgespart wird zu neuen Qualen.... So war es auch mit Alexander... so litt und kämpfte auch er. -- Zwei Tage lang blieb er eingeschlossen in seinem Zimmer, ließ Niemand vor sich, selbst seine treuesten Diener nicht; was er an Lebensbedürfnissen für seine körperliche Hälfte brauchte -- ließ er sich wie ein Gefangener durch die Thür reichen. -- Da erzählten sich die Diener wunderliche Sagen von ihrem Herrn und was mit demselben vorgegangen sei -- so wie von dessen Aussehen. Ein in geheimnißvollen Dingen erfahrner alter Lakai (er hatte früher bei einem englischen Lord gedient, der viel mit Magnetismus, Sterndeuterei und „andern schwarzen Künsten“ sich abgegeben) meinte: des gnädigen Herrn bleiche Miene und sein übernatürlich glänzender Blick -- sodann die sonderbar eingesunkenen Wangen deuteten bestimmt -- auf einen Verkehr mit überirdischen Mächten hin, welcher in dem verschlossenen Studierzimmer, wo all’ die großen Bücher und die wunderbaren Werkzeuge (Kunstrequisiten) lagen -- stattfände...... Wozu ein anderer alter Diener mit einer rothen großen Nase, worauf viele kleine blaue Karbunkel, bemerkte: deshalb höre man zu Zeiten, besonders des Nachts, auch ein so heftiges Gehen und ein so wirres Hin- und Herreden... solche außerordentlichen Rufe, und was dergleichen mehr ist. -- Dieser alte Freund hatte -- wenn er betrunken war, schon so manchen Geist gesehen... Am meisten bestärkte der Umstand die Dienerschaft in ihrem Glauben, daß ihr Gebieter -- sich standhaft weigerte, seine Frau vor sich kommen zu lassen, trotzdem, daß sie Tag und Nacht darum flehte.... In der That hatte Alexander allen Versuchen, die sie machte, um zu ihm zu gelangen, widerstanden. Ihre Bitten, ihre Klagen, ihr verzweiflungsvolles Flehen verhallte vor der Thür und wurde nur von den todten Wänden, nicht von ihm, vernommen.... Am Morgen nach jener verhängnißvollen Nacht, wo er sie mit dem fremden Manne ertappt, hatte sie vergebens gewartet, ihn bei sich in ihrem Schlafzimmer, in ihrem Boudoir oder im Gemache, wo sie gewöhnlich zusammen frühstückten, eintreten zu sehen.... sie hatte nach ihm geschickt, und als man ihr die Nachricht brachte, er sei noch in seinem Studierzimmer eingeschlossen -- -- begab sie sich selbst auf den Weg dahin, um ihn, wie sie glaubte, aus allzuemsiger Arbeit hervorzuziehen.... Sie gelangte zur Thür: wie erstaunte sie, dieselbe geschlossen zu finden; jetzt rief sie ihm -- jetzt bat sie ihn, sie bei sich einzulassen.... da wuchs ihr Staunen, denn er antwortete nicht. -- Nun glaubte sie, er sei nicht mehr hier, und schon wollte sie den Rückweg antreten -- -- da hörte sie ihn drinnen einen schweren Seufzer ausstoßen.... und voll Entsetzen schrie sie auf: „Um Gott! -- Alexander, was ist Dir geschehen? -- -- Hörst Du mich denn nicht?...“ Und weil er noch immer nicht antwortete, so rief sie Diener herbei und gebot ihnen, die Thür mit Gewalt zu öffnen, wähnend, eine Ohnmacht, irgend eine schreckliche Krankheit habe ihren Gatten überfallen.... In diesem Augenblick ertönte drinnen seine Stimme finster und gebietend: „Mir ist nichts widerfahren! -- Wage es Niemand, in meine Nähe zu kommen. Ich werde die übrigen Befehle geben!“ -- Von dieser Stunde an -- sehen wir das junge Weib fast den ganzen Tag über und tief in die Nacht hinein sich stundenlang vor der Thür aufhalten und mit ihren stummen und lauten Bitten, mit ihren Thränen und Seufzern die Luft erfüllen.... Doch, wie schon gesagt, er, der Unglückliche drinnen hört sie nicht.... ihn umschließt die glühende eiserne Mauer seines Schmerzes mit den scharfen Zacken der Schande umgeben... dieser Wall ist undurchdringlich. -- Endlich nach vielem Sinnen hatte Cölestine ein Mittel erdacht. In einer Stunde -- es war zur tiefen Nachtzeit -- nahte sie sich, wie sie so oft gethan, still auf den Fußspitzen dem Zimmer ihres Mannes. Vor der Thür angelangt, horchte sie lange -- sie vernahm außer dem Picken einer Pendule, die darinnen stand, nichts -- als die tiefen und starken Athemzüge eines in tiefen Schlummer Versunkenen. Es war Alexander. Behende holte sie aus ihrem Busen einen Schlüssel hervor, welchen sie in’s Geheim hatte verfertigen lassen -- und steckte ihn behutsam in’s Schlüsselloch.... Welches Glück! Er paßte vollkommen -- er drehte sich ohne Geräusch im Schlosse herum... nach zwei Augenblicken war die Thür geöffnet.... Cölestine stand im Gemache ihres Mannes. Sie schloß sogleich hinter sich zu, damit nicht ein Windzug die Thür bewege oder von draußen irgend ein Geräusch hereinschalle. -- Auf dem Tische brannte im düstern Lichte die Lampe und beleuchtete die Gestalt Alexanders, welcher angezogen auf einem Ruhebette hingestreckt schlief -- und dessen gramgebleichtes Antlitz -- worin zwei Tage die Leiden eines halben Lebens eingezeichnet hatten -- auf die Brust herabgesunken, ihm das Ansehen eines Mannes gab, der in der Kraft seiner Jahre dahinwelkt -- -- eine Eiche, getroffen vom scharfen Beil. Namenloser Schmerz schien die Seele Cölestinens zu durchziehen, als sie das sah -- und da sie diesem Schmerz keinen Laut geben durfte, war es ihr, als ob ihre Brust mitten entzwei reißen sollte... Da schien der Schlafende sich zu bewegen -- er wandte sein Haupt nach der Seite und sodann nickte er mit demselben wie zur Bejahung, wobei seine Lippen murmelten: „Ja, ja, gewiß, sie hat mich betrogen!“ Diese Worte schnitten Cölestinen durch die Seele -- sie vermochte sich nicht mehr zu bemeistern -- alle Besinnung, alle Kraft hatte sie verlassen -- und mit dem lauten Ausrufe, dessen Ton jammervoll klang --: „Nein! Gewiß, sie hat Dich nicht betrogen!“ stürzte sie vor ihn auf die Steine hin.... ohne nur zu wissen, was sie that. Alexander erwachte: „Wer ist da?!“ rief er wild auf -- und blickte um sich... „Ich, ich -- Dein unglückliches Weib, bin es! Cölestine, die elendeste der Frauen, kniet hier vor Dir -- sinkt an Deinem Lager nieder, wo sie gerne sterben und mit ihrem Tode es bezeugen möchte -- wie sehr Du sie verkannt....“ Mehr vermochte sie, ungeachtet aller Anstrengung, nicht zu sprechen; -- ihre Lippe schien erlahmt, ihre Zunge dürr wie getrocknetes Laub..... Er sah sie von seinem Lager mit seinen glühend düstern Augen, welche in ihren tiefen Höhlen unbeweglich starrten, an -- er sah sie lange, lange, stumm und regungslos an -- nach und nach nahm seine leidenvolle Miene den Ausdruck des Staunens -- der Verwunderung an -- -- ein kaum merkliches und auch sehr trauriges Lächeln zog sich um seinen Mund, aus welchem mit tiefem und leisem Tone die Worte kamen: „Sie sind es? -- Aber was wollen +Sie+ hier?“ Er betonte das Wort „Sie“.... „Oh, mein Gatte!“ dieser Ruf rang sich unter Schluchzen und schwerem Athmen aus ihrer Brust endlich los.... „Oh, mein Gatte!“ wiederholte sie, indem sie zitternd die Hände emporstreckte. -- -- Jetzt richtete er sich auf -- und verließ rasch sein Lager -- trat bis zur Mitte des Gemaches und sagte hier halbabgewendet -- dumpf: „Verlassen Sie mich -- Gräfin!“ Sodann ging er zu einem Lehnstuhle und ließ sich hier nieder -- „Oh, mein Gott! Mein Schöpfer!“ rief Cölestine mit herzzerreißender Stimme... rang die Hände -- und bedeckte mit ihnen ihr von Thränen überfluthendes Gesicht, dessen Muskeln sich convulsivisch zu jenem entsetzlichen Schmerzensausdrucke bewegten -- welcher mit dem Lachen so viele Aehnlichkeit hat und den höchsten Grad innerer Leiden andeutet.... Eine Pause entstand. Cölestine lag noch immer vor dem Ruhebette auf den Knieen, denn sie hatte nicht die Kraft, den Platz zu verlassen. Er sah sie mit keinem Blicke an, sondern starrte düster grollend vor sich hin -- auf die Wand, an welcher ein Bild hing, den Abschied Ulysses von seinem Weibe vorstellend.... Ein bitteres Lächeln malte sich auf seinem Gesichte, doch blieb er stumm, ließ keinen Laut seinem Munde entschweben.... Jetzt wurden die Klagetöne der jungen Frau zum wilden Geschrei: „Weh mir Armen!“ rief sie: „Was habe ich verbrochen, daß mich dies entsetzliche Schicksal trifft?! -- Womit habe ich den Himmel beleidigt -- daß er so grausam mich straft -- dieses namenlose, unmenschliche Leiden auf mich herabsendet?... Weh! -- Ich vermag es nicht länger zu tragen... mein Leben droht auszulöschen. -- O du mein Schöpfer, welches soll denn meine Schuld sein? Rede, rede, Vater im Himmel! Was ist denn mein Verbrechen?... Etwa, daß ich diesen Mann, den du mir zum Gatten gabst, liebte -- mehr liebte als mich -- als Vater und Mutter -- mehr vielleicht selbst als dich!? -- -- -- -- Ja, ja,“ fuhr sie fort, zusammensinkend auf den Boden -- und sich mit der Hand am Rande des Ruhebettes haltend -- „ja,“ sagte sie mit gedämpfterem Tone: „dies ist vielleicht ein Verbrechen -- aber es ist mein einziges, mein ganzes..... doch ist es ein Verbrechen an dir, o Herr des Himmels, -- -- und darum, darum strafst du mich -- es ist klar!“ „Aber,“ fuhr sie plötzlich empor und wieder schienen alle Lebensgeister ihr Herz zu erfüllen, mit neuer Kraft ihr Wesen stählend: „warum denn pflanztest du diese rasende, diese wahnsinnige Liebe in mich -- -- wenn sie eine verbrecherische ist?? -- -- Bin ich,“ schrie sie gewaltig auf: „jetzt noch immer schuldig?! Redet, verkündet mir es -- -- ihr Himmel!“ „Ach -- --“ sagte sie nach einer Weile, traurig das Haupt senkend und wieder ganz zusammenfallend: „Ihr seid und bleibt stumm... ihr habt keine Sprache für den Unglücklichen... ihr redet nur mit den Glücklichen....“ Da riß sie sich heftig vom Orte weg -- auf den Knieen schleppte sie sich in rasender Eile vor ihren Gatten hin -- zu dessen Füßen sie mit dem Rufe: „So nenne Du, mein Gatte, mir das Wort, welches mich verdammt! So antworte Du, Mann, den ich so liebte, auf meine Frage? --“ Alexander jedoch bewegte sich nicht -- er blieb düster, kalt und stumm wie eine Bildsäule; erst nach einer Pause schien einiges Leben in ihn zu kommen, aber nur, um den Arm auszustrecken, um mit ihm gegen die Thüre zu weisen, so als sollte das heißen: „Fort, fort -- fort von mir.... ich habe mit Dir nichts weiter zu schaffen....“ [Illustration: Seite 70.] „Aber,“ rief sie mit erstickter Stimme und umschlang seine Kniee, „man hört ja den Mörder, den Todtschläger, bevor man ihn verurtheilt und richtet... ja man redet sogar zu den unvernünftigen Thieren, zum Hunde, zu einem Pferde, indem man es züchtiget.... Nur mir, mir gegenüber ist Alles stumm, wie das Grab -- welches sein Opfer auch verschlingt, ohne ihm davon etwas zu sagen... O, Alexander! nimm mein Leben hin! tödte mich sogleich -- -- aber früher sage mir, weshalb Du mich verstoßen hast... denn es muß das verabscheuungswürdigste Laster sein...!“ Hier öffnete sich sogleich der Mund dieses zu Eis erstarrten Mannes: „Ja -- -- es ist das verabscheuungswürdigste der Laster! Du hast es selber ausgesprochen -- heuchlerisches Weib! Untreue, Verrath der ehelichen Liebe -- -- es gibt kein entsetzlicheres Verbrechen, dessen die Menschenbrust fähig wäre!“ „O ewige Vorsicht! -- ich habe es geahnt. -- So hat mein Fürchten mich nicht getäuscht! ... das, wovon ich am weitesten entfernt bin, wird mir aufgebürdet. -- Herr meines Lebens! nimm mich zu dir! Denn, schuldlos, wie ich bin, vermag ich unter so furchtbarer Anklage nicht länger zu athmen!...“ Nach diesen Worten, welche die Arme mit matter, kaum hörbarer Stimme aussprach -- -- fiel sie auf den Boden hin und verlor alles Bewußtsein.... Sie lag bleich und athemlos da wie eine Leiche. Er aber stand auf, nahm sie auf seine Arme und trug sie hinweg aus diesem Gemache in eines der ihrigen, sodann rief er Cölestinens Dienerinnen herbei, denen er die Ohnmächtige übergab. Als dieses geschehen war, verfügte er sich wieder in sein Zimmer, verschloß diesmal die Thür mit mehreren Schlössern, rückte zum Ueberfluß noch einen Schrank vor dieselbe und so gesichert vor jedem ferneren Besuch, abgeschnitten von der ganzen Welt, überließ er sich jetzt den finstersten seiner Gedanken. „Ja, ja,“ sprach er zu sich: „trotz dieses Wehgeschreies und dieser Verzweiflung -- trotz dieser dreisten und geläufigen Berufung auf ihren Schöpfer -- trotz aller erschütternden Liebesrufe und rührenden Betheuerungen der Unschuld .... ist sie dennoch eine Verrätherin. -- Und eben deshalb eine um so größere! -- -- -- Hab’ ich sie doch mit diesen meinen eigenen Augen auf frischer That ertappt -- -- wär’ mir daran gelegen gewesen -- so hätte ich mit zwei Schritten am Schauplatze des Verbrechens sein und es mit Händen greifen können..... Und dennoch, dennoch dieser Schmerz, diese Thränen, diese Schwüre, diese Verzweiflung -- diese Anrufung Gottes.... O, sie ist die abgefeimteste Heuchlerin, die je von der Erde getragen wurde! Aus ihr könnte man tausend Verrätherinnen und Giftmischerinnen und Mörderinnen machen..... Lass’t ihr Blut auf die Erde tröpfeln -- und ihr vergiftet die ganze Erde -- diesen alten, harten, felsigen Ball, der schon so vielen Uebeln widerstanden! -- Sie ist ein Teufel mit dem Lächeln eines Engels im Gesichte und dem Glorienschein einer Heiligen um das Haupt....“ Er schwieg einige Augenblicke.... „Böses, böses Weib!“ fuhr er darauf fort.... „Wer hätte das Alles in ihr gesucht?! -- -- Als ich sie zum ersten Male sah, trat sie als eine jener zarten Jungfrauen, deren Seele eine Lilie ist, eine Lilie aus dem Garten Gottes -- vor mich .... sie trat als holde, lieblich-unschuldige Fee, als eine jener guten Feen, die in alten Zeiten die Schutzgeister der Menschen waren, vor mein Angesicht -- -- -- -- damals, damals hätte ich, wären die Gedanken meines Hirnes nur im geringsten fähig gewesen, sie zu beflecken, den Blitz des Himmels selbst auf mich herabgerufen, daß er mich zerschmettere.... Damals! Ach, welche Zeiten und welche Gefühle! -- -- Und jetzt, jetzt! -- -- Wer hätte glauben sollen -- daß trotz ihrer elysäischen Gestalten und ihrer ambrosischen Düfte jene Zeiten doch nur von Trug und Verrath geschwängert waren?.... Allein, so ist der Mensch! Er hofft und vertraut bis zu des Abgrunds Rand -- und glaubt nicht eher an ihn, als bis er hineingestürzt ist und sich windet mit zerschmettertem Haupte zwischen Molchen und scheußlichen Ungeheuern....“ Der Graf ging lange im Zimmer auf und ab, ohne ein Wort zu sprechen, ohne nur einmal aufzublicken -- -- aber im Stillen hielt er eine entsetzliche Gedankenjagd -- -- und die schwarzen Ideen tummelten sich immer dichter neben ihm -- um ihn und über ihm... sie schlossen ihn von allen Seiten ein, wie ein wildes Heer von dämonischen Erd- und Luftgeistern.... Da brach der erste Lichtstrahl der heraufsteigenden Morgensonne durch den Rand seiner Gardinen und traf sein Antlitz.... und als wäre ein Bote des Ewigen zu ihm herangeflogen und hätte seine Stirne mit glänzenden Strahlenfingern berührt.... erhob aus dem wilden dunkeln blutigen Chaos seiner Seele sich ein weißer Gedanke, so daß er schrie: „Und wenn sie dennoch unschuldig wäre?!!“ „O mein Gott!“ flüsterte er leise: „was hätte ich dann gethan!“ Mit dieser Idee entschlief er bald darauf, denn sein Physisches vermochte nicht länger dieser unsäglichen und abwechselnden An- und Abspannung zu widerstehen. Viertes Kapitel. Hoffnung, Verzweiflung, Resignation. Als Alexander erwachte, mochte es bereits wieder gegen Abend sein, wenigstens umgab ihn im Zimmer eine Dunkelheit, welche nicht allein durch die ausgebrannte Lampe erzeugt ward. Doch was kümmerte ihn Zeit, Licht, Sonnenschein -- Finsterniß.... lebte er doch kaum mehr in der Außenwelt, sondern hatte sich ganz zurückgezogen in den tiefsten Winkel seines Herzens. Die Idee, mit welcher er eingeschlafen war -- begleitete auch wieder sein Erwachen, und darum war dies das freundlichste seit vielen Tagen. -- Ja, sie konnte dennoch unschuldig sein! -- Trotz aller Beweise, trotz aller Zeugnisse, worunter die wichtigsten allerdings die seiner eigenen Augen waren -- konnte doch dasjenige, was schon tausendmal geschehen war, auch noch dies eine Mal eintreffen: Cölestine konnte verkannt, verläumdet, sie konnte durch eines boshaften Dämons Gaukelei verläumdet worden sein. -- Denn ist es wohl nicht schon vorgekommen -- daß man z. B. einen Unglücklichen des Mordes -- eine Unglückliche der Giftmischerei +überführt hatte+ .... sie starben den Tod des Gesetzes.... und nach Jahren erwies es sich, daß sie +unschuldig waren+? Ach, die +Liebe+ klammert sich so gerne an einen solchen Hoffnungsanker an -- und zwar erst dann recht eifrig, wenn des Sturmes Wuth wild über sie eingebrochen ist. -- Die Liebe, wenn sie zur Leidenschaft, zur Tyrannei geworden -- lebt in Contrasten und ist bisweilen fähig, von der rasendsten Eifersucht -- zur fanatischen Gläubigkeit umzuspringen.... je nachdem diese oder jene ihr Befriedigung schafft. -- „Nie,“ sagt ein geistreicher deutscher Schriftsteller,[B] „war eine Liebe echt und tief, wenn dieselbe nicht fähig ist, heute für denselben Gegenstand zu leben -- für welchen sie gestern in den Tod gehen wollte.....“ Weshalb sollte der arme Gatte nicht den Trost hinnehmen, der ihm plötzlich wie durch unsichtbare Geisterschwingen zugeweht wurde -- da dieser Trost seinem leidensheißen Herzen doch so wohl that? -- -- Und daß er ihm kam -- wenn es auch noch so plötzlich, noch so unerwartet und unbestimmt geschah -- -- wer wird daran zweifeln, wenn er anders das Menschenherz kennt? -- Kommen und gehen von Augenblick zu Augenblick nicht die verschiedenartigsten Empfindungen in und aus uns -- -- ohne daß wir wüßten, woher und wohin? -- -- Aber sie kommen doch und scheiden doch.... das ist gewiß -- -- und es scheint uns dann, als würde mit einem Male ein Räthsel aufgelöst durch unsichtbare Hände -- -- wozu wir uns lange vergebliche Mühe gaben. O -- trotz unseren enormen Fortschritten im Felde der Erkenntniß sind wir noch lange nicht dahin gekommen, die einfachsten Dinge, welche uns umgeben, zu verstehen. -- Alexander erhob sich vom Lager. Er begann wieder seine Wanderungen durch’s Gemach. Bunte Bilder flohen vor ihm vorüber -- lange hatte sein Auge freundlicher Farben entbehrt... „Nein, nein!“ rief er aus --: „so sehr kann Lüge die Wahrheit doch nicht nachahmen!... Sie kann Thränen weinen -- Seufzer ausstoßen -- sie kann sich im Staube winden und verzweiflungsvoll aufschreien, daß sie unschuldig sei... sie kann Alles, Alles, was körperlich und sichtbar erscheint, imitiren, wie wir es am guten Schauspieler sehen; jedoch sie kann den Popanz, welchen sie geschaffen, nicht beleben -- kann ihm keine Seele einhauchen -- kann ihm jene geistige Gewalt nicht verleihen, die allmächtig zu unserem Geiste spricht, diesen zu sich hinreißt, daß er nicht widerstehen kann und sich mit ihr vereiniget, versöhnt. -- Das, das kann die Lüge nicht! -- Das ist nur der Himmelstochter Wahrheit vorbehalten. -- -- -- -- Und,“ rief er frohlockend aus: „ihren Einfluß habe ich erfahren -- -- obgleich erst jetzt, jetzt dies Bewußtsein in mir aufgegangen.... Cölestine ist keine Verbrecherin... dies wird mir so klar, daß ich erstaune und mich verfluche, es nicht längst eingesehen zu haben....“ „Allein -- ich weiß schon, weshalb es nicht geschah! Ich +wollte+ nicht, daß es geschehe... ich widersetzte mich gewaltsam der Ueberzeugung! Ich Thor -- ich Elender marterte mich geflissentlich mit Schrecknissen, die nicht sind noch waren.“ Voll von dieser neuen Aussicht auf eine neue schöne und blühende Welt -- machte Alexander sich auf und verließ sein Zimmer, entschlossen, seine Gemahlin aufzusuchen, sich zu ihren Füßen zu werfen und in einer Fluth reuiger Thränen seine Schuld abzuwaschen; denn er hoffte, daß Cölestinens, aus einem Himmel von Güte und Liebe bestehendes Herz sie ihm verzeihen werde.... Als er auf den Corridor trat, sah er, daß es in der That bereits wieder dunkel sei. Im Hause war Alles still -- man rüstete sich zum Schlafengehen. So gelangte er, ohne gesehen zu werden, vor die Wohnzimmer seiner Frau. Auch hier herrschte die tiefste Stille -- auch hier begegnete man Niemand. Alexander glaubte zuerst, Cölestine sei entweder nicht zu Hause oder sie habe sich in ihre hintersten Gemächer zurückgezogen -- -- da vernahm er plötzlich ihre Stimme, die im zweiten Zimmer Jemand einen Auftrag zu geben schien... und obgleich diese Stimme kraftlos und eintönig redete, hatte er doch folgende Worte verstanden: „Aber -- um Alles in der Welt, daß kein Auge dies Schreiben erblickt, noch Euch selbst, die Ihr damit fortgeht. Stanislaw -- ich vertraue Dir hier mein halbes Leben an.... erinnere Dich, daß Du seit 30 Jahren der treueste Diener unseres Hauses bist.... Vermeide besonders die Zimmer des Grafen....“ Diese leisen Worte machten Alexander fast taub; er, der erst so heiter, so rasch, so leichtfüßig hierher kam, vermochte in diesem Augenblicke sich kaum aufrecht zu halten.... Er zog sich seitwärts von der Thür zurück, lehnte sich hier an die Wand -- und lauerte auf den Boten. -- Dieser trat wirklich heraus -- aber in demselben Momente stürzte sein Gebieter auf ihn und entriß ihm den Brief....... Er war an den Chevalier von Marsan gerichtet und enthielt folgende Zeilen...: „Ich bin krank und im höchsten Grade geschwächt -- vermag also nicht an dem bestimmten Orte zu erscheinen; ich hoffe daher, daß Sie die Mühe auf sich nehmen werden, zu mir zu kommen -- -- -- doch säumen Sie keinen Augenblick. Es erwartet Sie mit Ungeduld Cölestine v. A--x. _NB._ Vermeiden Sie es, von den Dienern unseres Hauses gesehen zu werden -- der heutige Abend ist sehr günstig zu einer Zusammenkunft, um so mehr, da mein Mann sich noch immer auf seinem Zimmer eingeschlossen hält.“ So war sie also dennoch schuldig! -- -- -- Als Alexander diese Zeilen gelesen hatte, glaubte er, die Welt um ihn und er in ihr werde vergehen. Er befand sich einige Augenblicke hindurch in einem Zustand, der nicht Leben und nicht Tod -- sondern eine von jenen schrecklichen Krisen ist, in denen einst das Menschengeschlecht entweder ganz untergehen -- oder neu und fremdartig wiedergeboren werden wird. -- * * * Einige Stunden darauf lag der Graf in einem heftigen Delirium. Die widerstrebendsten und gewaltsamsten Stürme dieses Tages und jener Nacht hatten ihn niedergeworfen. Vielleicht war dieser Ausgang noch ein Glück für ihn; denn jedenfalls konnte der Wahnsinn ihm keine grauenvolleren Gestalten vorspiegeln, als wovon das bewußtvolle Leben für ihn jetzt so reich gewesen wäre. -- So sorgt eine allgütige Natur für ihre Wesen selbst durch Strafen -- und sie reicht uns oft Gift, um uns vor einem tödtlicheren, welches wir unwissentlich aus der Atmosphäre eingesogen haben, zu schützen... Der Kranke verlor vom ersten Momente an die Fähigkeit, seine Umgebung zu erkennen -- und so wußte er nicht, daß Cölestine an seinem Bette saß und ihn mit zärtlicher Besorgniß pflegte. Sie, die noch vor Kurzem selbst krank und hilflos da lag, schien jetzt wie durch ein Wunder von neuer Lebenskraft erfüllt zu sein.... Woher diese Wirkung? Hatte die Zusammenkunft mit Marsan -- denn er hatte sich auch ohne Aufforderung fast zur selben Stunde eingestellt -- -- diese Folge gehabt?... War sie dadurch so glücklich geworden, daß sie in einigen Augenblicken völlig genas?.... Sonst wäre wohl auch Liebe, Zärtlichkeit für einen unglücklichen Gatten im Stande, eine solche Umwandlung hervorzubringen; -- -- aber wie sollte man nach einem Briefe wie der obige auf dergleichen rechnen können? -- Es kann jedoch nicht geläugnet werden, daß der Eifer, womit Cölestine ihren kranken Mann pflegte, einen Ausdruck tiefer und inniger Liebe hatte -- -- und es trat die merkwürdige Erscheinung ein, daß, je nachdem sich der Zustand Alexanders augenblicklich zu bessern oder zu verschlimmern schien -- -- sie im letztern Falle an Kraft zu gewinnen, -- im erstern wieder zu erschlaffen und so zu sagen in ihren vorigen leidenden Zustand zurückzufallen schien. -- Aber wer enträthselt das innere Wesen und den Grund solcher eigenthümlichen und geheimnißvollen Vorkommnisse in des Menschen Brust?.. Irren wir doch so leicht im +Deuten+... und können nur von demjenigen etwas Bestimmtes sagen, was wir +wissen+. Wir hatten ja eben erst vor Kurzem ein Beispiel an Alexander: es hatte sich im Widerstreit seiner Meinungen über Cölestine zuletzt eine Stimme zu ihren +Gunsten+ erhoben.... und schon einige Stunden darauf sah er seine Prophezeihung so grausam verspottet. -- Die Krankheit machte in kurzer Zeit rasche Fortschritte, doch hofften die Aerzte von seiner kräftigen Natur, daß sie das Uebel langsamer oder schneller besiegen werde.... da jedoch der Ausspruch eines Arztes niemals untrüglich sein kann, so war es natürlich, daß eine liebende und in Angst harrende Gattin nur geringen Trost aus ihm schöpfen konnte; sah man jedoch Cölestinens Schmerz, so mußte man sie für eine solche Gattin halten. -- Da saß sie durch Tage und Nächte neben seinem Haupte, reichte ihm Arznei, Tränke -- pflegte seiner mit weinenden Augen und diente ihm wie eine Magd; denn sie litt es nicht, daß ein Anderer auch nur den kleinsten Dienst bei ihm versähe, wenn sie hierzu selber Kraft und Stärke fand. -- -- Unter solchen Umständen mußte das Wort des Arztes wahr werden und ihr Kummer, ihre Angst, ihre Verzweiflung, vergebens. -- In Alexanders Befinden trat eine sichtbare Besserung ein -- und nun stürzte die junge Frau auf ihre Kniee und pries Gott im lauten Dankgebete. -- Wie harrte sie mit zitternder Ungeduld des ersten lichten und bekenntnißvollen Augenblicks.... dann wollte sie mit Alexander reden, sich vertheidigen -- und sie hoffte gewiß, daß er ihr glauben werde.... O der Getäuschte! -- -- Er erwachte wirklich, er sah sie mit klaren Augen an, wie sie vor ihm stand -- die Arme ausbreitete, mit thränenvollem Antlitz ihm entgegenlächelte und schon den Mund aufthat -- -- -- -- Aber es war ihr nicht vergönnt, weiter zu kommen... Bis hierher nur erfüllte sich ihre Hoffnung, hier schnitt er sie ihr ab -- denn sein Vertrauen zu ihr war dahin, seit der Glaube an ihr Herz ihn gänzlich verlassen hatte.... Vergebens sank sie noch einmal vor ihm auf die Kniee.... ihr Anblick war erschütternd.... Er aber, der Gatte deutete ihr an, daß sie ihn verlassen möge -- und als sie dies Gebot nicht befolgte, sah man seinen Zustand sich augenblicklich auf eine entsetzliche Weise verschlimmern.... „Sie werden ihn tödten, wenn Sie länger hier bleiben,“ bedeutete traurig der Arzt -- -- und sie ging -- sie kam nicht mehr zu seinem Lager. Einige Tage darauf war er so weit hergestellt, daß er sich nun wieder erheben und sein Bett verlassen konnte. Er brachte jetzt den größten Theil des Tages in einem Armstuhl, umgeben von Büchern und Schriften, zu, worunter ihn besonders die letzteren beschäftigten. -- Besuche nahm er nicht an -- selbst Briefe ließ er durch seinen Sekretär eröffnen, und wies jeden, mochte er auch direkt und dringend an ihn lauten, von sich. Er besaß keine Geheimnisse und überdies hatte der Sekretär sein volles Vertrauen.... Unter den Schreiben, welche anlangten, befanden sich drei von Cölestine, deren Inhalt uns eben so unbekannt geblieben ist, wie er es für Alexander und selbst für seinen Sekretär war -- denn dieser Ehrenmann siegelte sie, ohne sie gelesen zu haben, wieder zu. Es war gegen Ende Dezembers, als Alexander Wien verließ, gefolgt nur von seinem Sekretär und einigen vertrauten Dienern. Er hinterließ für Cölestine folgendes Schreiben: „Gräfin! -- Ich verlasse Sie, Ihr Haus und die Residenz, ohne Ihnen sagen zu können, wohin ich reise und welches der Ort meines ferneren Aufenthaltes sein wird. Zu Ihrer Beruhigung -- denn sie wird wohl nur auf diese Weise zu erzielen sein -- hinterlasse ich Ihnen beiliegende schriftliche Erklärung, worin +ich mich+ die Ursache unserer raschen und plötzlichen Trennung nenne und woraus keine Schuld hervorgeht, die nicht auf mein Haupt fiele; Sie werden Gelegenheit finden, von diesem Dokument den nützlichsten Gebrauch zu machen -- und ich wünsche Ihnen herzlich Glück, wenn damit sowohl Ihre Wünsche wie die Anforderungen der Welt beschwichtigt werden, woran ich nicht einen Augenblick zweifle. -- -- Alles, was ich hinterlassen habe, ist zu Ihrer unbeschränktesten Verfügung gestellt. -- Ihre Verhältnisse bleiben demnach ganz dieselben, welche sie zu meiner Zeit waren -- -- ich vergesse hinzuzusetzen: wahrscheinlich werden sie noch weit angenehmer sein; -- ich verspreche mich abermals: sie werden dies ganz +gewiß+ sein! -- -- Gnädige Frau.... erlauben Sie mir jetzt eine kleine Eigennützigkeit. In Anerkennung des Dienstes, welchen ich Ihnen leiste, lassen Sie mich an Sie die Bitte stellen: falls Sie meinen Aufenthalt errathen oder erfahren sollten -- so schreiben Sie mir nicht -- noch schicken Sie eine dritte Person zu mir -- am wenigsten aber kommen Sie selbst...... Dies wird wohl schwerlich geschehen -- es ist fast albern, daran zu denken -- jedoch für den Fall dieser oder jener Möglichkeiten erfahren Sie, daß mein Zorn dadurch auf’s Aeußerste gereizt und ich zu einer That fähig wäre, die sowohl Sie als mich entehren könnte. -- Schonen Sie also unser Beider Namen -- wenigstens von dieser Seite. -- Und nun habe ich Ihnen nichts mehr zu sagen, als: leben Sie für immer wohl. Alexander Graf v. A--x.