The Project Gutenberg EBook of Französische Lyrik alter und neuer Zeit in
deutschen Versen, by Various

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Title: Französische Lyrik alter und neuer Zeit in deutschen Versen

Author: Various

Translator: Joseph Jaffé

Release Date: March 5, 2016 [EBook #51360]

Language: German

Character set encoding: ISO-8859-1

*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK FRANZÖSISCHE LYRIK ALTER UND ***




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Französische Lyrik
in deutschen Versen

Französische Lyrik
alter und neuer Zeit
in deutschen Versen

von
Joseph Jaffé

Hamburg
Im Gutenberg-Verlag
Dr. Ernst Schultze
1908

Alle Rechte
vom Verlag
vorbehalten

Außer dieser Ausgabe ist von dem vorliegenden Buche noch eine kleine Auflage als Ausgabe B auf hochweißem, sehr starkem, dabei aber außerordentlich leichtem Dickdruckpapier hergestellt worden. Jedes Exemplar dieser Liebhaberausgabe ist in Ganzleder gebunden und kostet 8 Mark

Inhalts-Übersicht

  Seite
Vorbemerkung 11
François Villon:  
Aus dem großen Testament 13
Clément Marot:  
Lied 19
An den König, als ich bestohlen wurde 20
Pierre Corneille:  
Stanzen 25
Pierre-Jean de Béranger:  
Meine Berufung 27
Die Dachkammer 28
Der alte Korporal 30
Des Volkes Erinnerungen 32
Gérard de Nerval:  
Herren und Knechte 35
Phantasie 35
Laß mich 36
Goldene Verse 37
Alfred de Musset:  
An Juana 39
An Julie 41
An Pepa 42
Lilla 43
Ballade an den Mond 44
Dezembernacht 50
An Frau M. 54
Lebewohl 55
Victor Hugo:  
Der Abend des Sämanns 56
Abend auf dem Meere 57
Aus den Orientalen 62
Der Kaisermantel 64
Die Ordnung ist wieder hergestellt 65
Lied 67
Lied 68
Ein Spiel 69
Des Kaisers Zeitvertreib 69
Die Sühne 72
Théophile Gautier:  
Pastell 84
Trost 85
Die Alten von der alten Garde 86
Charles Baudelaire:  
Mißgeschick 91
Das Ideal 92
Der Vampyr 92
Die Katze 93
Ganz und gar 94
Nachmittagslied 95
Das Gespenst 97
Die Eulen 98
Trauriges Madrigal 99
Der Mahner 100
Lösegeld 101
Der Mensch und das Meer 102
Klage eines Icarus 103
Heauton timoroumenos 103
Abel und Kain 105
Nachschrift für ein verbotenes Buch 106
Paul Verlaine:  
An Eugen Carrière 108
Nevermore 109
Drei Jahre später 109
Sentimentaler Spaziergang 110
Herbstlied 111
Schäferstunde 111
Mondschein 112
Auf dem Spaziergang 113
Aufzug 114
Der Faun 115
Halblaut 115
Sentimentales Zwiegespräch 116
Frau und Katze 117
Serenade 118
Çavitri 119
Guter Sang
I.   120
II.   121
III.   121
Vergessene Weisen  
I.   122
II.   123
Bilder aus Belgien  
I. Walcourt 123
II. Charleroi 124
III. Brüssel 125
IV. Schloßpark 126
V. Karussel 126
VI. Mecheln 127
Aquarell von Spleen 128
Weisheit  
I.   129
II. Caspar Hauser 130
III.   131
Prolog 132
Pierrot 133
Die Kunst des Dichters 133
Schlaff 135
Liebe 136
Allegorie 137
Hirngespinste  
I.   138
II.   139
Der Schamlose 140
Hände 141
Närrischer Rat 143
Lieder für sie  
I.   145
II.   146
An König Ludwig den Zweiten 148
Meine Büste 149
José-Maria de Hérédia:  
Vergessen
Pan 150
Der Ziegenhirt 151
Weihe 152
Des Toten Bitte 153
Der Sklave 153
An der Trebia 154
Nach der Schlacht bei Cannae 155
Villula 156
Tranquillus 156
Lupercus 157
Die Dogaressa 158
Der alte Goldschmied 159
Die Conquistadoren 159
Jungbrunnen 160
Auf eine tote Stadt 161
Antike Medaille 161
Bretagne 162
Maris stella 163
An Ernesto Rossi 164
Jacques Normand:  
Nach dem Essen 165
Taubenschießen 169
Aufrichtig 171
Um den Ruhm 172
Jean Richepin:  
Unsere Vergnügungen 173
Unsere Rache 175
Mein Glas ist leer 176
Moderne Studie nach der Antike 178
Auf Wache 179
Die Küste 180
Trockene Kiesel 182
Jean-Arthur Rimbaud:  
Mein Zigeunerleben 184
Lebenstiefe 184
Faunskopf 185
Aufregung 185
Der Schläfer im Tal 187
Der Schrank 188
Jules Jouy:  
Lied der Bergarbeiter 189
Der bleiche Mann 190
Emile Verhaeren:  
Vlämische Kunst 192
Artevelde 195
Die Bauern 196
Kato 198
Des Mönches Tod 200
Betrachtung 202
Die Bäume 203
Die Tränke 204
Der Schrei 204
Die Nacht 205
Die Straßen 206
Das Idol 207
Unkraut 208
Gebet 209
Das Schwert 210
Ein Abend 211
Albert Giraud:  
Katharina von Medici 213
An eine vierzigjährige Frau 214
Henri de Régnier:  
Unsichtbare Gegenwart 215
Vor der Prägung 216
Wechselstrophen 218
Ein Traum von Stunden und von Jahren 220
Ein Traum von Morgenrot und Schatten 222
Der Raufbold 222
Chrysilla 223
Fernand Gregh:  
Prüfung 225
Abend in der Großstadt 227
Musik in der Ferne 228
Zweifel 230
Dämmerstunde 231
Betrachtung 232

Vorbemerkung.

In dieser Sammlung ist der Grundsatz genauer Nachbildung von Versmaß und Reimverschlingung streng durchgeführt. Wer Übersetzungen eine Mitgift aus eigenem geben kann, mag sich freier bewegen; der bescheidene Dolmetsch soll die Gebärde des Kunstwerks ehren und deshalb den Vorteil verwandter Formen selbst auf die Gefahr einer gelinden Beengung ausnutzen. Es ist keineswegs richtig, daß Übersetzungen durchaus den Eindruck von Originalen machen müssen, der Geruch der Muttererde darf sich nicht verflüchtigen. Unsere Bühne kann den Trochaeus des spanischen Dramas, den Alexandriner des französischen getrost preisgeben, ihre Mittel leisten tausendfältigen Ersatz und ermöglichen Treue der Stimmung; die redlichste Übertragung eines Gedichtes hat dagegen immer noch genug Verluste zu beklagen. Gewiß wird alle Lyrik durch dieselben Stimmungen ausgelöst, doch die Seelen der Völker und Zeiten sind so verschieden, wie die der Sprachen.

Der Leitsatz rechtfertigt die Verwendung des oft verketzerten Alexandriners. Was ihn uns unbehaglich macht, ist zumeist die starre Cäsur, die ihn im Deutschen — viel schärfer als im Französischen — wie mit einem Beilschlage zerhackt; sie ist frei behandelt, wie dies ja auch die jüngeren Franzosen belieben.

Dem vers libre ist peinliche Gerechtigkeit widerfahren; Meister wie Régnier und Verhaeren können dies beanspruchen, sie sind gegen den Verdacht gespreizter Unfähigkeit geschützt, die sich nur zu oft solcher Tracht bedient.

Es bedarf keiner Erwähnung, daß das Büchlein weder bestimmte Zeitabschnitte noch Schulen erschöpfen will; nicht einmal dem Reichtum der vertretenen Dichter wird es auch nur annähernd gerecht.

Lugano, im Herbst 1907

Joseph Jaffé

François Villon

geb. 1431

Aus dem großen Testament

Mich reut, daß ich in jungen Tagen

Gescheut hab jede ernste Pflicht,

Das Alter naht, wer kann es sagen,

Wie bald dies wilde Herz schon bricht.

Zu Fuß enteilt die Zeit ja nicht,

Sie sitzt zu Rosse! ach, mein Glück

War immer leicht nur von Gewicht,

Mir ärmsten blieb auch nichts zurück.

Die Jahre sind dahin gegangen,

Nichts ernstes habe ich erstrebt,

Mit Schrecken seh ich und mit Bangen,

Ich bin nicht reif, bin nur verlebt.

Eh’ noch mein Sein ins Nichts entschwebt,

Hat mich der letzte Freund vergessen,

Kein Herz, das um mich zagt und bebt ...!

Ich habe nie ein Glück besessen.

Nie hab ich schweres Geld gezahlt

Für Leckerbissen und für Wein,

Bei Frauen nie damit geprahlt,

Davon ist mein Gewissen rein.

Wer dies nicht glaubt, der läßt es sein,

Mag seinen Glauben er genießen!

Wirft einer deshalb einen Stein,

Wird er von sich auf andere schließen.

Geliebt hab ich natürlich auch

Und liebte gerne noch viel mehr,

Doch volles Herz und leerer Bauch,

Die helfen dabei nicht zu sehr.

Wer Sorgen hat, trägt alles schwer,

Der weiß nicht viel von Feiertagen,

Mein Magen war ja meistens leer,

Musik macht nur ein voller Magen.

Hätt ich bekämpft die wilde Sucht

Und was gelernt in jungen Jahren,

Mich fromm befleißigt guter Zucht,

Ich würde heute besser fahren.

Doch böse Buben, wie wir waren,

Die schwänzen, wenn’s zur Schule geht!

Jetzt kann ich mir die Worte sparen,

Die Reue kommt ja stets zu spät.

Geschrieben steht — nur habe ich

Gedeutet es nach meinem Sinn —

„Mein Sohn, freu’ in der Jugend dich!“

Ja, davon hatte ich Gewinn.

Nun ist die Jugend längst dahin!

Was weiter folgt, schien mir nicht wichtig,

„Die Jugend“, heißt es dann darin,

„Und ihre Freuden, die sind nichtig.“

„Die Tage sind mir voller Hast

Enteilt“, kann ich mit Hiob sagen,

„Schnell wie am Webstuhl ohne Rast

Das Schifflein gleitet“. Darf ich klagen?

Wer Hoffen nicht mehr kennt noch Zagen,

Erschrickt nicht, wenn das Ende droht,

Mich wird kein Mißgeschick mehr schlagen,

Denn alles schwindet mit dem Tod.

Wo sind sie hin, die Burschen all’,

Mit denen einst ich mich ergötzt,

Die hoch des freien Wortes Schall,

Noch höher kühne Tat geschätzt?

Die meisten sind zu Tod gehetzt,

Gott, der die Sünder nicht verläßt,

Schenk ihnen ewige Ruhe jetzt

Und schirme gnädiglich den Rest.

Gar mancher hat es weit gebracht

Und kann auf stolzem Rosse reiten,

Gar mancher bettelt nackt und lacht,

Brot sieht er höchstens mal vom weiten.

Noch andere traten klug beizeiten

Ins Kloster ein und beten brav,

Ich seh sie in Sandalen schreiten,

Wie es nun grade jeden traf.

Die großen Herren können lachen,

Sie haben immer gute Zeit,

Gott braucht sich Sorgen nicht zu machen

Um dieser Leute Fröhlichkeit.

Dem Armen, der vor Hunger schreit

Wie ich, o Herr, erweis dich gnädig,

Im Kloster kennen sie kein Leid,

Die Mönche sind der Sorgen ledig.

Sie lieben wohlbestellten Tisch

Und trinken gerne guten Wein

Zum Braten, Kuchen und zum Fisch,

Stets muß er frisch vom Zapfen sein.

Die Arbeit macht den Brüdern Pein,

Der Tag soll sorgenfrei verfließen,

Doch schenken sie sich selber ein,

Dess’ lassen sie sich nicht verdrießen.

Des Urteils harr ich in Geduld,

Mein Fall ist einfach, klar und schlicht,

Vergebung hoff ich meiner Schuld,

Was andere taten, richt ich nicht.

Ein Sünder bin ich und ein Wicht,

Gelobt seist du, o Jesuchrist,

Du führst mich ein zum ewigen Licht!

Doch was ich schrieb, bleibt, wie es ist.

Jetzt lassen wir die Kirche ruhn

Und reden mal von andern Dingen,

Man hat nicht gern damit zu tun,

Vergnügen kann es auch nicht bringen.

Die Menschen, die mit Sorgen ringen,

Gebrauchen Worte leicht, die kränken,

Und wenn sie schon den Mund bezwingen,

Verhindert nichts sie, hart zu denken.

Wir, die von armen Leuten stammen,

Wir können nur von Not erzählen,

Mein Vater brachte nichts zusammen,

Und auch sein Vater mußt sich quälen.

Es tat an allem stets uns fehlen,

Und auf den Gräbern meiner Ahnen

— Der Herr erbarm sich ihrer Seelen —

Erblickt man weder Helm noch Fahnen.

Ließ mir der Hunger keine Ruh,

Hat oft mein armes Herz gesagt:

Weshalb, o Menschlein, jammerst du?

Verachte, was dich quält und plagt!

Jacques Coeur[1] hat alle überragt

An Reichtum und litt niemals Not,

Wenn auch dein Los dir nicht behagt,

So lebst du doch, und er ist tot.

Jacques Coeur hat alle überragt,

Ein Herr ...! jetzt ein erloschnes Licht.

Es gilt von ihm, was David sagt:

„Ich suchte ihn und fand ihn nicht.“

Im übrigen hat mein Gedicht

Für eine Predigt keinen Raum,

Ich leiste gern darauf Verzicht,

Nur Pfaffen schlagen solchen Schaum.

Nie habe ich, sagt’s allen Leuten,

Für einen Engel mich gehalten,

Ich wollte niemals was bedeuten,

Nie konnt ich aus dem vollen schalten.

Still in der Erde, in der kalten,

Ruht längst mein Vater, und Freund Hain

Naht schon dem Mütterlein, dem alten,

Der Sohn wird auch zu finden sein.

Ich habe Toren, habe Weise,

Hab Priester, Laien wohl gekannt,

Hofleute, Bürger, Kinder, Greise,

Geringe, große Herrn im Land,

Und Damen auch im Prachtgewand,

Geschmückt mit Halsgeschmeid und Ring,

Jedwede Art und jeden Stand,

Dem Tode keiner noch entging.

Der Tod fand Paris und Helenen,

Er packt uns unter Qual und Schmerz,

Wenn wir zum letzten Schlaf uns dehnen,

Steigt uns die Galle in das Herz.

Der Atem stockt, im Busen zerrt’s,

Der Schweiß bricht aus, da hilft kein Beten,

O Gott, das Sterben ist kein Scherz,

Kein Bürge kann uns da vertreten.

Der Tod macht alle bleich und gleich,

Das Auge bricht, die Sinne schwinden,

Der Hals schwillt an, das Fleisch wird weich,

Die Bänder wollen nicht mehr binden.

Die Frauen selbst, die zarten, linden,

Ihr süßer, liebenswerter Schoß,

Er wird zu Staub, ein Spiel den Winden,

Denn allen fällt das gleiche Los.


[1] Jacques Coeur, Bankier der französischen Krone unter Karl VII. (1422-1461), der reichste Mann seiner Zeit.

Clément Marot

1495-1539

Lied

Willst du dein Herz erquicken,

Mußt einen einzigen Blick

Du meiner Liebsten schicken,

Gott schenk ihr Gunst und Glück!

So hold wirst du sie finden,

Daß dir zur selben Stund

Wohl tausend Schmerzen schwinden,

Ihr Gruß macht dich gesund.

Die Gaben meiner Schönen

Erfreuen Herz und Sinn,

Die Sehnsucht läßt mich stöhnen,

Wenn ich nicht bei ihr bin.

Ihr Liebreiz macht mich beben,

Bleich werd ich, wie der Tod,

Doch ihre Huld schenkt Leben,

Verscheucht, was mich bedroht.

An den König, als ich bestohlen wurde

Ein Unglück, Sire, alleine, das kommt selten!

Euch, Herr, wird dieses Wort als Wahrheit gelten;

Es kommt zu zweit, zu dritt, in ganzen Scharen,

Ihr habt es leider selber ja erfahren.

Und ich, ich bin kein Fürst, bin überhaupt

Vor Euch ein Nichts. Doch wenn Ihr es erlaubt,

Erzähle ich die schönste der Geschichten.

Von meinem Diener will ich Euch berichten

Aus der Gascogne, ein Lügner und ein Dieb,

Er soff und fraß und wußte, wo er blieb,

Ein Lümmel, wie vom Galgen abgeschnitten,

Im übrigen bei allen wohl gelitten,

Ein Bursch, in den die Dirnen sich vernarrten,

Ein flotter Kerl bei Kegeln und bei Karten.

Der ehrenwerte Herr bekam nun Wind

Von jener Summe, die Ihr mild gesinnt

Mir jüngst gemacht zur gnädigen Verehrung,

Von meines Beutels plötzlicher Beschwerung.

Des Nachts — er pflegte länger sonst zu liegen —

Ist er in meine Kammer eingestiegen

Und nahm das schöne Geld noch vor dem Morgen.

Ich glaube kaum, er wollte es nur borgen,

Denn keinem hat er was davon gesagt.

Um wenig hat er sich grad nicht geplagt,

Mein Hut, mein Wams, mein Gurt fiel ihm zum Raube,

Die Stiefel und der Mantel und die Schaube;

Das beste, was ich nur bei Hofe trug,

War diesem Kenner grade gut genug.

Ihr hättet ihn, es fehlte wohl nur wenig,

Für mich genommen, hoher Herr und König.

Zum Schluß begab sich dann mein Seneschall

Des graden Wegs in seines Herren Stall.

Das schlechte Pferd mißfiel dem guten Jungen,

Flugs hat er auf das bessere sich geschwungen,

Den Sattel nahm er und das Terzerol

Und nichts vergaß er als das Lebewohl.

Er spürte um den Hals vielleicht ein Würgen,

Doch war der Held beritten wie Sankt Jürgen.

Den Herrn hat er nicht aus dem Schlaf geweckt,

Der war nicht gut gelaunt, als er’s entdeckt.

Der Herr war ich. Ihr werdet es verstehen,

Der Morgen hat mich nicht vergnügt gesehen,

Fort waren alle meine schönen Kleider

Und auch das beste meiner Rosse leider.

Daß auch das liebe Geld so schnell verschwand,

Begriff schon etwas eher mein Verstand,

Denn Euer Geld, vermeld ich untertänig,

Wird niemals bei mir warm, mein Herr und König.

Doch damit ist das wenigste erzählt.

Es ist noch etwas, was mich härter quält,

Was mich bei Tag und Nacht nicht mehr verläßt

Und mir in Kürze sicher gibt den Rest,

Was in die Erde bringt mich armen Mann,

Wo ich dann lustig weiter reimen kann.

Mein armer Körper windet sich und leidet,

Mein Leib ist manchmal schier wie ausgeweidet,

Drei Monat ist der Kopf schon eingezwängt,

Die Brust ist stets beklommen und beengt,

Die Beine können kaum den Rumpf noch tragen,

Ganz ausgemergelt ist mein armer Magen.

Die Krankheit scheint mich langsam aufzuzehren,

Sie peinigt mich — ich sag’s in allen Ehren —

Sie peinigt mich, mein König, ganz genau,

Wie den Pariser seine liebe Frau.

Was sag ich noch! geschwunden ist der Leib

Fast ganz, und nur zu Eurem Zeitvertreib

Blieb etwas noch von meinem Geist am Leben,

Viel kann er freilich nicht zum Besten geben.

Um diesen kargen Rest, der vor Euch steht,

Bemüht sich, Herr, die halbe Fakultät,

Betastet meinen Puls, hält weisen Rat

Und kündet als gewisses Resultat,

Der Frühling heilt bestimmt mein bitteres Weh.

Sehr gut gesagt! Was ich davon versteh,

Ist dies: soll ich den Frühling nicht mehr sehn,

Werd ich im Winter schon zu Grunde gehn;

Bin ich dagegen schon im Winter tot,

Dann hab ich um den Frühling keine Not.

So quäl ich mich neun lange Monat schon.

Verkauft ist alles, was mir der Cujon

Nicht stahl. Ich hab mich kümmerlich gepflegt,

Das ganze in Latwergen angelegt.

Doch, gnädiger Herr, deshalb dürft Ihr nicht meinen,

Daß ich mit Bitten will vor Euch erscheinen;

Verwechselt mich nicht etwa mit dem Pack,

Das ewig nur die Taschen füllen mag.

So manchen gab es, der nur immer nahm,

Dazu, mein Fürst, besitz ich zuviel Scham,

Auf Ehre, Sire, ich nehme nichts geschenkt!

Doch wenn Ihr etwas mir zu leihen denkt,

Sag ich nicht nein. Denn wie es geht, so geht’s,

Ein Gläubiger macht einen Schuldner stets.

Und wißt Ihr, Herr, wie ich die Schuld will zahlen?

Das weiß noch keiner, Sire! ich will nicht prahlen,

Ihr ahnt ja nicht, wie glücklich Ihr es trefft,

Ihr macht dabei ein glänzendes Geschäft,

Es ist wahrhaftig keine Übertreibung!

Ich geb Euch eine sichere Verschreibung

— Verlangt Ihr Zinsen, Herr? — auf jene Frist,

Wo einmal alle Welt zufrieden ist,

Und wenn Ihr lieber wollt, mein Fürst, vielleicht

Auf jenen Tag, da Euer Ruhm verbleicht.

Traut Ihr Euch nicht, die Forderung so zu buchen,

Will ich mir ein paar gute Bürgen suchen,

Wenn Euch die Fürsten von Lothringen passen,

Könnt Ihr ja die im Notfall für mich fassen.

Doch weiß ich wohl, Euch kommt’s nicht in den Sinn,

Daß ich nicht sicher und nicht ehrlich bin.

Indessen hat man gerne was in Händen,

Deshalb will ich den Schuldbrief daran wenden,

Der ist im Todesfall, bei meiner Ehr,

So gut, wie wenn ich, Sire, unsterblich wär.

Falls etwas mir zu leihen Ihr geruht,

Laßt mich’s in Gnaden wissen, seid so gut;

Auf meinen Gütern — kennt Ihr sie nicht, Sire? —

Erbaut ich jüngst ein neues Luftschloß mir,

Das muß ich jetzt bezahlen. Nur ein Tor

Sorgt nicht bei Zeiten für die Zukunft vor.

Das wäre alles so in großen Zügen,

Ich habe weiter nichts hinzuzufügen.

Wollt ich noch eine Zeile niederschreiben,

Ich fürchte, Sire, ich könnte übertreiben.

Dann schrieb’ ich: Herr und König der neun Musen,

Der alle ihre Weisheit trägt im Busen,

Du König, mehr als Mars an Ehren reich,

Du König, dem kein anderer jemals gleich,

Gott gebe Dir und Deinem stolzen Thron

Des Erdballs ganzen Umkreis noch zum Lohn,

Sowohl zum Heil der rollenden Maschine,

Wie auch, daß Dir zum Ruhme solches diene.

Pierre Corneille

1606-1684

Stanzen

Läßt mein Angesicht auch sehen,

Gräfin, daß die Zeit verstrich,

Euch wird es nicht besser gehen,

Seid Ihr erst so alt wie ich.

All und jedem drückt ihr Zeichen

Auf die Zeit, eh’ sie entweicht,

Eure Rosen wird sie bleichen,

Wie sie mir das Haar gebleicht.

In denselben Bahnen gleiten

Ewig die Planeten hin,

Was Ihr seid, war ich vor Zeiten,

Und Ihr werdet, was ich bin.

Immerhin darf kühn ich sagen,

Etwas, Gräfin, nenn ich mein,

Was vielleicht in späten Tagen

Noch wird unvergessen sein.

Sind auch holde Reize Euer,

Wißt, ein Reiz, den Ihr jetzt haßt,

Strahlt einst noch in hellem Feuer,

Wenn der Eure längst verblaßt.

Er nur wird den Ruhm bewahren

Euren Augen, Eurem Haar,

Er erzählt nach tausend Jahren,

Was an Euch mir teuer war.

Bei den Bürgern jener Welten

Hat mein Wort noch guten Klang,

Werdet Ihr für schön dann gelten,

Schuldet mir Ihr dafür Dank.

Wollet gnädigst drum bedenken:

Ist ein Graukopf keine Zier,

Muß man ihm doch Achtung schenken,

Gleicht er, schöne Gräfin, mir.

Pierre-Jean de Béranger

1780-1857

Meine Berufung

Ich kam auf diese Erde

Geängstigt und verzagt,

Kaum hätte aus der Herde

Ich je mich vorgewagt.

Mein Weinen und mein Klagen

Verhauchte fast im Wind,

Da hörte Gott ich sagen:

So singe doch, mein Kind!

Der Reichtum fährt mit vieren,

Verlacht des Armen Not,

Wenn sie vorbei kutschieren,

Bespritzt uns nur der Kot.

Euch habe ich im Magen!

Doch macht der Zorn mich blind,

Dann höre Gott ich sagen:

So singe doch, mein Kind!

Weich bin ich nicht gebettet,

Zum Einerlei verdammt,

Gefesselt und gekettet

An mein bescheiden Amt.

Muß ich zu sehr mich plagen,

Daß Brot mein Arm gewinnt,

Dann höre Gott ich sagen:

So singe doch, mein Kind!

Manch Glück hab ich gefunden

In meines Lebens Mai,

Die Jahre sind entschwunden,

Es ist damit vorbei.

Doch will mein Herz mal fragen,

Warum das Glück zerrinnt,

Dann höre Gott ich sagen:

So singe doch, mein Kind!

So will ich ewig singen,

Will singen bis zuletzt,

Will jedem Freude bringen,

Den mein Gesang ergötzt.

Wo frohe Herzen schlagen,

Die freundlich mir gesinnt,

Da höre Gott ich sagen:

So singe doch, mein Kind!

Die Dachkammer

Die Bude unterm Dach! Ich seh sie wieder,

Wo frohe Armut Lehrerin mir war,

Ich hatte meine Freunde, meine Lieder,

Mein Mädchen hatte ich und zwanzig Jahr.

Der Narren lachte keck ich und der Weisen,

Da ich des Lenzes Blütentraum genoß,

Sechs Treppen hoch durft ich mich glücklich preisen

Mit zwanzig Jahren hier im Dachgeschoß.

Ein Bodenloch! Ich kann es nicht bestreiten;

Hier war’s, wo meine harte Bettstatt stand,

Dort seh ich noch die Verse, die vor Zeiten

Mit Kohle ich gekritzelt an die Wand.

Doch ach, die Freuden, die sind längst entschwunden,

Die meine Uhr mir mitleidvoll erschloß,

So oft den Weg ins Leihamt ich gefunden,

Mit zwanzig Jahren aus dem Dachgeschoß.

Wie gern ist Liese mit vergnügter Miene

Hier oben einst erschienen zum Besuch!

Vorm Fenster hat die Gute als Gardine

Flink aufgehängt ihr schönes neues Tuch.

Am Boden lag der Hut. Nie mocht ich fragen,

Wer ihn bezahlt hat, weil sie dies verdroß;

Wer wird sich auch um solche Fragen plagen

Mit zwanzig Jahren hier im Dachgeschoß.

Hier haben wir begeistert und verwegen

Die ganze Nacht gesungen und gezecht,

Da bei Marengo Bonapartes Degen

Die schlug, die ihm zu trotzen sich erfrecht.

Viktoria schossen sie! Wir aber dachten,

Nie kehrt zurück in unseres Helden Schloß

Die Sippe Ludwigs, die wir stolz verlachten

Mit zwanzig Jahren hier im Dachgeschoß.

Hinweg! hinweg! Ich könnte mich berauschen,

Wo der Erinnerung Zauber mich umschwebt ....

Ach, dürfte meiner Tage Rest ich tauschen

Für einen Monat, den ich hier gelebt,

Für Liebe, Leichtsinn, Torheit, für Sekunden,

Daraus im Traum ein Leben mir entsproß,

Für alle Hoffnung, die ich einst gefunden

Mit zwanzig Jahren hier im Dachgeschoß!

Der alte Korporal

Jetzt also vorwärts, Kameraden,

Die Stunde schlägt, noch einen Kuß,

Mein Pfeifchen brennt, Ihr habt geladen,

Kommt, Kinder, machen wir nun Schluß.

Die Jahre sind im Dienst geschwunden,

Den ich Euch allen beigebracht,

Doch niemals hab ich Euch geschunden!

Nun gebet Acht,

Heult nicht, gebt Acht,

Heult nicht, gebt Acht,

Nehmt Tritt, gebt Acht,

Gebt Acht, gebt Acht, gebt Acht, gebt Acht!

Ein Leutnant denkt, er darf mich kränken,

Ich wisch ihm eine aus, dem Wicht;

Es tat ihm nichts, doch sowas schenken ....

Mein Urteil sprach das Kriegsgericht.

Wer nicht so rasch ist, handelt weiser,

Am längsten hab ich’s nun gemacht,

— — Ach was, ich diente meinem Kaiser!

Nun gebet Acht,

Heult nicht, gebt Acht,

Heult nicht, gebt Acht,

Nehmt Tritt, gebt Acht,

Gebt Acht, gebt Acht, gebt Acht, gebt Acht!

An Arm und Bein darf Euch nichts liegen,

Das Kreuz ist ein paar Knochen wert,

Das meine holt ich in den Kriegen,

Da wir die Könige ausgekehrt.

Manch Gläschen gabt Ihr mir zum besten,

Wenn ich erzählte auf der Wacht

Von Schlachtenruhm und Siegesfesten,

Nun gebet Acht,

Heult nicht, gebt Acht,

Heult nicht, gebt Acht,

Nehmt Tritt, gebt Acht,

Gebt Acht, gebt Acht, gebt Acht, gebt Acht!

Wer fängt dahinten an zu flennen?

Die Tambourswitwe, dacht mirs schon!

Hab Anno zwölf beim tollen Rennen

Die Frau gerettet sammt dem Sohn.

Der Vater liegt im Schnee begraben,

Den Jungen schleppt ich Tag und Nacht ...

Kannst beten für mich alten Knaben!

:|: Nun gebet Acht, :|:

Die Pfeife will nicht ziehen heute ...

Jetzt hat sie Luft, was das nur war!

Da sind wir. Wollt ihr etwa, Leute,

Die Augen mir verbinden gar?

Hier an der Böschung laßt mich stehen,

Zielt nicht zu tief, hübsch mit Bedacht ...

Mögt Ihr die Heimat wieder sehen!

:|: Nun gebet Acht, :|:

Des Volkes Erinnerungen

Unterm Strohdach der Geringen,

In den Hütten stirbt er nicht,

Noch nach fünfzig Jahren spricht

Kaum einer dort von andern Dingen.

Abends sitzen am Kamin

Um die Alte junge Leute,

Mutter, ruft die Bäuerin,

Kannst von ihm erzählen heute!

Viele schelten jetzt den Mann,

Könnte er nur wiederkehren,

Ja, wiederkehren!

Laß uns also von ihm hören,

Großmutter, fang an!

Kinder, hier sah ich ihn reiten,

Hier durch unser Dorf, ganz nah,

In dem Jahr, da dies geschah,

Machte ich Hochzeit ... alte Zeiten!

Könige bildeten den Zug,

Heut noch glaube ich, den grauen

Mantel, den er damals trug,

Und den kleinen Hut zu schauen.

Ich erschrak und wurde bleich.

„Guten Morgen,“ rief er heiter,

Vergnügt und heiter.

„Wie, gegrüßt hat Euch der Reiter,

Ei, er sprach mit Euch?“

Ein Jahr später ist’s geschehen,

Daß ich nach Paris mal kam,

Vor der Tür von Notre Dame

Hab ich ihn wiederum gesehen.

Menschen drängten ohne Zahl

Sich in festlichem Gewimmel,

Alle meinten: „Seht einmal,

Schönes Wetter schickt der Himmel.“

Mild und gütig war sein Blick,

Grad war ihm ein Sohn geboren,

Ein Sohn geboren.

„Ei, der Tag war nicht verloren,

Mutter, das war Glück!“

Als dann seiner Feinde Scharen

Sich ergossen übers Land,

Trotzte er mit starker Hand

Beinah alleine den Gefahren.

Einmal klopft’s an meine Tür,

Eines Abends, just wie heute,

Plötzlich steht er da vor mir,

Im Gefolg nur wenig Leute.

Setzt sich auf den Sessel hier,

Niemals werd ich es vergessen,

Niemals vergessen!

„Mutter, wo hat er gesessen,

Auf dem Stuhl, sagt Ihr?“

„Ich hab Hunger,“ sprach er. Leider

Hatte ich nur Brot und Wein.

Hier am Feuer schlief er ein,

Schnell trockneten die nassen Kleider.

Beim Erwachen sagte er,

Als er schaute meine Zähren:

„Mut, noch habe ich ein Heer,

Vor Paris will ich mich wehren.“

Ich verwahre heute noch

Jenes Glas im Schrank da droben,

Im Schrank da droben.

„Wie, Ihr habt es aufgehoben?

Bitte, zeigt es doch!“

Hier ...! dann zog er ins Verderben!

Er, den einst ein Papst gekrönt,

Mußt verlassen und verhöhnt

Auf jener öden Insel sterben!

Dran zu glauben ward uns schwer,

Alle meinten: „Er kehrt wieder,

Heimwärts eilt er übers Meer,

Schlägt den frechen Fremdling nieder.“

Als ich hörte, es sei wahr,

Bin ich fast dem Schmerz erlegen,

Dem Schmerz erlegen.

„Schütz Euch Gott auf allen Wegen,

Mutter, vor Gefahr.“

Gérard de Nerval

1808-1855

Herren und Knechte

Wenn jene Herrn, die aus den Mären wohl bekannt,

Mit Stieresnacken und mit erzgeprägten Mienen,

Mit Leibern, die im Boden fest gewurzelt schienen,

Mit grimmig hochgemutem Sinn und harter Hand,

Wenn heute wieder sie auf diese Erde kämen,

Den Erben ihrer stolzen Namen nachzuspähn,

Die winselnd vor den Türen der Minister stehn,

Der Sippe, die schon längst verlernt hat, sich zu schämen,

Dem falschen Volk, an dem die Waden kaum noch echt,

Dann merkten jene Ritter ohne Furcht und Tadel

Sehr bald, daß, dank den Töchtern, ihrem guten Adel

Verdorben ward das Blut von manch gemeinem Knecht.

Phantasie

Es tönt mir eine Weise stets, für die

Ich Mozart, Weber und Rossini schenke,

Wenn ich in ihren Klang das Ohr versenke,

Bezaubert mich die alte Melodie.

Sie singt so müd von Trauer und von Wehe,

Ich fühle mich zweihundert Jahr verjüngt,

Ludwig der Dreizehnte regiert, ich sehe

Den Hügel, hinter dem die Sonne sinkt,

Ein Schloß von Ziegeln, Türme in den Ecken,

Gemalte Fenster und ein Giebeldach,

Darum ein Park mit immergrünen Hecken,

Durch bunte Blumen fließt ein stiller Bach.

