*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK 50917 *** Mitteilungen aus dem germanischen Nationalmuseum. Jahrgang 1896. [Illustration] Nürnberg, 1896. Verlagseigentum des germanischen Museums. Mitteilungen aus dem Germanischen Nationalmuseum herausgegeben vom Directorium. JAHRGANG 1896. MIT ABBILDUNGEN. NÜRNBERG, 1896. VERLAGSEIGENTUM DES GERMANISCHEN MUSEUMS. Register zum Jahrgang 1896 der Mitteilungen aus dem germanischen Nationalmuseum. Ein vergessener Schüler Albrecht Dürers, von Dr. Alfred 3 Bauch Aus der Plakettensammlung des germanischen Nationalmuseums, 15 u. 97 von Dr. F. Fuhse. I. II. Oswald und Kaspar Krell, von Dr. Th. Hampe 23 Zu Baldungs Madonna mit der Meerkatze, von Dr. Edm. Braun 28 Der Meister der Nürnberger Madonna, von Gustav von Bezold 29 Das Gedenkbuch des Georg Friedrich Bezold, Pfarrers zu 32 Wildenthierbach im Rothenburgischen, von Dr. Th. Hampe Die letzten Tage des Malers Georg Pentz, von Dr. Alfred 43 Bauch Initialen in Holzschnitt von dem Rechenmeister Paulus Frank 49 (um 1600), von Dr. Th. Hampe Albrecht Dürer und der Rahmen des Allerheiligenbildes, von 53 Karl Schaefer Deutsche Pilgerfahrten nach Santiago de Compostella und das 61 Reisetagebuch des Sebald Oertel (1521-22), von Dr. Th. Hampe Über ein Prosatraktätlein des Hans Folzens von der 83 Pestilenz, v. Dr. Th. Hampe Eine Nürnberger Labyrinthdarstellung aus dem Anfange des 91 16. Jahrhunderts, von Dr. Edmund Braun. I. Notiz über Dürer aus den Nürnberger Ratsprotokollen, von 96 Dr. Th. Hampe Das Nürnberger Münzkabinet des Freiherrn Joh. Christ. Sigm. 108 von Kreß, von Dr. K. Schaefer Friesische Häuser auf den Halligen, von Dr. Eugen Traeger 112 Dürer. Kleine Mitteilungen, von Dr. F. Fuhse 120 Das schleswig-holsteinische Frontale im germanischen 121 Museum, von Gustav Brandt Geschnitzte friesische Thüren im germanischen Museum, von 130 Dr. Eugen Traeger Das Bildnis des Hans Perckmeister, von Dr. Hans Stegmann 134 Ein vergessener Schüler Albrecht Dürers[1]. In der Gemäldegallerie des Germanischen Nationalmuseums befindet sich unter Nr. 273 ein Bildnisdiptychon, das, wie aus dem rückseits angebrachten Familienwappen zu entnehmen ist, den Nürnberger Bürger Hans Straub und seine Gattin Barbara Pirkheimer darstellt[2]. [Illustration] Die Straube waren eine Kaufmannsfamilie, deren Ahnherr Bernhard Straub im Jahre 1495 in Nürnberg das Bürgerrecht erwarb[3] und später Genannter des größeren Rats wurde[4], womit seine Familie in den Kreis der Nürnberger ehrbaren Geschlechter eintrat. Einer seiner Söhne, der obengenannte Hans Straub vermählte sich am 8. Februar 1518 mit Barbara, der jüngsten Tochter des Nürnberger Staatsmanns und Gelehrten Wilibald Pirkheimer und dessen Gemahlin Crescentia Rieter[5]. Die Pirkheimer führten eine Birke, die Rieter ein Meerweib im Wappenschilde. In der goldenen Halskette, mit der Barbara auf dem Bildnis geschmückt ist, wechseln diese Wappenfiguren mit einander ab; die Kette war also sicher ein Familienerbstück, das Barbara aus dem Nachlasse ihrer (1504) verstorbenen Mutter zugefallen war. [Fußnote 1: _Anm. der Redaktion._ Die Urheberschaft des Georg Schlenk an dem Bilde Germ. Mus. Nr. 273 ist zwar mit den folgenden Ausführungen nicht zweifellos erwiesen, wir glaubten aber, eine weitere Untersuchung der Frage durch Aufnahme des Artikels ermöglichen zu sollen, der neben dem im engeren Sinne kunstgeschichtlichen, auch manichfaches kulturgeschichtliches Interesse bietet.] [Fußnote 2: Vorzüglich entworfene Wappen der Familien Straub und Pirkheimer im Wappenbuch der Nürnberger Geschlechter vom Jahre 1583. M. S. 144/159 im k. Kreisarchiv Nürnberg.] [Fußnote 3: Bürgerbuch M. S. 230, Fol. 13r] [Fußnote 4: Ratsgang M. S. 105, Fol. 64b] Wie die Aufschriften des Diptychons besagen, wurde es im Jahre 1525 gemalt. Das Monogramm des Künstlers fehlt. Die Porträts rühren aber zweifellos von einem Maler her, der sich an Dürer gebildet hatte; sie wurden daher der Schule Dürers und insbesonders dem Maler Georg Pentz zugewiesen[6]. Von bekannten Nürnberger Malern aus Dürers Schule kämen außer Pentz noch die beiden Brüder Hans Sebald und Barthel Beham in Frage; allein im Jahre 1525, wo die Bildnisse entstanden sind, können die drei Maler überhaupt nur verschwindend kurze Zeit in Nürnberg thätig gewesen sein. Im Winter 1524 auf 1525 hatte es der Nürnberger Rat mit einer gefahrdrohenden Bewegung religiöser und sozialistischer Natur zu thun. Unter den Aufwieglern befanden sich auch Pentz und die beiden Beham, die sogenannten »drei gottlosen Maler«. Sie wurden Anfang Januar 1525 gefänglich eingezogen und dann zur Strafe aus der Stadt gewiesen[7]. Die Verbannung wurde wahrscheinlich in der üblichen Weise gegen sie ausgesprochen, daß sie nur in einer Entfernung von einer bestimmten Anzahl Meilen sich niederlassen durften. Nachdem die drei Maler hierauf wiederholt vergebens um Erlaß der Strafe gebeten hatten, wurde zunächst dem Maler Pentz vom Nürnberger Rate gestattet, in der Stadt Windsheim, die von Nürnberg zwölf Stunden entfernt ist, seinen Wohnsitz zu nehmen[8]. Schließlich aber erhielten alle drei Maler auf Fürbitte Melchior Pfinzings, des Probstes von St. Sebald, Verzeihung: es wurde ihnen durch Ratsbeschluß vom 16. November 1525 erlaubt, wieder zurückzukehren[9]. Hiernach können also die Maler kaum vor dem 19. oder 20. November nach Nürnberg zurückgekommen sein; und da nach damaliger Rechnung das Kalenderjahr mit dem 24. Dezember abschloß[10] so ist es an sich schon wenig wahrscheinlich, daß gerade in dieser kurzen Zeit am Ende des Jahres 1525 beide Porträts von der Hand eines dieser Maler geschaffen sind. [Fußnote 5: Ratsbuch 11, Fol. 121a: Item herrn Wilbolten Birkhaimer sind vergonnt zu seiner tochter junkfrauen Barbara vorhabenden hochzeit mit Hans Strauben, Ber(n)hardin Strauben sun, auf montag nach Dorothee schirst der stat pfeiffer, auch das rathaus zum tantz und schenk. Actum secunda post Anthonii XVIII (1518). -- Nürnberger Geschlechterbuch M. S. 164, II. Band. Fol. 75a.] [Fußnote 6: Gemäldekatalog des Germanischen Nationalmuseums vom Jahre 1887 unter Nr. 255 und vom Jahre 1893 unter Nr. 273.] [Fußnote 7: Die Prozeßakten sind veröffentlicht von Theoder Kolde, Beiträge zur Reformationsgeschichte. Leipzig 1888. Separatabdruck aus den Kirchengeschichtlichen Studien, S. 228-250. Vgl. auch Friedrich Roth, die Einführung der Reformation in Nürnberg, Würzburg 1885, S. 250 ff. -- Die Ausweisung der »drei gottlosen Maler« erfolgte Ende Januar 1525: Der Prozeß begann am 10. Januar 1525, am 12. Januar saßen bereits alle drei Maler im Gefängnis und blieben darin fünfzehn Tage, wie dies aus einem Beleg zur Stadtrechnung 1524/25 hervorgeht: »Lochhueter quarta Brigite (1. Februar) 1525. Barthel Beham hat 15 tag ... 6 [Pfund]. Sebold Peham hat 15 tag ... 6 [Pfund], Jorg Pencz hat 15 tag ... 6 [Pfund].« -- Das Pfund wurde gleich 30 Pfennigen gerechnet.] [Fußnote 8: Briefbuch Nr. 39, Fol. 239r und 240a. Der Brief ist datiert von sontags 28. may 1525.] [Fußnote 9: Über die Zeit, wann es den drei gottlosen Malern gestattet wurde, wieder nach Nürnberg zurückzukehren, finden sich in der kunstgeschichtlichen Litteratur nur vage Vermutungen. Vgl. Adolf Rosenberg, Sebald und Barthel Beham, zwei Maler der deutschen Renaissance, Leipzig 1875, S. 11, und S. K. Wilhelm Seibt, Hans Sebald Beham, Maler und Kupferstecher und seine Zeit, Frankfurt a. M. 1882, S. 13. -- Bestimmte Nachricht gibt ein Ratsverlaß: »Quinta Ottmari 16. novembris 1525. Auf herrn Melchior Pfintzings, brobst, furpeth Sebolt und Bartholmes den Behaim und Jörg Benntz, maler, ir straf von der stat begeben mit dem beding, das man ein sonder achtung und aufsehen haben woll, wie sy sich halten werden; und sover sy sich voriger weis unschicklich halten werden, woll man sy wider von hinnen weysen. -- Burgermeister.« -- Ratsmanuale 1525/26, Heft 8 Fol. 11a. -- Vgl. hierzu Th. Kolde, Andreas Althamer der Humanist und Reformator in Brandenburg-Ansbach, Erlangen 1895, S. 17, Anm. 3.] Doch noch ein weiterer Umstand spricht gegen die Autorschaft eines der genannten drei Maler: weder bei Pentz, noch den beiden Beham lassen sich irgendwelche Beziehungen zu der Familie Straub oder Pirkheimer feststellen. Wohl aber ist dies der Fall bei einem anderen Maler, der nicht bloß wie Pentz und die Brüder Beham wegen der Malweise der Schule Dürers beizuzählen ist, sondern auch _dokumentarisch_ sich als Schüler Dürers nachweisen läßt[11]. Wir meinen den Maler, dessen in einem Verlaß des Nürnberger Rats vom 8. Oktober (sabbato post Francisci) 1524 mit den Worten Erwähnung geschieht: »Albrecht Durers Knecht Jergen, der sein Mayd zur Ehe genommen, um 2 Guldin Werung zu Burger auffnemen. H. Volkamer.« Unter diesem Knechte wurde bisher Georg Pentz verstanden[12]. Pentz aber hatte bereits am 8. August 1523 und zwar gegen eine Aufnahmegebühr von vier Gulden in Nürnberg das Bürgerrecht erworben[13], und seine Frau hieß Margareta, während doch Dürers Magd, wie bekannt, den Vornamen Susanna führte[14]. Demnach kann Pentz unmöglich mit diesem Knecht Georg identisch sein. [Fußnote 10: Dies ist aus den Daten der Ratsverlässe in den Nürnberger Ratsmanualen zu entnehmen. Erst vom Jahre 1558 ab wurde in Nürnberg das neue Jahr vom 1. Januar an gerechnet. Vgl. auch Edmund Goetze, Hans Sachsens Gemerkbüchlein in der Festschrift zur Hans Sachs-Feier, gewidmet vom Herausgeber und Verleger der Zeitschrift für vergleichende Literaturgeschichte, Weimar 1894, S. 49 und 50.] [Fußnote 11: Sonst gibt es nur noch einen dokumentarisch beglaubigten Schüler Albrecht Dürers, den Malerjungen Friedrich, den der Kurfürst Friedrich von Sachsen zu Dürer in die Lehre gab. Er war bei Dürer in den Jahren 1501/2. C. Gurlitt, zur Lebensgeschichte Albrecht Dürers, in dem von H. Thode und H. von Tschudi redigierten Repertorium für Kunstgeschichte, 1895, Hand XVIII, Heft 2, S. 112.] [Fußnote 12: Moritz Thausing, Dürer, Leipzig 1884. II. Band, S. 262. Anton Springer, Albrecht Dürer, Berlin 1892, S. 143, spricht von näheren Beziehungen, die Georg Pentz mit dem Dürerschen Hause unterhielt. -- Das kann nur auf diesen Knecht Georg zielen. Friedrich Leitschuh, Albrecht Dürers Tagebuch der Reise in die Niederlande, Leipzig 1884, S. 125 Anm. zu S. 60, Z. 9. -- K. Lange und F. Fuhse, Dürers schriftlicher Nachlaß, Halle a. S. 1893, S. 126. Anm. 2.] [Fußnote 13: Bürgerbuch de 1456-1534, M. S. 237, Fol. 122a.] Den Familiennamen des Knechtes Georg erfahren wir aus dem Bürgerbuche, wo unter anderen neu aufgenommenen und vereideten Bürgern zum selben Tage, sabbato post Francisci 1524, aufgeführt ist[15]: »Gorg Schlenck, Maler, dedit ... 2 fl. werung.« _Wir haben es also hier mit einem bisher völlig unbekannten Schüler Albrecht Dürers zu thun_; und wenn er auch als Künstler keinen Ruhm erlangt hat, so sind doch seine Schicksale deshalb von ganz besonderem Interesse, weil sie, im Zusammenhang mit anderen Erscheinungen aus Nürnbergs Kunstwelt betrachtet, es erst erklärlich machen, warum in Nürnberg der Malerei nur eine so kurze Blütezeit beschieden war. Es dürfte sich daher wohl verlohnen, eine biographische Skizze dieses Mannes zu entwerfen. Wir begegnen ihm zum ersten Male gelegentlich seiner Verheiratung mit Susanna. Sie hatte schon längere Zeit in Dürers Hause als Magd gedient, muß aber bei der Eheschließung noch jung gewesen sein, weil sie im Jahre 1520 noch als Mägdlein bezeichnet wird[16]. Bei dem Ehepaar Dürer, das sich keiner Nachkommenschaft erfreute[17], wurde sie wie zur Familie gehörig behandelt; sie machte 1520 und 1521 mit Dürer und seiner Frau Agnes die Reise in die Niederlande mit und wurde dort sogar zu Festlichkeiten mit eingeladen, die man zu Ehren ihres Herrn veranstaltete. Als Schlenk das Bürgerrecht erwarb, gewährte ihm der Rat einen Nachlaß an der Aufnahmegebühr[18]; er hatte nur zwei Gulden zu zahlen, während sonst die Mindestgebühr vier Gulden betrug. Vier Gulden wurden von denen gefordert, deren Gesamtvermögen nicht über 100 Gulden an Wert geschätzt wurde. Er war also von Haus aus arm, und seine Dürftigkeit wird ihn daher bewogen haben, noch weiterhin bei Dürer zu arbeiten; wenigstens wird noch im Jahre 1526 ein »Diener« Albrecht Dürers erwähnt[19]. [Fußnote 14: Dürer nennt ihren Namen in seinem Tagebuch der Reise in die Niederlande. Leitschuh a. a. O. S. 204. -- Lange und Fuhse, S. 416.] [Fußnote 15: Bürgerbuch de 1456-1534, M. S. 237, Fol 126b: Sabbato post Francisci 1524 ... Hans Renner, plattner, Friedrich Pruckner, schwertfeger, dedit, quilibet 4 fl. werung, _Georg Schlenck, maler_, Hans Wolleben, peckschlagerjunger ... dedit quilibet 2 fl. werung, juraverunt.] [Fußnote 16: Lange und Fuhse, a. a. O. S. 116.] [Fußnote 17: Springer, S. 124 hält die Magd Susanne irrtümlich für Dürers Tochter. -- Albrecht Dürer hatte von seiner Frau überhaupt keine Kinder, und auch sein Bruder, der Goldschmied Endres Dürer, hinterließ keine Nachkommenschaft, denn Constantia, die angebliche Tochter Endres Dürers, war kein leiblicher Sprößling, sondern eine Stieftochter Endres Dürers, wie sich dies aus dem I. Ehebuch von St. Sebald ergibt: Gilg Prager von Dresen, Constantia Hirnhoferin, 14. Februarii 1531. Auch bezüglich dieses Gilg (Kilian) Prager herrschen Irrtümer. Er stammte nicht, wie Lochner (Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit 1863, S. 231) aus seinem Namen geschlossen, aus Prag, sondern aus Dresden. Prager war unbemittelt aus Nürnberg eingewandert. Der Rat gewährte ihm einen Nachlaß an der Bürgeraufnahmegebühr. Ratsmanuale 1531/32, Heft 3, Fol 6b: Samstag 17. juny 1531. Gilg Preger (!), goldschmid, 2 fl. am burgerrecht nachlassen. Herr B. Baumgartner. Bürgerbuch M. S. 237, Fol. 162a: Gilg Kilian Prager, goldschmidt, dedit 2 fl. werung, juravit. Secunda post Viti 1531. Meisterbuch de 1456-1534 Fol. 39b: Gilg Kilian Prager, goltschmid, juravit et dedit x fl. werung sabbato Magdalena 1531.] [Fußnote 18: Den Nachlaß hatte er vermutlich einer Fürsprache Albrecht Dürers zu verdanken, wie ja auch einmal ein anderer Maler Hans Hofmann auf Dürers Verwendung unentgeltlich in Nürnberg als Bürger aufgenommen worden war. Ratsmanuale 1520/21, Heft 7, Fol. 4r: Quarto post Michaelis (3. Oktober) 1520. Einen frembden berumbten maler Albrecht Durer zu eren umbsunst zu burger aufnemen. Burgermeister. Am selben Tage fand keine Vereidigung von Neubürgern statt; er wurde daher erst ein paar Tage später vereidet. Bürgerbuch M. S. 237, Fol. 112r: Sabbato post Francisci (6. Oktober) 1520. _Hans Hofmann, maler_, dedit o, Hans Kraft von Ulm dedit 4 fl. werung, juraverunt.] Über Schlenks Thätigkeit als Maler ist wenig zu sagen. Mit einiger Gewißheit wird man ihm nur die bereits oben besprochenen Porträts des Nürnberger Kaufmanns Hans Straub und dessen Gattin Barbara, der jüngsten Tochter Willibald Pirkheimers, zuweisen können. Zwischen den Familien Pirkheimer und Dürer herrschten die freundschaftlichsten Beziehungen. Auch Barbara stand bei Dürer in besonderer Gunst: er gedachte ihrer auch auf seiner Reise in die Niederlande und brachte ihr von dort Geschenke mit[20]. Dann war Dürer aber auch der Berater seines Freundes Pirkheimer in Kunstsachen und lieferte ihm im Jahre 1525, also gerade in der Zeit, wo die oben erwähnten Bildnisse entstanden sind, mehrere Zeichnungen zu einer Ausgabe des Ptolomaeus[21]. So waren also bei diesem intimen Verkehr viele Anknüpfungspunkte zwischen den Gliedern der Familie Pirkheimer und Dürers Hausgenossen, d. h. seinem Gehilfen Georg Schlenk und dessen Frau Susanna, vorhanden. Ebenso sicher ist, daß die Porträts von einem Maler aus Dürers Schule herrühren. Da aber, wie schon dargethan wurde, Pentz und die beiden Beham nicht wohl in Frage kommen können, so wird man sein Augenmerk auf einen andern Schüler Dürers richten müssen. Schlenk hatte im Herbst 1524, also kurze Zeit, bevor die Porträts gemalt wurden, sich einen eigenen Hausstand gegründet. Er war von Haus aus unbemittelt; um so eher werden ihm seine Gönner einen Verdienst zugewendet haben. Daß es Schlenk außerdem nicht an Talent gefehlt hat, um die Porträts zur Zufriedenheit auszuführen, dafür ist Beweis, daß ihn ein Dürer in seiner Werkstätte heranbildete. Ein Meister wie Dürer würde sicher keinen Stümper um sich geduldet haben. Nach alledem wird man kaum fehlgehen, in Georg Schlenk den Maler des Bildnisdiptychons zu suchen. Der Tod Dürers beraubte Schlenk seiner Stütze. Dürer starb am 6. April 1528. Nicht lange darauf finden wir Schlenk in einer ganz unerwarteten Lage: er bewarb sich im März 1529 um eine Anstellung als städtischer Aufdinger[22]. Die Aufdinger waren die Auf- und Ablader der Kaufmannsgüter, die in Nürnberg zur Verzollung kamen. Sie wurden nach den Haupthandelsstraßen bezeichnet: es gab Aufdinger auf der polnischen Straße, dann Aufdinger auf den Straßen nach Sachsen, Franken, Schwaben, Bayern und Ungarn[23]. Das Ämtchen als Aufdinger muß, allerdings wohl zumeist wegen der Trinkgelder, ein recht einträgliches gewesen sein; denn es war immer ein großer Zudrang dazu, und wiederholt mußte der Rat einschreiten und fremden Eindringlingen, die keine Bestallung hierzu hatten, das Aufdingen bei Strafe verbieten[24]. Als Schlenk um einen Aufdingerposten anhielt, ließ der Rat Erkundigungen einziehen, ob er sich dazu eigne. Sei es nun, daß er für so eine schwere Arbeit körperlich zu schwach war, oder daß keine Vakanz bestand, er erreichte seinen Wunsch nicht und versuchte es das Jahr darauf, wenn auch wiederum vergebens, als Nürnberger Landbote eine Stelle zu erlangen[25]. Endlich aber glückte es ihm doch, in städtische Dienste zu kommen: er wurde im April 1532 zum Zöllner am Vestnerthor ernannt und noch im selben Jahre ans Tiergärtnerthor versetzt. Vorher aber hatte er zusammen mit seiner Frau Susanna sich eine Zeitlang seinen Unterhalt als Inhaber einer Garküche erworben[26]. Das Geschäft, dessen Seele jedenfalls seine in der Kochkunst bewanderte Ehegattin gewesen sein wird, muß aber doch wohl ihren Erwartungen nicht entsprochen haben, und der Posten eines städtischen Thorzöllners muß Schlenk erwünschter gewesen sein. [Fußnote 19: J. Baader, Beiträge zur Kunstgeschichte Nürnbergs, Nördlingen 1890, S. 10] [Fußnote 20: Leitschuh, S. 77 mit Anm. auf S.163. Lange, und Fuhse, S. 153, Anm. 7.] [Fußnote 21: Thausing II., S. 223.] [Fußnote 22: Ratsverlässe vom 13. und 15. März 1529.] [Fußnote 23: Manuscript Nr. 184, Fol. 717, im k. Kreisarchiv Nürnberg.] [Fußnote 24: Ratsverlässe vom 29. April und 4. Mai 1531.] [Fußnote 25: Ratsverlaß vom 8. August 1530: Zu erkundigen, ob das landpotenambt mit Jorg Schenken (!), maler, versehen und ime dann dasselbig verlassen. Wo mangel herunderbringen. -- »Schenken« ist hier offenbar ein Schreibfehler für »Schlenken«; denn ein Maler Georg Schenk ist gleichzeitig weder durch Archivalien, noch durch Kirchenbücher nachzuweisen.] [Fußnote 26: »Amtbuchlein allerlay geschwornen Amt und Handwerk, so vor den Herrn, zu des Pfendtners Rug verordent, Gehorsam thun vom Jahre 1532: _Koch allhie_: Jorg Schlenck, Susanna uxor ... _Zoller auf der vesten_: Jorg Schlenck, Susanna uxor ... [Zollner am] _Thyergartnerthor_: Jorg Schlenk, N. uxor. -- Ein Amtbüchlein, in dem auch, wie hier, die Köche (-- gemeint sind Garköche -- man denke ans heutige »Bratwurstglöcklein«, das damals bereits als Garküche unter der Bezeichnung »Glöcklein« bestand --) aufgeführt sind, ist aus der Zeit vor 1532 im k. Kreisarchiv Nürnberg nicht vorhanden. Die Ämterbüchlein wurden bald vor Beginn jeden Jahres neu gefertigt, da jedes Jahr die darin Eingetragenen, wenigstens war dies bei den Buchdruckern und Formenschneidern der Fall, von neuem Gehorsam oder Pflicht thun mußten, also von neuem auf die Vorschriften und Gesetze verpflichtet wurden. Der Bestand des vorhergehenden Jahres wurde dann immer in das neu angelegte Amtbüchlein des folgenden Jahres, in das Amtbüchlein zum _neuen_ Rat, wie sonst diese Amtbüchlein betitelt sind, übertragen. Die im Laufe des neuen Jahres neu Hinzukommenden wurden am Schlusse der betreffenden Gruppe nachgetragen, wie man das an den Schriftzügen und der abweichenden Tinte erkennen kann. Schlenk ist nicht unter den Köchen, die erst im Laufe des Jahres 1532 nachgetragen worden sind, _er muß also schon mindestens im Jahre vorher, 1531, Koch gewesen sein_. -- Die im Laufe des Jahres Abgehenden wurden in dem Ämterbüchlein gestrichen. Schlenk ist im Jahre 1532 im Amtbüchlein unter den Köchen gestrichen, er schied also im Laufe des Jahres 1532 als Koch aus; und nunmehr findet sich sein Name wie auch der seiner Frau unter den Thorzöllnern -- zunächst am Vestnerthor -- nachgetragen, wann er zum Zöllner am Vestnerthor ernannt wurde, erfahren wir aus einem Ratsverlaß vom 17. April 1532: Zu einem zollner undter das spitaler thor ist der zollner undter dem vestenthor ertailt, und zu ainem zollner des vestenthors ist ertailt Jorg Schlenk, zollner (!). -- Der Protokollirende hat hier irrtümlich »Schlenck, _zollner_« geschrieben: denn Schlenk war, wie aus den Amtbüchlein zum neuen Rat aus den vorhergehenden Jahren zu entnehmen ist, noch nicht vorher Zöllner gewesen. Wahrscheinlich hat der Protokollirende das Wort »moler« hier schreiben sollen. -- Im Amtsbüchlein von 1532 ist dann Schlenk wieder als Zöllner am Vestnerthor gestrichen, und ist als Zöllner am Tiergärtnerthor nachgetragen worden. Vom Tiergärtnerthor wurde er durch Ratsverlaß vom 4. Oktober 1533 ans Frauenthor versetzt.] Im ersten Augenblick will es kaum glaublich erscheinen, daß ein Schüler Albrecht Dürers als Zöllner sein Fortkommen suchte. Allein es war nichts Ungewöhnliches, daß Handwerker, denen ihr Gewerbe keinen genügenden Unterhalt gewährte, sich nach einem Nebenverdienst umschauten; so finden sich gleichzeitig ein Rotschmied und ein Nadler unter den Zöllnern. Zu den Handwerkern zählten aber damals auch noch die Maler: es war noch keine Scheidung eingetreten zwischen Kunst- und handwerksmäßiger Malerei. Ja, nach damaliger sozialer Auffassung wurde ein Maler noch nicht einmal einem Handwerker gleich geachtet; denn die Malerei war noch eine freie Kunst, die jeder ausüben konnte, der den Beruf dazu in sich fühlte. Die freie Kunst aber galt erst als Vorstufe des Handwerks, hatten ja doch die meisten freien Künste sich erst allmälich zu organisierten Handwerken mit vorgeschriebenen Lehr- und Gesellenjahren, mit Meisterstücken und festen Gesetzen und Ordnungen entwickelt. Es ist daher erklärlich, daß die Nürnberger Maler immer und immer wiederum, auch zu Dürers Zeit, und zwar nicht bloß, um unliebsame Konkurrenz fern zu halten, sondern auch um ihren Stand sozial zu heben, an den Rat die Bitte stellten, aus ihrer freien Kunst ein Handwerk zu machen. Das Bestreben durch ein städtisches Ämtlein sich ein gesichertes Nebeneinkommen und so eine bessere Existenz zu verschaffen, muß einen großen Umfang angenommen haben: so beschwerten sich einmal die Tüncher, daß Handwerksgenossen, die ein Amt von der Stadt hatten, auch noch das Meisterrecht ausübten; doch der Rat wies sie barsch ab und drohte ihnen: falls sie bei ihrem Anliegen beharrten, werde er ihre Gesetze wieder aufheben und ihr Gewerbe wieder zu einer freien Kunst erklären[27]. Doch gehen wir zu Beispielen aus der Malerwelt über. Im Jahre 1510 erhielt Sebald Baumhauer, der nach dem Zeugnisse Neudörfers selbst von Dürer als Maler hochgeschätzt wurde, den Posten eines Kirchners bei St. Sebald[28]. Ferner wurde im Jahre 1531 der Maler Lienhard Schürstab Knecht in der Wage[29], und doch kann er als Maler nicht ganz unbedeutend gewesen sein, da ihm einmal für ein Tafelbild 53 Gulden ausgezahlt wurden[30]. Endlich rückte im Jahre 1532 der Maler Sebald in die Stelle eines Stadtpfeifers ein[31]. Nürnberg war überhaupt kein günstiger Nährboden für die Malerei. Kein Geringerer als Albrecht Dürer, der noch dazu nicht bloß von seiner Kunst, sondern auch vom Kunsthandel lebte, ist hierfür ein klassischer Zeuge. In einem Briefe an den Nürnberger Rat vom Jahre 1524 äußert er sich mit Bitterkeit[32]: »Hab auch, wie ich mit Wahrheit schreiben mag, die dreißig Jahr, so ich zu Haus gesessen bin, in dieser Stadt nit um fünfhundert Gulden Arbeit, das ja ein Geringes und Schimpfliches und dannacht von demselben nit ein Fünfteil Gewinnung ist, gemacht, sunder alle mein Armut, die mir, weiß Gott, sauer ist worden, um Fürschten, Herrn und ander frembde Personen verdient und erarnt, also daß ich allein dieselben mein Gewinnung von den Fremden in dieser Stadt verzehr.« Und Georg Pentz, der zweitgrößte Maler, den Nürnberg in seiner Blütezeit hervorgebracht, kam nie aus Geldnöten heraus und nahm ein unrühmliches Ende. Auch die beiden hoch begabten Maler Hans Sebald und Barthel Beham, die gleich groß als Maler, Zeichner und Kupferstecher waren, fanden in Nürnberg kein lohnendes Feld für ihre Thätigkeit. Hans Sebald Beham wanderte nach Frankfurt aus, und sein Bruder Barthel, der einst wegen seines religiösen Radikalismus von sich hatte reden gemacht, zog an den kunstliebenden Hof der streng katholischen Herzoge von Bayern in München. Vermochten also schon so bedeutende und vielseitige Maler in Nürnberg keine ausreichende Existenz zu erringen, so wird man sich nicht mehr wundern, daß Schlenk, der ohnehin von Haus aus unbemittelt war und also in verdienstloser Zeit nichts zuzusetzen hatte, nach dem Beispiele anderer seine Hand nach einem kleinen Ämtlein ausstreckte, um sich und seine anwachsende Familie vor Not zu schützen.[33] [Fußnote 27: Ratsverlaß vom 27. September 1544 (Ratsmanuale 1544/45, Heft 6, fol. 30r).] [Fußnote 28: G. W. K. Lochner, des Johann Neundörfer, Schreib- und Rechenmeisters zu Nürnberg, Nachrichten von Künstlern und Werkleuten daselbst aus dem Jahre 1547. Wien, 1875, S. 180. -- Ratsbuch 9, Fol. 184r zum Datum: Actum secunda post omnium sanctorum 1510.] [Fußnote 29: Ratsbuch 15, Fol. 189a, zum Datum: Actum mitwoch 10. Julii 1531.] Aber er scheint auch nicht den Mut besessen zu haben, als Maler den Kampf ums Dasein aufzunehmen; es fehlte ihm an festem Charakter: wir finden etwas Unstätes und Haltloses bei ihm wie bei seinen Kindern. Ueber seinen gleichnamigen Sohn Georg[34] ist nur Ungünstiges zu berichten. Er heiratete 1546 in erster Ehe eine Tochter des Nürnberger Gerichtsprokurators Georg Selnecker, mit der er vorher unerlaubten Umgang gepflogen. Nach der Geburt des achten Kindes mißhandelte er sie derart im Wochenbett, daß man ihren Tod ihm zur Last legte[35]. Sein Lebtag brachte er es zu keiner ruhigen und sicheren Existenz. Bald finden wir ihn als Hilfsschreiber bei den Amtleuten des Sebalder und Lorenzer Waldes, bald als Profoßschreiber in der Kriegsstube, bald als Schreiber des Heuwägers. Seine Bitte aber um eine feste Anstellung wird abgelehnt, und der Rat giebt den Auftrag, nach einem andern geschickten Schreiber zu trachten, »daraus kunftig ein Canzleyschreiber zu machen und zu Mererm zuprauchen sein möcht.« Nunmehr verschwindet er eine Zeitlang vor seinen zahlreichen Gläubigern aus der Stadt. Nach seiner Rückkehr bittet er um Zulassung als Prokurator vor Gericht, erhält aber eine kategorische Abweisung. Gleichwohl muß er nachher doch vorübergehend als Prokurator aufgetreten sein; denn der Rat ließ die Verfügung ergehen: »Jörgen Schlenken seiner Leichtfertigkeit halben hinfuro zu kainer Curation, noch dergleichen Sachen mehr am Gericht zuzulassen.« Was er aber offen nicht thun konnte und durfte, trieb er im Geheimen: er wurde Winkeladvokat, befaßte sich aber mit so unsauberen Sachen, daß ihm 1565, weil er »sich solcher bosen Hendel vielfeltig beflissen«, die Stadt Nürnberg und ihr Gebiet »10 Meil hinden« sein Lebenlang verboten wurde; doch gewährte ihm der Rat einen Strafaufschub von vier Wochen, und in dieser Zwischenzeit wußte er sich einflußreiche Fürsprache zu verschaffen: er wurde auf Bitten des Grafen Konrad von Castell und dessen Gemahlin wieder begnadigt. Er besserte sich aber nicht. Zwei Jahre darauf forderte er von neuem den Zorn des Rats gegen sich heraus durch eine jedenfalls sehr unziemlich abgefaßte Supplikation, die er für einen Petzensteiner, »der sich Jakob Neunburger genannt«, aufgesetzt hatte. Nunmehr wurde er auf fünf Jahre aus der Stadt Nürnberg verbannt und richtete von Neuenmarkt aus Bettelbriefe an den obersten Landpflegschreiber der Stadt Nürnberg Bonifatius Nöttele und die beiden Landpflegschreiber Johann Leikauf und Lorenz Nützel[36] mit dem Anliegen, ihm mit einem Zehrpfennig zu helfen, um sein und seiner Kinderlein Notdurft anderswo zu suchen. Sie spendeten ihm zwei Gulden, aber mit dem Vermerken, das Geld nicht seiner alten Gewohnheit nach unnützlich zu verschwenden. Durch den Erfolg ermutigt, ersuchte er sie dann noch um ein »Fürlehen von einem Thaler zu einer Zehrung nach Würzburg«, da ihm mitleidige Personen »im Lande zu Franken Conditiones fürgeschlagen«[37]. Doch schon im Jahre 1569 ist er wieder in Nürnberg zu finden und hat die Kühnheit, den Rat nochmals um eine Anstellung in städtischen Diensten zu bitten, erhält aber zur Antwort: »meine Herren wüßten kein Ampt, das für ihn wehr ledig, darumb möcht er sich an andern Orten umthun«. Seit dieser Zeit läßt er sich nicht mehr nachweisen und ist jedenfalls auswärts gestorben und verdorben. [Fußnote 30: Conservatorien, Band 29, Fol. 17b, im Stadtarchiv Nürnberg, zum Datum: Actumia judicio quarta post Remigii. 2. octobris 1521.] [Fußnote 31: Zu gemeiner stat pfeifer anzunehmen ist erteilt Sebald, maler. Actum 13. novembris 1532 per herrn Math. Loffelholz. Ratsbuch 16, Fol. 45a -- Es ist aber hier nicht etwa der Maler Sebald Beham gemeint, sondern wie aus dem Jahresregister von 1533 zu entnehmen, Sebald Greyff, der dort bei den Besoldungen als »Trummelschlager und Pfeiffer« aufgeführt ist.] [Fußnote 32: Lange und Fuhse, S. 63.] [Fußnote 33: Quellen hierfür, wo nicht anderes angegeben, die Ratsmanuale.] [Fußnote 34: Daß dieser Georg Schlenk ein Sohn des Malers und Zöllners Georg Schlenk war, ergibt sich daraus, daß der Zöllner öfter als Georg Schlenk der ältere bezeichnet wird, so in einem Ratsverlaß vom 28. März 1556 und bei der Erwähnung seines Begräbnisses im 1. Totenbuch von St. Lorenz.] [Fußnote 35: I. Ehebuch von St. Lorenz: Jorg Schlenk, Magdalena Selneckerin, 16. novembris 1546. Kinder aus dieser ersten Ehe nach den Taufbüchern von St. Lorenz und St. Sebald: Georg (getauft im November 1546), Jorg (März 1548), Magdalena (Dezember 1549), Hans (August 1551), Gabriel (Mai 1553), Julianna (November 1554), Hans (Mai 1556), Michel (August 1557). Seine erste Frau wurde nach dem Totenbuch von St. Lorenz am 14. September 1557 beerdigt. Über ihren Tod meldet ein Ratsverlaß vom 18. September 1557: Item zu erfarn, welcher gestalt Jorg Schlengk sein weib im kindpeth geschlagen, das sie hernach tods verschieden und widerpringen. -- »Gabriel Schlenck, Georgen Schlenken teutschen schreibers und burgers hie eeleiblicher sohn« hatte von seinem »Ahnherrn Georgen Selnecker« einen Eigenzins von jährlich elf Gulden auf Hansen Sörgels Haus geerbt. Dieser Eigenzins wurde von Sörgel abgelöst, worüber am 7. Januar 1578 Gabriel Schlenk »seiner vollkommenen Jahre« Quittung leistete. Conservatorien 130. Fol. 69b. -- Georg Selnecker, im Jahre 1523 (Ratsbuch 12. Fol. 166a) noch Stadtschreiber in Hersbruck, wurde später Gerichtsprocurator in Nürnberg. -- In zweiter Ehe verheiratete sich Georg Schlenk (der jüngere) mit Magdalena Kolnerin am 29. November 1557 und zeugte mit ihr auch noch mehrere Kinder: Martha (getauft 1558), Hester (Mai 1561), Hans (Februar 1563), Michel (26. September 1564).] [Fußnote 36: Akt des k. Kreisarchivs mit der Signatur: S 1, L. 598, Nr. 183. In diesem Schreiben nennt er sich »Georgius Schlenk der elter«; denn er hatte einen gleichnamigen Sohn, und sein Vater, der Zöllner und Maler Georg Schlenk, der früher diese Bezeichnung »der ältere« geführt hatte, war inzwischen im Jahre 1557 gestorben.] Georg Schlenk des älteren anderer Sohn Michel widmete sich wie sein Vater erst der Malerei und wurde hierauf ebenfalls städtischer Thorzöllner[38]. Im Jahre 1549, wo er sich -- in erster Ehe -- verheiratete[39], finden wir ihn zunächst als Zöllner am Vestnerthor[40] und dann seit August 1557 am Spittlerthor[41]. Hier gab er später (1565) aus unbekannten Gründen den Zöllnerposten ganz auf[42] und zog schließlich, Weib und Kind verlassend, als Soldat nach Italien, wo er (1576) unter den Besatztruppen der Stadt Genua erwähnt wird[43]. Von dort ist er nicht zurückgekehrt, und seine Frau, die außer für ihre eigenen Kinder auch noch für Stiefkinder zu sorgen hatte[44], mußte schlecht und recht bis an ihr Lebensende sich als Hebamme durch die Welt bringen[45]. [Fußnote 37: In diesem Schreiben bedient er sich bei der Versiegelung eines Petschafts mit einer Hausmarke und den Initialen G. S. -- Da dieses Petschaft vielleicht aus der Hinterlassenschaft seines Vaters, des Malers Georg Schlenk, herrührte, und also die Möglichkeit nicht ausgeschlossen ist, daß der Maler Georg Schlenk sich dieser Hausmarke als Künstlerzeichen bedient hat, so geben wir hiervon eine Abbildung. [Illustration] [Fußnote 38: Daß Michel Schlenk ein Sohn des Malers und Zöllners Georg Schlenk gewesen, läßt sich daraus entnehmen, daß er wie dieser den Beruf eines Malers wählte und dann ebenfalls Zöllner wurde. In den Nürnberger Bürgerbüchern ist er unter den neu aufgenommenen Bürgern nicht vermerkt; Michel Schlenk muß also in Nürnberg geboren sein. Zu jener Zeit gab es aber in Nürnberg nur einen Bürger Namens Schlenk, dem er seinem Alter nach als Sprößling zugewiesen werden kann, nämlich den Maler Georg Schlenk. -- Über weitere Nachkommen des Malers Georg Schlenk melden die Nürnberger Kirchenbücher Folgendes: I. Taufbuch von St. Sebald: Georg Schlenk ein tochter: _Susanna_ 12. Februarii 1533. -- I. Taufbuch von St. Lorenz: Jorg Schlenck, Susanna: _Sixt_ (getauft in der Woche des) dominica pasce 1534. Jorg Schlenck, Susanna: _Elizabeth_, dominica palmarum 1536.] [Fußnote 39: Michel Schlenck, Anna Linckin, 16. July 1549. II. Ehebuch von St. Sebald. -- Kinder aus dieser ersten Ehe: _Johannes_ (getauft im April 1556). _Hieronymus_ (Mai 1557), _Sebald_ (Oktober 1558), _Michel_ (Februar 1560), _Purkhart_ (Oktober 1561), _Anna_ (Oktober 1562), _Michel_ (September 1564). -- Nach dem Totenbuch von St. Sebald (im Kreisarchiv Nürnberg) wurde »Anna Michel Schlenkin, Malerin und Zollnerin under dem Spitlerthor«, am 8. November 1564 beerdigt.] [Fußnote 40: Amtbuch zum neuen Rat de 1549. Ratsverlaß vom 9. Januar 1550 (Ratsmanuale de 1549/50, Heft 10, Fol. 11a).] [Fußnote 41: Ratsverlaß vom 6. August 1557 (Ratsmanuale 1556/57, Heft 4, Fol. 32a.)] [Fußnote 42: Im Amtbuch zum neuen Rat de 1565 ist er als Zöllner am Spittlerthor gestrichen.] Doch kehren wir nunmehr zu Georg Schlenk dem älteren zurück. Vom Tiergärtnerthor wurde er 1533 ans Frauenthor versetzt[46]. Hier führte er bis zu seinem Tode das Leben eines Zöllners. Die Thorzöllner standen unter dem obersten Zöllner, dem höchsten Zollbeamten der Reichsstadt Nürnberg. Soweit die Zölle, insbesondere für feinere Waren, nicht vom obersten Zöllner oder dessen Gegenschreiber eingenommen wurden, geschah dies durch die Thorzöllner, die außerdem auch noch den Wegzoll zu erheben hatten. Unter den Gegenständen, die bei den Thorzöllnern nach einem festen Tarif, den jeder Zöllner, auf Pergament geschrieben, bei sich hatte, zu verzollen waren, finden sich z. B. Tierfelle, Werkholz, Eisen, Kupfer, Blei, Zinn, Salz, Pech, Harz, Hopfen, Wein, Rüben, Kraut, Heu, Knoblauch, Zwiebeln, dann aber auch Gläser, Teller, irdene Gefäße (Häfen) und Krausen. Der Zoll wurde teils in Geld, teils in natura erhoben: so von einem Sack Zwiebeln vier Stück Zwiebeln und von einem Wagen oder Karren, der mit Gläsern oder Tellern das Thor passierte, je zwei oder eins von diesen Gegenständen. Von den in natura eingehenden Zöllen erhielt der Thorzöllner den dritten Teil und von den in Geld anfallenden den achten Teil oder, wie es heißt, den achten Pfennig. Neben diesen wechselnden und mehr zufälligen Einkünften bezogen die Thorzöllner noch eine feststehende Besoldung, die jedoch nur sehr mäßig war[47]. Außerdem gab es aber auch noch einigen Nebenerwerb: so war ihnen gestattet, an Vorübergehende, aber nicht an sitzende Gäste Branntwein auszuschenken[48]; und daß sie manches auch auf unerlaubte Weise sich zu verschaffen wußten, das beweist das immer und immer wieder ihnen eingeschärfte Verbot, den hereinfahrenden Holzbauern keine Holzscheite wegzunehmen oder abzunötigen[49]. [Fußnote 43: In einer von seiner zweiten Frau »Anna Michel Schlenkens, malers, burgers hie eewirtin« ausgestellten Urkunde heißt es von ihrem abwesenden Manne, »welcher diser Zeit zu Genua in der besatzung lege«. Datiert ist die Urkunde: Actum 5, 1. martij 1576. Conservatorien 125, Fol. 58b -- Aus dieser Urkunde geht zugleich hervor, daß damals aus erster Ehe des Michel Schlenk nur noch zwei Söhne vorhanden waren.] [Fußnote 44: Michel Schlenk hatte seine zweite Frau Anna Pognerin am 13. Mai 1565 geheiratet. III. Ehebuch von St. Lorenz. -- Kinder aus dieser zweiten Ehe: _Hans_ (Februar 1566), _Valentinus_ (April 1567), _Walpurg_ (März 1570), _Kunigund_ (Februar 1572), _Margareta_ (November 1573), _Johannes_ (März 1576). Siehe auch die Anmerkung vorher.] [Fußnote 45: Anna, Michel Schlenken verlassne wittib, hebam in der weißgerbergassen, wurde am 3. Oktober 1585 beerdigt. Ihr Schwager war der Schlosser Melchior Gaismann, der laut Ehebuch von St. Lorenz am 12. Oktober 1564 ihre Schwester Barbara Pognerin geheiratet hatte. Daher erklärt es sich, daß die Melchior Gaismannsche Begräbnisstätte auf dem Rochuskirchhofe in Nürnberg (Nr. 522) zugleich auch das Grab dreier hinterlassenen Kinder des »Michel Schlenken, Malers, und Anna seiner Hausfrau seel.