“ Diesen Brief empfing Cölestine zwei Stunden nach ihres Mannes Abreise, welche früh Morgens, da noch das ganze Haus schlief, geschah, und wozu die nöthigen Vorbereitungen bereits getroffen waren. Man wird begreifen, welchen Eindruck diese Zeilen auf sie machten, sobald man ihren jetzigen Seelenzustand erwägt. Mit Worten ließe sich unmöglich ein Gemälde davon geben -- man muß dies Geschäft der Phantasie des einzelnen Lesers überlassen... Genug an dem, ihrer Gesundheit, welche in den letzteren Tagen fürchterlich zerrüttet worden war, wurde durch dies Ereigniß gleichsam der letzte Stoß gegeben.... Die Rollen hatten sich jetzt umgekehrt; -- sie nahm ihres Gatten Stelle ein... ein böses Fieber zehrte an ihrem Leben. Aber Cölestine besaß keinen so treuen Pfleger, wie ihm in ihr gelebt hatte.... denn ihre Eltern und ihre Freunde, so theuer sie ihrem Herzen auch waren, konnten ihr gleichwohl den Verlust eines Gatten nicht ersetzen. -- -- So liebte sie ihn also dennoch? Leider ist es uns noch immer nicht vergönnt, den Schleier von einem Verhältnisse wegzuziehen, welches sich erst spät entwickeln soll -- welches noch immer im Werden begriffen ist, und wobei wir, vermöge unserer schöpferischen Machtvollkommenheit, und vermöge der Kunstzwecke, die uns bei dieser Schöpfung leiten -- den Schluß des Processes noch in einige Ferne hinausgesetzt haben.... Welches Aufsehen die Trennung des Grafen von seiner Gemahlin, die eben so unerwartet wie von außerordentlichen Umständen begleitet war, in den Kreisen der Residenz erregte, wird man begreifen.... Die Leute _du bon ton_ waren entzückt, wie sie sich nicht erinnerten, es seit Jahren gewesen zu sein -- denn da hatten sie ja einen vollständigen „+Skandal+“. Und da man, wie in der Regel und nach den Gesetzen der feinen Lebensart geschieht, die Schuld auf den der Gesellschaft mißfälligen Theil warf, welches -- da die Gesellschaft von Damen repräsentirt wird -- hier Cölestine war, die man um ihres Glückes willen haßte, so fing man alsbald an, ihr alle mögliche Vergehungen und Sünden aufzubürden -- daß sie in wenigen Stunden da stand, wie eine zum Tode reife Verbrecherin... „Ach!“ rief man -- „diese Komödie hat zwar rascher geendiget, als man erwartete -- jedoch sie hatte ganz so geendigt, wie vorausgesagt worden war...“ „Es war in der That -- ein so vortrefflicher Mann, dieser Graf A--x.... etwas närrisch zwar und spleenhaft -- -- allein man hielt ihn mit Recht für einen der geistreichsten Köpfe im Ministerium -- und was für ein Herz er besaß, bewiesen uns die ersten Zeiten seiner Ehe, welche ihn so sehr beseligten.... Ach, der Arme! er dachte gewiß nicht, daß es so kommen würde! Er hat es auch wahrlich nicht verdient!“ „O!“ bemerkte das Stiftsfräulein Eugenie von Bomben gegen die Gräfin von Wollheim -- „ich begreife ganz wohl den Zusammenhang dieses „+Falles+“, nachdem ich in Erfahrung brachte, man habe die Gräfin A--x bei der letzten Sitzung des Frauenvereins -- kurz vor Eintritt ihres „+Falles+“ -- zum Mitglied vorgeschlagen. -- Beim Nero! ich finde jetzt ihren „+Fall+“ ganz natürlich....“ Und hierbei rieb sich die huldvolle Dame ihre knöchernen Hände und zeigte lachend ihre zahnlose Mundhöhle.... Was Cölestine betraf, so machte sie keinen Versuch, alle diese Gerüchte zu widerlegen, welches ihr durch einfache Berufung auf das ihr von Alexander hinterlassene Dokument doch so leicht möglich gewesen wäre. -- Jedoch von diesem Gebrauch zu machen, lag fern von ihr, eben so fern wie die Menschenliebe von jenen Herzen, die so schöne Dinge von ihr ersannen. Was kümmerte sie alles dieses! Was ging sie die Welt -- was die Ereignisse an, welche außer ihrer Brust stattfanden! -- -- Ihr eigenes, persönliches Dasein war in diesem Augenblicke an schmerzvollen Ereignissen reich genug. -- Die Krankheit, welche sie überfallen hatte, war eine jener träg und dumpf fortschreitenden, die sichtbar keine Gefahr drohen und für unbedeutender angesehen werden, als sie es in der That sind. Es nagt ein Wurm innerlich an unserem Herzen -- er hat den Kern schon zur Hälfte aufgezehrt -- während von Außen die Hülle in rosiger Frische glänzt, gleich der Schale eines Granatapfels...... Cölestine -- nachdem sie den ersten und heftigsten Anfall, der sie zwang, sich niederzulegen, überwunden -- trotzte den ferneren dadurch, daß sie das Lager floh und umherwandelte, als hätte sie die Kräfte dazu; dies jedoch war auch nur einer so lebensvollen und jugendlichen Natur wie die ihrige möglich. -- Ihr sonst so heiterer, naturfrischer, so leichter und geschmeidiger Sinn verhütete es, daß sie in jene stumpfe Melancholie verfiel, der jedes andere Gemüth unter solchen Umständen erlegen wäre. Kurz die junge Frau hatte über sich und ihr Uebel bald so große Herrschaft erlangt -- -- daß sie das letztere in den hintersten Winkel ihres Herzens zurückdrängen und äußerlich fast eben so heiter, wie in ihren schöneren Tagen, erscheinen konnte..... Sie öffnete ihr Haus jetzt wieder einem Kreise vertrauterer Personen und ließ sich selbst wieder in jener Welt sehen, die früher, als sie noch im Hause der Eltern wohnte, die ihrige gewesen war. -- Fünftes Kapitel. Die Promenade auf der Bastei. Die Promenaden auf der Bastei und in der Stadt auf dem Graben und Kohlmarkt waren an der Tagesordnung. Um die Mittagszeit sah man hier die ganze schöne Welt umherstreifen, um ihren beiden höchsten Verrichtungen obzuliegen: -- zu sehen und gesehen zu werden und zwar in möglichst ausgedehntem Umfange. Ha! Welche große, welche magnifique Welt sich da tummelt und bewegt! Die Sache ist wirklich viel weniger komisch, als wofür wir sie anfangs nehmen wollten -- denn wir haben es hier nicht nur mit den belachenswerthen Seiten der Gesellschaft, sondern mit ihr +ganz+ zu thun, und dabei gibt es auch noch so manches Stück Ernst. -- Wir wollen das vollständige Gemälde zu zeichnen versuchen und dabei +keiner Partie+ vergessen. Sehen Sie jene stattliche, große Dame dort: eine Junogestalt! und ihr Arm in dem eines kleinen, dünnen, feinen Mannes mit einem noch feineren Lächeln und einem allerfeinsten Augenkneifen. -- -- Kennen Sie dieses Paar? Es ist eines der bedeutendsten und angesehensten der Residenz. -- Sie werden den Namen des kleinen feinen Mannes mit sehr -- großen Buchstaben im +Staats+-Schematismus gedruckt finden. -- -- Dort weiter vorn drei weibliche Gestalten und zwei Herrn, ein älterer mit grauen und wie’s scheint gepuderten Haaren -- auf der andern Seite ein schlanker, blühender, kräftig schöner Jüngling. Er ist der Bruder der zwei jungen Damen, neben welchen er geht und der Sohn jener dritten so wie des alten Herrn mit den weißen Haaren.... O der Letztere ist auch ein sehr großer, großer, vielbedeutender Mann, ein berühmter Mann sogar -- und bei dem Allen ein so guter freundlicher, herablassender Mann. -- Hat man einmal bei ihm Etwas zu thun gehabt, wird man nie die edle Güte vergessen, mit der er uns behandelte. Auch jene zahlreiche und etwas prunkende Gesellschaft weiter hinten führt einen hochklingenden Familiennamen -- aber dies ist auch Alles, was man von ihr sagen kann. Es ist immerhin schön, einen edlen Namen zu besitzen -- schöner aber ist es, ihn mit neuen Ehren zu umgeben. Die üppige Pracht, welche hier von den Töchtern des Hauses entfaltet wird, will noch nichts sagen gegen jenen feenhaften Glanz, womit sie bei festlichen Anlässen im Salon die Blicke ihrer Gäste blenden. -- -- Bemerken Sie die dicke, schwerfällige Frau dort in dem ponceaurothen Sammtpelze.... und die goldene wurstförmige Kette, die, fast eben so dick wie sie selbst, um ihren Hals baumelt? -- Das zeigt sich sogleich, wie es ist. Es ist aber ordinär; es ist plebejisch -- es ist banquiermäßig. Diese Familie ist reich! Hier haben Sie Alles, was man von ihr sagen kann; und dies ist viel weniger, als was ich Ihnen vorhin berichtet habe. Ha, wie er mit seinem Geld in der Tasche klappert! Der Herr Bankier hat sogar in seinen Winter-Oberrock Geld gesteckt. Sein Geld ist die unsichtbare Leibgarde, mit der er sich stets umgibt -- und ohne welche er sich niemals für sicher hält. -- Dies ist auch eines von den vielen Unglücken des Glückes, d. h. Geldes. -- Und jener hübsche ernste Mann im schwarzen Kleide mit der eleganten, stillen Würde im ganzen Wesen -- und mit dem unaussprechlich geistreichen Zug im Angesichte, der an die Züge jenes größten Mannes unserer Zeit und unseres Landes erinnert, dessen Namen ich nicht auszusprechen wage.... Ach, dort erblicken wir +ihn+!! Schnell -- damit uns sein Erscheinen nicht verschwindet, denn nur selten ist uns sein Anblick gegönnt. -- O, wie muß das Herz jedes Oesterreichers schlagen, wenn er bedenkt, daß dieser Mann ihm und seinem Volke angehört. Eine Göttergestalt! -- Ihr olympischer Blick und Ihr ambrosisches Lächeln hat die Zeit vollständiger bezwungen, als das Schwert jenes großen Eroberers, dessen +gewaltigster Feind er+ war. O Fürst, vergönne dem treuesten Deiner Verehrer -- Dir seine Huldigung darzubringen! Ja, hier hat die Macht des Genies sich manifestirt. Lauter als alle Dichterworte verkündeten es die seinen, daß der Geist der Herrscher der Welt ist -- -- und Ihr bornirten Priester des Geistes redet noch vom Zwange desselben. Wie kann derjenige die Geister fesseln, der selbst der reinste und größte unter ihnen ist? Freilich, der Geistesunflath ist ihm zuwider -- wie für die reinen Cherubim jene sündigen Geister ein Gräuel waren, die von ihnen in den Abgrund gestoßen wurden. -- Immer tauchen neue Gestalten um uns auf. Dies nimmt kein Ende. Stets neue Schönheit und neue Pracht. -- Ach, zu dieser Promenade braucht man tausend Augen und ein tausendfältiges Entzücken. Aber damit wir auch die Aversseite nicht vergessen, wird es nöthig sein, zu ihr sofort überzugehen. Hier begegnen wir sogleich lauter bekannten Gestalten, und da durch dieselben einzeln uns das Ganze skizzirt wird, dessen Theil sie sind -- so werden wir bei ihnen auch stehen bleiben und unsere Beobachtungen nicht weiter ausdehnen. -- Zuerst erblicken wir unsern guten +alten+ Freund (oder, weil er dies übel nehmen könnte, unsern guten Freund in +seinen besten Jahren+) -- den Herrn von Althing, ersten Verführer der Residenz und Despoten aller Frauenherzen; -- da wir bereits seit langer Zeit von ihm getrennt waren, dürfte uns dies Wiedersehen vielleicht nicht unangenehm sein. -- O, er ist auch noch immer der Vorige! Keine Linie fehlt an diesem ausdrucksvollen, herrlichen, reizenden, gefährlichen Männerbilde! -- da der lächelnde Blick -- das feurig strahlende Siegerauge -- die hochgeröthete Wange -- der stolze Schnurbart -- der Hut kühn und ein wenig auf die Seite des +kunstreichen+ Haarbaues gerückt.... Diese so edeln und herkulischen Gliedmaßen, diesmal in einen eleganten und stattlichen Oberrock gehüllt.... ein Kaschmir um den Hals geworfen.... und durch ein Knopfloch blüht eine rothe Blume so täuschend hervor, daß es wie ein Ordensband aussieht.... ferner ein Lorgnon in der Hand (obwohl unser Mann, wie er selbst sagt -- +wie ein Falke+ sieht) -- -- die Sporen, die sind nicht vergessen.... und auch die Reitgerte nicht, daß es aussehen soll, als habe er so eben einen Ritt gemacht... was, seiner Behauptung nach, immer vortheilhaft für einen Mann ist. -- Ihn begleitet ein alter Herr, dessen Gesicht mit mehr Recht ewige Jugend verkündete, als das Althings -- wiewohl in diesem Augenblick eine sonderbare Melancholie, die im Grunde zu dem Gesichte des Mannes nicht paßte, mit der Fröhlichkeit in seinem Wesen abwechselte. Es ist der Graf von +Wollheim+, unser biederer Jäger oder eigentlich wackerer Trinker. Er hatte sich, seit sein Schüler, Freund und guter Genius, den er auch sein „Jüngelchen“ nannte, für ihn gewissermaßen auf immer verloren war, an Denjenigen gehängt, der außer ihm der einzige Freund des Entflohenen schien... und welcher, wenn er auch diesen nicht ersetzte, den Nimrod doch an ihn erinnerte.... und so eine Art unvollkommener Illusion für die Wirklichkeit bot. Lustig war zu gewissen Augenblicken der Anblick dieser Beiden -- er bot dann einen Contrast, wie man ihn im Leben nicht besser findet.... „Ist das Wetter heute nicht köstlich, mein lieber Graf und Freund?“ denn Althing, der dies sprach, war aller Menschen, die er kannte, „+Freund+“. „Ist dieser Decembertag nicht schöner als der beste August, ich meine nämlich, wo die Hitze so groß ist -- daß man es auf der Straße nicht aushalten kann -- und nichts zu sehen bekommt von der Welt -- außer etwa ein miserables Quadrat von einigen Klaftern -- durch sein Zimmerfenster...?“ „Ja, gewiß -- +lieber Althing+,“ -- der Jäger hatte in Bezug auf das Obige denselben Charakter... „ja, Sie haben ganz Recht.... Uebrigens ist es im December auch zu Hause angenehm -- man erhitzt sich nicht so leicht, mag man im Zimmer oder im -- -- Kell....“ Er sprach das Wort nicht aus... sondern glaubte sehr geistreich einzulenken, indem er hinzusetzte...: „Man kann in dieser Saison auch mehr +vertragen+, hahahaha! hahahaha!“ -- -- „Was meinen Sie damit, bester Graf.... +mehr vertragen+?“ „-- Nun -- ich sage: mehr Wei... +Wei+...“ der +Wein+ wollte nicht so leicht von seiner Zunge gehen -- „Weibesblicke -- Liebesblicke -- zarte Winke mit schönen Augen und Fingern.... hehe!“ Er war überzeugt, seine Sachen ungeheuer klug gemacht zu haben.... „Ha!“ rief mit einem Male der Andere, der so eben wieder mit dem Sporren hängen blieb, aber glücklicher Weise nicht in seinen Beinkleidern -- -- „haben Sie das dort nicht bemerkt ... bester Graf? Wie?“ „Das dort? -- Jenes Gasthausschild da drüben über dem Kanale? Es gehört dem Hôtel „Zum goldnen Lamm“ -- woselbst man kolossale Rheinweine bekommt, mein Lieber...“ „Ach, welches Mißverständniß!... Rheinwein! -- Wer spricht davon? -- Welche abscheuliche Verwechslung einer ordinären Sache mit dem extraordinärsten -- göttlichsten Dinge von der Welt. -- Da... sehen Sie denn noch nicht.... die himmelblaue Pelerine dort! -- -- O, mein Freund! Welch’ ein Blick war das, welchen ich so eben erhaschte....“ „Pah!“ -- versetzte der Jäger, dem wir diese Benennung jetzt nur noch aus Pietät geben, denn seit so und so langer Zeit hatte er seinem frühern Geschäft fast gänzlich entsagt und seine ganze Aufmerksamkeit nur demjenigen, bei welchem wir ihn in dieser Geschichte so zahlreich begegnet sind, zugewendet... „Pah!“ sagte er, seine heitere Miene wurde traurig -- sein Blick suchte die Erde, der ganze Mensch war wie verwechselt.... „Pah!“ wiederholte er nochmals: „was liegt mir an diesen Blicken -- Thorheiten -- Spielereien...“ „Das nennen Sie Thorheit! Spielerei! unglücklicher Mann, dem nie die süßeste der Göttinnen gelächelt -- sonst müßten Sie mit mehr Ehrfurcht von ihrem Dienste sprechen.... Aber wie, mein Freund, wollen denn Ihre Beine nicht mehr vorwärts gehen! Ich muß Sie ja fortziehen...“ Wollheim stieß einen Seufzer aus, so tief, als komme er aus jener Tiefe, in welcher Fässer liegen.... „Vorwärts, vorwärts, mein Guter! Sie verderben mir sonst gänzlich mein Glück -- das so eben im vollen Anzuge ist! Ach, ach! schon wieder ein Blick! Sie hat sich jetzt mindestens zum siebenten Male nach mir umgesehen -- -- und wie hat sie sich umgesehen!... Alle Donner! Die versteht es -- so jung das Püppchen auch noch ist. Doch heut zu Tage sind wir in diesen Dingen enorm vorgerückt.... Unsere Töchterchen und Fräuleinchen von 15 bis 16 Jahren -- das sind gerade die routinirtesten.... Kein Wunder! Sie haben an der Seite Mama’s eine gute Schule....“ Die ganze Antwort Wollheims war wieder blos ein schauderhafter Seufzer, und sein Gang wurde nachgerade so schwer und lästig, daß Althing Mühe hatte, mit ihm fortzukommen... „Zum Guckuk... Herr Graf! was soll das heißen? -- Sie ruiniren mich förmlich! -- -- Sie werfen mir Felsenblöcke in den Weg -- -- Ach! Ach! -- Schon wieder! -- Nun, diesmal mußte es ein Blinder bemerkt haben! -- Diese liebe Kleine mit ihrer himmelblauen Pelerine -- bringt mich ganz in Aufruhr! Das Blut siedet in meinen Adern... wie es uns jungen Leuten schon bisweilen geht... denn in unseren Jahren steckt noch ein ganzer Vesuv und zwei Hekla in unserer Brust... _A propos_, was meine Brust betrifft, wie finden Sie ihre Wölbung und Breite, liebster Graf? Bei Gott! kein Flöckchen Watte im Rock... kein Flöckchen! Nun, was sagen Sie?“ Der Dicke spreitete hierbei seine Brust ungeheuer aus und klopfte auf dieselbe: „Ja! das ist so fest wie Stahl! Nicht wahr? Reden Sie doch!“ Nimrod ließ statt dessen den Kopf auf die Brust fallen -- blieb stehen und langte sein Taschentuch heraus, mit welchem er, unter Ausstoßung sonderbarer Laute, die eine entfernte Aehnlichkeit mit dem Schluchzen hatten -- über sein Gesicht fuhr und sich die Augen wischte... Er sahe so fast aus -- wie der König Gambrinus, als er eines Morgens erfuhr, daß der Hagel seine Hopfengärten zusammengeschlagen habe.... Wirklich schluchzte der tapfere Jäger Wollheim in diesem Augenblicke. -- Aber der Liebesheld gerieth darüber in einen unmenschlichen Affekt. Was Geier -- es war auch keine Kleinigkeit -- in diesem Augenblick, wo er auf einer neuen Siegesbahn so rasch wie Amors Pfeil selbst forteilte, mit einem _espèce_ von altem Narren stehen zu bleiben und dessen sentimentalen Firlefanz mit anzusehen. -- „Wollen Sie mich denn dem Wahnsinn in die Arme werfen?“ rief er, vergessend, wo sie sich befanden -- und rüttelte ihn am Arme, daß der Alte das Gleichgewicht verlor und umzufallen drohte -- jedoch noch zeitig genug von Althings Armen aufgefangen wurde: „Ach, Sie sind ein Satan -- in Freundesgestalt! Sie peinigen mich -- Sie bringen mich um den sichern Himmel!“ schrie dieser. „Ich bin -- sehr unglücklich....“ stammelte der Jäger. „Aber -- ich nicht minder!“ tobte empört Althing. „-- O -- ich habe einen Freund an ihm verloren...“ „-- Ich werde bald meinen ganzen Verstand verlieren... oder Sie hier stehen lassen, Herr Graf!“ „Meinetwegen, wie es Ihnen gefällt, Althing. Mich kann jetzt kein Unglück mehr treffen...“ „Aber zum Teufel! so kommen Sie doch! -- Die Pelerine entfernt sich immer mehr.... sie ist ganz wild über mein Zurückbleiben.... Vorwärts! Sie können die Begleiterin der Pelerine auf’s Korn nehmen....“ „Hol’ sie beide der schwarze Jäger!“ brach mit einem Male Nimrod wüthend und in seiner ursprünglichen Derbheit aus: „Was gehen mich diese dummen -- Schürzen da an! -- -- In meiner Brust ist ein so großer Riß, daß alle Schürzen und Pelerinen der Erde ihn nicht auszufüllen vermögen... Ach! nach Prag, sagt man, sei er gegangen.... Ich fürchte, ich fürchte -- er ist in dem verfl-- Duell geblieben und in eine Welt gegangen -- wo es weder Mosler noch Gumpeldskirchner gibt -- -- Uh!“ Althing tanzte fast vor Wuth und Ungeduld -- er drehte seinen Schnurbart (seit der letzten +heißen+ Affaire hatte er sich wieder einen wachsen lassen -- und zwar einen, dessen Gleichen man suchen mußte!), daß dieser Schnurbart auf einer Seite die Farbe changirte oder besser gesagt: -- seine natürliche bekam.... Man muß wissen, daß Althing die Maxime aller Bösewichter seines Schlages besaß, die, einem merkwürdigen Widerspruch gemäß, einen eben so großen Drang, eine Dame zu verfolgen, als Scheu, sie anzusprechen, haben, -- weshalb sie sich gerne bei einem +Begleiter+ Muth holen... Indeß gründet sich diese Maxime oft auf einen sehr vernünftigen Umstand: diese Herren suchen sich ihre Kameraden so aus -- daß sie ihnen bei dem _tête à tête_ nicht schaden können, sondern im Gegentheile noch ihrer Schönheit als Folie dienen. Der Stutzer-Veteran drang deshalb unausgesetzt in Wollheim, mit ihm weiter zu gehen -- dieser jedoch, als wollte er es ihm zum Possen thun, bewegte sich nicht von der Stelle -- sondern schien hier erstarren zu wollen.... „O mein Gott! was ist dieser Wollheim für ein Mensch!“ fing Althing an, der sich jetzt auf’s Jammern zu legen schien, da es auf andere Weise nicht mehr ging. -- „Mensch -- oder nicht Mensch! Lassen Sie mich in Ruhe... und stören Sie mich in meinen Betrachtungen nicht!“ polterte der Jäger. „Aber -- haben Sie denn gar kein Mitgefühl -- bester Graf! -- Sehen Sie, wie ich Sie bitte...“ „Fort damit -- oder ich werde wüthend!“ „Theuerster Freund!“ „Ich werde grob!“ „Lieber Graf und Gönner....“ „Ich werde massiv!“ „Alter Bruder -- und Kamerad...“ „Ich prügle Sie...“ brüllte Wollheim und holte hier mit der Faust in der That aus; -- wodurch er bewies, daß Sentimentalität und Prügellust näher beisammen stehen, als unsere Psychologen bisher geglaubt haben. Bei den letzten Worten und der sie so ausdrucksvoll begleitenden Geberde -- sprang der Günstling der Venus entsetzt zurück, wobei ein Dutzend Menschen, die hinter seinem Rücken vorbeigingen, seinen Sprung begleiteten -- -- die in ein lautschallendes Gelächter ausbrachen, das sich bald in der ganzen Umgebung verbreitete. -- Man blieb stehen... man wollte sich amusiren -- und schon war wieder die Polizei daran, sich hineinzumischen, als der Jäger plötzlich den Kopf um zwei Zoll höher als gewöhnlich erhob -- eine grandiose Idee malte sich auf seiner Stirn; er warf geringschätzende Blicke -- zuckte die Achseln -- und schlug mit stolzen Schritten den Weg nach dem „Goldnen Lamm“ in der Leopoldstadt ein. Hier ließ er sich ein Zimmer im hintern Hofe geben „dort wo jenes altersgrauen Kellers Zinnen herüberschauen!“ ein mäßiges Stückfaß wurde zu ihm hereingerollt -- er schloß sich mit demselben ein und war für diesen Tag, sowie für kommende Nacht nicht mehr zu sehen. -- Althing hatte sich behende aus dem Menschenknäuel losgewickelt, er war den Blicken entschwunden, bevor diese Zeit hatten, sich von dem weit interessanteren Objekte, dem Jäger -- abzuwenden... er eilte, flog in Sturmesschritten der himmelblauen Pelerine nach. -- Jedoch sie verdiente es auch. Es war eine köstliche Blondine von 16-18 Jahren oder etwas drüber. -- Allein unser Althing war auch ein Kenner, das mußte man ihm lassen. Wäre Alles bei ihm so vortrefflich bestellt gewesen, wie diese Eigenschaft -- dann freilich würde er weit seltener in die Lage gekommen sein, schrecklich immer nur in Illusionen zu schweben -- was indeß für ihn keineswegs ein Unglück zu sein schien, denn er hatte das Talent, nicht daran zu glauben -- -- er hatte das seltene Vermögen, aus allen Unglücksfällen zusammengenommen sich erst so recht sein Glück herauszubilden: er war dem Schicksal gegenüber die personifizirte Ironie. Endlich holte er seine Pelerine ein: „Allerliebst!“ rief er sich zu: „sie hat sich so eben wieder nach mir umgesehen! Ihr Auge schien mich schmelzen zu wollen. -- Hehehe! Das Glück, Freund Althing, kennt weder Ziel noch Maaß... Dies ist heute schon die dritte, welcher ich zugleich in den Weg laufe und die mich nicht mehr losläßt.... Aber ist das auch recht von dir, Spitzbube von einem Don Juan? -- Du liegst bis über die Schultern bereits in andern Liebesfesseln -- man hofft auf deine Treue -- man würde unglücklich werden, falls man dich des Gegentheils fähig hielte -- -- man würde sich den Tod um dich geben... und dennoch läufst du da dieser kleinen Schelmin nach -- -- die bereits heute die -- -- ach, ich vergesse es immer -- die wievielte sie sei -- ja richtig, die dritte ist sie! -- Bei meiner Annehmlichkeit! Das ist nicht recht -- das!!... Und jetzt ist gerade die Stunde, wo sie mir, meine holde Nina, das Rendezvous geben will, Nina, die mich seit vier Tagen bei sich empfängt, in ihrem kleinen Zimmerchen -- -- welches Zimmerchen sattsam unsere beiderseitigen Schwüre gehört hat.... u. s. w. u. s. w. -- --“ Er sprach hier die volle Wahrheit, -- das Alles verhielt sich wirklich so, wie er sagte; diese Nina empfing ihn in der That bei sich, schwur ihm in der That heiße Liebe und ewige Treue -- gab ihm große Beweise.... wie sie das jedoch meinte, wird sich später zeigen... Althing ging jetzt dicht hinter der blauen Pelerine einher, sie mußte, falls sie sich jetzt noch einmal umsah, unmittelbar in sein rothglänzendes Gesicht, gleichsam wie eine blutig aufsteigende Sonnenscheibe, sehen -- -- und es ließ sich erwarten, daß dadurch ihre Augen geblendet würden.... Wirklich geschah dies ganz so. Sie sah sich um, sie fuhr erschrocken zusammen vor Althings Strahlenangesichte.... sie bedeckte sich obendrein auch noch die Augen.... kurz unser Dicker glaubte das Recht zu haben, so zu sich zu sprechen: „Ah! Ah! -- das ist zu stark! -- Das hätte die Welt sehen sollen! -- O warum ist in diesem Augenblick hier nicht das Menschengeschlecht versammelt, um Zeuge meines Triumphes zu sein!... Bei Gott! Venus, -- meine Beschützerin! so Etwas ist einer einfachen Mannsperson noch gar nicht passirt! -- Das sollte gedruckt, -- unbedingt gedruckt, oder noch besser -- in Erz gegossen werden, um der Unsterblichkeit anheimzufallen. -- Aber, ach! Was sollte +dir+ unmöglich sein, mächtiger Althing! -- In der That -- -- ich fange an, rasenden Respect vor mir selbst zu bekommen und mich für eine Art von Auserwählten des Himmels zu halten ... für ein Wesen, das mehr ist als Mensch... für einen Halb- oder wenigstens Viertels-Gott ... Schade, daß ich die nähere Eintheilung dieser mythologischen Materie nicht genauer kenne. -- Und warum,“ fuhr er fort, immerwährend seinen Platz hinter der jungen Dame behauptend -- „schlägt sie jetzt mit ihrer Gesellschaft diesen Seitenweg da ein?... Ach! sicherlich will sie in’s Paradies-Gärtchen gehen -- in den Salon -- ein abgesondertes Kabinetchen... hehehe! hab’ ich’s nicht errathen? -- Freund Althing... ich sage Dir: du wirst in Zeit von einer Viertelstunde die Seligkeiten der hohen Olympier genießen -- unter deren Zahl du gewissermaßen auch schon gehörst....“ In diesem Augenblick betraten jene Damen wirklich das Paradiesgärtlein, jedoch hielten sie sich in dem dortigen Etablissement nicht auf, sondern durchschritten dasselbe, um sich hinten durch die Burg nach der Stadt zu begeben... „Gleichviel!“ murmelte Althing: „der Ort macht es nicht aus -- sondern die Gelegenheit. -- Wahrscheinlich will sie einen bessern Platz finden.... oder aber, was noch möglicher ist -- ihre Gesellschaft, worunter mir eine Mama zu sein scheint, gibt es nicht zu, steht ihr im Wege... Nun, wir werden bald sehen -- was so viel heißt, als +siegen+!“ Endlich in einem Gäßchen zwischen der Bastei und der Stadt blieb die Pelerine mit ihrer Begleiterschaft stehen: „Aha!“ lachte der Dicke: „jetzt wird’s losgehen! Mache dich gefaßt, Althing! Ueberwinde sie! Werfe sie in einem Augenblick zu deinen Füßen....“ Die Pelerine drehte sich um -- -- und winkte ihm... „O! das hatte ich erwartet! die Festung ist erstürmt!“ Kaum hatte er dies gesagt -- so trat er vor das Mädchen hin und verbeugte sich mit einer lächelnden und stolzen Miene, die einem Cäsar wohl angestanden hätte: „Sie sind sehr gütig, mein Fräulein,“ begann er in vornehm-nachlässigem Tone -- -- und lüftete den Hut ein wenig.... „Sie kennen mich gewiß schon längst!“ fuhr er mit einer kühnen Ueberzeugung von seiner berühmten Liebenswürdigkeit fort. „Mein Herr von Althing,“ entgegnete das Mädchen: „Sie haben es errathen.... der Ruf Ihrer Eigenschaften ist bis zu uns gedrungen -- und erfüllte mich seit jener Zeit mit der lebhaftesten Begierde, Sie kennen zu lernen.... Deshalb erlaubte ich mir auch -- Ihren Blicken und Winken auf der Bastei -- (wenn ich sie anders recht verstand,) nachzugeben -- und hier diesen weniger bemerkten Ort aufzusuchen -- -- um -- um mit Bewilligung meiner guten Mutter ... die ich Ihnen hiermit vorzustellen die Ehre habe --“ Man verbeugte sich beiderseitig; der Stutzer sah sich einem alten Monstrum gegenüber, das geeignet war, Schrecken einzuflößen... „Also mit Erlaubniß meiner Mama,“ fuhr das Mädchen fort -- „habe ich gewagt, Ihnen Gelegenheit zu geben -- --“ „Damit ich,“ fiel Althing mit jener Emphase ein, der man geflissentlich einen künstlichen Anstrich gibt, um die Leute glauben zu machen, man verstünde sich in solchen Affairen meisterhaft zu benehmen und sei des Sieges schon im Voraus gewiß: „damit ich Ihnen die zärtlichen und glühenden Empfindungen, von welchen diese Brust voll ist.... so, daß das Herz davon in Flammen aufgehen muß...