Am hohen Fenster sehe ich vom weiten

In alter Tracht die blonde Dame stehn ....

Ich kenne sie. Ich habe sie vor Zeiten

In einem andern Leben schon gesehn.

Laß mich!

Laß ab von mir, es ist vergebens,

Du prangst im Lenze deines Lebens,

Mir kehrt er nimmermehr zurück!

Kannst du in meinem Gram nicht lesen,

Daß dieser Stirn, die jung gewesen,

Zu lächeln längst vergaß das Glück?

Wenn durch den Winterfrost, den harten,

Die bunte Blumenpracht im Garten

Gebleicht ist und der Baum entlaubt,

Wer gibt dem toten Blatt die Farben

Zurück, die mit dem Sommer starben,

Den Duft, den ihm der Nord geraubt?

Ach, hätte meines Schicksals Gnade

Mich kreuzen lassen deine Pfade,

Da mir noch solche Gunst getaugt,

Ich hätte trunken vor Entzücken

Dein Lächeln kühn gewagt zu pflücken

Und neue Kraft daraus gesaugt.

Heut leuchtest du mir nur von Ferne,

Du junges Blut, dem hellen Sterne

Vergleichbar, der dem Schiffer winkt,

Dess’ schwanken Kahn die List der Wogen,

Wenn schon der Sturm vorbei gezogen,

Zerbricht und mitleidlos verschlingt.

Laß ab von mir, es ist vergebens,

Du prangst im Lenze deines Lebens,

Mir kehrt er nimmermehr zurück!

Läßt diese Stirn, die jung gewesen,

Läßt dich ihr stiller Gram nicht lesen,

Daß nichts mehr sie erhofft vom Glück?

Goldene Verse

Mensch, freier Denker, wähnst du, daß nur du allein

Gedankenmächtig bist in dieser Welt voll Leben?

Du bist nur Herr der Kraft, die dir zum Lehn gegeben,

Jedoch das All ist frei, dein Witz ist ihm zu klein.

Hab Ehrfurcht! Jedes Tier nennt eigene Kräfte sein,

Der Kelch, der sich erschließt, ahnt einer Seele Beben,

Kein Stein, in dem nicht unbekannte Mächte weben,

Dies alles fühlt und dringt ins Innerste dir ein.

Vermeide Blicke, die aus blinden Fenstern spähen,

An jegliches Atom gebunden ist das Wort,

In deinem Munde darf es Sünde nie begehen.

Oft wohnt ein Gott versteckt an einem niedern Ort,

Das Auge wächst vom Lid bedeckt in heiliger Stille,

Es sproßt aus hartem Fels hervor ein reiner Wille.

Alfred de Musset

1810-1857

An Juana

Du bist’s, für die ich einst entbrannte,

Die erste, welche mein ich nannte,

Der ich geweiht mein ganzes Sein!

Erinnerst du dich auch noch dessen?

Ich habe es noch nicht vergessen,

Im letzten Sommer warst du mein.

Wie rasch entschwinden doch die Zeiten,

Die wir mit tausend Nichtigkeiten

Vergeuden, schnell sind sie entflohn.

Fast zwanzig Jahre sah ich schwinden,

Und du, Gefährtin meiner Sünden,

Hast ihrer beinah achtzehn schon.

Scheint auch die rote Rose bleicher,

Ist ihre Pracht nur um so reicher,

Ich schmeichle nicht, schön bist du doch!

Kein liebend Weib war liebevoller,

Kein spanisch Köpfchen jemals toller,

Denkst du des letzten Sommers noch?

Des Abends noch, da du mich kränktest

Und dann dein Halsgeschmeid mir schenktest,

Da ich ob deines Zorns geschmollt;

Drei Nächte fand ich keinen Schlummer,

In bittersüßem Liebeskummer

Hab ich geküßt das rote Gold.

Und die verräterische Schöne!

Denkst du noch an die tolle Szene,

O Andalusiens holder Stern?

Dein Liebster wollt vor Lachen sterben,

Und Eifersucht schien zu verderben

Den Gatten fast, den alten Herrn.

Nimm dich in acht, hör was ich sage,

Von neuem kehren jene Tage

Der Liebe bald vielleicht zurück.

Ein Herz, das dich einmal besessen,

Kann deiner nimmermehr vergessen,

Das Herz begehrt kein besser Glück.

Ach was! ich mag den Strom nicht dämmen,

Ich kann das Rad der Zeit nicht hemmen,

Ich halte seinen Gang nicht auf;

Was kümmern uns entschwundene Freuden,

Das Lied ist aus, wir wollen scheiden,

Das ist einmal der Welten Lauf.

Die Zeit entführt auf ihren Schwingen

Den Lenz, die Lerche und ihr Singen,

Ach, unser Dasein gleicht dem Rauch;

Karg ist die Frist uns zugemessen,

Was frommt mir, daß ich dich besessen,

Und dir, daß meiner du vergessen ....

Mein Leben schwindet, deines auch!

An Julie

Daß mich die Leute auf den Gassen

Nicht mal in Frieden rauchen lassen!

Mich fragt ein jeder dumme Wicht,

Woran ich seit drei Jahren schreibe,

Was ich in meinen Nächten treibe,

Denn daß ich schlafe, glaubt man nicht.

Willst du mir deine Lippen reichen?

Die tollen Nächte, die dich bleichen,

Sie trocknen die Korallen auch.

Daß diese Wunder nicht verderben,

Mein schwarzes Lieb, mußt du sie färben

Mit deines Atems heißem Hauch.

Mein Drucker glaubt sich längst vergessen,

Er meint, es warten seine Pressen

Auf meine! Und ein ganzer Trupp

Honetter Herren hält die Wette,

Daß mich mein Glück verlassen hätte,

Man schwatzt davon in jedem Klub.

Hast du noch deinen Muskateller?

Wir waren gestern erst im Keller,

Vielleicht blieb noch ein Rest zurück.

Wie glüht dein Mund! Ich will geschwinde

Mal sehen, ob ich was erfinde,

Natürlich ein verrücktes Stück.

Sie sagen, daß ich keine Lieder

Mehr pfeifen kann und daß ich wieder

Mich werfe in den vollen Strom.

Es lohnt nur nicht, sonst schickten heute

Nach Sankt Helena mich die Leute

Mit einem Magen-Karzinom.

Wenn ich am Feuer weiter nasche,

Verbrenn ich sicher noch zu Asche,

Auch Herkules ist ja verbrannt;

Soll in den Gluten ich verderben,

Will ich bei Dejanira sterben,

Drum öffne schleunigst dein Gewand!

An Pepa

Pepita, wenn die Sonne scheidet,

Wenn deine Mutter schlafen geht,

Wenn bei der Lampe halb entkleidet

Du knieend sprichst dein Nachtgebet,

Zur Stunde, wo du Frieden findest,

Wo dich erwartet süße Rast,

Wo du die Abendhaube bindest

Und unters Bett geleuchtet hast,

Wenn all die Deinen, die Familie,

Der Schlummer hält in seinem Bann,

Pepita, meine schlanke Lilie,

Gestehe, woran denkst du dann?

An eine Heldin aus Romanen,

Die ihr zerbrochnes Glück beweint,

An alles, was der Traum läßt ahnen

Und was die Wirklichkeit verneint,

An Berge, die nach schwerem Kreisen

Das Leben geben einer Maus,

An Andalusiens wilde Weisen,

An einen Mann, ein Zuckerhaus,

An Rosen, die du einmal pflanztest,

An Blicke jenes faden Wichts,

Mit dem du den Fandango tanztest,

Vielleicht an mich, vielleicht an nichts!

Lilla

O ließe Lilla sich bewegen,

Daß sie mir öffnete bei Nacht,

Dann braucht ich keines Pfaffen Segen!

Durchs Fenster spräng ich, nie verlegen,

Wenn ihre Frau Mama erwacht.

Die Angst mag alte Schachteln quälen

Um das Genick! Solch dürres Kraut

Wird keiner wohl dem Teufel stehlen,

Der wartet, bis die lieben Seelen

Sich langsam ekeln aus der Haut.

Auf einer Planke möcht ich zechen

Mit Lilla, niemals wär ich satt!

Kein Papst kann so mich selig sprechen,

Der Mann darf dreist sein Glas zerbrechen,

Der diesen Wein getrunken hat.

Ballade an den Mond

Hoch auf dem Turme glitzt er,

Der Mond, so gelb wie nie,

Da sitzt er,

Wie’s Tüpferl auf dem I.

Welch Elf hat auf den Faden

Dich mit geschickter Hand

Geladen,

Du naseweiser Fant?

Du Maske der Gespenster,

Was guckt für ein Gesicht

Durchs Fenster

Herein, du blasser Wicht?

Bist du, der Nacht Begleiter,

Nur rund geformtes Gold,

Das weiter

Sich ohne Beine trollt?

Bist du es gar, Geselle,

Bist du es, dessen Lauf

Der Hölle

Die träge Uhr zieht auf?

Ein Zeiger, der die Stunden

Verdammten Seelen weist,

Sekunden

Der Ewigkeit umkreist?

Ist es ein Wurm, der witternd

Sich anzuschleichen wagt

Und zitternd

Die Sichel dir benagt?

Wer hat dich halb geblendet?

Hat gestern dich im Traum

Geschändet,

Vielleicht ein spitzer Baum?

Auf meines Zimmers Wände

Trägt mir dein fahler Schein

Behende

Des Gitters Netzwerk ein.

Es hat der Sonne Gnade,

Da sie ins Meer getaucht,

Dich gerade

Ein wenig angehaucht.

Einst wirst du ganz erkalten,

Dein Angesicht verrät

Durch Falten,

Wie schlimm es um dich steht.

Die Göttin gib uns wieder,

Die keusch und nie besiegt

Die Glieder

An ihre Hirschkuh schmiegt,

Die einst in der Platane

Gehege sich gefiel,

Diane

Und ihrer Meute Spiel.

Hoch flüchtig sind gesprungen

Die Rehe, wenn voll Macht

Gedrungen

Das Hifthorn durch die Nacht,

Wenn auf der Spur der Beute

Ringsum durch Wald und Feld

Die Meute

Zur Hetze hat gebellt.

Als eines Abends linde

Durch ihren Hain gerauscht

Die Winde,

Hat Phoebus sie belauscht,

Der Gott, der nächtlich schwärmend

Die Hirtin und den Hirt

Keck lärmend

Im Vogelflug umschwirrt.

Durch jedes Abenteuer,

Dem still du beigewohnt,

Bleibst teuer

Du alle Zeit uns, Mond.

Wem immer du begegnet,

Dem bist für ewig du

Gesegnet,

Ob ab du nimmst, ob zu.

Du bist es jedem Schäfer,

Wenn auch zu nächtiger Stund

Dich Schläfer

Hat angebellt sein Hund.

Du bist es jedem Schiffe,

Das hart vom Sturm bedrängt

Durch Riffe

Der Lotse sicher lenkt.

Und jedem schönen Kinde,

Das mal in dunkler Nacht

Geschwinde

Sich aus dem Staub gemacht.

Tief unter dir gebettet

Und wie ein wilder Bär

Gekettet

Träumt das gezähmte Meer.

Wenn ich bei Wind und Wetter

Nicht aus der Stube kann,

Herr Vetter,

Dann schaue ich dich an,

Seh auf dem Turm dich glitzen,

Seh dich vergnügt wie nie

Dort sitzen,

Wie’s Tüpferl auf dem I.

Wenn manches wider Hoffen

Ein Ehemann zu Haus

Getroffen,

Dann lachst du ihn noch aus.

Und wenn der junge Gatte,

Nachdem die Mutter zach

Ihm hatte

Entriegelt das Gemach,

In Schlafrock und Pantoffel

Die Kerze löscht im Nu,

Du Stoffel,

Dann siehst du spöttisch zu.

Bang harrt sie mit dem Ringe

Am Finger, der sie mahnt

An Dinge,

Die sie nur zitternd ahnt.

Der Herr Gemahl fängt Feuer,

Sie wird in ihrer Qual

Nur scheuer

Und wehret dem Gemahl.

Er blickt mit heißen Augen

Und ruft: Mein Kind, was soll

Das taugen?

Bei Gott, du machst mich toll!

Kaum kann er es noch tragen,

Da läßt ihn ein Gesicht

Nichts wagen,

Und er, er wagt es nicht.

Es zittert und es zuckt ja,

Wir sind hier nicht allein,

Man guckt ja

Ins Zimmer uns herein!

Hoch auf dem Turme blitzt er,

Der Mond, so frech wie nie,

Dort sitzt er,

Wie’s Tüpferl auf dem I.

Dezembernacht

Als Schüler hab ich eine Nacht

In meinem Zimmer mal durchwacht,

Die Stunden wollten kaum entweichen;

Da plötzlich mir zur Seite stand

Ein Knabe, schwarz war sein Gewand,

Er glich mir, wie sich Brüder gleichen.

Bleich war sein schönes Angesicht,

Bei meiner Lampe trautem Licht

Hat er gelesen und geschrieben;

Mild lächelnd und gedankenschwer

Und träumend blickte er umher,

Die ganze Nacht ist er geblieben.

Grad war ich fünfzehn Jahre alt,

Und wollte einmal durch den Wald,

Quer durch die braune Haide streichen.

Da plötzlich an dem Raine stand

Ein Jüngling, schwarz war sein Gewand,

Er glich mir, wie sich Brüder gleichen.

Ich suchte aus dem Wald nach Haus,

Der fremde Gast hielt einen Strauß

Und eine Laute in den Händen;

Er grüßte freundlich mich, doch stumm,

Dann drehte er sich halb nur um,

Des rechten Weges mich zu senden.

Als dann mein Herz zum erstenmal

Verraten ward und sich in Qual

Gewunden unter schweren Streichen,

Da plötzlich an dem Herde stand

Ein Fremdling, schwarz war sein Gewand,

Er glich mir, wie sich Brüder gleichen.

Stumm stand er dort, in sich gekehrt,

Die Rechte trug ein blankes Schwert,

Die Linke zeigte starr nach oben;

Als hätt er um mein Leid gewußt,

Rang sich ein Seufzer aus der Brust,

Dann ist er wie ein Traum zerstoben.

Als ich in der Gesellen Kreis

Von edlem Weine einmal heiß

Zu kecker Rede gab das Zeichen,

Da plötzlich mir vor Augen stand

Ein Zecher, schwarz war sein Gewand,

Er glich mir, wie sich Brüder gleichen.

Ein Purpurlappen, ganz geflickt,

Hat unterm Mantel vorgeblickt,

Die magere Hand hat ihm gezittert;

Stumm hob das Glas der fremde Mann

Und schweigend stieß er mit mir an,

Da ist mein Glas im Nu zersplittert.

Ein Jahr darauf, die Zeit entflieht,

Hab ich an einem Bett gekniet,

Des Vaters Mund sah ich erbleichen.

Da plötzlich ihm zu Häupten stand

Ein Waisenkind, schwarz sein Gewand,

Es glich mir, wie sich Brüder gleichen.

Ein Engel, der dem Schmerz erliegt,

Erschien er dort, vom Leid besiegt,

Gleich mir, des teuren Toten Sohne;

Die frohe Laute war umflort,

Das Herz von einem Schwert durchbohrt,

Das Haupt trug eine Dornenkrone.

Noch oftmals hab ich ihn gesehn

An meiner Seite schweigend stehn

In meines Lebens schwersten Stunden,

Die rätselhafteste Vision!

Ist er ein Engel, ein Dämon?

Ich hab ihn überall gefunden.

Da später, müde und verzagt,

Ich Frankreich Lebewohl gesagt,

Der bittern Qual mich zu entwinden,

Da all mein Hoffen war verdorrt,

Da ich an einem fremden Ort

Wollt sterben oder Leben finden,

Zu Pisa und im goldnen Mainz,

Zu Cöln, im Angesicht des Rheins,

Zu Nizza unter grünen Myrten,

In den Palästen von Florenz,

Im Wintersturm, im jungen Lenz,

Hoch in den Alpen, bei den Hirten,

Zu Genua, wo wild die See

Das Ufer peitscht, und zu Vevey,

Zu Havre an der Klippe Wänden,

Dort wo Venedig schläft und träumt,

Die Adria am Lido schäumt,

Um in Lagunen feig zu enden,

Wo ich auch immer ohne Mut

Gewandert bin, wo mir das Blut

Geströmt aus meines Herzens Wunden,

Wohin mich meine Unrast trieb,

Wo mich durch ihr verdammtes Sieb

Gepreßt die ewig gleichen Stunden,

Wo nur das Rätsel dieser Welt

Des Daseins Freude mir vergällt,

Wenn ich dem Durste wollt genügen,

Wo immer, was ich längst gesehn,

Ich wieder sah vorübergehn,

Den kleinen Menschen mit den Lügen,

Wohin auf meiner Fahrt ich kam,

Wo in die Hand das Haupt ich nahm,

Um mich am Wege auszuweinen,

Wo ich durch das Gestrüpp gehetzt

Und wie ein Lamm zerzaust, zerfetzt

Dann niedersank auf kalten Steinen,

Wo immer mir ein Leid gedroht,

Wo ich verzweiflungsvoll dem Tod,

Dem letzten Freund, die Hand wollt reichen,

Stets plötzlich mir zur Seite stand

Der Ärmste, schwarz war sein Gewand,

Er glich mir, wie sich Brüder gleichen.

An Frau M.

Selbst wenn die Qual, die meine Seele leidet,

In ihr entfachte noch einmal die Glut,

Selbst wenn das Schicksal, das dies Glück mir neidet,

Mir ärmsten gönnte solch ein seltenes Gut,

Selbst wenn die Scham, die jetzt dich von mir scheidet,

Mir alles schenkte, was still in dir ruht,

Selbst dann, du Kind, von Unschuld fromm bekleidet,

Hätt ich zur Liebe weder Witz noch Mut.

Doch wenn dereinst die müden Sinne schwinden,

Wenn diese Welt nichts mehr in dir bewegt,

Wird die Erinnerung dich mir verbinden.

Magst du dich freuen, dich in Schmerzen winden,

In deiner Hand wirst du die meine finden,

Du hörst mein Herz, das an dem deinen schlägt.

Lebewohl!

Lebwohl! Gott heißt dich weiter gehen,

Nur dich, da meiner er vergißt,

Auf Erden gibt’s kein Wiedersehen ...

Jetzt weiß ich, was du mir gewesen bist.

Nur keine Tränen, keine Klagen,

Ich beuge mich, das Schicksal spricht,

Mag dich dein Schiff von dannen tragen,

Ich sehe lächelnd zu und weine nicht.

Die Hoffnung läßt dich sorglos scheiden,

Voll Hochmut kehrst du wieder her,

Und jene, die beim Abschied bitter leiden,

Die kennst du dann gewiß nicht mehr.

Lebwohl, zieh deinem Traum entgegen,

Da du im Rausche nach Gefahr nicht fragst,

Noch blendet dich der Stern auf deinen Wegen,

Noch lockt das Irrlicht dich, nach dem du jagst.

Einst lernst du, magst du jetzt auch prahlen,

Welch reiches Glück ein Herz gewährt,

Das uns versteht, und welche Qualen

Wir dulden, wenn sich’s von uns kehrt.

Victor Hugo

1802-1885

Der Abend des Sämanns

Nun will der müde Tag entweichen,

Still liegt vor mir das weite Tal;

Die Sonne sendet im Erbleichen

Hernieder einen letzten Strahl.

Dem armen Alten dort, der schweigend

Sich durch die graue Flur bewegt

Und in die Furchen, tief sich neigend,

Der Zukunft frohe Ernten legt.

Und wie der lange schwarze Schatten

Des alten Mannes Werk durchmißt,

Weiß der, dies Werk ging gut von statten

Am Tage, der gesegnet ist.

So geht er säend auf und nieder,

Er schreitet durch die weite Flur,

Er kommt und geht und streuet wieder,

Stumm folgt mein Sinnen seiner Spur.

Verschleiert ruhen alle Fernen,

Der Schatten wächst, er rauscht und schwillt,

Er reckt empor bis zu den Sternen

Des Sämanns königliches Bild.

Abend auf dem Meere

Komm, das Segel füllt sich wieder,

Dieser Abend ist so schön,

Steig mit mir zum Ufer nieder,

Laß dem Fischer seine Lieder,

Laß der Welle ihr Gestöhn.

Wollen hier im Schatten sitzen,

Hinterm Segel, das sich bauscht;

Wenn die Wogen uns bespritzen,

Seh ich deine Augen blitzen,

Höre, wie die Brandung rauscht.

Komm, wir wollen stumm verehren

Dieser Schöpfung hehre Pracht.

Sprich, mein Lieb, kannst du erklären,

Daß mein Auge stets voll Zähren,

Daß das deine immer lacht?

Sprich, wie kommt es, daß mein Denken

Gallenbitter in mir haust,

Daß mich selbst die Augen kränken,

Die sich stets zur Erde senken,

Während du den Himmel schaust?

Wo ich mich im finstern quäle,

Strahlt dir silbern jeder Stern,

Während ich die Schatten zähle,

Leuchten deiner frommen Seele

Tausend Welten nah und fern.

Bis zum Ende unsres Lebens

Brüllt um uns die Flut und dräut;

Keiner lebt, der seines Strebens

Frucht stets pflückt, der nicht vergebens

Saaten in den Boden streut.

Unbekannt mit unserm Ziele

Rudern durch die Flut wir keck,

Ach, in frevelhaftem Spiele!

Bald flieht aus dem leichten Kiele

Mut und Hoffnung, wir sind leck.

Weh, die Ruder, sie zerschellen,

Sturmwind fegt die Segel fort,

Laute Hilferufe gellen,

Haushoch türmen sich die Wellen,

Wälzen wild sich über Bord.

Gott hat Mühsal uns als Lehen

Überreichlich zugeteilt,

Wohin wir uns immer drehen,

Einen werden stets wir sehen,

Der in Hast vorübereilt.

Welchen Weg? Stets den der Ehren!

Wohin du? In meine Schmach!

Du? Dem Zweifel will ich wehren!

Du? Nach Ruhm steht mein Begehren!

Du? Der Liebe lauf ich nach!

Hastet nicht auf allen Wegen,

Hastet nicht zu jeder Frist,

Mögt Euch plagen, mühen, regen —

Eilt ja nur dem Land entgegen,

Daraus keine Rückkehr ist.

Jenem Land, wo alles endet,

Ob Ihr weinet, ob Ihr lacht,

Keinen Duft die Blume spendet,

Wo kein Sonnenstrahl Euch blendet,

Jenem Lande ewiger Nacht.

Weshalb alle diese Mühen,

Dieser Neid und diese Pein?

Trinkt Euch satt, die Wasser sprühen,

Seht im Laub die Früchte glühen,

Lebt und liebt und dann schlaft ein.

Ob Ihr emsig wie die Bienen

Nur der Arbeit wart gewohnt,

Ob Euch je ein Glück erschienen,

Ob Ihr mit zufriednen Mienen

Tag und Nacht habt schwer gefrohnt,

Allem ist ein Maß gemessen,

Alle Blüten fallen ab,

Ihr verliert, was Ihr besessen,

Aller Dinge harrt Vergessen,

Aller Menschen harrt das Grab.

Gott wird einst zurück uns fodern,

Fällt den Baum mit einem Streich,

Heißt der Flamme Glut verlodern,

Schiffe auf dem Grund vermodern,

Spricht zur Blume: Werde bleich!

Spricht zum kühnen Schlachtensieger:

Mensch, das letzte Wort ist mein!

Wate nur im Blute, Tiger,

Steige höher, stolzer Krieger,

Tiefer wird dein Fall nur sein.

Spricht zum Weib von Evas Stamme:

Schmücke dich, nutz deine Zeit,

Staub vom Staube, Schlamm vom Schlamme,

Einen Augenblick sei Flamme,

Asche dann in Ewigkeit!

Dulden mußt du’s und ertragen,

Ausgelöscht bist du im Nu;

Willst den Herren du verklagen,

Dich zu überheben wagen?

Groß ist er und klein bist du.

Jedem ist der Kampf beschieden,

Ob er zweifelt, ob er glaubt;

Not und Elend sind hinieden,

Doch der Herr im ewigen Frieden

Schüttelt lächelnd nur das Haupt.

Alles was wir hier erstreben,

Alles schwindet und zerstiebt.

Ach, die Schatten, sie entschweben,

Und es bleibt von deinem Leben

Nichts, wenn niemals du geliebt.

Will das Haupt in Demut neigen,

Leise, leise, stör mich nicht!

Blicke nach der Sterne Reigen,

Während ich in tiefem Schweigen

Höre, was die Woge spricht.

Bangend und mit bleichem Munde

Frag ich, mit gespanntem Ohr

Horch ich .... wehe, aus dem Schlunde,

Von des Meeres tiefem Grunde

Quillt nur trüber Schlamm empor.

Nimmer folge meinen Blicken,

Sie versenken sich in Nacht,

Sollst das Auge aufwärts schicken,

An dem Sterne dich erquicken,

Der dir froh entgegenlacht.

Sieh ihn hoch am Himmel stehen,

Wie er glänzt und strahlt und scheint,

Gottes Lächeln wirst du sehen,

Mich laß nach dem Menschen spähen,

Der in seinen Qualen weint.

Aus den Orientalen

I.

Eine Bucht und grüne Hügel,

Die sich spiegeln in der Flut,

Reiter steigen in den Bügel,

Frohe Lieder, froher Mut!

Hier die Zelte, dort die Rosse;

Schlanke Männer bei dem Trosse

Schärfen Schwerter und Geschosse

In des Feuers roter Glut.

Überall freut den Nomaden

Seiner Sonne helles Licht,

Und die Maid, zum Tanz geladen,

Weigert sich dem Krieger nicht.

Winde spielen mit dem Sande;

Solch ein Reigen auf dem Strande

Zeigt das Weib im Festgewande

Schöner als ein Traumgesicht.

Spiegeln sich, dem Ebenholze

Gleich, im Wasser diese Fraun,

Lacht das Angesicht, das stolze,

Jauchzen sie, wenn sie sich schaun.

Melkt jetzt das Kamel, das schnelle!

Weiße Milch spritzt aus dem Quelle,

Seltsam rinnt der Strahl, der helle,

Durch der Hände tiefes Braun.

Munter plätschern sie im klaren

Wasser, das von Salze schwer;

Sagt, wo kamen diese Scharen,

Diese fremden, gestern her?

Plötzlich kreischen schrille Becken,

Rosse wiehern, Kinder schrecken,

Wellen, die das Ufer lecken,

Stürzen sich zurück ins Meer.

II.

Die Wüste .... Furcht und Schrecken,

Nur Sand und nichts als Sand,

Wie weit mag sie sich strecken,

Versengt, verdorrt, verbrannt!

Nichts Lebendes will weilen,

Die Hügel selbst zerteilen

Im Winde sich, enteilen

Wie Flugsand auf dem Strand.

Es ziehen Karawanen

Nach Mamre und Ophir,

Frech kreuzen ihre Bahnen

Das heilige Revier.

Schwer schleppt durch heiße Dünen,

Wo keine Halme grünen,

Verwegenheit zu sühnen,

Sich keuchend Mensch und Tier.

Der Wüste tiefes Schweigen

Hört Gott der Herr allein,

Ihm ist sie erb und eigen,

Er markt sie ohne Stein,

Läßt Dünste sich erheben,

Die dieses Meer umschweben,

Sie zittern und sie beben

Und hüllen alles ein.

Der Kaisermantel

Ihr, deren Werke Labsal schaffen,

Ihr, die um Beute zu erraffen

Nach flüchtigem Wohlgeruch nur strebt,

Ihr, die Ihr den Dezember fliehet,

Den Blumen ihren Duft entziehet

Und uns den süßen Honig gebt,

Ihr, deren unbefleckte Lippen

Am reinen Tau des Morgens nippen,

Ihr, denen Keuschheit Lust und Pflicht,

Der Blüten liebliche Genossen,

Ihr Bienen, die dem Licht entsprossen,

Setzt Euch auf diesen Mantel nicht!

Ihr hochgemuten, arbeitsfrohen,

Die Ihr noch keinen Feind geflohen,

Stürzt Euch, Ihr Bienen, auf den Mann!

Von Euer Flügel Gold getragen

Sollt Ihr den Schuft mit Pfeilen jagen,

Fragt ihn: „Wofür siehst Du uns an?

Verräter Du, wir sind die Bienen!

Dem Frieden stiller Hütten dienen

Mit unseren Körben wir zur Zier.

Wir schwärmen durch die klaren Lüfte,

Aus Rosen saugen wir die Düfte,

Auf Platos Lippen wohnen wir.

Zu Nero magst Du Dich gesellen,

Dich neben Karl den Neunten stellen,

Der nach des Volkes Blute lechzt.

Nicht des Hymettus Biene habe

Des Mantels Hut, sie hat der Rabe,

Der auf dem Hochgerichte krächzt.“

Ihr sollt ihn peinigen, ihn lähmen,

Das Volk, das vor ihm bangt, beschämen,

Stecht ihm die Augen aus, dem Wicht!

Sollt mitleidlos ihn jagen, hetzen,

Wenn Menschen feige sich entsetzen,

Hält Euer Stachel das Gericht.

Die Ordnung ist wieder hergestellt

Die treten uns mit frechem Hohne

Und das Verbrechen trägt die Krone,

Das Recht des Volkes wird gebeugt.

An allen Grenzen unserer Lande

Ragt heut ein Denkmal unserer Schande,

Die Ehre ist erwürgt und schweigt.

O edle Freiheit großer Ahnen,

O Republik mit deinen Fahnen,

Die einst geragt zum Himmelsblau,

Du wurdest schnöde überlistet,

Des Kaiserreiches Sünde nistet

Verräterisch im stolzen Bau.

Die Zeiten sind vom Fluch besessen,

Mein Volk, du hast dich selbst vergessen,

Du wurdest feiler Lüge Raub.

Gesetz und Recht ward dir zu nichte,

Was kümmert dich die Weltgeschichte

Und deiner Väter heiliger Staub?

Willkommen seid ihr meinem Herzen,

Verbannung, Armut, bittere Schmerzen,

Willkommen, tränenreiche Zier.

Es heult der Wind durch meine Hütte,

Die Trauer naht mit düsterm Schritte,

Stumm setzt sie sich zur Seite mir.

Im Unglück finde ich euch wieder,

Gestalten meiner ersten Lieder,

Für die das Herz so heiß entbrannt.

O Freiheit, Mannesmut und Tugend,

Geliebte meiner frohen Jugend,

Auch euch hat schnöde man verbannt.

Sei mir gegrüßt, du Wasserwüste,

Sei mir gegrüßt, o Jerseys Küste,

Wo Englands altes Banner weht!

Dem Flutgebrause will ich lauschen,

Den Wogen, die im Winde rauschen,

Der Welle, die im Sturm vergeht,

Den Möven, die sich schaukelnd wiegen,

Die schaumbespritzt gen Himmel fliegen,

Vergoldet von der Sonne Strahl;

Wie sie sich aus der Flut erheben,

So ringt empor zu neuem Leben

Die Seele sich aus ihrer Qual.

Lied

Du Waldespfad mit schwanken Zweigen,

Ihr Täler, Hügel, rings umher,

Weshalb die Trauer und das Schweigen?

— Der einstmals kam, kommt nimmermehr.

Am Fenster keiner von den Lieben,

Verwelkt die Blumen und verdorrt,

Sprich, Haus, wo ist dein Herr geblieben?

— Ich weiß es nicht, mein Herr ist fort. —

Sei wachsam, Hund! — Wozu mich plagen?

Das Haus ist leer, du siehst es ja! —

Mein Kind, wem gelten deine Klagen?

Und deine, Weib? — Ihm, der nicht da.

Wo weilt er? — Jenseits ferner Meere.

Was seufzt ihr, Wogen, um den Stein?

Wo kommt ihr her? — Von der Galeere.

Was bringt ihr? — Einen Totenschrein.

Lied

Tot sind die kleinen Täubchen,

Das Männchen und das Weibchen,

Die Katze fing sie ein;

Zernagt sind ihre Reste,

Wer kehrt zurück zum Neste?

O arme Vögelein!

Vom Hirten keine Kunde,

Tot sind die treuen Hunde,

Der Wolf bringt Euch Gefahr.

Es zittern Eure Leiber,

Wer scheucht den feigen Räuber?

O arme Lämmerschaar!

Er muß im Kerker sterben,

Sie im Spital verderben,

Im Hause pfeift der Wind;

Kein Freund betritt die Stiege,

Wer schaukelt deine Wiege,

O armes, armes Kind?

Ein Spiel

Einst machte, laßt es Euch sagen,

Der Herrgott voller Behagen

Mit Satan eine Partie.

Jedweder hielt seine Karte,

Der setzte Bonaparte,

Der andere Mastai.

Ein armer winziger Pfaffe,

Ein kleiner prinzlicher Laffe,

Welch jämmerliches Spiel!

Gott machte es, ohne Zweifel

Mit Absicht, daß dem Teufel

Der ganze Einsatz verfiel.

„Dein sind sie,“ rief mit Lachen

Der Herr, „was wirst du nun machen?“

Der Teufel blickte voll Hohn;

Er packte die beiden Kleinen,

Auf Petri Stuhl setzt er einen,

Den andern auf Frankreichs Thron.

Des Kaisers Zeitvertreib

Dumpf tönen der Verbannten Klagen,

Das Grab ist nah und Frankreich fern.

Du schwelgst bei festlichen Gelagen,

Kannst Frauen im Theater jagen,

Das Hifthorn ruft zur Hatz den Herrn.

Rom wird dich salben und dich krönen,

Die Könige duzen Dich erfreut ...

Laßt heut von Notre Dame die Totenglocke tönen,

Morgen dräut

Sturmgeläut!

Des Schicksals Groll trifft nur die Besten,

Nur Männerseelen das Exil.

Du wohnst in ragenden Palästen,

Hast Gärten, Wälder, bei den Festen

Treibt Venus ihr verbuhltes Spiel.

Frech rasen die bekränzten Schönen,

Der Dienst des Bacchus wird erneut ...

Laßt heut von Notre Dame die Totenglocke tönen,

Morgen dräut

Sturmgeläut!

In Ketten schleppen hinter Gittern

Gefangene keuchend Stein auf Stein.

Hallali tönt es, Wälder zittern,

Fanfaren schmettern, Rüden wittern,

Die Birke glänzt im Mondenschein,

Dort schwimmt der Hirsch! Hört Ihr ihn stöhnen?

Die Meute folgt, der Herr gebeut ...

Laßt heut von Notre Dame die Totenglocke tönen,

Morgen dräut

Sturmgeläut!

Im Kerker leert des Elends Schale

Ein Mann, vor Hunger stirbt sein Sohn.

Der Wolf füllt Tigern die Pokale,

Der Pfaffenkaiser zecht beim Mahle

Aus der Monstranz. Es blickt voll Hohn

Ein Faun auf ihre Schmach, sie frönen

Gelüsten, die sein Ekel scheut ...

Laßt heut von Notre Dame die Totenglocke tönen,

Morgen dräut

Sturmgeläut!

Gespenster der Erschlagnen wimmern,

Die Toten finden keine Ruh.

In prächtig ausgeschmückten Zimmern

Seh ich den Wein im Becher schimmern,

Die Dame trinkt dem Sieger zu.