« ist. Norischer Christen Freydhöfe Gedächtnis, Nürnberg 1682, S. 15. St. Rochus Kirchhof. -- Michel Schlenk kehrte aus Italien nicht mehr zurück; denn in den Nürnberger Totenbüchern ist sein Name nicht verzeichnet. -- Der erwähnte Schlosser Melchior Gaismann ist bemerkenswert als Verfertiger von Weckeruhren. Ratsmanuale 1578/79, Heft 1, Fol. 29b und 30a.] [Fußnote 46: Ratsverlaß vom 4. Oktober 1533 (Ratsmanuale 1533/34, Heft 7, Fol. 1b) und Amtbüchlein zum neuen Rath 1533.] [Fußnote 47: Quelle hierfür das Zollbuch de 1517-1580. M. S. 991 im k. Kreisarchiv Nürnberg.] Bei dieser Art der Besoldung war also der einzelne Zöllner umso besser gestellt, je lebhafter der Verkehr war. Zu den verkehrsreichsten Thoren gehörte aber schon damals das Frauenthor; daher war der Zöllnerposten an diesem Thor, wie das die Bewerbungen bei Vakanzen erkennen lassen, wegen seiner höheren Einnahmen auch immer viel begehrter als z. B. der Posten am Tiergärtner- oder Spittlerthor. Georg Schlenk, der innerhalb zweier Jahre vom verkehrsarmen Vestnerthor über das Tiergärtnerthor ans Frauenthor gekommen war, hatte also sein rasches Aufsteigen einem glücklichen Zufall oder, was wahrscheinlicher ist, einer besonderen Vergünstigung zu verdanken. Allein die Gunst hatte keinen Bestand. Zum ersten Male (1538) forderte er die Unzufriedenheit des Rats heraus durch eine Überschreitung beim Branntweinausschank und wurde gestraft[50]. Weiterhin (1546) wurde er zur Rede gestellt wegen Unschicklichkeiten, die er sich gegen Bauern des Patriziers Grundherr erlaubt hatte. Dann (1547) nahm er, was streng verboten war, Juden bei sich in Herberge und erhielt deshalb vom Rat einen sehr scharfen Verweis: man werde ihn vom Amte urlauben, wo er dergleichen mehr übe. Endlich (1554) fiel er nochmals wegen einer Ungehörigkeit in Strafe. So hatte er also schon öfter den Unwillen des Rats sich zugezogen, da traf ihn ein weiteres Mißgeschick. In der Nacht vom 14. zum 15. Februar 1556 kam die äußere Mauer beim Frauenthor ins Wanken; sie stürzte in den Stadtgraben mitsamt dem Zollhäuslein und »allem dem, das im Zollhäuslein gewest außerhalb den Menschen, die Gott genediklich und wunderbarlich daraus pracht und errett hat«. Schlenk erhielt als Schadenersatz 40 Gulden vom Rat geschenkt, und das Zollhäuslein wurde rasch wieder aufgebaut; aber verschiedene Wünsche, die er hierbei aussprach, fanden kein Gehör. Seine Bitte, ihm einen Keller einzurichten und ein Höflein zum Zollhäuslein zu erbauen, wurde barsch abgeschlagen: wenn er der Fliegen halber nicht bleiben könne, und wenn ihm das Haus zu eng sei, werde man nach einem andern Zöllner trachten. Nicht lange mehr sollte er im neuen Zollhäuslein wohnen: er starb Ende September 1557[51]. Um seine Stelle bewarb sich sein Sohn Michel; sie wurde aber nicht ihm, sondern der Ordnung nach dem bisherigen Zöllner am Spittlerthor, Hans Eschenbach, als dem ältesten Zöllner, zugesprochen[52]. [Fußnote 48: Ratsverlaß vom 29. September 1533 (Ratsmanuale 1533/34, Heft 6, Fol. 12a).] [Fußnote 49: Dieses Verbot findet sich fast Jahr für Jahr in den Ämterbüchlein, manchmal in sehr scharfer Form.] [Fußnote 50: Quelle für das Folgende die Ratsverlässe.] [Fußnote 51: I. Totenbuch von St. Lorenz: Georg Schlenk der elter, zolner unterm frauenthor 1. augusti 1557 (beerdigt).] Es ist nunmehr noch die Frage aufzuwerfen, ob keine Anzeichen dafür sprechen, daß Georg Schlenk auch in der Zeit, wo er Garkoch oder Zöllner war, noch nebenbei sich mit der Malkunst beschäftigt habe. Zieht man in Betracht, daß das Geschäft eines Garkochs nur wenig Muße übrig ließ, daß ihm als Zöllner bei dem überaus starken Verkehr, wie er sich durch das Stadtthor bewegte, noch viel weniger freie Zeit blieb, auch wenn er ab und zu von seiner Ehefrau vertreten wurde, daß ferner die Lichtverhältnisse in den kleinen niedrigen Zollhäuslein nicht günstig und die Räumlichkeiten zumal bei anwachsender Familie überaus beengt waren, so hätte unter solchen Umständen schon ein sehr energischer und strebsamer Charakter, wie ihn allem Anschein nach Schlenk nicht besaß, dazu gehört, um nebenbei noch hervorragende Kunstwerke zu schaffen. Man kann sich daher nicht wundern, daß von Georg Schlenk, obwohl er ein Schüler und Gehilfe Albrecht Dürers gewesen, nichts weiter als Künstler hervorgebracht wurde, das seinen Namen ruhmgekrönt auf die Nachwelt gebracht hätte. Immerhin scheint er aber der Malerei nicht ganz untreu geworden zu sein, da seine Witwe Susanna, die ihn noch fünf Jahre überlebte, bei ihrem Tode ausdrücklich als »_Malerin_, gewesene Zollnerin am Frauenthor« bezeichnet wird[53]. [Fußnote 52: Ratsverlässe vom 4. und 6. August 1557 (Ratsmanuale 1557/58, Heft 4, Fol. 26 und 32.)] [Fußnote 53: I. Totenbuch von St. Lorenz: Susanna Jorg Schlenkin, malerin, gewesne zolnerin am frauenthor, pey dem pösen prunnen verschieden, (beerdigt) 31. Julii 1562. -- Die Beerdigung fand damals in Nürnberg am zweiten Tage nach dem Ableben statt. Susanna starb also am 29. Juli 1562. Vgl. hierzu Alfred Bauch, Barbara Harscherin, Hanns Sachsens zweite Frau, Nürnberg, 1896, S. 13, Anm. 1.] _Nürnberg._ _Dr. Alfred Bauch._ Aus der Plakettensammlung des germanischen Nationalmuseums. Unter dem Namen »Plaketten« faßt man die kleineren, meist gegossenen Metallreliefs zusammen, die entweder als Schmuckgegenstände oder als Teile kunstgewerblicher Arbeiten direkte Verwendung fanden, oder aber den Goldschmieden vornehmlich, den Hafnern, Bildhauern und Erzgießern als Modelle dienten. Bisweilen benutzte man sie auch, unverändert oder vergoldet, mit Holz- oder Metallrahmen versehen, als willkommenen Wandschmuck. -- Das Geburtsland der Plaketten ist Italien, von dort fanden sie, in ausgedehnterem Maße wohl erst gegen Ende des 15. Jahrhunderts, Eingang in Deutschland. -- Die überwiegende Mehrzahl der deutschen Plaketten stellt sich als Bleiguß dar, und diese Thatsache erklärt sich vielleicht, abgesehen von der größeren Billigkeit, aus dem Umstande, daß sie besonders als Vorbilder für Treibarbeit dienten. Denn für den Guß bietet ein Modell aus härterem Metall, das die einzelnen Linien, die Details, schärfer und deutlicher hält und wiedergibt, weit größeren Vorteil, während bei einem zum Treiben dienenden Vorbilde die Hand des nachschaffenden Künstlers selbständig ergänzt, was bei einem mechanischen Reproduktionsverfahren verloren gehen würde. Die Plaketten des germanischen Museums stammen zum größeren Teile aus der Sammlung der Freiherrn C. J. W. C. J. Haller von Hallerstein, die im Jahre 1840 vom Handelsgerichtsassessor Joh. Jak. Hertel zu Nürnberg ersteigert wurde und später in den Besitz des Kaufmanns Arnold daselbst überging. Von diesem, der die Sammlung noch bedeutend vermehrt hatte, erwarb sie das germanische Museum. Eine andere Kollektion ging dem Museum als Geschenk von der mittelalterlichen Sammlung zu Basel zu. Sie entstammt indessen nicht, wie im Katalog der Originalskulpturen S. 57 irrtümlich angegeben ist, einer Modellsammlung, die »1881 in Basel gefunden wurde«. Herr Professor Heyne hatte die Güte, über ihre Provenienz folgende Mitteilung zu machen: »Es ist gar kein Fund einer Goldschmiedewerkstatt zu Basel 1881 gemacht worden; sondern das wird verwechselt mit einem Fund, der gegen diese Zeit in der Seine zu Paris unter der alten Goldschmiedebrücke zu Tage kam, der an Händler verzettelt wurde und von dem Bossard in Luzern manches erwarb; von diesem kam wieder einiges an die mittelalterliche Sammlung in Basel. Den Hauptbestandteil der dortigen Kollektion, von dem ich, so viel ich mich erinnere, auch Doubletten an Essenwein für das germanische Museum abgegeben habe, bildet aber nicht dieser Fund, sondern Stücke, die ich sonst, namentlich auch von Bossard erworben habe, und über deren Provenienz nichts ermittelt werden konnte.« Unsre Sammlung ist besonders reich an deutschen Plaketten, unter denen die Arbeiten Flötners den hervorragendsten Platz behaupten. Auf einen Teil derselben hat Domanig im Jahrbuch des allerh. Kaiserhauses Bd. XVI, S. 1 ff. bereits hingewiesen, vollständige Veröffentlichung werden sie demnächst erfahren durch eine umfassende Arbeit über Flötner von Lange. Daneben aber hebt sich noch eine große Reihe künstlerischer Arbeiten heraus, die der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts angehören und mehr oder minder stark durch die flötnersche Art beeinflußt sind. Besondere Gruppen lassen sich mit Sicherheit ausscheiden, wenn es auch kaum gelingen dürfte, die Namen der einzelnen Meister, die hauptsächlich Nürnberger gewesen zu sein scheinen, zu ermitteln. Eine dieser Gruppen bietet uns wenigstens die Anfangsbuchstaben, das Monogramm des Künstlers: H. G. mit den Jahreszahlen 1569 und 1570. Aus der Bemerkung Naglers, Monogramm. III, Nr. 974 geht hervor, daß er ein Goldschmied gewesen sei. Die starke Beeinflussung seiner Technik durch Flötner, die Verwandtschaft seiner Kompositionen mit Virgil Solis, der Umstand endlich, daß gerade Nürnberg im 16. Jahrhundert die meisten und vorzüglichsten Goldschmiede in Deutschland aufzuweisen hatte, berechtigt zu der Vermutung, H. G. sei Nürnberger Künstler gewesen. Stockbauer führt Bayerische Gewerbe-Zeitung 1893 Nr. 12, Beilage S. 6 in der Liste der Goldschmiede unter dem Jahre 1560 einen Heinrich Garn auf, der also eventuell in Frage kommen könnte. Mir ist indessen in Nürnberger Urkunden niemals eine Goldschmiedsfamilie Garn, sehr häufig dagegen die der Gar begegnet, die bei Stockbauer sich überhaupt nicht findet. Da die von ihm abgedruckte Liste erst 1652 zusammengestellt wurde, so ist es möglich, daß ein Irrtum vorliegt, daß aus H. Gar -- Heinrich Garn gemacht wurde. Die Gar waren verwandt mit Veit Stoß. Sebald Gar, Goldschmied, war vermählt mit Ursula, der Enkelin Stoß' (Nürnb. Stadtarchiv. Cons. 47 fol. 108). Er ist mir begegnet 1534 (a. a. O. Cons. 46 fol. 91 u. fol. 67) 1536 (Cons. 47 fol. 108), 1546 (Cons. 62 fol. 1486), 1549 (Cons. 69 fol. 87). Unter dem letzten Jahre werden seine Kinder aufgeführt (cf. auch Cons. 57 fol. 125): Jorg, Barbara, Kungund, Cunrad, Hanns und Steffan. Letzterer ist damals noch unmündig. Conrad Gar wird als Goldschmied genannt in einer Urkunde vom 16. Juli 1573 (Cons. 118 fol. 109b). Es wäre also nicht unmöglich, daß der von Stockbauer aufgeführte Heinrich Garn identisch ist mit Hans Gar, dem Urenkel Veit Stoß', dem jüngeren Bruder Conrad Gars, daß wir in diesem Hans Gar den Monogrammisten H. G. zu erkennen hätten. Wir finden in den Werken des H. G. alle jene Stoffe behandelt, die die Kleinmeister in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts bevorzugten: Darstellungen aus der klassischen Götter- und Sagenwelt, biblische Scenen, symbolische Vorwürfe und Jagdstücke. Die mit kurzem verständlichem Text begleiteten Emblemata, die Neuwen Figuren, Biblische, Ovidische, Livische etc. »allen Künstlern, als Malern, Goldschmieden, Bildhauwern, Steinmetzen, Schreinern etc. fast dienstlich vnd nützlich«, gaben neben den größeren illustrierten Werken und den zahllosen Einzelblättern auch dem weniger Gebildeten reichlich Gelegenheit und Anregung zur Behandlung derartiger Stoffe. Das Gewissen der Kleinmeister, selbst der vermögendsten, war nach modernen Begriffen sehr weit: wenn sie sich auch meist eine gewisse Originalität in der Art der Behandlung des Stoffes wahren, den Gedanken, einzelne Teile des Ganzen eignen sie sich ohne Bedenken an[54]. Auch bei dem Meister H. G., der sicherlich den besten seiner Zeit zuzugesellen ist, können wir diese Erfahrung machen. Die Art und Weise, wie er seine figürlichen Scenen in tiefe, abwechslungsreiche Landschaften hineinkomponiert, die Behandlung der Bäume, besonders auch der Baumstämme, der blumen- und grasbedeckte Untergrund, die fadenartige Wiedergabe des Rauches, weisen unbedingt auf Flötner als sein Vorbild hin, nur daß uns Alles überladener, manirierter entgegentritt. In dem Wasser, das selten seinen Landschaften fehlt, schlagen Delphine, Schiffe und Kähne schwimmen darauf, Inseln und Gestade sind bedeckt mit teilweise phantastischen Gebäuden. Von den Blumen, mit denen der Boden übersät ist, bevorzugt er eine stilisierte Tulpenart mit weit hervortretendem Stempel oder große Anemonen. Die Baumstämme sind häufig stark gebogen, wie vom Sturme gepeitscht. Besonders charakteristisch aber sind seine Wolken, die, in der Weise des Moderno, aus einzelnen Teilchen bestehen, deren jedes aussieht, wie ein auf einen Spieß gesteckter Darm. Das Relief seiner Figuren ist durchschnittlich höher, als bei Flötner. Die Personen, in antiker Gewandung, die Männer meist bärtig, sind schlank und muskulös, elegant in Haltung und Bewegung, die Gestikulation der Hände von dramatischer Bewegtheit, ohne daß ein störend unruhiger Eindruck hervorgerufen würde. Die Tiere, die meist gallopierend dargestellt werden, sind ebenmäßig und natürlich gebaut. Bei dem Anblicke der Werke des H. G., die sich ausnahmslos durch vorzügliche Komposition und Perspektive auszeichnen, wird man sich des Eindruckes nicht erwehren können, daß man es mit einem hervorragenden Künstler zu thun hat. [Illustration] [Illustration: Taf. I. Aus der Plakettensammlung (I.).] [Fußnote 54: Ein interessantes Beispiel einer Compilation aus verschiedenen Vorlagen zu einem Gesamtbilde bietet eine Plakette im Goethemuseum (Schuchardt, Goethes Kunstsamml. II, S. 23. Nr. 34) zu Weimar, die von einem Meister herrührt, der sich in seinen sämtlichen Arbeiten eng an Jost Amman anschließt und von dem auch unser Museum eine Reihe von Plaketten besitzt. Dargestellt ist die Erbauung Carthagos durch Dido. Fast sämtliche Vorbilder halten die Neuwen Liuischen Figuren des Jost Amman, Frankfurt 1573, geliefert. Dido und König Jarbas, zwei mit dem Zerschneiden der Kuhhaut beschäftigte Männer und die beiden, die mit den Lederstreifen das gekaufte Land umziehen, sind Tafel XL entnommen. Die Begleitung Didos ist nach Tafel XLIIII »Amilcar wirt von den Carthaginensern beschickt« gearbeitet, der Krieger links hinter Dido findet sich Taf. VII »Numa Pompilius der andere König in Rom«, während uns der barhäuptige Mann mit hohem Stehkragen und Schnürenrock auf Seite J 2b (Psalmo I) der Neuwen Biblischen Figuren von Amman, Frankfurt 1569, begegnet. Und obgleich die einzelnen Teile auf diese Weise zusammengesucht sind, sind sie doch in einer Art zusammengestellt, die uns vor dem Kompositionstalente des Künstlers die größte Hochachtung abnötigte.] Unsere Sammlung besitzt von H. G. nachfolgende Stücke vgl. Taf. I: 1) Scylla und Minos. K. P. 203. Katal. 528 (dort irrtümlich Aeneas und Dido bezeichnet). Rund. Durchm. 0,182 m. Bleiguß. In der Mitte der Platte Minos, nach links gallopierend, mit Helm bedeckt, in der Linken den Feldherrnstab haltend, den er auf die Hüfte stützt. Links von ihm ein barhäuptiger Mann in begrüßender Stellung, rechts ein Krieger mit Helm und Lanze. Im Vordergrunde zwei sitzende Krieger, den Rücken dem Beschauer zugewandt. Weiter im Hintergründe sieht man rechts die Krieger des Minos, links drei Frauen der Scylla. Letztere ist zweimal vertreten: wie sie von einem Turme aus Minos zuwinkt und wie sie, von einer Frau begleitet, ihrem Geliebten das Lebenshaar ihres Vaters Nisos zuträgt. Sämtliche Personen in antiker Gewandung. Im Hintergrunde Meer mit Delphinen und Schiffen, Architektur etc. Vorn unten auf der Platte befindet sich ein Baumstumpf mit der Inschrift: 1569 H G. Geflechtartige Umrahmung. Das Vorbild zu dieser Darstellung finden wir in Johan. Posthii Germershemii tetrasticha in Ovidii metamor. lib. XV. quibus accesserunt Vergilii Solis figurae elegantiss. & iam primum in lucem editae. Frankfurt, Feyerabent. 1563. 8. S. 91. Die Scenerie ist hier allerdings bedeutend einfacher, da Solis den Gegenstand in zwei Holzschnitten behandelt. Solis ist aber auch nicht der Erfinder, sondern er hat fast sämtliche Abbildungen zu den Metamorphosen aus La vita et metamorfoseo d'Ovidio, Figurato & abbreuiato in forma d'epigrammi da M. Gabriello Symeoni. A Lione per Giouanni di Tornes, 1559. 8. übernommen[55]. [Illustration] [Fußnote 55: Die Holzschnitte in der Ausgabe des Posthius sind dieselben, wie die in der gleichfalls 1563 bei Feyerabent erschienenen Ausgabe der Metamorphosen, die Nagler, Monogr. III, N. 570, 5 citiert. Die Abbildungen des Virgil Solis sind im Vergleich zu der Lioner Ausgabe von 1559 gegenseitig, vergrößert und nur vereinzelt mit geringen Änderungen versehen. (Über die Offizin des Jean de Tournes in Lion cf. J. Reimers, Peter Flötner. 1890. S. 33 ff.). Solis hat aus der Lioner Ausgabe die Abbildungen S. 36, 43, 57, 67, 77, 80, 84, 85, 88, 101, 118, 127, 176, 181, 182, 186, 187 nicht übernommen. Entweder sind die betreffenden Scenen gar nicht, oder selbständig von Solis bearbeitet. Zu den letzteren, die also nicht auf die Lioner Ausgabe zurückzuführen sind, gehören in der Ausgabe des Posthius die Holzschnitte: S. 71, 72, 74, 83, 101, 109, 113, 117. Holzschnitt S. 27 (bei Posthius) hat unten in der Mitte das Monogramm des Holzschneiders -BV- mit dem Schnitzmesser links, was bei Nagler, Monogr. I. N. 2096 nachzutragen ist. Ebenso gibt Nagler, Monogr. III, N. 570, 5 nur 6 Holzschnitte an mit dem Zeichen des Holzschneiders [Zeichen: b]. Dieses Zeichen findet sich indessen, in verschiedenen Größen, auch auf den Schnitten: Met. IV, 9 Perseus befreit Andromeda. V. 4 Pyreneus von den Musen gestraft. V, 7 Ceres verwandelt einen Knaben in eine Eidechse. IX, 7 Byblis verfolgt ihren Bruder. XII, 1 Opferung der Iphigenie. XIII., 10 Aeneas trägt seinen Vater aus dem brennenden Troia.] Für die weitere Verbreitung und Benutzung der Plakette stehen mir zwei Beispiele zu Gebote. Erstens besitzt unsere Kupferstichsammlung unter Nr. 4015 eine Punzenarbeit (siehe die verkleinerte Abbild, im Text), die von einer nicht sehr geschickten Hand nach der Plakette gearbeitet wurde. Der Stich erscheint natürlich gegenseitig, die Perspektive mangelhaft, auffallend schlecht besonders in der Gruppe der Krieger, an die Stelle von Gräsern und Büschen hat der Copist häufig einfach Steine treten lassen. Monogramm und Jahreszahl auf dem Baumstumpf fehlen. Solcher Punzenarbeiten sind uns eine große Anzahl erhalten. Sie entstammen den Goldschmiedewerkstätten und dienten als Vorlagen für Treibarbeiten. Die Zeichnung wird auf die Kupferplatte übertragen und die Umrißlinien mit Punzen eingeschlagen. Die Linien bestehen daher aus einzelnen Punkten, und, um dem Treiber anzugeben, welche Partien höher und welche flacher im Relief gehalten worden sollen, werden die Punkte je nachdem tiefer oder flacher, dichter an einander, oder weiter von einander abstehend eingetrieben. Schattengebung ist für die Zwecke der Punzenarbeiten überflüssig, und erst, als auch diese Gattung in der zweiten Hälfte des 16. Jahrh. sich zu selbständigen Kunstwerken ausgestaltete, finden wir auch den Schatten beigefügt. Bei unserem Stich, der nach der Art seiner Behandlung lediglich den Zweck einer Vorlage gehabt hat, ist auffallend die Ursache seines Entstehens. Wozu war ein Stich nötig, nachdem das Vorbild in Form einer Plakette, also eines brauchbareren und praktischeren Modells schon gegeben war? Es mag wohl der Grund darin zu suchen sein, daß mit der Vervielfältigung einer Plakette immerhin manche Umständlichkeiten verknüpft waren, daß ihre Aufbewahrung größere Sorgfalt verlangte, wenn die Einzelheiten, Baumschlag, Gesichtszüge etc., nicht, wie wir es an vielen Beispielen in unsern modernen Sammlungen noch sehen können, gedrückt, abgerieben und unkenntlich gemacht werden sollten. Wir müssen annehmen, daß die Goldschmiede der damaligen Zeit ausnahmslos gewandte Zeichner und geschickte Techniker waren, die Umsetzung einer Plakette in eine Zeichnung ging ihnen leicht von der Hand und das Arbeiten nach einem Stich bereitete ihnen keine Schwierigkeit. Es tritt uns häufig die Erscheinung entgegen, daß plastische Arbeiten nach einer Plakette im Gegensinne erscheinen. Ich glaube, daß wir in solchem Falle stets einen Stich als Zwischenglied anzunehmen haben. Auch nach unserer Plakette existiert eine Goldschmiedearbeit im Gegensinne, zu der aber nicht die angeführte Punzenarbeit unserer Kupferstichsammlung die Vermittelung gewesen sein kann, sondern zu der wir einen anderen Stich als Vorlage voraussetzen müssen. Die Arbeit, eine silber-vergoldete Schale, befand sich im Besitze Spitzers, und ist abgebildet in »La collection Spitzer« III, orfèvrerie civile Pl. VIII. Die Beschreibung lautet dort (S. 25 Nr. 66): «A I'intérieur de la coupe est figurée la légende de Scylla. Nisus (?), vêtu en guerrier antique, monté sur un cheval au galop, occupe le centre de la composition. A droite et à gauche, des groupes de guerriers (!). Au fond, on aperçoit Scylla tenant à la main la mèche de cheveux qu'elle a coupée a son père; on la voit encore sur le haut d'une tour qui fait partie de l'enceinte d'une ville, au dernier plan: fond de paysage et de fabriques. Sur le bord de la coupe, à l'intérieur, est gravée l'inscription suivante qui explique le sujet: Quid non cogit amor testis Niseia virgo | ausa in purpurea regna pater[56] coma | fatali tondere manu quid moenibus hostem | arces, hoste magis nata timenda tibi est. Heu quanto stetit unius tonsura capilli Scylla tibi en tecum patria versa tua est nil agis at vobis male sit nox somne cupido quorum opera tantum suscipere ausa scelus. (?) Sur le bord de la coupe, à l'intérieur, un poinçon: un écusson chargé d'un V. In Bezug auf die Landschaft ist der Meister dieser Arbeit sehr selbstständig vorgegangen, sie hat durch seine vereinfachende Behandlungsweise eher gewonnen, als verloren. Die manirierten Wolken sind verschwunden, die Architekturteile aber sind sehr mäßig ausgefallen. Der linke Eckturm der Stadt im Vordergrunde ist völlig mißraten. Scylla hat, in näherer Anlehnung an Solis, einen großen Busch Haare in der Rechten, damit an der Bedeutung ihrer Person kein Zweifel sein kann. Der Baumstumpf mit dem Monogramm und der Jahreszahl fehlt. [Fußnote 56: Auf der Platte steht deutlich und richtig paterna.] 2) Verkleinerter Ausschnitt aus der unter 1) angeführten Darstellung von Scylla und Ninos. Copie. K. P. 888. Kat. 531. 0,05 × 0,45 m. Bleiguß. 3) Eberjagd. K. P. 461. Kat. 530. Rund. Durchm. 0,17 m. Arabeskenartige Umrahmung. Bleiguß. Ein nach links gallopierender Reiter in antiker Gewandung, mit Federhut, in der Linken einen Jagdspeer schwingend und ein Jäger mit der Saufeder dringen auf einen von 4 Hunden angefallenen Eber ein. Im Vordergrunde rechts auf einem Baumstumpf 1570 H. G. 4) Tod des Adonis. Von Jagdscenen umgeben. K. P. 204. Kat. 605. Rund. Durchm. 0,159 m. Bleiguß. Adonis, nackt, liegt nach rechts im Schoße der bekleideten Venus, von links beugt sich Amor zu ihm nieder, im Vordergrunde Schild, Horn, Jagdspeer und Mantel. Im Hintergrunde sieht man nach rechts den Eber enteilen. Durchm. des Mittelstücks incl. des umrahmenden Kranzes 0,065 m. Der Rand ist in einer Breite von 0,042 m von Jagdscenen bedeckt, unter denen sich die bei 3) aufgeführte mit geringen Änderungen rechts oberhalb der Venus wiederholt. Der Jäger steht nicht links, sondern rechts vom Eber und hat die Saufeder bereits dem Wild in die Seite gestoßen. Den Reiter sehen wir, etwas verändert, links von der Gruppe. 5) Der Angler. K. P. 205. Kat. 529. Durchm. 0,17 m. Umrahmung wie bei 1). Bleiguß. Im Vordergrunde links sitzt ein nach rechts gewandter Mann am Ufer eines Flusses und angelt. Ein Korb hängt über einem Zweige im Wasser, ein zweiter steht am Ufer. Der Fluß ist belebt durch Vögel, Fische und Kähne. In der reichausgestatteten Landschaft bemerkt man rechts eine Mühle, links antike Gebäudeteile. Rechts dem Angler gegenüber befindet sich auf einem Baumstumpf die Inschrift: 1570. H. G. 6) Vulcan und 3 Cyclopen mit schmieden beschäftigt. K. P. 202. Kat. 602. Rund. Durchm. 0,17 m. Kranzartige Umrahmung. Bleiguß. Vulcan, vor einem Ambos in offener Landschaft sitzend, und 3 stehende Cyclopen schmieden. Links die Feueresse, rechts Venus, die ihre rechte Hand auf Amors Haupt gelegt hat. Sämtliche Personen sind nackt. 7) Das Urteil Salomonis. K. P. 208. Kat. 603. Rund. Durchm. 0,17 m. Umrahmung ähnlich wie bei 3). Bleiguß. Salomo, bartlos, sitzend in freier Landschaft, mit Scepter in der Rechten, vor ihm ein Scherge, der in der linken Hand das lebende Kind am Bein, in der Rechten das Schwert hält. Im Vordergrunde die beiden klagenden Weiber, zwischen ihnen noch einmal das Kind, liegend. Im Hintergrunde zwei bärtige Männer, deren einer das Liktorenbeil trägt. Rechts turmartiges Gebäude, von dessen Brüstung, ähnlich wie bei 1), ein Weib herunterschaut. Aus der Thüre, von der eine Treppe zum Erdboden führt, tritt eine Person mit einem Korbe in der Hand. Schuchardt. Goethes Kunsts. II. S. 26 Nr. 74. 8) u. 9) Hirsch- und Eberjagd in der Art des H. G. K. P. 254 u. 253. Kat. 548. 549. 0,022 × 0,093 m. Bleiguß. Ein Hirsch, nach links entfliehend, wird von Jägern und Hunden verfolgt. Ein Reiter mit Jagdhorn. Im Vordergrunde links ein Kreuz. In der Mitte ein Reiter mit Jagdspeer, rechts ein von Hunden angefallener Eber, links laufender Mann mit zwei Hunden. Nagler, Monogr. III. Nr. 974 erwähnt: »In der fürstlichen Sammlung zu Wallerstein befindet sich ein Pulverhorn mit einer runden getriebenen und vergoldeten Platte, welche den Saturnus vorstellt, wie er die nackte Wahrheit der aufgehenden Sonne entgegenführt. Ein düsterer Dämon sucht sie vergebens wieder niederzuhalten, denn schon schwebt die Friedenstaube über dem Lande. Die Umschrift besagt: Abstrusum Tenebris Tempus Me Educit In Auras. -- H. G. 1570.« Leider konnte mir eine Abbildung oder nähere Beschreibung dieses Pulverhorns nach gütiger Mitteilung des Herrn Bibliothekar Dr. Grupp augenblicklich nicht zur Verfügung gestellt werden, wohl aber ist mir durch die Liebenswürdigkeit der Verwaltung der archaeologischen Abteilung des Darmstädter Museums der Abguß einer Plakette zugegangen, die zweifellos das Modell zu der Platte des Pulverhorns darstellt. Die Plakette, rund, hat einen Durchmesser von 0,083 m., ohne den mit der Inschrift versehenen Rand 0,063 m. Die Darstellung entspricht genau der Beschreibung Naglers. Aber das erste Wort der Umschrift lautet nicht Abstrusum, sondern ABSTRVSAM, außerdem steht noch in der inneren Plakette mit kleineren Buchstaben: VERITAS· FILIA· TEMPORIS· Wenn Nagler also richtig zitiert, so hätten wir hier einen Beweis dafür, daß die Plakette nicht als Andenken von einer ausgeführten Treibarbeit abgegossen ist, sondern daß der Meister zunächst die Plakette herstellte, um nach ihr zu arbeiten, dann aber bei der Platte für das Pulverhorn den Fehler des Modells nicht nachahmte, sondern korrigierte. Ein zweites Exemplar dieser Plakette, weit besser erhalten als das Darmstädter, aber ohne Rand, also auch ohne das Monogramm, befindet sich in Kassel. Eine Photographie davon verdanke ich Herrn Prof. Dr. K. Lange. Es gehört dieses Stück zu den besten Arbeiten des Meisters H. G. Von den Nachfolgern Flötners steht unserem Plakettisten in der Behandlung von figürlichen Darstellungen der durch eine große Reihe von Punzenarbeiten bekannte Meister J. S. am nächsten. Was A. Winkler im Jahrbuch der kgl. preuß. Kunstsammlungen Bd. XIII, S. 100 von diesem schreibt: Besonders charakteristisch ist die Behandlung der Landschaft, zumeist eine Verbindung deutscher Fluß-, Dorf- und Städtelandschaft mit antik-römischen Reminiscenzen paßt ebenso auf Flötner und H. G. Auch die Wassermühle, die übrigens auch Jost Amman gern verwendet, ist ein bevorzugtes Motiv beider. Endlich erinnere ich noch an die Ähnlichkeit der Wolkenbehandlung zwischen H. G. und I. S. Lauter _ähnliche_ Motive, die doch von jedem einzelnen Meister in origineller Weise wieder durchgebildet sind, die aber auf eine gemeinsame Schule schließen lassen, welche von Flötner ausgegangen ist. _Nürnberg._ Dr. _F. Fuhse_. Oswald und Kaspar Krell. (Vergl. Dürers Porträt Oswalds in der Münchener Alten Pinakothek.) Wie bei jedem Kunstwerk das Verständnis des Gegenstandes, des Inhalts, dessen, was der Künstler hat ausdrücken wollen, eine der Hauptbedingungen des künstlerischen Genusses ist, so auch beim Porträt: richtig beurteilen und voll würdigen können wir eine Leistung auf diesem Gebiete erst, wenn wir mit dem Gegenstande -- hier also der Persönlichkeit des Dargestellten -- bekannt gemacht sind. Aus diesem Grunde werden auch einige Aufschlüsse über Oswald Krell, die sich mir bei Gelegenheit anderer Studien in den hiesigen Archiven ergeben haben, vielleicht um so mehr willkommen sein, als bisher über diesen Mann nichts weiter bekannt war, als daß Dürer im Jahre 1499 sein Bildnis gemalt hat[57]. Wohl mit Recht vermutet Thausing (Dürer I, 193), daß es das erste Porträt war, das von dem jugendlichen Meister auf ausdrückliche Bestellung gemalt wurde, denn schon das Aussehen des Mannes ist nicht der Art, daß man sich dadurch hätte angezogen fühlen können. »Es ist keine einnehmende Persönlichkeit«, sagt Thausing, »die hier in aller Herbigkeit ihrer Erscheinung dargestellt ist. Der knochige, bartlose Kopf des jungen Mannes ist etwas nach links gewandt, und ernst, fast mürrisch, blicken die Augen aus den äußersten Winkeln heraus.« Diese von dem in der königl. Pinakothek zu München befindlichen Bilde abgelesene kurze Charakteristik wird durch einen Blick auf die Thatsachen, die wir aus dem Leben Oswald Krells und über seine Familienverhältnisse beibringen können, im wesentlichen bestätigt -- gewiß ein Zeichen für die hohe Kunststufe, welche Dürer als Porträtist bereits zu Ausgang des 15. Jahrhunderts erreicht hatte. Das Geschlecht der Krell oder Kreel gehört zu den Nürnberger Ehrbaren Familien. In einer Urkunde vom 16. August 1490 kommt ein Franz Krell mit dem Zusatz der «Erbar» als Mitglied des größeren Rates vor[58]. Oswald erscheint in den im Kreisarchiv Nürnberg verwahrten Ratsprotokollen zuerst im Jahre 1497, wo über ihn und Wolf Ketzel vom Rat eine Strafe verhängt wird, weil sie einen ehrsamen Bürger[59], den Hans Zamasser, in einem Fastnachtsspiel als Narren verhöhnt haben. Sie sollen dafür einen Monat »auf einen versperrten Turm« wandern, es wird ihnen aber freigestellt, sich von der Hälfte dieser Strafe mit Geld loszukaufen. Alles bittliche Ansuchen hilft dagegen nichts, nur ein Aufschub der Strafe, d. h. ihrer Abbüßung, wird den beiden Übelthätern endlich gewährt[60]. Freilich kommt in den Notizen, die sich auf diesen Fall beziehen, der Name Krell überhaupt nicht vor. Es heißt nur »Oswald, der Gesellschaft von Ravensburg Diener«; da aber nach einer ziemlich gleichzeitigen Urkunde im Nürnberger Stadtarchiv Oswald Krell damals in der That »ein diener vnd handler (an anderer Stelle heißt es: »factor vnd handler«) der gesellschafft zu Rauenspurg« war, so ist an seiner Identität mit jenem losen Spötter nicht zu zweifeln[61]. [Fußnote 57: Vgl. T. de Wyzewa in der Gazette des Beaux-Arts 1890, 1. August: »Oswald Krell réalise l'idéal de l'obscurité et du peu d'importance; on n'a pu découvrir ni d'où il venait, ni qui il était, et rien ne nous est resté de lui, à part son nom et son image.