“ „Lassen wir das!“ lächelte die Jugendliche: „und kommen wir auf andere Dinge -- --“ „Nein, nein! denn meine Seele, mein ganzes Wesen ist von Ihrem Bilde, von Ihrer Liebenswürdigkeit, von Ihrem Zauber hingerissen... und vermag nicht zu leben...“ „-- Muß vergehen -- nicht wahr? hahaha! -- Nur weiter, mein Herr.“ „-- Ich müßte vergehen -- sterben vor Schmerz und Verzweiflung -- wenn --“ „Weiter, weiter!“ „Sie können noch spotten -- können so kalt sein -- da ich glühe und brenne -- und fast zu Asche werde....“ „Das sind die gewöhnlichen Phrasen...“ „O halten Sie mich nicht für einen gewöhnlichen Thoren -- und dieses Gefühl in meiner Brust für kein alltägliches. -- Ich schwöre bei meiner Seligkeit, daß ich zum Sterben Sie liebe -- nur Sie ganz allein!...“ „Aber Sie haben mich ja noch nie gesehen!“ „Wie können Sie nur so Etwas denken. Ich kenne Sie seit sehr langer Zeit -- und gleich Ihrem Schatten schleiche ich Ihnen -- freilich aus Scheu ungesehen -- nach.... Wo Sie sind, bin auch ich -- ich kann nicht leben ohne Dich, angebetetes, englisches Wesen.... Du lehrtest mir die Liebe kennen -- früher war ich unschuldig und unerfahren, wie so mancher unter uns Jünglingen... Du warst das erste Frauenbild, zu dem ich wagte, die Augen aufzuschlagen .... Liebe mich -- oder mein Loos ist schauderhafter Tod!“ Bei diesen Worten, in die sich zuletzt unwillkührlich die angeborne Verliebtheit des alten Gecken mischte -- fiel er, trotz December und Schnee, vor das Mädchen auf die Kniee -- breitete die Hände aus wie ein betender Bramine -- verdrehte die Augen und flüsterte mit möglichst matter Stimme: „Oder den Tod! den Tod! --“ In diesem Momente erhob sich um ihn ein lautes Gelächter und eine Dame, für welche unser Ritter bisher keine Aufmerksamkeit hatte -- da sich diese derselben geflissentlich zu entziehen wußte, trat vor, schlug ihren Schleier zurück (solche Damen tragen bisweilen auch im Winter Schleier) und rief: „So also! dies ist die Treue, welche Sie mir angelobten! So halten Sie also Ihre Versprechungen -- Ihre Schwüre!... O es ist schändlich, Herr von Althing! -- es ist schändlich, ein Mädchen auf diese Weise -- vor ihren eigenen Augen zu hintergehen! -- Es ist entsetzlich... und nie wird Ihnen das der Himmel verzeihen!“ Der dicke Held glaubte unter die Erde zu versinken. Er sah -- +Nina+, seine +Nina+ in leibhafter Gestalt vor sich. „Ich wollte,“ begann sie heftig: „Sie auf die Probe stellen! Und so hat man also bestanden? Glaubt man mit einem armen Mädchen blos sein Spiel treiben zu dürfen!... Zuerst macht man sie verrückt vor Liebe -- -- und dann und dann -- --“ Er hatte sich jetzt aus dem Schnee erhoben, aber seine Beinkleider waren durch und durch naß...: „O, mein Fräulein -- o, geliebte Nina!“ wandte er sich mit flehender Geberde und gesenktem Haupte an diese: „Verzeihung -- theures Wesen! Engel in Menschengestalt -- Verzeihung für diesen Fehltritt.... welcher, bei allen Göttern! der erste meines Lebens ist. O, verkennen Sie mich nicht.... beurtheile mich nicht falsch, mein süßes Täubchen -- meine Geliebte! Suche dem Dinge auf den Grund zu kommen -- und Du wirst finden, daß ich -- -- nur in einer Art von Geistesabwesenheit dieser Dame da eine Liebeserklärung machen konnte. -- Wahrhaftig -- mein Kopf -- mein Hirn -- mein ganzes Wesen ist so sehr mit Dir beschäftigt, daß ich durch vieles Denken an Dich, wie’s scheint, mein Denkvermögen geschwächt habe... daß ich verwirrt wurde... daß ich ein Thor wurde -- ein Narr -- ein dummer Teufel -- oder was Du sonst willst.... O! wie bereue ich das Alles! Könnt’ ich es ungeschehen machen -- mein halbes Leben wollte ich drum hingeben -- und bei meinen Jahren habe ich noch eine schöne Strecke Zeit vor mir! -- -- Oh! Oh! ich Unseliger! ich unerfahrner junger Thor!“ Die Gesellschaft konnte das Lachen nicht bezähmen -- man nahm die Taschentücher zu Hilfe, um die Gesichter dahinter zu verbergen. -- Althing, in seiner Consternation, nahm dieses jedoch anders: „O!“ schrie er mächtig auf: „Sie weinen -- meine Verehrtesten! Weint denn heute die ganze Welt? -- Es ist fürwahr ein trauriger Tag! -- Und auch Nina -- meine angebetete Nina weint... sie schluchzt -- ihre Brust -- ihre Schultern -- ihr ganzer Körper schluchzt -- -- und ihr schönes, liebes Gesicht wird mir durch das Tuch entzogen... Doch, ja, ich habe es verdient! Ich klage mich an! Ich verabscheue, ich verachte mich! -- -- O!“ schrie er abermals auf -- und fiel, trotz der durchnäßten Beinkleider (er trug jedoch unter ihnen dreifaches Flanell und noch überdies Watte), abermals in den Schnee: „O! mir kann niemals verziehen werden! das seh’ ich... Niemals, niemals! -- Ich werde nicht mehr geliebt, mein Glück und -- Alles ist dahin!“ Jetzt endlich reichte Nina ihm die Hand -- und sprach hinter dem Schnupftuche hervor: „Nun denn -- es sei Dir verziehen, Treuloser! Du verdienst es zwar nicht und ich sollte Dich ewig hassen -- Dich fliehen -- -- aber, mein Herz spricht so laut zu Deinen Gunsten... daß ich nicht umhin kann...“ „Ah!“ jauchzte Althing und fuhr mit einem lebhaften Satze in die Höhe: „Du Engel! Du Engel! -- Sie hat verziehen! Sie nimmt mich wieder zu sich auf.... Ach! ich wußte es wohl,“ murmelte er vor sich: „mir widersteht man nicht! -- -- ich bleibe allemal Sieger, Ueberwinder! -- -- Doch,“ sagte er zu der Gesellschaft -- -- „da Sie, meine Damen,“ -- es war nämlich noch eine Vierte da -- „Zeugen waren, sowohl von unserm Zwist als auch von unserer Versöhnung -- -- so werden Sie, wie ich hoffe, es mir nicht abschlagen, wenn ich Sie einlade, diesen Tag durch irgend ein frohes Fest zu verherrlichen. Ich denke, wir könnten uns, so wie wir da sind -- in die Wohnung meiner geliebten Nina verfügen, und dort zusammen im fröhlichen Vereine -- ein kleines Mahl mit Champagner einnehmen. Was sagen Sie dazu?“ „Angenommen, angenommen!“ erhob Nina ihre Stimme und wie ein Echo wiederholten die drei andern Huldinnen: „Angenommen! Angenommen!“ Man ging. -- Sechstes Kapitel. Immer noch Promenade. Noch war die Promenade der _beau monde_ nicht zu Ende. Im Gegentheil ostentirte sie jetzt, da das bürgerliche Element sich ausgeschieden hatte, um zu Tische zu gehen -- ihre interessantere, fashionablere Seite. -- Sie erhob sich aus einem mechanischen und materiellen Umhertreiben -- zur Conversation im Freien. Und jetzt sehen wir uns gezwungen, jene Gestalten und Charaktere, welche wir zu Anfang des vorigen Kapitels eingeführt haben, wieder herbeizurufen, da dieselben nunmehr die agirenden Hauptfiguren geworden sind... Umgeben von einem Zirkel älterer und jüngerer Personen, worunter illustre Namen der Residenz -- schreitet Herr von Marsan langsam den Wall entlang, indem er in einer Auseinandersetzung begriffen scheint, an welcher seine ganze Suite, man möchte sagen, mit Andacht theilnimmt. -- Dieser Cavalier, den wir seit einiger Zeit aus dem Auge verloren haben, spielt jetzt in der höchsten Welt der Hauptstadt eine Rolle vom höchsten Range. Dies mächtige Emporkommen hat er nicht blos seinem Namen, seinem Reichthume und seinem Geiste oder seiner Schönheit zu danken -- sondern vornehmlich den mehrfältigen Affairen, in die er während der letzten Zeit sich als Hauptperson zu verflechten wußte -- und worunter die Angelegenheit zwischen dem Grafen A--x und Cölestine -- nur eine einzelne war; denn in Bezug auf diese sprach alle Welt ihm die Initiative zu, nannte ihn die veranlassende Ursache der Trennung -- und setzte hinzu: er sei noch immer der Geliebte Cölestinens, die nur um seinetwillen ihr Schicksal mit so großer Heiterkeit zu tragen wisse. -- Unter seinen andern Liaisons war eine zweite von eben solchen eklatanten Folgen gewesen -- nämlich sein Verhältniß zur Herzogin von S--; Marsan, von einem ihrer früheren Anbeter gefordert, schoß diesem eine Kugel so durch den Kopf, daß der letztere in hundert Stücke auseinander flog, gleich einem Apfel. -- -- Der Chevalier hatte in der That, und zwar nicht nur in Wien, sein Renommée als Schrecken der Männer, wie als Abgott der Frauen, mit einem Worte als Muster eines vornehmen Mannes, eines _grand seigneur_ von altem Schlage zu behaupten gewußt. -- Wenn ihm indessen sein stolzer, vornehmer und überlegener Charakter bei seinem Geschlechte viel verdarb, so wußte er zur gelegenen Zeit durch eine Menge von Talenten Manches wieder gut zu machen -- und hatte er z. B. heute einen Nebenbuhler bei der oder jener Frau besiegt, so versöhnte er ihn morgen dadurch, daß er einer andern Leidenschaft desselben schmeichelte: einen Reiter ließ er beim Wettrennen den Preis gewinnen -- an einen Spieler verlor er Geld -- einem Dritten ward er in dessen Carriere behilflich, so daß am Ende alle Mißtöne um ihn herum sich zur schönsten Harmonie auflösten: diese Harmonie sang sein Lob und es wiederhallte in der Welt.... Indeß würde man irren, wenn man glaubte, der Chevalier verstände nur auf diesem wenig erhabenen Felde Lorbeeren einzuerndten; -- das, was er im Salon einer großen Dame war, galt er auch im Kabinet eines großen Herrn, denn seine Hilfsquellen waren unerschöpflich, und sein Charakter im Sinne der großen Welt allseitig. Er wäre als Geschäftsmann, als Staatsmann vielleicht nicht minder groß geworden, wie er es jetzt als einfacher Weltmann war -- und obgleich er vorgezogen hatte, die letztere Stellung einzunehmen, so sah er doch recht gut ein, daß er dieselbe nicht werde behaupten können, ohne von Zeit zu Zeit den Arm in die andere Sphäre hinüberzustrecken oder gar einen Schritt auf das jenseitige Territorium zu thun. -- Daher sagte das Gerücht nicht zu viel, welches ihn in letzterer Zeit irgend einen diplomatischen Auftrag übernehmen und deshalb so fleißig in den Häusern fremder und hiesiger Minister aus- und eingehen ließ. Dieser Auftrag mußte außerordentlich mysteriöser Natur sein, denn so viel sich die Fama der guten Gesellschaft sich auch Mühe gab, ihn zu errathen, es wollte ihr durchaus nicht gelingen. -- Ohne uns mit dem eigentlichen Inhalte der Conversation, welche im jetzigen Augenblicke zwischen Marsan und jener Gesellschaft, von der wir ihn begleitet sehen, stattfand, zu befassen, müssen wir dennoch bemerken, daß dieselbe auf doppeltem Gebiete umherstreifte, und ihn so recht in den Brennpunkt seiner gesammten Fähigkeiten -- an die Spitze der Bestrebungen seines ganzen Standes stellte. Er glänzte hier mit seinem Geiste erstens als Cavalier und zweitens als Mann von Geist und politischem Einfluß -- -- er beschäftigte den ganzen Kreis mit den mannigfachsten Dingen -- und während er diesem Herrn seine Ansicht über den Unterschied zwischen Patschuli und Moschus mittheilte -- ließ er gegen jenes Mitglied des diplomatischen Corps eine feine politische Anmerkung fallen, in einer Sprache, welche kein Anderer verstand.... „Zum Henker!“ flüsterten etliche junge Attaché’s am äußersten Flügel: „dieser Mensch kann Alles.... mich dünkt, er würde sogar auf einem Seile tanzen...“ „Er wird dies nicht nöthig haben, um sich früher oder später den Hals zu brechen!“ meinte Einer, der zu den Wenigen gehörte, die Marsan sich noch nicht verbunden hatte... Die Sache war, daß der Chevalier den Grundsatz hatte, sich auch eine gewisse Anzahl +Feinde+ zu erhalten, da auch sie für einen Mann der großen Welt unentbehrlich sind. -- In einiger Entfernung von dem Chevalier bewegte sich eine andere Gesellschaft. Es befanden sich hier die Generalin E--z, Herr von Labers, die Gräfin Wollheim an der Seite des Fräuleins Eugenie von Bomben, dieser frommen Seele der abendländischen Christenheit. Die Rede war von demjenigen, den man seit zwei Stunden beständig vor Augen hatte... von Herrn von Marsan. -- Man erörterte so eben den traurigen Fall in des Grafen von A--x Hause, und Herr von Labers hatte ihn eine von jenen Schickungen genannt, womit die Gottheit bisweilen gute Menschen heimsucht, um ihre Kraft zu erproben und zu stählen -- oder auch um sie nach dem Kampfe des Sieges um so froher werden zu lassen. -- Jedermann stimmte in diese schöne Ansicht ein... nur das Stiftsfräulein lächelte still vor sich hin, indem sie die Achseln zuckte, was ihr um so leichter fiel, als diese schon von Natur schief und „nervös“ waren. „Die Oede und Melancholie in den Häusern des Generals Randow und seiner Tochter -- läßt sich durch das eifrigste Bestreben, das vorige Leben in sie herbeizuzaubern -- nicht unterdrücken.... Es zieht ein schlimmer Geist durch diese Hallen, trotz aller geweihten Kerzen, die darin brennen, und die einen Tag erlügen wollen,“ -- bemerkte die alte Wittwe des Feldmarschallieutenants; sie schloß mit den Worten: „Dieses Unglück hat sogar mich erschüttert -- diese Trauer hat sich sogar mir mitgetheilt.“ „Aber,“ sagte Gräfin Wollheim, „wie konnte man nur so grausam sein, und das Räthselhafte in dieser Begebenheit dadurch erklären, daß man Herrn von Marsan mit ihr in eine Verbindung brachte, welche Verbindung --“ Hierbei fiel Herr von Labers ein: „durch die Würde der jungen Gräfin hinlänglich widerlegt ist. -- Ach, wir leben in einer Zeit, die sich mit Gewissen und Ehre bereits so weit abgefunden hat, daß man beide nur mehr dem Namen nach gebraucht.... Man könnte unsere Epoche, ähnlich wie man frühere die des +Glaubens+ -- des +Schwertes+ -- der +Barbarei+ -- der +Philosophie+ -- der +Umwälzungen+ -- nannte: eine Epoche der +Lüge+ oder des +Wahnsinns+ nennen.“ „Man geht so weit, zu behaupten,“ nahm Gräfin Wollheim wieder das Wort: -- „Graf Alexander habe gegründeten Verdacht -- Beweise sogar, daß Cölestine --“ „Entsetzlich! Und so Etwas behauptet man wirklich?“ rief die Generalin E--z. „-- -- Und mit Recht!“ flüsterte das Stiftsfräulein der Gräfin zu: „Mit Recht!“ Die edle Menschenfreundin konnte die Vertheidigung der Tugend nicht länger mehr anhören.... „Was hat man nicht Alles bereits in der Welt behauptet!“ sagte Labers lächelnd: „dergleichen Gerüchte schaden jedoch nicht mehr... Der, welcher sie spricht, so wie der, welcher sie hört, glauben Beide nicht mehr an sie.“ „Der Graf soll für Cölestine ein Schreiben hinterlassen haben.... worin er Punkt für Punkt seine Anklage vorbringt... da soll es unter Anderem auch heißen: er habe mit eigenen Augen die Zeichen bemerkt, welche Cölestine mit dem Chevalier auf irgend einem Balle gewechselt...“ „Die Zeichen waren +handgreiflich+,“ flüsterte die Stiftsdame.... „Ferner,“ fuhr die Gräfin fort: „gleich nach diesem Balle habe Cölestine mit dem Chevalier eine geheime Zusammenkunft gehabt...“ „In ihrem eigenen Boudoir -- oder vielmehr Schlafzimmer, und zur Nachtzeit, da Alles schlief... sie war drei volle Stunden mit ihm eingeschlossen; -- ihr Mann hat sie auf dem Verbrechen ertappt -- ihr Wesen -- ihre Kleidung befand sich in einem Zustande...“ „Still doch!“ bedeutete die Gräfin der zischelnden Schlange. „Auch,“ wandte sich die alte Dame zur Gesellschaft: „von einem Billetdoux spricht man, worin die junge Frau Herrn von Marsan ein zweites _tête à tête_ bewilligt haben soll.“ „Und dieses Billetdoux,“ raunte Fräulein Eugenie trunken vor Freude ihrer Begleiterin zu -- „fiel dem Grafen in die Hände -- -- er hatte jetzt ein Selbstbekenntniß -- eine Selbstanklage der Verbrecherin. -- Ja, einer Verbrecherin!“ fuhr die Philanthropin wild fort: „wie die Erde noch keine abscheulichere getragen hat -- wie selbst Babel sie ausspeien würde -- -- während der saubere Frauenverein sie in ihren Schooß aufnehmen und mit dem Mantel seiner Tugendlichkeit bedecken will -- welche Tugendlichkeit durch diesen Fall allein schon ihre Erklärung findet, hehe! -- O! Wie bin ich gerächt! Wie hat der Himmel selbst sich zu meinem Partisan erhoben! -- Bei allen Kneifzangen Nero’s! bei dem Skalpirmesser der Indianer! -- ich bin mit der Gerechtigkeit des ewigen Schicksals ausgesöhnt. -- Ich murre nicht ferner... ich neige mich in Demuth und werde im Stillen fort arbeiten am allgemeinen Werke der Liebe. Erst vor Kurzem habe ich wieder ein neues Surrogat für die +Armenspeise+ erfunden; es besteht in einem Mehl, welches man aus gestoßenen Tannenzapfen gewinnt, und welches Mehl die Eigenschaft hat, daß es die Speiseröhre anschwellt; wenn Einem aber die Speiseröhre geschwollen ist, kann man nicht viel essen, man lebt daher äußerst billig....“ „Zu den schmählichen Verläumdungen, von denen wir so eben gesprochen,“ sagte Labers -- „gehört auch die, welche einen neuen Beweis gegen die arme Gräfin A--x in dem Umstande sieht, daß der Chevalier von Marsan seit der Abwesenheit ihres Gemahls ihr Haus nicht mehr besucht. Diese so natürliche Thatsache -- diese Delikatesse von Seiten Marsans legt man demselben als eine abscheuliche Absichtlichkeit aus, als wollte er den Gerüchten keine neue Nahrung geben.“ „Es ist wahr,“ murmelte die Stiftsdame: „daß er sie am Tage nicht besucht, das wäre auch sehr albern.... sie kommen zur Nachtzeit zusammen, halten ihre Bacchanalien unter dem Schleier der Mitternacht -- und das scheint mir weit vernünftiger.... hehe! --“ In diesem Augenblick stieß man durch ein Ungefähr, welches Marsan und seine Gesellschaft zwang, stillzustehen, mit der letzteren zusammen und machte den ferneren Weg an ihrer Seite, wobei sich nun nichts mehr zutrug, was irgend verdiente, hier aufgezeichnet zu werden. -- * * * Wie wir wissen, hatte Althing jenen vier Damen, mit welchen wir ihn in einer „hohlen Gasse“ getroffen haben, zu einer Mahlzeit eingeladen, die bei der Gebieterin seines Herzens (Keiner glaubte er noch so tief in’s Herz gewachsen zu sein!) statt finden sollte. Ferner wissen wir, daß er sich mit ihnen sofort auf den Weg begeben habe. -- O, es war ein hitziger Kerl, dieser Althing! Er hatte Temperament und Feuer für Zehn! -- -- Nach mannigfachen Krümmungen durch enge Gäßchen und Durchgänge gelangte man endlich auf’s Salzgries -- denn hier wohnte die Dulcinea des Ritters. Als echte Dulcinea wohnte sie dem Himmel näher als der Erde; -- -- Althings Geliebten hatten überhaupt alle diese Eigenthümlichkeit. -- Sie wohnten sämmtlich nicht unter sechs Treppen. -- Aber wem, der je ein glühendes Jünglingsherz im Busen trug -- sind sechs Treppen mehr als eine Kleinigkeit gewesen -- über welche er hinwegeilte, während man kaum zwei Schnippchen schlug? -- Daher kommt es auch, daß unser Mann seit den drei Tagen, da er seine holde Nina die +Seine+ nannte -- mindestens schon vierzig Mal diese allerliebsten sechs Treppen auf und ab gelaufen war. -- Er bewies dies auch jetzt. Ehe man sich’s versah, war er oben -- -- die vier Schönen keuchten ihm mühsam nach, hatten es ihm jedoch nur bis zum zweiten Treppenabsatze nachthun können. -- Fräulein +Nina’s+ Wohnung bestand in zwei Zimmern und einer Art Küche, die zugleich als Vorzimmer diente. Wir sagen zwei Zimmer -- weil wir uns gerne nach dem Sprachgebrauche der Personen richten, mit welchen wir zu thun haben, und Fräulein Nina sprach stets von ihren „zwei Zimmern.“ Wer aber war dieses Fräulein? Hierher paßt dasjenige, was ein trefflicher französischer Novellist der neuesten Zeit, +Charles de Bernard+ in einem seiner Werke[C] über jene Gattung Menschen in Paris sagt, die man dort die +problematischen Existenzen+ nennt. „Diese Parias,“ sagt unser Schriftsteller -- „von denen man nicht weiß, woher sie kommen, noch wohin sie gehen, ohne eine Familie, die sie anerkennt, ohne einen Stand, den sie zu gestehen wagen, frei von allen Pflichten -- besitzen nur so viel Erde, als die Blumenvasen ihrer Salons enthalten, und leben wie Paschas. Wie wunderbar und doch so gewöhnlich! Aehnlich den Lilien, von denen die Bibel spricht, arbeiten sie nicht und spinnen auch nicht, und dennoch bietet manchmal ihr Luxus den Herrlichkeiten der Prinzen Trotz..... Verfolgt sie bis zu ihrem Ursprunge, diese Bäche mit unverschämtem Rauschen, mit den golden schimmernden Wellen, wie der Pactol, ihr werdet unfehlbar an eine unreine Quelle kommen... u. s. w.“ Ohne die Dame, von der wir sprechen, in die höchste Klasse dieser Existenzen zu rangiren, ohne sie zu den weiblichen Industrierittern _par excellence_ zählen zu wollen, müssen wir von ihr doch sagen, daß es ihr an nichts fehlte -- um stets vor der Welt in einer reizenden Hülle erscheinen und Dummköpfe verdrehen zu können... Ihre Begleiterinnen und die Alte, welche sich als ihre Mutter gerirte, (man kennt diesen Posten!) waren natürlich ihres Gleichen. „Meine Freunde und Freundinnen, machen Sie sich es bei mir so bequem als möglich...!“ fing Fräulein Nina an die Frau vom Hause zu spielen -- nachdem Alles eingetreten war und Platz genommen hatte -- -- „und um Ihnen mit gutem Beispiele vorauszugehen, will ich selbst den Anfang machen....“ Sie trat in ihr +zweites Zimmer+, blieb daselbst einige Minuten lang, und erschien sodann -- vollständig metamorphosirt bei der Gesellschaft.... so daß Althing nicht umhin konnte, einen Ruf der Ueberraschung auszustoßen.... Seine Dame hatte ihr Costume so weit abgeworfen, daß das jetzige sehr stark an jenes von Adam und Eva erinnerte: sie trug über ihren ursprünglichen Reizen weiter nichts, als einen Unterrock und eine Art Camisol aus Mousselin, welches im Winde flatterte, offen wie eine Flagge. -- Sogleich eilten auch die andern Damenschaften in das Kabinet und erschienen nach einer gleichen Zeit in einem überraschend ähnlichen Anzuge.... Dieses Intervall, so klein es war, hatte der verliebte Ritter gewandt zu benutzen gewußt; er hatte seine Dame zu sich auf den Schoß gezogen -- ihr einige Dutzend Schwüre ertheilt und abgenommen -- auch etwelche Küsse und andere Zärtlichkeiten. „Aber wer wird nach dem Gasthause gehen, um das Nöthige herbeizuschaffen?“ frugen die Damen, kaum daß sie zurückkehrten.... „Die Sache ist sehr einfach,“ erwiderte +Nina+...: „meine Mutter wird so gut sein und den Aufwärter aus der +Stadt Neapel+ herbescheiden -- -- den hübschen Joseph.... bei dem mein Freund +Achilles+.... so heißt Du doch, nicht wahr...?“ „+Achilles+ -- ganz recht, meine Geliebte!“ versetzte Althing und klirrte mit seinen Sporren.... „Nun, bei ihm kannst Du sodann Alles bestellen, was wir brauchen... Habe ich nicht Recht, theurer Achilles?“ „Vollkommen, vollkommen!“ lächelte der Dicke -- der sich mit diesem Namen, den er so eben erst angenommen hatte, sehr zu gefallen schien... Ohne Säumen begab sich die ehrwürdige Mutter des Fräuleins, so wie sie da stand -- nach dem Gasthause zur „Stadt Neapel“... Sie mochte ähnliche Wege schon oft in solchem Costume gemacht haben.... Während ihrer Abwesenheit unterhielt man sich über Verschiedenes... was aber nicht ganz nach Althings Geschmacke war, denn er wollte sich blos mit Einem beschäftigen. Er hielt seine Angebetete noch immer auf dem Schoße und schwitzte dicke Tropfen unter der Anstrengung, die es ihm verursachte, nebenbei noch gegen die Uebrigen den Liebenswürdigen zu spielen... Indeß war er darüber nicht böse, denn er zeigte sich gerne gewandt in den Künsten der Galanterie, welche ja sämmtlich in sein Fach einschlugen. Der schöne Joseph und die alte Vettel erschienen bald im Zimmer. Der erstere brachte mit der Karte jene ungeheure Aufmerksamkeit der Wiener Kellner mit, woran sich die des übrigen Deutschland ein Beispiel nehmen sollten. Nebenbei lachte der schöne Joseph zu Zeiten auf so eigenthümliche Weise -- hiervon sah jedoch Althing nichts, welcher sich in die grundlosen aber auch goldhaltigen Schachten der Speisekarte vergraben hatte. -- Nina aber schien diesen Blick Josephs ganz gut bemerkt zu haben und sie gab dem schönen Joseph einen bedeutsamen Wink. In kurzer Zeit bog sich der Tisch unter einer zahlreichen Menge von Speisen und Getränken ... das Mahl begann und ward demselben, wie sich vermuthen ließ, von sämmtlichen Gästen eine gebührende Ehre angethan. Diese Damen aßen auf eine Weise -- als hätten sie entweder noch niemals gegessen oder als sollten sie in Zukunft nimmer essen -- und wenn man sagt, daß die Liebe den Appetit benimmt, so hatte dies Sprichwort bei Fräulein Nina total Unrecht, denn diese aß und trank allein eben so viel, wie die Andern zusammen genommen. -- Bald wurden Toaste ausgebracht und von diesem Zeitpunkte an bekam Mahl wie Gesellschaft eine neue, nämlich die eigentliche Gestalt... d. h. alle Schranken fielen, welche die thörichte Sitte erschaffen hatte -- wenn auch nicht zum Besten dieses Hauses. -- Man fing an zu schreien, zu singen -- und Althing wurde so leidenschaftlich, daß Nina, die er noch immer umherzerrte, ausrief: „Aber haben Sie denn den -- Koller!“ „Nein, meine Geliebte -- sondern ich bin sterblich in Sie verliebt, ich könnte in dieser Stunde es mit einer Million Teufel aufnehmen, wenn die Sie mir entreißen wollten...“ „O, das ist nicht nöthig! Ich würde mich freiwillig für Dich entscheiden -- mein holder Achill -- und wären es selbst eine Million Engel. Du weißt, wie ich Dich liebe!“ „Wirklich? -- Und dies scheint nicht blos Redensart? -- Ach Du machst mich zum glücklichsten der Menschen.... Wie schade, daß wir hier vor Zeugen sind! Ach, wären wir allein!“ „Ja, wären wir allein!“ „O -- das sollte eine Wonne sein!“ schmachtete der alte Narr und verdrehte die Augen, wie ein andächtiger Derwisch... „Ja -- es sollte eine Seligkeit sein!“ wiederholte sie und verdrehte nicht minder die Augen ... jedoch nur, um ihren Freundinnen ein Zeichen zu geben, was diese verstanden und mit einem Kopfnicken beantworteten. „O, ich bete Dich an!“ seufzte Nina, gleichsam zerfließend in Liebeseligkeit.... „Und erst ich Dich!“ ächzte Althing, dessen Leidenschaft sein Mieder in der Weste und seinen Gurt um den Bauch sprengen zu wollen schien. „Ach -- ach -- -- diese abscheulichen Menschen da! Wie sie uns anglotzen!“ flüsterte sie ihm in’s Ohr... „Ich wollte -- der Satan holte sie, trotzdem daß Deine Mutter dabei ist -- -- und führte sie dahin, wo der Pfeffer wächst...“ „Trinke doch -- mein süßer Achill!“ „Ja -- ja -- ich glaube jedoch schon ein wenig zu viel getrunken zu haben....“ Er stieß wirklich bereits mit der Zunge an. „Was schadet das! Der Wein gibt Muth ... und endlich werden wir dieses Volk da, welches uns belästigt -- zur Thür hinauswerfen...“ „Ja! das -- wollen wir! -- Das ist ein köstlicher Einfall! -- Wein, Wein herbei! -- So! Ein großes Glas! -- Ich leere es auf einen Zug! -- -- Alle Donner! -- Nun habe ich die Kraft -- es mit allen Hexen des Blocksberges aufzunehmen..... Komm! komm!“ schrie er, hinlänglich trunken, um kein Körnchen Verstand mehr zu besitzen: „Komm! -- Wir wollen diese alten und jungen Dämchen -- über die Treppe schmeißen.... Vorwärts, meine Freundin: das wird für uns nur ein Kinderspiel sein! -- Ich habe es tausend Mal schon mit einer dreifachen Mehrzahl aufgenommen und blieb immer Sieger!.... O, es soll eine Metzelei geben... daß es eine Freude ist... Blut soll fließen...“ [Illustration: Seite 144.] Und während er diesen Unsinn mit einer Mordbrennerstimme schrie -- stürzte er mit dem Vorlegelöffel bewaffnet auf diese Frauenzimmer, die ihrerseits ebenfalls ein fürchterliches Geschrei erhoben -- und nach Hilfe rufend zur Thür hinausstürzten -- über die Treppe hinabliefen, wohin er ihnen, durch den leichtgewonnenen Erfolg übermüthig gemacht, mit rasender Kampfeswuth nachfolgte -- jedoch nur einige Stufen -- denn dann stolperte er über ein Paar -- fiel und rollte gleich einer Walze volle vier Treppen hinab bis zur zweiten Etage -- wo er auf dem Flur liegen blieb. Ein schauderhaftes Wehegeschrei entfuhr ihm hier: „Ich bin zerschlagen... ich bin todt... ich bin aufgeplatzt... mit mir ist es aus....“ Sodann verlor er die Besinnung, und was mit ihm weiter geschah, wußte er nicht. Genug an dem, daß er sich Tags darauf bei vollkommenem Wohlbefinden in den Armen seiner süßen Nina erblickte, welche auch in diesem Augenblick zärtliche Thränen über den Unfall weinte, dem er gestern zur Beute geworden.... Wie zu erwarten stand, war mit der Gefahr auch seine Angst und sein Kleinmuth vorbei... seine Courage wuchs wieder riesengroß -- die Flammen seines Herzens loderten bis zum Dache des Hauses hinauf -- und begruben ihn und die schöne Nina, daß von den Beiden nichts zu sehen war.... Erst Nachmittag erhob sich der Sieger vom Schlachtfelde. Er ging nach dem andern Zimmer, wo seine Sachen lagen, machte Toilette -- und wollte diese damit beendigen, daß er sich mit Uhr, mit Ringen schmückte und nach seiner Brieftasche suchte.... Aber welches Entsetzen! -- als er bemerkte, daß nichts von alle dem zu finden war.... „Wo ist meine Uhr hingekommen?“ schrie er... „Wo sind meine Ringe hingekommen? -- Es befindet sich unter ihnen ein Solitär von Werth und die Uhr hat 800 Gulden gekostet...! -- Und wo, wo ist meine Brieftasche -- diese Brieftasche enthielt 1000 Gulden und noch andere Papiere von Werth!