Der Seele Blöße zeigt ihr Höhnen,

Des Leibes Blöße zeigt ihr Kleid ...

Laßt heut von Notre Dame die Totenglocke tönen,

Morgen dräut

Sturmgeläut!

Das Fieber endet Eure Klagen,

Gefangene, bald seid Ihr frei.

Es schwelgt bei üppigen Gelagen

Der Troß mit lärmendem Behagen

Und singt und lacht und küßt dabei.

Die edlen Ritter zu versöhnen,

Wird wahllos Huld und Gunst verstreut ...

Laßt heut von Notre Dame die Totenglocke tönen,

Morgen dräut

Sturmgeläut!

Es wandelt Männer in Skelette

Cayennes heiße Fieberglut.

In unseres letzten Ludwig Bette

Erwartet dich die Lagerstätte,

Wo auch dein Oheim einst geruht.

Du wirst dich schnell daran gewöhnen,

Horch, wie der Pöbel hurra schreit ...

Laßt heut von Notre Dame die Totenglocke tönen,

Morgen dräut

Sturmgeläut!

O weint, die Freiheit ward erschlagen,

Ein Dolchstoß hat sie umgebracht.

Doch jetzt ist keine Zeit zum Klagen,

Der Bräutigam steigt in den Wagen,

Der Cäsar feiert Hochzeitsnacht.

Singt Brautgesänge, Ihr Kamönen,

Dem Mörder, der um Frankreich freit ....

Laßt heut von Notre Dame die Totenglocke tönen,

Morgen dräut

Sturmgeläut!

Die Sühne

I.

Entglitten waren ihm zum ersten Mal die Zügel,

Zum ersten Male hingen seines Adlers Flügel.

Nur graue Tage. Langsam kehrte er zurück,

In Moskaus Flammenmeer versank des Kaisers Glück.

Es schneite. Und soweit die Ebene sich streckte,

Soweit verschwand sie in dem Schnee, der sie bedeckte.

Kein Banner fliegt und kein Kommandoruf gebeut,

Das große Heer von gestern eine Herde heut.

*                    *
*

Im Sattel sitzen die Trompeter traumverloren,

Der bleiche Mund ist an die Hörner angefroren,

Granaten, Bomben und Kartätschen sind vereist,

Die Grenadiere wissen jetzt, was zittern heißt.

Mechanisch trotten sie des Wegs, die alten Kerle,

Im grauen Barte glänzt des Eises kalte Perle.

Es schneit, es pfeift der Wind. Barfuß ziehn sie einher,

Auf Glatteis, ohne Brot, den Weg kennt keiner mehr.

Soldaten sind es nicht, nicht Herzen, die empfinden,

Es sind nur Träume, die sich durch den Nebel winden,

Ein Zug von Schatten, matt, verblichen und erschlafft,

Ringsum die Einsamkeit, unendlich, grauenhaft.

*                    *
*

Der Kaiser sieht die Not, stumm bleibt sein bleicher Mund.

Noch steht der Baum, doch trägt er schon des Fällers Zeichen;

Der Riese, dessen Wipfel keiner konnt erreichen,

Der nie den Hieb der Axt, den Beilschlag nie gekannt,

Er fühlte des Geschicks, des Meisters schwere Hand.

Erschauernd hörte er die dumpfen Hiebe schallen

Und sah rings um den Stamm die Äste niederfallen,

Sie alle sinken hin, ein jeder wird gefällt.

Still schleichen bis zuletzt sie um des Kaisers Zelt,

Um auf der Leinwand seinen Schatten nur zu sehen,

Und wenn sie dort dann die Gestalt, sein Bild erspähen,

Scheint ihnen noch sein Stern. Und all die Pein, das Leid

Ist Majestätsbeleidigung, des Schicksals Neid.

Doch er, den keine Kraft bis dahin übermannte,

Er wandte sich zu Gott, dess’ Zeichen er erkannte.

Daß dieses eine Buße war, das ahnte er,

Doch nicht wofür. Gebeugt frug er und sorgenschwer

Vor den Legionen, die im Schnee begraben waren:

Ist dies die Züchtigung, Gewaltiger der Scharen?

Da hörte seinen Namen er im Dämmerschein,

Und eine Stimme quoll aus Nacht und Dunkel: Nein!

II.

Waterloo, Waterloo! still liegst du jetzt und träumend

Im weiten Kessel, dem die Woge überschäumend

Mit wildem Sprung entquoll! In diesem grünen Tal

Hielt der gefräßige Tod ein fürchterliches Mahl.

*                    *
*

Gemetzel, ein verhängnisschwangrer Tag. Der Mann

Erkannte, daß der Sieg ihm in der Hand zerrann.

Noch stand als allerletzter Rückhalt seine alte

Erprobte Garde unberührt im Hinterhalte.

Vorwärts! rief er, zum Kampf, die ganze Garde vor!

Wie eine Springflut bäumte es sich wild empor.

Dragoner und Lanciers, die Helden aller Zonen,

Die Grenadiere, tapferer als Roms Legionen,

Der Donner und der Blitz im Rohr der Artillerie,

Die letzten Helden von Friedland und Rivoli,

Sie gingen in den Tod, ins sichere Verderben,

Und jubelnd grüßten sie noch ihren Gott vorm Sterben.

Ein einziger Ruf erscholl: Der Kaiser hoch! und dann

Marschierten sie in festem Tritt, Musik voran,

Die ganze Kaisergarde in den Höllenrachen,

Der englischen Kanonen spottete ihr Lachen.

*                    *
*

Mit einem Mal durchlief Verzweiflung alle Glieder,

Das gräßliche Gespenst schlug Mut und Hoffnung nieder,

Die Bataillone wichen rückwärts, bleich, entsetzt,

Die Fahnen waren ihnen nur noch Lumpen jetzt.

Die blasse Furcht, das Riesenweib mit schwankem Schritte,

Hob das verzerrte Haupt empor in ihrer Mitte,

Die Männerherzen zwang sie plötzlich in den Bann,

Von links, von rechts ein Schrei nur: Rette sich, wer kann!

Zurück! schallt es aus tausend Kehlen. Alle wanken,

Kein Widerstand, kein Halt, es sinken alle Schranken,

Besinnungslos strömt alles hin, das Herz versagt ....

Verdorrte Blätter, die der rauhe Herbststurm jagt!

Im Graben liegen schon die Protzen und Lafetten,

Ein jeder rennt, ein jeder will das Leben retten.

Sie werfen ihre Adler fort, Helm und Gewehr,

Die Veteranen fliehn, die Preußen hinterher.

Verbranntes Stroh im Wind, was einst ein Heer gewesen,

Jetzt flattert es wie Spreu, gefegt von Gottes Besen.

*                    *
*

Napoleon sah ihren Fall. Die Woge spülte

Geschütz und Roß und Mann und Banner fort. Da fühlte

Er des Gewissens Not, die Schande und die Schmach.

Er beugte sich: Ich bin besiegt, mein Schwert zerbrach,

Mein stolzes Heer entfloh wie vor dem Wolf die Schafe,

Gib Antwort, strenger Gott, ist dieses meine Strafe?

Da drang ein Laut wie Stahl ihm kalt durch Mark und Bein.

Im Donner der Geschütze rief die Stimme: Nein!

III.

Er stürzte. Gott hat für Europa andere Ruten.

Im fernen Meere liegt umwogt von wilden Fluten

Erloschenen Vulkans ein abgesprengter Teil.

Das Schicksal nahm den Hammer, Nägel, Eisen, Seil,

Es packte ihn, den bleichen Räuber seiner Blitze,

Und kettete ihn lachend an des Felsens Spitze.

Es lockte Englands Geier an; in ekler Gier

Zernagte ihm das Herz das widerliche Tier.

Erloschen ist der Sonne märchenhafter Schimmer,

Vom Morgen bis zur Nacht dieselbe Öde immer,

Der Kerker und die Einsamkeit und Schmerz und Weh,

Die Wache an der Tür, am Horizont die See,

Der nackte Fels, das Einerlei, endlose Räume,

Die Segel ziehn vorbei wie hoffnungslose Träume,

Die Woge braust, es pfeift der Wind, er heult und gellt ...

Leb wohl, mein Wappenschild, leb wohl, mein Purpurzelt,

Leb wohl, du Roß, das stolz den Cäsar einst getragen,

Das Diadem zerbrach und keine Trommeln schlagen!

Kein König liegt im Staub und küßt des Mantels Saum

Verzerrten Angesichts ..., vorbei der Kaisertraum!

*                    *
*

Den Bildern denkt er nach, die aus dem Nebel steigen,

O Ruhm, o Glanz, o leeres Nichts, o ewiges Schweigen!

Der Adler kennt ihn nicht, der seine Schwingen reckt,

Die Könige haben ihm den Kerker abgesteckt,

Entrinnen kann er nie den Blicken seiner Späher.

Und seine Stunde kam. Der Tod rückt immer näher,

Er wuchs in seines Lebens tiefe Nacht hinein

Wie in den Wintertag des bleichen Morgens Schein,

Die Seele fröstelte schon längst auf dunkeln Wegen.

Da eines Tages legt er auf das Bett den Degen

Und flüstert: es ist Zeit! Still hat er sich gestreckt,

Der Mantel von Marengo hat ihn zugedeckt,

All seine Schlachten standen an des Kaisers Bette.

Er aber sprach: Jetzt endlich ist gesprengt die Kette,

Sieg, Sieg, dort fliegt mein Aar, ich sehe ihn, er steigt!

Zum Sterben hatte er das müde Haupt geneigt,

Da sah er durch die Schatten, die auf’s Auge fielen,

Herrn Hudson Lowe über seine Schwelle schielen.

Laut schrie der Riese, den der Könige Fuß zertrat:

Das Maß ist voll, mir ist vergolten, was ich tat,

O Herr, genug des Zorns, laß ab von deinem Grimme.

Ich habe schwer gebüßt! Noch nicht ...! rief eine Stimme.

IV.

Das schwarze Mißgeschick ist wie die Nacht entflohn,

Im Tode stieg der Kaiser wieder auf den Thron.

*                    *
*

Die Schlacken fielen ab, in hellem Glorienschein

Erstrahlte jetzt sein Bild, von dunkeln Flecken rein.

Des Ruhmes Glanz hat die Gerechtigkeit bestochen,

Verstummt ist sie, sein Urteil hat sie nicht gesprochen,

Arcole lebte nur und Ulm und Austerlitz.

Wie in die Gräber alter Zeit stieß Menschenwitz

In jener großen Jahre tiefen Schutt den Spaten.

Die Völker jubelten, die Zeugen seiner Taten,

So oft darin des Konsuls Marmorbild sich fand,

So oft daraus des Cäsars Erzgestalt erstand.

V.

Es steigt der Ruhm, wenn Helden fallen!

Er hörte in des Grabes Nacht

Das Lied durch alle Lande schallen,

Das ihm Unsterblichkeit gebracht.

Die Erde sprach: Im Sturmeswehen

Ist ihm der Sieg gefolgt, das Glück,

Noch niemals sah vorübergehen

Die Weltgeschichte solch Geschick.

Auf dieses Mannes Sarg der Hügel

Sei höher noch als je getürmt,

Den Erdball leitete sein Zügel,

Den Himmel hat er fast gestürmt.

Bezwungen hat er diese Erde,

Zu eng war ihm der weite Raum,

Daß er des Schicksals Meister werde

Verlangte seiner Seele Traum.

Im Trotz hat er mit allen Sinnen

Sich wider Gottes Schluß gebäumt,

Wenn seinem herrischen Beginnen

Das Ende je zu lang gesäumt.

Er, der mehr als ein Mensch gewesen,

Sprach laut zu Rom: Die Welt war dein,

Du fällst. So hab ich es gelesen

Im Schicksalsbuch. Das Reich ist mein.

Ein Priesterkönig! zwei Idole

In einem, Leuchtturm und Vulkan!

Der Louvre ward zum Kapitole

Und St. Cloud ward zum Vatikan.

Als Cäsar hätte vor dem Volke

Stolz zu Pompejus dieser Mann

Gesagt: Siehst in der Feuerwolke

Mein Schwert Du? trag es mir voran!

In seinen wilden Phantasieen,

In seiner Seele heißem Traum

Sah er Nationen vor sich knieen,

Sie küßten seines Mantels Saum.

Die Räume wollte er, die Zeiten

Im Sturme durcheinander wehn,

Paris durch alle Welten breiten

Und in Paris die Welten sehn.

Er wollte in der Erde Mitten

Errichten seinen hohen Thron,

Zu einem Volk die Menschheit kitten

Wie Cyrus einst in Babylon.

Er wollte in vermeßnem Prahlen

Auf ewig gründen seinen Ruhm,

Jehovah sollte überstrahlen

Des neuen Gottes Heiligtum.

VI.

Er kehrte im Triumph zurück zu Frankreichs Strande,

Der Ozean gab seinen Sarg dem Vaterlande.

Zwölf Jahre lag er dort, erreicht hat er das Ziel,

Geheiligt durch den Tod, geheiligt durchs Exil;

Und alle, die an seiner Gruft vorübergehen,

Sie wähnen dort im Schatten wieder ihn zu sehen,

Im Kaisermantel mit den goldenen Bienen, stumm,

Im hohen Marmordom, und Schweigen rings herum,

Ihn, jenen Mann, dem einst zu eng des Erdballs Weite,

Das Szepter in der Hand, den Degen an der Seite,

Zu Füßen sitzt mit halb geschlossnem Aug der Aar.

So schläft den Todesschlaf der, welcher Cäsar war.

VII.

Des Nachts — im Grabesschweigen herrscht ja immer Nacht —

Ist plötzlich um die Geisterstunde er erwacht.

Seltsame Schatten sieht er durch das Dunkel irren,

Ein schrilles Lachen hört er durch die Halle schwirren,

Er richtet schreckensbleich sich auf in seiner Gruft,

O Grausen ... eine wohlbekannte Stimme ruft:

Steh auf jetzt! Moskau, Waterloo und alle Leiden

St. Helenas, und was Du fühltest, als im Scheiden

Am Sterbebett Du Albions höhnendes Gesicht

Erblicktest, das ist nichts. Jetzt erst naht das Gericht.

Hart klang die Stimme, zischend, schneidend und zersetzend,

Sarkastisch finster war der Ton, ironisch ätzend,

Ein bitteres, scharfes Lachen, eines Halbgotts Hohn.

Sire, sie schleppen Dich aus Deinem Pantheon,

Sire, sie holen von der Säule Dich herunter,

Blick um Dich! Räuberpack, ein widerlicher bunter

Schwarm von Zigeunern, die am Aase sich geletzt,

Die haben Dich, und Du bist ihr Gefangener jetzt.

Sie winden sich um Deines Fußes Erz, die Schlangen!

Stolz wie die Sonne bist Du unter einst gegangen,

Napoleon der Große, in der wilden See,

Jetzt stehst Du auf als Clown im Cirkus Beauharnais.

Sie putzen Dich, Du bist, wenn sie die Leute locken,

Der Große, doch ein Narr, wenn sie zusammenhocken.

Der Degen rasselt auf dem Pflaster laut und scharf,

Die Bande kann ihn auch verschlucken nach Bedarf.

Sie laden alle ein, die vor der Bude stehen:

Hereinspaziert, hier ist ein Kaiserreich zu sehen,

Der Papst ist engagiert ..! Ihr zweifelt? es ist wahr,

Und etwas feines noch, es tritt auch auf der Zar!

Doch der ist ein Sergeant, der Papst ist nur ein Bonze,

Als Extranummer haben wir den Mann von Bronze!

Fould und Magnan sieht man beliebig sich verwandeln,

Und Automaten, die wie ein Senat verhandeln,

Wir sind vom großen Kaiser die berühmten Neffen ...!

Hörst Du das Diebsgesindel schrein, hörst Du sie kläffen?

Der Kaiseradler, der sich in die Lüfte froh

Geschwungen einst, der ist jetzt ausgestopft mit Stroh,

Er, der das Schlachtfeld hat geschaut mit freien Blicken,

Sieht auf dem Jahrmarkt Deinen Thron zusammenflicken.

Sie haben Frankreich ausgeraubt, die feige Brut,

Du siehst ja, ihre Lumpen sind noch voller Blut,

Im Weihekessel wäscht den Trödelkram der Pfaffe,

Du, Löwe, folgst als Knecht, ihr Meister ist der Affe.

Dein Name ist ihr Bett, sie nutzen ihn mit List,

Sie düngen Austerlitz sogar mit ihrem Mist.

Dein Ruhm, Napoleon, ist Wein für ihre Schande,

Den grauen Mantel probt der Häuptling dieser Bande,

Sie sammeln Bettelgroschen in dem kleinen Hut,

Dein stolzes Banner ist zum Tischtuch grade gut.

Und an dem Spieltisch, wo die Gauner alle lauern,

Da säuft das Bettelpack und plündert frech die Bauern;

Du stehst Gevatter bei dem schnöden Beutezug,

Die Hand, die einst bei Lodi die Standarte trug,

Die Blitz und Donner hielt, die Hand, o Bonaparte,

Betrügt beim Würfelspiel und mischt die falsche Karte.

Mit ihnen mußt Du zechen, und sie stoßen dann

Dich höchst gemütlich mit dem Ellenbogen an.

Pietri duzt Deine Majestät, der Jammerlappen,

Herr Maupas darf vertraulich auf den Bauch Dich tappen.

Falschmünzer, Mörder, Schufte, Räuber ... jeder denkt,

Es wird, wie Dir, was er verbrach, ihm nicht geschenkt,

Doch vorher hoffen sie den Becher noch zu leeren,

Poissy trinkt auf St. Helena, um Dich zu ehren!

Ein ewiger Sonntag, Bälle, Feste früh und spät,

Der Pöbel stößt und drängt, der vor dem Cirkus steht.

Du steigst auf das Gerüst, um das die bunte Menge

Sich dreht, sie schreit und johlt im lärmenden Gedränge,

Laut klingelt neben Dir Rouher, der Hampelmann — —

So endet bei Callot, was bei Homer begann,

O welche Epopoe, o welches Schlußkapitel ...!

Troplong, der Hanswurst im gestreiften Narrenkittel,

Ist obenauf. Vor dieser Bude, wo ein Wicht

Den Cäsar spielt mit schlecht gewaschenem Gesicht,

Mit einem Schnurrbart, wie ihn die Banditen tragen,

Mußt Du, Gespenst im Hermelin, die Pauke schlagen!

Die gräßliche Vision verstummte und versank.

Der Kaiser taumelte, ein lauter Angstschrei drang

Aus seiner Brust, der Blick war starr. Verstohlen tauschten

Die Siegesgöttinnen, die an der Pforte lauschten,

Und heimlich Winke aus, da sie ihn zittern sahn.

In blasser Furcht erhob die Hände der Titan,

Dumpf klang sein Stöhnen in den grauen Finsternissen.

Verzweifelnd schrie er auf: Wer bist Du, laß mich’s wissen,

Der Du mir ewig folgst, den nie geschaut mein Blick! —

Ich ....? Dein Verbrechen bin ich, tönte es zurück.

Ein geisterhaftes Licht war ringsum ausgebreitet,

So klar, wie Gott, wenn er den Pfad der Rache schreitet,

Und eine Flammenschrift hob hell sich von der Wand,

Wie einst sie lohend vor Belsazars Auge stand,

Er las sie. Kalt und starr fiel er zurück ins Leere,

Geschrieben stand: Ich bin der achtzehnte Brumaire.

Théophile Gautier

1811-1872

Pastell

Ich liebe euch in den ovalen Rahmen,

Vergilbte Bilder einer fernen Zeit,

Euch, längst verblichne Rosen, und euch, Damen,

Die ihr verwelkt seit hundert Jahren seid.

Die Lilie schwand, die Rose und die Aster

Im Wintersturm, im Regen und im Schnee,

Der Spritzfleck ist jetzt euer Schönheitspflaster,

Verstaubt und rissig liegt ihr auf dem Kai.

Die Erde sah das Reich der Schönen schwinden,

Die Pompadour, sie würde heute kaum

Ergebene Sklaven, Untertanen finden,

In ihrer Gruft schläft sie und dieser Traum.

Doch ihr, vergessene Bilder mit den Blüten,

Aus denen Leben längst und Duft entschwand,

Ihr lächelt! Die Erinnerung wollt ihr hüten

An alles, was einst leuchtend vor euch stand.

Trost

Die Welt ist schlecht! Die Leute sagen,

Du trügest an demselben Platz,

Wo andere die Herzen tragen,

Nur eine Uhr, mein lieber Schatz.

O nein! Dein junger Busen dehnt sich,

Schwillt wie das Meer zur Zeit der Flut,

Dein junges Herz, es bangt und sehnt sich,

Und feurig kreist dein junges Blut!

Die Welt ist schlecht! Die Leute sagen,

Der Blick, mit dem du mich entzückst,

Du wüßtest ihn nur aufzuschlagen,

Wenn du auf eine Feder drückst.

O nein! in mancher bangen Stunde

Hab ich die Träne, süße Frau,

Dir fortgeküßt mit heißem Munde,

In dunkeln Wimpern hing der Tau.

Die Welt ist schlecht! Die Leute sagen,

Mein Kind, dein Köpfchen wäre hohl,

Die Verse, die ich vorgetragen,

Die hieltest du für Sanskrit wohl.

O nein! mit siegessicherer Miene

Blickst du mich an, dein Grübchen lacht ...

Du liebe, süße, kluge Biene,

Wer hat nur solches Zeug erdacht?

Weil du mich liebst, laß dir es sagen,

Verfolgt dich böser Mäuler Neid,

Brauchst mich zum Teufel nur zu jagen,

Dann hast du Herz und bist gescheit!

Die Alten von der alten Garde[2]

Mich hat aus meinem warmen Zimmer

Die Langeweile aufgescheucht,

Es war, wie im Dezember immer,

Im Freien neblig, kalt und feucht.

Ich sah, kaum konnt ich es begreifen,

Wie so etwas passieren mag,

Gespenster durch die Straßen streifen,

Gespenster hier am hellen Tag.

Ist dies die Nacht ruchloser Helden,

Wo unerlöste Seelen stumm,

Wie dies die deutschen Märchen melden,

In alten Türmen gehen um?

Ist dies die Nacht, wo Elfen schwärmen,

Wo sie geheimnisvoll und bleich

Im Totentanze seltsam lärmen

Rings um den traumverlornen Teich?

Ist dies die Nacht, die schaurig helle,

Die Er zur Heerschau ausgewählt,

Wo Er inmitten der Marschälle

Die Schatten der Getreuen zählt?

Doch Geister auf Pariser Gassen,

Zwei Schritt nur von den Varietés,

Wie können die sich sehen lassen

Im Straßenkot, im feuchten Schnee?

Ein Anblick, wahrlich, ein aparter!

Kein Zahn, nur Runzeln im Gesicht,

So zeigt der Boulevard Montmartre

Das tolle Volk im Mittagslicht.

So etwas sang noch nie ein Barde!

Den Tschako schwenkt die kleine Schar ...

Die Uniform der alten Garde,

Dazwischen schleicht auch ein Husar.

Sie kommen langsam angezogen,

Mit müden Schritten, ohne Laut,

Ein jeder kennt die Bilderbogen,

Worauf man diese Alten schaut.

Der Tod gab sie nicht wieder heute,

Kein Trommler hat sie aufgeschreckt,

Es hat nur ein paar alte Leute

Des Kaisers Heimkehr aufgeweckt.

Seit sie die letzten Schlachten schlugen

Nahm dieser zu und jener ab,

Die Kleider, die sie damals trugen,

Sind dem zu weit und dem zu knapp.

Armseliger Trödel, heilige Fetzen,

Ihr Lumpen mit dem roten Band,

In keines Königs reichsten Schätzen

Trifft man ein schöneres Gewand!

Ein Haarbusch, der sich mühsam fristet,

Ein Pallasch mit zerbeultem Griff,

Die Motte hat sich eingenistet

Im Loch, durch das die Kugel pfiff.

Die Hosen schlagen tausend Falten,

Die Sporen fraß beinah der Rost,

Es schlottert mancher dieser Alten

Erbärmlich bei dem harten Frost.

Und wieder andere sieht man keuchen,

In ihren Dolman eingezwängt,

Mit wohlgepflegten dicken Bäuchen,

Die Nähte werden fast gesprengt.

Kein Spott! es wäre jammerschade,

Nehmt eure Hüte in die Hand,

Seht Helden einer Iliade,

Wie kein Homer sie je erfand.

Habt Ehrfurcht! diese Bronzefarbe

Hat aller Zonen Hauch gebeizt,

Die Stirn zeigt manch verharschte Narbe,

Die vieler Jahre Furchen kreuzt.

Ägyptens Wüste, heiß und trocken,

Sie dörrte jenen schwachen Greis,

Dem Rußlands kalte Winterflocken

Die braunen Haare färbten weiß.

Es zittern ihre müden Hände ...

Die Beresina weiß, wovon!

Die Füße hinken ... welch ein Ende

Von Moskau bis nach Lissabon!

Der geht gebückt ... in hundert Nächten

Hielt ihn das Fahnentuch nur warm!

Dem fliegt der Ärmel an der rechten ...

Gewiß, ihm fehlt der rechte Arm!

Drum keinen Spott! laßt sie nur gehen,

Die jeder Bube heut verlacht,

Den Morgen haben sie gesehen,

Wir aber sehen nur die Nacht.

Was ihr verlort, hier blieb’s erhalten!

Die Grenadiere, der Husar,

Seht vor der Säule diese Alten,

Da steht ihr Gott, ragt sein Altar.

Stolz auf das Leid, das sie getragen,

So hören Frankreichs Herz sie jetzt

Laut unter ihren Lumpen schlagen,

Die längst die Zeit zernagt, zerfetzt.

In Tränen wandelt sich das Lachen,

Rings wird es still mit einem Mal,

Entschlafene Zeiten, sie erwachen,

Das ist ein heiliger Carneval.

Und über diesem Maskenzuge

Und über dieser bunten Schar,

Da breitet noch einmal im Fluge

Den Fittich aus der Kaiseraar.


[2] Am 15. Dezember 1840 wurde Napoleons Leiche in Paris beigesetzt. Seitdem zogen alljährlich an diesem Tage die Veteranen der großen Armee nach dem Invalidendom.

Charles Baudelaire

1821-1867

Mißgeschick

Zu schwer wiegt dieser Last Gewicht,

Kaum kann ein Sisyphus sie heben,

Die Kunst währt lang und kurz das Leben,

Selbst wenn es nicht an Mut gebricht.

Nie hab an ruhmbekränzten Särgen

Ich aufgeschluchzt, mich packt das Weh,

Der Gram, wenn ich an Gräbern steh,

Die namenlose Tote bergen.

Manch Kleinod ward in Nacht versenkt

Und Finsternis, kein Spaten denkt

Nach dem vergessenen Schatz zu schürfen;

Still haucht manch Blüte in die Luft

Wie ein Geheimnis ihren Duft,

Den tiefe Einsamkeiten schlürfen.

Das Ideal

O nein, sie sind es nicht, die leicht umrissnen Fratzen,

Die tauben Früchte dieser Zeit, vermorscht, verrucht,

Die hohlen Puppen, die geschmeidig falschen Katzen,

Sie sind es nicht, o nein, die meine Seele sucht.

Ich gönne Gavarni,[3] dem Dichter der Chlorosen,

Dies Volk und sein Gekreisch, ihm und dem Hospital,

Nie blüht in wilder Pracht bei diesen bleichen Rosen,

Nie blüht auf diesem Beet mein rotes Ideal.

Es lebt ein andres Bild auf meines Herzens Grunde,

Der Lady Macbeth gleicht’s in ihrer Schicksalsstunde,

Dem Traum, der Aeschylus groß vor der Seele stand.

Dir gleicht es, ewige Nacht, wie einst in stolzen Tagen

Dich Michelangelo hat aus dem Stein geschlagen,

Dir, deren düsterer Reiz Giganten zwingt und bannt.


[3] Zeichner von Karrikaturen und modernen Typen, 1804-1866.

Der Vampyr

Die du gleich einem scharfen Stahl

Mir in das zage Herz gedrungen,

Die du, ein Dämon, mir zur Qual

Hast gleißend meinen Sinn bezwungen,

Du, die der Seele Schwung mir brach,

Die sie entweiht zum Lotterbette,

Die mich gefesselt an die Schmach,

Wie den Verbrecher an die Kette,

Wie Spieler an des Teufels Buch,

Wie Säufer an die vollen Gläser,

Wie ekle Maden an die Äser ...

Verfluchte, dafür meinen Fluch!

Ich bat das Schwert: Hilf schnell und ehrlich

Mit einem Hieb, der offen trifft!

Verzweifelnd heischte und begehrlich

Erlösung ich vom feigen Gift.

Umsonst! sie höhnen und versagen,

Das schlechte Gift, das gute Schwert:

Du sollst die Ketten ewig tragen,

Du bist der Freiheit nicht mehr wert.

Füg Feigling dich! du wirst es müssen,

Denn brächten wir Erlösung dir,

Erwecktest du mit deinen Küssen

Zu neuem Leben den Vampyr.

Die Katze

Mein Kätzchen, zieh die scharfen Krallen ein,

Du liebes Ding darfst mich nicht kränken,

Ich will in deiner schönen Augen Schein,

In Stahl mich und Achat versenken.

Wenn meiner Finger Spiel dich niederzwingt,

Wenn aus dem Rücken, der sich windet,

Ein Funken in die Hand mir überspringt,

Den sie gleich einem Blitz empfindet,

Seh ich mein Weib. Ihr Blick trifft wie ein Pfeil,

Dem deinen ähnlich, scharf und frostig,

Er schneidet und er spaltet wie ein Beil;

Des leisen Duftes Zauber kost ich,

Der so gefährlich ist, so sicher siegt,

Der ihren braunen Leib umschmiegt.

Ganz und gar

Heut morgen, als die Hähne krähten,

Hat der Versucher mich beehrt,

Mit List ist er herangetreten,

Zu wissen hat er schlau begehrt:

„Von allen Reizen, die sie schmücken,

Von Farben, die an ihrem Leib

Dich so bezaubern und berücken,

Sag mir, was ist an diesem Weib

Das süßeste? Laß mich’s erkennen.“

Da sprachst du, liebe Seele mein:

„Ich kann nicht scheiden, kann nicht trennen,

Denn Balsam ist ihr ganzes Sein.

Da alles siegt, mag ich nicht sorgen,

Welch Zauber mich zum Sklaven macht,

Sie leuchtet, wie der helle Morgen,

Sie tröstet, wie die dunkle Nacht.

Wie könnte ich von tausend Liedern,

Die meines Ohres Muschel fing,

Die Harmonieen je zergliedern?

Mein Witz ist dafür zu gering.

Ein Traum erscheint mir ihre Nähe,

Doch welchem Sinn, ich weiß es nicht,

Musik ist alles, was ich sehe,

Ein Blütenhauch ist, was sie spricht.“

Nachmittagslied

Sonderbar ist dein Gesicht,

Hexe mit den bösen Brauen,

Mit den Augen, mit den schlauen,

Einem Engel gleichst du nicht.

Doch du reizest mich, Frivole,

Schreckliche, weckst meine Gier,

Schauernd nahe ich mich dir,

Wie der Priester dem Idole.

Balsam strömt aus deinem Haar,

Strömt aus des Gewandes Falten,

Deine Art, den Kopf zu halten,

Zeigt mir, wie die Sphinx einst war.

Schwülen Weihrauchduftes Wellen

Hüllen deinen Körper ein,

Schmeichelnd, wie im Dämmerschein

Warme Abendlüfte schwellen.

Ha! kein Liebestränklein schmeckt

Wie der Trank aus deinen Händen,

Künste weißt du anzuwenden,

Deren jede Tote weckt.

Liebe ist es, die dein Rücken,

Die dein Busen wild ersehnt,

Wenn dein Leib sich lässig dehnt,

Lacht das Kissen vor Entzücken.

Wenn dich Lüsternheit zerreißt,

Ihre Flammen dich verzehren,

Suchst du wütend dich zu wehren,

Und dein Mund, er küßt und beißt.

Lächelst du, dann gräbt ein Stichel,

Senkt ein Dolch sich in mein Herz,

Doch dein Auge heilt den Schmerz,

Milde wie des Mondes Sichel.

Meine Zukunft zwängest du,

Meinen Genius, du süße,

Siegreich unter deine Füße,

Unter deinen Atlasschuh.

Bin durch dich gesund geworden!

Aus dem kalten Erdreich sproßt

Leben, du bezwingst den Frost

Wie die Geiser fern im Norden.

Das Gespenst

Ein Engel, dessen Blick erblichen,

Komm ich in dein Gemach geschlichen,

Geräuschlos nahe ich und sacht

Als Schatten dir in tiefer Nacht.

Mein Lieb, du wirst gewiß erschrecken,

Wenn Küsse, kalt wie Eis, dich wecken,

Wenn einer Schlange feuchter Glast

Den braunen Leib umspielt, umfaßt.

Naht dann des Morgens blasser Schimmer,

Du findest deinen Liebsten nimmer,

Der Platz bleibt bis zum Abend kalt.

Was liebend andere erringen,

Soll Furcht und Schrecken mir erzwingen,

In meinem Reiche herrscht Gewalt.

Die Eulen

Die Eulen sitzen stumm, versenken

Den Blick in Nacht, ihr Auge flieht

Des Lichtes Strahl. In Reih und Glied

Wie Hexen hocken sie und ... denken.

Bewegungslos ist ihre Rast,

Die Augen blinzeln müd, die matten,

Bis in der Dämmerung die Schatten

Sich recken, bis das Licht verblaßt.

Der Weisheit Vogel will uns lehren,

Die wir uns ruhelos verzehren,

Was unserm wilden Leben fehlt.

Ein Tropfen schon kann uns berauschen,

Wir stoßen uns, gehetzt, gequält,

Begierig stets, den Platz zu tauschen.

Trauriges Madrigal

Bist du nur klug? Taugt das den Frauen?

Sei traurig und sei schön, mein Kind!

Die Zähren, die den Blick betauen,

Sie schmücken, wie der Bach die Auen,

Wie Regen, der auf Blüten rinnt.

Ich hab es gern, wenn düsteres Schweigen

Die Stirne dir umkränzt und Leid,

Wenn plötzlich in gespenstigem Reigen

Empor die finstern Schatten steigen,

Die Schatten der Vergangenheit.

Ich hab es gern, wenn deine Wangen

Die Träne, warm wie Blut, verschönt,

Wenn deine Brust, von mir umfangen,

In Ängsten keucht, wenn voller Bangen

Sie wie im Todeskampfe stöhnt.

Ich trinke sie in vollen Zügen,

Die Seufzer ...., Götter, welch ein Fest ....

Mehr, mehr, ich kenne kein Genügen,

Wie sie zum Diadem sich fügen,

Die Perlen, die sie fallen läßt!

Ich kenne es, das alte Feuer,

Das dir noch tief im Busen flammt,

An Manen zahlst du Zoll und Steuer,

Den Stolz, ihn kenn ich auch, der teuer

Nur solchen ist, die Gott verdammt!