«] [Fußnote 58: Freiherrl. von Holzschuhersches Archiv (im Germanischen Museum) Perg.-Urk. vom 16. Aug. 1490.] [Fußnote 59: Nach Aufzeichnungen Lochners im Nürnberger Stadtarchiv, deren genauere Bezeichnung -- es handelt sich um eine Randbemerkung in den sogenannten Selekten -- ich mir leider nicht gemerkt habe, besaß ein Zamasser ein Haus am Markt in der Nähe der Fleischbrücke.] Viele Jahre hören wir nichts mehr von ihm. Dann taucht sein Name plötzlich wieder auf; aber inzwischen ist aus dem Handlungsdiener, der die Interessen einer fremden kaufmännischen Gesellschaft[62] wahrzunehmen hatte, ein selbständiger Mann, wie es scheint ein angesehener Kaufherr zu Lindau im Bodensee[63] geworden, dessen Bürgschaft in einer Kriminalsache von dem Rat zu Nürnberg gewünscht wird. Wiederum ist es keineswegs ein sauberer und für seine Familie ehrenvoller Handel, in den Oswald hineingezogen wird, wenn diesmal auch nicht er, sondern sein Bruder Kaspar Krell der Schuldige war. Der ziemlich abenteuerliche Hergang dieser Angelegenheit bietet manches sittengeschichtlich Interessante, und so will ich ihn hier in Kürze erzählen, obgleich dabei für das Verständnis des Dürerschen Gemäldes, von dem unsere Betrachtung ausging, nicht mehr viel zu gewinnen ist. [Fußnote 60: [R(ats)-P(rotokolle) 1497 (Heft) II, (Blatt) 15b] Tercia post domini oculi (_28. Febr._) _1497_: Es ist bey einem erbern Rat erteylt wolff ketzel vnnd den oßwalt der geselschafft von Rafenspurg diener, yr yden ein monat vff ein versperten thurn, zu straffen, den halben teyl mit dem leyb zuuerpringen aber den anndern halben teyl mag Ir yder mit dem geltt darauff gesetzt ablosen, Darumb das sie Hannsen Zamasser, mit einem faßnacht Spil als ein narren gehondt haben. [R.-P. 1497, II, 17a] Quinta post domini Oculi (_2. März_) _1497_. Es ist erteylt, In der sachen Zwischen dem Zamesser, vnd wolffen ketzel auch dem oßwalt, das es ein erber Rat bej der straff die In vormalen Im Rat erteylt ist entlich sol pleyben, vnd kein enndrung dar Innen thun lassen. [R.-P. 1497, III, 9b] Tercia post domini palmarum (_21. März_) _1497_: Es ist abermalen Im Rat erteylt das es bej der straff die [man] dem ketzell vnnd dem Oßwallt von wegen des Zamasserß auffgelegt hat, nochmalen sol pleyben. [R.-P. 1497, IV, 13b] Quinta post misericordiae dominj (_13. April_) _1497_: Oßwallten der gesellschafft von Rafenspurg diener ist frist zu seiner straff geben bis vff pfingsten. [R.-P. 1497, VI, 16b] Tercia post Viti (_20. Juni_) _1497_: Wo der oßwalt sein straf itzo halbe wil verpringen sol [man] Im zu dem anndern Halben teyl biß vff Jacobj frist geben. [R.-P. 1497, VII, 4a] Tercia post Johannis Baptiste (_27. Juni_) _1497_: Es ist abermalen erteylt das Oßwalt sein straff verpringen sol wie am nachsten im Rat erteylt ist.] [Fußnote 61: Stadtarchiv. Libri litterarum. Bd. X. Fol. 82b, leider ohne Datum, aber ohne Zweifel in die neunziger Jahre des 15. Jahrhunderts gehörend. Es handelt sich um Summen, welche Hieronymus Behaim, Bürger zu Nürnberg und Blasius Krieg zu Breslau verschiedenen Leuten für gelieferte Kaufmannswaren schuldig sind. Unter den Gläubigern erscheint auch Oswald Krell, der 248 Gulden zu fordern hat.] [Fußnote 62: Ohne Zweifel jene große patrizische Handelsgesellschaft zu Ravensburg, an deren Spitze im 15. Jahrhundert die uralte Familie Hundbiß stand. Vgl. darüber F. Hafner, Geschichte von Ravensburg (1887) S. 94, 269, 441 u. ö.] Im Februar des Jahres 1511 wurde Kaspar Krell von Lindau wegen mancherlei Diebereien plötzlich festgenommen und unter Androhung der Folter verhört. Welcher Art seine Diebstähle gewesen sind, geht aus den Ratsprotokollen nicht mit Sicherheit hervor. Er gestand sie aber ein und würde auf dem für ihn angesetzten »ernstlichen Rechtstag« vermutlich zum Tode durch den Strang verurteilt worden sein, wenn sich nicht hochgestellte Persönlichkeiten: der Bischof von Regensburg, Kurfürst Friedrich von Sachsen, die kaiserliche Majestät selbst für ihn verwendet hätten. Die Wichtigkeit, welche der Sache beigelegt worden zu sein scheint, dann der Umstand, daß wir Kaspar Krell einmal im Verein mit einer ganzen Anzahl anderer Häftlinge erwähnt finden, läßt vermuten, daß wir es in ihm mit keinem gewöhnlichen Diebe, sondern eher mit einem Strauchritter, sogenanntem Placker, oder etwas Ähnlichem zu thun haben, der sich vielleicht guter Beziehungen zu den verschiedenen fürstlichen Höfen erfreute. Kaiser Maximilian befürwortete sogar seine Freilassung. Darauf aber konnte sich der Rat nicht einlassen. Er sicherte ihm zwar auf das Drängen der Fürsten das Leben zu, ließ aber Kaspar Krell bis auf Weiteres im Loch liegen. Der Probst von St. Sebald wurde beauftragt, der kaiserlichen Majestät die Gründe für dieses Verhalten des Rates auseinander zu setzen und sein Schreiben gleich so einzurichten, daß »Ir Mt an ainen Rate ainich weitter Mandata nit außgeen lass, denselben Caspar frey ledig zu geben, in ansehung was sich ain Rate bey Ime besorgen müß.« Aber im Grunde wäre man doch -- gegen die nötige Sicherheit -- des gefährlichen Menschen gern ledig gewesen, zumal man nicht recht wußte, was man nun mit ihm anfangen sollte. Man ließ ihn Urfehde schwören, glaubte sich aber dadurch noch keineswegs genügend gegen neue Schädigung und Anfeindung von seiner Seite gedeckt und trat daher gleichzeitig in Unterhandlungen mit den von Kaspar Krell selbst vorgeschlagenen Bürgen. Seiner »Freundschaft«, die sich wohl gleichzeitig für ihn verwendet hatte, ward angesagt, man sei geneigt, falls außer ihnen noch Kaspars Eltern, sowie sein Bruder Oswald Krell in Lindau zur Stellung der nötigen Sicherheit zu bewegen sein würden, solche Bürgschaft gelten zu lassen. Das aber machte Schwierigkeiten. Die Krellen in Lindau konnten sich mit dem Rat nicht so bald über die als Bürgschaft zu zahlende Summe einigen, und während die Verhandlungen noch schwebten, geschah etwas, das eine wesentliche Verschlechterung der Lage Kaspars im Gefolge haben sollte. Die Maid des alten Lochhüters -- gemeint ist wohl seine Tochter -- hatte sich in den Gefangenen verliebt, und mit ihrer Hilfe machte Kaspar einen Fluchtversuch, der aber mißlang. Gebunden ward er in das Loch zurückgeschafft, dort in Ketten gelegt und aufs Neue mit der Folter bedroht. Vielleicht hat man sie ihm auch zu kosten gegeben, doch reichte wahrscheinlich die Beschaffenheit des Lochgefängnisses allein hin, auch einen starken Mann mürbe und den gesundesten krank zu machen; das können wir aus einigen Andeutungen schließen. [Fußnote 63: Wenn zu Anfang des 16. Jahrhunderts von Lindau ohne weiteren Zusatz die Rede ist, ist wohl immer Lindau i. B. gemeint. Über dessen Bedeutung für den damaligen Handelsverkehr s. L. v. Ranke, Zur deutschen Geschichte (Sämtliche Werke. 3. Aufl. 1888. VII. Bd.) S. 34.] Inzwischen war es wieder Winter geworden. Zu Anfang des neuen Jahres 1512 bat der Gefangene, beichten und das heilige Sakrament empfangen zu dürfen. Beides wurde ihm gewährt und außerdem zugelassen, daß er alle Samstag ein Licht in seinem Kerker brennen möge, ein Gnadengesuch seiner Geliebten jedoch, von der es hieß, daß Kaspar sie im Loch zur Ehe genommen habe, abschlägig beschieden. Zugleich ließ der Rat unter der Hand und durch allerlei Mittelspersonen erneute Versuche machen, namentlich Oswald Krell zu den gewünschten, volle Sicherheit verbürgenden Zugeständnissen zu bewegen. Sogar dem Lochhüter ward einmal ein Wink gegeben, Gelegenheit zu bieten und zu verstatten, daß Kaspar Krell wieder an seine Freundschaft schreibe. Aber Oswald blieb hart. Im September erkrankte Kaspar; so dürfen wir wohl aus der Mitteilung schließen, daß ihm eine Hauptwaschung und Aderlaß erlaubt wurde. Ein Schermesser, besagte die Verordnung, dürfe aber nicht an ihn kommen. Vermutlich wollte man ihn in recht verwahrlostem, bejammernswürdigem Zustand seinen Verwandten gegenübertreten lassen, deren Ankunft man erwartete. Aber noch bis zum November blieben diese aus. Dann erst, als die Brüder Kaspars -- ob Oswald darunter war, wird nicht gesagt -- eingetroffen waren und im Beisein Nikolaus Hallers eine Unterredung mit ihrem elenden Bruder gehabt hatten, kamen endlich die Unterhandlungen über die zu leistende Bürgschaft in rascheren Fluß. Die nächste Folge davon war, daß Kaspar aus dem Loch in »das obere Stübchen« umquartiert wurde; doch blieb er auch hier noch mit einer Kette an die Wand geschlossen. Immerhin fehlte nicht viel und es wäre unter vergeblichen Hin- und Herschreibereien zwischen Nürnberg und Lindau auch dieses Jahr zu Ende gegangen. Da kam kurz vor Jahresschluß die Befreiung. Auf Grund welcher Vereinbarung sich der Rat dazu verstand, ist uns nicht überliefert. Wir hören nur, daß am 29. Dezember dem Kaspar Krell sein Geld und seine Kleider, die ihm bei seiner Einlieferung ins Gefängnis abgenommen worden waren, wieder ausgehändigt wurden. Nur ein Becher, der vermutlich zu den ehemals geraubten Gegenständen gehörte, verblieb zunächst in den Händen des Rats, »ob sich vielleicht jemand finde, dem er zustehe.« Das ist die letzte Notiz über Kaspar Krell, und auch Oswalds Name kommt seitdem in den Nürnberger Ratsprotokollen nicht wieder vor[64]. [Fußnote 64: Ich gebe hier im Zusammenhang diejenigen Ratsverlässe, welche der vorstehenden Darstellung des Falles Kaspar Krell, zu Grunde liegen: [R.-P. 1510, XII, 4a] Secunda Scolastice (_10. Febr._) _1511_: Casper Krell vmb weitter dieberey zu red hallten, wo er gutlich nit sagen will weethun. [ebenda, 5a] Tercia post Scolastice (_11. Febr._) _1511_: Caspar Krellen von Lindaw ist vmb sein geubter vnd bekandte dieberey auff nachsten Pfincztag ein ernstlicher recht tag gesatzt. [ebenda 7b] Quinta post Scolastice (_13. Febr._) _1511_: Herzog Friedrichen von Sachsen Churfursten anzaigen das vff sein und deß Bischoffs von Regenspurgs Furbitt Caspar kreel deß lebens gesichert sey. [ebenda 10b] Tercia post Juliane (_18. Febr._) _1511_: Die vrfehd vnd purgschafft Caspar krells soll man allso seiner freuntschafft, wie die gelesen Ist, furhallten, vnd Inen ain abschrifft dauon geben. [ebenda 13b] Sabato Petrj ad kathedram (_22. Febr._) _1511_: Vff furbitt Herczog Friedrichs von Sachsen Churfürsten sind diese hernach geschribne personen begeben vnd Ihnen Ir uffgelegte straff nachgelassen vnd gesichert nemlich Steffan Fellnstain desgleichen Hans banntzer wo er sich mit deß entleibten freuntschafft vertregt, deßgleichen Bernhardin Mewes wo er sich mit der widerparthey vnd ainem Rate verträgt. [14a] Aber diser Person halben Ist deß Herczogen furbitt gelaint nemlich Hanns Schrecken Leonhardten werner Margrethe wegerheim Hansen Krafftshofer, Mathes Henlin Kungund Gollnerin Hannsen Widmann zue klainrewt Conntzen Schmid Fritzen gast Hannsen Ennter Fritzen kolben. Vnd Caspar Krell soll Im loch bis vff vollziehung der purgschafft ligen bleiben. [R.-P. 1510, XIII, 18a] Sabato post Oculj (_29. März_) _1511_: Caspar Krellen freundschafft Soll man ansagen, wo Sy irn Freund Oßwald Krellen zu Lindaw vermugen, so woll man den zusampt Inen vnd des Caspars vater und mutter zu pürgen annemen. [R.-P. 1511, II, 4b] Secunda post vocem Jocunditatis (_26. Mai_) _1511_: Caspar krellen bruder sagen Soll morgen wider vmb antwt manen. [ebenda 5a] Tercia post Vrbanj (_27. Mai_) _1511_: Caspar Krellen soll man noch (vnentschlossen was enndtlich mit Ime zu handeln sey) allso ligen lassen, vnd dem Brobst Sebaldj schreiben ainen Rate vff der k. Mt schrifft seiner halben zuuerantworten vnd zufurkomen das Ir Mt an ainen Rate ainich weitter Mandata nit außgeen lass denselben Caspar frey ledig zu geben In ansehung was sich ain Rate bey Ime besorgen müß. Vnd Casparlins freunden Anntwt zu geben ain Rate wöll vff Ir schrifft selber anntwurt geben, vnd dann der angepotten purgschafft halben hab ain Erber Rate Inen vor lawttern beschaid vnd anntwt geben dabey lass es ain Rate bleiben. [R.-P. 1511, III, 1b] Sabato post corporis Christi (_21. Juni_) _1511_: Den krellen zu Lynndaw so ytzo Irs Sons vnd brvders halben Caspar krelln geschriben haben antwt zu geben ain Rate hab denselben Caspar deß lebens vff furbitt der fursten vnd gnugsam purgschafft so man ainem Rate verwendt hab gesichert vnd darumb sey ainem Rate Ir angepottne purgschafft alls vngnugsam nit annemlich. [ebenda 8b] Secunda post pet. & paulj (_30. Juni_) _1511_: Caspar Krellen weitter der maid halben Im Loch die Ime zu seiner erledigung hanndtreich gethan haben soll zu red hallten, pynnden vnd bedroen. [ebenda 7 u. 9] 2 Notizen ziemlich des gleichen Inhalts. [R.-P. 1511, X, 11a] Secunda post Erhardj (_11. Jan._) _1512_: Caspar Krellen soll man vergonnen zu peichten vnd das heylig Sacrament zu empfahen. Deßgleichen Ist Ime zuglassen das er alle Samstag ain liecht Im loch geprauchen mag doch das Ime allweg ain ketten an das pain gelegt werde. Vnd soll bey dem Blarer haimlich angregt werden damit ain Rate seiner erledigung halb durch oßwald Krellen stattlich angesucht werde vnd das soll thun Caspar Nützel. [R.-P. 1511. XII, 22a] Quarta post Oculj (_17. März_) _1512_: Des alten Lochhüters maid ir begern vmb entledigung Caspar Krellen der Sy im loch zu der Ehe genomen haben soll ablainen. [R.-P. 1512, III, 23a] Secunda post Visitacionis (_5. Juli_) _1512_: Dem Lochhüter soll man wincken das er Caspar Krell zulaß an sein freundschafft zu schreiben. [R.-P. 1512, V, 15b] Quinta post crucis Exaltacionis (_17. Sept._) _1512_: Dem Casperla Krell Soll man vergonnen daß habt waschen ader lassen aber Ime mit keim messer nit Scheren Mit güter gwarsam. [R.-P. 1512, VIII, 14 a] Tercia Othmari (_16. Nov._) _1512_: Des Casperlas Crellen brüder gestatten mit Im zu reden doch In beywesen N. Hallers. [ebenda 14 b]: Casparn Krell soll man In das ober stublin an ainer Ketten verwarn so lang die Verschreibung wider von Lynndaw kompt. [1512. X, 4a] Quarta thome Canthuariensis (_29. Dez._) _1512_: Caspar Krellen soll man sein gelt vnd claider so in seinem fenglichen annemen Zuuerwarung genommen sind wider zustellen Aber den Pecher derweil er den nicht geuordert lennger behalten, ob sich ymand finden wollt, dem er Zustund.] _Nürnberg._ _Th. Hampe._ Zu Baldungs »Madonna mit der Meerkatze«. Herr Dr. Stiassny hatte die Liebenswürdigkeit mich darauf aufmerksam zu machen, daß das neue Bild des germanischen Museums, welches ich im letzten Hefte des vorigen Jahrgangs Hans Baldung zuwies, bereits in der Litteratur erwähnt ist. Es ist dies von Seiten Scheiblers (Repertorium X, 28) und Stiassnys (Wiener Kunstchronik XI. Nr. 28, S. 721) geschehen, aber allerdings in so wenig detaillierenden Ausdrücken, daß eine Identifikation unmöglich war, zumal in Anbetracht der unzähligen Bilder einer »Madonna mit Kind aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts«. Ich hatte mir allerdings schon längere Zeit diese »Madonna bei Postrat Beisch in Stuttgart« auf Grund dieser Zitate notiert, aber da von Seiten des Verkäufers s. Zt. keine Angaben gemacht wurden, so war die Identität der Beisch'schen Madonna mit unserem Bilde in der That absolut unersichtlich. Ich habe nun unser Bild vor ganz kurzer Zeit nochmals mit Hauptwerken des Meisters in Freiburg und Frankfurt verglichen, ferner mit den Handzeichnungen, Stichen und Holzschnitten und muß auf meiner Ansicht beharren: das Bild ist meines Erachtens sicher in Baldungs Atelier entstanden und höchstwahrscheinlich ein Werk seiner eigenen Hand. _Nürnberg._ _Dr. Edmund Braun._ Der Meister der nürnberger Madonna[65]. Treten wir vor ein bedeutendes Kunstwerk, so ist eine der ersten Fragen, die sich uns aufdrängen, wer hat es gemacht. Die Frage ist begreiflich und gerechtfertigt, nicht nur vom Standpunkte des Historikers aus, sondern für jeden verständnisvollen Beschauer. Was uns interessiert, was uns anzieht oder abstößt, ist nicht nur das Kunstwerk als solches, sondern auch die Individualität des Künstlers, welche aus ihm spricht. So viele Irrtümer unvermeidlich unterlaufen, wenn Künstlernamen einzig aus stilistischen Kriterien bestimmt werden, man wird da, wo schriftliche Nachrichten oder gute Traditionen fehlen, immer wieder auf diese Bestimmungsweise geführt werden. Unter den plastischen Werken der beginnenden deutschen Renaissance wird die nürnberger Madonna (G. M. 314, Städtische Kunstsammlung Plastik 5) stets in erster Linie genannt. Vielfach wird sie als das bedeutendste Werk der deutschen Plastik des frühen 16. Jahrhunderts bezeichnet, oft ist sie besprochen, in Abgüssen und Abbildungen ist sie allgemein verbreitet und bewundert. Die Bezeichnung eines Kunstwerkes als bedeutendstes ist stets eine relative, insbesondere besteht zwischen Kunstwerken, bei welchen in erster Linie der intensive Ausdruck der Empfindung angestrebt wird und solchen, welche mehr die formal harmonische Schönheit der Erscheinung betonen, eine ästhetische Antinomie. Erstere haben eine höhere individuelle, letztere eine mehr typische Bedeutung, und unvermeidlich muss bei ihnen der Ausdruck der Gemütsbewegungen um einige Grade herabgestimmt werden. Und doch können zwei Werke dieser beiden Gattungen die gleiche Vollendung besitzen und bezüglich der Gattungen selbst sind wir nicht berechtigt, die eine der anderen überzuordnen. Wohl aber sind wir darüber klar, daß erstere mehr dem malerischen, letztere mehr dem plastischen Ideal entspricht. Die nürnberger Madonna, welche wohl mit Recht als Teil einer Kreuzigungsgruppe betrachtet wird, gehört zu letzterer Gattung. Die Figur ist das Werk eines großen Künstlers, welcher an formaler Begabung, an reinem Schönheitssinn alle seine Zeitgenossen überragt. Eine so ungewöhnliche Sicherheit des plastischen Könnens ist Niemanden angeboren, sie wird nur allmählig in ernster Arbeit erworben. Es ist ganz ausgeschlossen, daß der Meister nur diese eine oder nur wenige Arbeiten geschaffen habe. Solche sind aber bis jetzt nicht bekannt geworden. Ob ihm die Pietà in der S. Jakobskirche in Nürnberg zugewiesen werden darf, ist zum mindesten fraglich. Daß aber das ganze Werk eines so großen Meisters bis auf eine Figur zu Grunde gegangen sei, ist höchst unwahrscheinlich. [Illustration: Nürnberger Madonna.] Halten wir daran fest, daß die Figur eine nürnberger Arbeit ist, und es ist kein ausreichender Grund vorhanden, sie einer anderen oberdeutschen Schule zuzuweisen, so ist längst erkannt, daß sie weder von Veit Stoß, noch von Adam Kraft sein kann. Beide Künstler halten an dem spätgotischen, plastisch malerischen Stile des 15. Jahrhunderts fest, ihre Arbeiten sind von starker und tiefer Empfindung durchweht, welche selbst vor gewaltsamen Stellungen nicht zurückschreckt. Von einer Zuweisung der Madonna an einen von ihnen kann keine Rede sein. Anders stellt sich ein Vergleich mit den Arbeiten Peter Vischers, ein Vergleich, der bis jetzt nicht angestellt wurde. Peter Vischer ist seit den großen Meistern des 13. Jahrhunderts der erste deutsche Bildhauer, in dem die strengsten Stilgesetze der Plastik lebendig sind. Es ist etwas Objektives in seiner Kunst, seine Figuren haben gattungsmäßige, typische Bedeutung. Gegenüber den scharf individualisierten Persönlichkeiten Krafts oder gar Dürers haben seine Menschen etwas Allgemeines. Er individualisiert nicht mehr, als sich mit der harmonisch linearen Schönheit der Gesamterscheinung vereinigen läßt, auf welche sein Absehen in erster Linie gerichtet ist. Demgemäß sind auch die Bewegungen maßvoll und die Gewandung ist von klassischer Einfachheit, die Körperform mehr hebend als verhüllend. Von den untersetzten Verhältnissen der Apostelfiguren am Grabmale des Erzbischofs Ernst von Magdeburg geht er später zu schlanken Proportionen über. Die Apostel am Sebaldusgrab haben sieben und mehr Kopflängen. [Fußnote 65: Auf die stilistischen Eigentümlichkeiten der Figur, welche dieselbe mehr der Metall- als der Holzplastik zuweisen, hat Dr. H. Stegmann schon früher aufmerksam gemacht.] Die charakteristischen Merkmale von Peter Vischers statuarischen Arbeiten, namentlich von den Aposteln des Sebaldusgrabes finden sich wieder an der Nürnberger Madonna. Die plastischen Motive und der Fluß der Linien sind von einer Harmonie und Klarheit, wie sie die deutsche Schnitzkunst vorher nie erreicht hatte. Das Bewegungsmotiv ist von oben bis unten einheitlich durchgeführt, hier stören keine Verrenkungen und Härten wie bei anderen Schnitzwerken der gleichen Zeit. Eine milde Stimmung beherrscht das ganze Werk. Nun sind diese übereinstimmenden Momente an und für sich noch kein Beweis für Vischers Autorschaft, sie gewinnen aber dadurch erheblich an Gewicht, daß Vischer mit seiner plastischen Auffassung in seiner Zeit ganz allein steht. Beobachtungen von Einzelheiten kommen hinzu. Vischer liebt in der Gewandbehandlung lang gezogene Falten, der Fall der Obergewänder ist breit, zuweilen etwas schwer. Auch an der Madonna ist der Faltenwurf ähnlich behandelt. Man vergleiche den Fall des Mantels in beistehender Skizze mit dem der Schwester des Lazarus vom Epithaph der Margareta Tucher. Von der Knitterigkeit, von den barock gebauschten Rändern der Gewänder, wie sie noch Veit Stoß liebt, ist hier keine Spur mehr zu sehen. Auch die Behandlung der Hände und das rund vorspringende Kinn hat in anderen Werken Vischers seine Analoga. [Illustration: Tucher'sches Epitaph.] [Illustration: Nürnberger Madonna.] Endlich aber ist die Figur -- worauf schon Dr. Stegmann aufmerksam gemacht hat -- überhaupt nicht im Holzstil, sondern im Metallstil gedacht und ausgeführt. Die unruhigen, knitterigen und gebauschten Falten der Holzfiguren zielen auf eine malerische Wirkung ab, welche Polychromie und Vergoldung zur Voraussetzung hat; bei unserer Figur ist eine Steigerung der Wirkung durch farbige Behandlung kaum denkbar. Schon die Verteilung von Ober- und Unterkleid ist eine solche, daß durch ein Auseinanderhalten mittels Farbe nur eckige und unschöne Überschneidungen entstünden, welche der plastischen Erscheinung nicht zum Vorteil gereichen würden. Die großen Flächen des Mantels würden in anderer als der dermaligen grünlichen Farbe eben auch nicht viel anders erscheinen als jetzt. Wohl aber würde die ganze Gewandung bei einer Ausführung in Bronze durch die Glanzlichter auf den Höhen und die dunkeln Schatten in den Tiefen der Falten sehr wesentlich belebt werden. Es sei noch darauf hingewiesen, daß der grünliche Anstrich der Figur nicht modern, sondern alt und mehrmals erneuert ist. Mit dem Gesagten ist eine ziemliche Wahrscheinlichkeit für Peter Vischers Autorschaft gewonnen. Es darf indes nicht verschwiegen werden, daß zur Gewißheit manches fehlt. Wenn auch Vischer von den kurzen Verhältnissen der magdeburger Figuren später zu schlankern übergeht, so überschlanke Figuren, wie die nürnberger Madonna sind von ihm doch nicht bekannt. Und die Ausführung ist sorgfältiger, als wir es sonst von Vischer gewöhnt sind. Man möchte vielleicht, wenn man die Autorschaft Peter Vischers bezweifelt, an einen seiner Söhne denken, allein solange wir deren künstlerische Individualität nicht genauer kennen, wird sich auch nicht entscheiden lassen, ob etwa statt des Vaters, einer der Söhne, als Meister der Figur in Frage kommt. _Nürnberg._ _Gustav von Bezold._ Das Gedenkbuch des Georg Friedrich Bezold, Pfarrers zu Wildenthierbach im Rothenburgischen. Durch Schenkung seitens des Herrn Direktors von Bezold ist das germanische Museum letzthin in den Besitz einer Handschrift gelangt, die, wie eine kurze Charakterisierung des Inhalts zeigen wird, manchen willkommenen Beitrag zur Kenntnis insbesondere der Kulturgeschichte des 18. Jahrhunderts liefert. Viele Eintragungen freilich können nur ein beschränktes, lokalgeschichtliches Interesse erwecken, andere dagegen verdienen auch in weiteren Kreisen ohne Zweifel Beachtung. Diese Doppelnatur unseres (mit Ausschluß des Registers und eines später hinzugebundenen Heftes von 41 Seiten mit allerlei biblischen Zitaten und Nachweisen) 658 nummerierte Quartseiten zählenden Manuskripts erklärt sich leicht aus der Lebensstellung und Sinnesart des Sammlers und Schreibers. Es ist der reichsstädtisch rothenburgische Pfarrer Georg Friedrich Bezold, welcher den Codex um die Mitte des vorigen Jahrhunderts, aber gewiß im Laufe mancher Jahre zusammengeschrieben hat. Seine Familie, die seit dem 15. Jahrhundert in Rothenburg nachweisbar ist, gehörte zu den ratsfähigen Geschlechtern und sein Oheim Georg Christoph Bezold stand noch zu Ende des 17. Jahrhunderts dem Rate der freien Reichsstadt als Consul d. h. Bürgermeister vor. Er selbst aber (geb. 1710) hatte, wie sein Vater Johann Albert, der Pfarrer an der Kirche zum heiligen Geist gewesen war, die Theologie zum Lebensberuf erwählt und die Tochter des Pfarrers Johann Michael Stock zur Frau genommen, dessen Geschlecht bereits seit mehreren Menschenaltern der kleinen evangelischen Gemeinde von Wildenthierbach -- auch einfach Thierbach genannt -- ihre Seelsorger gegeben hatte. 1734 starb der alte Pfarrherr, wie es in den genealogischen Notizen auf S. 67 des Gedenkbuches, aus denen wir unsere Kenntnis schöpfen, heißt: »ex improviso bombardae ictu militis Würzburgensis«, und im Amte folgte ihm sein Schwiegersohn, der die Pfarrei bis zu seinem im Jahre 1771 erfolgten Tode bekleidet zu haben scheint. Wenigstens folgte ihm, wie eine spätere Eintragung a. a. O. ergibt, in diesem Jahre als Pfarrer von Wildenthierbach sein Sohn Ernst Albert Bezold. Von seinem stillen Erdenwinkel aus hat der Schreiber unserer Handschrift Jahrzehnte lang dem Treiben der Welt zugesehen. An beschaulicher Muße wird es ihm wohl nicht gefehlt haben, sonst würde er schwerlich große Abschnitte seines Gedenkbuches in zierlicher Druckschrift ausgeführt und, wo etwa seine Vorlagen größere oder kleinere Vignetten und Zierleisten aufwiesen, auch diese mit sorgfältiger Feder wiedergegeben haben. Bewunderungswürdig ist in der That die Ausdauer und Hingabe, mit der er selbst umfänglichere Flugschriften bis auf die Form der Buchstaben getreu kopiert hat. Von ihm selbst rührt in dem Codex nur wenig her. Es sind da vor Allem Aufzeichnungen über Wind und Wetter, Beobachtungen, wie sie dem Landgeistlichen besonders nahe liegen mußten, zu nennen. Die Einkleidung ist zuweilen originell genug und verrät uns bereits die ausgesprochene Vorliebe des Pfarrers für absonderliche, »curieuse« Gegenstände und Geschichten. So zählt er auf Seite 85 in seinen »Anmerkungen über das 1766ste Jahr« »der Nachwelt zum unvergeßlichen Angedenken« acht »Merkwürdigkeiten« des Winters 1766 auf 67, die sich alle lediglich auf die Witterung beziehen, auf. Daß er aber zugleich mit feinem Sinn für Witz und Humor begabt war, zeigen sogar seine »Dicta quaedam breviter explicata« (S. 377 ff.), teils eigene teils fremde Auslegungen von Bibelstellen, in welchen ein schalkhafter Humor nicht selten das theologische Element überwiegt. Da notiert er sich beispielsweise: »1. Tim. VI, 9: Denn die da reich werden wollen, die fallen in Versuchung und Stricke und in Viele thörigte und Schädliche Begierden, welche die Menschen Versenken ins Verderben und Verdammniß; den der Geitz sey eine Wurtzel alles Übels, und durchstechen sich selbst mit Vielen todes Schmertzen« und bemerkt dazu: »Aus diesem Dicto hat eine nachsinnende Feder, Von denen See-Würmern in Holland und deren Vermuthender ursach folgende courieuxe Observation gezogen: .... Der heil. Geist Brauche durch den Apostel das Wort »Schädliche«, und dieses Wort heiße nach dem Grund Text [Griechisch: blaberos], deßen derivation von [Griechisch: bliptô] oder [Griechisch: eaptô] und [Griechisch: iptô], noceo, ich schade, DaVon dan herkomme [Griechisch: ips, ipos] vermis cornua corrodens, ein Wurm der Hörner durchnaget, mit Hörnern armiret. -- Weilen nun in Holland in sonderheit die Geldgierigkeit und Begierde reich zu werden durch die Handlung zu waßer und zu land, wie bekandt herschet, so hat Gott zur straffe, wie sie selbst bekennen, .... diese schädliche Würmer ... gesandt, welche ihre hornharte Pfähle an den Teichen durch-Brechen und das Land in äußerste Gefahr der überschwemmung und des Verderbens setzen.« Man hört förmlich bei dieser an den Haaren herbeigezogenen, umständlichen Erklärung den wackeren Pfarrherrn von Wildenthierbach hinter seinem Buche leise lachen. Im Übrigen besteht der Inhalt so gut wie ausschließlich in Abschriften, deren Vorlagen nicht immer leicht festzustellen sind. Es wurde bereits erwähnt, daß ihm mehrfach Flugblätter und Flugschriften als solche gedient haben, die heute teilweise zu den Seltenheiten zählen. Vieles auch entnahm er der »Frankfurter gelehrten Zeitung«, die er sich gehalten zu haben scheint, oder der »Erlanger Realzeitung«, der »Berliner Zeitung« etc., anderes ist aus Chroniken zusammengetragen, aus den Werken gleichzeitiger Dichter, wie Gellert, Gleim, Gottsched u. a. abgeschrieben. Es verrät keinen besonders entwickelten historisch-wissenschaftlichen Sinn, daß Angaben über das Woher den einzelnen Abschnitten und Gedichten nur selten hinzugefügt sind. Gleich der erste umfängliche Eintrag in sein Gedenkbuch (S. 1 ff.) zeigt ihn zwar als guten Rothenburger Patrioten und überzeugten, glaubenseifrigen Protestanten, aber als schlechten Historiker, denn zu einer Sammlung von Nachrichten »von der geseegneten Reformation allhier in Rotenburg hätten ihm wohl bessere Quellen zu Gebote gestanden als die ziemlich wertlose Kompilation Albrechts[66] aus der er seine Weisheit geschöpft hat. In einer anderen ähnlichen »Sammlung allerhand merkwürdiger Sachen«, die sich auf Franken, insbesondere aber wieder auf Rothenburg beziehen (S. 397 ff.), wird ein Lobgedicht auf Rothenburg angeführt, welches folgendermaßen beginnt: »Rotenburg die Edel Berühmte Stadt Von Schloß und Burg den Nahmen hat.« Ich kenne dies Gedicht auch aus einem dem 16. und 17. Jahrhundert angehörenden Sammelbande, Ms. 153 fol. der großherzogl. Hofbibliothek zu Darmstadt, wo es auf Bl. 39 f. jedoch in sehr veränderter und bedeutend erweiterter Fassung erscheint und sich für ein Werk Hans Sachsens ausgibt, der in den Schlußversen als Dichter genannt wird. (»Dz wunscht von Nurmberg Hans Sachs, Gott geb dz sein kirch darinnen wachs«). Wenn nun auch das Gedicht in der Form, wie es uns heute vorliegt, alle Zeichen des Apokryphen an sich trägt und keine Spur von dem Geist des Nürnberger Dichters erkennen läßt, so wäre doch immerhin möglich, daß es in Erinnerung und unter Zugrundelegung eines verloren gegangenen Hans Sachsischen Poems entstanden wäre. Und selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte, wäre das in der Darmstädter Handschrift enthaltene Gedicht als eine frühe Unterschiebung -- die Hand, welche es schrieb, gehört der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts an -- nicht uninteressant und ein Gegenstück zu dem bekannteren Lobspruch auf die Stadt Rostock, der gleichfalls Hans Sachs fälschlicherweise zugeschrieben ist[67]. [Fußnote 66: Vgl. _Bensen_, _Historische Untersuchungen über die ehemalige Reichsstadt Rotenburg_ (Nürnberg 1837), S. 19.] Doch zurück zu dem Gedenkbuch des G. F. Bezold! Was dasselbe sonst über Ereignisse und Verhältnisse im Rothenburger Ländchen enthält, ist von keinem besonderen Belang. Allenfalls dürfte die Aufzählung sämtlicher Landpfarrer der Rothenburger Diöcese von den Zeiten der Reformation bis zu Lebzeiten des Schreibers (S. 45 ff.) für die Rothenburger Lokalgeschichte hin und wieder als Quelle benutzt werden können. Zuweilen wird auch ein Gelegenheitsgedicht oder ein Spottlied, wie das auf den bestraften Nachtigallenfänger und deutschen Schulmeister Vester in Rothenburg (S. 35 f.) wiedergegeben, aber von dem eigentlichen Leben und Treiben in und um Rothenburg oder von der Politik der freien Reichsstadt während des 18. Jahrhunderts erfahren wir nichts. Wir wissen freilich zur Genüge aus Bensens vortrefflicher Schilderung (a. a. O. S. 383 ff.), wie traurig es in dieser Beziehung seit lange, ja eigentlich seit dem Ausgang des Mittelalters, um das Rothenburger Gemeinwesen bestellt war, wo sich im Kleinen wiederholt, was zur selben Zeit auch größere Reichsstädte allmählich in eine ganz unhaltbare Lage geraten ließ: rücksichtslose Interessenpolitik, Protektionswesen und finanzieller Verfall im Innern, kraftlose, feige Nachgiebigkeit nach außen. Man erinnere sich nur an die Geschichte von dem preußischen Lieutenant Stirzenbecher aus dem Jahre 1762, die Bensen erzählt, oder an jene andere Episode von 1800. Siebzehn französische Soldaten waren damals auf einem Beutezuge in die Stadt eingedrungen und verlangten eine Brandschatzung von 40,000 fl. Bereits saßen die geängstigten Räte beieinander, um über die Aufbringung der Summe zu beraten, als eine kleine Anzahl beherzter Bürger, über solche Schmach erbittert, sich erhob und die Franzosen mit Heugabeln aus der Stadt hinaustrieb[68]. Zwei Jahre später wurde bekanntlich die Stadt vom Reichstage dem Kurfürsten von Bayern übergeben. Es ist kein Wunder, wenn unter solchen Umständen die Blicke der Nachdenklicheren, tiefer Angelegten über die engen Grenzen ihres kleinen in Verfall geratenen Freistaates hinüberschweiften, die großen Weltereignisse mit Spannung und lebhaftestem Anteil verfolgend, als könne fremde Größe ihnen einen Ersatz bieten für die Ärmlichkeit der kleinlichen Verhältnisse, welche sie umgaben. Zu starkem eigenen Denken freilich oder auch nur zu überlegtem, verstandesmäßigem Politisieren konnte man sich schwer erheben, und so ist es denn auch hier wieder in erster Linie der Treppenwitz der Weltgeschichte, das Anekdotenhafte und Absonderliche an den großen Ereignissen und Persönlichkeiten der Zeit, das den Schreiber unseres Codex interessiert. Kleine Charakterzüge, satirische und witzige Exkurse aller Art finden sich in Menge in sein Gedenkbuch eingezeichnet, und da es sich dabei großenteils um Dinge von allgemeinerem Interesse handelt, so mögen einige Proben solcher Eintragungen hier folgen: [Fußnote 67: Vgl. _Giske_ in _Schnorrs Archiv für Litteraturgeschichte X_ (1881) S. 13 ff.] [Fußnote 68: _Bensen_ S. 397.] S. 506 notiert er sich: »Alß der König von Preußen Zu Ende des 1756sten Jahrs an einem Sonntag in Dreßden den Herrn D. am Ende in der Evangelische Kirche mit Vergnügen predigen hören, auch in der Catholische Schloß Capelle der Music bey einer halben Stunde zugehört und darauf in die Reformirte Kirche gieng, wo H. Dietrich prediger war, und besagter Dietrich Bey dem Königl. Eintritt, mitten unter Rede anfieng: »_Halber Gott! großer Friedrich!