“ Auf sein Lärmen trat Nina herein: „Aber was ist Ihnen denn, mein Herr?“ sagte sie, die Hände zusammenschlagend. „Sie geberden sich ja wie toll?“ „Und das soll man nicht sein -- wenn man so bestohlen wird.... wie es mir bei Ihnen geschah.“ „Mein Herr -- Sie erlauben sich da, einen Schimpf auf mich zu werfen, den ich nicht dulde ... Ich werde sogleich meinen Freund, der zehn Schritte weit von hier auf derselben Etage wohnt, herbeirufen, damit er mich vor der Behandlung schütze, die Sie sich unterstehen, mir widerfahren zu lassen.“ -- Jetzt eilte die Holde fort und erschien wirklich gleich darauf mit einem großen schwarzen Kerl, der einen Räuberhauptmann in den Abruzzen hätte vorstellen können. „Wie -- Sie unterstehen sich?“ begann der Kerl und rollte ein Paar Augen, die bei Gott -- wie kleine Granaten aussahen. „Sie wagen es, meine Freundin zu beschimpfen... von Diebstahl zu sprechen... von verlornen Uhren -- Ringen u. dergl....“ Mit diesen Worten trat er ihm dicht bis vor’s Gesicht hin, so daß der dicke Liebesheld erschrocken sich zurückzog, und mit bleichen Lippen stammelte: „Aber -- was wollen Sie -- mein Herr -- ich habe ja -- -- das Recht -- zu glauben -- --“ „Was?“ brüllte der Schwarze: „Sie haben gar kein Recht, Niederträchtigkeiten zu glauben... Entweder haben Sie nicht einmal eine Uhr, einen Ring oder eine Brieftasche besessen -- -- und das Ganze ist nur eine elende Ausflucht, um der Bezahlung zu entgehen, welche Sie für das gestrige Mahl zu leisten haben... Oder aber, angenommen, daß Sie jene Sachen wirklich bei sich gehabt haben, so müssen Sie dieselben gestern, während Sie mit den Damen Skandal machten -- sich umherhetzten und zuletzt wie ein Igel über die Treppe rollten... bei dieser Spazierfahrt müssen Sie Ihre Preciosen verloren haben. -- Begreifen Sie mich nun?! -- Verstehen Sie -- mein Freund, wie? -- Oder aber -- capiren Sie mich noch immer nicht?!“ Die letzten Worte brüllte der verdammte Schwarze mit einer Bärenstimme und begleitete sie mit solchen Wolfs-Geberden -- daß der alte Adonis zu zittern anfing, wie Einer, der das kalte Fieber hat, -- und ferner kein Wort hervorzubringen vermochte -- als: „Schon gut -- schon gut -- -- ich bin -- ja -- zufrieden....“ „Wenn dies der Fall ist,“ versetzte der Schwarze, ein wenig den Ton seiner Bärenstimme mäßigend: „so können Sie gehen -- -- aber,“ fuhr er fort und wieder brüllte er ganz entsetzlich: „wofern Sie von der ganzen Geschichte nur das Geringste verlauten lassen, oder es wagen -- damit vor Gericht zu erscheinen, dann nehmen Sie Ihren Kopf in Acht.... ich reiße Ihnen denselben herab, wie einen Kohl aus dem Garten...“ „Es soll nicht geschehen!“ bebte Althing und pries seinen Schöpfer, als er zur Thür hinaus war: „Das ist ja ganz unglaublich!“ sagte er zu sich auf der Straße: „Es wohnen ja da Menschenfresser unter uns! -- Wenig fehlte, so hätte der Kerl mir den Kopf abgebissen.... Gott sei meiner armen Seele gnädig!...“ Noch nie war er von einem Rendezvous trauriger heimgekehrt, als diesmal. Siebentes Kapitel. Der Zurückgezogene. In einem alten abgelegenen Schlosse der Provinz, wohin seit einer langen Reihe von Jahren kein anderer Fuß gekommen war, als der der Landleute aus der Umgegend, welche kamen, dem Amtmanne (Verwalter) den Zehnten einzuliefern oder den gesetzlichen Arbeitsdienst auf dem Gute ihres Grundherrn zu verrichten -- in diesem einsamen düstern Schlosse, dessen Ursprung sich in die graue Feudalzeit verlor, war seit einigen Wochen ein regeres Leben eingezogen und mehrere Menschen gingen dort ab und zu, wo früher lange Zeit hindurch nur Fledermäuse und anderes Gethier umhergezogen waren. Dieses Schloß nun gehörte zu den Besitzungen des Grafen Alexander von A--x, war jedoch seiner Gemahlin sowie seinen Freunden aus verschiedenen Gründen unbekannt geblieben, worunter wir sogleich einen anführen wollen. An dieses Schloß knüpften sich sonderbare Erinnerungen aus der Jugendzeit des Grafen, die er hier im Kreise ähnlich gesinnter Gesellen -- auf eine Lord Byron’s würdige Weise durchlebt hatte. Hier wurden einst jene wilden, wüsten Orgien um Mitternacht gefeiert -- hier Mädchen verführt und Gott gelästert -- hier in Wein, Würfeln und wüthender Leidenschaft ein Dienst Moloch’s begangen, von welchem der Aberglaube der Bauern noch jetzt, wie von einem übernatürlichen Treiben, woran der Teufel in eigener Person theilgenommen, sprach -- und welche Epoche diejenige in des Grafen Leben war, von der dunkle Sagen selbst in die Hauptstadt gedrungen waren. Wir haben hiervon bereits am Eingange der gegenwärtigen Novelle gehandelt. -- Natürlich, daß Alexander vor der Gesellschaft und besonders vor seiner Gemahlin einen Ort geheim zu halten suchte, an welchen sich ein Abschnitt seines Lebens knüpfte, den er in gereifteren Jahren und namentlich unter seinen ersten Verhältnissen zu Cölestine alle Ursache hatte zu desavouiren. -- Man wußte wohl, daß er wild und unbändig gelebt hatte -- aber +wo+ dies stattgefunden, konnte Niemand sagen. -- Jetzt in der verhängnißvollsten Lage seines Lebens erndtete Alexander die Früchte seiner klugen Verschwiegenheit -- -- er konnte, da er sich von seinem Hause und von der Welt trennte, in ein Schloß einziehen, von dem Niemand Kunde hatte, und wo er gesichert war, wie ein Verstorbener. Seit seiner Trennung von Cölestine lebte er hier. Wie uns bewußt ist, war seine Umgebung sehr klein und beschränkte sich auf den Sekretär und einige Diener, auf deren Treue und Verschwiegenheit er bauen konnte. Die Absicht, mit der er hierher gekommen, war, sich von allen Geschäften und vom Verkehr mit der Gesellschaft überhaupt zurückzuziehen und in Zukunft nur mehr als freiwilliger Verbannter, als Anachoret zu leben, zurückgezogen in seinen Stolz, in seinen Groll. -- In späteren Jahren wollte er nebenbei auch noch eine Reise, vielleicht eine sehr große vornehmen -- stets jedoch seine Einsamkeit behaupten. Er glaubte, die Welt hinlänglich kennen gelernt zu haben, und -- fand nur Verachtungswürdiges in ihrem Bereiche. Denn es hatte ihn nicht nur sein Weib betrogen -- seine Freunde, seine Bekannten, die, welche sich seine Getreuen, seine Brüder nannten -- sie Alle, aus früherer sowohl wie späterer Zeit, waren falsch, tückisch, heuchlerisch und feige gewesen, hatten ihm geschmeichelt, so lange es ihr Vortheil war, und flohen ihn, als er in’s Unglück kam. Diese Ansichten -- welche übrigens bei ihm schon seit langer Zeit existirten -- waren jedoch nicht ganz das Resultat des Lebens, wie er glaubte, sondern sie beruhten großentheils auf seinem krankhaften, trübsinnigen und düstern Charakter, den wir hinlänglich kennen. -- Mag dem indeß sein, wie ihm wolle, er war ein Unglücklicher, in der That ein solcher, und nicht blos ein affektirender... Er verdient beklagt und nicht verspottet zu werden. Es wäre hier vielleicht der passende Ort, zwischen diesem Charakter und einigen ähnlichen, welche die neuere Poesie hervorgebracht hat, eine Parallele zu ziehen -- denn die moderne Romantik und Dramatik ist reich an düstern und stolzen Melancholikern -- wie die moderne Zeit, diese Zeit schwärmerischer, hochklingender Wünsche und schaler, trauriger Erfolge. Sollen wir hier die +Lara’s+, die +Corsaren+, die +Werther+, die +Meinau’s+, die +Arthur’s+, die +Wally’s+, die +Helden Georg Sand’s+ citiren? -- Doch nein, wir enthalten uns dessen, es würde doch eine undankbare Mühe sein, da man mit diesem Thema gegen eine nüchterne unbarmherzige Kritik stößt -- der es gefällt, dasjenige wegzuspotten, was doch vor ihren Augen in düsterer Wirklichkeit steht -- wollte sie sich nur die Mühe nehmen, die Augen aufzuthun. -- Aber schon weil man so gerne darüber spottet -- existirt es; denn am heftigsten hat sich die Satyre stets gegen das +Bestehende+ gerichtet. -- Die Lebensweise Alexanders auf dem alten Schlosse war einförmig und bitterlich traurig. Er bewohnte einige Zimmer, die ihm die Aussicht auf den Wald und See boten, von welchen zwei Seiten des Schlosses umgeben waren. Diese Zimmer standen noch so, wie sie einer seiner Vorfahren mütterlicher Seits vor mehr als 100 Jahren verlassen hatte. Da sich die Conservationssorgen des Verwalters vorzüglich diesem Theile des Hauses zuwandten, so war es ihm gelungen, hier Alles noch im reinsten Geschmacke der Zeit der +Theresia+ zu erhalten ... Diese Zeit aber, die Freundin eines eben so prunkenden als reellen Luxus, hatte hier in fünf oder sechs Gemächern einen Reichthum an Sachen und Verzierungen aufgehäuft, womit man heut zu Tage ein großes, weitläuftiges Haus vollständig versehen könnte. -- -- Die schweren Seiden- und Sammttapeten, welche die Wände verhüllten, waren allein so viel werth, wie das ganze Ameublement einer mäßigen Wohnung unserer Zeit... Diese prachtvollen Spiegel aus venetianischen Fabriken -- diese kunstreichen Uhren in kolossalen Gehäusen, wovon jedes ein Meisterwerk damaliger Kunst... diese Armstühle, schwer vergoldet und mit dicken Brokatstoffen, woran tausenderlei Blumen und Farben glänzten, überzogen... diese Tische aus einem Eichenholz, welches noch jetzt hart war wie Granit -- -- diese Schränke mit den in’s Fabelhafte gehenden Arabesken überladen -- -- diese Tischchen und Kästchen von eingelegter Arbeit... endlich diese großen Familien- und Schlachtengemälde aus einer Schule, die es mit den besten unserer Zeit aufnehmen konnte... und zum Schlusse noch alles das Uebrige, wovon eine hochadelige Wohnung damaliger Zeit erfüllt war und worunter sich Gegenstände befanden, deren Namen uns nicht einmal mehr geläufig sind... kurz in dieser Umgebung von 1700 und einigen Jahren lebte jetzt Alexander, ein moderner Mann, ein Zeitgenosse von uns. Noch vor Tagesanbruch erhob er sich aus seinem feudalen Himmelbette, kleidete sich ohne Beihilfe eines Kammerdieners an und lehnte sich durch’s offene Fenster in die kalte Luft eines dunklen Wintermorgens hinaus.... Es machte ihm ein stolzes Vergnügen, die Natur vor sich in ihrer erhabenen Erstarrung -- den Himmel in seinem grauen, zerrissenen Königsmantel zu sehen.... Und wenn so kein einziges Sternlein blinkte -- der Mond sich dicht verhüllt hatte -- wenn der karge Wiederschein des Eises und Schnees das einzige Licht des Horizontes war -- daß solchergestalt dessen Dunkelheit erst recht sichtbar wurde... dann freute sich sein Herz, denn es fand jetzt Uebereinstimmung mit sich selbst, nach der ja ein jedes Herz verlangt -- mag dieser Einklang auch noch so traurig sein. Die Dienerschaft hatte den strengsten Auftrag, sich ihm nie anders, als gerufen zu nähern -- -- und oft verging ein halber Tag, ehe er nach dem Verwalter, Sekretär oder sonst Jemand verlangte. -- Häufig noch vor Sonnenaufgang ging der Graf in einen Mantel gehüllt hinaus in’s Freie und streifte bis in den abgelegensten Theil der Landschaft hinaus... Der Jäger traf ihn dann am Morgen mitten im Walde eine Meile vom Schlosse entfernt. Hier saß er auf einem hohen Felsenvorsprung -- -- und starrte hinaus in’s Leere, Gott weiß wohin.... der Jäger aber schlug ein Kreuz, denn dieser Felsen war aus der Vorzeit her sehr berüchtigt, was schon sein Name „der Heidenfelsen“ hinlänglich andeutet -- und überdies noch leiblich gefährlich, denn von ihm war es so schwer herab zu kommen, daß Niemand Lust hatte, +hinauf+ zu gehen.... Die übrigen Stunden des Vormittags brachte Alexander eingeschlossen in seiner Bibliothek zu, die hier sehr alt, aber eben deshalb ganz seinem Bedürfniß gemäß war. -- Besonders an diese Bibliothek knüpfte der gemeine Aberglaube -- seine Beweise an. -- Hier wie dort in der Stadt übten die großen Bücher und unerklärbaren Instrumente auf die guten Leute der Gesindstube und des Dorfes eine unheimliche Macht aus; denn die Macht der Bücher ist so gewaltig, daß derjenige, welcher sich sträubt, den Gott in ihnen anzuerkennen, wenigstens vor dem Teufel zittern muß, den sie enthalten sollen. -- Das Mittagsmahl verzehrte Alexander ebenfalls einsam in einem weitläuftigen Speisesaale, was einen sonderbaren, gespensterhaften Anblick bot und die Diener, welche die Speisen hereintrugen, zittern machte, so daß sie zwei oder drei Mal schon die Teller hatten fallen und den Wein auf die Tafeldecke fließen lassen.... Nur wenn der Sekretär oder der Verwalter ihren Herrn dringend zu sprechen hatten, durften sie ihn bei seiner einsamen Mahlzeit -- dafür aber auch zu keiner andern Stunde -- besuchen, und er wies ihnen dann sich gegenüber einen Platz an, jedoch ohne sie zum Essen aufzufordern.... was einiger Maßen der Mahlzeit mit dem steinernen Gaste ähnlich sah. -- Nach Tische machte er einen Ritt -- Niemand wußte wohin, denn noch Niemand hatte ihn hierbei begleitet. -- Oft kehrte er erst in später Nacht zurück, schweißtriefend oder durchnäßt vom Unwetter, das Pferd aber häufig so ermattet, daß er es lange nicht wieder brauchen konnte und der aufmerksamsten Pflege übergeben mußte. Die schroffe Abgesondertheit, welche er im Schlosse gegenüber seinen Beamten und Dienern behauptete... änderte er auch nicht außerhalb desselben -- und er blieb seinen Unterthanen jetzt eben so fremd, wie er es ihnen seit jeher gewesen war. -- Nur in einer Hinsicht priesen sie sich, im Vergleich zu jenen früheren Zeiten, glücklich, und ihre diesfälligen Befürchtungen waren nicht eingetroffen. Früher verdarb er mit seinen Gesellen ihre Felder -- hetzte ihr Vieh -- und bei den Jagden sie selbst -- entführte ihre Mädchen -- und lästerte ihren Gott.... jetzt that er, wenn auch nicht unmittelbar, fast eben so viel Gutes an ihnen; so zwar, als hätte er den Willen gehabt, ihnen den alten Schaden zehnfach zu ersetzen, und Wunden, welche längst vernarbt waren, als frischgeschlagene zu heilen. -- In kurzer Zeit wurde der Name des „gnädigen Herrn Grafen“ eben so gesegnet, als er früher verflucht ward -- und während man damals wünschte, jener Teufel, mit dem er einen Bund geschlossen, möchte ihn recht bald holen -- betete man nunmehr für die Seele des armen Herrn, auf daß ihr Satan und seine höllische Macht fern bleibe. -- In Wahrheit, eines Tages begab sich eine Deputation aus den zwei nächsten Dörfern zum Pfarrer und ersuchte denselben ernstlich, kraft seiner priesterlichen Würde in dieser Sache das Seinige zu thun, was in nichts Geringerem bestehen sollte, als in der Austreibung Beelzebubs aus dem Leibe des „gnädigen Herrn.“ Der Pfarrer -- ein in dieser Hinsicht mit ihnen auf gleicher Geistesstufe stehender Mann -- nahm Alles wirklich so, wie es ihm geboten wurde, und versprach, nach Kräften für die Erlösung des Gutsherrn zu wirken; hierbei schien ihm der Exorzismus eben so wohl das einzige, wie das unzweifelhafteste Mittel, da dies Mittel sich obendrein erst vor Kurzem an einer Viehmagd bewährt hatte, die nächtlich stets von einem großen, dicken bösen Geiste geplagt wurde, der in ihren Stall kam und sie während des Schlafes (die Dirne hatte einen etwas kräftigen Schlaf,) so lange quälte und drückte, bis sie stets davon erwachte und ihn mit dem Besen davon trieb. -- Seit der Geistliche nun den Exorzismus mit ihr vorgenommen hatte -- war vom Teufel keine Spur mehr zu sehen. -- Zufällig nur erkrankte um dieselbe Zeit ein großer dicker Knecht in der Nachbarschaft, welcher Umstand jedoch weder von der Magd, noch vom Teufelsbanner, noch aber von den andern klugen Köpfen des Dorfes berücksichtigt wurde. Der Pfarrer empfing die Deputation in seinem Hofe, als er eben aus dem Gänsestall, mit einer fetten Gans unter dem Arme, kam: „Also, Ihr meint, der gnädige Herr sei wirklich vom -- Gott sei bei uns besessen, liebe Kinder?“ „Ganz gewiß, Euer Hochwürden -- -- und vielleicht nicht blos von einem; es mögen da wohl ein Dutzend in ihm ihr arges Wesen treiben!“ antwortete der Führer dieser Deputation, ein alter Bauer, der schon drei Mal in Wien und einmal sogar in München gewesen war, deshalb auch für ein absonderliches Lumen galt. -- „Aber welche Beweise habt Ihr, meine lieben Pfarrkinder, daß dies mit dem gnädigen Herrn wirklich --?“ er sprach das Wort nicht aus, denn so eben hatte die Gans unter seinem Arme sich ein wenig allzunatürlich betragen und den Pfarrrock des guten Pfründners in Verlegenheit gebracht, -- -- sogleich beeilten sich die Mitglieder der Deputation, ihm ihre Dienste anzubieten, wischten und putzten mit Fingern und Rockärmeln, bis die Verlegenheit der schwarzen Toga gehoben war. -- Der Pfarrer, noch immer die Gans fest unterm Arme haltend -- dankte ihnen lächelnd und fuhr nun im Verhöre fort: „Ich fragte Euch, Ihr lieben Leute, nach den Beweisen, auf die Ihr Euere Behauptung von des Herrn Grafen Unglück stützt? Was habt Ihr Besonderes an ihm bemerkt?“ „Euer Hochwürden -- -- erstens ist der gnädige Herr ohne die gnädige Frau, auf die wir uns so gefreut haben und zu deren Empfang wir sogar eine Triumphpforte aus Pappe, mit Raketen und Puffern gespickt, beim Kaufmann bestellt haben, gekommen....“ Der Pfarrer dachte ein wenig nach, gab dann der Gans, welche sich zu bewegen anfing, einen Schlag auf den Kopf und versetzte ernst: „Das ist Etwas! -- -- Aber ferner?“ „Ferner,“ fuhr der Sprecher fort: „ferner ist der gnädige Herr den ganzen Tag über eingeschlossen -- redet mit keiner Menschenseele.... sondern blos --“ „Sondern blos -- -- meine Kinder?“ „Mit sich selbst!“ „So?!“ betonte der Parochus -- und gab seiner Gans abermals einen Schlag, denn sie wollte keine Ruhe annehmen, sie schien ein äußerst rebellisches Gemüth....: „Das ist,“ nahm er jetzt das Wort und machte dabei die allertiefsinnigste Miene: „das ist allerdings ein wichtiger Umstand, meine Freunde.... Er redet mit sich selbst -- -- das ist böser, als ich glaubte. Doch weiter -- weiter -- ich muß Alles wissen!“ „Der gnädige Herr Graf macht ferner oft um Mitternacht einsame Spaziergänge in den Wald -- und man sieht ihn in der Morgendämmerung auf dem +Heidenfelsen+ sitzen, wobei er wild die Augen rollt, wie zwei feurige Kugeln -- mit den Armen umherficht, als kämpfte er gegen Jemand in der Luft -- und dabei hört man in der Nähe ein gellendes Hohngelächter ..... selbst Feuerflammen blitzen auf und der ganze Ort hat dann einen Schwefelgeruch.“ „Gott steh’ uns bei!“ rief hier der fromme Priester und entsetzte sich so, daß er die Gans losließ, welche unter abscheulichem Geschrei auf die Erde fiel und mitten zwischen die Beine der Deputirten fuhr, daß diese, in der Meinung, es sei der Teufel selbst, von dem sie so eben sprachen -- in Aufruhr geriethen -- -- und sammt dem Pfarrer, der so wie sie dachte, in alle Winde auseinander stoben. Die Illusion war in der That zu stark geworden. Tags darauf kamen sie wieder zusammen und nun wurde ausgemacht, daß Se. Hochwürden im Ornate und mit den nöthigen Requisiten versehen -- auch von ihnen, den Deputirten, begleitet, dem Grafen auf einer seiner Wanderungen nachfolgen, an einem bösen Orte mit ihm zusammentreffen und ohne Rücksicht auf den unterthanlichen Respekt ihn umzingeln sollten -- der Geistliche aber sollte dann zu ihm in den Kreis treten, um das heilsame Werk in aller Form zu vollbringen. -- Zum größten Mißvergnügen der braven Leute machte ihr Gebieter seit einiger Zeit seine Ausflüge nur zu Pferde, und da konnten sie auf ihren Dorfmähren ihm nicht nachsetzen; überhaupt verstand der geistliche Herr auch besser in seinem Lehnstuhle, als auf einem Pferde zu sitzen -- und so mußte man denn auf ein neues Auskunftsmittel denken. Man hatte bemerkt, daß der Graf in letzterer Zeit seine Touren weniger geheimnißvoll als sonst gemacht -- auch dabei stets eine und dieselbe Richtung eingeschlagen habe, woraus man scharfsinnig schloß: er muß ein +bestimmtes+ Ziel verfolgen. Voll von diesem fruchtbaren Gedanken -- unternahmen die Teufelsaustreiber Folgendes. Zuerst versahen sie sich mit Lebensmitteln auf mehrere Tage, denn sie waren fest überzeugt, der Graf begebe sich täglich mindestens 20-30 Meilen weit, was ihm bei seinem höllischen Mittel sehr leicht fiel. Nach diesem stellten sie sich auf die Lauer und beobachteten sein Abreiten vom Schlosse; sie folgten ihm nun auf seinem Wege ungesehen nach -- behielten ihn jedoch, so lange es ging, im Auge. Als sie ihn nicht mehr sahen -- -- hielten sie an, lagerten sich neben dem Wege im Gebüsch und warteten hier bis Morgen, wo er wieder vorbeikommen würde. Er erschien wirklich -- und nun nahmen sie die gestrige Operation von Neuem vor, sie begleiteten ihn wieder auf versteckten Wegen -- so lange, bis er wieder ihren Blicken entschwand ... dann blieben sie abermals stehen -- und wiederholten dies geduldig, bis sie mit ihm fast zugleich an dem verhängnißvollen Orte anlangten. Es war dies ein kleiner Weiler, drei Stunden vom Schlosse entfernt. -- Die Deputation jedoch bildete sich wirklich ein, zum wenigsten zwei Tagereisen weit sich von ihren Dörfern zu befinden. Man quartierte sich in der verlassenen Lehmhütte irgend eines Hirten ein, denn um ihrem Wahnsinn die Krone aufzusetzen, bildeten sich die braven Leute auch noch ein, äußerst ermüdet zu sein. Man wollte den nächsten Tag abwarten, heute nichts Ernstliches mehr vornehmen, sondern höchstens insgeheim Erkundigungen einziehen und das große Werk vorbereiten. Und was man in Erfahrung brachte, schien den guten Leuten schrecklich genug, um die Haare ihres Hauptes sich emporsträuben zu machen. In einem kleinen, am äußersten Ende des Weilers gelegenen Hause sollte nämlich eine Frau mit ihrer Tochter wohnen, welche die Besitzerin dieses Grundstücks war -- da der Mann bereits vor längerer Zeit gestorben. Wovon diese zwei Frauen sich nährten, konnte man nie erfahren; es fehlte ihnen an nichts und -- doch arbeiteten sie nicht, sondern ließen auf einem Theile ihres Ackers, für den sie keinen Pächter fanden, Gras und wildes Gesträuch wachsen. Sie pflogen mit den Dorfleuten durchaus keinen Umgang -- was für die Mutter des Mädchens auch unmöglich gewesen wäre, denn sie litt an einem langwierigen Siechthum, welches man, da das so ganz in den Kram der hiesigen Einwohner paßte, dem bösen Geiste zuschrieb, der in diesem abgeschlossenen Hause sich aufhalte. Man wußte nur noch zu sagen, daß das Mädchen von ungewöhnlicher, zarter Schönheit sei, gar nicht aussehe, wie ein Bauernkind, und daß sie allemal zu gewissen Zeiten des Jahres nach dem herrschaftlichen Schlosse gehe, obgleich der Weiler nicht zu Alexanders Besitzungen gehörte. Alles das war, wie man sieht, sehr wenig in der Ordnung, sehr geheimnißvoll, und daher teufelsmäßig. -- Dieses Haus und diese Leute nun hatte der Graf seit einigen Wochen regelmäßig Tag für Tag besucht und bei ihnen oft bis zum späten Abend verweilt. Man wollte gehört haben, wie dann die „Besessene“ drinnen in der Stube -- schrie, heulte und wildes Zeug trieb -- während das Mädchen laut weinte -- der Graf aber mit ernster und gemessener Stimme unverständliche Worte dazwischen sprach -- gleichsam, als redete er mit dem Bösen in der Kranken. Oft wurde der Lärm, welchen diese machte und das mystische Zureden des Grafen so laut und eifrig, daß die ehrlichen Horcher davon liefen, fürchtend, die Alte würde noch zum Fenster herausspringen -- und Unheil im Dorfe anrichten.... Es war heute gerade Mittwoch, und der Pfarrer bezeugte darüber eine große Freude, „denn,“ sagte er zu seiner kleinen Heerde -- „der morgige Tag, als ein +Donnerstag+, ist zur Bannung des bösen Geistes, welcher, wie klar am Tage liegt, in diesem Hause einen Hauptstapelplatz besitzt, außerordentlich günstig.“ Am Donnerstag war der Graf früh Morgens im Weiler angekommen, und nachdem er sein Pferd in einem Nachbarhause eingestellt hatte, verfügte er sich nach der Wohnung der zwei Frauen; die Verschwornen, oder besser, die Alliirten säumten nicht, auf Umwegen ihm rasch zu folgen, und nahmen, indem sie hinten über eine Gartenmauer setzten, von dem Hause in so weit Besitz, als sie nur mehr in die Stube einzudringen brauchten. Sie zögerten jedoch mit diesem letzten Schritt -- denn der Pfarrer wollte den Teufel zuvörderst +behorchen+ -- um zu sehen, was es für ein Teufel wäre und wieviel Gesellen er bei sich habe... Se. Hochwürden steckten sich daher in’s Ofenloch und -- -- vernahmen, sahen auch durch eine Ritze wunderliche Dinge. In einer kleinen Stube, deren Fenster mit Vorhängen aus grüner Sersche verhangen und außerdem auch noch durch Blumenranken verstellt waren -- -- die Einrichtung hier deutete auf kein Bauernhaus, sondern athmete bürgerlichen Wohlstand -- -- stand ein großes Bette mit dem weißesten Linnenzeug überzogen, darin lag eine kranke Frau. Neben ihrem Kopfe saß ein junges Mädchen von seltener Anmuth, nicht über 15 Jahre alt -- und zu den Füßen des Bettes saß der Graf. -- Auf dem Gesichte der Kranken wechselte ein lebhaftes Mienenspiel, welches demselben bald den Ausdruck ungeheuren Schmerzes -- und gleich darauf wieder jenen sanfter Ergebung, inniger Rührung ertheilte. In diesem Augenblick schien der letztere Ausdruck auf längere Zeit den Sieg davon tragen zu wollen; die kranke Frau -- sie mochte nicht viel über 30 Jahre alt sein -- stieß einen langen Seufzer aus, richtete das zuvor flammende Auge mit unendlicher Milde auf Alexander und sprach mit einer Stimme, die aus innerstem Herzen zu kommen schien: „So sind Sie also gekommen!... So haben Sie also der armen niedern Frau, die Sie einst durch Ihre Liebe so glücklich machten, nicht vergessen, Herr Graf?“ Hier schwieg sie ermattet und faltete die Hände, als wollte sie ihm damit jenen Dank ausdrücken, welchen zu stammeln ihre Lippe zu schwach war. „Nein, nein!“ antwortete Alexander bewegt und düster sie anblickend -- „ich habe Ihrer nicht vergessen -- Margaretha... Ich habe nicht vergessen, wie Sie mich liebten, als ich im wüsten Jugendtaumel ein reines und treues Herz noch nicht schätzen gelernt hatte.... Jetzt ist es anders geworden....“ setzte er leise vor sich hinzu: „O!“ sagte er mit gebrochenem Tone: „Wie haben Sie mich geliebt! Und wie habe ich es Ihnen vergolten!“ Nach diesen Worten sank sein Haupt auf die Brust herab, welche heftig athmend einen schweren Kampf zu bestehen schien.... „Ja,“ entgegnete sie -- „ich habe Sie so geliebt, Herr Graf -- daß ich um Ihretwillen elend, entsetzlich elend geworden bin.... die unheilbare Krankheit, an der ich leide, hat bereits mein Lebensmark aufgezehrt -- -- und bald -- bald....“ Sie wollte fortfahren, hatte jedoch hierzu nicht mehr die Kraft. Mittlerweile erfüllte das Schluchzen des Mädchens das Gemach und Alexander reichte ihr die eine, ihrer Mutter die andere Hand, so daß Geliebte und Tochter von ihm gehalten wurden. Denn so verhielt es sich in der That. Alexandrine, dies der Name des Mädchens -- war sein Kind; ihre Mutter hatte vor sechzehn Jahren zu jenen Unglücklichen gehört, die sich damals den schmeichelnden Lockungen und der rohen Gewalt des Wüstlings ergeben hatten, bei jenen Orgien, welche er mit einem Trupp ähnlich gesinnter Freunde feierte.... Der Unterschied zwischen ihr und den andern Opfern seiner wilden Begierden war der -- daß sie unglücklich genug war, eine wahre Leidenschaft für ihren Verführer zu fassen, durch welche sie, nachdem sie lange mit ihr gekämpft und sie in ihrem späteren ehelichen Verhältniß auch zum Scheine bezwungen hatte -- zuletzt in jene schreckliche Krankheit fiel, die jetzt an ihrem letzten Lebensmark zehrte. -- „Sie wollten vorhin noch etwas sagen -- liebe Margarethe!“ erinnerte nach einer Weile der Graf: „Reden Sie! Häufen Sie Anklage auf Anklage über mein Haupt... führen Sie Verbrechen auf Verbrechen an, die ich an Ihnen begangen habe, als ich noch der Thor war, zu glauben, die Welt sei nur da, mir das, was ich damals Freude und Lust nannte, zu bereiten. -- O beginnen Sie! Scheuen Sie sich nicht -- ich werde Alles geduldig anhören... und meine Reue wird Ihrem Zorne, Ihrem Unglück gleich sein...“ „Nein --“ sagte Margarethe: „glauben Sie ja nicht -- daß ich Ihnen zürne!... Ich würde Sie ja dann nie geliebt haben, Herr Graf! -- -- Ach, ich schelte Sie nicht -- ich habe Sie niemals gescholten, daß Sie ein armes Mädchen verließen -- Sie, ein großer Herr. Was sollten, was konnten Sie denn anders thun.... früher oder später mußte es doch geschehen. Wer hieß mich eine so maßlose Liebe für Sie fassen... der so hoch über mir steht und sich nur auf einen Augenblick zu mir herunterneigen konnte... Waren Sie denn nicht ehrlich genug an jenem Abend, da Sie mich zum ersten Male -- in Ihr Schloß brachten -- und Ihren Freunden zeigten -- ausrufend: „das kleine Ding da sagt, sie liebe mich und wolle nicht, daß ich auch noch Andern gut sei.... das Närrchen -- das thörichte Landkind... Sie macht mich lachen!...