So lang dein Herz im Traum nicht fühlte

Der ganzen Hölle heiße Last,

So lang das Schwert darin nicht wühlte,

Nicht Gift die Pulse dir durchspülte,

So lang du dies erlebt nicht hast,

So lang vom Albdruck, der dich quälte,

Dich nicht erlöst ein wilder Schrei,

So lang die Qual dein Herz nicht stählte,

Sich nicht der Ekel ihr vermählte,

So lange bist du noch nicht frei.

So lange ist dir’s nicht gegeben,

Die du mich liebst, vor Schrecken bleich,

Dich, Sklavin, Herrin, zu erheben,

Zu jauchzen in verjüngtem Leben:

Mein König du, ich bin dir gleich!

Der Mahner

Wer wirklich wert ist, Mensch zu sein,

Fühlt ewig eine Schlange nagen,

Sie hemmt sein Hoffen und sein Wagen,

So oft er ja sagt, sagt sie nein.

Wenn Nixenaugen dich berücken,

Wenn sie dich locken und umstricken,

Mahnt stechend sie: Denk an die Pflicht.

Sei Dichter, träume Liebesträume,

Belebe Marmor, pflanze Bäume,

Sie höhnt: Du siehst den Abend nicht.

Beginne du nur und verlange!

In der Minute mahnt sie dich,

Und schaudernd fühlst du ihren Stich,

Den Stich der widerlichen Schlange.

Lösegeld

Zwei Felder sind es, die nach Fug

Und Recht, um Lösegeld zu zahlen,

Wir düngen unter Müh und Qualen,

Und die Vernunft ist unser Pflug.

Damit nur ein paar Rosen sprießen,

Vielleicht gar nur ein kärglich Reis,

Muß unsere Träne, unser Schweiß

Den Acker immerfort begießen.

Es ist die Liebe und die Kunst!

Wenn einst des jüngsten Tages Licht

Erstrahlt, wenn einst das Weltgericht

Beginnt, dann wird des Richters Gunst

Nur dem zu Teil, der dann inmitten

Der Scheuern reiche Ernten weist,

Denn wenn die Frucht den Sämann preist,

Dann werden Engel für ihn bitten.

Der Mensch und das Meer

O Mensch, du liebst das Meer, wie trotzig, frei und groß

Liegt es zu Füßen dir! in seinen Wellenhügeln,

In seinen Tälern siehst du sich die Seele spiegeln,

Die in dir wohnt, gleich ihm unendlich, ruhelos.

Du suchst in Not und Qual, o Mensch, dein eigen Bildnis,

Du hältst es in der Hand, dein scharfes Ohr, es lauscht

Der Flut, die in dir selber wogt und schäumt und rauscht,

Dem ungestillten Schmerz in dieser grausen Wildnis.

Was ihr nicht zeigen wollt, das ruht in guter Hut,

Ihr seid ja alle beide finster und verschwiegen!

Du hüllst die Schätze ein, die in der Tiefe liegen,

Und du verbirgst, was tief dir in der Seele ruht.

Trotzdem bekämpft ihr euch seit Anbeginn der Zeiten,

Ihr, die ihr doch so ganz einander ähnlich seid,

Gemetzel liebt ihr, Mord und grimmen Haß und Neid,

Geschwister eines Bluts, müßt ihr denn ewig streiten?

Klage eines Icarus

Wer klug ist, muß die Liebe kaufen,

Dann weiß er sicher, was er hat;

Was mich betrifft, bin ich es satt,

Den leeren Schatten nachzulaufen.

Dank wenigen Sternen hell und klar,

Die mir das Auge einst geblendet,

Wird heut der Blick, zurück gewendet,

Nur Sonnen überall gewahr.

Vergebens wollt empor ich dringen,

Im Flug durchmessen Zeit und Raum,

Ein heißes Auge streift mich kaum,

Und schon sind mir gelähmt die Schwingen.

Versengt hat mich der Schönheit Glut,

Ihr Flammenstrahl hat mich erschlagen,

Ach, nie wird meinen Namen tragen

Der Abgrund, wo mein Leichnam ruht!

Heauton timoroumenos

Ich will dich schlagen, doch nicht hassen,

Wie Metzger schlagen, ohne Zorn,

Will, wie einst Moses jenen Born

Aus Fels schlug, Wasser springen lassen,

Die Flut, die deinem Aug entquillt,

Will meine Wüsten damit tränken,

Mein Schiff durch Tränenmeere lenken,

Dem voller Gier das Segel schwillt,

Will deinem Schluchzen jauchzend lauschen,

Dem Stöhnen, das mit wilder Macht

Mich lockt, wie Trommelschall zur Schlacht,

Den Seufzern, die mein Herz berauschen.

Bin ich ein schriller Mißakkord

Im reinen Klange ewiger Sphären,

Soll Selbstgespött den Geist verzehren?

Die Ironie, sie wird zum Mord!

Sie kreischt in mir und beißt und wiegelt,

Sie, die mein Blut vergiftet hat,

Der Spiegel bin ich, trüb und matt,

In dem sich die Megäre spiegelt.

Ich bin die Wunde und der Pfeil,

Das Opfer und der Überwinder,

Der Henker und der arme Sünder,

Ich bin der Hals und bin das Beil.

Der Vampyr bin ich meines Lebens!

Verdammt bin ich, durch alle Zeit

Zu lachen bis in Ewigkeit,

Und will ich lachen, ist’s vergebens.

Abel und Kain

Sohn Abels, du darfst essen, trinken,

Gott schaut dir wohlgefällig zu,

Brut Kains, du sollst im Schlamm versinken,

Ersticken wirst im Kote du.

Sohn Abels, Liebling deines Herrn,

Dein Opfer duftet süß vor Gott,

Brut Kains, verjährte Sünden zerren

Dich täglich wieder aufs Schaffot.

Sohn Abels, sieh die Saat gedeihen,

Rund ist das Vieh, die Traube schwer,

Brut Kains, hörst du den Hunger schreien?

Sind deine Eingeweide leer?

Sohn Abels, wärme dich am Herde,

Füll deinen Wanst mit warmer Kost,

Brut Kains, du schläfst auf kalter Erde,

Der Schakal, horch, er heult vor Frost!

Sohn Abels, du darfst dich vermehren,

Dieweil dein Geld sich auch vermehrt,

Brut Kains, bezähme dein Begehren,

Solch Appetit ist dir verwehrt.

Sohn Abels, saug dich voll an andern,

Du Wanze, stets willkommner Gast,

Brut Kains, du sollst im Staube wandern,

Du findest nirgends Ruh noch Rast.

*                    *
*

Sohn Abels, Mist nur auf den Saaten,

Zerstieb zu Dung, du und dein Wahn!

Brut Kains, von allen deinen Taten

Sind erst die wenigsten getan.

Sohn Abels, sieh die Schmach sich türmen,

Vergeh in Schanden und in Spott,

Brut Kains, du wirst den Himmel stürmen,

Hinab zur Erde schleudere Gott!

Nachschrift für ein verbotenes Buch

Mein Leser, der du voll Behagen,

Der du naiv und nüchtern bist,

Wirf dieses Buch voll Gram und List

Ins Feuer, ohne viel zu fragen.

Falls du, als Satan vorgetragen,

Nicht das Kolleg gehört, ermißt

Du nie, was hier geschrieben ist,

Ich bin hysterisch, wirst du sagen.

Doch wenn mit unbestochnem Ernst

In meine Tiefen du kannst dringen,

Lies mich, daß du mich lieben lernst;

Du Seele, die in heißem Ringen

Ihr Paradies verzweifelnd sucht,

Beklage mich ..., sonst sei verflucht.

Paul Verlaine

1844-1896

An Eugen Carrière

Die alten Weisen, die wahrhaftig viel mehr wert

Als die von heute, meinten — noch nicht ganz geklärt

Ist dieser Punkt — ein jedes Menschenschicksal hätte

Zum Leiter seinen Stern, dem es mit einer Kette

Verbunden. Diese Ansicht hat man oft verlacht

Und dabei, wie gewöhnlich, nicht daran gedacht,

Daß Lachen nur beirrt, ein Merkmal stets des Toren!

Dem Menschen, der im Zeichen des Saturn geboren,

Ihm kündet dieser gelblich strahlende Planet,

— Wie es schon in der Nekromanten Büchern steht —

Ein vollgerüttelt Maß von Unglück und von Galle.

Die Phantasie ist seine Herrscherin, zu Falle

Kommt die Vernunft, die sie mit Listen tötlich trifft,

In seinen Adern wird das Blut zu heißem Gift,

Wie Lava brennt der Strom, die Ideale stumpfen

Sich in der Schwüle ab, bis sie zusammen schrumpfen.

So dulden des Saturnus Kinder, bis zuletzt

Sie sterben — daß wir sterblich sind, vorausgesetzt. —

Was sie erstreben, was sie hoffen und beginnen,

Nie können ihrem bösen Sterne sie entrinnen.

Nevermore

Erinnerung, warum steigst du aus dunkelm Schachte ....?

Es war im späten Herbst, die letzte Drossel machte

Sich auf den Weg gen Süd, ein stiller Lichtstrahl brachte

Dem Walde Trost, dess’ kahl Geäst im Sturme krachte.

Wir gingen ganz allein, ein traumversunken Paar,

Mit den Gedanken flatterte im Wind das Haar,

Da blickte sie mich an, so tief und groß und wahr:

„Was war dein schönster Tag?“ vernahm ich golden klar.

Ein Laut von Engeln, die durch lichte Sphären schweben!

Ein stilles Lächeln nur hat Antwort ihr gegeben,

In Demut stumm hab ich geküßt die weiße Hand.

O Blütenpracht, o Mai, wie ist dein Duft berauschend,

O höchstes Glück, das je ein Menschenherz empfand,

Das erste Ja aus dem geliebten Mund erlauschend.

Drei Jahre später

Und wieder bin durchs enge Pförtchen ich gegangen,

Im kleinen Garten wandle still ich wie zuvor,

Die Morgensonne küßt den bunten Blumenflor,

Darin des Taus verlorene Silbertropfen hangen.

Es ist noch ganz wie einst. Die weinumrankten Stangen,

Die Laube mit dem Tisch, die Stühle drum von Rohr,

Des Springbronns Wasser murmeln leise wie zuvor

Die ewige Klage, die sie dazumal schon sangen.

Ich kenne jede einzige Lerche, die hier fliegt,

Die Rosen zittern immer noch, vom Wind gewiegt,

Der durch das Geißblatt rauscht, das in die Höhe klettert;

Dort hinten steht die alte Velleda sogar,

Der Gips ist nur ein wenig mehr noch abgeblättert,

Und die Reseden duften noch — —, ganz wie es war.

Sentimentaler Spaziergang

Die allerletzten Sonnenstrahlen kosen

Mit winddurchhauchten bleichen Wasserrosen,

Mit großen Wasserrosen, die im Rohr

So traurig leuchten aus dem See hervor.

Allein mit meinem Schmerz will dort ich gehen,

Wo längs des Ufers stille Weiden stehen,

Wo hinterm Nebelvorhang riesengroß

Gespenster schwanken, grau und hoffnungslos,

Die schwerer Last erliegend qualvoll ächzen,

Die flügelschlagend mit einander krächzen.

Dort bei den Weiden sind wir ganz allein,

Ich und mein Schmerz. Schon hüllt die Dämmerung ein

Mit ihrem dichten Leichentuch das Kosen

Der müden Strahlen und der Wasserrosen,

Der großen Wasserrosen, die im Rohr

So traurig leuchten aus dem See hervor.

Herbstlied

Ein Schluchzen klingt,

Der Herbst er singt

Seine Lieder;

Mein Herz ist bang,

Der müde Sang

Drückt es nieder.

Die Uhr schlägt, gleich

Wird alles bleich,

Farblos scheinen;

Einst war ich jung,

Erinnerung

Läßt mich weinen.

Aus meinem Haus

Muß ich hinaus,

Wind und Wetter

Treibt mich umher,

Mich und noch mehr

Tote Blätter.

Schäferstunde

Rot glänzt der Mond, der tief am Himmel steht,

Die Wolken ziehn dahin, im Nebelschleier

Träumt schon das Tal, das Froschkonzert im Weiher

Schallt aus dem Schilf, durch das ein Windhauch weht.

Die Wasserblumen schließen sich, die feuchten,

Vom Horizonte hebt sich das Profil

Der leicht umrissnen Pappel wie ein Spiel,

Indes die Käfer durch die Büsche leuchten.

Das Käuzchen ist aus seinem Schlaf erwacht,

Auf trägem Fittich rudert’s durch das Dunkel,

In ferner Wetter zuckendem Gefunkel

Steigt Venus hell empor. Das ist die Nacht.

Mondschein

Ein seltsam Bild ist deiner Seele Grund,

Das Spiel der Masken kann ich unterscheiden,

Die dort den Reigen schreiten, doch wie bunt

Das Kleid auch ist, es täuscht mich nicht, sie leiden.

Zur Laute singen sie ein Lied in Moll

Von Amors Sieg, ein Lied zu seinem Preise,

Des frohen Glaubens scheinen sie nicht voll,

Der Silbermondschein trinkt die zarte Weise,

Der stille Mondschein, welcher im Geäst

Die Vögel schaukelt, die dort müde träumen,

Der schlanke Wasserstrahlen schluchzen läßt,

Die trunken aus dem Marmorbecken schäumen.

Auf dem Spaziergang

Dem bleichen Himmel und den dürren Zweigen

Sind unsere hellen Kleider nur zum Spott,

Die mit vergnügten Mienen keck und flott

Sich bauschen und sich leicht beflügelt zeigen.

Des Windes Atem kräuselt still den Teich,

Der Sonne zarter Strahl fällt durch die Linden,

Die Schatten werden schwächer und sie schwinden

Im fahlen Licht ersterbend blau und bleich.

Wir losen Schönen, wir geschmeidigen Ritter,

Mit Herzen, zärtlich zwar, doch niemals treu,

Wir plaudern und wir scherzen ohne Scheu,

Und unsere Liebe ist nur Tand und Flitter.

Es fällt wohl auch einmal von Zeit zu Zeit

Ein leichter Schlag zur Abwehr, darauf müssen

Die Herren schnell den kleinen Finger küssen,

Ganz vorn am letzten Glied. Geht man zu weit,

Dann wehe! wehe! dann ist’s kein Vergnügen,

Dann zuckt ein Blick, vernichtend, scharf und kalt,

Jedoch das kleine Mäulchen straft gar bald

In gnadenreicher Huld das Auge Lügen.

Ein Aufzug

Possierlich muß und höchst galant

Ein Affe vor der Dame schreiten,

Ein Spitzentüchlein läßt sie gleiten

Durch ihre wohlgepflegte Hand.

Stolz trägt der Schleppe leichte Bürde

Ein kleiner Neger, ganz in rot;

Wo nur ein falsches Fältchen droht,

Wehrt er mit Eifer und voll Würde.

Der Affe hat sich umgedreht,

Den weißen Hals frech anzustieren,

Der Torso müßte Götter zieren,

Den dieser stolze Hals verrät.

Der Neger hebt die Schleppe höher,

Als es erlaubt, schlau gibt er Acht

Auf Dinge, die in stiller Nacht

Der Traum ihm zeigt, der lose Späher.

Die Treppe aufwärts schreitet sie,

Es kann sie weiter nicht erregen,

Was an Bewunderung entgegen

Der Herrin bringt das liebe Vieh.

Der Faun

Ein alter Faun grinst mit Behagen

Im Park uns an. Es prophezeit

Ein Ende voller Traurigkeit

Der dreiste Wicht den heitern Tagen,

Die dich und mich hierher geleitet.

Wir zweifeln in Melancholie

Auf unserm Pilgerweg ja nie,

Daß trotz des Lärms die Zeit entgleitet.

Halblaut

Tiefer Waldesschatten hält

Jetzt im Dunkel Moos und Strauch,

Tiefer Waldesschatten fällt

Jetzt auf unsere Liebe auch.

Und die Seele und der Sinn

Und das Herz, es bebt und lauscht,

Gibt sich müdem Traume hin,

Der im Pinienwipfel rauscht.

Schließe deine Augen halb,

Hemme der Gedanken Lauf,

Schüttle von der Brust den Alb,

Höre ganz zu denken auf.

Leise wiegt vom Wind durchhaucht

Grüner Teppich unsern Schritt,

Meine bange Seele taucht

Still ins Nichts, sie wiegt sich mit.

Steigt der Abendstern empor,

Mahnt der Nachtigallen Schlag

Mich an das, was ich verlor,

An der Hoffnung letzten Tag.

Sentimentales Zwiegespräch

Der alte Park liegt schweigend da, nur zwei

Gestalten schleichen schemenhaft vorbei

Mit toten Augen, schlaffen, müden Fratzen,

Kaum hört man, was die beiden leise schwatzen.

Der alte Park liegt schweigend da, die zwei,

Herauf beschwören sie, was längst vorbei.

Besinnst du dich der Zeit voll süßer Minne?

... Weshalb verlangst du, daß ich mich besinne? —

Schlägt noch dein treues Herz für mich allein?

Siehst du mich noch im Traum? So sprich doch! .... Nein. —

Ach, unser Glück erschien uns fast unsäglich,

Und wie wir wild uns küßten ...! Das ist möglich. —

Wie war die Hoffnung groß, der Himmel blau!

... Die Hoffnung ist entflohn, der Himmel grau. —

Gegangen sind sie ganz wie sie gekommen,

Die Nacht allein hat ihr Geschwätz vernommen.

Frau und Katze

Die Katze — nein, die Dame drohte,

Oft sieht man sowas, glaub ich, nicht.

Die weiße Hand, die weiße Pfote,

Sie neckten sich im Dämmerlicht.

Die eine barg — ha, die Verdammte,

Verdammt sei alle Zeit ihr Witz —

In ihres Ärmels dunkelm Samte

Die langen Nägel scharf und spitz,

Die andere wollte gern gefallen;

Da eingezogen sie die Krallen,

Verlor der Teufel wirklich nichts.

Er lachte, denn er sah im Dunkeln,

Wie Flackern eines fahlen Lichts,

Vier gelbe Phosphorflecke funkeln.

Serenade

O Herrin, hör mein Lied! ein Toter singt,

Längst liegt er im Grabe,

Es krächzt die Stimme, die das Ständchen bringt,

Wie ein heiserer Rabe.

Die Seele öffne, öffne auch das Ohr,

Lausche meiner Zither,

Das Lied ist dein, nur dir trag ich es vor,

Süß klingt es und bitter.

Dein Auge preis ich und das Gold des Blicks,

Seine Pracht, die klare,

Die Lethe deines Busens und den Styx

Deiner dunkeln Haare.

O Herrin, hör mein Lied, ein Toter singt,

Längst liegt er im Grabe,

Es krächzt die Stimme, die das Ständchen bringt,

Wie ein heiserer Rabe.

Gesegnet sei dein Fleisch, wie sich’s gebührt,

Auch der Duft des Leibes,

Hab schlaflos manche Nacht ihn noch gespürt,

Diesen Duft des Weibes.

Und jetzt besing ich noch zum guten Schluß

Deine blasse Wange,

Die heißen roten Lippen und den Kuß,

Engel du, du Schlange.

Die Seele öffne, öffne auch das Ohr,

Lausche meiner Zither,

Das Lied ist dein, nur dir trag ich es vor,

Süß klingt es und bitter.

Çavitri

Maha-Barata.

Einst schwor Çavitri, um zu retten den Gemahl,

Daß sie drei ganze Nächte und drei ganze Tage,

Wie es Vyaça ihr befohlen, ohne Klage

Sich unbeweglich halten wolle wie ein Pfahl.

Nicht hat Curyas sengend heiße Mittagsglut,

Nicht hat der schlaffe Traum, der in der Nächte Mitte

Auf Tschandras Wink erscheint mit geisterhaftem Schritte,

Den festen Willen ihr bezwungen und den Mut.

Ob uns Vergessenheit zum bittern Lose fiel,

Ob schwarzer Neid und Mißgunst uns umtosen täglich,

Wir harren gleich Çavitri stumm und unbeweglich,

Steht vor der Seele uns, wie ihr, ein hohes Ziel.

Guter Sang

I.

Ah dein letzter Funken schillernd,

Bleicher Morgenstern, verglüht,

Schmettern trillernd

Tausend Lerchen schon ihr Lied.

Strahle einmal noch hernieder

Und vergiß den Sänger nicht,

Das Gefieder

Reckt der Fink empor zum Licht.

Strahlst dem Morgenrot entgegen,

Das die Erde bald erhellt,

Froher Segen

Wogt im reifen Ährenfeld.

Strahle mild auf meine Sorgen,

Mir auch lacht des Himmels Blau,

Durch den Morgen

Blitzt der silberhelle Tau.

Noch ist aus den süßen Träumen

Die Geliebte nicht erwacht,

Darfst nicht säumen,

Sieh, die goldne Sonne lacht.

II.

Silbergefunkel

Leuchtet im Wald,

Horch, durch das Dunkel

Raunt es und schallt

Rings von den Zweigen ...

O du mein eigen.

Still und bescheiden

Schaun in den See

Trauernde Weiden,

Zitterndes Weh

Rauscht durch die Bäume ...

Stunde der Träume.

Wunschloses Schweigen

Scheint groß und sacht

Niederzusteigen,

Welten voll Pracht

Messen die Runde ...

Selige Stunde.

III.

An einem Sommertage wird’s geschehn:

Die lichte Sonne, Zeuge meiner Freude,

Sie wird, Geliebte, dann in Samt und Seide

Noch schöner deine holde Schönheit sehn.

Des Himmels tiefes Blau ist in Bewegung,

Ein Baldachin, leicht schwankend, faltenreich;

Dein Antlitz und das meine werden bleich,

Erwartungsvoll in seliger Erregung.

Und wenn der Abend naht, spielt leis und lind

Sein Hauch mit deinem Schleier, und die Sterne

Sie lächeln gut und friedlich aus der Ferne

Die Gatten an, die dann vereinigt sind.

Vergessene Weisen

I.

Mir ist es oft, mein Lieb, wie wenn ich Chören

Aus längst verklungnen Zeiten könnte lauschen,

Dazwischen wähne ich das helle Rauschen

Des Morgens, welcher kommen wird, zu hören.

Zwei Augen sind auch meiner Seele eigen,

Und alle Töne schwingen in den Saiten,

Die leise oder laut vorübergleiten

In meiner Tage unruhvollem Reigen.

O stürbe ich von diesem Spiel umgaukelt!

Du fürchtest dich, der Horen Tanz zu sehen,

Ich aber möchte enden und vergehen,

Wenn sich Vergangenheit und Zukunft schaukelt.

II.

Still gleiten zarte Finger durch die Tasten,

Ein letzter Strahl vergoldet Turm und Dach,

Die alte Weise zwingt den Tag zu rasten,

Entschlafne Zeiten werden wieder wach,

Verschüchtert suchen Töne im Gemach

Nach ihres Atems Hauch, dem längst verblaßten.

Was ist es nur, das mich zur Ruhe wiegt,

Mag noch ein Glück mein armes Sein umwerben?

Was will das Lied, das schmeichelnd mich umschmiegt,

Die Melodie, die plötzlich mich besiegt,

Die in den kleinen Garten, um zu sterben,

Durch das halboffne Fenster zitternd fliegt?

Bilder aus Belgien

I. Walcourt

Häuschen und Lauben,

Fast wie zum Spiel,

Für Turteltauben

Welch ein Asyl.

Ziegel und Dächer,

Hopfen und Wein,

Tapfere Zecher

Stellen sich ein.

Bier wird von drallen

Dirnen geschafft,

Ei, die gefallen!

Alle Welt pafft.

Dort bei der Bude

Hält gleich der Zug ....

Ewiger Jude,

Ist dir’s genug?

II. Charleroi

Kobolde schwärzlich

Schaffen geschwind,

Warum, o Wind,

Stöhnst du so schmerzlich?

Giftiger Hauch,

Willst du mich beizen?

Sollst mich nicht reizen,

Stinkender Rauch!

Löcher im Kote,

Nirgends ein Haus,

Welch ein Gebraus,

Qualmende Schlote!

Rollt dort ein Rad,

Hörst du ein Fauchen,

Siehst du es rauchen,

Wo liegt die Stadt?

Gräuliche Düfte!

Wie es mich preßt,

Rauscht denn die Pest

Hier durch die Lüfte?

Dunst überall,

Schwitzende Leiber,

Hetzende Treiber,

Knirschend Metall.

Kobolde schwärzlich

Schaffen geschwind,

Warum, o Wind,

Stöhnst du so schmerzlich?

III. Brüssel

Rötlich grüne Töne mischen

In den Hügeln sich, den fernen,

Während trübe Gaslaternen

Alle Formen schon verwischen.

Langsam scheint das Gold der Hänge

Tief in rotes Blut zu tauchen,

Aus entlaubten Kronen hauchen

Vögel schüchterne Gesänge.

Trübe Bilder, sie verfliegen,

Ach, der Herbst nur kann so malen,

Müde will ich meine Qualen

In den müden Lüften wiegen.

IV. Im Schloßpark

Weit, so weit ich seh,

Streckt sich die Allee,

Wie das Auge reicht.

Dieser grüne Pfad

Weiß nichts von Verrat,

Ach, hier lebt sich’s leicht.

Ernste alte Herrn

Gehn mit Kreuz und Stern

In das Schloß hinein — —

Biedermeierstil!

Geben würd’ ich viel,

Könnt’ ich einer sein.

Blendend weiß das Schloß,

Hoch das Dachgeschoß,

Frieden rings und Ruh.

Welch ein selig Fest,

Fänden hier ein Nest

Einmal ich und du.

V. Brüsseler Karussell

Dreht euch, wackere Pferdchen, dreht euch schnell,

Dreht euch hundert, tausend mal im Kreis,

Munter, Pferdchen, dreht euch flott, mit Fleiß,

Pfeifen quieken, Hörner schmettern grell.

Plumpe Infanteristen, dralle Besen

Sind auf eurem Rücken heut zu Hause,

In der Kirmes fröhlichem Gebrause

Treiben sie als Meister keck ihr Wesen.

Dreht euch, Pferdchen, eurer Reiter Stolz,

Um die Orgel, die so glorreich singt;

Wenn ein Gaffer mit den Augen plinkt,

Dreht euch weiter, Pferdchen ihr von Holz.

Das ist eine Lust, berauschend, sündlich,

Solch ein Karussell zum Zeitvertreibe!

Schädelbrummen, Hochgefühl im Leibe,

Wohl und übel macht’s, und beides gründlich.

Dreht euch schnell, ihr tut ja eure Pflicht

Ungespornt, nie wird der Reiter grob,

Ohne Hülfen sprengt ihr im Galopp

Lustig weiter, Hafer gibt es nicht.

Aber jetzt heißt’s, bald den Tanz erledigen,

Es wird Nacht, und wie ich beinah glaube,

Will der Täuberich zu seiner Taube,

Fern vom Jahrmarkt, fern auch von der Gnädigen.

Dreht Euch flink, des Himmels Samt ist hell,

Reich mit goldnen Sternen schon bestickt,

Manches Pärchen hat sich längst gedrückt ...

Trommelwirbel! Pferdchen, dreht euch schnell!

VI. Mecheln

Die Wetterfahnen lädt zum Tanze

Der Wind — —, an diesem stolzen Bau

Des alten Schöffen fügt genau

Sich jede Einzelheit ins Ganze,

Die Ziegel rot, der Schiefer blau — —,

Dann pfeift er durch die grünen Wiesen;

Die Eschen schaffen die Idee

Von Horizonten, eine Fee

Hat sie gestaffelt, diese Riesen,

Luzerne gibt es, bunten Klee.

Und durch den tiefen Frieden gleiten

Die Züge selbst in stiller Ruh.

Schlaf ungestört, du brave Kuh,

Ihr Stiere, denen diese Weiten

Gehören, macht die Augen zu!

Geräuschlos rollen alle Wagen,

Die Zeit der Reisenden verfließt,

Man plaudert oder man genießt

Das Bild der Landschaft mit Behagen,

Die wie der Fenelon sich liest.

Aquarell von Spleen

Die Rose hältst du in den Händen,

Es rankt sich um dich wilder Wein,

Und scheinst du dich nur abzuwenden,

Stürmt die Verzweiflung auf mich ein.

Zu blau ist dieses Himmels Schimmer,

Zu zärtlich fast, das Meer zu grün,

Geliebte Frau, ich fürchte immer,

Du könntest jählings mir entfliehn.

Die dunkeln Rosen, die so glühten,

Der Buchsbaum, längst verblaßt sind sie,

Wie müde bin ich aller Blüten ....

Nur deiner müde werd’ ich nie!

Weisheit

I.

Lauscht jetzt des Friedens stillem Sange!

Ein Hauch ist er, zart und verschwiegen,

Ein Grashalm, den die Winde wiegen,

Er weint, doch deshalb seid nicht bange.

Die Stimme war euch einmal teuer,

Seit langer Zeit hat sie gefeiert;

Wie eine Witwe dicht verschleiert

Verrät sie doch noch Stolz und Feuer.

Was vordem heilig ihr gewesen

Verbirgt sich keusch. Den Schleier heben

Die Lüfte, die vorüber schweben,

Die klare Wahrheit könnt ihr lesen.

Und solches wird euch dann verkündet:

Das Gute nur wird ewig bleiben,

Von allem eurem wilden Treiben

Bleibt nichts, denn Haß und Neid entschwindet.

Ein einziger Ruhm nur ist erquicklich,

Zu kämpfen und nichts zu erstreben,

Nehmt dankbar hin, was euch gegeben,

Nur Frieden ohne Sieg macht glücklich.

Ihr dürft Gehör der Stimme gönnen,

Sie will nicht locken noch berücken;

Ach, eine Seele zu beglücken

Ist ja das beste, was wir können.

Doch eilt, die Stunde währt nicht lange,

Wir müssen leiden und nicht klagen,

Nicht zürnen, wenn wir Schmerz ertragen,

Lauscht jetzt der Weisheit stillem Sange.

II.
Kaspar Hauser singt:

In Städte voller Lug und Trug,

Zu Menschen kam ich, eine Waise

Mit stillen Augen, scheu und leise,

Die Männer fanden mich nicht klug.

Im Frühling ließ der warme Föhn

Des Herzens kalte Decke tauen,

Schön fand mit einmal ich die Frauen,

Die Frauen fanden mich nicht schön.

Kein König zahlte je mir Sold,

Kein Vaterland hat meine Wiege

Geschirmt, trotzdem sucht ich im Kriege

Den Tod, er hat mich nicht gewollt.

Kam ich zu früh, kam ich zu spät?

Weshalb bin ich auf dieser Erde?

Wie drückt mich meines Seins Beschwerde ...

Sprecht für den Kaspar ein Gebet.

III.

Lang gestreckte Hecken wogen

Wie ein Meer in feuchter Luft,

Voll an schwerem Blütenduft

Hat der Nebel sich gesogen.

Mühlen stehen auf dem Plan,

Bäume, die sich aufwärts recken,

Fohlen tummeln sich und necken

Munter sich in freier Bahn.

Sonntag! frohe Lämmer grasen,

Schwankend wie ein zarter Hauch

Lösen sich im Morgenrauch

Weiße Vließe von dem Rasen.

Leise kräuselt sich ein Meer

Grüner Auen, grüner Wellen,

Durch die Nebelschleier schwellen

Glockenklänge ferneher.

Prolog

Vorwärts jetzt, verruchte Truppe!

Habt zu lange schon geweilt,

Was euch zukommt, ward euch, eilt,

Die Chimäre streckt die Kruppe.

Schwingt euch auf, sprengt durch den Raum,

Durch die Zeit, verlorne Kinder,

Dieser Renner fliegt geschwinder,

Als das kranke Hirn im Traum.

Endlich, endlich fand ein Ende

Meines Fiebers toller Wahn,

Tastend suchen heiße Hände

Einem Leben neue Bahn.

Doch sie segnen euch, ihr schrillen

Schreie wilder Angst, habt Acht,

Meiner schwarzen Sonne Grillen,

Grillen meiner weißen Nacht.

Geht jetzt! ich verstoß euch heute,

Was auch gestern noch geschah,

Denn mein Herz sucht andere Beute,

Packt euch, aegri somnia!

Pierrot

Das ist der Mondscheinschwärmer nicht, der frech und frank

Den Vätern durch die Tür gelacht in alten Tagen;

Wie seine Kerze starb sein Witz, mit blödem Zagen

Geht sein Gespenst nur schlotternd um, bleich, hager, krank.

Im rauhen Wind beim Schein des Blitzes flattert bang

Die weiße Jacke wie ein Leichentuch. Längst nagen

Die Würmer an dem Hirn. Der welke Mund will klagen,

Er grinst breit aufgesperrt, verzerrt von Schmerz und Zwang.

Die Ärmel winken links und rechts verrückte Zeichen

Gleich Fledermäusen, die durch’s Abenddunkel streichen,

Doch keiner nimmt Notiz von dem erfrornen Witz.

Aus leeren Augenhöhlen zucken Phosphorstrahlen,

Und gräßlich steht in dem Gesicht, dem blutlos fahlen,

Die mehlbestaubte Totennase, starr und spitz.

Die Kunst des Dichters

Erst Musik, Musik vor allen Dingen!

Dazu braucht es keine Symmetrie,

Wie ein Lufthauch steigt die Melodie,

Nichts darf wuchtig, nichts gekünstelt klingen.

Sorge nicht, wenn auch das Wort verfehlt,

Dem Begriff sich ängstlich anzupassen;

Kannst du’s, dann versuch dich so zu fassen,

Daß dem Sinn das Rätsel sich vermählt.

Sahst du Augen nie durch Schleier spähen,

Nie den Mittag zittern heiß und schwer,

Nie der Sterne unentwirrbar Heer

Klar am lauen Herbsteshimmel stehen?

Nur Nuancen, leise abgestimmt!

Decke stets mit Tönen, die sich brechen,

Nur Nuancen glätten so die Flächen,

Daß die Flöte und das Horn verschwimmt.

Übermaß an Geist geht in die Brüche,

Lach nicht immer, sei nicht gar zu spitz,

Weint der Himmel über deinen Witz,

Ist es Knoblauch aus der Sudelküche.

Schönen Worten brich nur das Genick,

Nötig ist es auch den Reim zu zähmen,

Deiner Führung muß er sich bequemen,

Er geht durch, drum halte ihn am Strick.

Wie wird dieser Reim gerühmt, verhimmelt!

Welcher Nigger, welcher taube Fant

Prägte diesen hohlen Jahrmarktstand,

Der vergnügt wie falsches Kleingeld bimmelt?

Nur Musik und davon nie genug!

Verse tönen wie befreite Seelen,

Die den Weg zu andern Sternen wählen,

Die zu anderer Liebe trägt ihr Flug.

Verse mußt du in den Frühwind säen,

Auf gut Glück verstreuen, wenn er leicht

Durch die Minze, durch den Thymian streicht,

Sonst kann nur Literatur entstehen.

Schlaff

Ich bin das Römerreich, das seine Zeit vollendet,

An blonder Nordlandvölker Heerfahrt längst gewöhnt,

Das Verse drechselnd eitlen Nichtigkeiten fröhnt,

Voll Pomp und Prunk, vom trüben Sonnenlicht geblendet.