_« sprach der König von Verdruß über diese übertriebene Rede aus dem Steg Reif Zu ihm, laut: »_Gantzer Narr, kleiner Dietrich!_« und gieng sogleich mit seinem Gefolge wieder aus der Kirche. S. 507 liest man: »_Teutschland als ein kranckes Frauenzimmer Vorgestellt_ in einem Gemählde, von P:P. aus dem Englischen 1757. _Teutschland_ sitzet unter der Gestalt eines prächtig gekleideten, und mit allerhand Kleinodien ausgezierten Frauenzimmers, auf einem Stuhl, in der rechten Hand hält sie den Scepter, in der Lincken den Reichsapffel. Sie gleichet einer krancken Person, die in eine ohnmacht zu sincken beginnt, und den Kopff über den Stuhl hangen läßt, aus ihrem Mund gehen die worte: »_Ihr Kinder helfft mich doch!_« Eine Menge umstehender Personen Zeigen sich in geschäftiger Stellung 1) _der Kayser_, in steiffer Kleidung, nimmt ihr mit beeden Händen den Scepter und den Reichsapffel aus den Ihrigen, mit diesen worten: _Ich will dich leichter machen!_ 2) _der König von Franckreich_ trennt mit einer Hand die breiten Treßen von ihrem Rock und läßt mit der andern ihre Armbänder Von den Händen und spricht: _wozu dienet der viele Schmuck an einer krancken Person, er Beschweret sie nur._ 3) _der König von Preußen_ in einem fürchterlichen Harnisch dringet hiezu, reißet ihr das Halsband vom Hals, hält ihr den Säbel an die Kehle, mit denen Worten: _Machet Platz, ihr Herren! Ihr müßet Lufft machen wann es angehen will._ 4) _der Churfürst von der Pfaltz und der Landgraf von Hessen Caßel_ stehen dem Kayser zur Seiten, und schüttet ein jeder ein Brech-Pulver in den Löffel mit den Worten: _wir wollen ihr was zu brechen geben._ 5) _der König Von Engelland_ hält ein Gläßgen Gold Tinctur in Händen und zeiget sie der krancken Person von weitem, und spricht mit den worten: _das wäre wohl die beste Panace!_ 6 _die Republic Holland_ als ein Apotheker Gesell gekleidet, stehet hinter der Krancken ihren Stuhl, hält in der Hand einen großen bündel Recepte, und in der andern Hand eine Clistir Spritze, aus seinem Mund gehen die Worte: _Ich kan nicht darzu kommen, und wer weiß ob meine Artzney bezahlet wird?_ 7) _Der Churfürst von Sachsen_ langet mit der Hand über die Vorstehende hinweg, und reibet dem Patienten Balsan unter die Nase, mit den worten: _Ich helffe so gut ich kan, ich kan mir selber nicht helffen._ 8) _die Kayserin von Rußland_ stehet von ferne u. siehet mit einem Perspectiv oder fern Glaß auf die krancke Person und spricht: _Sie erholt sich wieder!_ 9) _der Türckische Kayser_ stehet in der Thür des Zimmers, und schüttet einen Löffel Voll Magentropffen in den Hals, über ihm stehen die worte: _ich brauche meine Medicin selber!_ 10) _Ein österreicher_ läßt ihr am lincken Fuß, _Ein Ungar_ aber am rechten Fuß Zur ader, über ihm stehen die Worte: _in desparaten Kranckheiten muß man desparate Mittel brauchen._ Auf der andern Seite siehet man _Teutschland_ mit Vielen Wunden getödet, auf der Erde in seinem eigenen blute liegen, mit der überschrifft: _also muß man heutzutag die Patienten curiren!_« Ob es sich bei vorstehender Beschreibung in der That um einen Kupferstich, bezw. ein Flugblatt mit einem solchen, oder ob es sich nur um eine Fiktion handelt, vermag ich im Augenblick nicht zu sagen[69]. Freuen wir uns vor Allem, daß unser Vaterland die lange zum Spott und zum Vorteil der Nachbarn gespielte Rolle der »kranken Person« seit dem Anbruch des neuen deutschen Reiches und hoffentlich für immer ausgespielt hat. S. 277 bietet eine satirische Kleinigkeit von ähnlicher Tendenz, die sich in erweiterter Fassung auch auf S. 588 f. wiederfindet: »_Friedens-Congreß d. 15ten Jan. 1761_ Die letztern Briefe von Pariß verkündigen einen nahen allgemeinen Frieden, und daß der Congreß wird hier gehalten werden. Man hat Quartiere gemietet, nemlich 1) Vor den Kayser .... zur Gnade, in der Gaße von Bourbon. 2) vor die Kayserin .... zur bösen Allianz, in der Invaliden Gaße. 3) vor den König von Engelland .... zum Glück, auf dem Sieges-Platz. 4) vor den König von Preussen .... zu den 4 Winden, in der Fuchs-Gasse. 5) vor den König in Pohlen .... zum Opfer Abrahams, nahe bey den Unschuldigen. 6) vor den König in Schweden .... zur Chimäre, nahe bey der Strasse der lebendigen Bären-Häute(r). 7) Vor die Kayserin von Rußland .... zum Berg Vesuvius, in der Höllen-Gaßen. 8) vor die Fürsten des H. R. Reichs .... zur Brille, nahe bey den Unheilbaren. 9) Vor die Holländer .... zur Waage, nahe bey der Stern-Warte. 10) Vor den Marschall de Broglio .... zum hölzernen Degen, in der Gaße, Hochmuths-Berg. 11) Vor die Madame de Pompadour .... zur Magdalene, in der Salpeter-Sieders-Gaße, welche nach Rochelle gehet.« [Fußnote 69: Flugblätter aus der Zeit des siebenjährigen Krieges sind nicht eben häufig. Für jede Ergänzung seiner reichen Sammlung historischer Blätter nach dieser Richtung hin würde das germanische Museum den gütigen Spendern zu großem Danke verpflichtet sein.] Es ist bei der Abfassungszeit des Codex fast selbstverständlich und ergibt sich auch schon aus den mitgeteilten Proben, daß der siebenjährige Krieg durchaus im Vordergrunde des Interesses steht. Bald sind es mehr oder minder witzige Auslassungen der angedeuteten Art, nicht selten auch Chronogramme, etwa eine Friedensweissagung enthaltend (z. B. S. 270), am häufigsten aber politische Gedichte, vornehmlich Kriegs- und Siegeslieder, die wir mit bekannter Sorgfalt in das Buch eingetragen finden. Eben diese politischen Dichtungen -- auch die meisten der oben erwähnten Flugschriften gehören hierher -- scheinen mir den eigentlichen Wert der merkwürdigen Sammlung auszumachen und ihr eine allgemeinere Bedeutung zu gewährleisten. Wenig bekannte Volkslieder, die in neueren Sammlungen solcher Gedichte nicht zu finden sind, wechseln hier mit den Oden und Gesängen gefeierter Poeten, und deutsches Wesen, deutsches Fühlen durchdringt sie fast ohne Ausnahme und läßt auch einen verklärenden Schimmer auf die Persönlichkeit des Schreibers, auf den schlichten Pfarrer in jenem kleinen Dorf im Rothenburgischen fallen. In der Brust Georg Friedrich Bezolds fanden alle großen Ereignisse den lebhaftesten Wiederhall, in dem stillen Pfarrhause zu Wildenthierbach wurden alle Schlachten und Siege noch einmal geschlagen und gesiegt, wenn auch nur auf dem Papier und in den zierlichsten geschriebenen Lettern von der Welt. Ganz unverkennbar ist seine hohe Bewunderung für den großen Preußenkönig, die er mit den meisten seiner süddeutschen Amtsbrüder teilte. Es geht aus zahlreichen Eintragungen deutlich hervor, daß man Friedrich in diesen Kreisen als den Verfechter der protestantischen Sache ansah, seine Siege als Triumphe des Protestantismus über den Katholizismus feierte. Aber der Pfarrer von Wildenthierbach ist doch nicht so sehr Politiker oder Fanatiker, daß er nicht auch in den Reihen der Gegnerpartei entstandene Lieder in sein Gedenkbuch aufgenommen hätte, wenn sie sich auch freilich in der Minderzahl befinden. Aus der großen Masse des vorhandenen Materials können wieder nur einige wenige Stücke probeweise hervorgehoben werden: S. 264: _Herr Pfarr M...r in H--ch auf den König in Preußen_ Sinn't, Zeiten, auf ein Wort, daran man _Friedrich_ kennt; Nicht _Groß_, nicht _Menschen Lust_, nicht _Sieger_ nicht den _Weisen_, So mag ein Theil von Ihm, in kleinen Fürsten heißen Nennt Ihn den _Einzigen_, dann ist er gantz genennt. S. 233: _Helden-Lob Friedrichs des Großen Königs von Preussen._ Vor diesem war, wann ein Poëte sang, Ihm jeder Held gedoppelt groß und lang, Und sicherlich, je größer und je länger, Dem Held er log, je besser war der Sänger; Offt war der Held, mit samt des Helds Verrichtung, Im Grunde nichts, als seines Dichters Dichtung. Der brave Hector, Ajax und Achill, Sind nicht so brav, als der Poët es will. Æneas hätt an keine Schlacht gedacht, Wann nicht Virgil ein Buch davon gemacht Printz Satan selbst ist nur ein Funffzen huth [?], Mahlt Milton ihn gleich voller Trotz und Wuth; Ja mancher spricht die Existenz ihm ab, Und die mit Recht, wie sie ihm Milton gab. Doch posito: es wären alle Gaben, Die in dem Reim, auch ohn ihn, Beyfall haben, Vereint in ein und nemlicher Person, Sagt, welche wohl fehlt Preußens großen Sohn? Solch Treffen hat, wie Er aufs neu gewonnen, Kein Alter nicht, kein Neuer nicht ersonnen! Drum folgt mir nur, packt euren Kram hier ein, Poëten Volck! Laßt Friedrich, Friedrich seyn! Ihm wird, Trotz Epico, Trotz Lyrico, Die Wahrheit selbst zum Panegyrico. S. 443: _Harte Ausdrücke Wieder Friederich, den König von Preußen_ communic. von Mons. Böttcher, Fourier, unter dem Platz. Regim. d. 18t Aug. 1758. Als Feldherr, Rechts-Gelehrt, und Zierde der Poëten, Gab Dich, O Friederich! die Fama anzubeten; Allein, o Wunder Ding! da Coccejus gestorben, So war zugleich an Dir der Doctor schon verdorben. Du bist auch kein Poët, seit dem Voltair entwichen; Kein Feldherr von der Stund, als Dein Schwerin erblichen. Wilst Du, o Friederich! durch das, was Du gethan, Der Alten Helden-Lob in diesem Krieg erreichen? Der Alten Helden Lob? Diß geht so leicht nicht an. Doch bistu ihnen noch in etwas zu vergleichen. Denn als Du den August aus seinem Land gejagt, Da warstu Pharao, der Israël geplagt. Als Broun das vor'ge Jahr die Völcker commandirte, Da warstu Hannibal, und Broun war Fabius. Und als letzthin nächst Prag der Daun das Kriegs-Heer führte, Da warstu Attila, und Daun war Ætius. Und endlich wirstu auch (stimmt Gott mei'm Wünschen ein) Der durch die Tamyris besiegte Cyrus seyn. S. 263: _Auf Die Bataille bey Hoch-Kirchen d. 14. Oct. 1758._ In finstrer Nacht zu überfallen, Wo nicht einmahl Trompeten schallen, Das ist für Dich kein Ruhm, o Daun! Im Finstern sich den Sieg zu stehlen, Und doch den Zweck noch zu verfehlen, Das wird Dir kein Trophaeum bau'n. Wann Friedrich kommt, kommt Er am Tage, Wann Friedrich schlägt, kommt mit dem Schlage Zugleich die Sonne und der Sieg. Die _NachtEul_ [Randbemerkung: »Graff Daun führt eine NachtEule«] sucht nur Finsternißen; Der Adler [Randbemerkung: »Preußen führt einen schwartzen Adler«] will die Sonne wißen; Und dieser ist der Friederich. Mein Friedrich kommt der Tag bricht an, Merck doch, o Schlesien! die Stunden, Was jüngst die dunckle Nacht gethan, Das hastu nun beym Licht empfunden. Was denckt wohl Daun von Tag und Nacht? Er denckt, das hätt ich nicht gedacht, Daß Zeit und Stunden also wandern! Ja wohl, das zeiget eben euch, Er sey dem größten Helden gleich, Pompejen, Caesarn, Alexandern. [Randbemerkung am Schluß: »Der Verfaßer davon ist Herr Wolzhofer, Pro-Decanus und brandenburgischer Pfarr zu Roßstall.«] S. 265: _Probe vom Catholischen Witz! GeneraLIs DaVn CoepIt FrIngILLaM!_ Der Finck, auf seiner Locke, gieng, Lerchen aufzufangen, Und wolt' auf RebenTisch mit diesen Braten prangen, Doch Wunsch gieng nicht Wunsch, die Lerchen hielten Stich, Und nahmen Rebentisch, Wunsch und den Lock mit sich. Nun sitzt im Garn der Finck, und muß den Lerchen singen, Er pfeiffet: stinck, stinck, stinck! weils ihm nicht wolt gelingen. Hingegen schwingen sich die Lerchen mit _Gesanger_: Es lebe unser Nest! Es leb der _Finken Fanger_! _Gerechter Eyfer über das elende Cathol. Deutsch._ Wer mit solchem tollen G'sanger Sich des Feindes Unglück freyt, Der gehört mit Recht an Pranger, Der wird billig angespeyt. _Antwort eines Preußen auf die Spöttereyen eines Oestreichers über Finckens Gefangen Nehmung_ Der Preusich Adler wird noch manchen Lerchen fangen, Obwohl es dißmahl schlecht und nicht nach Wunsch gegangen. Gold Fincken haben wir unzählig große Hauffen, Wofür sich Lerchen gnug und Hahnen lassen kauffen. Um einen Fincken will man so viel Lermen machen, Und soll die gantze Welt hierum mit Oestreich lachen! Das Lerchen-Nest wird doch von Hahnen noch besch...n; Der einfach Adler wird dem Dopplen helffen müßen, Daß dieser Federloß nicht endlich gar verfriere, Und sich der stolze Hahn mit seinen Federn ziere. _Schaden-Freude über den Preusichen Verlust._ Der schönste Vogel-Heerd im gantzen Lande Sachsen, Ist auf dem Marmor Berg, ohnweit vom Dorffe Maxen. Da fieng auf einen Zug, Graf Daun zum Spott der Preußen, 8 Gimpel und ein' Finck, nebst 15m Meisen. _Parodie._ Gedult, mein lieber Freund, man fängt noch länger Vögel, Und Friedrich lauert nur auf die gelegne Zeit. Was gilts! Er fängt vielleicht noch manchen solchen Flegel, Der so, wie Ihr, mein Herr, sich seines Unglücks freut. S. 276 _Auf Den König in Preußen._ Fritze! schämstu dich nicht deiner? Alle Tage wirstu kleiner; Aendre deinen stolzen Sinn, Wirf die stolzen Waffen hin. Deine große Enacks-Kinder Stehen hier wie arme Sünder; Schaaren-weise fängt man sie, Das vergißest du dahie? Laß dich nicht den Großen nennen, Lerne dich und and're kennen; Sieh! nach Maxen und Landshuth! Sieh! was Daun und Laudon thut! _Antwort:_ Schämt euch fünffmal größre Mächte, Ihr habt Gottes kleinen Knechte Längst zerstöhrt in eurem Sinn, Werfft die schlechten Waffen hin. Meine große Enacks-Kinder Bleiben eure Überwinder; Allzu theuer fangt ihr sie! Gott und Fritze steht noch hie! Durch Den bin ich Groß zu nennen, Lernet Ihn und andre kennen! Schweigt von Maxen und Landshuth! Merkt, was Fritz bey Liegnitz thut! S. 270: _Post Pugnam ad Torgaviam_ d. 3. Nov. 1760. Vivat Rex Borußiae! Tutor hic Ecclesiae, Et Defensor Patriae! Victor sit Theresiae, Atque Regis Galliae, Copiarum Sueciae Barbarorum Rußiae Corporis Germaniae, Nec non Regis Sueviae Vivat Rex Borußiae! Auch unter den zahlreichen Gedichten und sonstigen Eintragungen nicht politischer Art findet sich noch manches Stück, das kulturgeschichtlich nicht ohne Interesse und zugleich -- infolge der ausgesprochenen Neigung des Sammlers zu Scherz und Satire -- recht unterhaltend und belustigend ist, wie etwa (S. 473): _Schwäbischen Bauren ihr Gebet, als viele durch ansteckende Kranckheit schnell hingerißen worden._ Ach! du liaba Heara Gott! was hab'n wir Dia gethaun? Daß Du uns arma Schwöabla wilt gar nimma leben laun? Wir wolla nimma betha, wolla nimma in Kircha gaun, Wir wolla Di scho nöatha, daß d' uns must lebe laun! oder eine prächtige Satire -- es ist noch nicht einmal ausgemacht, ob der Brief, um den es sich handelt, nicht auch wirklich in ähnlicher Weise geschrieben worden ist -- auf den Mißbrauch und Mißverstand der Fremdwörter (S. 464) u.a.m. Doch ein weiteres Eingehen auf den Inhalt des interessanten Codex scheint hier um so weniger erforderlich, als diese Blätter lediglich den Zweck haben sollten, den Leser unserer Mitteilungen mit der willkommenen Bereicherung, welche die Bibliothek des germanischen Museums erfahren hat, bekannt zu machen, insbesondere auch den Spezialforscher darauf hinzuweisen und zum Studium des Buches und genauerer Prüfung seines Inhalts einzuladen. _Nürnberg._ _Th. H._ Die letzten Tage des Malers Georg Pentz. Die Bibliothek des Germanischen Nationalmuseums besitzt eine für die Lebensgeschichte der Nürnberger Künstler des 16. Jahrhunderts ungemein wichtige Quelle, das handschriftliche Totengeläutbuch von St. Sebald in Nürnberg aus den Jahren 1517 bis 1572. Darin findet sich auch eine Nachricht über das Ableben des Malers Georg Pentz, die in diesen Mitteilungen (Jahrg. 1893, S. 39 u. 40) bereits zum Gegenstande einer längeren Erörterung gemacht wurde[70]. Den dort gegebenen Ausführungen läßt sich zur Ergänzung noch einiges hinzufügen. Nach dem Totengeläutbuch von St. Sebald ist Georg Pentz im Jahre 1550 in _Breslau_ verschieden[71]. Nachforschungen, die in Breslau gepflogen wurden, bestätigten jedoch diese Nachricht nicht oder, genauer gesagt, sie führten zu keinem Ergebnis: Die Breslauer Totenbücher gehen nämlich nicht bis zum Jahre 1550 zurück, und auch in den Breslauer Archiven, dem königlichen Staatsarchiv und dem Stadtarchiv, ließ sich keine auf Pentz bezügliche Notiz ermitteln. [Fußnote 70: Eine Biographie des Malers Georg Pentz gedenkt in nicht ferner Zeit Albrecht Kurzwelly zu veröffentlichen. In seiner zu Leipzig 1895 erschienenen Inaugural-Dissertation »Forschungen zu Georg Pencz« kommt Kurzwelly noch nicht auf den Tod des Malers zu sprechen.] [Fußnote 71: Die Einträge in diesem Totengeläutbuche sind nach Quartalen gruppiert, weil die Abrechnung über die gezahlten Läutgelder quartalweis erfolgte. Der Eintrag über das Totengeläut, das zu Ehren des Malers Georg Pentz von den Thürmen der Sebaldskirche erklang, ist im Quartal »von Crucis bis Lucie« des Jahres 1550, also zwischen dem 15. September und 13. Dezember und zwar an 16. Stelle mit den Worten verzeichnet: »Jörg Penntz, moler, zu Pressla verschieden«.] Wären die Totengeläutbücher eine durchaus zuverlässige Quelle, so wäre es unangebracht, die Angabe des Nürnberger Totengeläutbuches von St. Sebald, Pentz sei _in Breslau_ gestorben, in Zweifel zu ziehen. Allein die Totengeläutbücher hatten nicht den Zweck, über die Personalien der Verstorbenen genaue und sichere Ausweise zu bieten, sondern sie waren lediglich dazu bestimmt, _als Rechnungsbücher_ über die bezahlten oder nicht bezahlten Totengeläutgelder zu dienen. Außerdem mögen aber auch öfter die Anmeldungen nicht von den Hinterbliebenen selbst, sondern von ferner Stehenden, von Seelfrauen u.s.w., hinterbracht worden sein. Hieraus erklärt es sich zur Genüge, daß in den Totengeläutbüchern nicht gar selten irrige Einträge namentlich bezüglich der Vornamen sich finden. Die Personalangaben der Totengeläutbücher wird man daher immer mit einer gewissen Vorsicht aufnehmen und, wo es geht, andere gleichzeitige Quellen zur Kontrolle heranziehen müssen. Nagler hat als Pentz' Todesort Breslau verworfen und dafür -- jedoch ohne Quellenzitat -- Königsberg (in Preußen) eingesetzt[72]. Aus einer gleichzeitigen Königsberger Quelle kann er jedoch nicht geschöpft haben; denn auch die Königsberger Totenbücher reichen nicht bis zum Jahre 1550 zurück, und die Königsberger Archivalien enthalten zwar einzelnes über Pentz aus dem Jahre 1550, berichten aber nicht, daß er dort gestorben sei. Immerhin aber ist Naglers Angabe wegen der Beziehungen, die Pentz gerade in seinen letzten Lebenstagen zu Königsberg hatte, nicht ganz aus der Luft gegriffen. Bei meinen Studien über Nürnberger Künstler stieß ich nun auf bisher unbeachtete Nachrichten, die über Pentz' letzte Lebenszeit völlig neue Aufschlüsse geben. Hiernach ist Pentz weder in Breslau, noch in Königsberg gestorben. Ehe ich jedoch hierauf weiter eingehe, muß ich noch etwas zurückgreifen. Georg Pentz war als Fremder in Nürnberg eingewandert und dort am 8. August 1523 gegen Zahlung von vier Gulden Währung als Bürger aufgenommen worden[73]; er war also nicht begütert, da vier Gulden als Aufnahmegebühr von denen gezahlt wurden, deren Gesamtvermögen nicht über 100 Gulden an Wert ausmachte. Nach der Sitte der Zeit wird er damals sich verheiratet haben. Seiner Ehe entsproß eine sehr zahlreiche Nachkommenschaft: zwar erfahren wir nichts über seinen Nachwuchs aus den ersten neun Jahren seiner Ehe, da die Nürnberger Taufbücher erst mit dem Jahre 1533 einsetzen, daß aber seine Ehe auch anfangs eine sehr fruchtbare gewesen sein muß, läßt sich daraus schließen, daß ihm später nach 1532 laut der Nürnberger Taufbücher noch neun Kinder geboren wurden[74]. Er hatte also für eine sehr große Familie zu sorgen, und es ist daher kein Wunder, daß er bei seiner Vermögenslosigkeit und bei dem geringen Verdienste, wie ihn zu seiner Zeit die Maler in Nürnberg hatten, sich oft in sehr mißlichen Verhältnissen befand. Am 31. Mai 1532 erhielt er eine Bestallung als Nürnberger Stadtmaler, dem Rate mit seiner Kunst zum Reißen, Malen und Visiermachen gewärtig zu sein, und dazu ein festes jährliches Wartgeld von 10 Gulden[75]; aber schon nach vier Tagen wurde ihm dieses Wartgeld, »so über ein Jar fellig, aus angezeigter Not« im Voraus gezahlt[76]. Und das Jahr darauf verfügte der Rat am 1. September: »Jorgen Benntzen soll man seine jährliche Pension vor heraus geben alle Jar, so lange ime die zuraichen einem Rate gefellig ist«, und gleichzeitig wurden ihm für eine Visierung vier Gulden ausgezahlt[77]. Im Jahre 1542 muß er sich wieder in sehr großer Not befunden haben; denn am 7. März verkaufte er zusammen mit seiner Frau Margareta, die damals ihrer Entbindung entgegensah[78], an den Maler Michel Graff um fünfunddreißig Gulden »Hausrat, Kleider und andere Fahrnuß«[79]. Weiterhin im Jahre 1548 verehrte er nach damaliger Sitte, um sich Geld zu verschaffen, dem Nürnberger Rate ein »künstliches« Gemälde »Sant Jeronimus Pild« und erhielt dafür 80 Gulden als Gegengabe[80]. So sehen wir ihn also immerwährend mit einem widrigen Geschick kämpfen. Zuletzt wußte er sich nur noch durch Schuldenmachen zu helfen. In diese üble Lage war er aber nicht ohne eigenen Fehl geraten; denn er besaß ein unruhiges Temperament und eine ausschweifende Phantasie, wie dies schon seine Beteiligung an der radikal-religiösen und sozialistischen Bewegung im Jahre 1525 beweist, und dazu hatte er eine Frau, die durch ihre Trunksucht ihn noch mehr ins Verderben brachte. [Fußnote 72: Nagler, Monogrammisten, München 1863, III. Band. S. 69.] [Fußnote 73: Bürgerbuch de 1496-1534, M. S. 237, Fol. 12a: Sabbato post Sixti 1523 .... Herman Unfug, gertner. _Jorg Pentz, maler_, juraverunt et dedit quibibet 4 fl. werung.] [Fußnote 74: Ein Kind aus den ersten Jahren seiner Ehe dürfte jenes »Söhnlein« gewesen sein, durch welches Pentz am 24. März 1543 ein von sich gemaltes Porträt des Kardinals Granvella in die Losungsstube schickte, um es den Losungherren zu zeigen. Nürnberger Jahresregister 1543, 1. Frage, im k. Kreisarchiv Nürnberg. J. Baader, Beiträge zur Kunstgeschichte Nürnbergs, Nördlingen 1860, I, S. 40, bringt hier die unrichtige Jahresangabe 1544. -- Der von Campe erwähnte Sohn Egidius ist sonst nicht nachzuweisen. Vgl. hierzu G. W. K. Lochner, des Johann Neudörfer, Schreib- und Rechenmeisters zu Nürnberg, Nachrichten von Künstlern und Werkleuten daselbst, Wien 1875, S. 137. -- Über Kinder, die dem Maler Georg Pentz nach 1532 geboren wurden, melden die Nürnberger Kirchenbücher Folgendes. I. Taufbuch von St. Sebald: Georg Pentz ein Sohn: _Gedeon_, (getauft) 12. Septembris 1533. Georg Pentz ein Tochter: _Rachel_, 22. Octobris 1534. Georgius Pentz ein Tochter: _Hester_, 29. July 1538. Georgius Bentz ein Son: _Georgius_, septimo decembris 1539. -- I. Taufbuch von St. Lorenz: Jorg Penz, Margaretha: _Martha_, (getauft in der Woche des) dominica exaudi 1542. Jorg Pentz, Margaretha: _Vergilius_, dominica decima post trinitatis 1543. -- II. Taufbuch von St. Sebald: Georgius Pentz ein Son: _Walterus_, tertio July 1546. Georgius Pentz ein Son: _Albertus_, 17. Juny 1547. Georg Pentz ein Son: _Longinus_, 30. Augusti 1548. -- Es möge hiebei noch bemerkt werden, daß der Täufling den Namen in der Regel nach seinem Paten erhielt. Der Maler Vergilius Solis, die einzige Persönlichkeit, bei der sich in dieser Zeit der Vorname Vergilius in Nürnberg nachweisen läßt, hat also wahrscheinlich bei Pentz' Sohne Vergilius Paten gestanden.] [Fußnote 75: Ratsmanuale 1532/33, Heft 3, Fol. 1r. Ratsbuch 16, Fol. 13a. Der über diese Bestallung von »Jorg Benntz, Maler, Burger zu Nurmberg« unterm 31. Mai 1532 gefertigte Revers befindet sich im k. Kreisarchiv Nürnberg. Signatur: S 5 44/1r Nr. 532, Bd. 6. Seinem Wortlaut nach ist er veröffentlicht von E. Mummenhoff in den Mitteilungen des Vereins f. Gesch. d. Stadt Nürnberg, 8. Heft, 1889, S. 246.] [Fußnote 76: Ratsbuch 15, Fol. 13r.] [Fußnote 77: Ratsmanuale 1533/34, Heft 5, Fol. 20r und Ratsbuch 16, Fol. 103.] [Fußnote 78: Wenige Wochen darauf wurde ihm seine Tochter Martha geboren, die in der Woche des Sonntags Exaudi (21. Mai) ihre Taufe empfing. S. Anm. 5.] [Fußnote 79: Conservatorien, Band 55, Fol. 106b im Nürnberger Stadtarchiv. Lochner a. a. O. S. 138.] [Fußnote 80: Nürnberger Jahresregister 1548, fünfte Frage, zum 9. Juli. -- J. Baader a. a. O. zweite Reihe, S. 54.] Unter diesen Umständen wird es ihm wie eine Erlösung vorgekommen sein, als er eine Bestallung zum Hofmaler des als Freund der Künste und Wissenschaften bekannten Herzogs Albrecht von Preußen erhielt. Die Bestallung, in Königsberg ausgefertigt, datiert vom 6. September 1550[81]. Es liegt auf der Hand, daß Pentz sich sogleich auf den Weg gemacht haben wird. Die Nachricht von seiner Ernennung zum preußischen Hofmaler traf aber sicher selbst bei schneller Beförderung nicht vor Ende September in Nürnberg ein. Pentz kann daher erst um diese Zeit die Reise nach Königsberg angetreten haben. Da er jedoch, wie dies bereits von anderer Seite auf Grund des Totengeläutbuchs von St. Sebald festgestellt wurde[82], schon vor Mitte Oktober seinen Tod gefunden hat, so muß er noch vor Erreichung seines Zieles unterwegs gestorben sein. Der Ort, wo er verschied, kann aber demnach nicht Breslau gewesen sein, da es viel zu abseits von der Hauptstraße liegt, die von Nürnberg nach Norden führt. Nun ließe sich allerdings einwenden: es ist doch wohl möglich und denkbar, daß Pentz schon vor Oktober oder September nach Breslau gezogen war, um dort Verdienst zu suchen. Hiegegen wäre zu erwidern: wenn es Pentz in Nürnberg, das an Reichtum, Bedeutung und Verkehr die Stadt an der Oder damals noch weit überragte, schon recht sauer geworden war, für sich und seine zahlreiche Familie das tägliche Brot zu erringen, so hätte er sich schwerlich in Breslau eine bessere Existenz versprechen können. In Nürnberg hatte er ja zudem auch noch durch seine Stellung als Stadtmaler einen Rückhalt. Nach dem Vorhergesagten wird man also mit größerer Berechtigung als Pentz' Todesstätte einen Ort zu vermuten haben, der mit Pentz' Ernennung zum Hofmaler des Herzogs Albrecht von Preußen und mit einer Reise des Künstlers nach Königsberg sich in Beziehung bringen läßt, einen Ort, der an der von Nürnberg nach Norden gehenden Hauptverkehrsstraße zu suchen und nicht gar zu entfernt von Nürnberg anzunehmen ist, weil Pentz, nach der Zeit seines Ablebens zu schließen, nicht allzuweit auf seiner Reise gekommen sein kann. Diese Vermutungen finden ihre Bestätigung durch einen Eintrag der Nürnberger Ratsmanuale. Hiernach brachte am 17. Oktober 1550 Hans Zeser, der zusammen mit Pentz die Vormundschaft über die Kinder des Hans Wolf[83] führte, bei dem Nürnberger Rate zur Anzeige, daß in Abwesenheit des Georg Pentz, »_so yetzo zu Leiptzigk mit Tod abgangen_«, eine Truhe, die den bevormundeten Wolf'schen Kindern gehörte, in Pentz' Behausung aufgesperrt, und daß daraus etliche Ding' entwendet worden seien. [Fußnote 81: Mitteilung des k. Staatsarchivs zu Königsberg i. Pr.] [Fußnote 82: Hans Bösch, der Todestag des Malers Georg Penz, im Jahrgang 1893 dieser Mitteilungen, S. 40.] Die Angaben Zesers verdienen vollen Glauben, weil er als einer der Nächstbeteiligten gute Kenntnis hatte, und weil er dem Rate gegenüber sich nur auf zuverlässige Nachrichten gestützt haben kann. Die Kunde von Pentz' Tode brauchte bei dem schnellen Postverkehr, der damals zwischen Nürnberg und Leipzig durch reitende Boten geschah, kaum fünf Tage um zu den Hinterbliebenen zu gelangen. Nach all dem wird man also kaum fehl gehen, wenn man den zu Leipzig erfolgten Tod des Malers Georg Pentz in die Tage vom 11.-13. Oktober 1550 verlegt. Der Nürnberger Rat verfügte auf die Anzeige Zesers eine Untersuchung, die den Verstorbenen schwer belastete. Die Haltung aber, die der Rat und alle Beteiligten in dieser Sache zeigten, läßt deutlich erkennen, daß Pentz trotz seiner menschlichen Schwächen bei seinen Mitbürgern beliebt und als Künstler hoch geachtet war. Doch lassen wir nunmehr die Quellen selbst sprechen: Freitags, 17. octobris 1550. Dieweil nach anzaig Hansen Zesers, als vormund Hansen Wolfs kinder, in abwesen Jörg Pentzen, seines gewesnen mitvormunds seligen, so yetzo zu Leiptzigk mit tod abgangen, ain truhen, in soliche vormundschaft gehörig, in sein, des Pentzen behausung geöffent und etlich ding daraus entwendt sol worden sein, sol des Pentzen wittib beschickt und derhalb zu red gehalten, ir antwurt wider pracht und ir eingepunden werden, weiter nichts aus dieser truhen entwenden zulassen, weil die nit ir oder irs manns gewest, sonder in berurte vormundschaft gehörig sey. -- C. Grolandt. [Ratsmanuale 1550/51, Heft 7, Fol. 34a.] Sambstags, 18. octobris 1550. Auf Jörgen Pentzen seligen verlassener wittib verantwurtung, das nit sy, sonder ir verstorbner hauswirt seliger die truhen vor seinem hynnen raysen aufgespert, etliche pecher heraus gethan, versetzt und die schlüssel mitsampt den hausschlüsseln mit ime hinwegk genomen hab etc., sol dieselb truhen von gerichts und ampts wegen in beysein der wittib und Hansen Zesers geöffent, was darinn, inventirt und beschryben, auch volgends wider darinn verspert und verpetschirt, dem Zeser und der wittib yedem ain abschryft gegeben und solichs alles ime dem Zeser angesagt, auch auf ine gestelt werden, sein clag und vorderung gegen der wittib und des Pentzen kinder vormundern, die in aufs fürderlichst von oberkait gesetzt werden sollen, zuthun, und fürzunemen, wie das sein gelegenhait und notturft ervordern oder in rathe befynden werde. -- C. Grolandt. [Ratsmanuale 1550/51, Heft 7, Fol. 36r.] Donerstag, 13. novembris 1550. Margareten (Jörg) Pentzin ir supplicirn ableinen und sagen, das meine herren ir eingangs halben nit wilfarn könden. -- Joch. Haller. [Ratsmanuale 1550/51, Heft 8, Fol. 29a.] Freytag, 30. january 1551. Margretha Jörg Pentzen wittib auf ir suppliciren in ansehung irer vyl kinder und grossen armut, das auch ir man ain feyner künstner, mit dem meine herren wol zufriden gewesen, zu bezalung irer übrigen schulden, die man ir, weils unmündige kinder betryfft, nit nachlassen kan, aus ainem guten willen mit den begerten 66 fl. zustatten kumen und dargeben[84], doch den zwayen vordersten fürbittern, als dem abt Egidi und dem prediger zu sandt Sebaldt, sagen, das solichs nit ir der frauen, weil man wol wiss, das sy iren man seligen redlich zum verderben geholfen und alles, das sy überkumen, vertrunken hab, sonder iren armen kindern zu gutem und irem man seligen, als ainem künstner undter der erden, zu eeren geschehe, mit beger, ir und den andern fürbittern solichs also anzuzaigen und dabey, wan sy wider mit dergleichen begern kumen, wurd man in weiter nit wilfaren, sonder sy die frauen zum almusen weysen, das zaichen zutragen, wie andere burger auch thun. -- J. Schürstab. [Ratsmanuale 1550/51, Heft 11, Fol. 30r.] Zwischen Petern Eppenbach und Hansen Marschalck, beden als vormundern weiland Jorgen Petzen, molers, seligen verlassner kinder, an ainem und Margarethen, seiner verlassnen wittibin, am andern thailn ist darumb, ob die vormundere sich umb der kinder vatterlichen erbthail von der frauen an einer gemainen caution uff allen iren hab und gutern settigen zulassen schuldig seien oder nicht, uf der frauen furbringen, das sie niemand hie hab, den sy zur burgschafft zuvermögen wesst, und das gemein irs mans seligen glaubiger ir alle schulden nachgelassen haben, auch nach besichtigung des aufgerichten inventarii und allerlei gelegenheit diser sachen erkannt, das di vormundere sich an der frauen erbieten der gemeinen caution halb uf allen iren hab und guetern settigen zulassen schuldig sein sollen. Actum in judicio (feria) quarta 22. aprilis 1551ten jar. [Conservatorien, Band 71, Fol. 219r.] [Fußnote 83: Die Persönlichkeit dieses Hans Wolf konnte ich dem Stande nach nicht feststellen, da es gleichzeitig vier Bürger Namens Hans Wolf in Nürnberg gab.] [Fußnote 84: Die Angabe Baaders, Beiträge II, S. 54: der Rat habe im Jahre 1550 sechszig Gulden bezahlt, die Pentz einer Vormundschaft schuldig war, ist vor allem, was Jahr und Geldsumme betrifft, unrichtig. Sie entstammt nicht den Ratsmanualen, sondern den Jahresregistern und lautet: Item LXVI gulden den Georgen Pentzen seligen vormundt, nemlich Peter Eppenbach und Hans Marschalk, die Pentzs seliger in ein vormundtschafft schuldig worden und seine glaubiger in kein vertrag geen wollen, solich schult sei dan bezalt. Solichs dan (!) weib und kindt in ansehung der armutt propter deum beschehen. Actum sabbato adi ultimo january 1551.] _Nürnberg._ Dr. _Alfred Bauch_. Initialen in Holzschnitt von dem Rechenmeister Paulus Frank (um 1600). Herr Geheimrat Dr. von Hefner-Alteneck in München hat dem germanischen Museum vor einigen Wochen eine Sammlung von 46 Blatt Initialen in Holzschnitt aus der Wende des 16. Jahrhunderts zum Geschenk gemacht, die in der That, was Schwung und Bravour der Ausführung betrifft, ihres Gleichen suchen und von einem hoch entwickelten Sinn für ornamentale Schönheit zeugen, wenn auch die Deutlichkeit der Buchstaben hin und wieder zu wünschen übrig läßt. Die Initialen gehören im ganzen fünf verschiedenen Alphabeten an. Eines derselben ist jedoch nur durch einen Buchstaben, ein W, vertreten, welches offenbar aus der Schule Neudörfers stammt und im Folgendem unberücksichtigt bleibt. Von den vier anderen Alphabeten sind die prachtvollen Initialen des einen fast in kl. 2°-Format ausgeführt, die Buchstaben des zweiten nur etwa halb so groß und diejenigen des dritten und vierten wiederum halb so groß als die Buchstaben der zweiten Folge. Das dritte Alphabet unterscheidet sich von dem vierten wesentlich dadurch, daß die Initialen des einen in gewöhnlichem kl. 8°-Format, die des andern in kl. qu. 8°-Format angeordnet sind. [Illustration: Fig. 1.] Alle diese vier Alphabete rühren, wie schon die oberflächlichste Betrachtung mit vollkommener Deutlichkeit lehrt, von einem und demselben Meister her, der auch seinen Namen auf allen Holzschnitten der großen Folge mit nur einer Ausnahme und auf den meisten Blättern des mittleren Alphabets durch ein verschlungenes ·PF· in gotischen Lettern -- nur einmal stehen beide Buchstaben gesondert -- angedeutet hat. Wer war dieser Meister ·PF·? Diese Frage beantwortet uns ein zu Nürnberg bei Christoff Gerhard im Jahre 1655 gedrucktes Buch, welches den Titel trägt: »Kunstrichtige Schreibart Allerhand Versalien oder Anfangs Buchstaben Der Teütschen Lateinischen und Italianischen Schrifften, aus unterschiedlichen Meistern der Edlen Schreibkunst zusammen getragen. Nürnberg Bey Paulus Fürsten Kunsthändlern daselbst«, und welches in seiner zweiten Hälfte die vier Alphabete vollständig enthält. Auch die beiden Holzschnittfolgen des kleinsten Formates, die in unserer Sammlung nur durch ein, bezw. zwei Blätter vertreten waren, weisen hier meistens das Monogramm ·PF· auf. Man würde nun aber sehr irren, wollte man dasselbe etwa auf Paul Fürst beziehen und aus dem Buchhändler zugleich den Formschneider oder Zeichner für den Holzschnitt konstruieren. Die Übereinstimmung der Anfangsbuchstaben des Namens ist nur zufällig. Den wahren Verfertiger dieser Alphabete lernen wir vielmehr erst aus der Vorrede zu dem genannten Buche kennen, in der es auf S. 14 zu Anfang des V. Abschnittes (»Von diesem Wercke«) heißt: [Illustration: Fig. 2.] »FErners ist zu wissen, daß dieses Wercke von Paulo Francken, weiland Modisten und Rechenmeistern zu Memmingen angefangen, und 1601 in Druck gegeben worden, nachmals hat solches jetziger Verleger an sich erkaufft, und es nun der lehrgierigen Jugend zu guten, mit etlicher Autoren Hand vermehret, wider aufflegen lassen, nicht zweifflend, es werde allen Liebhabern der zierlichen Schreibkunst, damit bedient seyn; sonderlich aber den Schulhaltern, welche sich durch diese Vorschrifften vieler Mühe entheben können.