“ Hatte ich beim Anhören dieser Worte denn nöthig, Ihnen noch weiter zu folgen? -- Und doch folgte ich, und doch kam ich noch so oft selbst und zog Sie noch so oft an meine Brust.... Ich kann,“ schloß die Frau, „Ihnen nichts aufbürden, Herr Graf.... Ich kann nur über mein Schicksal weinen.... Dieses allein hat mich dahin gebracht, wo ich jetzt stehe, nicht Sie.“ Die Rede hatte Margarethe so angegriffen, daß sie nach den letzten Worten in eine Art Lethargie verfiel -- worin sie ein leibhaftes Bild des Todes vorstellte. Alexander verhüllte sich das Gesicht mit beiden Händen -- das Mädchen aber warf sich auf ihre Mutter hin, umklammerte sie mit beiden Händen und schrie angstvoll: „Mutter! Mutter! -- liebe gute Mutter.... fasse Dich.... stirb mir nicht.... der Herr Graf ist ja hier! Du siehst ihn ja vor Dir stehen.... und sagtest Du nicht stets: „Ach, wenn nur er kommen möchte! Wenn er nur da wäre! Wenn ich ihn nur noch ein Mal mit meinen Augen sehen könnte... denn er ist Dein Vater und ich habe Dich ihm geboren!...“ Das sagtest Du so oft, gute Mutter -- und setztest hinzu -- -- „dann, dann würde ich wieder ruhig -- dann sollte meine Seele zufrieden und mein Leib gesund werden!“ Und -- nun da er hier ist, er, den ich so gern Vater nenne, weil er so gut gegen mich und Dich ist... nun, meine arme Mutter, hältst Du Dein Versprechen nicht.... nun wirst Du mir wieder unglücklich, krank und elend! -- -- O mein Gott! mein Gott -- erbarme Dich unser!“ So jammerte dieses zarte, unschuldige Geschöpf, dessen Miene der Ausdruck frommer, inniger Herzensgüte war und dessen Stimme so hold und rein klang, daß man sie tief gerührt hörte. -- In der That schien diese holde Stimme auch wunderbar auf die Kranke zu wirken -- sie regte sich wieder und begann nach einer Weile in eine Art von Clairvoyance zu fallen: „Kommt doch her und seht mich an --“ sprach sie -- „wie schön ich bin, wie gut ich es habe! Mich liebt ein junger schmucker Graf... Er hat es mir tausend Mal sagen wollen.... aber er schwieg immer.... weil er mich damit zu erzürnen fürchtete....! -- -- Oh, er weiß aber auch, daß ich ihn liebe.... Nein, nein! er weiß nichts, gar nichts! -- -- Er hat keine Ahnung davon! -- Und ich -- ich will es ihm auch nicht früher sagen, als um Mitternacht.... wenn wir schlafen .... dann will ich ihn aufwecken und flüstern: -- -- Schäme Dich, schmucker Edelmann -- -- Ich bin blos eine Bauerndirne -- und Du gibst Dich mit mir ab. -- Oder nein -- Du magst mich nicht -- und +ich+ laufe Dir nach.... Hahaha! -- -- Mit Hunden solltest Du mich vertreiben lassen -- denn ich belästige Dich in Deinem goldnen Schlosse.... und Deine Ahnen, die grinsen auf mich herab und sprechen: Was will die unter uns? -- Gehört sie denn hierher? -- Mag sie dahin gehen, woher sie kam.... von den Mägden! -- Ah! Ah! das ist recht! das ist gut! -- Es geschieht ihr, wie sie es verdient. -- Fort mit ihr! Hinaus aus dem Schlosse! Hinaus aus dem Dorfe! Einen Mühlstein um den Hals -- und in’s Wasser mit ihr, der schändlichen Dirne! -- --“ Dieser Irrsinn artete jedoch keineswegs aus; er hatte keine Gewaltthätigkeiten im Gefolge, wie er denn auch erst seit Kurzem sich bei der Kranken einstellte, jedoch mit immer größerer Intensität. -- Endlich nach einer viertelstündigen Dauer hörte dieser trostlose Zustand auf und die Spuren des Paroxysmus schwanden allgemach dahin -- -- der allmächtigen Rückkehr jener Milde und stillen Zufriedenheit Platz machend, welche eine Folge der Gegenwart Alexanders zu sein schienen... Nach einem innigen, seelenvollen Blick, den sie lange auf ihm verweilen ließ -- redete die arme Margaretha wieder: „O -- er ist noch immer da.... Er geht, er verläßt mich nicht! Er spottet nicht über mich... es ekelt ihm nicht vor mir! O, wie gut ist er!... und ich, ich habe ihn so verkannt.... Ich, so geringe Ansprüche ich an ihn auch hatte und so wenig ich auch hoffen durfte, daß sie durch ihn erfüllt würden -- (denn am Ende hat er ja doch Alles gethan, was er mir schuldig war: indem er für unsere Zukunft sorgte) -- -- ich sehe jetzt dennoch Alles über die Maßen erfüllt! -- Er ist hier! Er kommt täglich an meine Lagerstätte...“ Sie schwieg. Augenscheinlich schien die Quelle ihres Lebens schon gänzlich verrinnen zu wollen; man hörte ihr Rauschen von Stunde zu Stunde weniger. Vor mehreren Monaten konnte Margaretha noch frei in der Stube umhergehen -- jetzt seit langer Zeit hatte sie das Bett nicht mehr verlassen -- und nur die Intervalle ihres Leidens, nicht aber das Wesen desselben, waren seit Alexanders Besuchen ein wenig milder geworden. -- „Ich weiß,“ sagte sie nach einer Weile, wobei sie in den Armen ihres Kindes lag: „daß diese Stube und meine Nähe kein Aufenthalt für Dich ist -- theurer Alexander. Das, was der Schmerz und meine Traurigkeit mich zu Zeiten ausstoßen ließ, sollte Dir ewig verborgen bleiben. Es ist nicht gut -- wenn ein Kind die Vergehungen ihrer Mutter aus dem eigenen Munde derselben hört -- ihre Schande mit eigenen Augen sieht -- es ist kummervoll und wenig lehrreich für sie. -- Aber,“ setzte sie darauf weinend hinzu: „vielleicht ist es eben gut und nützlich! -- Du hast an mir ein Beispiel, meine Tochter, -- dem Du nicht nachahmen wirst! --“ „O,“ dachte Alexander bei sich, dessen Herz blutete, -- „ich habe dieses Alles verdient! -- Die Strafe, welche ich in diesem Augenblick erleide -- ist schwer, aber gerecht. -- -- Mein Uebermuth, meine wilde Begierde hat hier zwei Seelen zu Grunde gerichtet -- -- denn was war das Leben von Mutter und Tochter? Eine Kette von Schmerz! -- -- -- -- Ach, ach!“ versank er immer tiefer in den Abgrund seiner Selbstanklagen: „und erst jetzt denke ich daran! Jetzt, nach 12 Jahren.... nachdem es längst zu spät -- nachdem eines dieser Herzen gebrochen ist.... denn bald, bald wird es ausgepocht haben! Jetzt erst nahe ich mich ihm -- und will ihm Rettung bringen... So wäre ich niemals hierher geführt worden, wenn mich nicht das eigene Unglück hierher geführt hätte! -- So mußte ich selbst erst betrogen und verlassen werden, um zu begreifen, wie entsetzlich das schmerzt?! -- Ja, ja, arme Märtyrin der Treue, die Du da vor mir liegst -- ich habe es jetzt selbst kennen gelernt -- wie bitter die Täuschungen, wie tödtlich die Leiden der Liebe sind. -- O, um aller Seligkeit willen möchte ich kein Herz mehr kränken, das mich geliebt hat -- eher wollte ich sterben, als noch einmal falsch lieben! -- -- Falsche Liebe! -- Teufel in Heiligengestalt, du küssest unser Herz, um mit unsichtbarem Vampyrrüssel das Blut aus demselben zu saugen!... Falsche Liebe -- ewige Paradiesesschlange! die du seit Jahrtausenden die Menschheit verlockest -- ihr süßes Glück versprichst und ewigen Tod sendest. -- -- -- -- O, mich faßt fürwahr der Glaube, daß wahre Liebe gar nicht lebe. Sie ist ein Hirngespinnst, ein Traum der Dichter! -- Noch nie hat es eine glückliche Liebe gegeben .... mir ist keine bekannt. Entweder betrog er sie -- oder sie betrog ihn. Das ist das Ende vom Liede. -- Wer etwas Besseres über die Sache zu sagen weiß, der komme hierher und rede... er soll an mir einen aufmerksamen Zuhörer finden -- aber glauben, glauben werde ich ihm nicht, bis er mir Beweise bringt; handgreifliche Beweise. -- O, der +Prinz von Dänemark+ hat Recht: „Wir sind Alle geborne Schurken!“ -- Dies ist der größte Lehrsatz in Poesie und Geschichte....“ Er war bei seinem Monolog unwillkührlich laut geworden und Mutter wie Tochter hörten seiner Rede mit Verwunderung zu. Da wandte er sich an Alexandrine, ergriff das liebliche junge Wesen an beiden Händen und zog es zu sich an seine Brust -- dann legte er eine seiner Hände auf ihr Haupt, sah ihr ernst und schwermüthig in’s rosige Angesicht und sprach: [Illustration: Seite 181] „Vertraue keinem Manne, wenn Du groß sein wirst... und fliehe Jeden, der Dir von Liebe sprechen will. Denn sei gewiß, er will Dich betrügen! -- Achte auf meine Worte, holdes Kind, und präge sie Deinem jungen Gedächtnisse ein. Vielleicht verstehst Du ihren Sinn noch nicht ganz.... O möchte er Dir nie durch die Erfahrung deutlich werden!“ Jetzt verstummte er und ergab sich den zärtlichsten Liebkosungen, die er im Uebermaße an das Mädchen verschwendete, und wobei die Thränen dieses sonst so festen Mannes rannen, als hätte er damit alle Flecken der Geburt von Alexandrinen abwaschen wollen. „Nie hätte ich gedacht,“ flüsterte er ihr zu: „ein so liebes Kind -- ein so holdes Töchterchen zu besitzen! -- Ach, ach, Dein Vater hatte Dich gänzlich vergessen -- arme Kleine.... nur einmal im Jahre, wenn er Euch seine karge Unterstützung auf’s Schloß sendete, erinnerte er sich während eines Momentes, daß Ihr noch lebt. -- Aber wie geschah das? -- So erinnert der große Herr sich seines Knechtes, seiner Magd -- seines Hundes. Er weiß blos, daß er ihnen zu essen geben muß; im Uebrigen hat er keine Gedanken für sie. -- -- O Schmach! O Schande! und auf diese Weise wurdet Ihr von mir behandelt.... Ihr, die Ihr zwei Engel seid, für welche diese Erde zu schlecht, zu niedrig ist. Ach, erst jetzt bin ich fähig, Euern Werth zu schätzen -- da ich sehe, daß Ihr das seit 13 Jahren in Geduld traget, unter dessen Last ich seit etlichen Wochen schon fast zusammengebrochen bin -- O, meine Tochter, noch ein Mal! Liebe keinen Menschen! -- Niemand ist Deiner würdig... denn Du bist das Ebenbild Deiner Mutter, an Leib wie an Seele. -- Liebe niemals! -- Es gibt keine Liebe! -- --“ „-- -- Und was ist denn das Gefühl,“ fragte er sich rasch: „welches Margarethe einst mir -- -- und ich Cölestinen gewidmet? -- Ist dies denn nicht Liebe? -- -- -- -- O! O!“ stöhnte er: „Man könnte wahnsinnig werden, wenn man lange nachdenkt! -- Eine schreckliche Verwirrung entsteht in unserm Gehirne, wenn es über diesen Punkt grübelt. Tausend Fälle verneinen -- zwei bejahen das Dasein der Liebe... Also lebt Liebe doch!“ rief er mit einem Male aus: „Ja, sie lebt! -- -- -- -- Aber ich, ich werde sie nimmer mehr finden!“ Er blieb noch mehrere Stunden bei den Frauen. Die Kranke sprach nur wenig und die ganze Thätigkeit des jungen Mädchens schien sich auf Weinen und stilles Wehklagen zu beschränken .... denn dieses Kind hatte eine Vorahnung von der baldigen Auflösung ihrer Mutter. Alles Zureden, alle Trostsprüche, alle Liebkosungen des Grafen konnten sie nicht beruhigen -- -- indeß die Kranke selbst den Tod nicht zu fürchten schien, da sie ja, wie sie sich mit erschütternder Wonne ausdrückte: „in den Armen ihres wiedergefundenen Freundes und Herrn sterben werde!“ -- Ein stiller Trübsinn lagerte sich zuletzt über Alexanders ganzes Wesen -- weit tiefer, als jener, der ihm angeboren war und mit welchem er sich seit so vielen Jahren umhertrug. -- So, in dieser Stimmung nahm er Abschied von der Kranken, indem er versprach, morgen früher als sonst wiederzukommen und nicht eher zu scheiden, als zu dieser gegenwärtigen Stunde. -- Alexandrine begleitete ihn über die Schwelle des Hauses, wo er sie auf die Arme nahm und lange, lange, so fest und warm an seine Brust drückte, als wollte er sie nicht wieder fortlassen .... nachdem er ihr noch einen Kuß auf die weiße Stirne gegeben.... entfernte er sich mit raschen Schritten durch das Gärtchen, von dessen Thür er den Schlüssel hatte.... Kaum war er auf freiem Felde angelangt -- als eine Bande fremder Kerle, wovon Einige Pechfackeln, Andere Stöcke und Prügel in der Hand trugen, ihm entgegen stürzten, drei bis vier sprangen heraus wie Tieger, und sich an seinen Arm, an seinen ganzen Körper hängend, rissen sie ihn zu Boden, legten ihn platt auf die Erde, mit dem Gesichte gegen den Himmel gekehrt, der diesmal voller Sterne war. Darauf trat einer, schwarz wie ein Schornsteinfeger aussehend, vor ihn hin -- fing an in lateinischer Sprache zu singen, zu schreien und zu heulen... ging und lief rund herum -- goß ihm eine Menge Wassers auf den Kopf -- und räucherte mit allen möglichen wohl und übel riechenden Spezereien dazu -- darauf badete er ihm noch einmal das Gesicht -- und zuletzt warf er eine Decke über ihn, die den unglücklichen Grafen ganz einhüllte. -- Er sah nichts mehr -- aber bald fühlte er um so mehr: nämlich fürchterliche Prügel, die es von Außen hageldicht auf ihn regnete.... Alles dieses unter einem betäubenden, wüthenden Geschrei der ganzen Bande und dem Kommandoruf des Schwarzen.... Nur der außergewöhnlichen Körperkraft Alexanders konnte es gelingen, sich in Kurzem aufzuraffen und dem Todtschlag unter den Händen dieser Rotte von tollen Spitzbuben zu entgehen... Hierbei diente ihm die Decke als Schild und Schutzmittel, denn er hielt sie so vor sich hin, daß die Streiche und Schläge nur sie trafen. „Ihr Schurken!“ schrie er: „seid Ihr denn wahnsinnig oder habt Ihr wirklich ein Bubenstück vor? -- Kennt Ihr mich denn nicht? -- Ich bin der Graf von A--x!“ „Ja, ja -- wir wissen es sehr gut, gnädiger Herr! Wir kennen Hochdieselben! -- O wir wissen Alles! -- aber eben deshalb -- schlagt zu, Kameraden! Immer zu! Damit der Teufel den Leib des guten Herrn verläßt! --“ Dies waren die Worte, womit der schwarze Anführer seine Schaar ermunterte.... Endlich bemächtigte sich der Graf des Knittels eines dieser Kerle und nun warf er sich auf die nächsten, worunter der Anführer selbst, den er zu Boden schlug, worauf die Andern sogleich die Flucht ergriffen, heulend: „Ach! der Teufel ist mächtig! Er hat unsern heiligen Pfarrer überwunden! Gott steh uns bei!“ Jetzt erkannte Alexander den Pfarrer, und brachte endlich auch in Erfahrung, daß seine eigenen geliebten Unterthanen es waren, mit denen er so eben einen Strauß zu bestehen gehabt. -- „Aber,“ wandte er sich an den Geistlichen: „sagen Sie mir, was soll denn das bedeuten? ... Sind Sie denn sammt Ihren Pfarrkindern um den Verstand gekommen?“ „Das nicht, gnädiger Herr,“ versetzte dieser, sich mit seinen zerschlagenen Gliedern jämmerlich am Boden windend: „Wir hatten Gutes mit Ihnen vor.“ „Wie -- Gutes?“ „Wir wollten Ihnen den Teufel austreiben.“ „Und dies sagen Sie selbst, der Pfarrer, der Lehrer, der Führer dieser Bauern, dem es obliegt, ihren Geist zu erhellen und ihr Herz zu veredeln? -- Sie sprechen vom Teufel Austreiben? --“ „Allerdings, gnädiger Herr!... Und haben wir Sie denn nicht gesehen, nicht gehört -- wie Sie da drinnen bei der +besessenen Frau+ allerhand Teufelszeug trieben -- weinten, lachten, beteten -- und sich mit diesem Weibe, die gewiß eine Hexe ist -- auf eine Weise einließen, daß es uns, Ihren getreuen Unterthanen, ein wahrer Gräuel war. Können Sie es läugnen: Sie umarmten das verfluchte Weib!“ Alexanders Gesicht verfinsterte sich jetzt zum wilden Zorne: „Mein Herr,“ sagte er zu dem Pfarrer -- „Sie sind von diesem Augenblick an Ihrer Pfründe verlustig und ich werde deshalb nach meiner Ankunft auf dem Schlosse sogleich das Nöthige verfügen... denn wie mir dieser Vorfall lehrt, so sind Sie weit eher dem Amte eines Stockmeisters oder Banditenchefs als eines Seelsorgers gewachsen... Erwarten Sie morgen meine fernere Entschließung. -- Was jedoch diese Kerle dort betrifft,“ fuhr er, auf die in einiger Entfernung stehenden Bauern deutend, fort: „so sollen sie ihrer wohlverdienten Strafe nicht entgehen. Ich werde ihnen für die Zukunft die Lust benehmen, sich um den Geisteszustand ihrer Herrschaft zu bekümmern....“ Damit entfernte sich Alexander, ging nach dem Gasthause, wo sein Pferd stand, und ritt von da nach dem Schlosse zurück. -- Achtes Kapitel. Die Verlassene. Die Sachen in der Stadt standen indeß noch immer auf dem alten Punkte. Cölestinens Haus war nach wie vor den ausgewählteren ihrer Bekannten geöffnet -- nur daß keine größeren Soirées und _jours fixes_ mehr statt fanden. In letzterer Zeit hatte die junge Frau sich inniger als je an ihre Eltern angeschlossen; man sah sie nicht anders als in Gesellschaft ihrer Mutter. Dieselbe schien mit ihr irgend ein Geheimniß zu theilen, denn es geschah häufig, daß sich die Frauen für mehrere Stunden mit einander einschlossen, und selbst vor den Augen der Leute wechselten sie Winke, verständigten sich mit abgebrochenen, geheimnißvollen Worten, ja es geschah ein Mal, daß Cölestine die Generalin mitten aus einem Zirkel von Damen herausholte, sie, zu großer Aergerniß aller Leute vom guten Ton -- aus dem Salon entführte, und mit ihr erst nach einer starken Stunde zurückkam. „Ei!“ sagten die redlichen Freunde des Hauses: „wozu braucht es aller dieser Umstände? -- Die Gräfin hätte es ihrer Mutter gleich hier sagen können -- um was es sich handelt. Man ist ja von Allem auf’s Genaueste unterrichtet...“ „Natürlich! Es betrifft den geliebten Herrn von -- Marsan! Was sonst?“ flüsterte eine Dame... „O sagen Sie es nur gerade heraus, meine Liebe,“ bemerkte das Stiftsfräulein: „Wenn Sie Etwas wissen -- theilen Sie uns es ohne Scheu mit... denn wir haben bereits so viel in dieser Sache erfahren und gesehen -- daß uns nichts mehr in Erstaunen setzen kann. Das Einzige blos wundert mich, daß diese junge Gräfin noch immer nicht zum Mitglied des Frauenvereins ernannt ist....“ „Sie gibt als Grund an -- mit ihrem eigenen Unglück hinlänglich beschäftigt zu sein und nicht an fremde Dinge denken zu können!“ „O man kennt das!“ lachte die Stiftsdame: „Eigenes Unglück meint sie vielleicht damit -- daß Herr von Marsan gestern das Rendezvous nicht eingehalten hat, welches sie ihm zu jeder Mitternachtsstunde in seinem eigenen Quartiere gibt. -- Denn er hat nur zu diesem Behufe das einsame Haus, wo er jetzt wohnt, gemiethet...“ „Was sagen Sie da, mein bestes Fräulein?“ riefen Zwei aus dem Kreise: „ein Rendezvous um Mitternacht in seinem eigenen Hause...?“ „Wie ich sagte: Punkt Zwölf -- mit dem letzten Glockenschlage können Sie, wenn Sie sich anders hierzu die Mühe nehmen wollen -- dieses Musterbild einer Gattin und eines Mitgliedes des Frauenvereins -- Sie können sie, sage ich, in eine fremdartige Kleidung gehüllt, aber leicht an ihrem ganzen Wesen erkenntlich, ihr Haus durch ein Hinterpförtchen verlassen und zu Fuße den Weg nach der Wohnung des Chevaliers einschlagen sehen. Zehn Schritte von ihrem Hause erwartet sie, hinter einen Vorsprung versteckt -- Marsan..... sie gehen sodann eiligen Schrittes, und indem sie sich tausendmal umsehen, eine Strecke fort, wo ein verschlossener Wagen bereit steht, der sie aufnimmt und bis in das Haus des Chevaliers bringt. Nach Verlauf von zwei bis drei Stunden... wird die Fahrt auf dieselbe Weise zurückgemacht.... und so weiß diese kleine Cölestine vortrefflich ihr Leben zu genießen, sich wegen ihrer Strohwittwenschaft zu entschädigen.“ Die Zuhörerinnen waren erstarrt. Sie glaubten zu träumen und fingen an umherzublicken, ob wirklich Alles noch auf dem alten Platze stehe. -- „Aber,“ rief endlich die Eine aus: „ist es denn denkbar! Es wäre ein Fall, der seines Gleichen nicht hat: denn zu diesem Grade der Verstellungskunst hat es noch Keine gebracht. Sieht man sie an, scheint sie einen entsetzlichen Kummer niederzukämpfen und nur heiter zu sein -- um ihrer Freunde, ihrer Gesellschaft willen. Wie oft hört man sie im Gespräche plötzlich verstummen -- und Seufzer ausstoßen -- oft sieht man sich ihre Augen mit Thränen anfüllen... und das geschieht Alles so wie unwillkührlich, als könnte sie es länger nicht mehr zurückhalten. O die abscheuliche Heuchlerin! --“ „Allein,“ bemerkte eine dritte Dame: „Cölestinens Wesen scheint sichtbar untergraben, was man auch dagegen sagen mag. Das ist nicht mehr die blühende Gesichtsfarbe -- das glänzende Auge... das leichte, übermüthige Schaffen und Treiben.... Ihr Teint muß durch künstliche Mittel aufgefrischt werden -- ihr Gang ist schleppend -- ihre Hand zittert....“ Hier schlug das Stiftsfräulein ein merkwürdiges Gelächter auf: „O,“ sagte sie: „diese Symptome können ganz wohl einen andern Grund haben -- -- denn man hat das Beispiel an jener italienischen Signora R**, welche vor zwei Jahren hier starb....“ Die Zuhörerinnen wandten sich bei diesen Worten von der Sprecherin ab, welche vermöge ihrer tapfern Zunge so eben im Begriffe war, eine Geschichte preis zu geben, die man sich bisher nur in Bierhäusern erzählte. -- Dieses Gespräch fand an demjenigen Tage statt, von welchem wir zuletzt sprachen. Heute empfing von drei bis sechs Uhr Cölestine ihre Freunde bei sich. Man hatte ein Concert angekündigt, bei welchem ein eben durchreisender berühmter Künstler mitwirken und an dessen Schlusse eine Romanze von Cölestine selbst vorgetragen werden sollte. -- Sie saß, während ihre Gäste kamen, in einem Armstuhle, dem Eingange des kleinern Salons gerade gegenüber... Sie war ungewöhnlich bleich, und die bläulichen Ringe, von welchen seit einiger Zeit ihre Augen umkreis’t waren, ließen die letzteren heute ungewöhnlich tiefliegend erscheinen. Ungeachtet dieser und anderer Zeichen eines inneren Leidens -- eines leisen, schleichenden und giftigen Siechthums jedoch war die verlassene Gattin liebenswürdig gegen ihre Gesellschaft wie immer und eifrig bemüht, derselben eine Fröhlichkeit mitzutheilen, von welcher sie selber doch nichts besaß. Ihr Anzug war fast zu einfach und ein strenges Auge konnte selbst jene kleinen Nachlässigkeiten daran wahrnehmen, vor welchen sich eine elegante Dame der großen Welt stets in Acht nimmt und die sie sich höchstens in ihrem Boudoir erlaubt. Die Gräfin trug ein blaßblaues Morgenkleid und im Haare einige dunkelblaue Schleifen, was Alles nur dazu beitrug, ihr Aussehen noch leidender zu machen... Selbst die kleine Lorgnette von Schildkröte, mit Perlen besetzt, hatte sie heute vergessen.... Sie empfing jede einzelne Person, die sich ihr näherte, mit mehr als gewöhnlicher Salonshöflichkeit... ihr Willkommen war wirklich innig und aus dem Herzen kommend; denn sie befand sich in einer sonderbaren weichen Stimmung, welche sie nicht, wie sonst, zu bemeistern vermochte, welche durchschien -- und von gewissen Leuten, deren Geschäft dies ist, im Stillen belacht wurde. -- „Nun, meine Theure, was habe ich Ihnen gesagt? Ist dieses Betragen nicht lächerlich und selbst beleidigend. Will man uns durch diese zärtlichen Worte und Blicke nicht gleichsam sagen: das ist gut für Euch! Ihr braucht nichts Besseres! -- Ich wiederhole es Ihnen: diese Gräfin hat uns heute um sich versammelt -- um uns auf ihre Weise zum Besten zu haben.... Aber sie soll sich täuschen! --“ „Sehen Sie doch! da redet sie mit Herrn von Labers. Fällt sie ihm nicht beinahe zu Füßen!... Haha! Wie abgeschmackt! Es fehlt nur noch, daß sie uns heute mit gebrochener Stimme feierlichst ankündigt, sie wolle sich in ein Trappistenkloster zurückziehen -- -- und darauf morgen mit Marsan durchgeht...“ Man erräth es, wer so gesprochen. In diesem Augenblick trat General Randow mit seiner Gemahlin ein -- und bei ihrem Anblick war es, wo Cölestine sich zum ersten Male erhob, um den geliebten Eltern entgegen zu gehen. Mit einer unbezwingbaren Rührung, mit einem Wesen, welches auf innerste Erschütterung hindeutete, warf sie sich in die Arme der Mutter; und ein feines Ohr hätte sie leise die paar Worte aussprechen hören: „Noch immer kein Trost!“ „Von beiden Seiten nicht?“ fragte eben so die Generalin, und Cölestine bejahte nur mit einer stummen Senkung des Hauptes, welches so schwer geworden war, daß sie es mehrere Minuten lang auf die Schulter der Matrone legen mußte. „Sagen Sie mir --“ redeten jene Freundinnen unter einander: „was bedeutet wieder diese Farce da? -- Es fehlt nichts weiter, als daß man uns in diesem Schauspielhause Entrée bezahlen läßt...“ „Bei Nero! -- Sie fangen zu schluchzen an -- _in conspectu populi_, wie man sich ausdrückt. -- O schändlich! -- Ich wollte, daß ich diese beiden Heuchlerinnen in meinen Fußangeln hätte und daß sie Beide nur +einen+ Hals besäßen.... Sie wissen, was ich mit demselben anfangen wollte.“ „Und dieser Labers! -- Der Mann wird, nachdem man ihm die Weisheit der Braminen und die Güte des Sokrates zugeschrieben, plötzlich auf seine alten Tage ein Narr.... Er sieht den Zweien von Ferne zu und auch seine Augen befeuchten sich...“ „Der alte General hingegen scheint mir noch der Vernünftigste in dem ganzen Quartett. Das ist ein wahrer Ehrenmann! -- Er würdigt die Affectation seiner Frauen keines Blickes; er bemerkt sie nicht -- er geht zu einigen alten Herrn und stimmt in ihr Gelächter ein, welches wahrscheinlich irgend einer Anekdote gilt, die Graf Wollheim dort erzählt...“ „Und welche natürlich erlogen ist.... so, als hätte sie jener famöse Herr von Althing erzählt, den man seines hübschen Lebenswandels wegen in keinem Cirkel mehr duldet...“ „Der aber bis zum letzten dennoch der intime Freund von Cölestinens liebenswürdigem Bruder Edmund war...“ „An dem sich auch die Folgen dieses Umgangs bewährten -- hahaha!“ „Eigentlich, meine Freundinnen -- sollte dieser Fall uns aus der Familie der Randow verbannt haben...“ „Wir besuchen dieses Haus auch nur, um uns an dem immer tieferen Herabsinken desselben zu belustigen -- beim Nero und Domitian!“ Die Verläumderinnen hatten sich jedoch sehr geirrt, als sie glaubten, der General sei zu jenen Herren getreten, um an ihrer Lustbarkeit theilzunehmen; der General war seit dem Unglück seines Sohnes und seiner Tochter ernst geworden, wie er es nie gewesen. Nicht daß er sich der Fassungslosigkeit und dem Schmerze seiner Gemahlin hingegeben hätte -- er blieb kalt und fest bei diesem Begegniß, bei diesem Schlage seines Hauses -- aber die chevalereske Heiterkeit und der männliche Frohsinn, welche ihn sonst so liebenswerth gemacht hatten, waren auf immer von ihm gewichen... und diesmal, in dieser Stunde und bei dieser Gesellschaft, hatte er am allerwenigsten Ursache, ihn zurückzurufen, denn man hatte hier so eben über +Edmund+ gesprochen, auf welches Thema der alte Jäger den Discours gebracht, weil er da in seinem Elemente war. Wider Erwarten sah sich nun Wollheim von dem General auf die Seite gezogen und dieser redete ihn an: „Herr Graf, wenn ich Sie bitten darf, so leiten Sie das Gespräch nie wieder so, wie es eben geschah; ich würde es sonst als eine Beleidigung, die mir selbst widerführe, aufzunehmen gezwungen sein und dieselbe mit Bedauern rächen müssen. Ohnehin gehen in der Hauptstadt hierüber die tollsten Sagen, so daß ich nicht weiß, was ich mehr bewundern soll, den Erfindungsgeist, der sie ausbrütete, oder die Leichtgläubigkeit, welche ihnen Glauben schenkt... Mein Sohn hat sich, seinen Namen und sein ganzes Haus in eine traurige Lage versetzt, dies bekenne ich mit Schmerz.... aber ich würde Niemand rathen, den bedauernswerthen Jüngling, der seine Ehre vielleicht, wie ein mißbrauchtes Mädchen ihre Tugend, durch fremde Gewaltthätigkeit verloren hat, zu verspotten... Wäre mein Sohn von Natur ehrlos und nichtswürdig, so würde ich selbst kein Wort über ihn verlieren, sondern seinen Namen mit eigener Hand aus meinem Stammbaume streichen. -- So aber umhüllt noch ein schreckliches Dunkel die Umstände seines Verbrechens -- ich weiß nur so viel, daß Edmund von Randow stets würdig war mein Sohn zu heißen, und bis ich ihn selbst nicht über seine That vernommen und seine Vertheidigung angehört habe -- bin ich entschlossen, ihn abermals, außer vor dem Gesetze, wohin mein Arm nicht reicht, auf’s ernstlichste zu vertreten!“ „Bravo!“ schrie der Jäger, nachdem er die letzten Worte angehört hatte -- und kaum sich länger zu halten im Stande war: „Bravo, alter Vater, tapferer General! -- Das nenne ich gesprochen.... wie sich’s gehört -- und wäre es nicht hier vor den Augen aller Leute, ich würde Ihnen, hol’ mich Dieser und Jener, nicht nur um den Hals, sondern kurzweg um die Kniee fallen. Ja -- Sie haben Recht! Edmund, mein theurer Edmund, mein Jüngelchen, mein Schüler ist ein Ehrenmann. Wer etwas Anderes behauptet, dem schieße ich eine Handvoll Entenschrotte in den Bauch. Aber wie konnten Sie’s nur übel nehmen, daß ich von ihm sprach? Ich erzählte ja das Rühmlichste. Ich sprach von einem Pirschen, welches jetzt vor zwei Jahren zwischen uns stattfand und wobei Edmund, der brave Junge, mir in demselben Augenblick, als eben ein alter Petz aus dem Gesträuche auf mich herausbrach, das Leben rettete, indem er diesem dicken Petz sein Jagdmesser bis an’s Heft -- ja ich glaube sogar auch noch seinen Arm mit in den Hals steckte.... worauf ich dann meinen unvergleichlichen Schüler mit 18 Kannen Dickbier regalirte -- so daß er drei volle Tage weder A noch B sagen konnte -- --“ hier hielt der Nimrod inne, merkend, daß er im Begriffe stehe, einen dummen Streich zu machen und Dinge -- wiewohl große erhabene Dinge! -- am unrechten Orte zu erzählen. -- Der General beruhigte sich seit dieser Erklärung, doch schien ihn der Nachsatz sichtbarlich zu verdrießen und sein Unmuth kehrte wieder, sich in folgenden Worten Luft machend: „Lieber Graf Wollheim, die Sachen, welche Sie da erzählen, so wie überhaupt Ihr ganzes Verhältniß zu Edmund, hat, glauben Sie mir, auch das Seinige dazu beigetragen, den jungen Menschen zu dem Punkte zu bringen, wo wir ihn jetzt mit Schmerz erblicken.... Nicht daß ich Sie nur im Mindesten beleidigen und Ihren Umgang mit Edmund in direkte Verbindung mit seinem letzten unglückseligen Streiche bringen wollte... das sei fern von mir. Jedoch unter die bösen Gewohnheiten, welche seinen Verstand und sein Gemüth befleckt und ihn zu immer traurigeren Verirrungen geführt haben.... gehörte auch die +Unmäßigkeit+....