Nur seine Seele ahnt, wie dieses Spiel sie schändet,

Sie hört den Schlachtenlärm, der in der Ferne dröhnt;

O Ohnmacht, die sich feig und wunschlos selbst verhöhnt,

O Willenlosigkeit, dem Leben abgewendet!

Kein Wollen, keine Kraft, zum Sterben fehlt der Mut ...

Bathyll, der Becher ist geleert, hör auf zu lachen,

Vorüber ist der Schmaus, jetzt heißt’s ein Ende machen!

Nur ab und zu ein Vers, fürs Feuer grade gut,

Nur Lüste, die vor frechen Sklaven sich entschleiern,

Nur Langeweile, unerklärlich, dumpf und bleiern.

Liebe

Jawohl, gequält bin ich, geplagt,

Bin wie ein Wolf gehetzt, gejagt,

Der nirgends eine Freistatt findet,

Den schon die Meute fast umringt,

Den seine Wunde niederzwingt,

Daß er in Angst und Not sich windet.

Die drei, der Haß, das Gold, der Neid,

Spürhunde sind’s, sie wittern weit,

Ich bin gestellt, kann mich nicht wehren;

Des Morgens Schreck, des Abends Qual,

Das ist seit Jahr und Tag mein Mahl,

Davon kann sich kein Bettler nähren.

Längst grinst er mich von weitem an,

Der widerliche Jägersmann,

Die Krallen an den dürren Händen;

Halb hat er mich, er höhnt und sperrt

Die Wege mir und zieht und zerrt

Am Herzen und will doch nicht enden.

Ihr Wölfe, seht, so schleppe ich

Zum finstern Strome blutend mich,

Laßt, Brüder, endlich das Geläster,

Gebt mir zu sterben freie Bahn,

Ihr seid ja alle untertan

Dem Weibe, meiner grimmen Schwester.

Allegorie

Ein alter Tempel, dessen Bau schon weicht,

Der vormals stolz von sonniger Höhe ragte,

Schaut wie ein König, den der Feind verjagte,

Sein Bild im Strom, der träg vorüber schleicht.

Mit einer Weidengerte züchtigt leicht

Den Faun, der lüstern sie zu necken wagte,

Die schläfrige Najade, die betagte,

Er lacht des Zorns, der ihn mit Ruten streicht.

Der fade Vorwurf bringt mich um die Laune.

Welch Dichter schuf dies Werk, das ich bestaune,

Welch düsterer Stümper dachte dich nur aus,

Verblichenes, zerschlissenes Gewebe?

Wie ein Theatervorhang blöd — —, und kraus,

Ach, wie das Leben, das ich ärmster lebe!

Hirngespinste

I.

Dame Mäuschen trottet

Schwarz in grauer Abendstund,

Dame Mäuschen trottet

Grau auf schwarzem Grund.

Eine Glocke läutet

Die Gefangnen in den Schlaf,

Eine Glocke läutet,

Schlaft und seid hübsch brav.

Keine bangen Träume,

Denket an die Liebste jetzt,

Keine bangen Träume,

Träumt was euch ergetzt.

Strahlt der Mond vom Himmel,

Schnarcht der müden Schläfer Schar,

Strahlt der Mond vom Himmel,

Ist es eben wahr.

Wolken ziehn vorüber,

Finster wird es, wie im Loch,

Wolken ziehn vorüber,

Und der Tag kommt doch.

Dame Mäuschen trottet

Rosig, ringsum ist es hell,

Dame Mäuschen trottet,

Auf, ihr Schläfer, schnell!

II.

Im Kreise trotten sie herum

Und keiner spricht,

Der Hof liegt stumm

Im grellen Licht.

Das Unkraut wuchert rings, es zaust

Der Wind die Stirn,

Und Unkraut haust

In ihrem Hirn.

O Simson, drehe nur den Stein!

Was für ein Korn

Mag das wohl sein?

Fragst Du im Zorn.

Die Mühle, die das Schicksal treibt,

Mahlt nicht zum Scherz,

Du Narr, zerreibt

Verstand und Herz.

Sie kommen! klipp, klapp, geht der Schuh,

Er ist von Holz,

Jetzt hast Du Ruh,

Verdammter Stolz!

Daß keiner seufzt und keiner zuckt,

Ihr wißt es doch:

Wer auch nur muckt,

Der fliegt ins Loch.

Das ist mein Zirkel, Tag für Tag

Bin ich sein Gast,

Auf jeden Schlag

Schon längst gefaßt.

Gesellschaft, hab ich Dich verletzt,

Dich keck bedroht,

Gibst Du mir jetzt

Kein Zuckerbrot.

Genossen, Brüder von der Zunft,

Seid nicht erbost,

Denn die Vernunft

Gewährt uns Trost.

Es ist so süß, im Sonnenbrand

Sich auszuruhn

Und mit Verstand

Mal nichts zu tun.

Der Schamlose

Der böse Blick, des Lebens Not,

Sie haben ihn gejagt, gehetzt,

Und er, der herrisch einst gedroht,

Hat eines Knechtes Seele jetzt.

Ein Jettatore, einer der

Als Bettler rettungslos verdirbt,

Die Feinde folgen hinterher,

Die beiden Feinde, bis er stirbt.

Sein Blick schon macht die Kinder klug!

Zertreten trotzt er noch genug,

Ein Vieh, doch Narr auf eigne Faust.

Ihr schönen Damen, schenkt kein Geld

Dem schlechten Kerle, der hier haust,

Schenkt ihm euch selber, wenn’s gefällt.

Hände

Das sind nicht Prinzenhände, keines

Prälaten Hände, wohl gepflegt,

Und doch ist etwas zartes, feines

In diesen Händen ausgeprägt.

Auch keines Künstlers, oder ehrlich

Auch keines Dichters. Dennoch steckt

Etwas von Leid darin, das schwerlich

Ein anderes Empfinden weckt.

Nicht minder fühlen, nicht geringer

Als Welten sie ihr Weh und Wohl,

Der Daumen und der kleine Finger

Bezeichnen dem Magnet den Pol.

Und bricht das Herz im Sturme nieder,

Und wird das Hirn vom Blitz erhellt,

Es spiegelt alles treu sich wieder

In dieser klugen kleinen Welt.

Vom Steine sind sie nicht zerrieben,

Nicht schwielig von des Beiles Hieb,

Doch in den Linien steht geschrieben

Von Arbeit, die nichts schuldig blieb.

Lang sind sie, mager und von schmalen

Gelenken, grau, die Nägel breit,

Wie man sie in den Kathedralen

Auf Bildern sieht aus früher Zeit.

Wie man sie wohl bei Invaliden,

Die nichts mehr aus dem Traume stört,

Von Tagen, die längst abgeschieden,

Von schweren Kämpfen flüstern hört.

Die trocknen Hände fielen heute

In dieses Abends düsterm Bann

Gedankenschwerem Leid zur Beute,

Ich seh es ihnen deutlich an.

Die Sorge peinigt sie, die blasse,

Auch ihnen bleibt sie nicht erspart,

Der Alb drückt sie, und die Grimasse,

Die es verrät, ist eigner Art.

Ich habe Angst, ich muß mich hüten!

Auf meinem Tische seh ich sie

In tiefem Schweigen finster brüten,

So furchtbar schienen sie noch nie.

Rechts die, links die ..! bin ich bei Sinnen?

Sind diese Hände wirklich mein?

Dort auf dem Bett das weiße Linnen,

Das muß ein Totenlaken sein!

Da draußen geht der Tag zu Ende,

Der Sturmwind heult in wilder Wut ...

Ach, wären Traum nur diese Hände!

Das wäre gut — — nein, schlecht — — nein, gut.

Närrischer Rat

Zeig Dich niemals schüchtern,

Wenn Du klug nur bist,

Doch die Ehe ist

Abgeschmackt und nüchtern.

Tapfer trinken lohnt!

Guckst Du in die Flasche,

Trägst Du in der Tasche

Sonne bald und Mond.

Blöken dumme Kälber,

Fühle Dich geehrt,

Unsern wahren Wert

Kennen wir nur selber.

Rotes Herzblut kreist

Flammend durch die Adern,

Brauchst nicht gleich zu hadern,

Wenn ein Floh Dich beißt.

Wenn die Stürme tosen,

Nimm es in den Kauf,

Pfeife ruhig drauf,

Pflücke keck die Rosen.

Nimm nur alles so,

Wie es ist auf Erden,

Besser wird’s nicht werden,

Also trag es froh.

Laß die Leute sprechen,

Ihnen macht es Spaß,

Oben der vergaß

Längst schon Dein Verbrechen.

Deine Seele zagt,

Doch zu neuer Blüte

Führt sie seine Güte,

Wenn der Morgen tagt.

Wenn des Schicksals Tücke

Schwache auch zerbricht,

Dich zerschlägt es nicht

Gleich in tausend Stücke.

Spotte Deiner Qual,

Zwinge Deinen Jammer,

Wirst ja unterm Hammer

Härter noch als Stahl,

Mag der Amboß wimmern,

Wenn er nieder saust;

In Sankt Jürgens Faust

Wird die Klinge schimmern.

Und Sankt Michael

Wird zum Licht Dich heben,

Dort wirst neu Du leben

Ohne Schuld und Fehl.

Sieh, die Blumen sprießen

Aus des Grabes Ruh,

Lächeln sollst auch Du,

Wenn die Tränen fließen.

Sieh, aus dem Gestein

Werden Funken sprühen,

Bald wirst aller Mühen

Du auch ledig sein.

Lieder für sie

I.

Ich will nicht immer auf Dich zählen,

Doch bin von Eifersucht ich frei,

Wozu mit dererlei sich quälen,

Denn glücklich wird man nicht dabei.

Die Liebe hoch und hoch wir zwei!

Du übst mit kluger Überlegung

Praktiken von besonderer Art,

Und Künste Deiner eignen Prägung

Sind für den Kenner aufgespart,

Mir bleibt noch immer was verwahrt.

Laß nur die lieben Leute bellen,

Was geht mich Dein Geburtsschein an?

Ich sehe Deinen Busen schwellen,

Verstrickt in Deines Auges Bann,

Und was Dein heißer Kuß erst kann ....

Sei mir so treu wie irgend möglich,

Besonders wenn es Dir mal paßt;

Begegne meinem Wunsch verträglich,

Er ist ja ein bescheidener Gast,

Auf jede Laune stets gefaßt.

„Entschwunden sind die schönen Zeiten“

Höhnt mancher törichte Gesell.

Dank Dir und Deinen Zärtlichkeiten

Brennt immer noch die Lampe hell,

Wir und die Liebe! Wein her, schnell!

II.

Du meines Lebens süße Labe,

Genossin meines armen Seins,

Der ich mich ganz ergeben habe,

Du allerletzte, wir sind eins.

Komm her zu mir, ich will Dich küssen,

Ich halte sicher Dich und fest,

Wir lieben uns, weil wir es müssen,

Bis zu des Bechers letztem Rest.

Liebe mich,

Ohne Dich

Ist die Welt

Mir vergällt.

Du hast nur Deine beiden Hände,

Arm bin ich wie die Kirchenmaus,

Wir sehen auf die kahlen Wände

Und führen kein zu großes Haus.

Und doch sproßt immer uns das gleiche,

Dasselbe Glück aus unserer Lust,

Ein König bin ich, meine Reiche,

Sie liegen tief in Deiner Brust.

Liebe mich,

Ohne Dich

Ist die Welt

Mir vergällt.

Nach unsern großen Liebesnächten

Erstrahlt mir heller stets der Tag,

Du liebst mich mit der reichen, echten,

Der Liebe, die nicht feilschen mag;

Neu gießest Du in meine Säfte,

In meine Adern Feuerwein,

Es hauchen Deine Zauberkräfte

Mir eines Gottes Odem ein.

Liebe mich,

Ohne Dich

Ist die Welt

Mir vergällt.

Was Du einst warst, mich soll’s nicht stören,

Und was ich bin, geht keinen an,

Dir will für immer ich gehören,

Nur Gutes hast Du mir getan.

Das Leid, das wir gemeinsam tragen,

Macht uns von Schuld und Sünde frei,

Die Welt verstößt uns! was die sagen,

Wenn Du mich liebst, ist’s einerlei.

Liebe mich,

Ohne Dich

Ist die Welt

Mir vergällt.

An König Ludwig II. von Bayern

Du einziger König dieser Zeit, den Purpur kleidet,

Der Du im Sterben Deinen Genius hast gerächt

Am Wahnsinn jener Wissenschaft, die uns beneidet,

Die breit an unserm Herd zu sitzen sich erfrecht,

Die Gott gemordet hat und hämisch dem Geschlecht

Des Menschen Freude, Kunst und Poesie verleidet,

Im Tode gabst Du noch den Tod, Dein Stolz war echt,

Ich grüße Deine Majestät, die glorreich scheidet!

In dem Jahrhundert, wo die Könige wie nie

Zuvor verlernt die wirklich königliche Pose,

Warst Du ein König, Märtyrer der Phantasie.

Heil Dir und Deiner einzigen Apotheose,

Der stolzen Seele, die befreit des Weges zieht,

In Gold und Erz, umrauscht von Richard Wagners Lied!

Meine Büste

Hm ... das ist also die Gestaltung,

In der mein Bild zur Nachwelt spricht!

Höchst imponierend ist die Haltung,

An Würde fehlt es wirklich nicht.

Vor diesem Haupt, das jeden Morgen

Um ein Erlebnis schwerer wiegt,

Das dennoch seiner ewigen Sorgen

Gewicht im bittern Kampf erliegt,

Was urteilt einmal wohl die Clicque,

Die schwatzend vor dem Marmor steht?

„Gewiß, der harte Zug verrät,

— Man sieht es schon am finstern Blicke —

Der Kerl war, was man böse nennt,

Doch in der Büste steckt Talent.“

José-Maria de Hérédia

1842-1905

Vergessen

Der Tempel auf der steilen Klippe ist zerfallen,

Die ehernen Heroen liegen tief im Sand,

Die Marmorgöttin, welche auf dem Altar stand,

Ruht im Gestrüpp, verödet sind die weißen Hallen.

Ein Rinderhirt läßt seine Muschelflöte schallen,

Die Weise ist seit altersgrauer Zeit bekannt,

Zur Tränke zieht der Stier im heißen Sonnenbrand,

Der Geier späht nach Raub für seine scharfen Krallen.

Die milde Erde, die die Götter einst gesehn,

Schmückt stets im Frühling, um für alte Huld zu danken,

Geborstene Kapitäle mit Akanthusranken.

Der Mensch will seiner Väter Traum nicht mehr verstehn,

In hellen Nächten hört er ohne frommen Schauer

Des Meeres Klagelied und der Sirenen Trauer.

Pan

Quer durch des Waldes rätselhaftes Dickicht schweift

Auf stillen Pfaden, die im tiefen Dunkel enden,

Der Bocksfuß, der die Nymphen mit den frechen Händen,

Wo sie sein heißer Blick erspäht, verlangend greift.

Rings Girren und Geraun. Ein heller Lichtstrahl streift

Das Dach, frohlockend tanzt er auf den grünen Wänden;

Es lebt und webt im Holz, verborgene Quellen spenden

Ihm junge Kraft, zur Höhe ist der Tag gereift.

Verloren hat sich eine Nymphe. Unentschlossen

Lauscht sie der Träne, die vom Morgentau vergossen

Im Moose schluchzt. Das junge Herz bangt ahnungsvoll.

Ein Sprung! Da hält sie schon der Gott, von Wollust trunken,

Im Arm, sein Lachen peitscht die weiche Luft wie toll ...

Fort ist er. Und in Schweigen liegt der Wald versunken.

Der Ziegenhirt

Verfolge nicht den Bock auf diesem Kletterpfad,

Ein Fehltritt, und Du kommst zu Schaden und zu Leide!

Am Hang des Menalos, wo wir die Sommerweide

Beziehn, gewahrst Du kaum, wie schnell das Dunkel naht.

Ich habe Wein und Obst. Wir harren, durch den Grat

Geschützt, des Morgens hier, doch laut zu sein vermeide,

Allgegenwärtig sind die Himmlischen, uns beide

Hat Hekate schon längst erspäht. Deshalb mein Rat.

Der Satyr, der als Herr auf diesen Höhen schaltet,

Haust dort im tiefen Loch, wo das Gestein sich spaltet,

Er kommt hervor, wenn jemand ihn zu schrecken wagt.

Horch, die Schalmei! laß flink uns in den Schatten schlüpfen ...

Sieh, wie der Mondschein sich an seine Hörner hakt,

Zum Tanze spielt er auf, und meine Ziegen hüpfen.

Weihe

Dem grimmen Ares weihe ich die treuen Waffen!

Hilf mir, ich bin zu alt. Hier vor das Gottes Bild

Häng an den Pfeiler meinen Helm, den schweren Schild

Und dieses schartige Schwert ..., ich kann es nicht mehr schaffen.

Und auch den Bogen. Meinst Du, daß er mit der straffen

Sehne hier hängen soll? Ich wär es gern gewillt,

Doch meine Kraft versagt, wenn solcher Kunst es gilt,

Das harte Holz gehorcht nicht mehr dem Arm, dem schlaffen.

Nimm jetzt den Köcher. Wunderst Du Dich etwa, weil

Er leer ist? Ja, mir scheint, Dein Auge sucht den Pfeil,

Damit er Dir von blutigem Männerstreit erzähle!

Es ist umsonst, Du findest keinen mehr davon,

Sie schwirrten zischend durch das Feld von Marathon

Und stecken alle in des toten Persers Kehle.

Des Toten Bitte

Halt, Wanderer, ein Wort! Wenn je Dein froher Mut

Nach Kypsela Dich führt am Hebrosstrand, so frage

Dem greisen Hyllos nach, er soll die Totenklage

Dem Erben weihn, der nie mehr an des Herdes Glut

Sich wärmen wird. Zernagt vom Wolf und seiner Brut

Vermodert der erschlagne Leib im finstern Hage,

Vergebens harrt, daß ihn das Boot hinüber trage,

Am Styx der Schatten. Rache heischt vergossenes Blut.

Jetzt geh. Des Abends, wenn der Sonne Strahlen bleichen,

Siehst Du vielleicht ein Weib zu einem Denkmal schleichen,

Der schwarze Schleier hüllt das weiße Haupt ihr ein.

Daß nächtigen Spuk die Ärmste treibt, darfst Du nicht wähnen,

Es ist mein Mütterchen. Sie beugt sich auf den Stein

Und füllt die leere Urne nur mit ihren Tränen.

Der Sklave

Ein Sklave bin ich jetzt, zerlumpt, gehetzt, gejagt,

Mein Rücken kennt den Schmerz, mein Auge kennt die Tränen,

Geboren bin ich frei, am Strande der Sirenen,

Dort wo die blaue Hybla froh gen Himmel ragt.

Hätt ich Sicilien nie Lebewohl gesagt,

Ach würde noch einmal erfüllt der Seele Sehnen!

Wenn Du zur Winterszeit nach Süden folgst den Schwänen,

O Gastfreund, geh zu ihr, nach der mein Kummer fragt.

Noch einmal möchte ich die Augen schaun, die feuchten,

Daraus der Sonne Glanz und alle Sterne leuchten,

Und ihrer dunkeln Brauen sieggewohntes Joch.

Such Cleariste auf! ich fleh Dich an, erbarme

Dich gnädig, sage ihr, ich lebe, liebe noch,

An ihrer tiefen Trauer kennst Du sie, die arme.

An der Trebia

Auf kahlen Höhen flammt des bleichen Morgens Pracht,

Numidische Geschwader führen, um zu tränken,

Die Rosse schnell hinab, wo sich die Ufer senken,

Die Hörner schmettern grell, das Lager ist erwacht.

Sempronius nämlich, der die Augurn keck verlacht,

Trotzt dem geschwollnen Strom und Scipios Bedenken,

Die seines Consulates junge Würde kränken ...

Lictoren, hebt das Beil, Cohorten, auf zur Schlacht!

Der dunkle Horizont steht rings umher in Flammen,

Des Insubrers armselige Hütte bricht zusammen,

Laut in Trompetentönen klagt ein Elefant.

Dort unterm Brückenbogen lehnt ein Mann. Ein dumpfes

Geräusch vom Taktschritt der Legionen naht. Gespannt

Lauscht Hannibal mit einem Lächeln des Triumphes.

Nach der Schlacht bei Cannae

Der eine Consul tot, der andere verschollen,

Der Aufidus schwillt an, es wälzt die trübe Flut

Zum Meer die Waffen und die Leichen. Rot wie Blut

Wölbt sich der Himmel über Rom, die Donner grollen.

Vergebens fällt der Opferstier, die Götter wollen

Nicht sprechen, keine Vogelschau schafft neuen Mut,

Die Bücher der Sibylle schweigen. Schrecken ruht

Und Trauer auf der Stadt, des Schicksals Würfel rollen.

Am Abend steht die Menge auf dem Aquäduct,

Die Väter und das Volk. Nur ein Gedanke zuckt

Durch Tausende. Sie spähn hinaus in bangem Schweigen.

Sie sehen schon im letzten Abendsonnenstrahl

Auf seinem Elephanten jenen Hannibal

Von den Sabinerbergen klirrend niedersteigen.

Villula

Du bist am Ort, Du brauchst nicht weiter erst zu gehen!

Dem alten Gallus eignet dieses kleine Gut,

Das so bescheiden an dem niedern Hange ruht,

Und dieses Schindeldach, kaum kann man drunter stehen.

Im Häuschen mag er einen Freund schon bei sich sehen;

Ein Weinberg ist dabei, des alten Herdes Glut

Backt reichlich Brot, und wie die Bohnensuppe tut,

Frag ihn ...! Soll von den Göttern er noch mehr erflehen?

Des Wäldchens Reisig kommt im Winter ihm zu Nutz,

Im heißen Sommer bietet ihm das Laubdach Schutz,

Der Herbst bescheert wohl eine Drossel, ein paar Meisen.

Hier lebt er an der Stätte, die des Knaben Spiel

Geschaut, zufrieden mit dem Lose, das ihm fiel.

Jetzt kennst Du Gallus, Freund. Du findest einen Weisen.

Tranquillus

C. Plinii Secundi Epist. I. 24.

Hier hat Sueton gelebt! stets führte das Verlangen

Nach seines Tibur tiefer Ruh ihn wieder her;

Noch steht ein Bogen von der Villa aufrecht, der

Die Ranken stützt, die an den alten Ulmen hangen.

In jedem Herbst ist er von Rom hierher gegangen,

Aus jenem großen, glutdurchwogten Häusermeer,

Hier leuchtete die rote Traube, reif und schwer,

Dies Fleckchen Erde nahm ihn immer neu gefangen.

Und in dem Frieden waren sie ihm alle nah,

Des Claudius Spukgestalt, Nero, Caligula,

Der Messalina frevelhaft verbuhltes Lieben,

Das grause Spiel, das einst auf Capri ward getrieben ...

Dies alles hat in Wachs geritzt, ganz wie’s geschah,

Sein Griffel hier, der unerbittlich wahr geblieben.

Lupercus

M. Val. Martialis Lib. I. Epigr. 118.

Lupercus hält mich eifrig an, der Bücherjäger:

Dein neues Epigramm ist köstlich, Meister, fein!

Du borgst mir — tadellos ist wirklich das Latein —

Die ganze Rolle, morgen schick ich meinen Neger.

Den der so humpelt und so keucht? Das ist ein träger

Gesell, der schläft auf meiner steilen Treppe ein.

Du wohnst am Palatin? bequemer kann’s nicht sein,

Im Argiletum haust Atrectus, mein Verleger.

Sein Lager ist auf’s reichste assortiert, ich kenn’s:

Vergil und Silius, Plinius, Phädrus und Terenz,

Du magst nach Lebenden, Du magst nach Toten fragen.

Dort steht, und nicht im letzten Fach, im Futteral

Von Cedern, fein gefalzt, in Purpur eingeschlagen,

— Für fünf Denare hast Du ihn — auch der Martial.

Die Dogaressa

Die Herren plaudern in den lichten Säulengängen,

So malte sie des göttlichen Vecellio Hand;

Noch röter leuchtet heut das rote Prachtgewand

Im Glanz der schweren Ketten, die darüber hängen.

Sie blicken in die trübe Flut, die in der engen

Lagune, aus der weiten Adria verbannt,

Vorüberrauscht, sie sehn den Himmel, lachend spannt

Er sich ob buntem Volk, ob fröhlichen Gesängen.

Die stolzen Nobili im purpurfarbenen Kleid,

Mit kaltem Herrenblick und blitzendem Geschmeid

Bewegen ernst sich auf der weißen Marmortreppe.

Die Dame dehnt im Sessel lässig sich und stumm,

Sie dreht sich langsam zu dem kleinen Neger um

Und lächelt. Dieser Wicht trägt die brokatne Schleppe.

Der alte Goldschmied

Trotz manchem Namen, der ins Meisterbuch geschrieben,

Trotz Ruiz, Becerril, Ximenez und Arphee

Hab ich den Stein gefaßt, die Perle, die Kamee,

Der Vase Griff gedreht, ihr Fries herausgetrieben.

Den Märtyrer, der auf dem Roste treu geblieben,

Ihn bildete ich nie, ich malte, Schmach und Weh,

Dionysos im Rausch, den Fall der Danae

Auf Silber und Email, statt meinen Herrn zu lieben.

Ich habe mehr als eine Klinge damasziert,

Bei diesem Teufelswerk, das frecher Stolz gebiert,

Vergaß ich um der Seele Seeligkeit zu werben.

Dem dunkeln Abend neigt sich meines Tages Glanz,

Ich will wie Fra Juan von Segovia sterben,

Mein letztes Werk sei eine goldene Monstranz.

Die Conquistadoren

Ein wilder Geierflug aus Horsten kahl und leer,

Des stolzen Elends satt sind sie der Not entflohen,

Von wüstem Traum berauscht, Banditen und Heroen,

So stießen sie hinaus von Palos de Moguer.

Zipango war ihr Ziel, des roten Goldes schwer,

Gold sah die heiße Gier im tiefen Schachte lohen;

Die Passatwinde, welche schreckenvoll sonst drohen,

Geleiteten sie durch das unbekannte Meer.

Die Tropennacht verheißt schon morgen Abenteuer,

Ein blauer Phosphorglanz ringsum, ein Meer in Feuer,

Durchfurcht von leichtem Kiel auf rätselhafter Bahn;

Sie beugen sich hinab von ihren Caravellen,

Da steigt ein neuer Stern tief aus dem Ozean

Zum fremden Himmel auf, die Pfade zu erhellen.

Jungbrunnen

Juan Ponce de Leon erlag des Teufels Spiel,

Als mit den Jahren er das dichte Haar sah bleichen;

Von alten Schriften voll und kraft geheimer Zeichen

Lenkt nach dem Bronnen ewiger Jugend er den Kiel.

Er kreuzt, des Traumes Knecht, dem all sein Witz verfiel,

Drei Jahre durch die Fluten, die sich endlos gleichen;

Da taucht, vom Licht umrahmt, und alle Nebel weichen,

Ein Märchen, Florida, empor. Er steht am Ziel.

Nun segnet er den Wahn, der ihn hierher geleitet,

Sein Banner pflanzt er auf, die müden Hände breitet

Er nach dem Strande aus, der ihm zum Grabe wird.

Beneidenswerter Greis, Dein Sehnen und Dein Streben

Hat Dir der Tod erfüllt, und ob Du schon geirrt,

Hat er des Ruhmes ewige Jugend Dir gegeben.

Auf eine tote Stadt

Cartagena de Indias, 1533-1585-1697.[4]

Verträumte Stadt, voreinst die Königin der Meere!

Heut tummelt in der Bucht sich ungestraft der Hai,

Die Schatten dehnen sich in ödem Einerlei

Dort wo die Flut gewiegt Galione und Galeere.

Franz Drakes Eisenfaust brach Deine stolze Wehre,

Die Mauer und den Turm schlug Englands Neid entzwei,

Und Wunden klaffen noch, die Spur von Pointis’ Blei,

Ein düsterer Perlenkranz der Trauer und der Ehre.

Die Sonne kocht das Meer, das sich nur träge kräuselt,

Die Königin, sie schläft, vom Windeshauch umsäuselt,

Sie träumt von altem Ruhm und vom Conquistador,

Von ihrem jähen Fall, die Trümmer sieht sie qualmen;

In heißen Nächten schreckt sie angsterfüllt empor ....

Dann schläft sie wieder ein, umrauscht von schlanken Palmen.

Antike Medaille

Noch immer kocht den Purpursaft, der Theokrit

Berauscht, der Ätna an den glühend heißen Lehnen,

Doch spähte heut umsonst des Sängers Blick nach jenen

Gestalten, welche einst gepriesen hat sein Lied.

Ach, Arethusa hat als Sklavin feig gekniet

Vorm Grimm des Anjou, und der Lust des Sarazenen

Hat sie gedient, das Griechenblut in ihren Venen

Verdarb gleich dem Profil, das Götterhuld verriet.

Der Zahn der Zeit hat selbst den Marmor angefressen,

Zum Schatten wurde Agrigent, und halb vergessen

Träumt unterm Blau des milden Himmels Syrakus.

Das spröde Erz nur, dem sich Liebe anvertraute,

Bewahrt den keuschen Abglanz und den letzten Gruß

Der Mädchenschönheit, welche einst Sizilien schaute.


[4] Cartagena de las Indias, Hafenstadt in Südamerika, 1533 von einem Vorfahren des Dichters gegründet, 1585 von den Engländern und 1697 von den Franzosen zerstört.

Bretagne

Die Unrast schwindet, Deine Seele wird sich weiten,

Wenn Dir die salzige Seeluft durch die Lungen zieht;

Zu Arvors Klippe klimm empor! Dein Auge sieht

Tief unter Dir den weißen Ozean sich breiten.

Die Erika, der Ginster blüht. In grauen Zeiten

Sang der Druide hier dem Clan das Zauberlied

Von Zwergen und Dämonen. Hart wie der Granit

Sah auch der Mensch Jahrtausende vorüber schreiten.

So komm und schau Dich um! Zum düstern Himmel ragt

Des Menhir altes Mal, das um die Helden klagt,

Die unter rotem Haidekraut vergessen liegen;

Die ewige See, die Is und Occismor umschmiegt,

Die sie in einem Bett von goldnen Algen wiegt,

Wird flüsternd auch Dein Herz, das kummervolle, wiegen.

Maris stella

Von Tannenholz der Schuh, die Haube weiß wie Schnee,

Aus Wollenstoff das Kleid, die Schürze von Perkale,

Sie liegen auf den Knien, ach, zum wievielten Male,

Am steilen Klippenrand, in Bangen und in Weh.

Die Männer, Väter, Söhne, Brüder sind auf See

Mit denen von Paimpol, Audierne und Cancale,

Im Norden stellen sie dem Hering nach, dem Wale,

Hart ist des Fischers Los und hart war es von je.

Fromm tönet übers Meer, das sich unendlich weitet,

Der Bittgesang zum Stern, der jeden Schiffer leitet,

Und die bewegte See wird mählich wieder still;

Der Abendglocken Ruf läßt alle Häupter neigen,

Sie schallen von Roscoff, vom Turm von Sybiril,

Der Himmel färbt sich rot, sie schwellen an und schweigen.

An Ernesto Rossi

Nach einer Dante-Deklamation.

O Rossi, ich hab Dich gesehn, da Du gelassen

Opheliens Herz zertratst wie eine Blume, Dir

Hab zitternd ich gelauscht, da Du, ein wildes Tier,

Desdemona erwürgt — —, ich konnte es nicht fassen.

Den Macbeth habe ich bewundert und den Lear,

Ich sah Dich letzten, der zu lieben weiß, zu hassen

Auf Italienerart, wie Juliens Mund, den blassen,

Du küßtest. Größer schienst Du eines Abends mir.

Da hab ich es erlebt, erschüttert und begeistert,

Zum ersten Mal, wie die Terzinen Du gemeistert,

Sie schmetterten gleich ehernem Drommetenklang.

Und meine Seele wähnte bebend, voller Grauen,

Umzuckt von roter Lohe Dante selbst zu schauen,

Leibhaftig, wie der Hohe den Inferno sang.

Jacques Normand

geb. 1848

Nach dem Essen

In dem Ledersessel friedlich,

Höchst gemütlich,

Sitzt der Gastfreund. Wie ein Schlauch

Bläst er aufwärts im Verdauen

Dichten blauen

Leicht gewellten Tabaksrauch.

Nach der glänzenden Verpflegung,

Der Erregung,

Dem Geschwätz beim Mittagsmahl

à l’anglaise sich zu strecken,

Sich zu recken,

Das ist einfach ideal.

Und dann sitzt man so vertraulich

Und beschaulich

„Unter uns“, nicht jedermann

Will im Bilde ängstlich bleiben

Und umschreiben,

Was man deutlich sagen kann.

Nein, wir sprechen frei! O Wunder,

Der Burgunder

Löst die Zunge. Manchem schon

Hängt der Himmel voller Geigen,

Weshalb schweigen?

Jetzt riskiert man einen Ton.

Nur nicht Politik, nicht Wahlen,

Keine Zahlen,

Solche Themen sind zu fein,

Sowas darf man sich nicht leisten,

Denn die meisten

Schlummern dabei friedlich ein.

Lieber so ein Anekdötchen,

So ein Zötchen,

Das die Laune nicht verdirbt,

Das im enggeschlossnen Kreise

Seine Reise

Fröhlich antritt und auch stirbt.

Man erfährt von Eingeweihten

Neuigkeiten,

Das Ballett wird durchgesiebt,

Dankbar hört man Jagdgeschichten

Neu berichten,

Die der Ahnherr schon geliebt.

Was nach einem guten Essen

Angemessen,

Wird mit Wichtigkeit erzählt,

So gewährt des Geists Entfaltung

Unterhaltung,

Die das ernste Haupt nicht quält.

*                    *
*

Einsam sitzen unterdessen,

Fast vergessen,

Schöne Damen. Edler Stil

Sind sie alle und Vollendung,

Jede Wendung

Zeigt beim Plaudern Halbprofil.

Jeder kann von diesen Sternen

Etwas lernen,

Was ihn mit der Welt versöhnt,

Von dem Wetter oder lieber

Noch vom Fieber

Und wie Baby man entwöhnt.

Eine Schneiderin empfehlen

Gute Seelen,

Andere wissen andern Rat;

Diesen Winter trägt man Loden,

Nein, die Moden

Sind abscheulich, in der Tat.

Manches läßt man sich wohl bieten,

Doch Visiten

Nicht erwidern ist nicht fein,

Bleibt man selber welche schuldig,

Soll geduldig

Immer hübsch der andere sein.

Ein Roman, den jedes Wesen

Schon gelesen

Oder augenblicklich liest,

Wird bewundert. Sehr erquicklich

Und auch schicklich

Ist es, was man da genießt.

Der Tenor ... um Gottes Willen!

Meine Pillen

Tuen glücklich ihre Pflicht,

Ach, die Leute .., alle Tage

Solche Plage,

Nein, man glaubt es wirklich nicht.

Unser Doktor ist sehr peinlich.

Höchst wahrscheinlich

Gehn wir diesmal an die See.

Vom Theater wird gesprochen.

In die Wochen

Kommt sie wieder mal ... o weh!