« Damit wären wir nun bei Paulus Frank als dem Autor unserer Sammlung von Initialen angelangt. Daß an dieser Autorschaft in der That nicht zu zweifeln ist, ergiebt sich noch aus einer Reihe weiterer Umstände, die zugleich einiges Licht über die Persönlichkeit des kunstreichen »Modisten und Rechenmeisters« verbreiten. Das »R«, welches er bei dem L der mittleren Folge seinem Monogramm hinzugefügt hat, bedeutet ohne Zweifel »Rechenmeister«. Eine weitere Hinzufügung findet sich auf dem X der mittleren Folge (s. Fig. 1)[85], nämlich die Zahl 97, welche wohl nichts anderes als die Jahreszahl 1597 bedeuten kann. Es ist also anzunehmen, daß Paul Frank die Zeichnungen zu diesen Holzschnitten um das Jahr 1597 angefertigt hat. Ob sich vollständige Exemplare des von ihm dann 1601 in Druck gegebenen Werkes, dem, wie die trefflichere Erhaltung, die klarere und schärfere Ausführung zu verraten scheint, auch unsere Blätter angehören mögen, noch erhalten haben, vermag ich nicht zu sagen. Es kann jedoch als wahrscheinlich gelten. [Fußnote 85: Die Abbildungen sind in ½ der Originalgröße gegeben.] Zeitlich noch weiter zurück führt uns eine in Leder gebundene Handschrift in kl.-qu.-fol., welche der im germanischen Museum deponierten Merkelschen Sammlung angehört[86] und auf 16 Pergamentblättern die köstlichsten kaligraphischen Schreibvorlagen von Paul Franks Hand enthält[87]. Das Titelblatt lautet: »Anweißung Kunnstlichs vnnd artlichs schreibens Daraus dann ein Jeder Junger die Fundament der gebreuchligisten Lateinischen Teutschen Fractur Cantzley vnd Currentschrifften begreiffen vnd lernnen kan Durch Paulum Franckh von Gfreß Allen liebhabern dieser Kunst zum besten verordnet. Im Jar Jhesu Christi Anno 1587.« [Illustration: Fig. 3.] Jedenfalls ist auch diese »Anweißung« auf den Druck berechnet gewesen, mit dem Buch von 1601 hat sie aber wohl nichts zu thun, da sie mit unseren Holzschnitten keine direkten Berührungspunkte bietet, beispielsweise auch das Monogramm Paul Franks auf keiner der handschriftlichen Schreibvorlagen erscheint, von ihm also wohl erst um etwa zehn Jahre später in seine zur Reproduktion bestimmten Arbeiten aufgenommen wurde. Ein gedrucktes Exemplar ist mir von der »Anweißung« ebenfalls nicht bekannt. Wie sehr sich dieselbe aber im Stil unseren Holzschnittfolgen nähert, wird am besten durch die Gegenüberstellung eines F der Handschrift (Fig. 2) mit einem Holzschnitt-F (Fig. 3), welches zu dem Alphabete mittlerer Größe gehört, veranschaulicht werden. Hier wie dort der gleiche prächtige Schwung der Linien und Schnörkel, die gleiche Vorliebe für schön verlaufende Spiralen, für allerlei Vergitterungen und für die wie kräftige gotische m-Striche aussehenden Quer-Einschiebsel, die für Paul Franks Art besonders charakteristisch sind. Nur ist, wie zu erwarten, die ganze Ausführung in den Handzeichnungen auf Pergament noch eine ungleich sorgfältigere, feinere und reichere, als die Holzschnitte aufweisen. Auch das ergiebt sich bereits aus einem Vergleich der beiden hier reproduzierten F. [Fußnote 86: Hs. Nr. 301 der Merkel'schen Sammlung.] [Fußnote 87: Außerdem ist ein Doppelblatt (Papier) mit einem prachtvollen, zum Teil mit metallisch glänzenden Farben ausgezierten J, ebenfalls von Paul Frank, mit eingeheftet.] Zur Biographie des Paul Frank erfahren wir aus der Pergamenthandschrift der Merkelschen Sammlung vor Allem, daß er aus Gefrees in Oberfranken gebürtig gewesen ist. Als er seine »Anweißung« schrieb, im Jahre 1587[88], war er aber wahrscheinlich bereits in Memmingen ansässig. Es wäre sonst wenigstens auffallend, daß der Inhalt seiner Schreibvorlagen mehrmals[89] gerade auf Memminger Verhältnisse Bezug nimmt. Acht Jahre später (1595) ereignete sich mit Paul Frank in Memmingen ein tragischer Fall: er wurde zum Mörder. Christoph Schorer berichtet darüber in seiner Memminger Chronik: »Den 3. October hat Paulus Franck, Modist vnd Teutscher Schulmeister allhier, so mit andern Teutschen Schulmeistern auff dem Stadt Weyher (welcher den vorigen Tag gefischet worden) gewesen, im herein gehen zwischen den Gärten den David Lochbichler, sonst Girtler genand, Schulhaltern mit einem Faust-Hammer am Haupt also verletzet, daß er den 13. October hernach gestorben«[90]. Welches die Veranlassung zu dieser That gewesen, ob überhaupt eine vorsätzliche Verwundung vorgelegen oder nur ein unglücklicher Zufall obgewaltet hat, hören wir nicht. Möglich, daß Konkurrenzneid oder verletzte Eitelkeit dabei im Spiel gewesen sind, denn -- um schließlich auch noch ein Wort über den mutmaßlichen Charakter unseres Mannes zu sagen -- ein etwas übertriebenes Selbstgefühl scheint Paul Frank eigen gewesen zu sein und verrät sich auch in seinen Arbeiten. Ist es schon ein seltenes Vorkommnis, daß ein Rechenmeister fast jedes seiner für den Holzschnitt gefertigten Blätter mit seinem Monogramm signiert, so kennzeichnen ihn auch mehrere der für seine »Anweißung Kunnstlichs vnnd artlichs schreibens« gewählten Vorlagen oder Beispiele durch ihren Inhalt als eitel und von unverhältnismäßigem Stolze auf seinen Künstlerberuf erfüllt. Verschiedentlich ist darin von den Rechenmeistern oder Schreibkünstlern die Rede, namentlich von dem durch seine »Ehrbarkeit, Redlichkeit, gute Sitten, Tugend und Vernunft berühmten« kaiserlichen Kammer-Kanzleischreiber Veit Stoß aus Schweinfurt, von dem weiterhin einmal[91] in der »sehr gemainen vngebrochenen Canntzleyschrifft«, nebenher, aber wohl sehr geflissentlich mitgeteilt wird, daß ihm Konrad Lang von Überlingen »Ein Schloß Hummelburg gnant widerkaufflichen verkaufft habe«[92] u. s. f. [Fußnote 88: Der braune Ledereinband des Manuskripts ist auf der Vorder- und Rückseite mit sehr geschmackvoller Goldpressung verziert. Die Vorderseite weist u. a. die Inschrift P·F·V·G (Paul Frank von Gefrees) und die Jahreszahl 1585 auf. In letzterer haben wir vielleicht den Zeitpunkt für die erste Anlage, für den Beginn des Buches zu erblicken.] [Fußnote 89: Blatt 9b, 12a und 13b.] [Fußnote 90: Chr. Schorer, Memminger Chronick. Ulm 1660. S. 114.] Über den späteren Lebensgang des Paul Frank habe ich bisher nichts weiter ermitteln können, als was sich aus seinen Holzschnitten und der Vorrede zu der »Kunstrichtigen Schreibart« des Paulus Fürst ergab und oben mitgeteilt worden ist. [Fußnote 91: Blatt 10a.] [Fußnote 92: Der Sinn der Urkunde, die hier zu Grunde liegt, kann schwerlich ein anderer gewesen sein, wenn auch in der Abschrift das Satzgefüge nicht ganz in Ordnung ist.] _Nürnberg._ _Th. Hampe._ Albrecht Dürer und der Rahmen des Allerheiligenbildes. Vom Lauferschlagturm bis hinauf gegen den Egidienberg erstreckte sich um das Jahr 1500 noch ein Rest des alten Nürnberger Befestigungsgürtels mit Stadtgraben und Zwinger. Davon erwarb ein Stück der wohlhabende Rot- und Bildgießer in der Beckschlagergasse, Mathäus Landauer; er ließ daselbst ein stattlich Bruderhaus mit einer Kapelle, mit Hof und Garten anlegen, dem er den Namen zu Allerheiligen gab. Ein Alchimist Erasmus Schildkrot, ein geborner Engländer, der sich von Königsberg in Preußen nach Nürnberg gewendet, hatte in Landauers Werkstätte ein Plätzchen für sein Laboratorium gefunden; und da ihm seine Kunst Segen brachte, konnte er durch ein großes Vermächtnis den Grund zu der wohlthätigen Stiftung Mathäus Landauers legen; so etwa berichtet Andreas Würfel in seiner ausführlichen Beschreibung aller und jeder Kirchen, Klöster, Kapellen und der annoch in denenselben befindlichen merkwürdigen Monumenten vom Jahre 1766. Das Haus steht, manchmal umgebaut und seit Mitte unsres Jahrhunderts als Kunstgewerbeschule benützt, noch heute; die Kapelle, ein hohes Gelaß von fast quadratem Grundriß, hat als einzigen Schmuck ein sechsteiliges Netzgewölbe von mannigfach abwechselnder Rippenführung. Zwischen den beiden spiralig kannelirten knauflosen Pfeilern, die das Gewölbe tragen, und der Ostwand, senken sich die Rippen von der Decke zu einem eigenartigen Hängewerk, an dessen unterem Ende das Wappenschild der Landauer hängt[93]; es mag wohl sein, daß die ganze, eigenartige Anordnung nach den Angaben des damaligem Meisters auf der Peunt, des hochbegabten Hans Beheim getroffen wurde. [Fußnote 93: Das Wappenschild der Landauer, wie es noch mehrmals an dem Bruderhaus wie an der Predella des Altars angebracht wurde, enthält in rotem Feld eine geschweifte silberne Spitze, darin in verwechselten Farben [...] gestellt drei Lindenblätter.] Hier an der Ostwand, gegenüber der Eingangsthür, war der Platz für den Altar, vor dessen Stufen in der Mitte seines Kirchleins Mathäus Landauer sich die letzte Ruhestätte bestimmt hatte. Albrecht Dürer sollte die Altartafel ausführen. Die Bestellung muß schon bald nach der Rückkehr des Meisters aus Venedig erfolgt sein; denn schon im Jahre 1508 ward dem Besteller ein sorgfältig mit der Feder ausgeführter, mit Wasserfarben leicht getönter Entwurf vorgelegt, der offenbar Landauers volle Billigung fand[94]: über einer flachen anmutigen Seelandschaft umgibt die Schaar der Heiligen in anbetender Verehrung den dreieinigen Gott, der in den Wolken schwebt; nur dies eine große Fest aller Heiligen, denen das Bruderhaus ja geweiht sein sollte, keine Flügelbilder, kein Gemälde in der Predella sollte dazu kommen. Dagegen wollte Dürer die ganze Kraft seiner Dekorationsgabe an die Fassung des Gemäldes wenden: ein reich geschnitzter Rahmen mit Säulen in antikischer Art und statt der aufstrebenden gotischen Fialen und Türmchen ein kräftiges Gesims mit einer Rundbogennische darüber, sollte die Tafel umschließen. Und hier ließ sich auch wie eine Ergänzung der Hauptdarstellung eine zweite große Scene aus der heiligen Geschichte anbringen, eine Andeutung des jüngsten Gerichts. Das Ganze dieser Komposition ist außerordentlich feinsinnig erdacht und künstlerisch abgewogen. Drei Jahre dauerte es noch, bis der fertige Altar aufgestellt werden konnte. Dürer hatte damals das Gemälde für Jakob Heller in Frankfurt auszuführen, an das er so lange Monate seinen besten Fleiß wandte, und aus seinen eigenen Worten dürfen wir wohl schließen, daß ihm damals seine kleine Kunstware, seine Stiche und Holzschnitte mehr Freude machten als die großen Gemälde. 1511 wurde das Werk vollendet, und schon 1515 starb der Stifter und ward in seiner Kapelle beigesetzt, nachdem er sich schon früher mit dem Probst von S. Sebald, Erasmus Toppler, auseinandergesetzt wegen der an der Sebalduskirche erst erworbenen Begräbnisstätte[95]. [Fußnote 94: Die Handzeichnung befindet sich in der Sammlung des Herzogs von Aumale, und ist bisher noch nicht in Farben wiedergegeben worden. Abb. siehe bei _Ephrussi_, Albert Durer et ses Dessins zu Seite 172 und danach in Hirths _Formenschatz_ 1889 Nr. 136. Abbildungen des Rahmens und einiger Einzelheiten seiner Ornamentik enthält _Thausing_ Albrecht Dürers Leben und Werke II/27. Ferner _Bucher & Gnauth_ Das Kunsthandwerk I. S. 32 und danach der Katalog der Originalskulpturen des germanischen Museums S. 43. Sie haben alle den Mangel, daß sie vor der Wiedervereinigung des Frieses mit dem Rahmen gezeichnet, jenen nur andeutungsweise und ungenau wiedergeben. Eine gewissenhafte Kopie des Gemäldes samt Rahmen hat die Familie von Tucher der Gemäldegalerie des germ. Museums geschenkt. Die alte Bemalung des Rahmens ist nur noch an den köstlichen Friesfiguren erhalten, dadurch daß diese zur Zeit der Restauration durch Keim vom Hauptstück entfernt waren, und erst später unter Heideloffs Nachlaß sich wiederfanden. Unter dem heutigen Ölfarbanstrich lassen sich Reste der Bemalung noch überall feststellen. Demnach gibt die nach Angaben des Dr. von Essenwein angefertigte Kopie des Rahmens im ganzen die richtige Vorstellung von dem ehemaligen Farbenglanz des Ganzen. Daß Gold zusammen mit einem matten Blau die indifferentesten Farbtöne sind, die am wenigsten die aus kräftigen Lokaltönen zusammengesetzte Farbenwirkung des Gemäldes zu beeinträchtigen vermögen, das wußten die Italiener schon lange; und auch diesseits der Alpen übte man schon im 15. Jahrhundert diese Technik der Gemäldefassung: vergoldetes Laubwerk auf blauem Grunde, die abgefasten Ecken und Hohlkehlen gelegentlich auch dunkelrot, bei den Figuren goldene Gewänder mit blauen umgeschlagenen Säumen, das war z. B. in Wohlgemuts Werkstatt Regel. Wenn uns heute an der erst vor wenigen Jahren angefertigten Kopie des Allerheiligenbildes die Vergoldung zu aufdringlich erscheint, so mag man dagegen erwägen, daß für das gedämpfte Licht eines Kirchenraumes stärkere Effekte nötig waren, als sie ein moderner Oberlichtsaal zuläßt; und überdies that der ausgleichende Einfluß der Natur bald das Seine, um die übergroße Leuchtkraft der Farben zu dämpfen.] Das Gemälde kam an Rudolph II. und befindet sich nun in den k. k. Kunstsammlungen in Wien, der Rahmen ist seltsamer Weise leer stehen geblieben und als eines der wichtigsten Stücke der städtischen Sammlungen ins germanische Museum gekommen, nachdem er zuletzt in der Zeit Heideloffs ausgebessert und mit graugelber Ölfarbe überstrichen worden war. Von der ersten dem Besteller vorgelegten Skizze bis zur Vollendung des Altars war ein weiter Weg, und manches kam anders zur Ausführung als es entworfen war. Rechnen wir zunächst das ab, was ungeschickte Restauration dem Werke anthat -- das leere Maßwerk an Stelle des prachtvollen Bildfrieses, der sich merkwürdiger Weise später erst in Heideloffs Nachlaß wiederfand, und das Stabwerk am untern Sturz des Architravs, so können wir vom Gesamteindruck sagen, der Rahmen ist entschieden gotischer geworden als er im Entwurf gedacht war. Nicht im Gerüst, in der Grundidee des Aufbaus, sondern in den Zierformen: Die Säulen, die in der Zeichnung ungegliedert als kräftige Masse vor dem ebenfalls glatten Grund stehen, sind im oberen Dritteil des Schaftes mit kräftigen, blau in gold gefaßten Kanneluren versehen und darunter umsponnen von üppigen Reblaubranken in halb gotischer, halb dürerischer Stilisirung; das beliebte gerollte Distelblattband füllt die Rückleisten und die Hohlkehle nach dem Gemälde hin. Dagegen fehlen in der Ausführung die echt dürerisch gezeichneten Rankenleisten am unteren Rande des Bildes und oben an der Schmiege des Hauptgesimses. Am auffallendsten tritt die Umgestaltung an der Umrahmung des Rundbogenaufsatzes zu Tage: an Stelle des mageren gotischen Maßwerks und der Zinnenleiste hatte Dürer eine dreifach gegliederte Archivolte vorgesehen: außen ein schmales Gesimsprofil mit einer Art Perlstab, dann ein Ornamentband mit Ranken, wie sie etwa auf dem Rahmen einiger Blätter vom Marienleben sich finden, und innerhalb davon ein Band mit radialen Einschnitten, die den Eindruck der Rundnische betonen sollen, genau so wie sie Dürer in der Thronlehne auf dem Mittelbilde des Lorenz Tucher'schen Triptychon anbrachte, das 1511 Hans von Kulmbach nach seines Meisters Zeichnung für den Chor von S. Sebald ausführte, vgl. Lippmann Handzeichnungen Albr. Dürers. Aus diesen an sich geringfügigen Änderungen lassen sich, wie ich meine, Schlüsse ziehen: Wenn Dürer den Rahmen für das Allerheiligenbild in dieser neuen, von den landesüblichen Formen so stark abweichenden Fassung entworfen hatte, wird man annehmen müssen, daß er auch die Ausarbeitung in seiner Werkstatt überwachte und leitete; dabei verfertigte der Bildschnitzer die Ornamentstücke offenbar meist ohne weitere Detailzeichnungen seines Meisters in den ihm geläufigen gotischen Mustern. Nur daß sie so dem Schnitzer handgerechter waren, erklärt dies Abgehen vom Entwurf. Für andere Stücke wieder, wie für das Füllornament am Sockel der Säulen oder für die Säulenknäufe, hat zweifellos Dürer ausführliche Zeichnungen angefertigt, wie wenig diese letzteren auch mit irgend welchen italienischen Kapitellformen übereinstimmen. Gerade ihm und nur ihm eigentümlich ist diese ganz persönliche Zierkunst, die wir gerade in diesen Jahren seiner Künstlerentwicklung in den Blättern des Marienlebens[96] in den Randzeichnungen zum Gebetbuch des Kaisers Max am schönsten ausgesprochen finden. [Fußnote 95: Vgl. _Würfel_ a. a. O. In der Zeit, da Landauer vor der Gründung des Bruderhauses noch Pfleger von S. Sebald war, hatte er sich zusammen mit seinem Amtsgenossen Sebolt Schreyer am Chor der Sebalduskirche ein Familienbegräbnis bestellt, dessen berühmte Reliefplatte Adam Kraft zur Ausführung übertragen worden war.] Es wäre wirklich vergebene Mühe, zu erforschen, bei welchem Italiener Dürer eine Anleihe gemacht haben könnte, denn er ist nie Kopist, er ist immer Dürer. Aber eine andere folgenreiche Neuerung hat der Allerheiligen-Altar der deutschen Kunst gebracht, die unmittelbar auf italienische Eindrücke zurückgeführt werden muß; es war der erste Angriff auf den in seinem weitläufigen Aufbau entschieden unkünstlerischen nordischen Flügelaltar. In Deutschland war man bis dahin gewöhnt den Hauptaltarschrein, das Mittelfeld, dem Bildschnitzer zu überlassen; eine Reihe von Heiligengestalten unter zierlichen Baldachinen oder eine Scene des biblischen Dramas unter einem flachen Korbbogen voll wilden gotischen Rankenwerks war das Übliche; zwei- und dreifache Flügel jederseits mit einer bilderbogenartig nebeneinandergestellten Reihe von Darstellungen der Legende des Kirchenpatrons fügte der Maler dann an die Seiten des Schreins, über dem eine ganze Architektur von Türmchen und Fialen in die Höhe strebte. -- In Italien war das anders: die monumentale Überlieferung, in der dort die Malerei groß geworden war, zwang schon, das Wandgemälde mit der umgebenden Architektur als ein Ganzes zu behandeln; den Ausblick in das Blau des Himmels, in dem eine Schaar von Putten sich tummelt, an eine Gewölbdecke malen, heißt doch die Architektur der Halle zum Rahmen des Gemäldes machen. Und wo man solche Aufgaben mit so viel Geschick zu lösen vermochte, da lag es auch nahe, das freistehende Altarbild durch einen Rahmen von Sockel, Pfeilerstellung und Gesimsstücke als eine Architektur im kleinen zu behandeln. Der streng symmetrische Aufbau der Gruppen, dem die späteren Quadrocentisten huldigen, mag diese Neigung zu einer so knappen Fassung in strenggegliedertem Architekturrahmen begünstigt haben. Und gerade derjenige Meister, von dem wir aus Dürers eignem Munde wissen, daß er ihn unter den Venezianern am höchsten schätzte, dessen glänzende Werke damals die Dogenstadt in Staunen versetzten -- Giovanni Bellini -- zeigt uns, wie sehr er gewohnt war, Bild und Rahmen als ein künstlerisches Ganzes zu denken und zu komponieren. In S. Maria dei Frari zu Venedig steht eines der Hauptwerke Bellinis, der 1488 entstandene Marienaltar[97]: Die Madonna mit dem Knaben und zwei musizierenden Engeln in der Mitte und auf den feststehenden Seitenflügeln zwei Paare ehrwürdiger Heiliger in ruhiger Haltung. Die drei Gemälde werden durch vier breite Pilaster umrahmt, die in der Mitte mit einem hohen Rundbogen, zu beiden Seiten mit geradem Gesims überdeckt, den ganzen prächtigen Aufbau wie eine Vorwegnahme Palladios erscheinen lassen. [Fußnote 96: Vgl. das gotische Portal aus der Scene der Beschneidung.] Und der architektonische Eindruck dieses mit reichem Reliefschmuck gezierten Rahmens wird erhöht bis zur Täuschung, indem der Maler den Hintergrund des Mittelbildes eine in ihren Formen dem Rahmen ganz angepaßte Nische um den Thron der Maria bilden läßt und anderseits auf den beiden Flügeln Gebälk und Pfeiler einer Halle in sorgfältig festgehaltener Perspektive darstellt, als hingen sie mit dem Pilaster des Rahmens zusammen. Dieser höchst eigenartige künstlerische Gedanke, den Hans Holbein für seine Fassadenentwürfe aufnahm, und den die Dekorateure des 18. Jahrhunderts in ihrer Weise so vorzüglich auszubeuten verstanden, ist für Bellinis Auffassung von Bild und Bilderrahmen höchst bezeichnend: In dem Kreise von Künstlern, in dem Dürer in Venedig verkehrte, legte man Gewicht auf derartige künstlerische Fassung der Gemälde; Dürer sah ihre Werke, hörte den Gedanken aussprechen, und als er wieder nach Nürnberg kam, verarbeitete er ihn in seiner Weise zu dem Landauer Altar. Man hat bisher auf diese innere Verwandtschaft zwischen Dürers Neuschöpfung und der in Italien schon lange geübten Art nicht geachtet; dagegen hat Thausing auf eine andere Gattung von Denkmälern dekorativer Bildhauerkunst hingewiesen, unter denen Dürers Vorbild zu suchen sei, auf die Grabmonumente Venedigs. Es ist wahr, der oberitalienische Grabmaltypus, wie er am Ende des Quattrocento sich ausgereift hat, diese Nischenarchitektur mit Pilastern und Rundbogen, die den Sarkophag des Entschlafenen dekorativ umschließt, baut sich aus denselben Elementen auf, und kleine Verschiedenheiten ließen sich unschwer aus Material und Bestimmung erklären. Thausing hat sogar das unmittelbare Vorbild Dürers zu finden geglaubt, ein Werk, das allerdings dein Meister ebensowohl bekannt sein mußte als Bellinis Marienaltar -- das Grabmal des Dogen Pasquale Malipiero in SS. Giovanni e Paolo, das bald nach 1462 entstanden sein dürfte. Auch abgesehen von der typischen Ähnlichkeit des ganzen besticht dieser Vergleich wirklich durch die übereinstimmende Anordnung eines dreifigurigen Reliefs -- Christus als Schmerzensmann, gestützt von zwei Engeln -- im Bogenfeld und der akroterartigen Anbringung dreier Freifiguren am Scheitel und an den Seiten der Archivolte. Weiter geht aber die Ähnlichkeit nicht, und die akroterartigen Aufsätze hatte Bellinis Marienaltar ebenfalls; beiden ist die ungemein geschickte Art, wie Dürer die überdies feinsinnig in die Komposition hineingezogenen drei Engelchen anbrachte, weit überlegen. [Fußnote 97: Neuerdings veröffentlicht im _klassischen Bilderschatz_ Bruckmann 1896, Nr. 1102. Ich wähle unter manchen verwandten italienischen Altarwerken dieser Zeit gerade Bellinis Gemälde, weil Dürer dieses zweifellos in Venedig gesehen hat.] Wenn Dürer in diesem Altarwerk zum ersten Male die epische Breite der bisherigen deutschen Wandelaltäre vermied, wenn er statt der bisher üblichen zahlreichen Heiligenlegenden und dramatischen Bibelscenen hier eine einzige knappe aber erschöpfende Komposition vorzog, so konnte er sich doch nicht versagen, das angeschlagene Thema, da wo der Rahmen Platz zu figürlichen Darstellungen bot, weiter auszuspinnen durch den Hinweis auf das jüngste Gericht. Es ist nun höchst lehrreich zu sehen, wie er den Stoff verarbeitet: Wie oft war seit dem Wandgemälde in der S. Georgskirche auf der Reichenau oder seit der ersten großen plastischen Darstellung des Weltgerichts in der Vorhalle des Freiburger Münsters der Stoff im Lauf der Jahrhunderte auf deutschem Boden zur Darstellung gekommen, und wie wenig war der einmal eingelebte Typus abgewandelt worden. Die Reihe der aus den Gräbern auferstehenden, die Reihe der Seligen und Verdammten, darüber die Schaar der Apostel und endlich Christus als Weltenrichter, umgeben von den Engeln, die durch Posaunenstöße den Tag des Gerichts verkündigen -- so wiederholte sich gut und recht in lehrhaftem Schema der Bilderzyklus, und wer etwa davon abzuweichen versuchte wie in seiner Rosenkranztafel Veit Stoß -- sonst ein Meister der Beschränkung in der Komposition -- scheiterte, weil er die große Figurenzahl nicht zu bemeistern, auf das plastisch Darstellbare zu beschränken wußte. Dürer griff nun die beiden wesentlichen Gruppen heraus: Im Bogenfeld sitzt Christus auf dem Regenbogen, seine Füße ruhen auf der Weltkugel, die rechte hat er segnend erhoben, die linke weist hinab zu den Verdammten; anbetend knien zur Seite Maria und Johannes in den Wolken. Zwei Posaunenengel, echt dürerische Putten, sitzen an den Seiten des Rundbogens und geben zusammen mit dem im Original verloren gegangenen Engelsfigürchen, das ehemals die Bekrönung des ganzen bildete, eine anmutige Belebung des sonst streng architektonischen Aufbaus. Unter dem Hauptgesims folgt dann im Fries der in flachem Relief ausgeführte Zug der Seligen, die Petrus in die Himmelspforte -- eine Strahlensonne -- einführt, und die von grotesken Teufelsfratzen an einer Kette in den Höllenrachen gezogenen Verdammten. Noch nie war in der deutschen Kunst eine Komposition so plastisch gedacht, so im Sinne des antiken Reliefstils erfunden worden. Am dichtesten gruppieren sich die Gestalten an den beiden Enden des Frieses, wo unter den vordersten der Reihe der Verdammten ebensowohl wie der Seligen dem demokratischen Geist der Zeit gemäß Papst und Kaiser, Bischof und Kardinal, an ihrer Kopfbedeckung kenntlich ihrem Bestimmungsorte zugeführt werden. Nach der Mitte werden die Reihen lockerer, die einzelnen Gestalten stehen fast ohne Überschneidung nebeneinander; dafür ist aber hier die stärkste dramatische Bewegung ausgedrückt in der großartigen Kampfgruppe: der letzte in der Reihe der Seligen, der sich eilt, dem Zuge nachzukommen, hat einen am Boden liegenden Freund am Arme gefaßt, um ihn mit sich zu ziehen; von der andern Seite faßt ein Teufel nach den Beinen des Mannes, den er herüberreißen möchte, indem er zugleich um Hilfe schreiend den Kopf zurückwirft. Wie die Bewegungsmotive in all diesen Figuren variiert und jedes einzelne durchgebildet ist, wie das sanfte Geleiten auf der einen Seite in Haltung und Geberde der beiden Engel, im Faltenwurfe sogar zum Ausdruck kommt, alles das sind Feinheiten in formaler Natur sowohl wie in Bezug auf den Gedankeninhalt des ganzen, wie sie kein deutsches Bildwerk bis dahin aufweisen konnte. Wer war aber der Künstler, dessen Schnitzmesser sich so ganz Dürers Zeichnung anzupassen vermochte, daß wir keine andere als Dürers Hand noch heute darin erkennen? Manches, wie die auffallende Flachheit der Reliefbilder im Tympanon, läßt fast einen Dilettanten vermuten; ich meine, überhaupt kann es kein im Beruf des Bildhauers gereifter Mann gewesen sein, da ein solcher Spuren seines eigenen Stils in seinem Werke hätte hinterlassen müssen. Im Katalog der Originalskulpturen des germanischen Museums steht der Rahmen des Allerheiligenbilds als Nr. 318 neben dem Reliefbild der Krönung Mariae und der großen Rosenkranztafel an dritter Stelle unter den Werken des Veit Stoß. Daß man dem berühmtesten, oder richtiger gesagt, dem einzig bekannten Nürnberger Bildschnitzer dieser Zeit dies zweifellos zu den hervorragendsten Werken deutscher Plastik gehörige Stück zuweisen wollte, ist begreiflich; jedenfalls verdient diese Annahme mehr Beachtung als die seltsame Meinung des sonst so feinsinnigen Thausing, der sich an die Art Albert (sic!) Krafts erinnert fühlt. Adam Kraft muß um Weihnachten 1508 im Spital zu Schwabach gestorben sein[98]; und daß er oder einer seiner Gehilfen, die doch Steinmetzen von Beruf waren, in Holz gearbeitet und unbekleidete Figuren von ähnlich klassischer Bildung wie die des jüngsten Gerichts geschaffen habe, müßte doch erst nachgewiesen werden. Aber auch Veit Stoß, für den sich Bergau und Lübke entschieden haben, hat mit der Ausführung von Dürers Skizze nichts zu thun. Denn gerade er hatte seinen außerordentlich ausgeprägten persönlichen Stil nach seiner Rückkehr von Krakau in keinem seiner Werke verleugnet und würde es als Mann von weit über 50 Jahren, wie er damals war, auch nicht mehr vermocht haben. Übrigens besitzen wir ja ungefähr aus den gleichen Jahren und im gleichen Größenverhältnis ausgeführt in der Rosenkranztafel eine Darstellung des jüngsten Gerichts und einige Gruppen aus der Schöpfungsgeschichte, die uns von der ungelenken derben Durchbildung des nackten Körpers bei Veit Stoß eine Vorstellung geben[99]. Es klingt etwas befremdlich wenn wir in Neudörffers Nachrichten hören, Stoß habe für den König von Portugal zwei vielbewunderte Statuetten von Adam und Eva gefertigt; denn die Behandlung des Nackten war nie seine Stärke. Die in ihrer Eckigkeit sehr übertriebene, oft überflüssig erregte Bewegtheit seiner Figuren, die eingeschnürten Leiber und verrenkten Hüften, die flachen typischen Gesichter stehen ganz gewiß der hohen Formenschönheit im Fries des Altarrahmens konträr entgegen. Und die drei Figuren des Tympanons geben Falte um Falte die Gewandanordnung von Dürers Zeichnung wieder, ohne daß man irgendwo eine Spur des sonst doch leicht wieder zu kennenden stoßischen Faltenschwungs wahrnehmen könnte. [Fußnote 98: Vgl. _Alfr. Bauch_ im Repertorium für Kunstwissenschaft. Bd. IXX. Heft 1.] [Fußnote 99: Vgl. die Werke des Veit Stoß in Photographien mit begleitendem Text von _Bergau_, Nürnberg Soldan, und K. _Schaefer_, Meisterwerke deutscher Bildschnitzerkunst im germanischen Museum, wo auch eine vollständige Wiedergabe des Frieses vom jüngsten Gericht.] Ein einziges Denkmal deutscher Bildhauerkunst ist uns bekannt geworden, das mit den Figuren des Altarfrieses aufs engste verbunden werden muß, das nicht nur durch die ganze eminent plastische Auffassung und die Durchbildung des nackten Körpers, sondern auch durch Einzelheiten, wie die originell behandelte Haartracht mit den beiden übers Ohr gelegten Zöpfen dieselbe Hand verrät, wie die Seligen des jüngsten Gerichts -- das ist die Plakette mit dem Flachrelief einer nackten Frau mit Dürers Monogramm und der Jahreszahl 1509. Es gibt davon zwei Platten in Kelheimer Stein, von denen eine wohl das größte Recht hat, als Original angesehen zu werden; denn daß Metallabgüsse nach diesen gefertigt worden seien, ist jedenfalls wahrscheinlicher als das umgekehrte. Nach welchem der Originale Thausing seine Abbildung der Plakette herstellen ließ, ist fraglich, da er das Imhofsche Relief nicht gesehen hat. Auch mir ist es nicht gelungen, das Kästchen, zu dessen Schmuck das Silberrelief gefertigt sein soll, zu sehen, da der Familienälteste Major Frhr. von Imhof versichert, daß er trotz wiederholter Bemühungen nicht habe feststellen können, ob und wo das Kunstwerk existiere. Das Relief im Nationalmuseum zu München ist in zahlreichen Gipsabgüssen, das zweite durch eine Lichtdrucktafel XVII im Katalog der Sammlung Felix bekannt. Das Relief ist der Technik entsprechend flacher als der holzgeschnitzte Fries, die Modellirung hier der Fernwirkung wegen kräftiger[100]. Thausing suchte bekanntlich gerade dieses Relief als Zeugen und zwar als einzig übrigen Zeugen von Dürers Versuchen in der Bildhauerkunst festzuhalten; mir scheinen seine Schlüsse nicht unglaubhaft, und jedenfalls hat sich noch niemand gefunden, der sie widerlegte. Die ganze Frage nach Dürers etwaigem Anteil an der Plastik seiner Zeit hier wieder aufzugreifen, ist müßig, da wesentlich neue Beweisgründe seit Thausings kritischer Enquete auf diesem Gebiet nicht herbeigebracht wurden. Nun liegt es mir gewiß fern, zu behaupten, Albrecht Dürer müsse mit eigener Hand das figürliche Schnitzwerk zum Rahmen des Landauer Altars angefertigt haben; wir bedenken überhaupt viel zu wenig, welche große Anzahl namhafter und namenloser Künstler noch zwischen einem Adam Kraft, Veit Stoß und Albrecht Dürer stand, von denen wir nur deshalb nichts wissen, weil sie Neudörffers Aufmerksamkeit entgangen sind; aber das steht wohl fest: ebensowohl wie an der Imhofischen Silberplakette ist an dem Fries der Seligen und Verdammten das Beste, das stilistisch Große, den gleichzeitigen Werken z. B. Veit Stoß' weit überlegene, Dürers geistiges Eigentum, und wenn eine Gehilfenhand dabei beteiligt war, die sich von des Meisters Geist führen ließ, so fällt ihr nichts weiter zu, als die handwerkliche Arbeit, nichts von dem Stil, der hohen Schönheit des Werkes. [Fußnote 100: Einige, vielleicht allerdings nur äußerliche Ähnlichkeit mit den Figürchen des Frieses zeigt eine kleine kreisrunde Komposition einer thronenden Maria, die unterstützt von zwei über ihr schwebenden Engeln an die versammelten Vertreter der Christenheit Rosenkränze austeilt. Das bemalte und vergoldete Relief, das 31 cm Durchmesser hat, ist irrtümlicher Weise in den Katalog der Originalskulpturen des germanischen Museums als Nr. 156 aufgenommen. Es ist keine Terrakotta, sondern ein Abguß in einer Thonmasse, die des besseren Anhaftens der Farben wegen, wie es scheint, ein wenig gebrannt wurde. Das nicht uninteressante Original dazu im Besitz der Kunsthandlung Fleischmann in Nürnberg ist ein Ölgemälde auf Holz, in dessen Mitte umrahmt von einem Kranze gemalter Rosen das Relief eingelassen ist. Das ungefähr 1515 entstandene Werk soll aus einer Kirche im bayerischen Schwaben stammen.] [Illustration: Taf. II. Fragment vom Rahmen des Allerheiligenbildes von Albrecht Dürer.] Bis auf die einfachen gotischen Distelblattleisten ist das ganze Altarwerk, der Aufbau, der figürliche Schmuck und das Zierwerk ganz und echt Dürer. _Nürnberg._ _Karl Schaefer._ Deutsche Pilgerfahrten nach Santiago de Compostella und das Reisetagebuch des Sebald Örtel (1521-22). I. Während die deutschen Pilgerfahrten nach dem heiligen Lande in den letzten Jahren vielfache Behandlung erfahren haben, ist den Reisen deutscher Wallfahrer nach Santiago de Compostella, dem »Jerusalem des Occidents«, bisher nicht die gleiche Beachtung zu Teil geworden. Über jene sind wir durch die Schriften von Röhricht, Meisner, Kamann u. a. gut unterrichtet, für diese fehlt zur Zeit noch eine zusammenfassende Monographie und ist auch das Material bisher nur ungenügend bekannt geworden. Und doch lassen sich aus diesen Reisen nicht minder willkommene Aufschlüsse nicht allein über geographische und kulturelle Verhältnisse, sondern hin und wieder auch in kunstgeschichtlicher Hinsicht gewinnen. Als eine der für ein so umfassendes Thema unerläßlichen Vorarbeiten zu dienen, ist der Zweck der folgenden Blätter. Die Reisebeschreibung, um deren Veröffentlichung es sich dabei vornehmlich handelt, stammt allerdings bereits aus der Periode des Übergangs vom Mittelalter zur neuen Zeit, steht aber der Sinnesart ihres Verfassers Sebald Örtel nach noch ganz auf dem Boden der alten Zeit und bietet überdies so mancherlei Interessantes von der oben angedeuteten Art, daß ein diplomatisch getreuer Abdruck des bisher ganz unbekannt gebliebenen Diariums nicht ungerechtfertigt erschien, zumal es aus jener Zeit nur wenige gleich ausführliche und genaue deutsche Reisebeschreibungen durch die Schweiz, Frankreich, Spanien und Portugal geben wird. Bevor ich indessen zur Mitteilung dieses Tagebuches selbst übergehe, sei es gestattet, einige Bemerkungen über deutsche Heiligtumsfahrten nach Santiago de Compostella im Mittelalter überhaupt vorauszuschicken. Obgleich schon früh von solchen berichtet wird[101], sind uns doch ausführlichere Reisebeschreibungen erst aus dem 15. Jahrhundert erhalten. Es hängt das ohne Zweifel zusammen mit dem größeren Gewicht, das seit dieser Zeit dem Sammeln von Reliquien der Heiligen beigelegt wurde und dem regen Interesse, das sich noch bis tief ins 16. Jahrhundert hinein überall dafür kund that. Zu der religiösen Verehrung gesellte sich die eben in jener Zeit erwachende Lust am Sammeln als solchem. Die Menschen von damals empfanden diesen Überresten gegenüber etwa die gleiche Pietät, wie sie heutzutage noch bei den Autographensammlern gegenüber ihren Schriftstücken besteht, oder von den Museen der verschiedensten Art durch sorgsame Aufbewahrung von Andenken an historische Persönlichkeiten, an Helden des Schwertes oder des Geistes, mit Recht genährt wird. Ja, man wird sogar behaupten dürfen, daß man die großen Sammlungen von »Heiligtümern«, wie sie zu Anfang des 16. Jahrhunderts bestanden und auch in Abbildungen ihrer bedeutendsten Stücke publiziert wurden[102], in gewissem Sinne geradezu als Vorläufer unserer heutigen Museen betrachten kann. Daß sich das Interesse eben der Gebildeten seitdem auch in katholischen Ländern in solchem Maße von den Gegenständen der Sakralgeschichte auf die der Profangeschichte zurückgezogen hat, dafür können wir eine Erklärung nur in dem so sehr veränderten Zeitgeiste finden. Die Aufzählung von Reliquien, die man zu sehen bekam, spielt denn auch in allen diesen Reisebeschreibungen des 15. Jahrhunderts, soweit sie sich überhaupt auf Einzelheiten einlassen, eine große Rolle. 