“ Der Jäger wollte hier lebhaft losbrechen; seine Meinung über Unmäßigkeit war eine ganz andere, als die des Generals, und er war fest überzeugt, an Edmund nur Gutes gethan, ihn, wie er sagte, „zu einem tüchtigen Kerle“ herangebildet zu haben. -- Der General verhinderte indeß jede weitere Erklärung, indem er fortging und seine Schritte zu der früheren Gesellschaft lenkte, aufmerksam zuhörend, was sie sprach -- eifersüchtig den Ruf seines armen Kindes bewachend. -- Mittlerweile hatte das Concert seinen Anfang genommen. Eine tiefe Stille entstand, nur zeitweise auf den entfernteren Punkten des Salons von einigen alten Frauen und einem Paar junger Leute von jener Sorte unterbrochen, die für nichts Sinn haben, außer für ihre eigenen Wichtigkeiten -- -- und die ein Privilegium zu besitzen glauben, überall stören, überall ihre alten Albernheiten zum tausendsten Male wiederholen, überall lachen -- überall Lärm machen zu dürfen. „Ach -- welch’ ein Gesicht -- das dort gegenüber von dem Cello.... sehen Sie nur, lieber Arthur!“ „Haha! -- ein allerliebster Kerl!... Gewiß irgend ein großer Kunstkenner.... seine rothe Nase bezeichnet ihn als Freund der Geister...“ „Und jenes Fräulein dort weiter! Kennen Sie sie nicht? Sie scheint zum ersten Male in einer Gesellschaft, denn sie macht allen Leuten Platz, die sich ihr nähern...“ „Ach! Köstlich! Welche Bereitwilligkeit! Die trifft man heut zu Tage nicht überall....“ „Uebrigens scheint sie mir nicht ohne +Raison+[D] zu sein! das wäre vielleicht so Etwas für Dich -- Du mein ruinirter Lancelot! --“ Der, dem dieser Name galt, entgegnete: „Du irrst; ich bin von diesem Systeme -- eine Partie zu +suchen+, abgekommen, und habe mir ein neues gewählt; die Fortune muß +selbst kommen+ und.... sie wird nicht ausbleiben.“ „Einstweilen behilft sich Lancelot mit seiner Fürstin... dabei ist wenigstens nichts zu verlieren, haha!“ „Sie ist sein tägliches Brod... diese gute Herzogin. Sie schützt wenigstens vor dem --“ „Still, meine Herren! Ich werde alle weiteren Explicationen ernstlich nehmen.....“ Das erste Musikstück war zu Ende. Die jungen Herren hatten davon gerade die letzte Note gehört... und sie bereiteten sich vor, es bei dem zweiten eben so zu machen. -- Indessen widmete ein großer Theil der Versammlung den Productionen große Aufmerksamkeit -- und Cölestine selbst schien durch die Macht Polyhymnia’s dem trüben Diesseits entrückt, zu den Regionen einer schönern Welt getragen zu werden. Ihr Auge blickte seelenvoll vor sich, ihr Ohr schien mit Wonne in diese Harmonie zu versinken... Einige Augenblicke lang schwand selbst die kalte Blässe von ihrem Gesichte, eine zarte ätherische Röthe flog ihre Wangen an.... so daß sie jetzt jedes künstlichen Mittels hätten entbehren können. -- Sie saß zwischen ihrer Mutter und der Generalin E--z, welche beide sie abwechselnd betrachteten und wovon die erstere mit tiefer Rührung den kurzen Frieden in ihrer Tochter Brust einziehen sah. Trotzdem unterließen Frauen mit Drachenherzen es nicht, giftige Bemerkungen dicht hinter dem Rücken der Verlassenen anzustellen -- die jedoch an der anderweitigen Aufmerksamkeit Cölestinens ihre Wirkung gänzlich verfehlten und von Niemand vernommen wurden, als von den Sprecherinnen selbst.... „Manche Musik klingt nicht so angenehm, wie diese da... zum Beispiel jene, von welcher das Ohr eines armen getäuschten Gatten beständig erfüllt sein muß....“ „Ach -- es gibt Leute, die so Etwas nicht einsehen!“ bemerkte die Stiftsdame: „die von Natur dazu geboren sind, Disharmonie in der Welt zu erzeugen -- und ihren Eltern, ihren Gatten, Freunden und der ganzen Menschheit das Gehör zu zerreißen.... Trotzdem aber geben sie sich große Mühe, für absonderliche Tonkünstler und Tonkünstlerinnen zu gelten.... O man kennt diese Gattung!“ „-- -- Können Sie mir nicht sagen, liebste Beste --“ fing die Vorige nach einer Pause an: „wie es mit dem armen Grafen von A--x steht. Hat man noch keine Nachrichten von ihm -- und weiß man nichts über seinen Aufenthalt, seine Lebensweise?“ „Es thut mir leid,“ versetzte die Stiftsdame -- „Ihnen damit nicht dienen zu können. -- Zuverläßlich jedoch hat sich der würdige und hochgeschätzte Graf nach irgend einer entfernten Gegend begeben... denn ich zweifle, daß er es in dieser Stadt oder in geringer Entfernung von derselben lange hätte aushalten können. -- -- Man würde in kurzer Zeit Gelegenheit gefunden haben -- -- das alte Spiel zu erneuern... man hätte durch eine kluge, listige Behandlung ihn nach und nach wieder zu gewinnen verstanden... man hätte durch zweite und dritte Personen auf ihn gewirkt.... oder auch durch Briefe....“ „Das Alles,“ erhob jetzt ein Herr, der wie aus den Wolken gefallen schien, den Niemand kommen und hier auftreten sah, sondern der hier inmitten dieser würdigen Damen plötzlich empor tauchte, seine Stimme: „das Alles,“ sagte er, „ist geschehen, meine Damen. Obgleich der Graf von A--x hundert Meilen von hier entfernt in einem verborgenen Thale, einsam wie Timon und verschanzt wie dieser, lebt -- hat man doch Mittel gefunden, ihn auszukundschaften, hat sein heiliges Asyl entweiht -- hat seiner Einsamkeit und Trauer nicht geschont -- hat ihn durch feile Zwischenträger belagern -- mit Lügen und Versprechungen bestürmen lassen.... kurz hat ihm zum zweiten Male eine arglistige Lockspeise vorsetzen lassen, um ihn zum zweiten Male damit zu vergiften.....“ Seit Kurzem war Cölestine gezwungen, diesem Gespräch zuzuhören, denn es wurde immer lauter geführt. Bei den letzten Worten sah man ein tödtliches Grau über ihr Gesicht ziehen.... sie bebte an allen Gliedern, und eben schien sie die Besinnung verlieren zu wollen, als der Ruf: „Ihre Romanze ist an der Reihe, Gräfin!“ sie weckte und mit einer Art künstlicher, elektrischer, gewaltsamer Lebenskraft erfüllte. Sie stand auf und ging an den Flügel. Hier nahm sie neben einem Herrn, der sie accompagniren sollte, Platz. Aber als man die Notenhefte der Romanze suchte -- fand man dieselben nicht. Und doch waren sie früher vor dem Anfange der Matinée von ihr selbst aufgelegt worden. Das Ganze schien mit einem Wunder zuzugehen; aber der Gesellschaft, obgleich diese die Wunder in neuerer Zeit wieder außerordentlich liebt, schien mit dem gegenwärtigen keineswegs ein Gefallen zu geschehen. Man bestand darauf, daß Cölestine singen sollte, und da ihr in dem Gedränge, worin sie sich befand, nichts Anderes einfiel, stimmte sie ein +Lied+ an, das sie ihrem Gatten sehr oft vorgesungen hatte und welches diesem so gefiel, daß er es für seinen Lieblingsgesang erklärte... „Abend ist, ein tiefes Schweigen Zieht herauf vom Meeresstrand; Himmelslichter sinken, neigen Sich zum grauen Uferrand. Siehst Du dort des Sternleins Schimmer, Eilend nach dem größern Stern?! -- So auch folg’ ich ewig, immer, Dir, Geliebter, nah und fern. Sieh’ die Fluth das größ’re fassen! Auch das kleine stürzt sich drein! -- So auch könnt’ ich nicht allein Dich Geliebter sinken lassen!! -- --“ Nachdem Cölestine den letzten Vers gesungen -- fiel sie leblos auf die Lehne ihres Stuhles zurück. -- Alles erhob sich -- fuhr durcheinander -- man eilte von hundert Seiten der Gräfin zu Hilfe. In dieser allgemeinen Verwirrung schlich sich jener Fremde, der zuvor die verhängnißvollen Worte hinter dem Stuhle Cölestinens gesprochen, hinaus. Es war derselbe unbekannte und geheimnißvolle Mensch, den wir schon früher einige Mal in den Salons Alexanders und anderswo umherschleichen sahen -- finster und unheimlich wie das Verhängniß. Neuntes Kapitel. Trauer und Verzweiflung. Was Alexander auf seinem Schlosse und in seiner Einsamkeit betraf, so lebte er daselbst noch stets in der alten Weise. Seine Tagesordnung blieb die nämliche, seine Absonderung, seine düstere Kälte, sein Haß gegen die Menschen, seine finstere Sucht, sie zu vermeiden, und seine scheue Angst, wenn er ihnen nicht ausweichen konnte -- -- bei dem Allem jedoch auch seine Mildthätigkeit, seine geheim ausgeübte Menschenliebe, sie waren sämmtlich die früheren. Täglich machte er den Ritt aus dem Schlosse nach jener Gegend, welche wir kennen -- täglich besuchte er die kranke Margaretha und blieb in letzterer Zeit oft vom frühen Morgen bis in die tiefste Nacht an ihrem Krankenlager... Er hatte ihr einen geschickten und zuverläßlichen Arzt geschickt, der seine Wohnung im Orte selbst nahm, um stets bei ihr zu sein, sobald sie seine Hülfe brauchte. -- Ach, Alles das half zu nichts ... es war der menschlichen Kunst nicht mehr möglich, dort etwas zu thun, wo die Natur bereits ihre Verwesung vorbereitete.... Da ward der Schmerz Alexanders übergroß; dieser Mann, sonst stolz, kalt und schroff, schien seine inneren Stützen zu verlieren, schien zusammenzubrechen, gleich einem untergrabenen Kraftbau. -- Er konnte sich nicht länger beherrschen: seine gepreßte und geängstigte Seele machte sich in einem lauten, entsetzlichen Schmerzensschrei Luft -- und nachdem dieser ausgestoßen war, flossen seine Zähren gleich mächtigen Bächen, als sollten sie die lange Tafel seiner Schuld, alle Vergehungen seines früheren Lebens abwaschen. Er ward zum Kinde, ja weniger als dieses, denn das kleine Mädchen zu seinen Füßen besaß jetzt mehr Fassung als er: „O!“ rief er, der draußen den Stolz so gut zu behaupten verstand: „könnte ich Dich, arme Dulderin, mit der Hälfte meines Lebens, meines Glückes, meiner Seligkeit retten, ja mit dem Ganzen -- -- ich würde es thun, denn Du hast es um mich verdient! -- Ach, warum habe ich es früher nicht erkannt, warum vorsätzlich mich dem Bewußtsein entzogen, daß ein Herz lebt, welches so große Liebe zu mir trug, daß sie um ihretwillen in den Tod ging... eine Liebe, die nur gleichkommt an Macht jener Falschheit und jenem Trug, welche mich die ganze übrige Welt empfinden ließ, O wie glücklich hätte ich sein können! -- In dieser Erkenntniß möchte jetzt meine Seele sich auflösen in ungeheuren Klagen. Was hatte ich nöthig, das Glück und die Liebe dort zu suchen, wo sie nicht sind?... Was hatte ich nöthig, im rauschenden Leben der Welt nach dem zu haschen, was nur in stiller Einsamkeit wohnen kann: nach einem Herzen! -- -- O sie blühte nur in einem grünen Thale unter einem bescheidenen Dache -- die treue Liebe!... aber sie schien mir zu niedrig -- ich suchte eine stolze, erhabene; und was fand ich? Traurige Täuschung! bittere Enttäuschung. -- -- Ha! ich möchte mich darob in einen Ocean des ewigen Todes stürzen! --“ -- -- An einem schönen warmen Frühlingsabend starb Margaretha. Man hatte sie in ihrem letzten Augenblicke in das Gärtchen hinausgetragen, denn so wünschte sie es. Alexander saß wie immer neben ihr, düsterer, trostloser, zerrissener als je; und jetzt sprach +sie+ ihm Muth zu... jetzt suchte +sie+ ihm jene Säule wieder, an die er sich lehnen sollte. Sie hielt seine Hand in der ihrigen, auf welcher schon kalter Todesschweiß perlte -- und unverwandt haftete der brechende Blick ihres Auges auf ihm, welches Auge noch immer voll war von jener tiefen, unergründlichen Liebe. -- „Ich gehe ruhig aus dieser Welt --“ lispelte sie, Wort für Wort mühsam aussprechend und nach jedem schwer aufathmend: „ich sterbe glücklicher, als ich zu hoffen wagte.... Habe ich ja den Geliebten meiner Seele noch einmal zu mir kommen und sein Herz mir in inniger Zärtlichkeit sich zuwenden sehen.... Was soll ich mehr von meinem Schöpfer verlangen....?.... Er hat mich reichlich belohnt für allen Kummer.... Sein heiliger Name sei gepriesen!... Und nun noch eine Bitte --“ flüsterte sie kaum vernehmbar...: „erbarme Dich Deines Kindes -- Alexander!!. Lebt Beide wohl!!...“ Sie hatte ihren Geist ausgehaucht. -- Alexander ließ nun, die theuren Ueberreste gebührend zu ehren, sie in dem Erbbegräbniß seiner mütterlichen Ahnen beisetzen. Den Schmerz dieser Tage, dieser Stunden zu schildern ist unmöglich, aber seine Größe läßt sich in Erwägung der nunmehrigen völligen Hoffnungslosigkeit Alexanders recht wohl begreifen. -- Dieser Mann betrachtete sich jetzt so wie Einer, der früher nackt und arm war, plötzlich einen großen Schatz fand, welcher ihm jedoch, kaum daß er ihn besaß -- -- durch eine unerbittliche dunkle Macht entrissen wurde, mit der Gewißheit, daß er nie wieder ihn erlangen -- und in Zukunft wieder wie früher nackt, arm und elend bleiben werde. -- Jedoch nein! Nicht ganz war er dies. Ein leichter Punkt war ihm in dem trostlosen Dunkel seines Daseins doch noch geblieben -- eine grüne, blüthenreiche Oase auf seiner fernern Reise durch die Sandwüste des Lebens: das Kind Margaretha’s -- sein Kind -- seine holde Tochter Alexandrine. Sein düsteres Schweigen, sein finsterer Ernst stieg von Tag zu Tage. Er verließ jetzt nicht mehr sein Schloß, sein Gemach -- und kein Menschenantlitz bekam ihn zu sehen; selbst die nothwendigsten Geschäfte wurden zurückgewiesen und der Besorgung seiner Beamten überlassen.... Nur Alexandrine, dieses junge Wesen voll Anmuth und himmlischer Güte, blieb an seiner Seite -- gleich einem Schutzgeist suchte sie die bösen Stunden zu verscheuchen, von denen er wie von einem Heere wandernder Dämonen umschwirrt wurde. -- Aber es gelang ihr meistens nicht -- und im glücklichen Falle nur auf Augenblicke; waren diese vorbei, waren die zarten Kräfte des Kindes erschöpft -- so kehrten jene mit Wuth zurück und schleuderten ihn wie einen Zwerg zu Boden. Unter den Leuten seiner Umgebung gewannen die Sagen, welche über ihn gingen, einen immer schauerlicheren Charakter... Alles das, was unerklärlich für den gemeinen Sinn war, wurde von demselben auf’s schlimmste gedeutet, und so brachte man den armen Grafen, den man früher mit bösen Geistern, einer Besessenen und Hexe verkehren sah -- jetzt gar mit der Hölle in _pleno corpore_ -- d. h. mit der ganzen und vollen Zahl höllischer Heerscharen in Verbindung, wobei man nicht vergaß, zu behaupten, diese hätten unsichtbar vom ganzen Schloß Besitz genommen, und umtanzten bei Tage den Herrn, zur Nachtzeit den Sarg der Hexe, die unten in der adeligen Gruft lag... Bald, sagten sie, werde das ganze Schloß in Rauch aufgehen -- der Pechgeruch sei bereits allerwärts zu verspüren. -- Auch von Alexandrine war da noch Vieles zu bemerken. Es ließ sich nicht bezweifeln, daß irgend ein häßlicher Kobold in dieser zarten Mädchenhülle verborgen sei, der die Bestimmung habe, den verlornen Grafen zu bewachen -- ihn keinen Schritt von der Straße abweichen zu lassen, welche glatt und schnurstracks zum Königreiche Lucifers führt... Ungeachtet dieser freundlichen Beurtheilung, womit seine Diener und Unterthanen ihn beglückten, unterließ er, der sich deshalb einmal mit seinem Verwalter berathen hatte, nicht, ihnen Tag für Tag Gutes zu erweisen, ihnen die Lasten zu verringern, die Pflichten angenehm zu machen -- ihre Vergehungen mit Nachsicht zu bestrafen, dagegen bei Belohnungen großmüthig zu verfahren und sich hierbei an kein anderes Maß zu binden, als an das eines gütigen Herzens. -- Glaube man ja nicht, daß es ihm hierbei um einen Zweck zu thun war... er wollte durch diese Veranstaltungen weder berühmt noch beliebt werden; es war weder die armselige Affektation eines unglücklichen Theaterhelden -- noch die wohlberechnende Klugheit eines menschenfreundlichen Wucherers... es war einfach der dunkle, aber mächtige Trieb jener Herzen, die in den Byron’schen Menschenhassern wohnen und auf deren Grunde die edelsten Menschenfreunde verborgen sind; edle, erhabene, tiefe, excentrische und gewaltig empfindende Naturen, die vom Glück eben so heftig bewegt werden, wie sie das Unglück erschüttert, so daß sie dort wie hier jeden Halt verlieren, außer den Edelmuth, der nie von ihnen weicht, der kostbar blinkt, wie die Perle in der Muschel, mag diese auch getödtet werden und verwesen. -- So ward z. B. jenen um das Seelenheil ihres Herrn so eifrig besorgt gewesenen Leuten, deren Tollheit sich unter die Kutte ihres Pfarrherrn verbarg -- die angedrohte Strafe erlassen, dem letztern jedoch bedeutet, das Kapitel des Exorcismus _in praxi_ aus seiner Liturgie zu streichen, was der geängstigte Geistliche um seiner Pfarrkinder und Gänse willen auch zu thun angelobte -- jedoch mit schwerem Herzen, denn er war auf seine Teufelsbannkunst stolzer, als auf alle seine übrigen Kenntnisse und Fähigkeiten, sowohl im Latein wie im Griechischen und Hebräischen, worin er freilich kein Weltwunder sein mochte. * * * Wider seinen ausdrücklichen Befehl fand der Graf die Thür seines Schlafzimmers heute nur blos angelehnt, nicht zugeschlossen, und eben wollte er seinen Kammerdiener rufen, um ihn wegen dieser Nachlässigkeit, die seiner jetzigen Meinung nach ein Verbrechen war, zur Rede zu stellen ... als seine Blicke auf den Tisch neben die Lampe fielen -- und eines Briefes gewahrten, der mit großer Hast hingeworfen zu sein schien, denn er lag so, daß er jeden Augenblick auf die Erde fallen konnte... Bevor der Graf diesen Brief zur Hand nahm, that er nun dennoch das, wozu er schon früher entschlossen war, er klingelte und ließ sein ganzes Hauspersonal zusammenkommen, vom Sekretär und Verwalter bis zum letzten Bedienten. Als die Leute beisammen waren, redete er sie mit finsterer Strenge an: „Wer von Euch hat es gewagt, diese Thür hier zu öffnen?“ Sie sahen ihren Herrn erschreckt an und wandten sich mit fragenden Blicken zu einander. Der Kammerdiener trat vor und sprach zitternd: „Vor einer Stunde, gnädiger Herr, habe ich das Schlafzimmer geöffnet und darin Alles in Ordnung gebracht -- sogleich jedoch trat ich wieder heraus und kann es beschwören, daß ich die Thüre fest verschlossen habe.“ „Gut!“ versetzte Alexander: „ich will Dir glauben, Antoni; ich weiß, Du lügst nicht, ich weiß auch, daß Du Deinen Dienst pünktlich versiehst und daß meine Befehle Dir heilig sind.... Anfangs hatte meine Vermuthung Dich getroffen -- -- doch jetzt bin ich vom Gegentheil überzeugt und habe deshalb die Andern hierher beschieden. -- -- Nun,“ rief er mit lauter Stimme: „meldet sich Niemand von Euch? Ist der Schuldige etwa nicht hier?“ Alles blieb stumm. Der Graf, in Zorn gerathend, stampfte auf den Boden: „Ich will es wissen! Weh demjenigen, den ich später selber als den Thäter entdecke. Er trete lieber gleich hervor!“ Nichts; kein Laut. Da trat Alexander in das Schlafzimmer zurück... nahm den Brief vom Tische, und ohne dessen Aufschrift zu lesen, wies er ihn der Schaar vor: „Dieses Schreiben ist hinein gelegt worden -- -- der Kammerdiener trägt die Schuld nicht .... Wer also hat sich unterstanden....?“ Tiefe Stille. -- In diesem Augenblicke glitten seine Blicke unwillkührlich über die Aufschrift hin -- und als hätte ein Krampf seine Hände ergriffen, zerknitterte er das Papier und drückte es so zusammen, daß es einen Knäuel bildete.... Jetzt wie von einem unwiderstehlichen Gedanken erfaßt -- verabschiedete er rasch die Domestiken -- eilte in das Gemach -- entfaltete den Knäuel und las nun auf der Rückseite des Briefes mit den Schriftzügen +Cölestinens+: „+An den Herrn Grafen Alexander von A--x! --+ +Man bittet ihn flehentlichst, diesen Brief zu öffnen.+“ Ein nie gefühlter Drang trieb ihn, dieser Bitte zu willfahren, derselbe Drang, welcher ihn zu dem vorigen Schritte genöthigt hatte. Er erbrach das Siegel, der Inhalt des Briefes lautete: „Mein theurer, heißgeliebter Gemahl!“ Bei dieser Stelle angelangt, wollte er das Papier zerreißen -- doch las er noch einige Zeilen. „Ein wahrer und aufrichtiger Freund, ein solcher, dem der erhabene Name +Freund in der Noth+ gebührt -- überbringt Ihnen diesen Brief. Er wird Mittel finden, zu Ihnen zu gelangen, mögen Sie die eherne Mauer, womit Sie sich gegen mich und die Welt umgeben, auch verdreifachen. -- Und so weiß ich, daß diese Zeilen gewiß in Ihre Hände kommen, die theuren Augen meines Gemahles, meines angebeteten Alexander auf ihnen ruhen werden. Ja -- so nenne ich Sie! und ich rufe Gott, der uns erschaffen hat durch einen Wink seiner Hand, der uns vernichten kann durch einen solchen -- ihn rufe ich an, mich zu hören, indem ich Sie so nenne.... mich in dem Augenblick, wo ich das Wort ausspreche, zu zerschmettern, wenn es eine Lüge enthält. -- O Alexander! Alexander! Wohin ist es mit uns gekommen? -- Hätte ich das denken sollen -- hätte ich es selbst im Wahnsinn eines hitzigen Fiebers damals denken sollen, als es noch nicht so um uns stand, wie in dieser entsetzlichen Stunde... denn jede Stunde ist jetzt entsetzlicher als die vorhergehende -- das Schicksal scheint sich an mir erschöpfen zu wollen in seinem Reichthum an Elend! Es hat schon den ganzen Köcher über mich ausgeleert... und doch treffen mich noch mit jedem neuen Athemzuge neue giftigere Pfeile. -- -- O mein Gott, mein Gott! Erbarme Dich meiner und seiner! Sende einen Deiner allgewaltigen Lichtstrahle herab in diese Finsternisse!... Du bist ja der Beschützer der Unglücklichen, der Unschuldigen und Verfolgten... Warum hast Du deine Gnade nicht auch für mich -- die mit ihrem reinen Herzen vor Dir liegt im Staube?... Ich bin ja schuldlos wie ein lallendes Kind -- wie der Gedanke eines frommen Dichters! -- Du siehst es -- Du weißt es -- Du allein kannst es bezeugen -- -- und doch schweigst Du, Unerforschlicher, heiliger Vater der Menschen! -- rede zu ihm nur ein Wort -- flüstere es ihm im Wehen des Morgenwindes, oder wenn der Zephyr Abends an seine Schläfe streift, zu: ich bin unschuldig, sein Weib war unschuldig, wird es bleiben bis zum letzten Schlage eines Herzens, das nur für ihn pocht. -- Mein Gemahl, mein Gatte -- warum sollte ich das Alles sagen, da nichts mich dazu zwingt? Sie haben nach Ihrer Trennung von mir meine Verhältnisse so gestellt, daß, wäre nicht meine Liebe zu Ihnen, ich mich darin nur glücklich fühlen könnte. Wäre ich eine Verbrecherin -- so könnte ich ja nichts sehnlicher wünschen, als den Fortbestand meiner jetzigen Lage. -- Aber ich bin keine Verbrecherin, ich bin Ihre treue Gattin -- Ihr treues Weib vor den guten Menschen und vor Gott. Ich bin so rein von aller Schuld wie die Engel im Himmel es sind... Und ich kann von mir sagen: ich will vor den Spiegel der Tugend treten und es wird kein Fleckchen seine klare Fläche trüben. -- -- Welches sind die Zeugnisse, die gegen mich sprechen? -- Nennen Sie mir sie! Ich, ich darf keine anführen, um mich zu vertheidigen, -- -- dies ist der Tugend nicht eigen, hierzu darf sie sich nicht herablassen. Und wollte ich überhaupt reden -- -- wollte ich von demjenigen reden, was allein noch einen Schein, einen Schatten von Zweifel auf mich werfen kann, so würde ich anderweitig ein Verbrechen begehen. -- Doch dies ist es nicht, was Ihren Verdacht erwecken konnte .... es muß etwas Anderes sein. Ein böser Geist muß zwischen uns stehen -- der einen bösen Samen aussäet... dieser Samen wächst in rasender Schnelligkeit zur Höhe -- und verbirgt mich in meiner Unschuld dem Auge des Gatten. -- -- O Alexander, einzig Geliebter Deines Geschlechtes!.... Gewiß, die Dinge werden nicht ewig so bleiben.... es wird endlich eine mildere Sonne ihr Licht über uns ergießen -- aber Du wirst dann mein treues Herz nur durch einen grünen Rasenhügel erblicken. Und diese Zeit wird bald kommen, früher als Du wohl glaubst.... Alexander, es kann nicht mehr bis zum kommenden Sommer währen, nicht mehr bis zu dem Tage, wo die Schwalben gezogen kommen, um ihr himmlisches Nest zu suchen -- und auch ich werde in meine Heimath hinüber ziehen.... Könntest Du diese elende Hülle sehen, die einst so blühend, so fröhlich, so heiter, so glücklich, so voll berauschender Lust vor Dir stand, die nicht nur durch ihre Jugendkraft, sondern auch durch Deine Liebe so große Ansprüche an das Leben hatte -- könntest Du sie jetzt sehen, wie sie stündlich mehr zusammenfällt und eine Frucht für das Grab wird .... o, ich wage es zu hoffen, Du würdest Dich besinnen -- vielleicht nur zuerst aus Schrecken oder Mitleid -- aber gleichviel, Du würdest in Dich gehen -- Deine Sehkraft anstrengen... sie würde diese dünne Hülle durchdringen -- und drinnen das Herz im hintersten Winkel vor Jammer und Trübsal zusammengeschrumpft sehen.... mein Herz, dieses treue, zärtliche, gute Herz, dieses Herz eines Kindes und einer Gattin zugleich.... „Doch ich höre auf zu rufen und zu wehklagen! -- Ich schließe diesen Brief. -- Sollte es der letzte sein, der den Weg zu Dir fand .... sollten diese Zeilen die Abschiedszeilen eines unglücklichen Weibes von ihrem heißgeliebten Gatten -- sollte dieser Gruß der letzte Gruß einer verkannten Frau von ihrem allzustrengen Manne sein: so grüße ich Dich aus den innersten, unergründlichen Tiefen meiner treuen Seele und flehe den allmächtigen Gott an, Dich stets mit Glück und holder Zufriedenheit zu umgeben -- Dich durch dieses Leben wie durch einen blühenden Garten zu führen -- am Ziele deines Weges aber Dir eine Aussicht zu öffnen, die in den Kreis seliger Cherubim und zu den Geliebten Gottes reicht, deren einer Du werden mögest.... „Dort, dort, Alexander, werden wir uns gewiß endlich finden! „-- -- Ach ich kann dieses Schreiben nicht schließen, ohne mit herzzerreißender Stimme zu rufen: ich bin unschuldig, ich bin unschuldig, ich bin unschuldig! -- +Cölestine+.“ Alexander hatte den Brief bis zu Ende gelesen. -- Als er vorüber war, fiel er kraftlos in einen Lehnstuhl und lange fand er keinen Gedanken, keine Empfindung, kein Bewußtsein. -- Eine betäubende Leere allein erfüllte Alles in ihm und um ihn. So wie ihm jetzt geschah, war ihm noch niemals geschehen.... vergebens hätte er diesem sonderbaren Anfall widerstrebt, er war, ehe er sich’s versah, dessen Sclave, gefesselt an Händen und Füßen -- an Seele und Leib. -- Ein tausendstimmiges Chaos rauschte, braus’te, klang und summte um seine Ohren -- und es schien nicht anders, als hätte die Natur alle ihre Kräfte, leibhafte und geisterhafte, entfesselt, um sie gegen ihn zu senden, nicht damit sie ihn vernichten, sondern damit sie ihn in eine grenzenlose Verwirrung brächten, die länger dauernd den Bau seines Wesens zerrütten und zuletzt mit Wahnsinn endigen mußte. Zum Glück haftete dieser Zustand nicht lange unverändert an ihm -- er machte nach und nach einer völligen Dumpfheit Platz -- und war früher das Ohr das Mittel gewesen, durch welches die Ereignisse an seiner Seele rüttelten, so wurde es jetzt, nachdem der Gehörsinn völlig aufgehoben schien, das Auge. Eine Welt voll Visionen tummelte sich vor seiner Pupille -- -- bunt und düster, groß und klein, monströs und edel -- rasch und langsam -- wild und sanft: Figuren auf Figuren von unübersehbarer Menge, wie die Wellen eines brandenden Meeres! Es war ein Zug, der keinen Anfang und kein Ende nahm. -- O wie sie tanzten -- sprangen -- ras’ten... früher waren sie doch so ganz sachte auf glattem Boden dahingehuscht... aber nun mit einem Male hatte sie alle irgend ein wüster Wirbel erfaßt -- und die stille Kirchenfahrt wurde zum tollen Hochzeitszug -- zum wüthenden Teufelstanz... Seine Hirnschale drohte zu zerspringen ob des vielen Sehens; -- das innerlich kochende Gehirn schien bereits durch einige Poren durch die Augenhöhlen herauszuzischen.... wild warf sich der unselige Seher mit dem Angesichte gegen den Erdboden und wühlte mit den Fingern darin; er hätte ihn gern zur unermeßlichen Tiefe aufgewühlt, um sich selbst hineinzulegen.... Da endlich däuchte es ihm, er läge wirklich schon darin -- er empfand lindernde Kühle und ihn umfing finstere Nacht.... Alle Gestalten waren verschwunden... der Gesichtssinn hatte seinen Dienst vollbracht, war erlahmt... Ach, mein Gott -- noch immer hatte das Schicksal nicht das rechte Organ gefunden, wodurch es deutlich zu dem Elenden sprechen konnte, so deutlich nämlich, daß er es verstand und vom Verständniß zu Grunde ging. -- Denn so hatte es das böse Schicksal gewollt;... nicht im Tollsinn sollte er reden -- es wollte ihn im Bewußtsein seines namenlosen Elends hinabschleudern zum Orkus. Darum wandte es sich jetzt von seinen äußern Talenten zu den innern -- zu den scharfen geistigen Medien; es faßte ihn mit Geierkrallen unmittelbar am Herzen -- und spie in’s Antlitz seiner Psyche... Es rollte mit einem Ruck zwei ungeheure Berge von Schuld vor seine +Erinnerung+ hin -- sie glichen zweien Scheiterhaufen, und auf dem Gipfel des einen lag Margaretha gefesselt und gebunden -- auf jenem des andern aber -- Cölestine.... und er selbst, er lief mit einer brennenden Fackel hin und zündete zuerst den einen, darauf den andern an... und tanzte dann zwischen beiden -- und schürte ihr Feuer -- und wandte sich mit gotteslästerlichen Gebeten an den Himmel, den er anflehte, ihm seine Blitze zu Hilfe zu senden, weil dies irdische Feuer zu schwach brenne.... und droben auf den Holzstößen, wo die Flammen über ihnen zusammenschlugen -- heulten die Opfer unter rasenden Martern -- und schrien auch zum Himmel auf -- aber sie schrien um eine Fluth, die herabstürzen sollte auf ihre brennenden Glieder und glimmenden Haare -- und als der Himmel kein Wasser senden wollte -- -- da verlangten sie nun auch mehr Feuer -- sengende Blitze.... damit ihre Qual schneller ein Ende nähme.... Aber nichts von dem Allen ward erhört! -- Alles ging seinen natürlichen Gang. -- Alles, was geschah, geschah durch ihn, durch den Henker, durch Alexander -- er allein briet seinem Herzen dies höllische Mahl -- und er allein verschlang es, der ärgste unter den Cannibalen -- -- ein Teufel in adeliger gesitteter Mannesgestalt. -- Er erwachte. -- „Ja!