Unerschöpflich quillt der Segen,

Dauerregen

Netzt in Strömen das Gesträuch.

Trotzdem sieht sofort der Kenner,

Ohne Männer

Plagt die Langeweile euch.

Arme Damen, seid bedauert,

Denn ihr lauert

Auf das stärkere Geschlecht.

Ach, Ihr könnt noch lange harren,

Die Zigarren

Fordern mitleidlos ihr Recht.

*                    *
*

Gott sei Dank, da sind sie endlich!

Selbstverständlich

Duften alle nach Tabak,

Nach dem Kraute der Havanna,

Frisches Manna

Hat ganz anderen Geschmack.

Doch die Frauen sind ja alle

Ohne Galle!

Manches liebliche Duett

Tönt sofort. Nein, was ich sage,

Ohne Frage,

Dieser Abend war zu nett.

Taubenschießen

Nachmittag ist es, lau und linde,

Kein Sonnenschein, kein Hauch im Winde.

Des Himmels Blau ist nicht recht klar,

Wie Seide glänzt es auf ein Haar.

Die weiche Luft, die schwere, satte,

Ist wie ein dichter Bausch von Watte.

Behagen, Frieden ringsherum

Und Schweigen, alles still und stumm.

Ein kurzes Rollen nur, ein matter

Halblauter Ton, Gewehrgeknatter.

Ein Taubenschießen. Drüben stehn

Die Schützen, deutlich kann man sehn,

Wie von dem Hintergrund die Gruppen

Sich lösen gleich bewegten Puppen.

Sie treten nach der Reihe an,

Korrekt und aufrecht jedermann.

Von Zeit zu Zeit auf grünen Matten

Ein flüchtiger bewegter Schatten.

Der Vogel flattert auf erschreckt,

Schon ist er von dem Blei gestreckt.

Ein scharfes, abgehacktes Knallen,

Zu Boden sieht man etwas fallen.

Der Hund springt zu, er packt es fest,

Er gibt dem armen Tier den Rest.

So geht es weiter ohne Gnade,

Kein Ende nimmt die Füsillade.

Durch blaue Lüfte zuckt der Blitz,

Ein Messerstich, kurz, scharf und spitz.

Gemetzel, sinnlos, feig, empörend,

Des Tages heiligen Frieden störend.

In dieses Himmels reiner Luft

Der Mensch allein ein Schelm, ein Schuft,

Der Hekatomben, weil’s ihn lüstet,

Zum Opfer bringt und sich noch brüstet,

Der rings des Todes Saaten sät,

Damit die Stunde schnell vergeht.

Aufrichtig

Jüngst las ein Buch ich, das ein Symbolist geschrieben,

Ein höchst profunder Geist, ein starker Geist, mag sein,

Jedoch so stark und tief, dabei so zart und fein,

Daß mir von der Lektüre Kopfschmerz nur geblieben.

Ich muß gestehn, ich hab Ästhetik nie getrieben,

Für diese Welten ist mein armes Hirn zu klein,

Solch hoheitsvolle Denker gehen mir nicht ein,

Mit einem Wort: Ich bin ein Schaf. Ganz nach Belieben.

Ich bin ein Schaf. Gut. Abgemacht. Es bleibt dabei.

Ich finde niemals, ob gezwungen oder frei,

Die Schönheit, wo die Worte sich im Dunkeln balgen.

Ich bin ein Spießer, ein Philister, einerlei,

Darauf laß ich mich hängen. Doch mein letzter Schrei

Ist noch: Die Klarheit hoch! Jetzt schleppt mich hin zum Galgen.

Um den Ruhm

Beerdigung allerersten Ranges. In den Hallen

Der Madeleine ist heute ganz Paris zu sehn,

Kunst, Presse, Parlament, kaum kann man sich noch drehn.

Das war ein Mann! Kein Apfel kann zur Erde fallen.

Er starb. Hat er gelebt? Er lief dem Ruhm nach, allen

War er im Wege. Nichts ist ohne ihn geschehn,

Da hieß mit einem Mal der Tod ihn stille stehn,

Es war vorbei. Er packte ihn mit Geierskrallen.

Der greise Priester mit dem dünnen Silberhaar,

Mit seinem schönen Kopf, mit Augen hell und wahr,

Hebt die Monstranz. Kein Laut im weiten Heiligtume.

Hier dieser Lebende und dort der Tote. Zwar

Bin ich kein Großer, doch dies eine ist mir klar:

Ein Schritt zu Gott gilt mehr als tausend Schritt zum Ruhme.

Jean Richepin

geb. 1849

Unsere Vergnügungen

Wenn uns mal, dieweil wir jung,

Lustig stimmt ein guter Trunk,

Kläfft die ganze Meute.

Ach, die Tage eilen so,

Und nicht jeder Tag ist froh,

Wir sind arme Leute.

Narren nennt uns jedermann,

Aber keiner denkt daran,

Daß, um muntere Lügen

Durchzuführen, mancher friert

Und vor Hunger fast krepiert,

Das ist kein Vergnügen.

Kälte, Durst und Hunger sind

Untertan dem Königskind,

Das sie Dichter heißen.

Armer König, oft gäb er

Dreimal seine Krone her,

Hätt er was zu beißen.

Manchem, dem einst ferne Zeit

Sicherlich ein Denkmal weiht,

Blühen späte Rosen;

Wißt ihr, was ihm besser frommt,

Bis es einmal dazu kommt?

Ein Paar neue Hosen.

Wenn uns heller Glanz bestrahlt,

Mord und Tod! Der ist bezahlt,

Ist’s mit Wucherzinsen.

Und der Magen, der uns zwackt,

Schlägt zu der Musik den Takt,

Hört sie an mit Grinsen.

Die ihr heimlich trinkt und zecht,

Die ihr täglich regelrecht

Dreimal findet Futter,

Macht nicht immer gleich Skandal,

Wenn auch unsereiner mal

Kommt zu Brot und Butter.

Wenn ihr schon ein Lied wo hört,

Das euch die Verdauung stört,

Nur kein Donnerwetter!

Trockne Kehle, leerer Bauch,

Lieben Wein und Braten auch,

Nicht bloß Lorbeerblätter.

Nehmt es drum nicht zu genau,

Heute ist der Himmel blau,

Also lustig heute!

Ach, die Tage eilen so,

Und nicht jeder Tag ist froh,

Wir sind arme Leute.

Unsere Rache

Der Bourgeois nährt sich, still verdaut

Der brave Bursche dreimal täglich,

Und wenn er einen Dichter schaut,

Dann lacht er, denn dem geht es kläglich.

Mitunter dreht der Spieß sich um!

Dann sieht der Dichter mit Behagen

Vorm Schauspielhaus das Publikum

Sich um die Eintrittskarten schlagen.

Und wenn sodann das Spiel beginnt,

Kann man sie leicht zu Tränen rühren;

Wie selten merkt das große Kind,

Daß wir es an der Nase führen.

Doch vom Theater abgesehn,

So haben wir noch gegen Laffen,

Die protzig stets im Wege stehn,

Verschiedene andere gute Waffen.

Wir haben Leben, Lieder, Lust,

Den Geist, der schweres leicht erledigt,

Den großen Stolz in unserer Brust,

Der uns für manches Leid entschädigt.

Dann gab ein Gott uns zweierlei,

Um dessentwegen sie uns hassen:

Wir sind noch jung, wir sind noch frei,

Keck dürfen wir uns sehen lassen!

So’n Kerl wirft sich in Positur:

„Oho, Ihr seid die rechten grade,

Ihr lauft ja auf die Groschen nur,

Mein Kind, das ist für Euch zu schade.“

Wir mögen saure Früchte nicht,

Dein Töchterlein ist dürr zum Lachen,

Das Geld verschönert kein Gesicht,

Es kann auch keinen Busen machen.

Die Vogelscheuche! neben ihr

Sitzt Deine Frau, Du armer Schächer;

Ein flüchtiger Blick ..., hier sitzen wir,

Und sie errötet hinterm Fächer.

Das Mägdlein halte Dir getrost,

Denn wir sind Kenner, unsere Zunge

Verschmäht solch kümmerliche Kost — —

Wir haben Deine Frau, mein Junge!

Mein Glas ist leer

Einst goß ich, ein froher Zecher,

Meinen Lieblingswein

In den hell geschliffnen Becher

Ohne Sorgen ein.

Wenig konnte nie genügen,

War der Wein auch schwer,

Trank ich doch in vollen Zügen ....

Dieses Glas ist leer.

Wein des Ruhms, an jedem Orte

Wirst Du hoch gelobt!

Auch ich hätte diese Sorte,

Ach, wie gern geprobt.

Perlen sah ich ihn und schäumen,

Mehr und immer mehr

Schlürfte ich — — in meinen Träumen ...!

Dieses Glas ist leer.

Liebe, brr! ein saurer Krätzer,

Dem gar mancher flucht,

Trotzdem hab ich harter Ketzer

Oftmals ihn versucht,

Danach stand in jungen Tagen

Immer mein Begehr,

Hab auch ziemlich viel vertragen ....

Dieses Glas ist leer.

Älter ward ich und mein Sehnen,

Einsam und allein

Hab ich auch aus salzigen Tränen

Schon gekeltert Wein.

Um mein Kreuz, da standen alle,

Mancher hob den Speer,

Lachend trank ich bittere Galle ...

Dieses Glas ist leer.

Soll ich zürnen, soll ich hadern,

Tut kein Wein mir gut?

Ha, das Blut in meinen Adern

Kreist noch, schlechtes Blut!

Muß vom eignen Blute zehren,

Bringt den Becher her,

Laßt mich auch noch diesen leeren ...

Dieses Glas ist leer.

Moderne Studie nach der Antike

Bah! Die Antike bleibt ein Bild von kalter Tugend,

Wir respektieren sie .., ein Nachklang nur der Jugend!

Ein Vorurteil, mein Freund, gleich andern ist auch dies;

Nichts ist erlebt, nichts klar, nichts einfach, nichts praecis.

Wir wollen heut Detail und keine leeren Phrasen,

Die Alten ..., lieber Freund, da geht der Esel grasen.

.... Die Hütte steht am Strand, mit Binsen leicht gedeckt,

Aus Weiden ist die Wand. Dort liegen ausgestreckt

Zwei Fischer auf dem Bett von Gräsern dürr und trocken.

Daneben Fanggerät. Die Köder, welche locken,

Die Angeln mit der Schnur, die Haken, etwas Tang,

Die Netze, Körbe auch zu bergen ihren Fang.

Geflochtne Reusen. Dann im Hintergrund, am Ende,

Zwei Ruder mit den Spuren harter Schwielenhände,

Ein wackeliges Boot auf Rollen und auf Stützen,

Armselige Lumpen und zwei alte Fischermützen.

Als Decken noch ein paar ganz abgenutzte Matten,

Dies alles, wie sie’s grade hingeworfen hatten,

Ihr ganzes Hab und Gut, ein Durcheinander bunt.

Nichts weiter, keine Tür, ja nicht einmal ein Hund.

Wozu denn auch? es würde kaum der Mühe lohnen,

Da beide ganz allein in dieser Öde wohnen.

Die Hütte liegt verlassen in der Einsamkeit,

Denn ihre Armut schützt sie vor der Menschen Neid.

Jetzt, Freundchen, darfst Du die Kritik zum besten geben!

Ist dieses Bild praecis, natürlich, hat es Leben,

Zeigt es Dir das Detail ganz einfach, ohne Schwall?

Sprich Dich nur offen aus, was sagst Du zu dem Fall?

Die Studie findest Du, ich will den Zweifel stillen,

Als einundzwanzigste in Theokrits Idyllen.

Auf Wache[5]

Mein Junge, Du bist an der Reih,

Du hast die Wache bis um drei,

Wie willst Du Dir die Zeit vertreiben?

Lang wird die Nacht Dir am Kompaß,

Willst schlafen Du? ein schlechter Spaß!

Und träumen? Junge, das laß bleiben!

Horch lieber, wie die Woge braust,

Und horche, wie der Sturmwind saust,

Horch auf der Winde tollen Reigen;

Vielleicht gelingt Dir ein Gedicht,

Das wie ihr Laut zum Herzen spricht,

Das Herzen peinigt, wie ihr Schweigen.


[5] Der Dichter war in seiner Jugend Schiffsjunge.

Die Küste

Eine Festung, dies Gestade!

Lang gestreckt und weiß und grade

Liegt es da, ein fester Wall,

Und die Wogen, die Schwadronen,

Brechen sich in tiefem Fall

Jählings an den Mauerkronen,

Wälzen sich umsonst heran,

Stürmen stets von neuem an,

Um die Brüstung zu erreichen.

Vorwärts jetzt mit frischer Kraft,

Die Besatzung kommt ins Weichen,

Vorwärts jetzt, die Bresche klafft!

Drauf und dran, ihr wilden Koppeln,

Müßt die Kräfte jetzt verdoppeln,

Horch, wie toll die Trommel schlägt!

Hört ihr nicht den Sturmwind pfeifen?

Schnell die Böschung blank gefegt,

Wagt nur mutig anzugreifen.

Stücke Erde, groß und klein,

Stürzen ab und Felsgestein,

So, jetzt wanken schon die Zinnen!

Trümmer liegen überall,

Häufen draußen sich und drinnen,

Abgebröckelt ist der Wall.

Dringt durch die gesprengte Mauer!

Wütend flutet kalter Schauer,

Immer größer wird die Not.

Heulend nahen neue Gäste,

Reiche Ernte hält der Tod

In der fast erlegenen Veste.

Leichen häufen sich zum Turm,

Dämmen jetzt den wilden Sturm,

Decken rings die feuchte Erde.

Von Verstümmelten ein Hauf

Packt die abgehetzten Pferde,

Hemmt der müden Rosse Lauf.

Eine Festung, dies Gestade,

Lang gestreckt und weiß und grade!

Ohne Zagen wirft und baut

Diese Festung ohne Gleichen,

Daß es allen Feinden graut,

Barrikaden auf von Leichen.

Trockne Kiesel

Ach, ihr enttäuscht mich, meine Lieder,

Ihr gebt die Farbenpracht nicht wieder!

Sind auch die Worte noch so reich,

Sie scheinen unecht und erlogen,

Vergleiche ich sie mit den Wogen,

Wie sind doch meine Farben bleich!

Was aus dem Herzen mir geflossen,

Das hab ich treu hinein gegossen

In eines Mannes redlich Werk.

Wie fröhlich regte ich die Hände!

Jetzt da die Arbeit ging zu Ende

Erscheine ich mir wie ein Zwerg.

Du kannst nur leere Reime schmieden,

Dir ist ja doch kein Sieg beschieden,

Das freie Meer bezwingst Du nie.

Der Vers, den mühsam Du erdachtest,

Den zu Papier mit Fleiß Du brachtest,

Hat eine andere Melodie.

Sobald die Flut zurückgetreten,

Dann leuchtet, wie aus Blumenbeeten,

In aller Farben frohem Schein,

In weißem, rotem, grünem Schimmer,

In tausendfältig buntem Flimmer

Aus nassem Sand der Kieselstein.

Umrahmt von feuchter Tropfen Kranze

Erstrahlt der Stein im hellsten Glanze,

Er funkelt, wie in Gold gefaßt.

Die Sonne und die Winde kommen,

Schnell ist die Glut verlöscht, verglommen,

Schnell ist der Diamant verblaßt.

So leuchten mir auch die Gedanken,

Wenn meine Träume sie umranken,

Wie Kiesel auf dem feuchten Strand;

Doch ach, die Träume, sie verfliegen,

Seh auf dem Tisch Papier ich liegen,

Das nüchtern allen Glanz verbannt.

Was prächtig eben noch gefunkelt,

Das ist verblichen und verdunkelt,

Die bunten Farben halten nicht;

Die Phantasien, die mich locken,

Entschwinden, grau erscheint und trocken

Der Kieselstein und mein Gedicht.

Jean-Arthur Rimbaud

1854-1891

Mein Zigeunerleben

Ich bummelte, die Hände in den leeren Taschen,

Mein schöner Überzieher war längst in Verfall,

Der Himmel schien so hoch. O Muse, Dein Vasall

Versuchte träumend Liebesgötter zu erhaschen.

In meiner einzigen Hose war ein großes Loch.

Ich Däumling, der die Reime aus den Hülsen schälte

Und keck den großen Bären zum Quartier erwählte,

Vernahm das süße Rauschen meiner Sterne noch,

Als ich am Straßenrand mich lauschend niedersetzte;

Des Herbstes Abendtau, der meine Stirn benetzte,

Hat mich wie starker Wein begeistert und erquickt.

Zur Leier griff ich. Während rings die Schatten flogen,

Hab ich den Gummi aus dem kranken Schuh gezogen

Und flott drauf los gereimt, den Fuß ans Herz gedrückt.

Lebenstiefe

Wenn in des Abends Blau das Ährenmeer sich wiegt,

Streift mich der Halm, der mir sich neigt auf schmalen Pfaden,

Die Kühle fühl ich träumend, die den Fuß umschmiegt,

Und frei darf das entblößte Haupt im Winde baden.

Das Denken schlummert ein, dem Mund entflieht kein Wort,

Empor steigt grenzenlos die Liebe, still, allmählich;

Wie ein Zigeuner wandere fort ich, immer fort,

Allein mit der Natur ..., mit diesem Weibe selig.

Faunskopf

Im Laub, dem grünen, goldgefleckten Schrein,

In schwanken Ästen, die ihn zitternd hüten,

Schlief seines Mundes Kuß, der bittere, ein;

Jetzt hebt er wieder aus gewirkten Blüten

Den geilen Blick, der liebestolle Faun,

Die großen Blumen schlingt sein offner Rachen,

Dem Blut des alten Weines gleicht ihr Braun,

Durch das Gebüsch hallt sein verrücktes Lachen.

Schon ist er weiter wie ein Eichhorn flink,

Nur das Gelächter hängt noch in den Zweigen;

Den goldnen Kuß verscheucht ein frecher Fink,

Stumm ist der Wald und überall ruht Schweigen.

Aufregung

Im hellen Kellerfenster ducken

Fünf Kinderchen sich still und gucken

In kalter Nacht

Mit langem Hals und offnem Munde,

Wie man das Brot, das schöne, runde,

Da unten macht.

Sie sehn den grauen Teig, es wenden

Gesellen ihn mit flinken Händen,

Hoch aufgestreift,

Sie hören, wie vergnügt und lecker

Das Brot backt, wie der dicke Bäcker

Ein Liedchen pfeift.

Des Feuers milde Flammen locken

Wie einer Mutter Schoß; sie hocken

Ganz still, kein Glied

Bewegt sich, bis mit nacktem Arme

Der Bursch das Brot heraus, das warme,

Um ein Uhr zieht.

Wenn dann zur Mitternacht, zur stillen,

Der Brotgeruch, der Sang der Grillen

Steigt mit dem Rauch,

Dann spüren die zerlumpten Kleinen

Dort oben auf den kalten Steinen

Des Lebens Hauch.

Dann merken diese Kinderseelen

Nicht mehr, wie Frost und Kälte quälen,

Und leise flieht

Aus Mäulchen, die heut kaum gegessen,

Die sie ans kalte Gitter pressen

Ein altes Lied.

Dort unten lacht zu ihren Füßen

Der Himmel, den sie frierend grüßen,

Es schmeckt und schmatzt

Das kleine Volk, und alle bücken

Sich so weit vor, daß auf dem Rücken

Das Höschen platzt.

Der Schläfer im Tal

Ein grüner Winkel, wo im engen Bette munter

Das Bächlein singt und Silberfetzen aufgeräumt

An Gräser hängt, wo von dem stolzen Berg herunter

Die Sonne glänzt, ein Tal, das hell im Lichte schäumt.

Ein junger Krieger schläft barhaupt mit offnem Munde,

Der Nacken badet tief im frischen blauen Kraut,

Der bleiche Jüngling dehnt sich auf dem weichen Grunde,

Das grüne Lager ist vom Sonnenlicht betaut.

In Lilien ist der Fuß gebettet, um die Wangen

Spielt eines kranken Kindes Lächeln, das umfangen

Vom Traume ruht. Natur, umhüll ihn warm und gut,

Denn ihm ist kalt. Die Brust trinkt nicht der Blumen Düfte,

Er schläft im Sonnenbrand, die Hand auf seiner Hüfte,

Darunter sickert aus dem Herzen rotes Blut.

Der Schrank

Ein reich geschnitzter großer Schrank in dunkel Eichen,

Uralt, gleich alten Menschen blickt er gut und fein,

Die Tür steht auf, die Düfte, die daraus entweichen,

Umschmeicheln lockend Herz und Sinn wie alter Wein.

Ganz vollgestopft ist er mit tausend Kinkerlitzen,

Verblichner Wäsche, Wohlgerüchen, Weibertand,

Verkramtem Kinderzeug, mit längst verschlissnen Spitzen,

Mit Tüchern von der Großmama und buntem Band.

Dort finden sich vergessne Medaillons und Locken,

Weiß oder blond, Porträts, auch Blumen, welk und trocken,

Ihr Staubgeruch und Obst in stiller Harmonie.

Von ihren Vätern könntest künden Du den Söhnen,

Du alter Schrank, Geschichten wüßtest Du ...! sowie

Sich Deine Türen langsam öffnen, mußt Du stöhnen.

Jules Jouy

1855-1897

Lied der Bergarbeiter

Woher kommt Ihr, sagt mir’s doch!

In der Erde schwarzem Schlunde

Hausen wir, im finstern Loch,

Auf verderbenschwangerm Grunde.

Da unten strahlt die Sonne nicht,

Im Schatten, bei der Grubenlampe Licht

Entflieht in trübem Einerlei die Stunde.

Das Leben jagt, des Schicksals Kugel rollt,

Wenn es uns auch grollt,

Ist’s dem Reichen hold,

Die schwarze Kohle wird zu rotem Gold.

Warum flieht Ihr, sagt mir’s doch!

Sind dem Tode grad entsprungen,

Unten erntet er im Loch

Und vergiftet uns die Lungen,

Wie schwarze Vögel durch die Nacht

Rauscht das Verderben durch den dunkeln Schacht,

Es rafft dahin die Alten und die Jungen,

Wir fahren täglich ein um kargen Sold.

Wenn das Schicksal grollt,

Ist’s dem Reichen hold,

Die schwarze Kohle wird zu rotem Gold.

Was verdient Ihr, sagt mir’s doch,

Wenn Ihr emsig schafft da drinne?

Unsere Arbeit dort im Loch

Bringt uns Elend zum Gewinne.

Vom Morgen bis der Tag erblaßt

Sitzt an dem Tisch der Hunger uns als Gast,

Die Kinder gehn in Lumpen, Herz und Sinne

Verdorren, unser Schicksal hat’s gewollt!

Wenn es uns auch grollt,

Ist’s dem Reichen hold,

Die schwarze Kohle wird zu rotem Gold.

Der bleiche Mann

Du bleicher Mann, kennst Du der Sonne Strahl?

Wie alle Welt hab ich gehofft einmal,

Er würde leuchten mir in frohen Stunden,

Ein Los vergolden auch für mich vielleicht ...

Des Elends Dämmerlicht hab ich gefunden,

Das hat mein rotes Blut schon längst gebleicht.

Du bleicher Mann, ist Hunger Dir bekannt?

Wie alle Welt hofft ich am Straßenrand

Das Brot zu finden zum bescheidnen Mahle,

An Wein zu denken hab ich auch gewagt ...

Geleert hab ich des Elends bittere Schale,

Die Satten haben frech mein Brot zernagt.

Du bleicher Mann, kennst Du der Liebe Macht?

Wie alle Welt hab ich einmal gedacht,

Auch meiner würde sie sich noch erbarmen,

Mir würde auch ein Stückchen Glück beschert ...

Das Elend preßte mich mit starken Armen.

Es hat mein Hirn, es hat mein Herz geleert.

Emile Verhaeren

geb. 1855

Vlämische Kunst

I.

Kunst Flanderns, Du hast sie gekannt,

Die Dirnen waren Dein Entzücken!

Den Busen hat, den breiten Rücken

Verewigt Deiner Meister Hand.

Ob Göttinnen der Pinsel malte,

Ob Nymphen, die aus klarer Flut

Emporgetaucht zur Sonnenglut,

Zum Lichte, das sie frei umstrahlte,

Ob üppige Formen er verlieh

Der Jahreszeiten frohem Reigen,

Wen immer uns die Bilder zeigen,

Die Dirnen sind es, immer sie!

Du schufst sie uns, die drallen Schönen,

Ganz Sinnenlust, ein Feuer bricht

Durch ihre Haut hervor, ein Licht

Von ungekannten Farbentönen.

Sie strahlen hell, das Auge glüht

Wie Sternenglanz, und ohne Hülle

Schwillt ihres runden Busens Fülle,

Ein Strauß, der auf der Leinwand blüht.

Um sie herum in frechen Schwärmen

Des Waldes Götter, liebestoll;

Sie wälzen sich, des Wahnsinns voll,

Im Dickicht, wo die Vögel lärmen.

Sich selbst verspottend bohren dreist

Den heißen Blick sie durch das Dunkel,

In seinem lüsternen Gefunkel

Erglänzt ihr Lächeln fett und feist.

So wittern in der Brunst die Hunde!

Die Schönen sperren sich, doch bald

Zwingt sie der eignen Lust Gewalt,

Es ist nur Trotz der ersten Stunde,

Der Trotz, der keinen Sieg gewinnt!

Sie bäumen sich, die Hüften schwellen,

Der Nacken, über den in Wellen

Des Haares breiter Goldstrom rinnt,

Verlockt den Feind, den Sturm zu wagen,

Verheißt den Sieg in kurzer Frist,

Obschon die Weibchen voller List

Den ersten Kuß zum Schein versagen.

II.

Ihr hochgepriesenen Meister gabt

Ein reiches Leben jenen Leibern,

Den saft- und kraftgeschwellten Weibern,

Die Ihr geliebt, bewundert habt.

Chlorosen mochtet Ihr nicht schildern,

Nie haben Fratzen fahl und bleich

Wie Mondesschein im tiefen Teich

Herumgespukt auf Euren Bildern,

Mit Stirnen, düster wie die Nacht,

Wie Klagelieder müd und traurig,

Mit Augen, daraus flackernd, schaurig

Das Siechtum, die Verzweiflung lacht,

Die Grazien, mit erlognen, ekeln,

Gefälschten Reizen, die geziert,

Im Morgenkleide, parfümiert

Und schlaff sich auf dem Sofa räkeln.

Nie habt Ihr mit der Lust gespielt!

Ihr, die Ihr keine Freude scheutet,

Habt nie das Laster angedeutet,

Das frech und lüstern blinzelnd schielt.

Ihr zeigtet nie im Schmutz der Gasse

Frau Venus, die spazieren geht,

Nie habt durchs Fenster Ihr gespäht,

Ob nacktes Fleisch sich sehen lasse.

Wie Ohnmacht sich hysterisch spreizt,

Der Schäferin verbuhlte Künste,

Des Schlafgemaches schwere Dünste,

Sie haben niemals Euch gereizt.

Nein! Eure Frauen, die im festen,

Im großen Schritt, im leichten Tanz

Sich frei bewegten, die im Glanz

Gethront, in schimmernden Palästen,

Sie waren anders anzuschauen,

Sie führten, von Gesundheit strotzend,

Mit königlicher Miene, trotzend,

Am Narrenseil den geilen Faun.

Artevelde

Der Riese Tod zieht die Register, greift die Tasten,

Aus seiner Orgel Tiefen quillt der Ruhm hervor,

Der Name des Ruwaert von Flandern steigt empor,

Er wächst noch, wieviel Jahre auch vorüber hasten.

Gold nur prägt hochgesinnt das Volk. Aus Feuerbränden,

Gemetzel, Bürgerkrieg, Verzweiflung, Leidenschaft

Hat’s die Legende seines Helden aufgerafft,

Es feiert ihn von neuem stets und will nicht enden.

Von Strahlen warf er ein Geflecht mit dichter Masche

Um Flandern. Wie den Blitz der Belfried zog die Faust

Den Schrecken an. Und wo hernieder sie gesaust,

Verbrannte ihre Glut die Kerker rings zu Asche.

Die Könige beugten sich, vor seinem Anblick grausend,

An seine Fersen heftete sich dicht der Schwarm

Des Volkes, jauchzend gab es Herz ihm hin und Arm,

Doch er war stärker noch als alle, stark wie tausend.

Und seine Seele sah sich durch die Zukunft schreiten,

Was jemals sie gedacht, ward Leuchte und ward Brand,

Die erste Fackel! eine fieberheiße Hand

Trug ihre Glut voran im Nebel ferner Zeiten.

Er fühlte Zaubermacht in sich. Sein Wollen bäumte

Sich auf, die Schranke brach. Nichts blieb ihm unerfüllt,

Bis einst des Todes finstere Nacht das Haupt umhüllt,

Wo Zorn und Wetter schweigend bei einander träumte.

Und bei der Nacht verschwand er wie ein blutiger König,

Im Brand der Stadt, im wilden Aufruhr, bei der Nacht.

Die Bauern

Wie Greuze Bauern einst geschildert, sind sie nicht,

In zarten Farben hingehaucht beim Tanz im Freien,

Schmuck angezogen und mit rosigem Gesicht,

Ein heiteres Motiv, gleich andern Spielereien,

Für Rokoko-Salons, sehr zierlich in Pastell.

Grob sind sie, viehisch, plump. Die Zeichnung ist reell.

In ihrem Dorfe sind sie eingepfercht. Die Leute

Im Flecken nebenan, die sind für sie schon fremd,

Eindringlinge, des Hasses wert, willkommene Beute,

Die man betrügen darf und plündern bis aufs Hemd.

Das Vaterland ...! o weh, soll das sie gar begeistern,

Das ihre Söhne nimmt und zu Soldaten macht?

Das gilt die Erde ihnen nicht, die sie bemeistern,

Die ihre Saaten bis zur Reife treu bewacht.

Das Vaterland ist ihnen garnichts oder wenig;

In einem Eckchen ihres dumpfen Hirnes wohnt

Der König höchstens, eine Art von Märchenkönig,

Der mit der Krone auf dem Haupt im Purpur thront.

Ein bunter Flitterkram, ein Schloß, wo Fahnen wehen,

Mit Wappenschildern, funkelnd in dem Glanz des Lichts,

Wo die Soldaten mit Gewehren Posten stehen,

Das wissen sie vom Staat, vom Vaterland. Sonst nichts.

Im übrigen beschwert sie keiner Weisheit Bürde,

Denn Bücher, bis auf den Kalender, sind vervehmt.

Der Holzschuh könnte Freiheit, Recht und Menschenwürde

Zertreten ohne Wahl. Instinkt ist’s, was sie lähmt.

Wenn in der Stadt des Aufruhrs rote Blitze zucken,

Wenn ferner Donner grollt, sie bleiben unbewegt,

Gewohnt, in dieses Lebens Schlachten sich zu ducken,

Weil den, der aufrecht steht, das Wetter niederschlägt.

Kato

Den weiten Faltenrock bis hoch ans Knie gerafft

Hat sie das rote Maul gewaschen ihren Kühen,

Die Streu zurecht gemacht, den Dung hinaus geschafft,

Die Luken aufgesperrt beim ersten Morgenglühen.

Jetzt darf die Kato, die grobknochige, dicke Magd,

Sich auf den alten wackeligen Schemel setzen;

Die Schatten drücken schwer, die Stalllaterne blakt,

Den Nacken deckt ihr ein zerschlissenes Tuch, ein Fetzen.

Im Holzschuh stecken ihre Füße nackt und bloß,

Ein grober, harter Lederschurz bedeckt die Lenden,

Die Beine breit gespreizt hält sie auf ihrem Schoß

Den Eimer, und den Euter streicht mit beiden Händen

Sie auf und nieder flink, ein Strahl spritzt blendend weiß

Ins zinnerne Gefäß, und Blase perlt an Blase,

Wie von Ranunkeln steigt der Duft berauschend heiß

Empor, behaglich schlürft ihn Katos breite Nase.

Beim ersten Dämmerschein und wenn der Tag verglimmt,

Wenn er im Mittag steht, sitzt Kato bei den Kühen,

Das ist ihr Amt, sie melkt. Ihr leerer Blick verschwimmt,

Sie träumt von ihrem Schatz, die roten Wangen glühen.

Der Müllerbursche ist’s, ein Junge, der’s versteht,

Ein derber, großer Kerl, so einer von den dreisten,

Er paßt ihr immer auf, wenn sie zur Mühle geht,

Und schmatzt sie gründlich ab, sie weiß, er kann was leisten.

Doch ihre Kühe halten sie zurück im Stall,

Zehn, zwanzig, dreißig, die im Fette alle glänzen,

Sie recken ihre breiten Kruppen, straff und prall,

Die glatten Flanken peitschen sie mit langen Schwänzen.

Sind sie gepflegt? nichts leuchtet heller, als ihr Fell!

Und stark? an denen geht das Futter nicht verloren!

Das Wasser peitscht im Trog ihr Hauch, wie Sturm den Quell,

Mit ihren Hörnern können sie ein Brett durchbohren.

Und jeder Bissen wird zermalmt, das Maul verschlingt

Den Klee, die Esparsette, Rüben, Kleie, Möhren,

Der Hals ist langgestreckt, ein lautes Schnaufen dringt

Zufrieden aus der Brust, behaglich anzuhören.

Wenn Kato mit den Schwielenhänden Rüben schabt,

Dann stoßen sie den Korb, wie um die Magd zu necken;

Das trockne Heu, das auf dem Boden lagert, labt

Sie schon, wenn durch das Loch dort oben sie’s entdecken.

Aus Fachwerk ist der Stall. Gar seltsam drollig reckt

Auf seinem hohen Stuhl das alte Dach die Glieder,

Schwer sitzt es da, mit Stroh und Binsen eingedeckt,

Tief hangen die zerzausten Flügel seitwärts nieder.

Die Sonne fällt von oben durch das Bodenloch,

Sie wärmt das Vieh im Stand mit ihren Feuerduschen,

Die letzten Strahlen hauchen auf die Riste noch

Den leisen Rosaton, wenn sie vorüber huschen.

Doch drin im Stalle steigt ein Nebel feucht und warm

Vom Dung und von der Streu empor und von den Raufen,

Es qualmt der Mist, im heißen Dampfe summt ein Schwarm

Von großen Fliegen um den hochgetürmten Haufen.

Das ist das Reich, wo die vierschrötige Kato haust,

Fern von des Bauern Zorn und von des Pfarrers Predigt,

Wo auf dem Heu der Müllerbursch sie zwackt und zaust,

Wo er sie herzt, nachdem das Tagewerk erledigt.

Verschlafen träumt der Stall, geschlossen ist das Tor,

Der Nacht, die schweigend sie umgibt, gebührt Vertrauen;

Kein Laut schlägt jetzt an des verliebten Pärchens Ohr,

Als einer wachen Kuh Geschmatz beim Wiederkauen.