1428 pilgerte der Nürnberger Peter Rieter nach Santiago, um von dort aus über Monteserrato nach Rom zu reisen. Er hat darüber eine kurze Aufzeichnung hinterlassen, die uns in Abschriften erhalten ist[103]. 1436 folgte ihm ein anderer Nürnberger Patrizier, Georg Pfintzing. Wie Peter Rieter hat auch er außerdem eine Pilgerfahrt ins heilige Land unternommen. Diese wurde von ihm ausführlich beschrieben; der Reise nach »Sant Jobs« dagegen, auf der er sieben Wochen abwesend war, erwähnt er nur mit wenigen Worten[104]. Weit ausführlicher ist ohne Zweifel die Reisebeschreibung eines Augsburgers, von 1439-40, die sich in einer Handschrift des Brittischen Museums erhalten hat, über die aber meines Wissens nähere Angaben bisher nicht gemacht worden sind[105]. [Fußnote 101: In Rossels Urkundenbuch von Eberbach 1, 114. 141 werden Wallfahrten aus dem Rheingau nach St. Jakob schon aus dem Jahre 1203 erwähnt (vgl. Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins XVI, 1864, S. 490); nach dem Lübecker Urkundenbuch III, 199 ff. wurde 1354 bestimmt, daß die Mörder des Knappen Marquard von Westensee zur Buße je einen Pilger nach Aachen, Rom, Santiago und Jerusalem schicken sollten. (Vergl. Röhricht und Meisner, Deutsche Pilgerreisen nach dem heiligen Lande, Berlin 1880, S. 486).] [Fußnote 102: Das Haller Heiligtumsbuch, das Wittenberger Heiligtumsbuch, Einzelblatt mit den Abbildungen der Heiligtümer, die in St. Ulrich und Afra zu Augsburg aufbewahrt wurden, etc. Auch von den Heiligtümern in St. Sernin zu Toulouse muß es solche Abbildungen gegeben haben, wie aus der Reisebeschreibung Örtels (»_.. vnd sonst viel Heilthumbs, als ich auff ein Zettel gedruckt hab_«) hervorgeht. Ob noch Exemplare davon existieren, vermag ich nicht zu sagen.] [Fußnote 103: Vgl. Röhricht und Meisner, a. a. O. S. 476. Eine Abschrift auch in dem sogen. schwarzen Rieterbuch der Nürnberger Stadtbibliothek Bl. 393a. Die Aufzeichnung umfaßt nur wenige Sätze. Der Schluß lautet nach der Nürnberger Handschrift: »_vnd thet das In einer gutten maynung mein Nachkommen Andacht zu haben dy heylige stett zu besuchen ob sie gott ermant er hett es aber gelobt zw thun._« --] Peter Rieter hatte am Schluß seiner kurzen Aufzeichnung betont, daß er seine Pilgerreisen nach den heiligen Stätten auch zur Nacheiferung für seine Nachkommen unternommen habe[106]. Seine Mahnung fiel in dem Herzen seines Sohnes Sebald Rieter auf fruchtbaren Boden. Er ist nach Rom, St. Jakob und zum heiligen Grab gepilgert. Die Wallfahrt nach Santiago und zum Cap Finisterre unternahm er in Gemeinschaft mit einigen andern Pilgern im Todesjahre seines Vaters (1462), reich mit Empfehlungsbriefen (»fuderprieff«) ausgestattet, die den Wallfahrern eine freundliche, ja ehrenvolle Aufnahme bei den Königen von Spanien und Frankreich und der Herzogin von Savoyen sicherten. Herolde geleiteten sie durch die von Kriegsunruhen aufgeregten Gebiete. Im Ganzen bietet auch Sebald Rieters Reisebeschreibung[107] obgleich erheblich ausführlicher als die des Vaters, nicht eben viel des Interessanten und auch die Reiseroute ist nur in großen Zügen angegeben, nicht im Einzelnen beschrieben. Von ungleich größerer Bedeutung sind die Beschreibungen, die uns von der Ritter-, Hof- und Pilgerreise des böhmischen Herrn Leo von Rozmital (1465-1467) erhalten geblieben sind, eine lateinische von einem unbekannten Verfasser und eine deutsche von dem Nürnberger Patrizier Gabriel Tetzel, der im Gefolge Leos an dessen Fahrt durch die Abendlande teilgenommen hatte[108]. Die Genauigkeit in der Angabe der Stationen läßt freilich auch hier hin und wieder zu wünschen übrig. Die Reiseroute stimmt auf große Strecken mit derjenigen Sebald Örtels überein[109]. Mit Übergehung der Reisen des St. Galler Bürgers Daniel Kauffmann (vor 1491)[110] und des Dominikaners Felix Fabri (vor 1492)[111] ist dann weiterhin vor allem zu nennen die Pilgerfahrt des niederrheinischen Ritters Arnold von Harff (1496-1499), die von ihm selbst ausführlich beschrieben und uns in mehreren Handschriften erhalten ist[112]. Sie hat in der Anlage und in der genauen Angabe der Meilen von Station zu Station so manche Ähnlichkeit mit dem hier zu veröffentlichenden Reisetagebuch des Sebald Örtel, daß man wohl der Ansicht zuneigen könnte, Örtel habe eine Handschrift der Reisebeschreibung des Ritters von Harff gekannt. Inhaltlich jedoch bieten beide Beschreibungen nur geringe Berührungspunkte, wie sich denn auch die von Arnold von Harff eingehaltene Reiseroute nur für wenige größere Strecken annähernd mit derjenigen Sebald Örtels deckt[113]. [Fußnote 104: Röhricht und Meisner a. a. O., S. 66 u. 95.] [Fußnote 105: Papierhandschrift 14326, wahrscheinlich Autograph; vgl. G. Waitz im Neuen Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde IV (1879) S. 350.] [Fußnote 106: S. oben Anm. 3.] [Fußnote 107: Ebenfalls im sogen. schwarzen Rieterbuch der Nürnberger Stadtbibliothek 395 ff. Vgl. auch Röhricht und Meisner, a. a. O. S. 484 f.] [Fußnote 108: Herausgegeben von J. A. Schmeller im 7. Bande der Bibliothek des Stuttgarter litterarischen Vereins (1844).] [Fußnote 109: Sie deckt sich damit ziemlich genau in folgenden Abschnitten: Dax bis Tolosa; Santiago bis Ponte de Lima; Porto--Coimbra--Thomar; Evora--Badajoz--Guadalupe--Talavera de la Reina; Madrid--Zaragoza--Fraga; Igualada--Barcelona--Perpignan--Narbonne; Avignon.] [Fußnote 110: Erwähnt von Dietrich von Schachten, bei Röhricht und Meisner S. 224.] [Fußnote 111: Vgl. Röhricht und Meisner S. 279 ff.] 1506 unternahm der Breslauer Peter Rindfleisch, der schon zehn Jahre zuvor nach Jerusalem gepilgert und dort zum Ritter des heiligen Grabes geschlagen worden war, von Antwerpen aus eine neue Wallfahrt nach Santiago, wo er den Herzog Heinrich von Sachsen mit seinen Begleitern, von Colditz und Hans Roch, antraf[114]. Seine Beschreibung dieser Reise[115] kann sich an Bedeutung weder mit der des Ritters Arnold von Harff, noch mit der Sebald Örtels messen. Mit der letzteren deckt sie sich, was die innegehaltene Route betrifft, für die Strecke von Bayonne bis Santiago. Wir wissen noch von manchen anderen Fahrten deutscher Pilger nach St. Jacob de Compostella aus dem Mittelalter und dem beginnenden 16. Jahrhundert[116], können es aber für unseren Zweck bei den oben angeführten wichtigsten derselben, von denen zumeist noch eine Beschreibung vorhanden ist, bewenden lassen. * * * * * Wie an den Pilgerfahrten nach dem heiligen Lande sind auch, wie wir gesehen haben, an den Reisen nach Santiago de Compostella Nürnberger in hervorragender Weise beteiligt gewesen, und einer alten Nürnberger Familie, die zu den Ehrbaren gerechnet wird, gehörte auch der Schreiber unseres Reisetagebuches an. Sebald Örtel, dessen Bildnis wir dieser Abhandlung beigeben[117], war als dritter von sieben Söhnen Sigmund Örtels und seiner Frau Margaretha, einer Tochter des Philipp Groß, 1494 geboren. Außer den Brüdern, unter denen ihm der im Diarium mehrfach genannte Florentius im Alter am nächsten stand, hatte er, wie aus einem Örtelschen Geschlechterbuch[118] hervorgeht, noch acht Schwestern. Die Örtel sollen namentlich einen »starken Handel mit Berkwercken getrieben« haben[119] und müssen früh zu ansehnlichem Reichtum gelangt sein. Auch Sebalds Vater, Sigmund (+ 1525), war sehr vermögend, er besaß zu Ausgang des 15. Jahrhunderts ein Haus in der Kotgasse, je ein weiteres in der Derrergasse, Bindergasse und unteren Schmiedgasse, sowie ein Gut zu Galgenhof, das er eben im Geburtsjahr Sebalds, 1494, von der Gerhaus Kohler gekauft hatte[120]. Über Sebald Örtel selbst erfahren wir nicht eben viel. Während einige seiner Brüder (Andreas, Florentius, Sigmund) in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts verschiedene städtische Ämter bekleidet haben[121], wird ein Gleiches von ihm nicht berichtet. Unmittelbar nach der Rückkehr von seiner weiten Reise hat er sich am 11. Februar 1522 mit der Tochter des Hans von Ploben und der Barbara Hallerin, Anna von Ploben, vermählt, die ihm drei Söhne gebar, Christoff, Abraham und Paulus[122]. 1552 ist Sebald Örtel 58 Jahre alt gestorben. [Fußnote 112: Herausgegeben von Dr. E. von Groote. Köln, 1860.] [Fußnote 113: Toulouse. Von Burgos über Leon nach Santiago; und von Burgos bis Bayonne.] [Fußnote 114: Vgl. Röhricht und Meisner, S. 316 und 345 ff.] [Fußnote 115: s. ebenda.] [Fußnote 116: So von der des Thomas Voglin 1503 (vgl. Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins XVI. 1864, S. 490), Heinrich und Hans Peters aus Ilsenburg, zwischen 1481 und 1516 (vgl. Urkundenbuch des Klosters Ilsenburg, bearbeitet von Jacobs, Halle 1877, Nr. 452) u. a. m.] [Fußnote 117: Nach einer Radierung (P. 947 der Porträtsammlung des Germanischen Museums), die allerdings nicht gleichzeitig ist, sondern etwa aus dem ersten Viertel des 17. Jahrhunderts stammt, aber, wie man aus der Tracht, insbesondere aus der Kopfbedeckung schließen darf, auf ein gleichzeitiges Bildnis zurückgeht und daher wohl auf Porträtähnlichkeit Anspruch machen kann.] [Fußnote 118: Hs. 7057 der Bibliothek des Germanischen Museums, Bl. 13 u. 16.] [Illustration] Was nun sein Reisetagbuch betrifft, so liegen uns in der Handschrift 420 (kl. 8) der im Germanischen Museum deponierten Merkelschen Sammlung, zwar kaum die Notizen vor, die er sich auf der Reise selbst gemacht haben mag -- dem widerspricht die Gleichmäßigkeit und Sauberkeit der Schrift -- ohne Zweifel aber haben wir es mit einer fast gleichzeitigen, wahrscheinlich von Sebald Örtel selbst bald nach seiner Rückkehr unternommenen Abschrift oder Bearbeitung seiner Reiseaufzeichnungen zu thun. Das so entstandene Werkchen umfaßt 2¾ Bogen oder 22 Blätter und ist auf starkem, nur leider etwas schlecht geleimtem und daher die Tinte durchlassendem Papier geschrieben. [Fußnote 119: Nach der Topographia Reipublicae norimbergensis, Hs. 7178 der Bibliothek des Museums, S. 706.] [Fußnote 120: Nach dem sog. Libri litterarum der Nürnberger Stadtbibliothek Bd. 3. fol. 51 (1484); 9, 101 (1492); 11, 133 (1496); 13, 152 (1496) und 12, 40 (1494).] [Fußnote 121: Topographia S. 707.] [Fußnote 122: Nach dem Örtelschen Geschlechterbuch S. 16.] Interessant ist es, zu beobachten, was den Nürnberger Kaufmannssohn auf seiner Reise vor Allem interessiert. Unternommen wurde sie, wie aus den Eingangsworten hervorgeht, in erster Linie als eine Pilgerfahrt nach Santiago und die Aufzählung kirchlich bedeutsamer Stätten, die besucht, die Beschreibung der Reliquien, die besehen und fromm verehrt wurden, nimmt einen breiten Raum in der Erzählung ein. Auch unterläßt Sebald Örtel es nie, getreulich zu berichten, wo er Messe hat lesen lassen, ein Almosen »in den Stock« gelegt hat u. s. f. Daneben aber verrät sich der Zeitgenosse und nähere Landsmann so vieler großer Künstler, eines Dürer und Peter Vischer, deutlich in dem Eindruck, den hervorragende Kunstwerke auf ihn machen, in der ausführlichen Schilderung, die er beispielsweise der berühmten Chorbühne in der nicht minder berühmten Kathedrale der heiligen Cäcilia in Albi widmet. Aus seinen Notizen wird vielleicht Manches für die lokale Kunstgeschichte zu entnehmen sein, doch muß ich die Verwertung des Tagebuchs nach dieser Richtung hin besseren Kennern der mittelalterlichen Kunst in Frankreich und Spanien überlassen. Auch sonst bekundet Örtel in seinem Tagebuch einen offenen Blick namentlich auf praktischem Gebiete und ein vielseitiges Interesse. Wie von vornherein ein Nebenzweck seiner Reise der gewesen war, seinen in Lyon weilenden Bruder Florentius zu besuchen und später die Rückreise von Lyon aus mit ihm gemeinsam zu machen -- dieser Plan hat auch seine Marschroute wesentlich beeinflußt -- so verkehrt er außer zu Lyon, auch in Lissabon, Saragossa und anderen Orten mit den dort anwesenden Deutschen und läßt es sich manchen Dukaten kosten, was alles gewissenhaft verzeichnet wird. Ebenso genau wird über die bezahlten Zollgebühren Buch geführt. In Zürich zeigen ihm die Züricher Herren ihr Zeughaus, ebenso besieht er sich das königliche, reich ausgestattete Zeughaus in Lissabon; in St. Juan de Luz, Lissabon und Marseille werden die großen Schiffe, in letzterer Stadt auch die Docks in Augenschein genommen -- Dinge, die den künftigen Handelsherrn, den vornehmen Städter, besonders interessieren mußten. Daneben aber versäumt er auch nicht bei St. Galmier des dort aus der Erde quellenden, »wie Wein schmeckenden« doppeltkohlensauren Wassers, oder der heißen Quellen von Dax Erwähnung zu thun, oder für die kleine spanische Stadt Tolosa sich voll Verwunderung anzumerken, daß alle Straßen mit Steinen gepflastert seien. Derartige kleine Bemerkungen, die zum Teil ein willkommenes Streiflicht auf die damaligen Verhältnisse fallen lassen, finden sich in dem Tagebuch noch manche, wie man aus der Lektüre desselben entnehmen mag. Nur von der Natur und ihren Schönheiten, die ihm doch im südlichen Frankreich, in Spanien und Portugal auf Schritt und Tritt entgegen getreten sein müssen, findet sich in dem ganzen Büchlein auch nicht ein Sterbenswort. Als die Reisenden, d. h. Örtel und sein Diener, im herrlichen Barcelona ankommen, heißt es nur: »Da ließen wir unsere Pferd beschlagen und unsere Stiefel flicken, kostet mich 6 Real, und blieben den Christabend und den Tag auch da und besahen viele Ding«. Auch in dieser Teilnahmlosigkeit gegen die ihn umgebende Natur zeigt sich der Verfasser noch durchaus als ein Kind des Mittelalters. Weiteren Kreisen das lange nach innen gekehrte oder nur auf die Bedürfnisse des täglichen Lebens gerichtete Auge auch wieder für die Reize der Natur geöffnet und empfänglich gemacht zu haben, ist wesentlich ein Verdienst der Kunst, insbesondere der Renaissancekunst, und gewiß keines ihrer geringsten. Aber freilich: diese Entwicklung vollzog sich nur ganz allmälich und bei dem Einen später als bei dem Andern. Unser Sebald Örtel scheint 1521 von ihr noch so gut wie unberührt gewesen zu sein. Bei dem Abdruck des Diariums, das ich nunmehr buchstabengetreu folgen lasse, glaubte ich auch die nach Schluß des eigentlichen Tagebuches noch hinzugefügten verschiedenen Marschrouten in gleicher Weise unverkürzt wiedergeben zu sollen; einmal weil unser Abdruck auch für den Forscher die Handschrift völlig zu ersetzen bezweckt, dann weil gerade auch diese Verzeichnisse noch manches Wissenswerte enthalten und die in denselben erscheinenden Ortsnamen nicht selten die oft sehr korrupte Schreibung des Tagebuches zu erklären geeignet sind.[123] Die heutigen Namen der Orte sind, soweit es nötig schien und soweit sie aus den mir zur Verfügung stehenden Landkarten und Reisebüchern zu ermitteln waren, in den Anmerkungen hinzugefügt; Abkürzungen wurden in der Regel aufgelöst. II. Das Reisetagebuch des Sebald Örtel. In nomine domini Jesu Christi 1521 Item ich Sebolt Orttel reit zu Nürnperg aus gen sant Jacob an sant Bartelmes abent d. 23 august. Da nam ich mit mir ein palbirers gesellen, was bey Maister Nicklas Kun am pladenmarck, hies Christoff Melper. Sein vatter sas zu München, den verzert ich mit mir aus vnd ein, vnd gab jhm sonst nichts denn ein Rock in mein farb, vnd ich reit hie aus ein rots fuchslein, was meines bruders Florentij [per] 20 fl. vnd ich gab meinem diener ein clain schimle zu raiten, das kostet 14 fl. Kaufft ich es vom Endres Rechen, der was bey dem Sebastian Melpar in gesellschalft. Item so reit ich den ersten tag von Nurnperg aus mit meinem knecht gen Guntzenhaussen an sant Bartolomeus abent, do lagen wir vber nacht was 6 meil da verzert ich 4½ h. gelts, darnach gen Ötting[124] was 3 meil, [1b] verzert ich 2 h. 20 [Pfennig], von dann gen Nörling[125] was 2 meil, verzerten 28 kreutzer, von dann gen Genge[126] was 4 meil, verzerten 16 +er, von dann gen New [?] was 2 meil, verzerten 24 +er. Von dann gen Ulm was 2 meil verzerten 16 +er. Darnach rait ich gen Waltringen[127] was 3 meil, do verzert ich vber nacht 25 +er. Von dann Rait ich gen Pibrach[128] was 1 meil da regnets als sehr, daß ich den halben tag dar belieb, da verzert ich 14 +er. Von dann gen waingarten was 3½ meil, verzerten 30 +er, von dann gen Mersperg[129] was 3½ meil, verzert 16 +er. Darnach fuhr ich vber den see, gab darvon 13 +er, da lagen wir zu nacht zu Koßtznitz[130] verzert 24 +er, Darnach blieb ich den andern tag zu Koschnitz, dann wir kunten vor wasser nit auskummen, verzert 1 fl., darnach rait ich mit ietzlichen von Zürch gen sant Anna, die thutt auch große Zaichen, vnd hatt gar hübsch geschnitten [2a] altar taffel was 2 gros meil, da assen wir zu mittag, verzert ich 14 +er, von dann gen Winterdurren[131] was 2 gros meil verzert 24 +er. Von dann gen Zürch was auch 2 groß meil, verzert ich für 6 mal, vnd für 2 tag für die pferd, die ich stehn hat lassen 1 fl. vnd 3 patzen, vnd so fuhr ich mit dem Christoff den see ab piß gen [_Lücke_][132] verzert ich 12 +er. Darnach morgens frü an sant Egidijtag giengen wir gen einsidel was 1 meil vber ein hohen berg, da beichten wir, vnd namen da das heilig hochwirdig Sacrament, vnd befahlen vns vnsern lieben herrn, vnd assen, daselbst verzert ich 15 +er. Darnach giengen wir wider an See, vnd fuhren wider gen Zürch, da gab ich den schiffleuten ein S[avoyer] fl. zu lon. -- [Fußnote 123: Den »Bädeker für die Santiagopilger aus Deutschland«, welchen Röhricht (Deutsche Pilgerreisen nach dem heiligen Lande, Gotha 1889, S. 36, Anm. 11) erwähnt, mit dem Titel: »De overen vnde meddelen Straten van Brunswygk tho Sünte Jacob in Galicien, Brunswygk 1518« 8. konnte ich leider bisher nicht zur Hand bekommen. Vielleicht würden sich aus demselben mancherlei Aufschlüsse insbesondere auch über die dem eigentlichen Tagebuche angehängten Marschrouten gewinnen lassen.] [2b] Da schenckten vns die Herrn von Zürch den wein, vnd liessen vns jhr Zeughaus sehen vnd jhr geschos, beweisten vns viel ehr vnd freundschafft, darnach reit ich zu mittag aus gen Lentzspurg[133] was 2 gros meil, verzert ich 24 +er: von dann gen Arburg[134] sind 2 groß meil, verzert ich 4 batzen, von dann gen Doringen [?] 2 meil verzert ich 7 batzen. Von dann gen Purtdolf[135] sind zwei gros meil verzert 4 batzen. Item von Purtdolff gen Bern 2 meil, da verzerten wir 10 batzen, von dann gen Freyburg ist 3 groß meil, da verzerten wir sieben Safoir g: von dann gen Remund[136] ist 3 meil, da verzerten wir 16 Saffoir g. Von dann gen Losanna[137] ist 5 meil, da verzerten wir 8 g., von dann gen Niß[138] 4 meil, verzerten 7 g. Von dann gen Jenft[139], ist 3 meil, an vnser lieben frawen abent. Da blieb ich den Sambstag, vnd vnser lieben frawen [3a] tag zu Jenff, da verzerten wir bey dem Ulrich Embler 2 fl. Item so ritten wir den montag zu Jenff wider aus, vnd ritten gen Kolunge[140], das ist 4 meil, da verzerten wir 7 g. Von dann gen Senpermann[141] ist 3 meil, verzerten wir 15 g. mit sambt den 2 Teutschen, die lud ich zu gast, von dann gen Scherdung[142] ist 4 meil, do verzerten wir 6 g, von dann gen Samony[143] ist 3 meil, da verzerten wir 14 g. Von dann gen Mulla[144] ist 3 meil, verzerten wir 7 g., von dann gen Lion ist 3 meil verzerten wir nichts. Lagen bey meinem bruder Florentius in seiner Herbrich bey 14 tagen, da zalt er für mich. -- [Fußnote 124: Öttingen.] [Fußnote 125: Nördlingen.] [Fußnote 126: Giengen.] [Fußnote 127: Baltringen.] [Fußnote 128: Biberach.] [Fußnote 129: Meersburg.] [Fußnote 130: Konstanz.] [Fußnote 131: Winterthur.] [Fußnote 132: Vielleicht Pfäffikon?] [Fußnote 133: Lenzburg.] [Fußnote 134: Aarburg.] [Fußnote 135: Burgdorf.] [Fußnote 136: Romont.] [Fußnote 137: Lausanne.] [Fußnote 138: Nyon (Neuss).] [Fußnote 139: Genf.] [Fußnote 140: Collonges.] [Fußnote 141: Saint Germain de Joux.] [3b] Item so luden mich die Teutschen zu Lion zu gast, nemlich der Sebolt Schurstab, Schlisselberger, vnd der Hans Scheiffelein, der Hans Schwab, vnd des Dürrer diener, vnd der alt Hans jr. So lud der Florentius mir zu lieb zu 2 tisch Teutsche in des Marx Rauschen Hauß. So sahen wir zu Sangust[145] 2 vnschuldige kindlein vnd ein stuck von der seulen, da vnser Herr daran gegeisselt ist worden, vnd sonst viel Heilthumbs von sant Anna. Item so ritt ich zu Lion wider aus Adj 24 september, mit des Hans Schwaben Sun, vnd sunst mit 2 Wallon, vnd ritten von Lion aus gen Jfarung[146] ist 3 meil, da verzerten wir 7 ß, van dan gen Sangervay[147] was 4 meil, da verzerten wir 14 ß, da selbens da hats ein brunnen gehabt der hat geschmeckt als wein. Darnach ritten wir gen sant bunet deschada[148], was 5 meil, da verzerten wir 7 ß, von dann gen pung [4a] deperat[149] was 3 meil, verzerten wir 14 ß, von dann gen Sassangen[150] was 5 meil, da verzerten wir 6 ß. Von dann gen allabantha [?] was 3 meil, da verzerten wir 14 ß, von dann gen sant flor[151], da verzerten wir 6 ß, was 5 meil, darnach blieben wir denselben tag dar, vnd besahen ein grosse glocken, vnd ein stuck vom heiligen +, vnd ein dorn von vnsers herrn kron, vnd 2 ohr von sant Johann vnd sunst viel Hailthumbs. Im prediger closter da verzerten wir 14 ß, von dann gen Schadesloy[152], was 4 meil, da verzerten wir 7 ß, von dann alla giola[153] was 4 meil, da verzerten wir 7 ß, darnach ritten wir gen Rodes[154] was 4 meil, da verzerten wir 22 ß. Da sahen wir in eins pfaffenhaus, das hübschst selzamst ding von bildern vnd gemelden: vnd hangen, niemands kan nit sehen war an. Darnach giengen wir, vnd besahen vnsser lieben frawen schue, [4b] vnd ein seiden das sie selber gespunnen hat, vnd 3 st. vom heiligen + vnd ein dorn von vnsers Herrn kron, vnd mehr ein gar guldene Jungfraw Maria vnd sonst viel löblichs Hailthumbs, von Rodes raiten wir alla motda [?] was 5 meil, verzerten 5 ß, von dann gen Allerung[155] was 5 meil. Item do verzerten wir 12 ß. Von dann gen Albis[156] was 3 meil verzerten wir 7 ß, da hats ein Hübsche kirchen, vnd alle gemalt vnd vergult, vnd der kohr mit hübschen gehaunen steinen, vnd man weisset vns den hohen altar, darinnen was vnssers herrn gepurt, vnd die beschneidung, vnd die vnschuldigen kindlein, vnd die flucht in Egypten, als von silbern bildern, vnd oben von sant Jorgen, von sant Nicklas von sant Marta, von sant Barbara, von sant Steffan, von sant Paul als in silber eingefast, vnd sonst 9 kopff von den 11 tausent Jungfrawen, vnd sunst viel heilthumbs. Darnach wieß man vns [5a] im Sagra viel hübsche guldene, perlene vnd sammete vnd damaskatine Meßgewant vnd 2 silberne meßbücher, vnd ein guldes + mit viel hübschen edelen steinen, vnd sunst viel silbernes gefeß, das alssams hat ein Bischoff lassen machen. Von dann ritten wir gen Gelieck[157] was 4 meil, verzerten wir 4 ß, von dann gen Bausset[158] was 4 meil, verzerten wir 7 ß, von dann gen Tolosa[159] was 4 meil, da blieben wir ij tag vnd verzerten 1 Ducaten, vnd wir besahen viel löblichs Heilthumbs, als nemlich 6 Zwelffbotten, vnd der hailig Ritter Sant Jörg, vnd sonst viel Hailthumbs, als ich auff eim Zettel getruckt hab. Mehr das buch Apocalipsis vnd ein Zan von sant Christoff, vnd ein perlemutter, darein ist gar hübsch ding geschnitten[160], vnd wir ritten Zu Tolosa wider aus am Donnerstag an sant Franciscitag [4. Oktober] Zu mittag gen Lillagordung[161] was 4 meil, verzerten wir 12 ß darnach gen Lysignan [?] was 3 meil verzerten [5b] wir 6 ß, von dann gen Asch[162] was 4 meil verzerten wir 12 ß, von dann gen Wick[163], was 4 meil verzerten wir 7 ß von dann gen naxaro[164] was 4 gr. meil, verzerten wir 18 ß von dann gen Kasaras[165] was 3 gr. meil verzerten wir 6 ß. Von dann gen Garnada[166] was ij meil, da ritten wir vber ein bruck, da must man 6 ß Zu Zol geben. Darnach ritten wir noch gen sant Sotber[167] was ij meil, verzerten wir 12 ß, von dann gen Munfort[168] was 3 meil, verzerten wir 7 ß. Von dan a Dax was 3 meil verzerten wir 14 ß, da ist ein Heiß wasser, das quilt von der erden, als sunst ein quellender prun. Von dan gen sant Winssang[169] was 3 gros meil verzerten wir 7 ß. Von dan gen Wayana[170] was 4 meil. Da blieben wir ein gantzen tag stil liegent, vnd besahen die befestigung, die der König von Franckreich lies machen mit pastey vnd groß graben vmb das schloß, mehr besahen wir wie man die grossen ancker macht, da einer 40 bis in 50 c. wigt, braucht man der fünff in ein groß schiff, vnd die Jungfrawen sind alle beschoren, daselbsten verzerten wir 40 ß. Von dann ritten wir gen sant Jangdelus[171] [6a] was 3 meil, verzerten wir 6 ß, ist ein port des Meers. Da besahen wir die grossen schiff, vnd alle Zugehörung. Darnach ritten wir vber ein bruck vber das Meer, da musten wir 6 [Pfennig] zu Zol Zalen. Darnach ritten wir noch 2 meil zu eim schloß, das ist des Königs von Spania; vnd sein Herrschafft hebt sich her genseit des wassers an, vnd man lest kain Kauffmann heraus raiten, man besucht ihn vor, daß er kein gelt mit ihm hraus fürt. Darnach ritten wir noch ein halbe meil in ein stetlein hies Dirrong[172], da verzerten wir 12 ß, von dann gen Armany[173] was 3 meil, verzerten wir 8 ß, von dann gen Dolosada[174] was 3 meil. Die Statt ist mit eitel clein steinlein gepflastert, da verzerten wir 16 ß, von dann gen Sigura[175] was 4 meil, da verzerten wir 8 ß. Ist daselbs der weg 8 meil aneinander gepflastert. Darnach ritten wir gen Sagama[176], was 1 meil. Da namen wir 2 essel oder meyler. Und ritten den berg auff der ist fast hoch, vnd heißt der berg sant Atrion[177]. Ist der weg durch ein fels gehauen wunderbarlich, da must [6b] ich 1 Real von eim Esel geben. Und lagen darnach vnten am berg in eim dorff das hies Galareda[178]. Was 2 meil, da verzerten wir 4 Reall. Darnach ritten wir gen Odygany [?] am suntag. Do hörten wir meß, was 2 meil, da verzerten wir 2 Real vnd 2 Darges, gilt ein Darges 8 Spanisch [Pfennig]. Von dann ritten wir gen Witdoria[179], was 3 meil, da beschreibt man die Roß vnd die esel, die man hinein reit, da verzerten wir 4 Real. Von dann alla punda Dormurug [?] was 4 meil, da verzerten wir 8 Dargeß, von dann gen Mermiste[180] was 4 meil, verzerten wir l Real vnd 2 Dargeß. Von dann gen Mestir Derodilla[181] was 3 meil, verzerten wir 2 Real vnd 2 Dargeß. Von dann ritten wir gen Wurges[182] was 5 meil. Do besahen wir im Augustiner Closter ein Crucifix, [7a] das Nicodemus hat gemacht, das thutt grosse Zaichen, vnd wenn man Ihm ein finger oder Zween beugt: So richt es sich wider auff; Und niemand waiß nit warvon es gemacht ist. Darnach besahen wir die grossen kirch: Und bey 3 hundert st. Heilthumb in eim altar. Und in der kirch ein fast hoch durchsichtig gewelb, vnd fast hübsch ausgehauen. Mehr besahen wir des Königs Spitall, vnd sonst viel dings. Und wir blieben iij tag dar. Verzerten wir 15 Real. Darnach ritten wir am sambstag wider aus, vnd ritten gen Hörvilles[183] was 3 meil, da verzerten wir 1 Real, von dan gen Casterseris[184], was 4 meil, da verzerten wir 2 Reall 2 dargeß, von dan gen Formestein[185] was 5 meil, verzerten wir 2 Realen [7b] Von dann gen Carion[186] was 4 meil, verzerten wir 3 Reall, von dann gen Kassadilla[187] was 4 meil, verzerten wir 6 darges, von dann gen Sagona[188], was 3 meil, verzerten wir 9 Darges. Von dann gen Gurgada [?] was 3 meil, verzerten wir 9 Darges. Von dann gen Mansille[189] was 4 meil, verzerten wir 10 Darges, von dann gen Lion[190] in Spania, was 3 meil, verzerten wir 6 Darges. Da namb ich 2 essel bis gen sant Jacob, gab ich darvon 24 Real, vnd dem Knecht 11 Real, der die essel widerholet, dann das schimela was sehr getruckt, von dann raiten wir noch gen noderdama daschaschinung [?] was 1 meil, verzerten wir 10 darges, von dan alla puntdy dorby[191] was 5 meil verzerten wir 7 darges. Von dan gen Sturges[192] was 3 meil, da besahen wir ij Zan von sant Christoff sollen wegen 10 h ¾, vnd ein st. vom heiligen +, vnd ein rören von sant Blasius, vnd ein rören von sant Barbara. Und man weist vns wie der teuffel einen verstorbnen reichen man het aus dem grab geholet [8a] Und wir besahen die ringmauren, ist fast die best in Castillia. Von dannen ritten wir gen Spidall dowasch[193] was 2 meil, da verzerten wir 4 Reall: von dann an den berg Rafanell[194] was 4 meil. Darnach vber den halben berg gen Lassebo[195] was 3 meil, verzerten wir 2 Real, von dann gen Pungferade[196] was 3 meil, verzerten wir 4 Real, von dann a Willa franca[197] was 5 meil, verzerten wir 2 Real. Von dann auff den berg Malafaber[198] gen santa Maria[199] was 7 meil, verzerten wir 4½ Real, von dann gen Troi Castell[200] was 5 meil, verzerten wir 2 Real, von dan gen Sorge[201] was 4 meil verzerten wir 3½ Real, von dann gen Legunda[202] was 8 meil, verzerten wir 2 Real. Von dann gen Millisse[203] was 5 meil, verzerten wir 4 Real, von dann gen troy Cassa[204], was 4 meil verzerten wir ij Real. Von dan gen Compostell gen sant Jacob[205] was 3 meil, da lagen wir iij tag still, vnd am aller Hailigen [8b] tag da liessen wir vns bewaren, vnd verzerten wir 2 Ducaten. Und ich lies für 1 Ducaten meß lessen, vnd gab eim armen Teutschen Weber 1 Ducaten, daß er aus der gefengnus kem. Und ich lies des Zillers sohn, vnd den 2 Distlerren 1 Ducaten vnd gab den armen leuten in dem Spital 1 Ducaten, vnd wir besahen den gantzen Spital, ich habe kein hübschern nit gesehen. Darnach an aller seelen tag zu mittag, Zugen wir zu St. Jacob wider aus, vnd ritten gen pattron[206], was 4 meil. Da ist St. Jacobs brun, vnd sein bett, vnd der felß da Sant Jacob 3 mal durch ist krochen, da jhn die baurn gejagt haben. Da verzerten wir 3½ Real. Von dan gen Goldaß[207] was 3 meil, verzerten wir 7 Dargeß. Von dan gen Pundafedar[208] was 3 meil verzerten wir 4 Real. Von dan gen Rodinidella[209] 3 meil, verzerten wir 6 Darges. Von dann gen Duya[210] was 5 meil, verzerten wir 3 Reall. Darnach am morgens früh fuhren wir vber ein wasser haist Muga[211] do ligt ein statt [9a] zunechst darbey, heist Valentie[212], vnd wir ritten gen Egalunga [?] was 3 meil, verzerten wir 2 Real 2 Darges. Von dan gen punda do limy[213] was 3 meill, da ist ein hübsche lange bruck, ist iij Hundert roßschritt lang, da verzerten wir 3 Real. Von dann gen Warsselles[214] was 