“ schrie er händeringend auf: „Ich bin ein Würgengel! So wie die Eine fromm und schuldlos war -- -- so wird es wahrscheinlich auch die Andere sein.... Ich habe die Eine gelästert und zerstört -- ich habe es ohne Zweifel auch mit der Andern so gemacht... Es wird mir klar, ich bin auserkoren -- gleich dem Satan die Kinder Gottes zu verlocken und zu verderben.... Cölestine, Du bist rein und fleckenlos wie es Margaretha war... jene wie Dich tödtete mein Wahnsinn!“ Kaum hatte er dies gesprochen -- als neben ihm eine gellende Lache aufschlug, welcher die Worte folgten: „Armseliger Tropf! So ist also wieder all’ Deine Mannheit dahin? -- dahin Dein Stolz und Deine ganze Größe? -- -- Geh, geh -- Du bist der Kleinen Kleinster!... ein Knabe, der gerne ein Riese sein möchte.... stets aber von einem +Weibe+ überwunden wird. Auf Deiner Stirne brennt mit unauslöschlichen Zügen das Schandmal: „Weiberknecht!“ -- -- und all Dein Thun hat seine Qual in der eitlen Laune irgend eines Weibes. -- -- Tausendfach verhöhnter Liebhaber und Gatte -- Du wirst es bleiben bis an’s Ende Deiner Tage!... So bist Du schon wieder Narr genug -- den glatten Worten eines Weiberzüngleins zu glauben? -- -- Wohlan! Geh’ hin -- begib Dich um Mitternacht zu der Wohnung dieser Cölestine -- -- schleiche Dich hinter die Gartenmauer Deines Hauses -- kaure hinter einem Strauche -- -- und Du wirst Deine treue Gattin kommen sehen, verhüllt mit Schleier und Tüchern... darauf tritt ihr der schöne schlanke Geliebte entgegen (Du kennst ihn wohl!) -- -- sie umfängt ihn mit brünstigen Armen -- er entführt sie rasch -- denn kein köstlicher Augenblick ist zu versäumen.... Wohin führt er sie? -- -- -- Nach +seiner+ Wohnung, nach +seinem+ Hause .... hier bringen sie zwei Stunden zu, um einander zu küssen und über Dich zu lachen!“ Jetzt verstummte die Stimme. Jetzt erst gewahrte Alexander, daß er sich außerhalb seines Schlosses im dichten Walde am Rande des Sees befinde. -- Von dem fremden Sprecher aber war nichts zu sehen; keine Spur mehr zu entdecken. -- Freilich jedoch herrschte bereits finstere Nacht und am Himmel blinkte nicht ein Sternchen.... Wie er hierher kam aus seinem Schlafgemache, wußte er sich nicht zu sagen; doch erfuhr er am andern Morgen, daß er gestern Abend in tiefen Gedanken versunken herausgewandert sei in’s Freie, der Pförtner hatte ihm erstaunt nachgesehen, jedoch weder gewagt, mit ihm zu sprechen, noch ihm zu folgen. -- Zehntes Kapitel. Auf der That ertappt. Noch an diesem Tage verließ der Graf allein und ohne alle Begleitung das Schloß und begab sich in einer unscheinbaren Kutsche nach der Residenz; er passirte unerkannt die Linien und stieg in einem der armseligsten Gasthöfe ab. Hier nannte er einen fremden Namen, und nachdem er ein einfaches Zimmer bezogen, schloß er sich, seiner Gewohnheit nach, darin ein. Er hatte nichts anderes mitgebracht, als seinen Mantel und unter demselben ein Paar lange, dünne, scharfgeschliffene Klingen, von moderner Pariser Arbeit. Mit ihnen unter dem Arme, von seinem Mantel eingehüllt, verließ er Abends in tiefer Dunkelheit seinen Gasthof, bezahlte den Wirth und begab sich sofort zu seinem Notar, den er gewiß war jetzt zu Hause zu treffen. Diesem händigte er ein versiegeltes Paket ein mit dem Bedeuten, es nach drei Tagen in dem Falle zu öffnen, als er bis dahin keine Gegenordre erhalten hätte. -- Das Paket enthielt Alexanders letzten Willen. Nunmehr, mit seinen bürgerlichen Angelegenheiten in Ordnung -- eilte er, denen seines Herzens und seiner Ehre Genüge zu leisten. Er trat den Weg nach seinem Palaste an, und da er wußte, daß seine Gegner sich der verborgenen Pfade bedienen würden, wählte er die allgemeine breite Heerstraße, auf der er auch ungesehen bis an den bezeichneten Platz gelangte. Es war ihm, der mit der Oertlichkeit dieses Gebäudes, welches er selbst hatte aufführen lassen, sehr vertraut war, leicht, sich hier zu verbergen, ohne daß Jemand seine Nähe ahnte. -- Keines Dieners Auge, keines Hundes Wachsamkeit hatte ihn entdeckt und mit bitterem Lächeln sagte er zu sich: „Ich bin in meinem Hause sehr treu bewacht!“ Es schlug jetzt halb Zwölf. -- Er setzte sich auf den Boden, legte die Waffen vor sich hin und betrachtete mit Wohlgefallen ihre Spitzen -- denn diesmal schimmerten die Sterne, auch hatte sein Blick eine wunderbare Schärfe gewonnen, die jener eines Geiers glich. Langsam, träg und faul zog die Zeit hin -- Alexander meinte, diese halbe Stunde sei hinreichend, eine neue Welt zu bauen oder zu zerstören... an dem letztern Gedanken hielt er sich mit Wonne. -- Endlich schlug es Zwölf.... In diesem Augenblicke raschelten seitwärts die Zweige des Gebüsches -- und heraus trat ein Mann, ebenfalls in einen Mantel gehüllt. -- Er wandte ihm den Rücken zu, und schritt langsam zur Gartenmauer, und zu dessen Pförtchen, welches hier auf’s freie Feld führte. Selbst dem penetrirenden Blicke Alexanders war es nicht möglich, den Mann zu erkennen -- sein Mantel verbarg ihn vollständig, überdies schien er sich noch durch andere Mittel unkenntlich gemacht zu haben. -- Jedoch es war kein Zweifel, daß es ein junger Mensch sei, und an Größe glich er vollkommen dem Chevalier von Marsan. -- Es vergingen einige Augenblicke und leise ohne daß man es hörte, drehte der Schlüssel sich um, das Pförtchen ging auf.... eine Dame trat heraus. -- Auch sie war trefflich maskirt, so daß selbst Alexander unter anderen Umständen seine Frau nicht erkannt hätte -- ihr Gang aber verrieth sie ihm dennoch. -- Ohne ein Wort zu wechseln, stürzten die beiden Personen sich in die Arme und blieben lange so -- dann still, wie sie gekommen waren, rafften sie sich auf, und schlugen eilig einen Weg ein, welcher unter dem Schutze der Gebüsche und Bäume nach der Stadt führte. Längst schon hatte auch Alexander sich erhoben -- und folgte ihnen in einiger Entfernung Schritt für Schritt, nahe genug, um sie stets im Auge zu behalten -- und doch so weit, um mit Hülfe der sich darbietenden Deckungsmittel selbst ungesehen zu bleiben. -- Man hatte auf diese Weise ungefähr einige hundert Schritte zurückgelegt -- als er am Eingange einer breiten, aber öden und unbewohnten Straße einen Wagen halten sah.... und vermittelst seines wie durch Zaubermacht geschärften Blickes -- sogleich +Marsan’s Equipage+ erkannte..... In diesem Momente riß es ihn mit tausend Ketten empor, er vergaß aller Vorsichtsmaßregeln -- stürzte der Buhlerin und ihrem Buhlen nach, die Erstere drehte sich rasch um und stieß den Ruf aus: „Um Gotteswillen! Ein Mann hinter uns!“ -- dann liefen Beide eilig auf die Equipage zu... aber sie hatten sie noch nicht erreicht, der Kutscher hatte Cölestinens vernehmlichen Befehl: „Rasch den Schlag aufgemacht!“ noch nicht vollziehen können, als Alexander schon dicht hinter ihnen war -- und (seines Vorsatzes, dem Mann einen von den Degen anzubieten, vergessend) mit beiden, gleich einem Mörder, über ihn herfiel, den einen in dessen rechten Arm, den andern ihm in’s Gesicht bohrte. -- Aber jetzt ward er verhindert, sie noch weiter zu gebrauchen... er fühlte sich rückwärts überfallen, von zwei gewaltigen Fäusten gepackt, entwaffnet und so zu Boden geschleudert, als sollte er sich nie wieder erheben... Der Kutscher (denn er war es) hob die Degen auf, packte den Verwundeten in den Wagen, schob Cölestine hinten nach und im wilden Galopp rollte die Equipage über das Straßenpflaster dahin. Alles das geschah in Zeit von einigen Minuten -- kein Wort war gewechselt worden -- kein Laut dem Munde der betheiligten Personen entfallen -- der Verwundete schien entweder vom Schreck oder vom Stich leblos geworden zu sein .... er lag gleich einer Leiche in dem Schoße Cölestinens. -- Beim Einsteigen in den Wagen hatte Cölestine dem Kutscher zugerufen: „+Nach der Wohnung des Chevaliers von Marsan!+“ -- Dies war das einzige Wort gewesen. Alexander hatte es noch gehört. -- Elftes Kapitel. Die Katastrophe. Aber die Mauern einer großen Stadt haben tausend Ohren und die Ziegel auf dem Dache Millionen Augen; es wird Alles gesehen und gehört, mag es auch im tiefsten Dunkel der Nacht und im abgelegensten Winkel geschehen -- überdies nimmt die Polizei, vermöge einer ihrer Eigenschaften, die man bei der Wiener’schen +Allwissenheit+ nennen darf, von Allem schleunigst Notiz -- mit einem Worte, zwei Tage nach obiger Begebenheit sprach man in den Cirkeln von einem Mordanfall, der in der N*straße auf zwei Personen gemacht worden sei, welche Personen sich nur durch rasche Flucht in der Equipage des Chevaliers von Marsan ihrem sichern Tode entzogen hätten. Zu erzählen oder vielmehr zu erklären, auf welche Weise die Fama zur Kenntniß dieser einzelnen Umstände kam, ist uns nicht möglich -- denn was Alexander betraf, so hatte dieser von dem Augenblick, wo die Equipage abfuhr, bis zur gegenwärtigen Stunde, nicht die geringste Unannehmlichkeit zu bestehen gehabt. Er war damals bald nach seinem Unfalle vom Straßenpflaster aufgestanden, ohne Jemand um sich zu erblicken -- -- und seit der Zeit wohnte er bei seinem Rechtsanwalt, in dessen Hause er sich von einer Unpäßlichkeit zu erholen suchte. -- -- Anderseits konnte Cölestine doch unmöglich selbst das Gerücht ausgestreut haben -- und auch von dem Kutscher war dergleichen nicht zu erwarten. -- -- Die einzige Möglichkeit war diese: es hatte Jemand Fremder der nächtlichen Affaire zugesehen, allein wie dieser Mensch war, wagte er es nicht, sich selbst auf den Kampfplatz zu verfügen, sondern eilte -- da ohnedies in dieser Straße keine Hilfe zu erlangen war -- nach der Wache oder Polizei. -- Als dieselbe erschien, war jedoch nicht nur der Wagen, sondern auch Alexander bereits verschwunden. -- Der Letztere hatte gegen seinen Anwalt geschwiegen -- er gab vor, einen Zweikampf bestanden zu haben, der für ihn glücklicher als für seinen Gegner ausfiel.... im Uebrigen zeigte er sich äußerlich heiter und sogar humoristisch -- während in seiner Seele eine Hölle glühte... deren Flammen nur gemildert wurden durch die wenigen Tropfen von Hoffnung, daß er den Buhlen seines Weibes schwer, vielleicht gar tödtlich verwundet habe.... Allein was war das Alles! -- Nicht nur dessen Leben wollte er haben -- nicht nur das Herz ihm aus dem Busen reißen und dessen heißes feindliches Blut trinken... er lechzte nach der Seele Marsan’s -- er wünschte, daß er ihn in einem unvorbereiteten Augenblicke, da dessen Gewissen mit gräuligen Sünden beladen gewesen sei, getödtet hätte -- so daß die Seele des Verhaßten zur ewigen Verdammniß hinab fuhr! -- Das wünschte er, darnach rief er alle dunklen Mächte an. -- -- Ach, welches Erstaunen, welches Entsetzen erfaßte ihn, als sein Wirth ihn benachrichtigte, im Hause des Chevaliers werde nächster Tage ein großes Fest begangen werden -- die Veranlassung hierzu sei die Ernennung Marsans zum Gesandten am Hofe von G**, wohin er sich alsbald begeben werde. Das Fest sollte an Glanz Alles überbieten, was in dieser Art bei einem vornehmen Garçon noch je vorgekommen. Er, Marsan selbst, wollte dabei die Honneurs machen. Dies Alles schien dem Grafen ein alberner Traum oder eine elende Mystifikation; nach einigen Minuten jedoch sah er, daß er vollkommen wache, und erinnerte sich, daß den Worten des Notars stets zu glauben war. So gehörte also das Ganze in die Welt der Wunder, welche man am besten mit Auge, Hand und Ohr controlirt. Das Letztere zu thun war Alexander entschlossen. Er wollte in eigener Person dem Feste beiwohnen, -- bis dahin jedoch sich hüten, darüber nachzudenken.... denn das Nachdenken konnte ihn zum Wahnwitz führen. Zwölftes Kapitel. Das Fest bei dem Chevalier von Marsan. Das Haus des Chevaliers -- ein neues Gebäude, welches sehr einsam in der Gegend des Belvedere lag -- war seinen Gästen geöffnet, die zahllos heranströmten, um ihm zu seiner Ernennung Glück zu wünschen. Das in Rede stehende Fest fand in den Abendstunden statt, weil ein Ball mit demselben verbunden werden sollte. Das Haus oder Hôtel oder der Palast war in seinen zwei Etagen glänzend erleuchtet, so daß die Lichter noch draußen hundert Schritte im Umkreise Tageshelle verbreiteten; -- und eine Wagenburg war unten aufgefahren, die den Neid jeder einzelnen Person durch deren Wagen sie vermehrt wurde, erregen mochte. Fürstliche, herzogliche, hochgräfliche und Wappen von allen andern Ritterklassen waren da an den Schlägen zu sehen... fabelhaft prunkende Livreen tummelten sich neben denselben umher. Vor dem Portale des Hôtels aber standen zwei Portiers, so groß wie Patagonier -- und mit so langen Stöcken, daß jeder eine gute Kosakenlanze hätte abgeben können -- dies jedoch, wie natürlich, ohne den mächtigen Knopf aus massivem Silber. Eine Suite von zwölf Gemächern, worunter drei große Salons, war oben im ersten Stock bereit, diese Tausende von Personen aufzunehmen -- deren Blick beim Eintritt geblendet wurde von einem in Wahrheit orientalischen Luxus. Denn das ganze Haus Marsans war in diesem Geschmacke eingerichtet -- und schon unten an den Treppen hatten uns schwarze Kammerdiener empfangen, während hier in den Sälen die aufwartende Dienerschaft aus lauter echten Abyssiniern in dem malerischen Costume ihres Vaterlandes bestand. -- Jedoch wollte der Herr des Hauses den Orientalismus nicht so weit treiben, daß er zum Besten jener Gäste, die für denselben keine so große Leidenschaft nährten, wie in diesem Augenblick er -- nicht auch einige Europäer mit schwarzen, betreßten Fracks unter seine Söhne des Islams gemischt hätte. -- Der Boden dieser Appartements war theils mit trefflichen Teppichen aus Aleppo belegt -- theils mit einer Art von feinen Binsendecken, welche so glatt waren, daß man darauf tanzen konnte, und die in Skios verfertiget werden. An den Wänden hingen köstliche bunte Stoffe -- zwischen welchen Säulen von Marmor standen mit abentheuerlichen Kapitälern und Sockeln versehen, so daß sie aus dem Serail des Padischah oder Mehemed Ali genommen schienen; in den Draperien wechselte der Damast aus Damaskus mit den Shawls aus Teheran und Kashemir -- schwerlastende Stickereien, Franzen und Quasten faßten den Rand ein. -- Springbrunnen, mit wohlriechendem Wasser gefüllt, standen in den Ecken, und in der Mitte eines Salons befand sich ein Bassin aus carrarischem Marmor, worin Goldfischchen schwammen und welches tropische Gewächse und Blumen umgaben, aus deren Zweigen, trat man mit dem Fuß zwischen sie, liebliche Musik ertönte... Es waren lauter Weisen in jenem klagenden Tone, wie man sie unter den Mauern eines Harems zu hören bekommt. Kurz hier fehlte nur noch der Pascha, mit der langen Pfeife, auf Polster hingestreckt und von seiner Lieblingssklavin umkos’t. „Zum Teufel!“ sprachen junge Herrn in strohfarbigen Glacéhandschuhen, die von Patschuli dufteten: „Zum Teufel! -- Wo befinden wir uns? -- Sind das die Gärten der Semiramis oder ist es das Terrain der Mährchen von Tausend und einer Nacht...?“ Die guten Herrn! -- Sie hielten die Semiramis wahrscheinlich auch für irgend eine Sultanin im Lande der Gläubigen. -- Herr von Marsan empfing die ankommenden Personen in einem Mittelsaale. -- Er war im einfachen Salonanzuge -- braunem Frack, schwarzen Beinkleidern von Seide und eben solchen Escarpins; ein weißes Halstuch -- unter welchem das Offizierkreuz der Ehrenlegion hing, welches er mit seinem Gesandtschaftsposten zugleich erhalten hatte. Unter der Gesellschaft befanden sich von denen, welche wir kennen: der General und die Generalin von Randow -- Herr von Labers, der die Feldmarschallieutenants-Wittwe E--z begleitete, dann die Gräfin von Wollheim mit ihrem Gemahl. -- Natürlich, daß Cölestine fehlte, und Herrn von Porgenau sammt Gemahlin anlangend, so waren diese gar nicht geladen worden: in den Augen Marsans zählten sie zur Canaille, wohin er jedoch auch den Grafen Wollheim gestellt hätte, wäre dieser durch seine strumpfstrickende Frau nicht ein Freund des Generals gewesen. -- Leider trat mit jener gutherzigen Dame auch das Stiftsfräulein von Bomben herein, ohne daß sie eine Karte empfangen hätte; aber der Tag war zu wichtig: mehrere Damen, Mitglieder des Frauenvereins, waren zugegen, und mit diesen hatte dieses menschenfreundliche Ex-Mitglied diesmal etwas Besonderes vor. Hätte ein Maler den Begriff der +Liebenswürdigkeit+ personificiren und durch Pinsel und Palette auf Leinwand werfen sollen -- so brauchte er heute nur das Portrait Herrn von Marsans zu zeichnen; da war keine Zuthat, keine Idealisirung des Stoffes nöthig: er selbst, in baarem Wirklich, war Ideal. Selbst seine Feinde (und auch er hatte deren) waren entzückt -- um ihn schaarten sich nur Zufriedene, Glückliche. Bald hatten sich Gruppen und Kreise gebildet. -- Neben einer Fontaine saßen einige Damen, unter denen die Gräfin von Wollheim und das Fräulein von Bomben hervorstachen. Man unterhielt sich hier über das Fest, über den Geber desselben -- und erschöpfte sich in Conjunkturen wegen der glänzenden Belohnung, die ihm sein König für einige wichtige Dienste in letzterer Zeit zuertheilt hatte. Unvermerkt wußte das Stiftsfräulein, welches die schöne Kunst besaß, das Wort überall an sich zu reißen, das Gespräch auf einen neuen Gegenstand zu bringen, auf einen ihrer Lieblingsgegenstände. „Sie haben wohl schon von dem remarkablen Falle gehört, meine Damen -- der sich vor einigen Tagen in der N** Straße zugetragen und welcher in naher Verbindung mit dem Chevalier von Marsan, besser gesagt in +direkter Verbindung mit ihm+, steht?“ Es ließen sich nun einige Angaben vernehmen -- die alle von dem wirklichen Faktum abwichen und auch alle unter einander verschieden waren. „Nein, nein!“ versetzte das Stiftsfräulein: „das Alles ist nichts! -- Weit von der Scheibe! wie man zu sagen pflegt. Ich bin über den Punkt genau unterrichtet und kann Ihnen aus authentischen Quellen Geschöpftes mittheilen. So hören Sie denn!“ -- „Vor vier Tagen -- doch es war zur Nachtzeit, es war nach Mitternacht -- hielt die Equipage des Chevaliers, welche aus diesem Hause abgefahren war, wie gewöhnlich in der N** Straße, und er, nämlich Herr von Marsan, stieg heraus. Nachdem er seinem Kutscher den Befehl ertheilt hatte, ihn hier zu erwarten (+wie gewöhnlich!+ muß ich hinzusetzen), bis er zurückkehren werde, begab er sich zu Fuße auf Umwegen nach der Wohnung der Gräfin A--x, zu dem Gartenpförtchen (Alles wie gewöhnlich, meine Damen). -- Hier wartete er einige Augenblicke, nach welchen sich das Pförtchen öffnete und Cölestine bis über die Zähne maskirt heraustrat, (wie gewöhnlich). Sie fiel ihm um den Hals und rief: „Endlich! Endlich! Nach langem Harren und Fürchten.... endlich bist Du da, Geliebter, und ich kann Dich an mein Herz drücken. -- Böser, böser Mann -- warum hast Du mich eine so ewig lange Zeit in ängstlicher Ungeduld harren lassen?... Es ist ja beinahe fünf Minuten später, als Du kommen solltest!“ Hahaha! Hahaha! -- Was sagen Sie dazu -- meine Damen?“ wandte die Erzählerin sich zu ihrer Umgebung, fuhr jedoch gleich darauf wieder fort: „Nachdem sie diese schönen Worte ausgesprochen, die edle Gräfin von A--x, auch dasjenige, was sie enthielten, richtig gethan hatte (wie gewöhnlich!), hing sie sich an den Arm des zärtlich Geliebten und schlug mit ihm den Weg nach seinem Hause, nach diesem Hause hier, ein -- -- (Alles wie gewöhnlich!) Ach, welcher zauberische Spazierweg Nachts im Mondenschein durch eine entlegene, höchst romantische Gegend! Welche Worte wurden da, welche Blicke ausgetauscht -- welche Küsse rauschten durch die heilige Stille der Nacht -- welche Liebesseufzer -- oder auch Liebesgestöhne.... und was sonst noch Alles!? -- Denn Sie wissen doch, Gräfin Cölestine ist eine Candidatin des hohen Frauenvereins.... hahaha!“ „Zur Sache, beste Freundin! zur Sache!“ -- riefen die ungeduldigen Zuhörerinnen, die anstatt der Floskeln Thatsachen verlangten. „Nun denn also weiter! -- Die zwei holden Leutchen vergnügten sich drei Stunden lang im freien Felde zwischen Sträuchern und Bäumen .... der gute Mond sah anfangs recht gutmüthig schalkhaft in diese Wirthschaft hinein... zuletzt jedoch mochte es selbst ihm, dem Langmüthigen, zu toll werden -- und was thut er, der brave alte Kerl? -- Er sendet leise und klug einen seiner schärfsten Strahlen auf die pittoreske Gruppe des Liebespaares, so daß diese, trotz der getreuen Büsche und Blätter, so grell beschienen wird, wie am Tage... Alles das war noch immer wie gewöhnlich! -- Jetzt jedoch kommt etwas Ungewöhnliches... Im Augenblicke der vollen Beleuchtung... stürzt ein Mann, der sich bisher versteckt gehalten, hervor und auf die engverschlungene Gruppe des Liebespaars... der Mann hat einen Degen -- und will damit die Verbrecher züchtigen.... Jedoch ist dieser Mann ein Ehrenmann, ein Biedermann, ein Engel von einem Manne; statt allein auf die Beiden loszustürzen, wozu er doch das vollkommenste Recht besaß, bietet er dem Chevalier einen Degen an und will es mit ihm im Zweikampfe ausmachen. ... Armer Ehrenmann! Armer Biedermann! -- Was geschieht anstatt dessen? -- -- In dem Augenblick, wo er sich seinem Gegner nähert und ihm eine von den zwei Waffen, die er selbst mitgebracht hatte, anbietet -- entreißt die zärtliche Gräfin Cölestine ihm dieselbe und fällt ihn von hinten mit der Wuth einer Tigerin an.... (Wer hätte dies Alles der sanftmüthigen Gräfin zugetraut!) .... Nunmehr versieht sich Herr von Marsan seines Vortheils, ihm kann man so etwas weniger übel nehmen -- -- stürzt seinerseits auf den armen Mann, welcher alsbald zu Boden gerissen -- und, (durch wen von Beiden weiß man nicht) dermaßen zugerichtet wird, daß er aus mehreren Wunden blutet und ein entsetzliches Wehgeschrei ausstößt...“ „Das ist Alles selbst entsetzlich!“ schauderte der Zirkel, spannte aber seine Aufmerksamkeit immer schärfer an. „Bei diesem Ruf entfliehen die Verbrecher, und eilen dem Platze zu, wo noch die Equipage Marsans steht... aber Wuth und Verzweiflung gaben dem Verwundeten die Kraft, sich wieder rasch vom Boden aufzuraffen -- und er folgt den Zweien nach. Das war ein Rennen und ein Laufen! Man hätte es für eine Jagd halten können -- oder für ein Wettrennen... hahaha! -- Und das Geschrei des Verfolgenden, wie der Verfolgten! -- -- „Elende! Ihr sollt es mit Eurem Leben büßen!“ „„Allmächtiger Himmel! rette uns!““ -- u. s. w. -- -- Aber der Himmel und respective die Göttin Venus weiß die Ihrigen zu beschützen... mit einem Worte: der Rächer war eben am Wagenschlage angelangt -- als die Equipage mit dem darin geborgenen Liebespaar pfeilschnell abfuhr... so daß der Arme nur mehr ein entsetzliches Wuthgeheul ausstoßen konnte.... Venus, Amor, sowie den ganzen Himmel verfluchend.... und das mit Recht, denn rathen Sie, meine Freundinnen, wer dieser arme Mann wohl war --?“ „Nun -- es wird doch nicht...?“ hieß es wie aus einem Munde. „Ja, ja -- -- es war ihr Mann, +Cölestinens Mann+, der arme, bedauernswürdige, redliche und betrogene Graf +Alexander von A--x+, einer der edelsten Cavaliere dieser Residenz war es!“ Nach einer Pause voll tiefen Erstaunens -- fragte eine von den Damen: „So ist er also hier in der Residenz?... So liegt er also irgend wo krank, verwundet zum Sterben, der edle, gute, unglückliche Graf...“ „Wie Sie sagen, so ist es, meine Beste. Er liegt in einer elenden Hütte -- denn seine treulose Gemahlin und ihr Haus will er nicht mehr sehen -- krank, leidend, zum Tode verwundet ... wahrscheinlich wird der Märtyrer bald seinen Geist ausgehaucht haben....“ „Das Alles scheint mir indessen doch ein wenig unglaublich!“ bemerkte jetzt Gräfin Wollheim, nachdem sie lange mit einem ziemlich hohen Grade von Mißbehagen zugehört hatte, ohne sich entschließen zu können, drein zu reden; endlich war es ihr indessen doch zu bunt geworden: sie konnte diese Anklagen gegen ihre Freundin Cölestine nicht länger ruhig mit anhören.... wiewohl es ihr auch anderseits wieder schwer fiel, gegen das Fräulein von Bomben aufzutreten -- da diese sich ja ebenfalls ihrer Freundschaft erfreute. „Reden wir lieber von etwas Anderem!“ bemerkte die brave Gräfin, welche mit dieser Wendung einen Meisterstreich ausgeführt zu haben glaubte: „Reden wir von unseren Arbeiten, von unseren Beschäftigungen, wenn es Ihnen gefällt, meine Damen. Was mich betrifft... so habe ich wieder eine Jacke und drei Paar Strümpfe von starker Wolle gestrickt....“ „Ah, ah! für den edlen Frauenverein!“ fiel die Stiftsdame ein.... „Wer weiß,“ lachte sie, „welchem braunen Bauerburschen diese Jacke von einer der hohen Vorsteherinnen zugedacht werden wird.... haha!“ Bei diesen Worten ging der Chevalier an der Gesellschaft vorüber: „Meine Damen -- meine Gnädigen,“ sagte er mit einem artigen Lächeln: „man rüstet sich zum Spiel, zum Tanze. Welchem Vergnügen werden Sie den Vorzug geben?“ „Natürlich dem erstern -- wenn wir bei dem zweiten nicht blose Zuschauer bleiben wollen!“ bemerkte das Fräulein. „Nun denn erlauben Sie, daß ich Ihnen den Arm biete, um Sie nach dem Spielzimmer zu führen....“ Er begleitete die Gräfin von Wollheim -- die Andern folgten. „Ich werde dort, wie ich hoffe, die edlen Mitglieder des saubern Frauenvereins finden!“ murmelte das Fräulein zwischen den Lippen -- denn Zähne, wie wir wissen, hatte sie keine -- dann rief sie mit Zorn aus: „Beim Domitian, Alarich und Genserich! -- ich werde Ihnen heute zeigen, mit wem sie’s eigentlich zu thun haben.... Hilf Samiel!“ So wie der Graf Wollheim seine Frau nach dem Spielzimmer gehen sah, machte auch er sich auf und folgte -- nicht ihr, sondern seinem Stern, das will sagen: seinem Durst. Er hatte bisher mit zwei oder drei Herren, die sich für außerordentliche Jäger hielten, gesprochen und fand -- daß wenn sie auch mit einem Theil der edlen Weidmannskunst umzugehen verstanden, sie doch im andern keinen Bescheid wußten.... und dieser zweite Theil schien ihm seit langer Zeit der +erste+ zu sein. Er fand nämlich, daß, während jene zwei Herren nur immer von Hirschen, Ebern, dem Anstand, der Fährte, dem Hallali -- Fängern -- Suchern -- Schlingen und Doppelbüchsen redeten -- -- sie der +Humpen+, +Krüge+, +Flaschen+ und +Fässer+ niemals erwähnten. -- Das schien ihm jedoch eine sehr miserable Jägerei -- er ärgerte sich dabei im Stillen schier zu Tode -- jemehr aber sein Aerger wuchs, desto mehr wuchs auch sein Durst, wie jeder Physiolog oder Patholog Euch haarscharf beweisen wird. -- -- Er riß sich demnach in einem Augenblicke, wo dies thunlich war, von dieser schlechten Gesellschaft los -- sagte, er wollte seine Gemahlin begleiten -- statt dessen begleitete er sich selbst -- in die Kellnerei. Wir sehen ihn hier noch einige Zeit, darauf verschwindet er hinter mannigfachem Trinkgeschirre unseren Blicken. -- Der General und die Generalin hatten sich auch zu den Spieltischen begeben, und so ist denn jetzt beinahe der ganze Kreis unserer Bekannten auf einem Punkte vereint, gleichsam als hätte das Schicksal sie mit Willen hier zusammengeführt. -- -- Da saß die Wittwe E--z und ihr gegenüber Herr von Labers; gleich daneben General Randow, die Gräfin Wollheim und die Generalin.... ferner mehrere Damen und Herren, die zur nähern Bekanntschaft der Letzteren gehörten und die wir oft in ihrem oder ihrer Tochter Salon angetroffen haben. Der Chevalier trat auf kurze Zeit herein, begab sich jedoch bald wieder in den Salon, wo getanzt wurde und wo seine Anwesenheit dringend erforderlich war. Dieser Salon stand mit dem Spielzimmer, von welchem wir hier sprechen, durch zwei große offene Thüren in Verbindung, und man konnte ihn daher seiner ganzen Ausdehnung nach von jedem Spieltische aus übersehen.... Dieser Umstand war für das fromme Stiftsfräulein von unberechenbarem Nutzen -- denn sie auf ihrem Sitze konnte jetzt den ganzen Kreis ihrer Feindinnen -- Opfer darf man wohl sagen --: sie konnte acht oder zehn Damen, welche neben einander im Salon saßen, beständig im Auge behalten; und diese Damen gehörten sämmtlich zum Frauenverein. In der Brust der seltenen Menschenfreundin kochten in diesem Augenblick, wie in einem Hexenkessel, Gift, Galle, Rache, Schlangen und Ottern -- nebst noch andern Species, mit denen man seine Feinde vertilgt; sie warf zeitweise wahre Belialsblicke hinüber, und wenn sie dann jene Frauen so sorglos und heiter sah, murmelte sie vor sich hin: „O auch Babylon war vergnügt und lachte -- bevor der Donner d’reinschlug... hahaha! Geduld -- Samiel umschleicht Euch schon!... Hilf Samiel!