Des Mönches Tod

Des alten Mönches Stündlein schlägt. O Herr, erbarm

Dich seiner Seele, nimm sie gnädig in den Arm,

Wenn Mühsal endlich ihn erkennen läßt und ahnen,

Daß er nicht länger sich den steilen Pfad kann bahnen;

Wenn starr und gläsern schon sein mattes Auge blickt,

Ein letztes Lebewohl dem Sternenhimmel schickt;

Wenn seine bleichen Lippen, die im Fieber brennen,

Noch einmal Deinen heiligen Namen leise nennen;

Wenn kalter Schauer Not das schwache Fleisch ergreift

Im Augenblicke, da der Todeshauch es streift;

Wenn schwere Finsternis schon auf dem Geiste lastet

Und zitternd noch einmal die Hand zum Kreuze tastet;

Wenn man ihm, da des letzten Kampfes Schrecken dräut,

Die Arme kreuzt und Asche auf die Stirne streut;

Wenn sie zum Abschied Deinen Leib dem Müden reichen

Als Zehrung für den Weg und der Erlösung Zeichen;

Wenn bitterer Todesschweiß, der aus den Poren bricht,

Das blasse Antlitz wäscht beim Kerzenflackerlicht;

Wenn sich die Brüder betend zu der Leiche bücken,

Für alle Ewigkeit die Augen zuzudrücken;

Wenn dieser abgezehrte Leib, im Tod erstarrt,

Den Keim des Wurmes trägt, der seines Mahles harrt;

Wenn er, bevor die Sonne noch zur Rüste schreitet,

Zur Ruhe bei den andern draußen wird geleitet;

Wenn gleich darauf sein Grab Vergessenheit verschließt,

Ein Schloß auf einem Buch, das keiner kennt noch liest;

O Herr, empfange Deinen Diener dann in Gnaden,

Laß seine Seele sich in Deinem Lichte baden.

Betrachtung

Beglückt, o Herr, wer ruhig in Dir wohnt und still!

Des Tages Qual wird niemals ihm den Frieden rauben,

Der Tod erschreckt ihn nicht, nie frißt an seinem Glauben

Der finstere Wahn der Zeit, die Dich nicht kennen will.

Der Ruhm ist eitel, Menschenwerk zählt nur nach Tagen,

Was ward aus jenen Spöttern, die sich frech gebläht?

Ihr alle, die Ihr an der Gruft vorüber geht,

Fragt nur die Würmer, die an ihrem Fleische nagen.

Die Tage folgen sich in ruheloser Hast,

Kurz währt die Freude nur, ob Ihr auch klagt und jammert;

Dieweil Ihr Euch an Euer Glück, das hohle, klammert,

Fühlt Eure Hand den Moder nicht, den sie umfaßt.

Kein Wissen, das den Zweifel nicht im Innern trüge

Gleich einer Frucht, erstorben schon im Mutterschoß!

Zieht Eures Weges nur und dünkt Euch frei und groß,

An dieser Schranke enden Eures Geistes Flüge.

Das Fleisch vergeht, ach, seine Stunde naht gar schnell,

Von Anbeginn setzt sich der Fluch auf seine Fährte,

Zerrissen ward noch jede Brust, die Hochmut nährte — —

Denkt an die Hunde jener stolzen Jezebel!

Die Bäume

Des Abends, wenn im Herbst die Sonne rosig zart

Im Untergehen färbt das bleichende Gelände,

Sieht man vom Kreuzweg aus in Fernen ohne Ende

Die Bäume alle wandern auf der Pilgerfahrt.

Die Pilger brechen auf, in stiller Trauer wallen

Sie durch den Abend fromm, gedankentief einher.

Die Riesenpilger ziehn die Straße, langsam, schwer,

Verdüstert lassen sie des Laubes Träne fallen.

Die Pilger schreiten fort im langen Doppelglied,

Seit wieviel Jahren schon? kein Ruhen und kein Rasten

Verzögert ihren Gang nach dem schon längst verblaßten,

Verwelkten Ruhm, der sie zum Horizonte zieht.

Die Pilger gehn des Wegs, im Dämmerlicht verlängert

Der Mantel sich, er schleppt von goldnem Glanz getränkt,

Den ihm die Sonne in die dunkeln Falten hängt,

Die Straße ist von Staub und Weihrauchdunst geschwängert.

Die Pilger steigen an, wo es zur Höhe geht,

Stumm blicken auf den Zug entlang der ganzen Strecke

Verzückte Dörfer, glut- und inbrunstvolle Flecke,

Sie fallen auf die Knie und harren im Gebet.

Die Tränke

In einer tiefen Falte der gewellten Erde

Dehnt stille träumend sich des Teichs Melancholie,

Als Schwemme dient der Ort dem bunt gefleckten Vieh,

Im Wasser bis zum halben Leibe steht die Herde.

Da sind sie, wo der Weg zur Tränke niedersteigt,

Die Kühe schreiten schwer, die muntern Rosse laufen,

Die Ochsen schwarz und rot, die stets in dichten Haufen

Den Hals zur Sonne blökend strecken, die sich neigt.

Nun sinkt das All ins Nichts, mit jedem Tage sterben

Den längst gewohnten Tod die Dinge, es entfärben

Sich Licht und junger Trieb und Glanz und Blütenduft;

Ein Leichentuch legt auf die Saat sich feuchte Luft,

Endlos versinkt der Weg in Wolken grauen Dampfes,

Die Rinder röcheln wie im Schmerz des Todeskampfes.

Der Schrei

Still liegt der Weiher, braune Wasser träumen träge,

Im schwanken Schilfe hängt der Abendsonne Strahl,

Ein schriller Vogelschrei hallt durch das müde Tal,

Er kündet traurig eines Herzens letzte Schläge.

Wie schwach und schüchtern er aus tiefer Ferne taucht,

Wie er verzweiflungsvoll und jammernd näher schreitet,

Wie er sich dehnt, wie er im Flug sich streckt und weitet,

Wie er am Horizont verschwindet und verhaucht!

Sein Röcheln mißt die Zeit im Gleichmaß der Sekunden,

Ein kleiner, dünner Ton, der klagend weiter schwingt;

Der matte Widerhall, der durch die Lüfte hinkt,

Erzählt verzagt vom Schmerze trüber Dämmerstunden.

Kein Netz fängt diesen Schall, der träg vorüber zieht,

Dies unermüdliche, gedehnte Abschiedsläuten!

Wer ihn auch immer hört, weiß diesen Klang zu deuten,

Der einer Seele gilt, die aus dem Leben schied.

Ist es die Rose, sind es bunte Schmetterlinge,

Ist’s weißer Blütenduft, ein Käfer, ein Insekt,

Ein ferner Flug, der kühn zur Sonne sich gereckt,

Und jetzt im Moose ausruht mit gebrochner Schwinge?

Die Nacht

Die weite Ebene schläft, der müde Tag ergraut,

Der Schatten wälzt den Stein, er schlägt ihn und er hämmert,

Die Mauer wächst empor, und durch den Abend dämmert

Ein Escurial, aus schwarzem Silber aufgebaut.

Tief wölbt aus Ebenholz und Gold sich dieser Himmel,

Die Pinie reckt sich hoch von Zaubermacht belebt,

Dem schlanken Pfeiler gleich, der nach der Kuppel strebt,

Die Sterne flammen auf, von Augen ein Gewimmel.

Wie Leichentücher, die die Fackel grell erhellt,

Erglänzen stille Seen, vom Mondschein übergossen,

Die Äcker, durch das Licht umrissen und umschlossen,

Sind ein gewaltiges, verträumtes Gräberfeld.

Jetzt baut das Schloß, darinnen Furcht und Schrecken lauert,

Geheimnisvoll die Nacht mit rätselhafter Hast,

Für einen unbekannten Kaiser den Palast,

Der irgendwo in tiefen Finsternissen trauert.

Die Straßen

An Flämmchen, die durch endlos lange Gassen irren,

Entzünden die Laternen sich beim Straßenbord,

Jetzt die und dann die nächste, und so immerfort

Den Schatten nach, die leise durch den Abend schwirren.

Gradaus streckt sich die Straße, traurig eingefaßt

Von Häusern, die in ödem Einerlei sich gleichen,

Um draußen tief im Sand ihr Ende zu erreichen,

Ein abgebrochner Stumpf. Dahinter ein Morast.

Die dicken Nebel drücken nieder, sie benützen

Des Daches First, dort hakt das Leichentuch sich ein,

Durch dunkle Wolken bricht des Mondes bleicher Schein,

Er spiegelt zitternd sich in fäulnisschwangern Pfützen.

Ein Karren schwankt hinaus, der Rosse Atem dampft,

Der Wagen ächzt und kreischt, selbzweit mit steifen Beinen

Keucht müde das Gespann auf abgetretenen Steinen,

Die seiner Hufe abgetretenes Eisen stampft.

Im grauen Dunst erwacht das Firmenschild am Laden,

Das jetzt ein heller Strahl der Gaslaterne trifft,

Wie Tränen glänzt der Riesenlettern goldne Schrift,

Die Scheiben bluten rot, die Herzen der Fassaden.

An Flämmchen, die durch endlos lange Gassen irren,

Entzünden die Laternen sich beim Straßenbord,

Jetzt die und dann die nächste, und so immerfort

Den Schatten nach, die leise durch den Abend schwirren.

Das Idol

Von Efeu eng umspannt und schwer bedrückt von Pinien

Hebt von des Horizontes fahlem Dämmerschein

Der Berg sich, einem schwarzen Riesenbild von Stein

Vergleichbar sind die großen, feierlichen Linien.

Die Sonne, die sich neigt, umkränzt mit Strahlenpracht

Die Stirn, ein Feuer loht von Bronze und Karfunkel,

Und dieses goldene Geschmeide, das im Dunkel

Den reichen Glanz verschwendet, lockt aus tiefem Schacht

Die Schatten grauser, rätselhafter Göttersage,

Erinnerung versunkner Zeiten, die erstarrt

Auf ungeheurer Genien Werden einst geharrt,

Aus deren Blick Äonen ihrer Schöpfungstage

Ins Leere schaun. Der Berg beherrscht den Raum, die Last

Ruht wuchtig auf dem Wald, bedrückt das Blachgefilde;

Das Haupt hebt sich vom Platz, nach seinem Spiegelbilde

Umzuckt vom Wetterstrahl zu spähen im Morast.

Und wenn die Täler, wenn des Waldes Wipfel schwinden,

Wenn mit dem Nebel dieses Abends Klagelied

Nach oben trauernd steigt, erwacht der Traum und sieht

Das Opfer sich im Qualm der roten Flamme winden.

Unkraut

Der Aberwitz sproßt wie das Kraut der tauben Nessel

Aus unseres Herzens Grund, aus Seele und Gehirn,

Kein Heiland mehr steht auf, kein Held mit freier Stirn

Und wir verkommen in des Köhlerglaubens Fessel.

Zum Stumpfsinn führt mein Weg, zur Sonne, die das Feld

Bleich wie der Mond am Tag bestrahlt, zu seinem tollen,

Verrückten Widerhall, das Echo hör ich rollen

Und auch den roten Hund, wie er da unten bellt.

Vom Schnee umrahmt ein See in tiefer Abendröte,

Ein Vogel, der vom Sturm gewiegt zu nisten wagt,

Im Dunkel gähnen Höhlen, unbeweglich nagt

Davor an einem Stückchen Grün die goldne Kröte.

Um nichts sperrt sich des Reihers Schnabel auf, es loht

Ein Strahl, die Fliege sitzt erstarrt im warmen Kreise,

Frohsinn, der längst sich selbst vergaß, tickt müd und leise ...

Ich weiß es wohl, das ist des Narren stiller Tod.

Gebet

Du Mond von Frost in goldner Grotten tiefer Stille,

Silberne Schwerter, Klingen ihr von Erz und Stahl,

Du Mitternacht, die du geheimnisvoll im Tal

Emporsteigst wie ein stummer, zielgewisser Wille,

Es harrt mein Herz des Dolchs, den ihm dein Schweigen wetzte,

Der letzten Hülle harrt, des Grabes harrt die Gier,

O helle Mitternacht, der Fackel weih ich hier

Des Lebens großen Traum, den Speer und Spieß zerfetzte.

Mein heißes Auge späht in deine tiefen Schauer,

Es ringt die leere Hand, die zitternd allerwärts

Gesucht, getastet hat, nach deines Rates Erz,

O Mitternacht, wie kalt fällst du auf meine Trauer!

So manch erstorbner Blick, so manches Auge graute

Vor deinem Angesicht, verzweiflungsvoll gespannt,

Vom Sonnenuntergang gefesselt und gebannt

Dort, wo der Winter seine Leichenkammer baute.

Nichts wird von dem was meine Klage war beharren,

Denn alles Menschenwerk, es ist umsonst getan;

O stille Mitternacht, laß meines Herzens Wahn,

Das Leid, das Lied und auch die Angst zu Eis erstarren.

Das Schwert

Einst hat mir einer, der ein blankes Schwert getragen,

Voll Hohn ob meines dürren Stolzes prophezeit:

Nichts wirst Du sein! in Deiner Zukunft leeren Tagen

Harrt Deiner Reue nur um die Vergangenheit.

Der Ahnen reines Blut wird in Dir schal und trocken,

Dein schwacher, träger Leib bricht unter jeder Last,

Gekrümmt vom Fieber wirst Du an dem Fenster hocken,

Dieweil vorüber wogt des goldnen Lebens Hast.

Verdorrte Nerven ziehen Deinem Willen Schranken,

Die Nägel werden weich und schlaff an Deiner Faust,

Zum Grabe wird die Stirn ohnmächtigen Gedanken,

Sie schreckt Dich, wenn des Nachts Du in den Spiegel schaust.

Flieh vor Dir, wenn Du kannst. Es wird Dir nicht gelingen,

Dir selbst und allen Menschen Knecht bist Du nicht frei,

Dein Rücken ist gebeugt, Dein Fuß verstrickt in Schlingen,

Längst ward Dein Haupt entthront, längst füllt die Adern Blei.

Da draußen wogt der Kampf, dort wird die Schlacht gewonnen,

Es hat Dein bleicher Mund das Banner nie geküßt,

Dein Herz ist welk, in alte Texte eingesponnen,

Die blöder Witz wie Tuch zerschneidet und vermißt.

Du bleibst allein. Zurück zur Jugend spähn die Sterne

Des Auges, doch vergebens lockt sie der Magnet,

Verzweifelnd lauschst und einsam Du, wenn in der Ferne

Der Siege frohes Wetter donnernd niedergeht.

Ein Abend

Auf Sümpfe, die verfault in Haß und Wut,

Tropft hoch vom Himmel der zerfetzten Sterne Blut.

Der Himmel schwarz und schwarz der Wald,

Verzagte Wolken, naß und kalt,

Die voll Verzweiflung weiter streichen,

Von Nord nach Süd im Flug entweichen.

Du Land der niedern Hütten, fern am blauen Strand,

Du meiner Augen fromm ersehntes Land,

Wo sie besiegt und ohne Waffen

Jetzt meinen Träumen Obdach schaffen.

Du Land von Blei, verdammtes Brack,

In Tümpeln ekler Nachgeschmack,

Wo trübe, widerliche Pfützen

Des Denkens Leichen dreist bespritzen.

Du Land, wo sie Erinnerung mit Kot umhüllen,

Wo sie den Haß in Fässer füllen,

Wo Aussatz das Gesicht enthäutet,

Wo frech der Tod zur Vesper läutet.

Die heisern Glocken zieht der Tod,

Der dort im Hafen finster droht,

Im Nebel schwingt er seine Hippe

Am Glockenturme, ein Gerippe.

Du Land, von meinem Blut benetzt,

Mein Herz ist wund, zerfleischt, zerfetzt,

Verfault in Haß, verfault in Wut ....

Auch dieser Stern verspritzt sein Blut.

Albert Giraud

geb. 1860

Catharina von Medici

Bleich, mit gesenktem Haupt, zerbrochen und zerspaltet

Von Siechtum, das des Arztes spottet, matt und schwach,

Saß Karl der Neunte träumend in dem Prunkgemach,

Die welken Hände über einem Buch gefaltet.

Die Mutter trat herein, die greise Medici,

Mit kaltem Habichtsblick, sie küßt ihn auf die Wangen:

„Wacht auf, mein Sohn, wacht auf, der Mörder ist gefangen,

Gelobt sei Gott, ich habe den Montgomery,

Der Euren Vater, König Heinrich, hat erschlagen!“

Der müde Valois aber, ohne nur zu fragen,

Bat: „Gönne mir den Schlaf, laß mich, o Mutter, laß!“

Die Tränen zwang sie stolz, es zuckten nur die Lippen,

Sie wandte schweigend sich zu den erlauchten Sippen,

Sie dachte: „Weh, er stirbt, er kennt nicht mehr den Haß!“

An eine vierzigjährige Frau

In Deinen großen Augen träumen tief und heiß

Geheime Schmerzen, die das Leben Dir verraten;

Längst schürfte meine Lust mit nimmer sattem Spaten

Nach letzter Wissenschaft, von der sie noch nichts weiß.

Der reifen Früchte Duft berauscht. Ein Zauberkreis

Umschließt mit hartem Zwang mein Fleisch. Mir sind die Saaten

Nicht ausgereift. Im Staub vergangener Tage waten

Gedanken ..., und sie sehn ein unberührtes Reis.

Wie oft schon blickte ich mit neidischem Begehren

Den Schiffen nach, die müd zum Hafen wiederkehren,

Des Abends glitten feierlich sie durch den Schaum.

Auf ihren Masten schien ein hoher Stolz zu wohnen,

Und ihrem Kiele folgte wie ein schwerer Traum

Der heiße Atem ferner, unbekannter Zonen.

Henri de Régnier

geb. 1864

Unsichtbare Gegenwart

Schnell flieht die Zeit, unsichtbar schreitet

Sie neben uns im tiefen Sande,

Du hörst, wie sie durch Nesseln gleitet,

Behend, im fliegenden Gewande.

Wir ahnen sie an jeder Stelle,

Gehorchen ihr, was sie auch heische,

Es zeigt uns ihren Hauch die Welle,

Es mahnt an sie der Wurm im Fleische.

Ein leises Knistern in den Wänden,

Schon ist der harte Stein zersprungen,

Ein leichter Druck von frechen Händen,

Schon ist die Fäulnis eingedrungen.

Wir brauchen nicht bei Wind und Wetter

In alle Tiefen erst zu reisen,

Wir brauchen keine Zifferblätter,

Darum die schnellen Zeiger kreisen.

Und keine Glocke braucht zu schlagen,

Die unerbittlich uns verkündet

An hellen und an dunkeln Tagen,

Daß ewig sie enteilt und schwindet.

Sie wandelt stumm auf Deinem Pfade,

Doch nie wird sie Dein Blick erreichen,

Wenn neben Dir sie am Gestade

Den Mondschein pflückt aus stillen Teichen.

Vor der Prägung

Wo sich die Wege kreuzen im Walde, bei der Nacht,

Im Sturm mit meinem Schatten, bei der Nacht,

Der Asche meiner Jahre müd und meiner Herde

Hab dessen was das Schicksal bringen werde

Ich nachgedacht.

Das sind die Wege, die mir offen stehn

Zum Tage. Wenn ich will, kann ich noch immer jetzt

Weiter gehn

Zum Land, zum fernen Meer, nach meinem Traume spähn

Und Sonnen sehn,

Bis dann des Todes weiche, geduldige Hand zuletzt

Mein Auge schließt und still darauf seines Friedens Siegel setzt.

Du Weg der Einsamkeit in hohen Eichenhainen,

Den Müden peinigst Du mit spitzen Steinen,

Wo er auch schreitet, wo er ruht,

Benetzt versunkene Zeit den Pfad mit ihrem Blut.

Der Schritt wird schwer,

Im Sturme höre ich die stolzen Wipfel weinen

Und kann nicht mehr.

Du Weg der Birken, wo die trocknen Blätter wehen,

Durch Bäume führst Du, bleich wie deiner Pilger Schande,

Die keuchend durch den zähen Schlamm, durch Pfützen

Zusammen gehen

Und schmerzgebeugt sich vor den Blicken des Gefährten schützen.

Du Weg, der durch den Kot sich windet,

Durch Laub, darin der Wind flüsternd verschwindet;

Im grauen Dämmerlicht staut sich an deinem Ende

Aus Mondenschein und Frost der silberne Morast,

Stumm reicht das Einerlei die Hände

Dem trüben Gast.

Du trauter Weg der Eschen gehst durch leichten Sand,

Die Spur verweht der Wind, ach, er verwischt jeden Strebens

Erinnerung, er huscht von Baum zu Baum mit dem Wanderer,

Die Honigblüte zeigt des Sandes goldne Farbe.

Auf dem gewundenen Pfad sucht der Blick das Ziel vergebens.

Die gute Stadt, sie ist dem Fremden wohl bekannt,

Am Tore wäre süß die Schwelle meinem Schritte,

Doch weilte er zu lang auf Bahnen anderen Lebens

Wo weinend Hoffnung wacht in bleicher Schatten Mitte.

Ich gehe nicht durch die Eichen,

Euch Birken und Euch Eschen will ich ausweichen,

Ich wandere nicht zur Stadt, zum Meer, zum Sonnenball,

O Wege!

Schon höre ich das Blut vergangner Zeiten rinnen,

Längst wähnte ich sie tot, doch kehren stets sie wieder,

Sie eilen mir voraus in Eurem Widerhall,

O Wege!

Du leichter Pfad, Du Pfad, wo Schmach, Du Pfad, wo Ehre schreitet,

Überall

Hör ich den Wind, der stets mich irrgeleitet,

Der stöhnend durch die Eichen gleitet.

O Seele, diese Nacht klagt um den Tag, der ging,

O Seele, diese Nacht bangt um den Tag, der kommt,

O Seele, diese Nacht, Dir selbst wird sie Verhängnis.

Wechselstrophen

Ein kleiner Garten nur ist mein,

Vier Mauern drum, der Efeu bindet

Und sprengt den morschen, grauen Stein,

Um den er sich im Klettern windet.

Am Borde winziger Beete sprießt

Der Buchsbaum, regelrecht geschnitten,

Die schmalen Wege sind bekiest,

Sie kreuzen sich nach wenig Schritten.

Die Bäume strecken ihren Ast

Nach Dir in täppischem Verlangen,

Bald wird zum Scherz die Hand gefaßt,

Bald kratzen sie Dir grob die Wangen.

Kein klarer Wasserstrahl wagt kühn

Im Sprunge hoch empor zu steigen,

In herber Schönheit, schwarz und grün,

Ruht auf dem Garten ernstes Schweigen.

Aus keinem stillen Teiche quillt

Der blaue Himmel Dir entgegen,

Und keines Vogels Spiegelbild

Siehst Du die Schwingen dort bewegen.

Nie ist beim frohen Honigraub

Ein Schwarm von Bienen zu entdecken,

Es leuchtet wie Metall das Laub,

Die scharfe Speise will nicht schmecken.

Der schwere Duft macht müd und matt,

Nur Buchsbaum, Myrten und Cypressen,

Hier findest Du kein totes Blatt,

Doch auch die Blüten sind vergessen.

*                    *
*

Ich habe hinter meinem Haus

Ein Winkelchen. Der Sand, der gelbe,

Sieht heller bald, bald dunkler aus,

Das Einerlei bleibt stets dasselbe.

Ein einziger Baum steht dort, er kann

Mich mit dem Schatten grade decken,

Ich liebe es, mich dann und wann

Behaglich drunter auszustrecken.

Das grüne Laubdach ist so leicht,

So luftig das Gebälk, die Streben,

Wenn kaum der Wind darüber streicht,

Läßt er die Blätter alle beben.

Mir däucht, des kleinsten Vogels Lied

Muß diesem Baume Freude wecken,

Sobald ich grade stehe, sieht

Das Auge über dichte Hecken.

Da draußen zittert heiße Luft,

Doch meines Herzens Unrast schwindet,

Denn einer einzigen Rose Duft

Verrät ihm, daß es Liebe findet.

Ein Traum von Stunden und von Jahren

Vergessene Stunden sehe ich vorüber wallen.
Francis Vielé-Griffin.

Die Schatten schmückte ich mit kalten

Und blassen Blüten, mit den Falten

Versäumter Tage meine Wand.

Erstorbnen Abenden war ihre Farbe gleich,

Und meiner Träume Land

Erschien in dem Gewebe, schattenhaft und bleich,

Die goldne Blume zitterte in reiner Hand.

Und die Erinnerung irrt durch das stumme Haus im Dämmerlicht

Von Stund zu Stund, von Raum zu Raume,

Sie weint, sie lacht im Traume,

Sie ist’s mit ihrem alt vertrauten Angesicht.

Doch die Sandale

Schwebt still dahin, sie stört ja nie den Schlaf.

Ein goldner Strahl aus ihrer Silberlampe traf

Hellblitzend die getreue Wächterin, die Hand, die fahle,

Die schirmend ihr Gewicht

Auf die vergessne Zeit legt, die im Aschenkleide,

Geschlossnen Auges und mit funkelndem Geschmeide

Auf reichgeschnitztem Sessel ruht im weiten Saale.

Und dieser düstere Raum ist meiner Seele Zelt,

Wo von der Decke auf die Fließen

Die Falte an den Wänden fällt.

Versäumter Tag, erstorbner Abend mahnt mich dort,

Die Fenster, ach, sie schauen alle gegen Nord,

Am Horizont sind Himmel, Straßen und das Meer.

Ihr Träume, tragt mich doch noch einmal fort,

Wie einst, zur Welt,

Auf fernen Straßen bis ans Meer,

Ihr Träume, führt mich wieder fort,

In Eurer Hand die goldne Blume weiß den Ort.

Ein Traum von Morgenrot und Schatten

Die Zeit ist ewig, nur die Stunden, sie verfließen!

Gar lieblich rinnt der Strom zum Meere, hell und klar,

Noch steht die Pforte auf, doch schnell wird sie sich schließen,

Schon heut kann Asche sein, was gestern Leben war.

Der Herbst zeigt mir die Frucht in seiner Gärten Schatten

Im Augenblick, da sie des Daseins Höhe mißt,

Geschwellt im Saft erscheint sie mir, dem Übersatten,

Wie bald, und sie fällt ab ...! noch eine kleine Frist.

Mein Leben, Klinge in der Scheide, ruhmlos träumend!

Heiß glüht der goldne Griff in meiner zagen Hand,

Die mit der Waffe spielt, die Stunde feig versäumend ...

Und doch — —, vielleicht ist dieses Abends blutiger Brand

Das Bild des Tages, den das Schicksal morgen sendet!

Geweint hab ich, da gestern freundlich mir’s gelacht,

Weh mir, weh, wenn es weint, dem Strom abgewendet,

Der meinen Tag hinabschwemmt in die ewige Nacht!

Der Raufbold

Mit stolz erhobnem Blick, gebräunt, keck und verwegen,

Das Seidenwamms geschlitzt, hält breit gespreizt und fest

Er vor dem Lager Wacht, dem Teufel und der Pest

Tritt ohne lang zu fragen trotzig er entgegen.

Mit Feuer und mit Schwert spricht er den Erntesegen,

Vom Appenin zum Alpenrand, von Ost nach West

Schweift plündernd er, um frech bis auf den letzten Rest

Die Lombardei, die Marken Mailands auszufegen.

Den Fluch im Mund, den Zorn im Blick lechzt er nach Krieg,

Ihm ist es gleich, ob Marignano ihm den Sieg,

Gleich, ob Pavia ihm den Ruhm nur hat gegeben.

Er lacht des Schicksals, das am Wege lauernd droht,

Die offnen Nüstern saugen aus dem vollen Leben

Den Bluthauch künftiger Schlacht, sie wittern schon den Tod.

Chrysilla

Ist einst der Becher voll, o Göttin reich an Gnaden,

Erspar es mir die Zeit, die zögernde, zu sehn,

Sie soll nicht tränenlos an meinem Lager stehn,

Sie kürzt mir viel zu spät des Lebens langen Faden.

Schick Eros aus! er hat mit Haß mich stets beladen,

Ich weiß es nur zu gut, könnt es nach ihm geschehn,

Im Sterben würde ich der Qual noch nicht entgehn,

In meinem Herzblut müßte sich die Erde baden.

Doch nein! ruf abends, wenn die frohe Sonne scheidet,

Die Jugend an mein Bett, stumm, schön und unbekleidet,

Wie sie den Reif auf bleiche Rosenblüten haucht.

Die Quelle weint ein Lebewohl, die Stunden neigen

Das Haupt vor ihr, die weder Pfeil noch Sichel braucht,

Gern will ich dann zum finstern Hades niedersteigen.

Fernand Gregh

geb. 1873

Prüfung

Zu Boden ward ich fast geschlagen,

Ward heimgesucht und hart gequält,

Doch meine Seele ward gestählt,

In Leid verjüngt, ich darf nicht klagen.

Ich hab ihn Tag und Nacht geschaut,

Des Menschenlebens tiefen Jammer,

Gefühlt hab ich des Schicksals Hammer,

Jetzt ist mir erst der Schmerz vertraut.

Nicht nur der Schmerz, der in den Wunden

Der Seele haust, gern gönnt er ja

Dem armen Leibe hier und da

Ein Glück von spärlichen Sekunden.

Nein! jener Schmerz, der dumm, brutal

Den Körper schlägt, an dessen Plage

Ich zu erinnern nie mich wage,

Des Tieres ganz gemeine Qual,

Die Pein, die unsere Tage stündlich

Zur gräßlichen Tragödie macht,

Die höhnisch aller Bitten lacht,

Die tief uns packt und unergründlich.

Gesundheit freut sich ihres Seins

Und schert sich nicht um fremde Leiden,

Kaum kann sie Güte unterscheiden

Von Schwäche, beides scheint ihr eins.

Wir pflücken gierig alle Trauben,

Wir folgen stürmisch unserer Lust,

Schlecht sind wir, wir sind’s unbewußt,

Solang wir an das Leben glauben.

Der trotzig lebensfrohe Sinn

Ist Klippe meinem Sein gewesen,

Nun da im Buche ich gelesen

Des Schmerzes, sank mein Stolz dahin.

Des Nächsten Trauer beugt mich nieder,

Ich friere mit dem nackten Kind,

Mich schüttelt jeder leise Wind

Und jedes Leid hallt in mir wieder.

Ich denke an den bleichen Mann,

Der in des Kerkers kalten Schauern

Den Frühling jenseits hoher Mauern

Nur ahnt und ihn nicht sehen kann.

Der Kranken denke ich, sie liegen

Still auf dem Rücken, stumm, in Schweiß,

Indeß die Augen fieberheiß

Durch der Tapete Muster fliegen.

Ich denke des Rekruten, den

Des Abends spät aus der Kaserne

Das Heimweh trägt in weite Ferne,

Dort wo im Dorf die Linden stehn.

Ja selbst der Tiere muß ich denken,

Der Rosse, die die Peitsche treibt,

Die das Geschirr zerdrückt, zerreibt,

Die müde ihre Köpfe senken.

So lastet auf mir jede Not;

Daß fremde Schmerzen mich zerreißen,

Mag Klugheit immer Schwäche heißen.

Doch täglich läßt mich so der Tod

Des eignen Lebens Tiefen sehen;

Ich weiß, daß ich mir Erbe bin

Und daß ich wirklich bin, mein Sinn

Beginnt den Weltgeist zu verstehen.

Abend in der Großstadt

Halboffen saugt mein Mund den Lenz aus frischem Winde,

Die Dämmerung senkt sich auf das Giebeldach herab,

Die Kinder spielen froh im Schatten jener Linde,

Des Frühlings Frieden löst den starren Winter ab.

Das Volk der Vorstadt strömt nach Haus in hellen Haufen,

Mein Kummer gleicht ihm ganz, verzweiflungsvoll, doch mild;

Von harter Arbeit will’s ein wenig nur verschnaufen,

Manch Rotkopf eilt vorbei, des Heilands Ebenbild.

Wie fremd erscheinen mir all diese Dinge heute!

Ein Schwindel packt mich, seltsam kommt mir alles vor,

Des Abends Stille, dieses Licht, die armen Leute,

Das Rauschen der Unendlichkeit schlägt an mein Ohr.

Von Träumen ist mein Herz bedrückt, die Leid nur bringen,

Ich irre ohne Ziel verzagt umher und blaß,

Das Herz, der arme Narr, vor Liebe will’s zerspringen,

Mir scheint, ich weine gar noch über alles das ....

Musik in der Ferne

Im Dunkel plätschert kalter Regen

Wie Kummer, der nicht sprechen will,

Auf graue Bäume stumm und still,

Der Sturmwind wird sie trocken fegen.

Dort unten in der finstern Nacht

Erklingt ein Instrument vom weiten,

Krächzt eine Weise, die vor Zeiten

Vergnügten Leuten Spaß gemacht.

Es stöhnt und weint mit heiserer Kehle

Das arme Instrument im Wind,

Naiv und harmlos wie ein Kind,

Wie eine Musikantenseele.

Ein jeder Ton ist falsch, o Gott!

Und solch ein Ding, das Harmonien

Wie die zeugt, die vorüber ziehen,

Nennt sich Harmonika — —, zum Spott.

Es wimmert, wie die Kinder wimmern,

Wenn Strafe ihnen ward als Lohn;

Im Wind zerflatternd lockt sein Ton

Die Träume, die im Dunkel flimmern.

Wie kläglich dünn ist die Musik!

Und dennoch rührt mich fast zu Tränen

Der jämmerliche Klang, mein Sehnen

Weckt armer Hände Ungeschick.

Das zage Herz zieht sich in Trauer

Zusammen, müde, leer und hohl,

Du Eckchen Himmel, lebe wohl!

Es regnet, mich durchrieseln Schauer.

Dort aus dem grauen Dunkel tönt

Der Singsang, dürftig und bescheiden,

Ein Lied des Lebens, das in Leiden,

Die niemals enden wollen, stöhnt.

In diesem Schluchzen weint die Klage

Der ganzen Menschheit still und leis,

Des ungelösten Rätsels Frage,

Des blütenlosen Herbstes Tage,

Der Schmerz, der nichts von Schönheit weiß.

Zweifel

Die müde Sonne geht zur Neige,

Noch einmal streut sie im Verglühn

Ihr Märchengold durch alle Zweige

Des Waldes, auf sein Rot und Grün.

Des Abends Farben, sie ermatten,

Des Himmels warme Pracht erbleicht,

Schnell huscht wie eines Blitzes Schatten

Der Vogel, der vorüber streicht.

Ein Zauber quillt in tiefem Strome

Aus allen Dingen, leise rinnt

Er durch das Leben, dess’ Atome

Beseligt, glücklich, göttlich sind.

Aus weiter Ferne hallt begehrlich

Der dumpfe Lärm der großen Stadt ...

Woher der Schreck, der unerklärlich

Die Seele mir benommen hat?

O Gott, wie uns die Weisheit blendet,

Wenn stumm wir vor den Dingen stehn,

Den Bettlern wird ein Mahl gespendet,

Die staunend diese Tafel sehn!

Die wir in Einfalt nach Dir streben,

Wir finden Dich zu jeder Frist,

O Gott, in diesem reichen Leben,

Der Du vielleicht nicht einmal bist.

Dämmerstunde

Der Horizont wird grau, schon ist die Nacht erschienen,

Du hörst das Schweigen, wie es durch die Zimmer schleicht,

Still stirbt der matte Bernsteinton in den Gardinen

Mit all dem Lärm, der aus dem alten Hause weicht,

Und unterbrochen scheint des Lebens wildes Hasten

Für einen Augenblick, dem nie ein morgen naht,

Tief Atem schöpfend hält es auf dem ewigen Pfad,

Wie Pilger, welche müde auf der Höhe rasten.