5 meil, verzerten wir 60 portugal. Real, von dan in ein dorff heist gassy [?], was 3 meil, verzerten wir 80 Real, von dan gen parda portugal[215] was 4 meil, da wolten wir auf das meer sein gesessen, da war kein schiff vorhanden, das gen Lisabona gieng. Da verzerten wir 128 Real oder K. d. Und am Donnerstag ritten wir gen Riffano[216], was 5 meil, da verzerten wir 90 Real. Von dann gen Walantz [?] was 4 meil, verzerten wir 44 Real. Von dann gen Albagaria[217], was 4 meil, verzerten wir 90 Real. Von dann gen Quimer[218] was 5 meil, da verzerten wir 56 Real, da ist ein hubsch Parfusser closter mit hübschen außgehawen steinen. [9b] Von dann gen Sarnoschka[219] was 2 meil, verzerten wir 66 Real. Von dann gen Warges[220] was 4 meil verzerten wir 42 Real. Von dann in ein eintzlich Hauß was 3 meil, da verzerten wir 68 Real. Von dann gen Domner[221] was 3 meil, verzerten wir 42 Real. Von dann gen Woligany [?] was 4 meil, da verzerten wir 70 Real, da machen die bauren gar eine hübsche kirchen. Von dan gen Sant Darring[222] was 4 meil, da verzerten wir 48 Real. Von dann gen Willa longa [?], was 4 meil, verzerten wir 90 Real, von dann gen Willa noggra[?], was 5 meil, verzerten wir 48 Real. Von dann gen Lissabona[223] was 5 meil, da blieben wir 6 tag dar stilligent, vnd besahen die grossen schiff, die von Calecut kummen, vnd das ganze Haus von India, vnd des Königs Zeughauß, gar viel hübsche büchssen, vnd die Harnisch sollen sein für 40 tausent [10a] man zu fus, vnd für 10 taussent zu Roß, Und viel glocher zu den pferden, vnd ein Kalakudisch Harnisch, vnd viel seltzamer waar, vnd fuhren zu dem newen schloß, vnd zu dem newen Closter, das der König bawen lest, vnd besahen die gantz statt, was darinnen zu besehen was. Da luden vns der Hirschvogd diener, vnd der Welsser diener zu gast, vnd theten mir viel ehr vnd freundschafft, Und ich lud die andern Teutschen auch all zu gast, kostet mich das mal vnd Zerung was ich verzert hett 5 Ducaten. Darnach am Erichtag vor sant Katharina tag [19. November] 7 stund nach mittag sassen wir auff das meer, vnd fuhren vber 3 meil gen Aldegaloga[224], [10b] Da assen wir zu nacht, vnd verzerten wir da 90 Real, von dann gen Landera [?] was 5 meil verzerten wir 90 Real, von dann gen Schabarida [?] in ein eintzlich Haus, was 3 meil, verzerten wir 125 Real, von dann gen Munda mortnoua[225] was 4 meil, verzerten wir 38 Real, von dann gen Ebrach[226] wz 5 meil, was die Küng. Mt. von Portugal dar, vnd namen ein passaport vom König durch sein leut, kostet mich 1 Ducaten, vnd wir sahen den König essen, vnd die Kunigin, vnd ich redet mit der Kunigin, die fraget mich von wannen wir kemen, vnd sunst fraget sie mich von jhres bruders vnsers H. Kaysser Karols wegen. Und wir besahen des Königs seine pferd, vnd seine gärten, darinn was ein balsambaum, vnd besahen sunst viel dings, da verzerten wir 2 Ducaten. Darnach ritten wir an sant Catharina abent gen Estramos[227] was 6 [11a] meil, verzerten wir 126 Real, vnd an sant Catharina tag lies ich ein meß lessen, vnd ritten darnach gen Elssis[228] was 6 meil, verzerten wir 76 [Pfennig], vnd wir antworten den brieff vom König, vnd sie gaben mir ein andern, darfür gab ich 4 [Pfennig] oder Real, vnd dem auff der wart gab ich ein Wintden[229], von dann ritten wir gen Wagadoß[230], Hebt sich da Castillia an, da lies ich vnsere pferd, vnd das golt, vnd die ring beschreiben, wie daß ichs am Heraus raiten wolt verzollen. Darvon gab ich 16 Marfadiß, darnach macht mir einer ein Zaichen darauf, darvon gab ich 12 [Pfennig], da verzerten wir 38 [Pfennig]. Von dann gen Dallabarela[231] was 3 meil, verzerten wir 94 [Pfennig], von dann gen alarua[232] was 4 meil, verzerten wir 42 [Pfennig], von dann gen mereyda[233] was 2 meil, da ist ein heidnische bruck ist bey 60 joch lang, von dann gen Dorsilon [?] was 1 meil, verzerten wir 96 [Pfennig]. Von [11b] dann gen Myasogada[234] was 6 meil, verzerten wir 87 [Pfennig]. Von dann gen Grusan[235], was 7 meil, verzerten wir 53 [Pfennig]. Von dann gen Kananero[236] was 2 meil, verzerten wir 86 [Pfennig]. Von dann ritten wir gen Gardalub[237]. Da blieben wir ij tag, was 2 meil. Da besahen wir das gantz Gotzhauß, vnd alle jhren vorrath, den sie haben, gleich als wers in einer grossen Statt. Sie haben jhr aigen Spital, vnd hohe schul, vnd schier die gantz statt gehört zum closter. Da legt ich 2 Real in stock vnd gab ein Real, vnd lies meß lessen. Darfür do verzerten wir 6 Real, von dann gen aspidal dekardedial [?], was 3 meil. Da verzerten wir 78 d. Von dann gen Willa petroysy[238], was 4 meil, verzerten wir 44 [Pfennig]. Von dann gen alapunta arsabaschko[239], was 2 meil verzerten wir 65 [Pfennig]. Von dann gen Dallabero[240], was 6 meil, verzerten wir 40 [Pfennig]. Von dann gen Grussel[241], was 2 meil, verzerten wir 70 [Pfennig]. Von dann den sant Silvester [?], was 5 meil [12a] verzerten wir 45 [Pfennig], von dan gen Kassia Roy [?], was 4 meil, da verzerten wir 80 [Pfennig]. Von dann gen Mulynes[242], was 3 meil, verzerten wir 50 [Pfennig], von dann gen Matrill[243] was 4 meil, da verzerten wir 37 [Pfennig], von dann gen Kallasfenodß[244], was 6 meil verzerten wir 28 [Pfennig]. Von dann gen wott de lagerra[245] was 4 meil, verzerten wir 86 [Pfennig], Von dann gen Hytda[246], was ein hohes schloß, was 4 meil, verzerten wir 40 [Pfennig]. Von dann gen Wurgesherres [?] was 2 meil, verzerten wir 52 [Pfennig]. Von dann gen Weydes[247], was 2 meil. Da hörten wir meß an vnser lieben frawen tag [8. Dezember], verzerten wir 32 [Pfennig]. Von dann gen Siganssa[248], was 2 meil, da ist ein fast hübsche kirchen, mit eitel weis Merbelsteinen altar. Von dann gen Ißgossa [?] was 1 meil, verzerten wir 63 [Pfennig], Von dann Modine delamunde[249] was 3 meil. Da blieben wir den halben tag, vnd fragten darnach, wie wir vns halten solten mit dem Zoll. Da verzerten wir hundert v siebentzig [Pfennig]. [12b] Von dann gen Arkiß[250] was 3 meil, da ist das endt des Castillia. Da muß man die Roß, vnd gelt vnd ring verzollen. Gab ich von den 2 pferden 3 Ducaten, vnd von Ringen, vnd vom gelt 1 Ducaten, Da wurd mir mein ring gestolen, Da verzerten wir 40 [Pfennig]. Von dann gen Arrissa[251], do hebt sich Arrgon an, was dahin 4 meil verzerten wir 60 Arragonisch [Pfennig], von dan gen Wurbicka[252] was 4 meil, verzerten wir 34 [Pfennig]. Von dan gen Kaladiff[253] was 3 meil, verzerten wir 80 [Pfennig]. Da liessen wir 10 Duckaten einschreiben, vnd 2 ringlein, darvon must ich 1 Ducaten Zol geben, durch gantz Arragon. Von dann ritten wir gen Rigla[254], was 5 meil, verzerten wir 32 [Pfennig]. Von dann gen Molla[255], was 5 meil, da verzerten wir 68 d. Da regnets an sant Luccia abent [12. Dezember] 5 stunt nach mittag. Von dan gen Sarragossa was 4 meil, da blieben wir ij tag, vnd besahen die statt, vnd die mutter Gotts de pillerin thutt auch grosse Zeichen. Und daselbst macht man gar ein hübschen altar [13a] von eitel Allawassara, vnd der Sebastian Scheperlein lud vns zu gast vnd leih mir 12 Ducaten, als ich jhm ein schuldbrief gab, Zu Lion wider auszurichten. Da verzerten wir 8 Real. Von dan gen Otschery[256] was 3 meil, verzerten wir 28 [Pfennig] Von dan gen Anfeda, was 3 meill. Verzerten wir 54 [Pfennig]. Von dann gen Sandalusa [?] was 3 meil, verzerten wir 2 Real. Von dan gen Pinalba[257], was 3 meil, verzerten wir 3 Real. Von dann gen fraga was 5 meil, verzerten wir 54 d. Von dann gen Durres[258] was 2 meil, verzerten wir 64 [Pfennig]. Da namen wir ein brieff, daß wir durch kein sterben waren geritten, darfür gaben wir 10 [Pfennig]. Von dann gen Gunada[259] was 3 meil groß. Da verzerten wir 34 [Pfennig]. Von dann gen Malta [?] was 2 meil, da verzerten wir 53. Da wolt man vns weder durch Gotts willen, noch von gelts wegen nit beherbrigen. Da giengen wir zu dem herrn ins schloß, vnd batten jhn daß er [13b] vns vnterhülff, da lies er dem Richter gebieten, daß er vns einhülff. Von dann gen Gumara[260], was 3 meil verzerten wir 42 [Pfennig], da namen wir wider ein brief, daß wir durch kein sterben waren geritten, kostet 10 [Pfennig]. Von dann gen santa Kalana[261] was 2 meil, da verzerten wir 90 [Pfennig]. Von dann gen Anguleda[262], was 3 meil, verzerten wir 60 [Pfennig]. Von dann gen Munserat[263] was 3 meil, da blieben wir ij tag, vnd wir besahen auff dem berg wol 10 armittes oder einsiedel, die wonen in den felssen, gar wunderparlich ding, vnd wir besahen gar viel ding im Closter. Und die Mutter Gotts thut gar grosse Zaichen, vnd sind da viel grosse wächsine Kärtzen, die einer kaum vmbgreiffen kan, vnd wol 43 silberne lampen, die tag vnd nacht brennen, vnd sonst wol bey 100 silberne lampen, die nit brennen. Da leget ich 5 Real in den stock. Da gibt man einem jeglichen Reich oder armen brot wein [14a] öll vnd essig bevor. Aber was man für die Roß vnd essel bedarff, mus man bezallen. Da verzerten wir 8 Reall, vnd lies mess lessen für 1 Real. Und daselbst wurd mir mein 2 pferdten die schwentz abgeschnitten. Von dann ritten wir gen Sant Endres[264], was 4 meil, verzerten wir 54 [Pfennig]. Von dann gen Spidelat [?] was 2 meil, verzerten wir 74 [Pfennig]. Von dann gen Warsalona[265], was 1 meil. Da liessen wir vnsere pferd beschlagen, vnd vnsere stiffel flicken, kostet mich 6 Real, vnd blieben den Christabent vnd den tag auch dar, vnd besahen viel ding. Da verzerten wir die 3 tag dar 2 Ducaten. [Fußnote 142: Cerdon.] [Fußnote 143: S. Denis.] [Fußnote 144: Montluel.] [Fußnote 145: Saint Just.] [Fußnote 146: Yzeron.] [Fußnote 147: Saint-Galmier.] [Fußnote 148: Saint Bonnet-le-Château.] [Fußnote 149: Pont Tempera.] [Fußnote 150: Chavagnac.] [Fußnote 151: St Flour.] [Fußnote 152: Chaudesaigues.] [Fußnote 153: Laguiole.] [Fußnote 154: Rodez.] [Fußnote 155: Almeirac.] [Fußnote 156: Albi.] [Fußnote 157: Gaillac.] [Fußnote 158: Buzet.] [Fußnote 159: Toulouse.] [Fußnote 160: Sebald Rieter berichtet von Toulouse (Nürnberger Stadtbibliothek, schwarzes Rieterbuch Bl. 395b): »... darnach fugt wyr vns genn dolosa In langendöcken gelegen ist ein grose stat grösser dann zwey Nürmberg vnd liegen Alda In der kirchen vntter dem köre dy lieben Zwelffpotten sant philipp vnd sant Jacob In einem grab Sant Symon vnd Judas auch In einem grab Sant barnabas Heroben In einer Mawr Sant Jorgen des lieben Ritters Maysters leichnam Sant Seuerinus vnd ander vil Heyligen vnd Heyltums Auch dy vber geschrifft von dem Heyligen Creucz.« Noch ausführlicher ist Arnold von Harff (ed. Groote S. 223), der u. a. auch, ähnlich wie Örtel, eines Evangelienbuches Erwähnung thut. »dat gantz mit gulden litteren geschreuen was, dat man sait sent Johann ewangelist mit sijner eygener hant greschreuen hatte.«] [Fußnote 161: l'Isle-Jourdain.] [Fußnote 162: Auch.] [Fußnote 163: Vie-Fézensac.] [Fußnote 164: Nogaro.] [Fußnote 165: Cazères.] [Fußnote 166: Grenade.] [Fußnote 167: St. Sever.] [Fußnote 168: Montfort.] [Fußnote 169: St. Vincent-de-Tyrosse.] [Fußnote 170: Bayonne.] [Fußnote 171: St. Juan-de-Luz.] [Fußnote 172: Irún.] [Fußnote 173: Hernani.] [Fußnote 174: Tolosa.] [Fußnote 175: Segura.] [Fußnote 176: Segoma.] [Fußnote 177: P. de Arlaban.] [Fußnote 178: Galerota.] [Fußnote 179: Vitoria.] [Fußnote 180: Bribiesca, älter Birbusca; bei Peter Rindfleisch (Röhricht und Meisner S. 346): Vermeseck.] [Fußnote 181: Monast. de Rodillas.] [Fußnote 182: Burgos.] [Fußnote 183: Bei Arnold von Harff (ed. Groote S. 230): Hornilus.] [Fußnote 184: Castrogeriz.] [Fußnote 185: Fromista.] [Fußnote 186: Carrion d. I. Condes.] [Fußnote 187: Calcadilla.] [Fußnote 188: Sahagun.] [Fußnote 189: Mansilla de las Mulas.] [Fußnote 190: Leon.] [Fußnote 191: Harff (ed. Groote S. 231): »... Ponte de orfigo eyn dorff, lijcht zo beyden sijden vff deme wasser Ortigo oeuer eyn steynen bruck.«] [Fußnote 192: Astorga.] [Fußnote 193: Harff (ed. Groote S. 231): »Item van Storgis zo Hospitale eyn dorff ij lijge.«] [Fußnote 194: Ravanella.] [Fußnote 195: Luceno.] [Fußnote 196: Pon-ferrada.] [Fußnote 197: Villafranca.] [Fußnote 198: Peter Rindfleisch: »Malefaber«. Nördlich von Sa del Oribio [Röhricht u. Meisner S. 347 Anm. 6.]] [Fußnote 199: Harff S. 232: »Item van Ala faba zo Marie de sebreo eyn klein dorffgen vff deme berge Malefaber.«] [Fußnote 200: Harff S. 232: »Trecastelle«, auf älteren Karten: »Tria Castella«.] [Fußnote 201: Sárria.] [Fußnote 202: Harff, S. 232: »Ligundi eyn dorffgen.«] [Fußnote 203: Mellid.] [Fußnote 204: Harff S. 232: »Trykasa eyn dorff«: das »Dos Casas« der älteren Karten (16.- 17. Jahrh.)?] [Fußnote 205: Santiago de Compostella.] [Fußnote 206: Padron.] [Fußnote 207: Caldas d. Reyes.] [Fußnote 208: Pontevedra.] [Fußnote 209: Redondela.] [Fußnote 210: Tuy.] [Fußnote 211: Minho.] [Fußnote 212: Valenca do Minho.] [Fußnote 213: Ponte de Lima.] [Fußnote 214: Barcellos.] [Fußnote 215: Porto.] [Fußnote 216: Leo von Rozmital (ed. Schmeller S. 93): »Portu Rifanam quinque milliarium itinere pervenimus«.] [Fußnote 217: Albergaria.] [Fußnote 218: Coimbra.] [Fußnote 219: Sernache.] [Fußnote 220: Alvorge.] [Fußnote 221: Thomar.] [Fußnote 222: Santarem.] [Fußnote 223: Lissabon.] [Fußnote 224: Aldéa Gallega.] [Fußnote 225: Montemor Novo.] [Fußnote 226: Evora.] [Fußnote 227: Estremoz.] [Fußnote 228: Elvas.] [Fußnote 229: So viel wie: eine Kleinigkeit.] [Fußnote 230: Badajoz.] [Fußnote 231: Talavera.] [Fußnote 232: Arroyo.] [Fußnote 233: Mérida.] [Fußnote 234: Miajadas.] [Fußnote 235: Logroson.] [Fußnote 236: Cañamero.] [Fußnote 237: Guadalupe.] [Fußnote 238: Villar del pedroso.] [Fußnote 239: Puente del Arzobispo.] [Fußnote 240: Talavera de la Reina.] [Fußnote 241: Sta. Cruz del Retamar?] [Fußnote 242: Mostoles.] [Fußnote 243: Madrid.] [Fußnote 244: Alcaláde Henares?] [Fußnote 245: Guadalajara.] [Fußnote 246: Hita.] [Fußnote 247: Baydes.] [Fußnote 248: Sigüenza.] [Fußnote 249: Medinaceli.] [Fußnote 250: Arcos.] [Fußnote 251: Ariza.] [Fußnote 252: Leo von Rozmital (S. 102): »Monrealo Bubieream venimus quatuor milliarium itinere. Is pagus, arci impendenti subjectus, inter eosdem montes jacet, quem praeterfluit torrens nomine Schalun, primus ab eo Aragoniae latere.«] [Fußnote 253: Calatayud.] [14b] Und an Sant Steffanstag [26. Dezember] ritten wir wider aus mit 4 Frantzosen, vnd ritten gen alla Rocka[266] was 4 meil, da verzerten wir 3 Real. Da wurd mir mein pferd das fuchslein kranck, da lies ich jhm die feuffel reissen[267]. Von dann ritten wir gen Fanssaloner[268] was 3 meil, vnd da wolt mein fuchslein nimmer gehn. Ligt ein halbe meil vor der statt Und alsbald ichs in stall zug, da fiel es nider vnd starb von stund an. Da verzerten wir 5 Real. Darnach luden wir vnsere stiffel vnd claider auff das Schimelein, vnd luffen neben jhm her gen Vecacopy[269] was 3 meil. Da verzerten wir 3 Real. Von dann gen Girona[270] was 4 meil, verzerten wir 5 Real. Da namen wir 2 essel, biß gen Parpion[271], darvon gab ich 2 Ducaten. Von dem ritten wir gen Sigires[272], was 3 meil, verzerten wir 4 Real, von dann gen Wollang[273] was 4 meil, da verzerten wir 2 Real. Von dann gen Parpion was 3 meil, da kaufft ich ein Schimele [15a] pferd vmb 7 Ducaten, vnd verzerten 16 ß. Und ich namb 2 essel bis gen Narbona[274], darvon gab ich 1 Ducaten. Von dann ritten wir gen Palma[275], was 5 meil, da must ich von 2 pferden vnd 2 Esselen 4 ß Zol geben, vnd verzerten dar 12 ß. Von dann gen Willa falssa[276], was 2 meil, da must ich von 1 pferdt 1 ß Zollen, vnd von eim Esel 8 [Pfennig]. Darnach ritten wir noch folgent gen Narbona, was 2 meil. Da verzerten wir mit sambt den 2 esell 24 ß. Von dann gen sant Dobery[277] was 3 meil, verzerten wir 14 ß. Von dann gen Lopia [?], was 3 meil, verzerten wir 7 ß. Von dann gen Willa noffa[278] was 4 meil, da blieben wir 1 tag, vnd giengen alla Magalona[279] an das meer, vnd fuhren hinvber, vnd besahen das hailthumb, vnd die kirchen. Da waschen sie alle tag den Jüngern, vnd den Jacobsbrüdern jhre füß. Da fuhren wir wider vber, vnd verzerten dar 45 ß, vnd wir hatten einen man mit vns lauffen von Pardalupa[280] biß [15b] gen Willa noffa, da wurd er mir krank, gab ich jhm 2 Ducaten. Von dann gen Sanbegs[281] was 4 meil, da verzerten wir 8 ß, von dann gen Wafer[282] was 4 meil, da verzerten wir 12 ß. Von dann gen sant Gilg[283] was 4 meil da verzerten wir 8 ß. Und wir sahen ein arm vnd das Haubt von sant Gilgen, vnd das ander Heilig gebain ligt in eim sarch. Mer ein arm von sant Jorgen, vnd ein Finger von sant Johans Wathisse [Johannis Baptista], vnd sunst viel Hailthumbs. Von dann ritten wir gen sant Anthony Darles[284], was 3 meil, verzerten wir 12 ß, vnd sahen den kopff vnd das gebain als von Sant Anthony biß ohn ein arm, der ist A wino[285]. Von dann bis gen sant Marding de kraub[286] was 3 meil verzerten wir 8 ß. Von dann gen sallung[287], was 4 meil, verzerten wir 12 ß, von dann gen Laspena [?], was 5 meil, verzerten [16a] wir 19 ß. Von dann gen Marsilia[288], was 3 meil. Da lagen wir ein tag still, vnd besahen das hailthumb zu Predigern, Sant Endres bart. Und in der Pfarr St. Lasarus Haubt, vnd ein gantze Hand, vnd ein arm von sant Atrion[289], Und ein rören von Sant Victor, vnd sunst viel Hailthumbs, vnd zu sant Victor im closter sant Endres ×, vnd sant Victors Haubt, vnd sein gebain gar hübsch in silber eingefaßt. Und dann Pabst Urbanus, der ligt noch vnerhaben, vnd sonst viel hübsch Hailthumbs als in silber eingefast, Und ist mehr ein Capellen, da rast die Mutter Gotts innen, vnd brint sunst nichts nit darvor dann wax. [16b] Und darff auch kein fraw darein gehn sie sturbe von stund an. Darnach besahen wir die grossen schiff vnd gallern, die erst vom Türcken waren kummen. Sie hatten nicht viel ehr eingelegt, waren wol bey 460 all erschlagen. Und wir sahen auch das Haus, wie man sie hinnein zeucht, da verzerten wir 35 ß. Und von dann gen Rißla [?] was 3 meil, verzerten wir 7 ß. Von dann gen alla bama[290] da Maria Magdalena gebüst hat bey 34 Jar. Was da hin 4 meil, vnd wir sahen den felß, vnd die wonung, vnd das bett, darauff sie gelegen ist ein felsstein, da haut man ein stain darvon, vnd wir besahen auch jhren brunn, vnd tropfft dz wasser vber all Hindan In jhr bett nit. Da habens die Engel alle tag zu 7 mal auff gefürt auff die Höhe des bergs. Da sang sie allweg eine der sieben freud. Und wir verzerten alla bama bey den München 14 ß, von dann ritten wir gen sant Melymy[291] was 3 meil. Da blieben wir ein tag, vnd besahen Maria Magdalena haubt, das Gott der Herr hatt angerürt im garten [17a] da er sprach: Noli me tangere. Das ist 13 Hundert Jar vnter dem ertrich gelegen, vnd ist noch vnversehrt, was die finger angerürt haben, vnd mehr das Haar, damit sie vnserm Herrn Jesu Christo die heiligen füß mit getrucknet hat, das ist als vnversehrt blieben. Vnd mehr ein arm, vnd das grab, da Maria Magdalena innen gelegen ist, vnd mehr ein gläßlein, darinnen ist ein blutstropff, den vnser Herr am stammen des Heiligen Creutz hat lassen fallen, das hatt sie mit sand vnd stein aufgehaben, das Zeugt man am Carfreytag, so wirds eben vol mit blut, bis man vnsern Herrn in das grab legt, so verbürgt es sich wider. Das Zaigt man jederman, vnd sonst fast viel Hailthumbs. Da gaben wir zu Hailhumb 6 ß, vnd wir verzerten 25 ß. Von dann gen Rossat [?], was 3 meil, verzerten wir 6 ß. Von dann gen Seyb [?] was 3 meil, Da besahen wir in einem frawen closter König Scharlamany von Franckreich seinen leib vnverwesen, vnd vnser frawen gürtel, ein [17b] fus von sant Endres, vnd ein fus von sant Dobort[292], vnd ein spindel aus dem arm Maria Magdalena, vnd 3 Zan von sant Johans, vnd sunst viel Hailthumb in silber eingefast. Da gab ich 4 ß zum Heilthumb, da verzerten wir 12 ß. Von dann gen Kasiles[293], was 3 meil, da verzerten wir 7 ß. Von dann gen Durgung[294] was 4 meil. Da verzerten wir 12 ß, von dann gen Avinung[295] was 5 meil. Da wolt man mich nit einlassen, da musten wir raiten gen pung de sorg[296], was 1 meil, verzerten wir 7 ß, von dann gen schatdea nofa de papa [?] was 1 meil, verzerten wir 2 ß. Vonn dann gen noderdame de plang [?] was 5 meil, da verzerten wir 9 ß. Thutt auch große Zaichen. Von dann gen Doßes orres[297] was 3 meil, verzerten wir 12 ß. Von dann gen Munda Linnart[298] was 2 meil verzerten wir 18 ß. Von dann gen Lonnion[299] was 4 meil verzerten wir 7 ß. Von dann gen den Gwaß[300], 3 meil [18a] verzerten wir 14 ß. Von dann gen sant Rambert[301], was 4 meil, verzerten wir 14 ß. Von dann gen Wine[302], was 2 meil, da verzerten wir 8 ß. Da wurd mir mein pferd kranck. Da nam ich ein anders bis gen Lion. Darvon gab ich ihm 12 ß, Und ritten gen Lion an sant Anthony tag [17. Januar 1522] was 5 meil. Da kam mein bruder Florentius vnd der Marx von Nurnperg. Und ich vnd mein knecht kamen all vnter der thur Zusammen vor der Herbrig, vnd begerten als zu wissen. Gott hab Lob vnd Ehr. [Fußnote 254: Ricla.] [Fußnote 255: la Muela.] [Fußnote 256: Osera.] [Fußnote 257: Penalba.] [Fußnote 258: Torres de Segre.] [Fußnote 259: Juneda.] [Fußnote 260: Guimera.] [Fußnote 261: Sta. Coloma de Queralt.] [Fußnote 262: Ignalada.] [Fußnote 263: Olesa de Monserrat.] [Fußnote 264: St. Andrés del Palomar.] [Fußnote 265: Barcelona.] [Fußnote 266: la Roca.] [Fußnote 267: Die Speicheldrüsen ausschneiden oder zerquetschen. Grimms Wb. III. Bd. Sp. 1433 unter Feibel, Feifel.] [Fußnote 268: San Cetoni.] [Fußnote 269: Bei Leo von Rozmital (S. 112) steht an dieser Stelle »Castelricum« (heute: Hostalrich).] [Fußnote 270: Gerona.] [Fußnote 271: Perpignan.] [Fußnote 272: Figueras.] [Fußnote 273: Boulon.] [Fußnote 274: Narbonne.] [Fußnote 275: la Palme.] [Fußnote 276: Auf älteren Karten: »Ville Falce«.] [Fußnote 277: Leo von Rozmital (S. 113): »Narbona Santyberium septem milliaribus distat«.] [Fußnote 278: Villeneuve.] [Fußnote 279: Maguelonne.] [Fußnote 280: Guadalupe.] [Fußnote 281: St. Brès.] [Fußnote 282: Vauvert.] [Fußnote 283: St. Gilles.] [Fußnote 284: Arles.] [Fußnote 285: Vienne.] [Fußnote 286: St. Martin de Crau.] [Fußnote 287: Salon.] [Fußnote 288: Marseille.] [Fußnote 289: St. Hadrian.] [Fußnote 290: la Ste. Baume.] [Fußnote 291: St. Maximin?] [Fußnote 292: Dagobert oder St. Aubert?] [Fußnote 293: Cadenet?] [Fußnote 294: Orgon.] [Fußnote 295: Avignon.] [Fußnote 296: Sorgues.] [Fußnote 297: Donzère.] [Fußnote 298: Montélimar.] [Fußnote 299: Loriol.] [Fußnote 300: So anstatt »deng waß«; Tain ist gemeint.] Item so blieb ich 14 tag zu Lion, vnd wartet auff mein bruder Florentius. Und darnach ritten wir auff Sant Glado[303] zu. -- [18b] Und zu Genff kam mein Bruder wider zu mir, vnd ritten miteinander gen Nurnperg, so verzerten wir bißher 15 fl., vnd wir kamen all beed frisch vnd gesund aus vnd ein. Gott hab lob vnd ehr. Und behut uns vor aller schwerer kranckheit, Amen, Amen, Amen. Item hernach steht der Weg kürtzlich aufgezaichnet wie ich geritten bin, von einem halben Tag zu dem andern, wie viel meil von einander. Item von Nürnperg aus gen[304]. Guntzenhaussen 6 M. Ötting 3 Henerling 2 Genge 4 Aio 2 Ulm 2 Waltringen 3 Pibrach 1 Weingarten 4 Martdorff [Markdorf] 2gr.[305] Merspurg 1 Uber den see 2 Von Koschnitz gen St. Anna 2 g. Winterdurren 1 g. Zürch 2 g. Von Zürch fuhren wir den See ab 2 meil vber den berg gen 2 gr. Einsiedel, Darnach fuhren wir wider gen Zürch, was eben als weit, vnd darnach ritten wir von Zürch gen Lentzspurg Arburg 2 gr. Dorringe 2 gr. Purtdolff 2 gr. [19a] Pern 3 gr. Lossana 4 Morssa [Morges] 2 Nyß 4 Jenff 4 Kolunge 4 Sengerman 3 Schardung 4 Sanmony 3 Mula 4 Lion 3 Isarung 3 Sengermy 4 Santbunet de Schadea 5 Pungdeperat 3 Saffangne 5 Alba bautha 3 Sant flor 5 Schades Egy 4 Alla giola 4 Spalion [Espalion] 3 Rodeß 4 Alla motda 5 Alleros 3 Albis 3 Galliack 4 Baussett 4 Dolosa 4 Lilla gordung 4 Lysigmen 3 Asch 4 Wick 4 Nagaro 4 Koseras 3 Garnada ij Sant Seber ij Munfort 3 Adax 3 Sant Winssang 3 g. Weyana 4 Sant Jongdeluß 3 Dirreng 3 a Arnaby 3 Dolosada 3 Segura 4 Sagona 1 Vber den berg S. Atrian gen Galareda 2 Odikany 2 Witdoria 3 Alla punda Dorumeng ij Panckarbo [Pancorbo] 2½ Mermiste 4 Mestir de Rodille 3 Wurgeß 5 Hornilles 3 Kasterferis 4 Formestein 5 Carion 4 Kalssadilla 4 Sagona 3 Gurgada 3 Lion in Spania 3 Moder dama de scheschinge 1 Alla punda dorby 5 Stergeß 3 Aspidal de wasche 2 [19b] An den berg Rafanell 4 Uber den ben berg gen Lasebo 3 Apungferada 3 a Willafrancka 5 Uber den berg Malafab. gen sant Maria 7 M. Troy Castell 5 Seyrge 4 Legunda 8 Nullisse 5 Cassa 4 Compostell gen St. Jacob auff Lissabona zu gen Patron 4 Goldaß 3 Pundafeder 3 A Rodundella 3 Duya 5 Egalunga 3 Punda de liny 3 Marselles 5 Passy 3 a Portu Portugall 4 Riffano 5 Wallans 4 Albagaria 4 Quimir 5 Sarnescka 2 Warges 4 Einzlich Haus 3 Von dann gen Domar 3 Walligany 4 St. Dorring 4 a Willa longa 4 a willa negra 5 a Lissabona 5 Uber das meer gen Aldega Lega 3 Landera 5 Schabarida 3 Munda mortnova 4 Ebrach 5 Estrames 6 Elssis 6 Abagadoß 4 Dalla barrla 3 [20 a] Alarua 4 Mereyda 2 Derssiltung 1 Myasgada 6 Grusam 7 Kannanero 2 Gardaluba 2 gen spidal de kardenal 3 a willa petroasy 4 a la punda arsabisko 2 Dallaberos 6 Grussel 2 Silfester 5 Kasyo Royg 4 Mulmes 3 Mattrill 4 Kalasofanadaß 6 Wat de la gerra 4 Hitda 4 Wurgeß herreß 2 Waydeß 2 Siganssa 2 Isogossa 1 Modine de celis 3 Arckes 3 Arrissa 4 Wur wicka 4 Kaladiff 3 Rigla 5 Molla 5 Sergossa 4 Otschany 3 Anseda 3 Santelusa 3 a Pinn alba 3 Fraga 5 Durraß 2 Guneda 3 g. Malda 2 Gunara 3 Santa kalona 2 Angulada 3 Muserat 3 Sant Endreß 4 Spidellat 2 Bersalone 1 Alla Rocka 4 [20 b] Sanssalonie 3 Verraropy 3 Girona 4 Sigires 5 Wollang 4 Parpion 3 Willa falssa 2 Arbona 2 Wosir [Béziers] 4 Sant Dobery 3 Lopia 3 Willa noffa 4 Sanbreß 4 Waffer 4 Sant Gilg 4 Sant Anthoni darleß 3 Sant Martding de kraub 3 Sallung 4 Laspena 5 Marsillia 3 Risola 3 Alla boma 4 Sant Mapymy 3 Rosset 3 Seyß 3 Kasiles 3 Durgung 4 Avinung 4 Pung de sorg 1 Schatdea nova de papa 1 Moder dama de plang 5 Dosses orres 3 Mudalimart 2 Lorrior 4 Walansse [Valence] 4 Deng 3 Sant Rambert 4 Wine 2 Lion 5 [21 a] Item der weg von Dolosa auß gen Sargossa zu zum ersten gen 2 Plasansse Sant Veit 2 St. Matay 3 Punoy 3 Mangack [Magnoac] 4 Pondons ½ Petringß 1 Jarba [Tarbes] 4 Nag [Nay] 4 Ollerung [Oloron] 5 Sarrasansa 3 Zantt 3 Canfrang [Canfranc] 5 Jacke [Jaca] 3 Cansa 5 Juba 3 Gorrea [Gurrea] 5 Surra [Zuera] 4 Willanofa [Villanueva de Gallego] 2 Sargosse 3 Item den andern weg von Dolosa auf Sergosse zu vber den 4 portt da bonast [Benasque] zu von dann gen Barnossa Alla fitte [Laffitte] 3 Matter [Martres] 2 à sant martire [St. Martory] 2 à Wallantine [Valentin] 3 à Wandire [Bagnères] 4 Uber den berg hat kein Herbrig biß gen Bonnast [Benasque] 6 Castellong 2 Silles 4 Para Roga 2 Grans [Graus] 2 Popla [la Puebla] 2 Barbasta [Barbastro] 2 Peratta [Peralta de Alfocéa] 4 Conbre [Alcubierre] 4 Perdigre [Perdiguera] 4 Cergosse [Zaragoza] 2 Der weg von Sargossa auff Wurges zu. Von dann gen Lugarda 5 [21 b] Canryne 1 Lorsing 2 Gallore [Gallur] 2 Corttes [Córtes] 2 Riffa horrade [Ribaforada] 2 Dodella [Tudela] 2 Alfara [Alfaro] do man die roß verzollt 4 Hora [Calahorra] 4 alla Gronna [Logroño] 8 Nasyra [Najera] 5 Sant Dominico [Sto. Domingo] 4 Grang Jang [Grannon] 1 Ballorare [Belorade] 3 Willa francka 2 Waldafanies 5 Wurges 3 Item von Lion vber den Monssenir von dan gen Sant Lorentz [St. Laurent de Mure] Serpellire Bergeng da da pung a pung da boana wesung [Le Pont-de-Beauvoisin] Schanberie [Chambéry] Egebelletta [Aiguebelle] Monsenir Der weg von Lion gen Mumpelgart zu Schallemang [Chalamont] 6 Crusaw 4 Chawane 4 Sant Jullian [St. Julien] 4 orgellot [Orgelet] 5 a Schattellung [Châtillon sur Lison] Schrittene [?] 5 a Werb 4 alla Wick 6 a anno 5 a Werst 3 a Landers 3 a Collombiek 4 a Mumpelgart [Mömpelgard, Monbeillard] 2 [22a] Der Weg aus Nörnperg gen Lion, als hiemit verzeichnet steht die tagreiß zu stunden. Erstlich von Schwobach [Schwabach] stund 2 Wasser Monnau 3 No 1 Guntzenhaussen 14[306] 3 Knotza 1 Westa 1½ Osta ½ Ottingen 1 2 Nordlïngen d 2 Khessingen [Essingen] 13 1½ No 2 Walperßhoffen 1½ Genga d 3 Langenaw [Langenau] 1½ 3 -- Ulm 12 3 Stetten 2½ Wadttringen d 2 Bibrach 1½ No 4 Esendorff 11 3 Walssee [Waldsee] 1½ Weingarten 2 Raffelsburg d Buchhorn 10 3 No 5 Mersburg 3 Ubern See 1½ Costnitz d 1 Steckhparan [Steckborn] 3 Stain 9 2 No 6 Schaffhaußen d 3 Lottstetten [Lestetten] 1½ Raifitzerfeldt 1½ Kaisserstull 8 1 Zum Newnhaus 1½ No 7 Pada d 1½ Mollienga 1 Lentzburg 7 2 Aran 2 Arburg d 2 No 8 Morgental 2 Langendorff Rittweil 6 Weiningran 1 Burttolff 1½ No 9 Bernd 2 An die Senssa 2 Freyburg 5 2½ [22 b] No 10 Remandtt d 4 Lossanna 4 5½ Morsa 2½ No 11 Roll 2½ Nieß d 3 No 12 Jenff 3 4 Collonnge d 4 Seingermon 2 4 No 13 Manttua [Nantua] 3 Scherdung d 2 Sainct Jehan le vitu [St. Jean le vieux] 2 Sammoris [St. Denis] 1 2½ No 14 Mulluard [Montluel] d 4½ No 15 Lion 4 Sindt 15 Tag 130 stundt. [Fußnote 301: St. Rambert.] [Fußnote 302: Vienne.] [Fußnote 303: St. Claude.] [Fußnote 304: Im Folgenden sind nur bei den Hauptstationen, soweit sie nicht schon in der vorstehenden Reisebeschreibung vorgekommen sind, die heutigen Namen in [] hinzugefügt.] [Fußnote 305: Bedeutet wohl »große Meilen«, wie g »gute Meilen« bezw. »Meile«.] [Fußnote 306: Die Zahlen 14, 13 u. s. w. sollen die Tagesstrecken des Rückweges andeuten. Was die mehrfach hinzugefügten d bedeuten sollen, ist nicht recht klar.] _Nürnberg._ Dr. _Th. Hampe_. Über ein Prosatraktätlein Hans Folzens von der Pestilenz. Aus den Zeiten des ausgehenden Mittelalters ist uns eine ganze Reihe in Deutschland entstandener Werkchen über die Pestilenz und die Art, wie man sich in Pestzeiten zu verhalten habe, erhalten geblieben, von denen bisher nur sehr Weniges neugedruckt oder sonst allgemeiner bekannt geworden ist. So besitzen wir aus dem Jahre 1483 einen zu Augsburg gedruckten »köstlichen und gründlichen Spruch von der pestilentz, wie man sich mit allen sachen zu derselben zeyt halten sölle ... In reymen weiß gesetzt«, aus Straßburg vom Jahre 1500 einen »tractat contra pestem Preservative vnd regiment«, der 1519 zu Oppenheim in neuer Bearbeitung erschien[307], u. s. f. Andere Gedichte oder Schriften dieser Art weisen auf Nürnberg. So zunächst ein 88 Verse umfassendes Spruchgedicht, das sich in der Münchener Handschrift cod. germ. 714 auf Blatt 274a-276a findet und wohl dem Kreise Rosenplüts angehört, zwischen dessen Gedichten es steht. Jedenfalls dürfte es noch im dritten Viertel des 15. Jahrhunderts entstanden sein, denn weiter gegen das Ende des Jahrhunderts zu möchte ich den Codex seiner Schrift nach nicht rücken. Es kann also als eines der frühesten Gedichte über die Pestilenz aus dem gedachten Zeitraum betrachtet werden. Das Gedicht ist überschrieben: »Dy Beßtilentz«, und der Anfang lautet[308]: »ICh hab mich des wol vermessen: Ich wil meiner geselln nit vergessen, Ich wil sy auß den püchern lern, Wie sy sich vor der pestilenntz schüln ernern. Darümb hör was ich dir sagen wil, Wann sterben ist ain claines zil. Des ersten hallt den rat, den ich main, Wann der dünckt mich sicher clain, Das man in der sach Ernstlich schol Got an rüffen, das hilfft wol; Das mainen all Mayster weis, Dye da sein in der schul zu Pareis.« Nachdem dann eine Reihe von Verhaltungsmaßregeln gegeben und allerlei Mittel empfohlen worden sind, unter denen natürlich auch der allheilende Theriak nicht fehlt -- ich kann darauf hier nicht näher eingehen -- folgt noch der wohlgemeinte, aber etwas naive Rat, bei Zeiten weit davon zu zu fliehen; das sei das Sicherste: [Fußnote 307: Vgl. Goedeke, Grundriß I, 393 Nr. IV, 3 und 4.] [Fußnote 308: Ich benutzte eine Abschrift des Gedichtes, die mir Herr Apotheker Peters in Nürnberg freundlichst zur Verfügung stellte und die ich durch das liebenswürdige Entgegenkommen der königl. Hof- und Staatsbibliothek in München selbst noch einmal mit dem Original vergleichen konnte. Der Abdruck geschieht hier, wie bei den folgenden Zitaten, buchstabengetreu, doch sind etwaige Abkürzungen überall aufgelöst, die Interpunktion von mir hinzugefügt.] »Noch einen rat dir ain Mayster geyt: Fleuh verr dauon vnd auch pey zeyt, Fliehen ist gar ain sicher ding.« Endlich schließt der Verfasser, wie folgt: »Das hat Maister Hanns Thomauro gelert, Der manchs mit seiner kunst hat ernert, Vnd Junger Bernhart Jordanus genant, Des kunst yetzund laufft durch alle lant, Vnd auch anderr Mayster vil, Der ich yetzund nit nennen will. Nu Helff vns got auß der not, Der durch vns hat geliden den tot.« [Illustration: Fig. 1. Titelholzschnitt von dem »fast köstlichen spruch von der pestilencz« von Hans Folz nach dem Münchener Exemplar.] 1482 verfaßte dann Hans Folz seinen in der Litteratur mehrfach zitierten »fast köstlichen spruch von der pestilencz,« der uns in ein paar gleichzeitigen Drucken, die zu Colmar und München bewahrt werden, erhalten ist[309]. Das ganze Schriftchen umfaßt 12 Quartblätter. Bl. 1a ist leer; Bl. 1b wird von einem prächtigen, alten Holzschnitt eingenommen, auf dem in sehr realistischer Weise ein Arzt dargestellt ist, wie er eben einen von der Beulenpest Befallenen kuriert. Wir geben dieses interessante Blatt vorstehend in 2/3 der Originalgröße wieder (Fig. 1). [Fußnote 309: Hain, Repertorium Bibliographicum Nr. 7220. Vgl. Keller, Fastnachtspiele aus dem 15. Jahrhundert III. Bd. (Bibliothek des litterarischen Vereins in Stuttgart Bd. XXX) S. 1272.] Bl. 2a folgt sodann ein kurzes Inhaltsverzeichnis, zugleich eine Art Vorwort, in welchem es u. a. ähnlich wie am Schlusse des Gedichtes heißt, daß der Autor seine Lehren deswegen »in reimen weis auf das alles kurczest begriffen« habe, damit »sein dest leychter gedacht vnd auswendig gelernt werd, dar durch die, welch nit erczt sint, yn vnd andern tröstlich sein mügen«[310]. Die Einleitung auf Bl. 2b lautet: »IN lob der heiligen trinitat, zu er got jhesu, den vns hat gepert die küngin aller trön, von der man schreypt, sie sey gancz schön, der sey besunder das ein eer vnd allem himelischen heer, die pit wir vns zu pey gestan[311], auch well der heilg sebastian[312] vns hilfflich sein mit seiner gunst, ob zu vns neht der gifftig dunst oder die pestilenczisch plag, das wir vor sülcher nieder lag durch sein gepet versünet werden, alls er erworben hat auff erden, wer in heilgt, fast feyert vnd ert, das der werd vor der plag ernert. des heb ich an in seinem namen zu tröstung aller christen, amen.