“ In diesem Augenblicke gab sie einem dicken Kerl, der in der Tracht eines Verschnittenen steckte -- und einen großen Korb in der Hand hielt (der Kerl war so eben erst eingetreten und hinter einer Draperie stehen geblieben, so daß er noch von Niemand bemerkt wurde), einen Wink; er trat mit seinem Korbe vor und auf ein neues raschgegebenes Zeichen schritt er in den Salon -- geradewegs auf die Damen des Frauenvereins zu, denen er, bevor sie noch Zeit hatten, sich von ihrer Ueberraschung zu erholen, den Korb vor die Füße stellte -- worauf er rasch in’s dichteste Gedränge verschwand... Jetzt ertönte ein lautes Geschrei aus dem Korbe -- man öffnete ihn..... und Alles prallte zurück. In dem Korbe lagen drei kleine Kinder, deren jedes einen Zettel in der Hand hielt, wovon der erste so lautete: „An die Frau Baronin von **!“ Geliebteste! -- Hier sende ich Ihnen Ihren und meinen Sohn zurück, welchen ich Ihrem Willen gemäß insgeheim bei meiner Mutter erziehen lassen sollte, nachdem Sie ihn dort geboren hatten, während die Welt glaubt, Sie seien mittlerweile auf einer Reise nach Venedig begriffen gewesen. Da Sie meiner Mutter, der armen Frau, das Kostgeld bereits seit 14 Tagen nicht haben zugehen lassen, sehen wir uns zu dem gegenwärtigen Schritte gezwungen, falls das kleine Würmchen nicht Hungers sterben soll. Ganz der Ihrige bis in den Tod +Andreas Tunker+, Schmiedegeselle in Penzing. Die andern zwei Zettel, an zwei andere Frauen, welche ebenfalls hier saßen, gerichtet -- enthielten ähnlichen Text, daher wir es für überflüssig halten, denselben anzuführen. Es gab eine entsetzliche Scene! Die Residenz hatte sie bisher noch nicht erlebt -- -- aber das Unerhörte erneuert sich in unserer Zeit, besonders wenn es von dieser natürlichen Art ist, wie das gegenwärtige. Nachdem die betreffenden Frauen gebührend in Ohnmacht gesunken waren, nachdem man sie und auch die Kinder weggebracht hatte -- nachdem schließlich die edelste der Stiftsdamen und Menschenbeglückerinnen im Stillen ein heißes Dankgebet an Samiel oder irgend einen Andern von seiner Sippschaft gerichtet hatte.... gab sich die übrige Gesellschaft im Aeußern wieder zur Ruhe.... wie es jedoch im Geheimen bei ihr bestellt war, davon wird man sich leicht einen Begriff machen. Der Herr des Hauses war durch den Vorfall auf’s Tödtlichste verletzt.... er hatte sogleich allen seinen Domestiken den Befehl ertheilt, dem dicken Ueberbringer des überraschenden Festgeschenkes nachzusetzen.... von demselben war indessen keine Spur mehr zu entdecken. Dieses Intermezzo war kaum zu Ende -- -- als ein zweites, ein anderes, dem es ebenfalls nicht an Originalität gebrach, begann.... Die nach dem Korridor gehende Thür des Spielzimmers wurde aufgerissen und zwei Menschen stürzten herein, deren Aussehen und Zustand der ganzen Gesellschaft einen Schrei entriß... Ein älterer, großer, starker Mann, der von allen gebräuchlichen Kleidungsstücken nur die Beinkleider und das Hemde auf dem Leibe hatte -- welches letztere jedoch sowohl vorne offen und aufgerissen, wie an dem Arme bis über die Ellbogen hinaufgeschürzt war.... stolperte mit einem rothen, erhitzten Gesichte, in dem die Augen furchtbar rollten, herein -- schrie mit einer Stimme, die einem Löwen anzugehören schien und focht dabei mit den Armen in der Luft umher: „Ha! --“ rief er: „endlich sind wir da! -- Endlich haben wir den Platz gefunden! -- Endlich können wir uns produziren....“ Bevor wir jedoch weiter gehen, müssen wir erzählen, wie der Zweite aussah. Dieser war ein ganz junger Mensch -- und befand sich in demselben Zustande, wie sein Begleiter. Sein Gesicht war krankhaft, bleich, und selbst der Geist, welcher jetzt im Innern der Brust wirkte, vermochte nicht, ihm eine lebhaftere Röthe zu verleihen; dieses Gesicht nun hatte auf der einen Wange eine große, weit klaffende Wunde, von welcher, wie es schien, erst vor Kurzem, und zwar gewaltsamer Weise, der Verband abgerissen worden war.... auch der rechte Arm war verwundet und es drang selbst durch das Hemd noch Blut heraus. Im Uebrigen erschien der Anzug des Jünglings noch paradiesischer wie jener des Alten.... maßen dieser biedere Jüngling in Socken umher ging und das Beinkleid bis zum Bauch hatte herabfallen lassen. -- -- Man wird es vielleicht schon errathen haben: wir sehen +Wollheim+ und +Edmund+ im erleuchtetsten Zustande vor uns.... „Oh!“ brüllte der Nimrod: „das war ein schändlicher Streich, welchen man mir seit so vielen Monaten gespielt hat.... Man hat mir meinen Freund, Schüler, mein Jüngelchen entzogen.... man hat ihn unten in der Nähe des Kellers in einer verschlossenen Stube gefangen gehalten.... Beim St. Hubertus! Das ist ein Verbrechen, welches mindestens der +Waldbrennerei+ gleichkommt und mit dem Spießen sollte bestraft werden.... Da gehe ich armer verlassener Jägersmann, in meiner Trübsal -- Stärkung zu suchen in unterirdischen Räumen -- über die Treppe hinab. -- Ich verfolge meine Fährte in diesem guten Hause hier Schritt für Schritt und gelange richtig.... vor die Kellerthüre. -- Aber, Alle Sechzehnender! -- -- sie ist verschlossen.... da fange ich an zu rütteln -- -- es geht nicht -- -- da rufe ich und schreie nach dem Kellermeister.... Jetzt plötzlich geht eine andere Thür neben mir auf.... und wer stürzt mir um den Hals?.... Der Kellermeister aller Kellermeister! -- Mein Freund, mein Schüler, mein Jüngelchen, mein Stolz, mein Königshirsch.... kurz Edmund!“ Bei diesen Worten stürzte nun auch er ihm um den Hals und diese beiden trefflichen Schützen begannen laut heulend zu weinen. -- „Ich wollte blos,“ sagte der Graf: „der Welt und seinen betrübten Eltern ihn zeigen, ihnen verkünden, daß er lebt -- lebt -- in ihrer Nähe ist -- und weder bei einem Duell bei Prag fiel, noch sonst wohin an’s Ende der Welt reis’te.... wie so oft von schändlichen Lügenmäulern vorgegeben wurde.... Aber,“ schrie der Jäger wild auf wie im Walde: „das muß untersucht werden! Alle Kreuz- und Quer-Fährten, das muß untersucht werden! Weßhalb hat man diesen jungen hoffnungsvollen Ritter und Waidmann in Gefangenschaft gehalten?.... weßhalb hat man diese Blume der Jünglinge hinter Riegel und Schloß gesteckt?.... denn er schmachtete da unten in dem dumpfen Loche, wie er sagte, seit mehrern Monaten. -- Weßhalb also, frag’ ich noch einmal?...“ Hier wurde der Redner jedoch so schwach, daß er sein Gleichgewicht verlor und auf die Stiftsdame fiel.... Marsan hatte der Scene mit wüthenden Blicken zugesehen und eben sich beeilt, mit Hilfe zweier Herrn sich der Trunkenen zu bemeistern, als, an diesem, an Ereignissen unerschöpflichen, Tage -- ein neues hereinbrach. In dem Augenblick, wo Marsan auf Edmund zuschritt, trat eine Person -- von Außen herein und stellte sich rasch zwischen Beide. +Es war der Graf Alexander von A--x.+ Er sah bleich wie der Tod aus und stützte sich auf einen Stock. Mit der Hast des Blitzes -- warf er seinen Blick auf den Chevalier und sodann auf Edmund ... da trug sich ein physiologisches Phänomen zu, welches unerhört sein mochte. Die bleiche Krankenmiene Alexanders -- strahlte im Nu von Leben, Kraft und Entzücken.... und seine früher convulsivisch zuckenden Lippen stießen einen mächtigen Freudenruf aus: „Großer Gott -- was seh ich! Ist es möglich! -- Nicht Sie, mein Herr,“ wandte er sich zum Chevalier „sind in jener Nacht von einem Degen getroffen worden -- sondern +Edmund+ der Bruder meiner Frau...?.... So hat also er Cölestinen begleitet und nicht Sie....“ Da faltete sich wieder die Stirne Alexanders plötzlich und er sprach dumpf: „Aber wie dies Alles zusammenhängt, will mir nicht klar werden... O vielleicht ist das Schreckliche dennoch geschehen.....“ Marsan besann sich einen Augenblick; sodann ergriff er rasch den Grafen bei der Hand und zog ihn mit sich fort in ein Kabinet. -- -- Hier begann er: „Da es so weit gekommen ist, daß nichts mehr verschwiegen werden kann -- da das Schicksal selbst einen Zipfel des Tuches aufhob, womit ein Geheimniß bedeckt war, welches nur noch kurze Zeit hätte bedeckt bleiben sollen, da dann vielleicht andere günstige Umstände eingetreten wären, so erfahren Sie, Herr Graf, zuerst: Ihre Gemahlin ist so unschuldig wie ein neugebornes Kind. --“ „Aber Beweise! Beweise!“ schrie Alexander, unter dessen Füßen es brannte -- über dessen Haupte die Welt einzustürzen drohte.... „Hier sind die Beweise. Edmund von Randow, der Bruder Ihrer Gemahlin, hat sich durch leichtsinnigen Unbedacht und durch böse Gesellschaft schon frühzeitig in die mißlichsten Umstände gebracht -- seine Finanzen zerrüttet und Wucherern sich in die Arme geworfen. Anstatt seine Lebensweise zu ändern -- oder aber sich seinem Vater anzuvertrauen und von ihm einen größeren Geldzufluß für sich zu erwirken -- schritt der schlechtberathene junge Mann auf seinem alten Wege fort.... gerieth aus einer Verlegenheit in eine größere.... und wurde zuletzt mit einem unvergleichlichen Seelenverkäufer, +Lips+ oder wie dieser Kerl sonst heißt, bekannt; dieser verleitete ihn, um ihn ganz in seine Hände zu bekommen -- selbst zu schändlichen Streichen!... zum Verkauf seines Eigenthums! seiner Kostbarkeiten, seiner Möbel.... und so fort! Um diese Zeit traf ich mit Edmund zusammen; -- ich halte es für meine Pflicht, jetzt ein Bekenntniß abzulegen, welches mir in diesem Augenblick zu thun möglich ist, da ich noch zeitig genug von einem Vorhaben abstand, welches mich Ihnen gegenüber schuldig gemacht hätte: Ich liebte Ihre Gemahlin -- und ich habe es gewagt, ihr meine Leidenschaft merken zu lassen. -- Ich glaubte Anfangs, von ihr ermuthigt zu werden (Sie werden ohne Zweifel sich jener Tage in Ihrem Salon so wie in jenem der Generalin E--z erinnern, Herr Graf!) -- -- aber ich irrte mich, wie ich später sah: das, was ich für eine Gewährung meiner Ansprüche hielt, war von Seite Cölestinens nichts als Artigkeit und jene lebhafte Geselligkeit, soll ich vielleicht sagen auch ein wenig -- Koketterie gewesen, welche unbeschadet ihrem Herzen -- ihr eigenthümlich ist. -- -- Herr Graf, wissen Sie, worum es sich damals im Salon der Generalswittwe E--z besonders handelte?... Wissen Sie, weshalb bald ich, bald Edmund sich der Gräfin so dringend näherten? Damals wollte Edmund, in seinem +eigenen Interesse+ um des Himmelswillen -- mit ihr sprechen; er hatte, wie ich später erfuhr, damals den traurigen Fehltritt begangen, welcher nachher die Quelle all seines -- so wie des Unglückes Cölestinens und des Ihrigen gewesen ist. -- Um kurz zu sein: Edmund hatte falsche Papiere auf +Ihren+ Namen, Herr Graf, gemacht und dieselben mit seinem eigenen Herzen zugleich in die Geierskralle des Herrn +Lips+ gelegt... Lips wollte sie an jenem Abende noch Ihnen präsentiren -- oder von Edmund den dreifachen baaren Betrag haben .... und der unselige Jüngling wandte sich, da er sich an sonst Niemand wenden zu dürfen glaubte -- an seine Schwester, die ihm ihren +Schmuck+.... einen Schmuck, welchen sie von Ihnen erhalten, gab. -- Dies geschah noch in derselben Nacht, bald nach der Abfahrt von dem Hause der Generalin E--z; -- -- Edmund hatte mit seiner Schwester eine Zusammenkunft auf +ihrem Boudoir, nach Mitternacht+.“ -- -- Hier entfuhr den Lippen Alexanders ein Schrei der Ueberraschung: „Er also war es gewesen!?“ Marsan aber fuhr fort: „Dieses Geschenk jedoch war für ihn nichts mehr als ein Palliativ gewesen..... der Werth des Schmuckes reichte nicht aus.. und Lips +prolongirte+ blos das falsche Papier -- -- behielt es jedoch bei sich. -- Schon nach wenigen Tagen bestand er unerbittlich auf +Bezahlung+ desselben.... Edmund hatte entweder den Kopf oder alles Herz, allen Glauben verloren, denn er hätte sich ja leicht +mir+ anvertrauen können, ja selbst Sie, mein Herr, obwohl Sie ihn eines falschen Verdachtes wegen, den ich bei Ihnen jetzt vernichtet zu haben glaube, haßten -- würden den Aermsten gewiß nicht haben untergehen lassen... Allein dieser Jüngling war bestimmt -- sich und seine Familie ganz und gar elend zu machen.... er harrte, harrte, bis irgend ein Gott aus der Luft seinen mächtigen Arm herabneigen werde.... er harrte, oder vielleicht lebte er in einer Art von Wahnsinn fort -- -- bis der tödtliche Streich geschah.... Sein Würger erschien, forderte das Geld und -- -- da er es nicht erhielt, ging er vor Gericht. -- --“ „Hier ist ein Räthsel, welches ich nicht zu lösen vermag. Weßhalb ging Lips vor Gericht? Es war einfacher, sich an Sie oder an die Eltern des jungen Mannes zu wenden.... so konnte er schleunig zu seinem Gelde gelangen. Was hatte er von der öffentlichen Compromittirung Edmunds? -- -- Oder war hier nicht +persönliche+ Beziehung mit im Spiel? -- -- Doch, ich hoffe, auch auf diesen dunklen Punkt wird noch Licht fallen.“ „Edmund, von dem Schritte seines Gläubigers in Kenntniß gesetzt -- verbarg sich und entdeckte seiner Familie, er sei nach Prag oder an die Grenze verreis’t. Ach vergebens! Auch für sie war das blos ein Palliativ. Sie erfuhren das Unglück Ihres Sohnes noch in derselben Stunde. -- -- Edmunds Aufenthalt in dieser Zeit war Niemand bekannt, als seiner Schwester ... später auch seiner Mutter. Aber dieses Versteck war gegen die Nachstellung der Häscher nicht hinlänglich gesichert.... und in einem Anfall von Verzweiflung warf Cölestine das Geheimniß in meine Hände.... sie machte mich zu ihrem Vertrauten, sie beschied mich.... brieflich ... aber das mißglückte durch Ihre Dazwischenkunft, Herr Graf.... sie beschied mich sodann durch eine mündliche Botschaft zu sich. -- Ich entsprach mit Begeisterung dem ehrenden Vertrauen: ich stellte mich in Person bei ihr ein -- -- und hier wurde zwischen uns festgesetzt, daß Edmund in +meinem+ Hause ein verborgenes Zimmer bewohnen sollte. -- Alles dieses wurde sofort in Vollzug gesetzt....“ „Ihr Haß, mein Herr, gegen Edmund, die Schwierigkeit, diesen Haß anders zu zerstreuen als durch Blosgebung der Schande des Jünglings -- die unbezwinglich stolze und hartnäckige Weigerung Ihrer Gemahlin, Ihnen Alles zu enthüllen.... (sie zog diesem Schritte den Tod vor!) endlich... die Hoffnung, daß nach und nach, wenn auch in späterer Zeit -- der Sturm doch wieder vorüberziehen werde.... bewirkten, daß Cölestine den schrecklichsten Verdacht auf ihr Haupt fallen sah -- ohne etwas thun zu können -- als zu weinen, zu klagen -- zu verzweifeln.... Sie reis’ten von Wien ab, Herr Graf, Sie bewirkten eine eklatante Trennung -- -- und Cölestine mußte das Alles geschehen lassen, konnte, ob auch ihr Herz im Todeskampfe zuckte -- Sie nicht einmal mit einer Hand zurückhalten. -- Allein Edmund, ihr unglücklicher Bruder, war geborgen; das gab ihrem Herzen einen schwachen -- mattglimmenden Trost. Sie kennen die zärtliche Liebe der beiden Geschwister: Cölestine wollte lieber selbst elend sein, als es ihren Bruder sein lassen. --“ „Sie sah ihn jede Nacht. Jede Nacht um zwölf Uhr erwartete er sie an dem Gartenpförtchen +Ihres+ Hauses und meine Equipage brachte Beide hierher in +dieses Haus+ -- wo sie auf Edmunds Zimmer Stunden lang beisammen blieben.... Wie viele Thränen sind da geflossen! -- --“ „Doch weiter! -- Meiner Mühe gelang es -- Ihren Aufenthalt zu entdecken, Herr Graf.... ich wollte für die arme Frau Alles thun, was in meinen Kräften stand, und so war ich der Ueberbringer ihres Briefes an Sie auf Ihrem Schlosse, mein Herr......“ „Hier endet meine Erzählung. Ich weiß nichts mehr hinzuzufügen. --“ „Es ist genug!“ versetzte der Graf, kaum noch athmend. Er war in einen Sessel gesunken. -- Diese Ereignisse hatten seine ganze Mannheit erschüttert. Die Freude ist oft schrecklicher als der Schmerz, besonders bei jenen Naturen, denen dieser häufiger, als jene zu Theil wird. -- In diesem Augenblicke fühlte Alexander Jemand in seine Arme stürzen.... er erhob das matte Auge. Es war +Cölestine+, seine Gattin, die vor ihm auf den Knieen lag! -- Der Chevalier hatte ihr Nachricht gegeben. -- „Nun Du Alles weißt,“ sagte sie: „braucht mein Mund nicht mehr zu sprechen und mein Herz nicht mehr in namenloser Scham zu ersterben.... Du weißt Alles, Alexander! Alles, Alles; -- -- Und dies Alles bestätigt das Wort: „Ich bin unschuldig! ich bin Dir treu gewesen!““ -- -- Endlich glaubte er ihr. -- Der Chevalier verließ das Gemach. -- Nichts von dem Allen, was in dieser seligen Stunde, deren Zeuge nur Gott war, zwischen den Gatten vorging... nichts von den wollustvollen Thränen und von den selig-wehmuthvollen Freudenergüssen. -- Alexander hatte Cölestine treu erfunden -- der Nebel des Mißtrauens war zerrissen -- die Schatten der Zwietracht flohen mit ihm davon -- die Welt war wieder schön -- die Erde hatte ihr Grün, der Himmel seine Sonnenpracht... Alexander erfuhr nun auch noch so manche von jenen Dingen, die zu allererst den Keim des Argwohns in seine Brust gelegt hatten; er erfuhr, daß jene Blume, jene Hortensie, die er einst im Schlafgemache gefunden und welche ihn zuerst so unglücklich machte, die Stelle eines Amulet vertreten habe. Es war Cölestinen von einer alten Frau angerathen worden, und so sprach die Wahrsagerin: so lange diese Blume an dem Busen der jungen Frau ruhen werde, so lange werde sie mit ihrem Gatten glücklich sein. -- Das hatte sich denn im Laufe der Zeit auch bewährt. Ferner: die zwei Briefe, die er in ihrem Boudoir gefunden, waren von niemand Anderem, als ihrem Bruder Edmund, eben so auch die Haarlocke -- und die Ringe.... Auf die Zahlen hatte sie in die Lotterie gesetzt.... Noch blieb jedoch Etwas zu lösen übrig. Wer war jener geheimnißvolle, finstere Warner gewesen, der sich dem Grafen überall unsichtbar in den Weg gestellt, an die Fersen gehangen und so Schreckliches geweissagt hatte, was auch stets, dem Scheine nach wenigstens, eingetroffen war. So lange dieser Punkt nicht erörtert war -- konnte Alexander doch noch nicht so ganz vollkommen beruhigt sein. -- Sodann, wer war jener zweite sonderbare, nicht minder geheimnißvolle Mensch, der gleich einem Gespenste sich in die Salons der Gräfin und ihrer Freunde schlich -- man hatte ihn nicht kommen, man hatte ihn nicht gehen sehen; man hatte nur seine bösen Rufe gehört und seine unheimliche Gestalt geschaut? -- -- Auch hierüber wollen wir sogleich Auskunft ertheilen. Dreizehntes Kapitel. Schluß. Es war am heutigen Tage unser schöner Freund Althing in den Prater, der zu dieser Zeit schon seine grünen Sprößlinge aussendete -- spazieren gegangen, und nachdem er sich, Gott weiß aus welcher Laune, in dessen entferntesten Garten verloren hatte -- war er auf eine Dame gestoßen, welche mit einem Buche in der Hand hier auf einem abgebrochenen Baumstamme saß. Diese Dame schien sehr in ihrer Lektüre vertieft und wendete keinen Blick ab von derselben; doch unser Adonis ließ sich dadurch nicht irre machen, sondern setzte sich ohne weiteres neben sie hin und redete dieselbe an... Da hob sie zwei Augen empor -- so blau wie der Saphir und ein Gesicht so schön wie ein junger Morgen; nämlich seiner Meinung nach. Noch nie glaubte Herr von Althing das gefühlt zu haben, was jetzt in seiner Brust vorging (wir wissen jedoch, er glaubte stets also!) -- -- und, wie es seine Art war, er machte hier dem Mädchen ohne weiteres seine Liebeserklärung.... Und sofort stand sie auf, verließ den Platz, und ging weiter. Er aber ging nach; und als sie den Weg nach der Stadt einschlug, folgte er ihr ebenfalls dorthin. Sie führte ihn auf diese Weise aus einer Straße in die andere, bis sie zuletzt auf der +Bettlerstiege+ in ein Haus trat, sich jedoch zuvor noch umsah. „Richtig!“ lächelte Althing und griff vorsichtig an seinen gefärbten Schnurbart; „die ist total in mich verschossen! -- Ach! dieser Blick war zu stark! -- Armes Mädchen -- Du sollst erhört werden.... denn was ich für Dich empfinde, ist +wahre+ Liebe!... Zum +ersten Male+ durchdringt dieses höhere Gefühl meine Jünglingsbrust! Ich sehe -- bei meinem bisherigen Leben kommt nichts heraus -- ich bin entschlossen, ein neues anzufangen.“ Er trat nun ebenfalls in das Haus -- und da er das Mädchen nach dem hintersten Winkel desselben gehen sah, ging er auch dahin -- -- doch fürchtete er hier zu einer gewissen Abtheilung zu gelangen, die einem Parfümerie-Laden eben nicht ähnlich ist. Statt dessen gelangte er zu einer hölzernen Treppe und stieg sieben volle Etagen -- wie es stets sein Geschick wollte -- der Dulcinea nach. Endlich trat er fast mit ihr zugleich in eine kleine räucherige Stube, welche ihres Gleichen nicht hatte.... jetzt sah er sich mit dem Mädchen allein. „Aber was hat das zu bedeuten, mein Herr?“ fragte sie.... „Es hat zu bedeuten, mein Fräulein, daß ich Sie liebe.“ „Und weiter? --“ „Daß ich ohne Sie nicht leben kann.“ „Allein -- --“ „Kurz... da ich jetzt in den besten Jahren bin und es mir auch nebenbei ernstlich vorgenommen habe -- biete ich Ihnen meine Hand an....“ Bei diesen Worten lief das Mädchen zur Thür hinaus. Er stand einige Secunden verblüfft auf dem Platze, da vernahm er im Nebenzimmer zwei Männerstimmen, die sich zu zanken schienen. -- „Ich sage Ihnen, daß ich keinen Tag länger auf den letzten Posten, welchen Sie mir von der Affaire noch schulden, warte. Wo Sie mich nicht noch heute bezahlen -- zeige ich die ganze Geschichte durch ein anonymes Schreiben dem +Grafen von A--x+, so wie dem +Generale von Randow+ an... die mögen es Ihnen dann entgelten, was durch Ihre Bemühung dem armen jungen Menschen +Edmund+ Schlimmes widerfahren ist... Auf Ehre!“ Bei Nennung dieser Namen stutzte Althing und stellte sich näher an die Wand, um besser zu hören: „Sie müssen noch kurze Zeit Geduld haben, mein Bester!“ ließ sich die andere Stimme vernehmen -- und Althing glaubte sie zu erkennen. „Uebrigens,“ fuhr diese Stimme fort -- „halte ich Sie nicht für den Thoren, das zu thun, womit Sie so eben drohten, denn was gewinnen +Sie+ damit? Nichts.“ „Aber Sie, mein Liebster, verlieren doch -- auf Ehre!“ „Aber dann kann ich Sie dafür auch auf’s Zuchthaus bringen -- guter Lips.“ „Wir sind gegen solche Möglichkeiten sicher gestellt, mein Guter; auf Ehre!“ „Das wollen wir doch sehen -- hahaha!“ „Ja -- das werden wir auch sehen, hahaha .... ohne daß ich hinzuzusetzen brauche: -- Auf Ehre!“ Jetzt wurde eine Thür zugeworfen und bald darauf entfernte sich Jemand unter schallendem Gelächter über die Treppe. Gleich darauf trat das Mädchen herein; an ihrer Seite aber schritt jener Sterbliche, welchen wir als unsern wackern Meister Lips bereits seit lange zu kennen die besondere Ehre haben. -- „Dieser Herr hier will mich zur Frau nehmen!“ sagte sie kurz. „Ist das wahr?“ fragte Lips eben so kurz den Adonis. „Gewiß!“ antwortete dieser ein wenig erstaunt. „Meine Tochter Philomela,“ sagte Lips zu ihm gewendet, „ist ein sehr gebildetes Mädchen; sie ist eine +Emancipirte+! -- Mit dieser Erklärung werden Sie genug haben. Sie kann Latein, Französisch, Griechisch, Slowakisch, Hebräisch, Chaldäisch, Maurisch, Ungrisch, Böhmisch, Hindostanisch, Malajisch -- und auch Deutsch; ferner ist sie in der Astronomie, der Chemie, der Physik, der Musik, der Geographie -- der Skulptur -- in den Militairwissenschaften -- in der Aesthetik und Botanik -- in der Heraldik und Anatomie -- endlich in allen übrigen weißen, schwarzen, braunen und gelben Wissenschaften und Künsten bewandert. Auf Ehrenwort! -- -- Sie sehen, mein Herr, was Sie Alles mit ihr bekommen! Sie bekommen in diesem Mädchen eine ganze Universität. -- -- +Jedoch was bringen Sie mit, mein Herr?+“ „Ich bin der Herr von Althing -- --“ „Das ist Nebensache, auf Ehre! -- Was +haben+ Sie, frage ich, mein Lieber?“ „Wohlan -- ich besitze eine Rente von 8000 Gulden Silbergeld -- -- --“ „Ah -- Unterthänigster Diener! -- das läßt sich hören, auf Ehre. -- Also Sie wollen meine Tochter zum Weibe?“ „Ja.“ „Nun gut -- Sie sollen sie haben, jedoch mit der Bedingung, daß Sie die 8000 Gulden jährlich durch mich erheben lassen. -- Sein Sie jedoch unbesorgt; Sie sollen Ihr Geld in monatlichen Raten -- bei Heller und Pfennig von mir ausgezahlt bekommen.... ich will mit dem Ganzen nur +speculiren+, jedoch zu +meinem Besten+. Ist Ihnen dieser +Contract+ genehm, so machen wir ihn sogleich als +Ehecontract+ in aller gesetzlichen Form giltig?“ Althing willigte ein. Er war froh, endlich einmal ein Weib gefunden zu haben, die, wie er sah, es mit ihm ernstlich meinte. Noch in der nämlichen Stunde wurde das Instrument von einem Rechtsverständigen aufgesetzt und mit gesetzlicher Kraft versehen. -- * * * Und noch an demselben Tage erfuhr +Alexander+ von dem Adonis, welcher sich deßhalb eigens zu ihn verfügte, Alles das, was wir bereits wissen; nämlich, daß Lips nur auf Veranlassung des Barons +von Leuben+, jenes finstern, leidenschaftlichen, abgewiesenen Anbeters Cölestinens, die Wechselfälschung Edmunds vor Gericht geltend gemacht hatte. -- Ein Zweikampf war die Folge davon. Leuben, tödtlich verwundet, bekannte mit ersterbenden Lippen, daß er nicht nur Cölestinen, sondern auch ihrem Manne, ihrem Bruder, ihrem ganzen Hause Rache geschworen -- die er auch, so weit als es irgend seiner menschlichen Kraft möglich war, vollzogen habe. Damals bei der Trauung habe er nach Alexander geschossen, jedoch nicht getroffen; darauf habe er Stunde für Stunde auf das Unglück Beider gesonnen.... es sei ihm auch gelungen, dasselbe bis zum jetzigen Augenblicke zu nähren; und -- -- jener geheime +Warner+, jener Unglücksbote Alexanders -- sowie jener mysteriöse, durch Maskirung unkenntlich gemachte Fremde in dem Salon Cölestinens sei +er+ gewesen. Nach dieser Beichte hauchte der Elende seinen Geist aus. Was Edmunds Schicksal betraf, so gelang es dem Einflusse des Grafen, sowie wie jenem des Chevaliers, dasselbe zum Guten zu wenden; er wurde zuletzt noch der Freund seines Schwagers -- und wir sehen ihn in späterer Zeit sogar eine sehr bemerkenswerthe Staats-Carriere machen. -- Was die übrigen Personen angeht, welche in dieser Geschichte auftraten, so wird ihr ferneres Schicksal mit wenigen Zügen angedeutet werden können. Das Stiftsfräulein nahm ein schauderhaftes Ende, wie dies edle Herz es auch verdiente. Bei einer Probe, welche sie mit ihrem neuerfundenen +Tannenzapfenmehl+ bei sich selbst machte, bekam sie den Magenbrand und starb unter Convulsionen, wobei sie jedoch stets bei Nero schwur, daß ihre Erfindung vortrefflich sei und der Menschheit zum Heil gereichen werde. -- Gräfin von Wollheim strickte ihre Strümpfe für den Wohlthätigkeitsverein fort und fort. Ihr Gemahl, als er keinen Gefährten mehr beim Fasse fand, wurde wieder Jäger, jedoch entsagte er dem geliebten Fasse nicht gänzlich. Frau von Porgenau lachte ein Mal über einen Witz ihres Mannes so sehr, daß sie todt auf dem Platze blieb. Er, der berühmte Bonmotist hingegen, wurde immer berühmter; nur ließ man ihn in keinem Salon mehr zu. Der Chevalier von Marsan war und blieb auch in der Ferne der Freund Cölestinens, ihres Gemahls und ihrer Eltern. Seine frühere Leidenschaft für die Gräfin übertrug er auf zehn Andere. -- Die kleine, schöne Alexandrine wurde von Cölestine an Kindesstatt angenommen; sie blühte inmitten der glücklichen Gatten, deren einziges Kind sie nicht lange blieb -- zur edlen Jungfrau heran. -- Ende. Gedruckt bei +Friedrich Andrä+. Fußnoten: [A] Man verzeihe uns diese Clauren’sche Abbrechung. D. Verf. [B] A. von Sternberg. [C] Ikarus Flügel. [D] Geld. End of the Project Gutenberg EBook of Cölestine, oder der eheliche Verdacht Zweiter Theil (von 2), by Julian Chownitz *** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK 53218 ***