Im Kelchglas schlafen die verträumten Blumen ein,

Sie hauchen ihrer Seele Balsam in den Schatten,

Und auf den Spiegel streut das Zwielicht, auf den matten,

Wie feuchter Augen Schimmer seinen Widerschein.

Nur nebenan die Wanduhr in der finstern Kammer

Tickt unablässig ruhelos denselben Schlag,

Die bleichen Schatten peinigt sie mit ihrem Hammer,

Die Stunde nagelt sie an den versunkenen Tag.

Ein letzter Strahl dringt durch das Fenster, durch die Falten

Des halbgeschlossenen Vorhangs in den Saal, es scheint

Hier drinnen alles zu ersterben, zu erkalten,

Der Abend schweigt, und dennoch hör ich ihn: er weint.

Betrachtung

Ich sah, ein ernstes, zartes Kind, im Traum ein Land,

Wo goldene Morgen ich gelebt und einst gelacht;

In meinen großen Augen starb die Märchenpracht

Wie Maiensonnenschein, der von dem Spiegel schwand.

Die Sehnsucht hab ich und die Hoffnung wohl gekannt,

Des Mittags schon gewiß, da kaum ich noch erwacht;

Das Paradies verblich, ach, eh’ ich es gedacht,

Ich hab ja nicht geahnt, daß ich mich dort befand.

Der Traum entfloh, die Hoffnung ist zu Gram verblaßt,

Der heiße Drang nach Glück, das trotzige Verlangen

Versank, ich harrte noch verdüstert und befangen

Und wartete gequält. Da stand als einziger Gast

Die Reue eines Abends zwischen kahlen Wänden — —

Vorbei, vorbei ...! ach, wie so bald muß alles enden.

Gutenberg-Verlag, Gesellschaft
mit beschränkter Haftung, in
Hamburg-Großborstel.

Sämtliche Bücher in hervorragend schöner Ausstattung (holzfreies Papier, schöner Druck, solider u. geschmackvoller Einband).

Von fast allen deutschen Ministerien warm empfohlen!

Kunst-Wanderbücher
von Oskar Schwindrazheim.

Eine Anleitung zu Kunststudien im Spazierengehen. Mit zahlreichen Abbildungen nach Aufnahmen des Verfassers.

1. Bändchen: Unsere Vaterstadt. 126 Seiten Text und 12 Tafeln mit Abbildungen. Preis geheftet M. 1.20, in biegsamem Einband M. 1.80.

2. Bändchen: Stadt und Dorf. 111 Seiten Text und 12 Tafeln mit Abbildungen. Preis geheftet M. 1.20, in biegsamem Einband M. 1.80.

3. Bändchen: In der freien Natur. 71 Seiten Text und 12 Tafeln mit Abbildungen. Preis geheftet M. 1.20, in biegsamem Einband M. 1.80.

4. Bändchen: Wandern u. Skizzieren. 96 Seiten. Mit zahlreichen Abbildungen nach eigenen Skizzen des Verfassers. Preis geheftet M. 1.60, in biegsamem Einband M. 2.40.

5. Bändchen: Von alter zu neuer Heimatkunst. 84 Seiten Text und 32 Tafeln mit Abbildungen. Preis geheftet M. 2.—, in biegsamem Einband M. 3.—.

Zur Erläuterung und als Beispiele zum Text sind jedem Bändchen künstlerische Landschafts- und Städtebilder nach eigenen Aufnahmen oder Skizzen des Verfassers, besonders auf Kunstdruckpapier gedruckt, beigegeben.

Vorzugs-Ausgabe auf sehr starkem, aber federleichtem hochweißem Elfenpapier in feinem biegsamem Ledereinband; die ersten 3 Bände zusammen in einen Band gebunden 10 M., Band 4 M. 4.50, Band 5 M. 6.—.

Inhalt der ersten vier Bändchen:

1. Bändchen: Unsere Vaterstadt.

Unsere Stadt und Kunst? Der Grundriß unserer Stadt. Gesamtansichten. Stadteingänge: Ältere Formen des Stadteinganges; Stadttor und Mauer; Neuere Stadteingänge. Unsere Straßen: Straßen der Altstadt; Straßen des 18. Jahrhunderts; Moderne Straßen. Unsere Plätze. Straßen und Plätze bei besonderen Gelegenheiten. Unsere Bürgerhäuser: Alte Hausbauweise; Hausgrundrisse; Historische Stilarten im Bürgerhaus; Hausinneres; Unsere Kritik des Gesehenen; Türen, Fenster; Der Laden, Ladenschild; Hauszeichen u. dgl. Öffentliche Gebäude. Denkmäler. Brunnen. Gärten. Friedhof. Wagen. Trachten.

2. Bändchen: Stadt und Dorf.

Vom Studium der Vaterstadt zum Studium der Fremde. Führer durch fremde Orte. Selbständig Sehen. Der fremde Ort im allgemeinen. Hilfsmittel beim Studium des fremden Ortes. Kunstgebilde in freier Landschaft. Eigenart in den neuen Straßen. Plätze. Alte Befestigungen. Hausstudien im Dorf: Das alte Bauernhaus, Einzelheiten am alten Bauernhause; Der „Stil“ des Bauernhauses; das alte Bauernhaus und die Jetztzeit; Nebengebäude des Bauernhauses, Öffentliche Gebäude des Dorfes; Dorfkirche und Friedhof. Erster Anblick eines fremden Ortes. Eintritt in den fremden Ort. Im Ort. Der Grundriß. Straßenstudien in der Altstadt: Eigenart in der alten Straße; Das Neue in der Altstadt. Straßenstudien in der Neustadt; Hausstudien in der alten Stadt: Das alte Bürgerhaus, Der „Stil“ des alten Bürgerhauses; Hauseinzelheiten; Die Kirche; Das Rathaus, Andere öffentliche Gebäude. Hausstudien in der Neustadt. Studien in den Häusern. Wagen, Schiffe u. dgl. Die Menschen im fremden Ort.

3. Bändchen: In der freien Natur.

Zwecke der Kunststudien im Freien. Perspektive. Spiegelung. Hell und dunkel. Unser Sehen. Vom Gedankenmittelpunkt. Die Linien der Landschaft. Licht und Schatten. Die Farbe. Einfluß der Farbe auf unser Gefallen. Von der Eigenart des Künstlers und auch anderer Leute. Wahl des Standpunktes u. a. Menschen, Tiere u. dgl. Maltechnik. In ihren Mitteln beschränkte Techniken. Einfluß des Zweckes einer Landschaftsdarstellung. Naturstudien des Plastikers. Naturstudien des Kunstgewerblers. Naturstudien des Laien.

4. Bändchen: Wandern und Skizzieren.

Vorwort. Wandern und Skizzieren. Skizzen: Ortsbilder, Ortsgrundrisse, Straßen, Hausgrundrisse, Bauernhäuser, Stadthäuser, Hauseinzelheiten, Haus und Grün, Rathäuser, Türme u. dgl., Kirchen, Friedhöfe u. dgl., In Dorf und Feld, Gerät und Möbel, Wappen, Monogramme u. dgl.

5. Bändchen: Von alter zu neuer Heimatkunst.

Die Entdeckung der alten Heimatkunst. Wie unsere alte Heimatkunst entstand und unterging. Heimat und Bauernhaus. Heimat und Bürgerhaus, Kirche usw. Heimat und Hausinneres. Wie unsere alte Heimatkunst unterging. Reformgedanken der letzten Jahrzehnte. Der Gedanke der neuen Heimatkunst. Der Heimatkunstgedanke und die anderen Reformgedanken. Kann der Heimatkunstgedanke eine Modelaune sein? Der Weg zu neuer Heimatkunst. Ist neue Heimatkunst denkbar? Wie gehen wir den Weg zu neuer Heimatkunst? Heimatschutz. Unserer Väter Werke als Vorbilder. Wie lernen wir von alter Heimatkunst? Studium der heimatlichen Natur. Studium im heimatlichen Volkstum. Was ist zu erwarten und was ist schon geschehen? Bemerkungen zu den 73 Abbildungen.

Die Gegenwart, Berlin:

Als „Anleitung zu Kunststudien beim Spazierengehen“ habe ich ein trefflicheres Werk noch nicht kennen gelernt, da keines so durchsichtig in Aufbau und Methode, keines so leichtverständlich und wahrhaft unterhaltend und doch so umfassend zugleich war. Ich möchte das handliche kleine Werkchen in keinem deutschen Hause missen. Besonders Lehrer und Volksbildner, wie alle, die irgendwo und wie einmal dazu kommen könnten, in Gemeinde und Staat über Fragen der Baukunst und Heimatkunst mitzureden, zu raten und zu bestimmen, sollten das Lesen dieses Bändchens und das dringendste Weiterempfehlen nicht versäumen; sie werden viel Segen damit stiften und sich um die Heimatschönheit verdient machen.

Die Grenzboten, Leipzig:

Die „Kunstwanderbücher“ haben für unsere Bestrebungen auf dem Gebiete der Heimatkunde und Heimatkunst einen ganz besonderen Wert, weil sie ohne jede Vorbereitung von jedem einzelnen auf ihre Richtigkeit geprüft werden können. Man braucht nur auf die Straße oder vor die Stadt zu gehen, dies oder jenes Kapitel durchzulesen und dann selbst zu beobachten und die Augen richtig aufzumachen. Auf Schritt und Tritt stoßen wir auf Gegenstände, seien es Bauten oder Naturgebilde, die wir nach den Schwindrazheimschen Bemerkungen ganz anders zu beurteilen vermögen wie vielleicht bisher. Und darin liegt eben der große Gewinn und die Freudigkeit, etwas selbst zu sehen und zu entdecken, was man früher nicht beobachtet hat.

Tägliche Rundschau, Berlin:

Der besten einer, die für die Achtung vor unserer heimischen Kunst auch in ihren unscheinbarsten Äußerungen eintreten, ist Oskar Schwindrazheim. Nun will er in einer Folge von „Kunstwanderbüchern“ eine Anleitung geben „zu Kunststudien im Spazierengehen“. Wer in Deutschland reisen will, sollte sich von einem Cicerone wie Schwindrazheim zuvor sagen lassen, was es da alles zu sehen gibt.

Die Lehrerin in Schule und Haus, Leipzig:

Man weiß nicht recht, wem man’s am meisten ans Herz legen soll; dem Vater, der seinen Kindern Sonntags die Vaterstadt zeigt, um sie ihnen lieb und wert zu machen? dem Lehrer, der in Heimatkunde unterrichten soll? den Vätern der Stadt, die berufen sind, ihre alte Schönheit zu schützen und neue Schönheit zu schaffen? oder dem jungen Menschenkinde, das gern auf eigene Faust Entdeckungsreisen macht? oder dem alternden Junggesellen, der einsamen alten Jungfer, um ein freundliches Licht in ihre Seele zu werfen? Ihnen allen, und all denen auch, die ich nicht genannt, möchte ich das Büchlein ans Herz legen.

Wandern und Reisen, Freiburg i. Br.:

Mit einer Fülle neuer Anregung und geschärfter Genußfähigkeit treten wir den Heimweg an und sind den drei Bändchen, die uns so sehr bereichert, von Herzen dankbar. Wir wünschen recht vielen unserer Leser ein gleiches und deshalb empfehlen wir ihnen warm den Ankauf derselben.

Goethes Faust.
Erster Teil.

Mit Bildern und reichem Buchschmuck
von
Ernst Liebermann.

Gebunden in Geschenk-Einband M. 6.—
Vorzugs-Ausgabe auf Büttenpapier M. 12.—
Luxus-Ausgabe in Pergament-Band M. 20.—

Die „Kölnische Zeitung“ schrieb über die Ernst Liebermannsche Faust-Ausgabe:

„In Papier und Druck vollendet vornehm ausgestattet, erhält diese Ausgabe einen ganz besonderen Wert durch die Bilder und den Buchschmuck von Ernst Liebermann. Sinnvoll und von einfacher Klarheit in den symbolischen Darstellungen und den altdeutschen Charakter in den realistischen Szenen mit kräftigem Griffel kennzeichnend, sind diese Bildwerke ein glänzender Beweis für den außerordentlichen Fortschritt der modernen graphischen Kunst. Im Vergleich mit anderen Faustdarstellungen, wie etwa denjenigen Kaulbachs oder Krelings, geben sie sowohl in ihrer rein künstlerischen Kraft des Ausdrucks, wie namentlich auch in der Tiefe der künstlerischen Phantasie, die dem Dichter bildend nachgeht, ein höchst bemerkenswertes und überaus lehrreiches Bild einer völlig verwandelten Kunstkultur.“

Die „Neue Freie Presse“, Wien, schrieb:

„Der ‚Faust‘ hat in dieser Ausgabe schon äußerlich etwas Feierliches, Ernstes und Würdiges. Er erscheint wie ein Brevier, wie eine literarische Hausbibel, der ein besonderer Platz im Bücherkasten angewiesen und die mit einer gewissen Andacht hervorgeholt wird. Diesem Charakter des Buches entsprechen auch die Bilder und Verzierungen, die der Münchener Maler Ernst Liebermann gezeichnet hat und die durch ihre kräftige Holzschnittmanier dem großen, starken Frakturdruck entsprechen. Zu der äußeren Ausstattung stimmt auch der Leineneinband, der sehr einfach ist, aber dem Buche auch das Aussehen eines wertvollen Kodex gibt.“

Bibliothek wertvoller Memoiren.

Lebensdokumente hervorragender
Menschen aller Zeiten und Völker.

Herausgegeben in Verbindung mit

Prof. Dr. Carl Brockelmann, Leipzig Hofrat Prof. Dr. August Fournier, Wien — Geh. Regierungsrat Prof. Dr. Karl Theodor von Heigel, München — Geh. Hofrat Prof. Dr. Karl Lamprecht, Leipzig — Prof. Dr. Karl Wenck, Marburg i./H.

von Dr. Ernst Schultze, Hamburg.

Der allgemeine Wert guter Memoiren ist von keiner Zeit deutlicher empfunden worden als der unsrigen. Für die Mehrzahl aller Gebildeten gilt heute mehr als je, was Goethe von sich über die starke Anziehungskraft berichtete, die „alles wahrhaft Biographische“ auf ihn ausübte.

Um so sonderbarer mag es anmuten, daß in keinem Lande der Welt seither der Versuch unternommen wurde, die wertvollsten Memoiren aller Zeiten und Völker in einem Sammelwerke zu vereinigen. Wohl gibt es Memoiren-Sammlungen verschiedener Art, aber eine umfassende Sammlung aus der ganzen Weltliteratur existiert noch nicht. Sie ist nicht leicht herzustellen — und je geringeren Umfang sie haben soll, desto schwerer. Aber sie kann von allergrößtem Interesse für jeden sein, für den die lebendige Schilderung von Vorgängen aus Geschichte und Kulturgeschichte Reiz besitzt.

Welche Schätze in diesen vergessenen Memoiren schlummern, das zeigen schon einige der ersten Bände dieser Sammlung. Hoffentlich erregen sie das gewünschte Interesse und erfüllen damit ihren Zweck: die Neigung für die Beschäftigung mit Geschichte und Kulturgeschichte zu stärken und Hunderten Wissensdurstiger Stunden interessanter Belehrung zu verschaffen.

Von der
Bibliothek wertvoller Memoiren
erschienen bis jetzt folgende Bände:

Band 1: Reisen des Venezianers Marco Polo im 13. Jahrhundert. Bearbeitet von Dr. Hans Lemke, Berlin. 543 Seiten. 3.-5. Tausend.

Band 2: Deutsches Bürgertum und deutscher Adel im 16. Jahrhundert. Erinnerungen des Stralsunder Bürgermeisters Bartholomäus Sastrow und des schlesischen Ritters Hans von Schweinichen. Bearbeitet von Dr. Max Goos, Hamburg. 324 Seiten.

Band 3: Aus der Dekabristenzeit. Erinnerungen hoher russischer Offiziere von der Militär-Revolution des Jahres 1825 (Jakuschkin, Obolenski, Wolkonski). Bearbeitet von A. Goldschmidt, Berlin. 382 Seiten.

Band 4: Die Eroberung von Mexico. Drei eigenhändige Berichte von Ferdinand Cortez an Kaiser Karl V. Bearbeitet von Dr. Ernst Schultze. Mit Bildern und Plänen. 645 Seiten.

Band 5: Die Erinnerungen des Grafen Paul Philipp von Ségur, Adjutanten Napoleons I. Bearbeitet von Friedrich M. Kircheisen, Genf. Mit Kartenskizzen im Text. 472 Seiten.

Band 6: Erinnerungen aus dem indischen Aufstand 1857/58. Von Lady Inglis und Sergeant Forbes-Mitchell. Bearbeitet von Elisabeth Braunholtz, Cambridge. Mit Bildern und Plänen. 376 Seiten.

Band 7: Memoiren aus dem spanischen Freiheitskampfe 1808/11. Bearbeitet von Friedrich M. Kircheisen, Genf. 506 Seiten.

Band 8: Am Rande der Kulturwelt. Briefe und Tagebuchblätter des Generals Charles Gordon of Khartum. Ausgewählt und übersetzt von Dr. Max Goos, Hamburg. 455 Seiten.

Band 9: Die Memoiren Garibaldis. Ein Auszug aus seinen Tagebüchern. Bearbeitet vom Kgl. Archivdirektor Prof. Dr. Walter Friedensburg, Stettin. 452 Seiten. Mit Porträt Garibaldis.

Band 10: Feldzugserinnerungen aus dem Kriegsjahre 1809. Bearbeitet von Friedrich M. Kircheisen, Genf. 387 Seiten.

Band 11: Der Tiroler Volksaufstand des Jahres 1809. Erinnerungen des Priesters Joseph Daney. Bearbeitet von Joseph Steiner, Innsbruck. 400 Seit.

Preis und Vorzugspreis
siehe die nächstfolgende Seite.

Bibliothek denkwürdiger Reisen

Erzählungen über berühmte Reisen
aus der Feder von Teilnehmern.

Herausgegeben in Verbindung mit

Wirkl. Geheimrat M. v. Brandt, Exzellenz, Weimar — Prof. Dr. Siegmund Günther, München — Prof. Dr. Eugen Oberhummer, Wien — Prof. Dr. Siegfried Passarge, Hamburg — Hofrat Prof. Dr. Franz Ritter von Wieser, Innsbruck

von Dr. Ernst Schultze, Hamburg.

Es ist eine auffallende Erscheinung, daß trotz des großen Interesses, welches das deutsche Volk von jeher allen Reisen und Entdeckungen in fremden Ländern und Weltteilen entgegengebracht hat, dennoch im ganzen Laufe des 19. Jahrhunderts keine einzige großzügige Sammlung berühmter Reisen in Deutschland erschienen ist, während im 18. Jahrhundert mehrere solche Sammlungen einen großen und eifrigen Leserkreis fanden.

Diesem Mangel in unserer Literatur soll nun durch die „Bibliothek denkwürdiger Reisen“ abgeholfen werden. Eine Anzahl der hervorragendsten Fachgelehrten hat dem Herausgeber der Sammlung ihre Unterstützung geliehen. Es ist daher wohl zu erwarten, daß sie ihren wichtigen Zweck erfüllen wird: das Interesse für denkwürdige Reisebeschreibungen anzuregen und die hervorragendsten Großtaten auf geographischem Gebiete in den Schilderungen der Teilnehmer selbst der Gegenwart lebendig vor Augen zu führen.

In der
Bibliothek denkwürdiger Reisen
erschienen bisher folgende Bände:

Band 1: Die Weltumseglungsfahrten des Kapitäns James Cook. Auszug aus seinen Tagebüchern. 554 Seiten mit 8 Bildern und einer Karte. Bearbeitet von Dr. Edwin Hennig, Berlin.

Band 2: Die Erschließung Japans. Erinnerungen des Admirals Perry von der Fahrt der amerikanischen Flotte 1853/54. Bearbeitet von Privatdozent Dr. A. Wirth, München und Dr. Adolf Dirr, Tiflis. 376 Seiten. Mit 6 Bildern.

Band 3: Aus dem Lande der lebenden Buddhas. Die Erzählungen von der Mission George Bogle’s nach Tibet und Thomas Mannings Reise nach Lhasa (1774 und 1812). 480 Seit. Mit 4 Bildern und 1 Karte. Übersetzt und mit einer Einleitung und mit Anmerkungen versehen von M. von Brandt, Exzellenz, Weimar.

Band 4: Auf der Suche nach dem Goldlande. Erzählungen deutscher Südamerikafahrer des 16. Jahrhunderts (Nicolaus Federmann, Philipp von Hutten, Ulrich Schmiedel, Hans Staden). Bearbeitet von Dr. Ernst Schultze, Hamburg. Mit Bildern. Erscheint 1911.

Band 5: Die Reise des Arabers Ibn Batuta durch Indien und China. (14. Jahrhundert.) Bearbeitet von Dr. Hans von Mzik, Wien. Erscheint im Herbst 1910.


Der Preis jedes Bandes der „Bibliothek denkwürdiger Reisen“ sowohl wie der „Bibliothek wertvoller Memoiren“ ist einheitlich auf M. 6.— geheftet u. M. 7.— gebunden festgesetzt.

Vorzugspreis: Wer sich zur Abnahme von 4 Bänden verpflichtet, also ein Abonnement auf 4 Bände nimmt (die völlig frei aus den schon erschienenen oder noch erscheinenden Bänden einer der beiden Sammlungen, auch gemischt, ausgewählt werden können), erhält einen besonderen Vorzugspreis.

Es kosten dann pränumerando:

4 Bände gebunden nur M. 22.— statt M. 28.—
4   geheftet     20.—     24.—

In der Regel sollen die neuen Bände jeder der beiden Sammlungen in Abständen von etwa 4 Monaten erscheinen. Allen Abonnenten wird von dem Erscheinen eines neuen Bandes 14 Tage vorher Mitteilung gemacht; auch werden ihnen regelmäßig Zuschickungen über die neu in Aussicht genommenen Bände zugehen.


Über die Luxus-Ausgaben einzelner Bände befinden sich nähere Angaben in dem illustrierten Sonder-Prospekt über die „Bibliothek wertvoller Memoiren“ und „Bibliothek denkwürdiger Reisen“, der auch ausführliche Auszüge aus Besprechungen enthält und auf Wunsch gern kostenlos zugesandt wird.

Schöne Literatur.

Aeckerle, H.: Stille Wasser. Novellen. 170 Seiten. Preis geheftet 2 M., geb. 3 M.

Aeckerle, H.: Prismen. Weihnachtl. Geschichten. 220 Seiten. Preis geheftet 3 M., geb. 4 M.

Korolenko, Wladimir: Im fremden Lande. Auswanderer-Roman. Deutsch von Adda Goldschmidt und H. Aeckerle. 239 Seiten. Preis geheftet 2 M., geb. 3 M.

Loewenberg, J.: Stille Helden. Novellen. 223 Seiten. Preis geheftet 2 M., geb. 3 M.

Einbandzeichnung zu: Waltharilied. Der arme Heinrich. Lieder der alten Edda.

Maurer, Amalie: Gedichte einer Mutter. Mit Bildern von Ernst Liebermann. Pr. gb. 3 M.

Rosen, Erwin: Der König der Vagabunden. Lustige Geschichten von amerikanischem Gelichter. 192 S. Pr. geh. 3 M., geb. 4 M.

Scharlau, Willy: Hauptmann Althaus. Roman eines Offiziers. 360 S. Preis geheftet 4 M., geb. 5 M.

Einbandzeichnung zu: Venezianische Novellen von Adolf Stern.

Stern, Adolf: Venezianische Novellen. Mit Einbandzeichnung von Richard Lipps, München. 245 S. Preis geheftet 2 M., geb. 3 M.

Stern, Adolf: Die Sängerin von Santa Maria dell’Orto und andere Novellen. 346 Seiten. Preis geh. 3 M., geb. 4 M.

Als Einzeldruck aus diesem Bande:

Stern, Adolf: Maria vom Schiffchen. Römische Novelle. Mit Einbandzeichnung von Richard Lipps, München. 74 Seiten. Preis geheftet 1 M., geb. 1.50 M.

Waltharilied. Der arme Heinrich. Lieder der alten Edda. Übersetzt von den Brüdern Grimm. Mit Buchschmuck von Ernst Liebermann. 180 S. gr. 8°. Preis gebunden 5 M. Luxus-Ausgabe in Pergament-Band 20 M.

Weiß, Hedwig: Weihnachtsbuch. Illustriert. Jedes Exemplar von der Künstlerin selbst durchgesehen. Preis geb. 5 M.

Wilda, Johannes: Kriegsflagge und Fischersegel. Novellen aus dem Seeleben. Band 1: Kadetten- und Kapitäns-Abenteuer. 184 Seiten. Band 2: Boots- und Bord-Novellen. 188 Seiten. Jeder Band geheftet 2.50 M., gebunden 3.50 M.

Wister, Owen: Novellen aus dem Abenteurerleben des Wilden Westens. Ins Deutsche übertragen von Adda Goldschmidt. 240 Seiten. Geheftet 2 M., gebunden 3 M.

Plattdeutsches.

Garbe, Robert: Görnriek. Gedichten för Jungs un Deerns. Biller von Oskar Schwindrazheim. Preis geheftet 0.80 M., geb. 1 M.

Meier, Heinrich: De rechte Schaul. Erzählung. Preis geheftet 1.50 M., geb. 2.50 M.

Poeck, Wilhelm: De Herr Innehmer Barkenbusch und andere Geschichten von der Waterkant. Mit Buchschmuck von O. Schwindrazheim, Hamburg. 186 S. Preis geheftet 2 M., geb. 3 M.

Poeck, Wilhelm: In de Ellernbucht. En Geschicht von de Hamborger Waterkant. 448 Seiten. Preis geheftet 4 M., gebunden 5 M.

Stavenhagen, Fritz: Grau und Golden. Hamburger Geschichten und Skizzen. Mit Buchschmuck. 178 Seiten. Preis geheftet 2 M., geb. 3 M.

Stavenhagen, Fritz: Mudder Mews. Niederdeutsches Drama in 5 Akten. 121 Seiten. Preis geheftet 2 M., geb. 3 M.

Stavenhagen, Fritz: Jürgen Piepers. Niederdeutsches Volksstück in 5 Akten. Mit Buchschmuck. 165 Seiten. Preis geheftet 3 M., geb. 4 M.

Stavenhagen, Fritz: Der Lotse. Hamburger Drama in 1 Akt. 50 Seiten. Preis geheftet 1 M., geb. 2 M.

Stavenhagen, Fritz: De dütsche Michel. Niederdeutsche Bauernkomödie in 5 Akten. Mit Buchschmuck v. Oskar Schwindrazheim, Hamburg. 154 Seiten. gr. 8°. Preis geheftet 3 M., gebunden 4 M.

Stavenhagen, Fritz: De ruge Hoff. Niederdeutsche Bauernkomödie in 5 Akten. 144 Seiten. Preis geheftet 2.50 M., geb. 3.50 M.

Allgemeinverständliche wissenschaftliche Literatur.

Classen, W. F.: Großstadtheimat. Beobachtungen zur Naturgeschichte des Großstadtvolkes. Mit Einbandzeichnung von O. Schwindrazheim, Hamburg. 244 Seiten. Preis geheftet 3 M., geb. 4 M.

Classen, W. F.: Vom Lehrjungen zum Staatsbürger. Zur Naturgeschichte unserer heranwachsenden Jugend. 114 Seiten. Geheftet 1.60 M., geb. 2.25 M.

Grimm, Jakob: Auswahl aus den Kleinen Schriften. Herausgegeben und mit Einleitung versehen von Dr. Ernst Schultze. Mit Bildnis Grimms. 286 Seiten. Preis geh. 2 M., geb. 3 M.

Als Einzeldruck aus diesem Bande:

Grimm, Jakob: Rede auf Schiller. Mit Bildnis Schillers von Gerhard von Kügelgen. 32 Seiten. Preis geheftet 50 Pf., geb. 1 M.

Hennig, Dr. Richard: Wunder und Wissenschaft. Eine Kritik und Erklärung der okkulten Phänomene. 247 Seiten. Preis geheftet 3 M., geb. 4 M.

Hennig, Dr. Richard: Der moderne Spuk- und Geisterglaube. Eine Kritik und Erklärung der spiritistischen Phänomene. 2. Teil des Werkes „Wunder und Wissenschaft“. 367 Seiten. Preis geheftet 4 M., geb. 5 M.

Loewenberg, Dr. J.: Deutsche Dichter-Abende. Eine Sammlung von Vorträgen über neuere deutsche Literatur. Mit Bildnis Liliencrons. 200 Seiten. Preis geheftet 2 M., geb. 3 M.

Als Einzeldruck aus diesem Bande:

Loewenberg, Dr. J.: Detlev von Liliencron. Mit Bildnis Liliencrons. 32 Seiten. Preis geheftet 50 Pf., geb. 1 M.

Schultze, Dr. Ernst: Aus dem Werden und Wachsen der Vereinigten Staaten. (Kulturgeschichtliche Streifzüge, Band 1.) 224 Seiten. Preis geheftet 2 M., gebunden 3 M.

Aus einer längeren Besprechung in der „Deutschen Literaturzeitung“:

„Die Arbeit des Verfassers hat in einer der ersten, wenn nicht der besten amerikanischen Wochenschrift, dem „Outlook“, eine sehr günstige Beurteilung gefunden, und der Kritiker empfiehlt sogar eine möglichst baldige Übersetzung des Buches ins Englische, da es eine besonders interessante Übersicht jetzt bestehender Zustände gibt. Dies Lob ist verdient.“

„In ihren einfachen, allen Übertreibungen fernbleibenden Schilderungen tatsächlicher Verhältnisse müssen diese Skizzen zu dem Besten gezählt werden, was über die Vereinigten Staaten in den letzten Jahren veröffentlicht worden ist.“

Weimar.

M. v. Brandt, Kaiserl. Gesandter a. D.

Bücher über Pädagogik und Volksbildung.

Archiv für das Volksbildungswesen aller Kulturvölker. Herausgegeben von Dr. Ernst Schultze und Prof. G. Hamdorff. Band 1. 352 Seiten. Preis geheftet 5 M., geb. 6 M.

Bilder aus dem Kinderleben des Pestalozzi-Fröbelhauses zu Berlin. Reich illustriert. 95 Seiten. Preis geheftet 1 M.

Lieder und Bewegungsspiele. Für das Pestalozzi-Fröbelhaus zu Berlin gesammelt, bearbeitet und herausgegeben von Else Fromm. Mit Noten. 215 Seiten. 3. Auflage. Preis gebunden 2.50 M.

Loewenberg, Dr. J.: Geheime Miterzieher. Studien und Plaudereien für Eltern und Erzieher. 5. Auflage. Preis geheftet 1.50 M., geb. 2.50 M.

Schultze, Dr. Ernst: Freie öffentliche Bibliotheken (Volksbibliotheken und Lesehallen). Illustriert. 362 Seiten. Preis geh. 6 M., geb. 7 M.

Schultze, Dr. Ernst. Die Volksbildung im alten und im neuen Jahrhundert. 28 Seiten. Preis geheftet 0.50 M.

Schultze, Dr. Ernst: Volksbildung und Kneipenleben. 16 Seiten. Preis geheftet 0.20 M.

Schultze, Dr. Ernst: Volksbildung und Volkswohlstand. Eine Untersuchung ihrer Beziehungen. 84 Seiten. Preis geheftet 2 M., geb. 3 M.

Ausführliche illustrierte Prospekte mit Auszügen aus Besprechungen versendet der Verlag gern unberechnet und portofrei. Ebenso benachrichtigt er Interessenten mit Vergnügen fortlaufend über sämtliche Neuerscheinungen.

HAMBURG-GROSSBORSTEL.

GUTENBERG-VERLAG
Gesellschaft mit beschränkter Haftung.

Im Gutenberg-Verlag, Gesellschaft mit beschr.
Haftung, Hamburg-Großborstel, erschien:

Die deutsche Landschaft.

Deutsche Charakter-Landschaften in farbigen Bildern
von
Prof. Ernst Liebermann

Inhalt:

Lieferung I. Blatt 1: In den Vorbergen der bayerischen Alpen. 2: Alpenvorland. 3: Rheinlandschaft. 4: Eifellandschaft. 5: Burgruine im Mosellande.

Lieferung II. Blatt 6: Buchenwald. 7: Thüringer Landschaft. 8: Felder. 9: Landstraße. 10: Saalelandschaft.

Lieferung III. Blatt 11: Felsenpartie im Elbsandsteingebirge. 12: Riesengebirgslandschaft (Schneekoppe). 13: Ein Tannenwald. 14: Aus dem fränkischen Jura; Motiv: Obereichstätt. 15: Donaulandschaft; Motiv: Bei Kelheim.

Preis der Lieferung (enthaltend 5 Blätter):
M. 5.—. Preis des Einzelblattes: M. 1.25.
Bildgröße 15:20 cm. Kartongröße 25:30 cm.

In unseren Wechselrahmen bilden die Liebermannschen Landschaften den schönsten Zimmerschmuck.

Die Wechselrahmen, die in zwei verschiedenen Ausführungen zu haben sind, ermöglichen es, in wechselnder Folge heute dies, morgen jenes Blatt vor sich zu sehen, so daß der Beschauer sich je nach Laune und Stimmung heute an das rebenumkränzte Ufer des Rheins oder auf schneebedeckte Bergeshöhen, morgen in das liebliche Thüringen oder die ernste Eifel versetzen kann.

Urteile der Presse: „Diese klaren und doch weichen Vierfarbendrucke gehören zu den vollkommensten Leistungen der in Deutschland hochentwickelten Reproduktionskunst. Man kann erwarten, daß die Bilderserien „Die deutsche Landschaft“ allgemein lebhaften Beifall finden werden“.

Beilage der Münchner Neuesten Nachrichten.

„Technisch ungemein gewandt, sicher und echt fühlend ..., Großzügig .... packende Farbigkeit.“

Der Türmer.

Wechselrahmen mit Rückwand und Federverschluß (für Hoch- und Querformate zu benutzen):

Mahagonileiste mit Goldeinlage, Preis einschließlich Glas M. 2.50. Weiße gerippte Leiste, Preis einschließlich Glas M. 2.—. Verpackung für jedes Blatt 50 Pf.

Feste Rahmung in prächtiger Altgoldleiste,
Preis mit Bild, einschließlich Glas, M. 2.—.

Verpackung für jedes Bild 25 Pf. — Die Lieferung selbst erfolgt portofrei.

Zu beziehen durch jede Buchhandlung. Bei Voreinsendung des Betrages oder gegen Nachnahme liefern wie portofrei.

Druck von Grimme & Trömel in Leipzig.






End of the Project Gutenberg EBook of Französische Lyrik alter und neuer
Zeit in deutschen Versen, by Various

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Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation

The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
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state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification
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Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by
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The Foundation's principal office is in Fairbanks, Alaska, with the
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locations. Its business office is located at 809 North 1500 West, Salt
Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up to
date contact information can be found at the Foundation's web site and
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    Chief Executive and Director
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