« Im Verlauf der nun folgenden Unterweisungen kann er zwar auch nicht umhin, der Ansicht, daß Fliehen das beste und sicherste Mittel gegen die Pest sei, Ausdruck zu geben: »fleuch pald, fleuch ferr, kum wider spot [_komm wieder spät_] das sint drey krewter in der not, für all apptecken vnd doctor«, indessen mit der Überlegung »doch mag yder nit flihen zwor« geht er dann alsbald dazu über, ausführlich und augenscheinlich mit nicht geringer Sachkenntnis darzulegen, welche Verhütungsmaßregeln man anwenden müsse und welche Mittel bei Ausbruch der Krankheit die wirksamsten seien. Eben darin unterscheidet er sich sehr wesentlich von dem Verfasser des vorhin behandelten, nur handschriftlich erhaltenen Gedichts, der, ohne Zweifel selbst nur wenig oder gar nicht pharmazeutisch geschult, sich zumeist damit begnügt, unter Berufung auf verschiedene »Meister« allgemeine Verhaltungsmaßregeln zu geben und einige Hausmittel anzuführen, während sich bei Hans Folz, dem Barbierer und Wundarzt, ganze Rezepte in Reime gebracht finden. Aus diesem Grunde wäre gerade diesem Gedichte gegenüber auch eine Würdigung vom pharmazeutischen Standpunkte aus wohl am Platze und würde gewiß der Mühe verlohnen, da sich aus einem eingehenderen Studium ohne Zweifel Manches ergeben würde, was unsere Kenntnis von dem damaligen Stande der medizinischen Wissenschaft zu fördern geeignet und insbesondere für die historische Heilmittelkunde von Interesse wäre. Mir muß eine Ausdehnung auf dies Gebiet selbstverständlich ganz fern liegen; ich werde bei dieser Arbeit lediglich von litteraturgeschichtlichen und bibliographischen Gesichtspunkten geleitet, und vor Allem kommt es mir darauf an, dem gleich zu besprechenden Büchlein seinen Platz in unserer Litteratur anzuweisen. Zuvor aber will ich noch den Schluß des Gedichtes mitteilen, wo sich Hans Folz bekanntlich[313] als Verfasser nennt. Er lautet: [Fußnote 310: Dieses und die folgenden Zitate nach dem Münchener Exemplar.] [Fußnote 311: Fehler im Satzgefüge, wie dieser, und andere Nachlässigkeiten, die zum Teil auf Setzerversehen zu beruhen scheinen, lassen vermuten, daß Hans Folz, wie verschiedene andere seiner Werke, so auch diesen Spruch von der Pestilenz selbst gedruckt habe.] [Fußnote 312: Der Schutzpatron der Schützen und Pestkranken.] [Bl. 11b] »also der siech geheylet wirt vnd auch erledigt von der swer. hie hat hans folcz barwirer aus der capitel samenung gesucht mit end vnd vrsprung von diser plag vnd ir erczney, vnd hat das durch sein fantasey gedicht gar in ein kurczes werck zu eren der stat nürmberck, vnd das dar vmb zu vers gemacht, das sein destleichter werd gedacht, vnd das die ding equaliter zu fassen seyen taliter, das yder doch ein stücklein merck, dar mit ein mensch das ander sterck. vnd wem die ler zu hilffe kum, den hofft der dichter also frum, das er got auch pit für seyn sel. got frey vns all vor helle quell A · M · E · N ·« Bl. 12a bietet dann wiederum zwei Holzschnitte, die offenbar aus Wolgemuts Werkstatt stammen, mit dem oben mitgeteilten aber an Genialität der Ausführung und Unmittelbarkeit der Wirkung nicht entfernt verglichen werden können. Sie stellen, als Gegenstücke gedacht und dementsprechend neben einander gestellt, die berühmten Ärzte Hypokrates und Galenus in ganzer Figur, jeden in einfachster architektonischer Umgebung und mit einer unbeschriebenen Bandrolle in den Händen, dar. Über Hypokrates steht: [Fußnote 313: Vgl. Hain a. a. O. Hain scheint aber die betreffende Stelle mißverstanden zu haben, da er unrichtigerweise eine Satzverbindung herstellt, aus der man schließen könnte, daß Hans Folz selbst von der Pest befallen gewesen, aber mit dem Leben davon gekommen sei. Das geht aus unserem Gedichte nicht hervor.] »Es werden fil me leüt versert von vbriger füll dan durch das schwert. Ipocras« über dem Bilde des Galenus liest man: »Sich hüten vor der fülerei ist die aller höchst ercznei. Galienus Mcccclxxxjj«, woraus wir also das Erscheinungsjahr des Gedichtes (1482) kennen lernen. Bl. 12b ist leer. -- Wenn Hans Folz in seinem Spruchgedicht von der Pestilenz, wie wir gesehen haben, mehrfach hervorhebt, daß er die gereimte Form absichtlich gewählt habe, damit sich seine Lehren und Rezepte leichter dem Gedächtnisse einprägen möchten, so hatte er ohne Zweifel Recht mit dem Glauben, daß nur auf diese Weise der großen Masse des Volkes mit seinem Büchlein wirklich gedient sein könne. Hat doch das frühere Mittelalter, von demselben Gedanken geleitet, gelegentlich noch ganz andere Dinge in Reime gebracht, und verdanken wir doch noch heutzutage die schönen Schmalzischen Genusregeln, den kürzlich erschienenen ersten Teil einer gereimten Übertragung des neuen Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich und so manches Andere der gleichen menschenfreundlichen Absicht. Aber Gefühl und Verstand der Gebildeten wird sich doch in der Regel gegen eine solche mechanische Lernweise sträuben, und gerade in der Zeit des erwachenden Humanismus und bei einem so schrecklichen Gegenstande, wie es die Beulenpest war, konnten Folzens Reime dem Geschmack der höheren Stände nicht entsprechen. Andererseits aber mußte man sich doch sagen, daß Folz mit seinem tüchtigen ärztlichen Wissen und der großen Popularität, deren er sich als Poet erfreute, der rechte Mann zur Abfassung verständiger und wirksamer Unterweisungen über die Natur, Verhütung und Behandlung der verheerenden Seuche sei. So ward denn der Dichter, kurz nachdem er sein Gedicht von der Pestilenz hatte in Druck ausgehen lassen, von Anton Haller, offenbar einem Angehörigen der bekannten Nürnberger Patrizierfamilie, aufgefordert, noch einmal und zwar in Prosa ein Traktätlein darüber abzufassen »von etlicher wegen, den das vngereimt pas gewon ist«; und dieser Bitte ist Hans Folz noch im selben Jahre in der That nachgekommen. Ein Exemplar seines Prosatraktats von der Pestilenz hat nun letzthin für die Bibliothek des historisch-pharmazeutischen Zentralmuseums erworben werden können, und da ich dieses Schriftchen weder in den einschlägigen litteraturgeschichtlichen Werken noch in den typographischen und bibliographischen Handbüchern irgendwo erwähnt gefunden habe, so verlohnt es sich wohl, über die neue Erwerbung an dieser Stelle etwas ausführlicher zu berichten. Es ist ein Heftchen von 16 Blatt in kl. 8o, mit genau denselben Typen und auf dem gleichen, vortrefflichen Papier (Wasserzeichen: Ochsenkopf mit Stande und Kreuz) wie das vorbesprochene Gedicht, und noch augenscheinlicher als dieses von einem Dilettanten, d. h. von Hans Folz selbst gedruckt. Bl. 1a enthält in vier kurzen Zeilen den Titel: »Item von der pestilencz ein hübsch nüczlich vnd kurcz begriffes trac tetlin getrukt im mcccc vnd in dem lxxxii iare hans folcz« [Illustration: Fig. 2.] Bl. 1b ist beifolgend in der Größe des Originals wiedergegeben (Fig. 2). Anstatt der Anrufung des heiligen Sebastian als des Schutzpatrons der Pestkranken, die sich in dem Spruchgedicht gleich zu Anfang findet, sehen wir hier einen ziemlich rohen Holzschnitt, das Martyrium des Heiligen darstellend dem Texte vorgedruckt. Dieser selbst ist in mehrfacher Beziehung von nicht geringem Interesse. Zunächst müssen wir noch einige Augenblicke bei dem Eingang verweilen, nach welchem oben bereits die kurze Entstehungsgeschichte des Werkes mitgeteilt worden ist. Folz nennt hier den Antonius Haller seinen »besundern guten freunt,« was uns, da an der Zugehörigkeit Hallers zum Patriziat der Stadt doch wohl nicht zu zweifeln ist[314], einen willkommenen Einblick in die gesellschaftliche Stellung Folzens, die eine recht angesehene gewesen zu sein scheint, gewährt. Nur nebenbei sei bemerkt, daß jener »Anthoni Haller« wahrscheinlich identisch ist mit einem anderen Haller, an den sich einmal der Schreiber eines Teils der Weimarer Fastnachtpielhandschrift Q 566, -- es handelt sich um eine Version von Folzens »Pharetra contra iudeos« -- in ein paar Zeilen wendet[315], woraus dann wohl die Identität jenes Schreibers mit Hans Folz gefolgert werden könnte[316]. Weiter aber ergiebt sich aus den Eingangsworten auch, wie bereits angedeutet wurde, ein Rückschluß auf das Ansehen, welches Folz als Arzt genoß. Und fürwahr, wer diese kernige Prosa liest, der wird sich der Einsicht, es mit einem bedeutenden Menschen, mit einem tüchtigen Charakter zu thun zu haben, nicht verschließen können. Zunächst wendet er sich -- vom Gedankengang des Gedichtes weicht der des Traktätleins erheblich ab -- gegen die, welche auch aus religiösen Gründen meinen, daß niemand durch menschliche Kunst der Seuche widerstehen, der Krankheit vorbeugen könne. Dann also, sagt Folz »hette got erczney vm sunst erschaffen, vnd also würden die erczt verlossen, vnd so hette auch salamon vergebes geret: ere den arczt vm deiner notturfft willen.« »Dar vmb«, heißt es später weiter, »so sech ein yder auff, wan sich selbs sol niemant verkürczen, so er doch nit weys, ob die erczney hilflich sein möcht oder nit, vnd ob er sie verliesse vnd müste sterben, möcht er in sich schlaen, sich selbs verkürczt haben. hie mit ich bewert will haben, fil peßer den arczat gesucht vnd die dötlich gifft geflohen, dan im selber des sterbes vrsach geben, so doch der mensch nicht dester minder got seinen willen heim seczt.« Nun folgen die Verhaltungsmaßregeln und Rezepte, die einer genaueren Prüfung und Würdigung zu unterziehen, ich wieder Anderen, solcher Sache Kundigen überlassen muß. Dabei geht es gelegentlich kräftig über die schlechten Ärzte und Quacksalber her, die nicht jeden einzelnen Kranken nach seiner besonderen Individualität behandelten: [Fußnote 314: Namentlich wegen des Zusatzes »eines regiments behütung vnd beschirmung halben«. In Biedermanns »Geschlechtsregister des Hochadelichen Patriciats zu Nürnberg« habe ich ihn allerdings nicht gefunden und neben der patrizischen existierte in Nürnberg auch eine bürgerliche Familie Haller.] [Fußnote 315: Diese Zeilen lauten nach Victor Michels, Studien über die ältesten deutschen Fastnachtspiele (QF. 77. Heft), Straßburg 1896 S. 235: _Lieber haller jch habe fast geeilt vnd ser poeß geschriben pittue mir daz nit verunclimpfen vnd wo ir eß nit lessen konet So schickt nach mir oppffere mich euch vnd all den euren zw allen wolgefallen wegenn vnd potten allezeit vnvertrossen._] [Fußnote 316: Der Beweis dafür würde sich allerdings nur durch eine Vergleichung der Schrift des betreffenden Abschnittes in Q 566, die übrigens sehr verblaßt sein soll, mit der von Hans Folz geschriebenen ehemals Habelschen jetzt Conradyschen Sammlung seiner Gedichte erbringen lassen.] »wan sie weder die complex des krancken noch der kranckheit gancz kein vnter scheyt haben. vnd also leyt ein plinter den andern vnd fallen peid in die gruben, wen ich selbs einen gesehen hab, der mit einer purgaczen, die er yder man gab, sich selber schnel hin richtet. Sülch erczt dürfften eins eigen spitals oder kirchofs in einer stat. Aber ein weyser, fürsichtiger rot solt ob einem sülch sein vnd keinem rohen leyen fraw oder man besunder in der kunst vngeüpt des nit zu sehen, so es den wissende vnd lang erfaren schwer ist -- ich sweig, das von sülchen erczten mancher gichtig, vnsinig, contract, lam, auseczig oder in die hin faleden sucht felt oder an einer sülchen purgaczen pald erstickt. aber als man den schuster vm hosen flickens willn suchen wolt, also sucht man nun erczney pey pecken, plattnern, rotschmiden, goldsmiden vnd alten weybern vnd fil andern lant bescheissern, die ir ercznei mit dörechter zeignus der prif besteten weln, vnd das fil mer ist: so sucht man auch erczney pey den iüden, der es keinem erlaupt ist pei verwerffung aus irer sinagog, dan allweg den zehenden zu erdöten oder auf das minst erlemen oder eim ein gift ein zu füren, die sich über ein iar zwey, drew erst fint; do claupt auf die puczpirn«[317]. Sodann werden 14 Präservativmittel angeführt und besprochen, hierauf noch die Symptome der Krankheit und endlich das Sterben des von der Pest Befallenen beschrieben: »Item die zeichen des dots sint: differ atem, begerung des kuln luffts, vmsleglung mit henden vnd füssen, groß angst, steti vnru, truckner munt, swercz der zungen, dürrer hust, endrung der vernunfft, kalter sweis, zeherung der augen, grosser graw, fil vndewung, scheissen vnd prunczen an das pet, schaumig stul, feucht oder schwarcz, heilstet suchen, kerung zu der wend, geher hunger, verswindung der aposten[318], vnsetiger durst, zitern dez pulß, swarczer prun -- dan gnad im got _A M E N_« Dieser Schluß des Tractats steht auf Blatt 16a. Bl. 16b ist leer, nur hat in unserem Exemplar eine gleichzeitige Hand noch einen frommen Spruch darauf geschrieben: »O angele meus Angelus dei plenus misericordie Miserere mei.« Auf Hans Folzens sonstiges Leben und Wirken werde ich demnächst an anderer Stelle Gelegenheit haben ausführlicher einzugehen. [Fußnote 317: »_do claupt auf die puczpirn_« augenscheinlich eine sprichwörtliche Redensart, deren Sinn indessen nicht ganz klar ist. Das Wort »Butzbirne«, eigentlich »Birne mit dem Butzen«, kommt gerade in derartigen Redensarten mehrfach in der Bedeutung von Prügel, Ohrfeige vor; vgl. Grimms Wörterbuch II, 588 unter Butzbirne, VII, 2282 unter Putzbirne. Also etwa: da hebt denn die Prügel auf, da bedankt euch denn für die Prügel.] [Fußnote 318: »_aposten_« eine Pluralbildung von apostema. apostem -- Geschwulst.] _Nürnberg._ _Th. Hampe._ Eine Nürnberger Labyrinthdarstellung aus dem Anfange des 16. Jahrhunderts. I. Das germanische Museum erwarb für sein Kupferstichkabinet auf der Auktion der großen Bibliothek[319], die zum größten Teil aus der stattlichen Bücherei des gräflichen Schlosses Lobris in Schlesien stammte, ein fliegendes Blatt aus den ersten Jahren des 16. Jahrhunderts, das sowohl seines Inhalts als seiner Herkunft wegen einer eingehenden Publikation würdig ist. [Illustration: Fig. 1.] Der doppelseitig bedruckte Bogen in Folio enthält auf drei Seiten über je einer Labyrinthdarstellung, die verschiedene Form, nämlich die eines Quadrates, eines Dreieckes und eines Kreises (vgl. die Abbildungen, die in der Hälfte der Originalgröße hier wieder gegeben sind) mit figürlichen Zuthaten zeigen, einen zweispaltigen lateinischen Distichentext; die vierte Seite ist mit zweispaltigem lateinischem Prosatexte bedruckt. Sowohl äußere Gründe, die Typen, die Holzschnittmanier und dessen Stil, als auch andere positive Fingerzeige, wie Namen von nachweisbaren Persönlichkeiten, weisen auf Nürnberg als den Entstehungsort des meines Wissens bisher unbeschriebenen und unbekannten Blattes hin. Es entstammt den dortigen Humanistenkreisen und bietet den Anlaß zu interessanten Beobachtungen aus denselben. [Fußnote 319: Auktionskatalog von Ludwig Rosenthals Antiquariat in München. Auktion 22. April 1895, Nr. 1182. Der Preis betrug 86 M. Herr Ludwig Rosenthal hatte die Liebenswürdigkeit, dem Museum die hier folgenden Abbildungen aus dem Katalog geschenkweise zu überlassen.] Zuerst folge eine genaue Reproduktion des Textes. [Illustration: Fig. 2.] _Figura Labyrinthi._ Sebastianus Calcidius at lectorem. Ut varios flexus Labyrinthique ianua cernis Tensas multiplici tramite late vias Cernis et anfractus fallaci ambage recuruos Qui faciles gressus explicitosque negant Sic iaculis feriet blandus quem forte cupido Ducit in errores innumerosque dolos Que si vitassent multorum corda virorum Mars non strauisset sanguinolenta manu Non tot prodissent armate ex Aulide classes Non viribus danaum diruta Troia foret Sic qui tranquillam gestis traducere vitam Inceste veneris noxia tela fuge. Uive memor leti. (Hierunter steht im Originale Fig. 1.) Figura Labyrinthi Sebastianus Calcidius des Basilisco Debilis heu nimium subtili pendula filo Mortalis vita est / vndique pressa malis Mille habet hec postes: quibus est seuicia leti Usque adeo variis tradita plena modis Sybilo adest testis rauco terrens basiliscus Uiroso afflatu statim queque necans Uive memores leti. (Hierunter steht Fig. 2.) _Figura Labyrinthi._ Joannes Stabius Austriacus ad labyrinthi inspectores. Dum varios flexus dum multiplices labyrinthi Conspicis errores / innumerasque vias Te vite humane cursum / seriemque / laborem / Et tristes curas / cernere cuncta puta Sic cum leticia / metu / spe / cumque dolore Optima queque dies / et mala queque fugit Flexibus ex illis queris / qui euadere possit Silua Achademie / quem fouet / ille potest Comite virtute / duce sapientia. Andreas Kunhofer Nurmbergensis ad eundam. Qui vacuus monstris / labyrinthi tutus in omnes Se recipit flexus / multiplicesque dolos / Egressu facili superat quia lumina cuncta / Omnia virtuti peruia namque patent Ast amor inuisus / thaurus / prolesque biformis Cui quatiunt mentem / cui quoque monstra prenunt Incidot errores varios / variosque rotatio Uoluitur in preceps / et mala multa subit Patere et sustine. (Hierunter steht Fig. 3.) Die vierte Seite nimmt ein Brief des bekannten Humanisten Johannes Stabius ein, den derselbe ans Ingolstadt »diuersorio nostro litterario«, wo er lehrte, »dem doctissimo ac integerrimo viro domino Conrado Hainfogel, Nurembergen, arcium et philosophie magistro«, sandte. Er bezieht sich zuerst auf die während seines Nürnberger Aufenthaltes gepflogenen humanistischen Studien und Interessen und führt dann sein Vorhaben aus, die Ansichten der hervorragendsten Autoren über das zwischen ihnen öfters besprochene Labyrinth dem Freunde mitzuteilen und dies kurze Blatt, dem Illustrationen beigegeben seien, zu widmen. Auf diese Einleitung folgt die Aufzählung der vier Labyrinthe, die Plinius in der historia naturalis kennt, nämlich das ägyptische, das kretische, das leonische und das italienische, in dem König Porsenna beigesetzt sein soll. [Illustration: Fig. 3.] Eine historisch-antiquarische Zusammenstellung der Notizen des Plinius, Herodot, Strabo, Diodorus Siculus und Virgilius bildet den Beschluß des Briefes, der in »Florentissima Achademia Ingelstadiensi« geschrieben wurde. »Andreas Kunhofer Nurmbergensis« ist uns sonst nur noch aus den Briefen Dürers aus Venedig bekannt. Er ist offenbar ein Nürnberger, wohl ein Verwandter des Konrad Kunhofer[320], der 1424 zu Rom war, 1426 zu Nürnberg dem Herzog Johann von Bayern, Graf Ludwig von Oettingen und den Priestern auf dem Heilthumsstuhle die Reliquien zeigen half. In einem Verzeichnis der alten Nürnberger Juristen wird er aufgeführt als: »a 1427. Meister Cunrad Kunhofer unser Jurist«. Ferner war er Pfarrer zu St. Lorenz, Dr. dreier Fakultäten und Stifter des ältesten bekannten Stipendiums (1445) für je einen Theologen, Juristen und Mediziner. 1452 stiftete er ein Fenster im Chor von St. Sebald (das fünfte rechts), dessen Zeichnung nach Thode (S. 117) vielleicht auf eine Zeichnung von H. Pleydenwurff zurückgeht. Andreas Kunhofer, der »Endres Kunhoffer« Dürers in seinen venezianischen Briefen, wird in denselben, verschiedene Male genannt. So schreibt Dürer unter dem 28. Februar 1506 an Wilibald Pirkheimer (Lange-Fuhse S. 24, 19): »Lieber Herr, Euch läßt Endres Kunhoffer sein Dienst sagen. Er wird Euch itzt bei dem nächsten Boten schreiben«. Dasselbe schreibt er unter dem 8. März 1506 (Lange-Fuhse 26, 25). Er erwähnt da einen Brief Kunhofers an Pirkheimer, der letztern bitten will, »ihn gegen die Herren (d. h. den Rath) verantworten, so er nit zu Badow (Padua) wil beleiben. Er spricht, es sei der Lehr halben ganz nix für ihn.« Am 25. April meldet er dem Freunde, daß »Kunhofer todtlich krank ist« (Lange-Fuhse 30, 32). Die Hauptstelle aber enthält das Postscriptum des Briefes vom 18. August 1506 (Lange-Fuhse 33, 10 ff.) die hier folgt: »Item Endres ist hie, läßt Euch sein willig Dienst sagen, ist noch nit am schtärksten, hat Mangel an Geld. Warn sein lange Krankheit und Verschuld hat ihms alls gfressen. Ich hab ihm selbs acht Dukaten geliehen. Aber saget Niemands davon, daß es ihm nit fürkomm. Er mecht sunst gedenken, ich thäts aus Mistreu: Ihr sollt auch wissen, daß er sich also eins ehrberen weisen Wesens hält, daß ihm Jdermann wol will.« [Fußnote 320: Roth. Verzeichniß aller Genannten d. größeren Raths. 1802. S. 32. Dipt. Laurent. in der Beschrbg. der Lorenzer Kirche S. 35 f. Waldau, Nürnberger Zion S. 21 f. Siebenkees Mat. Bd. II. 661. Literar. Blätter II. 304. Lochner, Die Personennamen in Albrecht Dürers Briefen aus Venedig. S. 37. Die im Nürnberger Stadtarchiv aufbewahrten Libri litterarum bringen ebenfalls verschiedene Male den Namen, so einen Cunhofer 1492, so einen Fritz Künhofer von Unterrüsselbach in den Jahren 1492 und 1493.] Ob Andreas Kunhofer thatsächlich auf dem Rosenkranzbilde mit abgebildet ist, wie Neuwirth in seiner Studie angibt, kann nicht entschieden werden. Aber soviel geht aus den Briefen und aus den Distichen des Labyrinthflugblattes hervor, daß Kunhofer kein Handwerker war, wie Thausing (L 377.) annahm, sondern offenbar ein junger Gelehrter und wahrscheinlich ein Jurist war, der aus dem Nürnberger Humanistenkreise stammte und seine Studien in Padua fortsetzte, offenbar allerdings nicht zu seiner Zufriedenheit. Seine wahrscheinliche Verwandtschaft mit dem gelehrten obenerwähnten Konrad Kunhofer ließe ebenfalls eher auf einen Akademiker als einen Handwerker schließen. Über Sebastianus Calcidius war nichts, über Konrad Hainfogel nichts bestimmtes zu eruiren. Daß Hainfogel Nürnberger war, geht aus der Apostrophe des Johannes Stabius hervor. Außerdem treffen wir den Namen verschiedene Male in den Geschichtsbüchern der Stadt, den libri litterarum, welche das städtische Archiv aufbewahrt. So verkauft der Priester Konrad Haynfogel, der also offenbar mit dem unsrigen identisch ist, im Jahre 1492 aus einer am Markte liegenden Behausung 2 fl. Eigenzins (L 8. 22b). Derselbe verkauft 1493 eine Badestube am weißen Thurm mit Nebenhaus an Gerhaus Fuchs (L 9. 241b); diese Badestube hatte er in demselben Jahre dem Erhart Wagner abgekauft (L 9. 172). Wir können also annehmen, daß dieser offenbar begüterte Priester Hainfogel, ebenso wie Kunhofer, dem Nürnberger Humanistenkreise angehört hat, der in den letzten Jahren des 15. Jahrhunderts blühte und die glänzendsten Namen zu den seinen zählen durfte, so einen Conrad Celtes und einen Johannes Stabius[321], der als Mitglied der von Celtes begründeten Sodalitas Renana und Danubiana sicher öfters zu Nürnberg war. Einen direkten Beweis dafür enthält ja auch sein Brief an Hainfogel. Seit dem Jahre 1498 höchstwahrscheinlich lehrte er in dem nicht zu entfernten Ingolstadt, das er im Jahre 1503 mit dem Lehrstuhl an der Wiener Hochschule vertauschte. Später als kaiserlicher Historiographus schrieb er ja den lateinischen Text zur »Ehrenpforte« des Kaiser Maximilian und im Jahre 1515 gab er, wieder im Verein mit Albrecht Dürer, eine Weltkarte heraus. Seine Beziehungen zu Nürnberg, sowohl die litterarischen, als die künstlerischen, haben lange bestanden und waren immer rege geblieben, denn sowohl der Druck als die Illustrationen des in die Jahre 1500-1502 fallenden Labyrinthflugblattes sind Nürnberger Ursprungs, wie die folgende Untersuchung erweisen wird. Eine kurze Entwicklungsgeschichte der Ikonographie der Labyrinthdarstellungen aus der Antike durch das Mittelalter bis zur Neuzeit wird sich in Artikel II anschließen. Sie soll einen Überblick geben über die verschiedenen Deutungen und Darstellungen und wird eine Lücke ausfüllen, da sie in dieser Fassung bisher fehlte. [Fußnote 321: Vgl. Krones in der Allgemeinen Deutschen Biographie XXXV S. 337, wie weitere Literatur, ferner Prantl, Geschichte der Ludwig-Maximiliansuniversität in Ingolstadt, Landshut etc. I. S. 137; vgl. auch II. 486 Nr. 16.] _Nürnberg._ Dr. _Edmund Braun._ Notiz über Dürer aus den Nürnberger Ratsprotokollen. Für Dürers Verhältnis zu dem Rate seiner Vaterstadt ist ein Ratsverlaß aus dem letzten Lebensjahre des Meisters recht bezeichnend, der hier, ohne der Waschzettellitteratur der Goetheforschung oder Allers' Bismarck im Schlafrock und ähnlichen Unternehmungen, deren Ziel es ist, uns die großen, siegenden Geister unserer Nation »menschlich näher zu bringen«, irgendwie Konkurrenz machen zu wollen, wiedergegeben sei: [Ratsprotokolle 1527, Heft II, Bl. 33b] _Tercia 18. Junj 1527:_ Albrecht Durern sagen man sey Ime mit guetem willen geneigt, aber seyns heymlichen gemachs halb konn man es nit anders gegen Ime halten dann andern. Aber so pald er die straff entricht sol man Ime dj widergeben. _Nürnberg._ Burgermeister Junior _Th. H._ Aus der Plakettensammlung des germanischen Nationalmuseums. II. Im ersten Artikel habe ich bereits beiläufig die in Weimar befindliche Plakette eines Meisters erwähnt, der seine Vorbilder bei Jost Amman sucht, die Selbständigkeit der Composition aber sich zu wahren bestrebt ist. Das germanische Museum besitzt 7 Plaketten dieses Meisters, den ich den »Meister der Jagdscenen« nennen möchte, da der weitaus größte Teil seiner Darstellungen eben Jagdscenen sind und es mir nicht gelungen ist, irgend einen Anhalt für die Person des Künstlers zu gewinnen. Nur so viel kann man wohl vermuten, daß er Nürnberger war. Sein Stil ist ganz flötnerisch, jedoch bereits ausgestattet mit den Übertreibungen, die wir bei H. G. kennen gelernt haben, dessen Zeitgenosse er (eine Plakette trägt die Jahreszahl 1580) war. Indessen ist weder seine technische Fertigkeit, noch seine künstlerische Bedeutung mit der des H. G. zu vergleichen. Er ist in jeder Beziehung abhängiger und unbeholfener. Seine Hintergründe ähneln denen des H. G., das Wasser stellt er dar durch zarte, ziselierte Wellenlinien, der Boden ist in maßvoller Weise mit Gräsern bedeckt. Auch er hat eine Vorliebe für Weiden mit herabhängendem Laubwerke, die in gleicher Weise, wie bei Flötner und H. G. behandelt sind; seine übrigen Bäume aber, besonders diejenigen, die weiter im Vordergrunde stehen, zeigen eine so eigenartige Technik, daß sie allein schon auf den ersten Blick unsern Meister verraten. Das Laubwerk wird dargestellt durch einzelne wagerechte, parallel laufende Schuppenreihen, die dem Baume ein mosaikartiges Aussehen verleihen. Diese Schuppenreihen werden zu einzelnen Gruppen vereinigt, die, meist durch kurze Zweige mit einander verbunden, den Baum in verschiedene Etagen einteilen. Künstlerisch betrachtet macht natürlich eine in der Weise zusammengestellte Baumkrone einen höchst primitiven, handwerksmäßigen Eindruck. -- Die Personen tragen meist das Kostüm der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, die schlanken, hohen, bisweilen etwas steifen Gestalten gleichen denen des Jost Amman. Von den 6 Jagdscenen gehören je drei zu einer Gruppe. Die Plaketten der ersten verjüngen sich nach unten und sind mit einer kartuschenartig verzierten Umrahmung versehen. Beide haben offenbar als Vorlagen zur Verzierung von kleinen truhenartigen Kästchen gedient. _Jagdscenen._ I. _Gruppe_. Br. 0,094-0,089 m., H. 0,057 m. Bleigüsse. 1) Hasenjagd. K. P. 901. Katal. 537. Links eine von rückwärts gesehene Frau, nach rechts reitend. Vor ihr steht ein Jäger, der einen erlegten Hasen an den Hinterläufen emporhält. Zu seinen Füßen; ein Hund. Rechts ein Jäger, der in der Linken Barett und Speer hält. Tracht der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Oben in der Mitte der Umrahmung Engelskopf. Dieselbe Plakette in Bronze: Collektion Spitzer Bd. IV, S. 151, Nr. 93. Die Verjüngung ist nicht erwähnt, geringe Größenabweichungen sind auf das Beschneiden der Bleiplakette zurückzuführen. (Ich will an dieser Stelle bemerken, daß ich bei den Messungen den überstehenden unornamentierten Rand der Plakette nicht mitmesse. Bei jedem einzelnen Nachguß ergeben sich ganz naturgemäß schon durch das Bestreichen der nassen Form kleine Abweichungen). Bleiguß in Kassel. 2) Hirschjagd. K. P. 1913. Katal. 538. Tafel II. Ein Hirsch, eine Hindin und ein Hase eilen von links her gegen ein in Schlangenlinien die Mitte der Plakette durchziehendes Fangnetz, das im Vordergrunde von einem Baume begrenzt wird. Rechts zwei Jäger, deren einer auf einem Baumstumpf sitzt und in der Rechten einen Jagdspeer hält. Neben ihm sitzt ein Hund. Oben in der Mitte der Umrahmung gekrönter bärtiger Kopf. Bleiguß in Kassel. 3) Jagd. K. P. 471. Katal. 540. Ein Reiter, der in der vorgestreckten Rechten eine Pistole hält, galoppiert nach rechts, von zwei Hunden begleitet. Weiter im Hintergrunde eilt ein Jäger mit Horn und Speer, ebenfalls in Begleitung von zwei Hunden, nach rechts. Oben in der Mitte der Umrahmung Frauenkopf. II. _Gruppe_. Br. 0,09 m. H. 0,043 m. Bleigüsse. 1) Kyparissus. K. P. 898. Katal. 534. Kyparissus erlegt durch einen Pfeilschuß den am Boden liegenden, mit einem Perlenhalsband geschmückten Hirsch, in dessen Geweih ein Tuch geknüpft ist (Ovid, Metam. 10, 111 ff.). Im Hintergrunde links eine von der Hüfte abwärts bekleidete Gestalt mit emporgehobenem rechtem Arm (Apoll?) und ein nach rechts galoppierender Jäger mit geschwungenem Jagdspeer, von zwei Hunden begleitet. Rechts ein Mann, der pflügt, und einer, der säet. 2) Bärenjagd. K. P. 899. Katal. 535. Von links galoppiert in Begleitung eines Hundes ein Reiter heran mit dem Schwert in der Rechten. Dem Hintergrunde zu ein Jäger mit Netz über der Schulter. Rechts greifen drei Jäger mit Speer, Säbel und Bogen einen Bären an, der bereits gegen vier Hunde, deren einer überwunden am Boden liegt, kämpft. Im Hintergrunde rechts sucht ein junger Bär (?) einen Baum zu erklimmen. 3) Falkenbeize. K. P. 900. Katal. 536. Links im Vordergrunde steht ein von rückwärts gesehener Jäger, der auf seiner linken Hand einen Falken trägt: neben ihm zwei Hunde. Rechts ein Reiter, der einen Falken steigen läßt, außerdem zwei Jäger, deren einer einen Hasen in der Linken trägt. In der Mitte ein Falke, der einen Hasen ergriffen hat. Dahinter ein nach rechts galoppierender Reiter mit Schwert in der Rechten. Drei fliegende Falken. Kornfeld. III. Susanna. K. P. 462. Katal. 611. Oval, H. 0,045 m., Br. 0,039 m. Bleiguß. Tafel II. Die nackte Susanna sitzt unter einem Baume in einem Bassin, die Füße im Wasser. Sie hat den Kopf nach rechts gewandt, den gekrümmten linken Arm zur Abwehr erhoben. Von rechts und links wird sie von den beiden Alten angegriffen. Links im Vordergrunde ein kleiner Hund. An dem Bassinsteine rechts die Jahreszahl 1580. Gezahnter Rand. Während der Meister der Jagdscenen wenigstens in Bezug auf Komposition Selbständigkeit sich wahrt, begibt sich der Monogrammist L+D in sklavische Abhängigkeit von seinem Vorbilde. Auch er gehört der jüngeren Nürnberger Richtung an. Nagler (Monogr. Bd. IV, S. 332, Nr. 1015) deutet das Monogramm auf Leonhard Danner, einen Nürnberger Mechaniker, der von 1497-1585 lebte, und die Art der bei den Plaketten von L+D angewandten Technik scheint diese Deutung zu unterstützen. Das übertrieben hohe Relief, die kräftige harte, aber außerordentlich sichere Formengebung weist entschieden auf eine schwere Hand, die in sprödem Material zu arbeiten gewohnt ist. Zur Sicherheit würde diese Vermutung, wenn es sich bestätigt hätte, daß eine im Berliner Kunstgewerbemuseum befindliche Uhr (cf. R. Fischer, historisch-kritische Beschreibung der Kunstkammer in dem Neuen Museum zu Berlin. 1859. S. 15, Nr. 1440), die mit Plaketten von L+D geziert ist, auch wirklich von L. D. angefertigt wäre. Das scheint indessen nicht der Fall zu sein, denn nach brieflicher Mitteilung des Herrn Geheimrat Lessing sind die Plaketten auf der Tafeluhr nicht völlig identisch mit den Bleigüssen. »Sie sind sehr energisch ziseliert und hierbei können die an sich kleinen Abweichungen entstanden sein. Sie sind viel gröber als die Bleigüsse und haben keine Marke.« Leonhard Danner scheint ein grübelnder Kopf gewesen zu sein, der große technische Probleme in seinem Hirne wälzte, ohne es zu verstehen, seine Fähigkeiten zur Verbesserung seiner äußeren Lage zu verwenden. Erst im letzten Drittel seines Lebens wurde er bekannt und berühmt durch seine Maschinen. So wenigstens ist wohl der Vers, der auf seinem Grabe sich fand, zu verstehen (s. Neudörffer, ed. Lochner S. 54): »Seht an die einfältig Gestalt, Doch sinnreichs Verstand und ward alt Acht und achtzig Jahr hatt sein Alter, Seine Bekannten hießen ihn Bettler, War allzeit dienstwillig Jedermann Durch sein Werk ward bekannt der Mann, Darnach verlangt ihn zu sterben, In Hoffnung das ewig Leben zu erben.« Gulden, Neudörffers Fortsetzer (s. Ausg. Lochner S. 213, Nr. 14) berichtet über ihn: »Hat das Schraubwerk, wie auch den Druckzeug in Holz, allerlei Figuren künstlich zu drucken, erfunden,« Doppelmayr S. 294: »Ein Mechanicus, war ebener massen, wie sein Bruder Hanns Danner, wegen geschickter Zubereitung groser Hebzeuge und starcker Schrauben-Wercke, wozu ihme seine ordentliche Profession des Schrauben-machens Anlaß gabe, wohl bekandt und berühmt. Er erfande um A. 1550 eine Maschine, die er die Brech-Schraube (davon die 4. und 5. Figur in der XIII. Kupffer-Tabellen zweyerley Gattungen, und zwar die letzte eine geringere, zeiget) benennte, und zur Ausübung übermässigen Forcen brauchte, da er mit Beyhülffe derselben die dicksten Mauren von Thürnen und andern Gebäuen zu brechen und über einen Hauffen zu werffen vermögt, gleichwie er so wohl in Nürnberg A. 1558 an einer starcken Thurn-Mauren, als ausserwärts an denen dicksten Mauren alter Gebäue, seine Proben rühmlichst erwiesen. Erst bemeldte Invention gabe ihm auch Anlaß, daß er die messinge Spindeln zu mehrerer Beförderung der Buchdruckerey, dabey ein Drucker alsdann nur seine halbe Stärke anzuwenden hatte, am ersten bey dergleichen Pressen gantz glücklich angebracht. Starb A. 1585 in dem 88. Jahr seines Alters.« Eine auf ihn geprägte Medaille ist bei Doppelmayr Taf. XIV abgebildet. Sie zeigt ein kurzes breites Gesicht mit starker Nase, in dem nur die großen Augen den sinnenden Geist verraten. Die Umschrift: »Leonhart Danner. Æ. S. 54. A. 1561« enthält einen Irrtum, der wahrscheinlich auf den Stecher zurückzuführen ist. Statt 54 muß es heißen 64, wie auch in der darunter befindlichen Abbildung der Jamnitzer-Medaille aus 1563 1503 gemacht wurde. Daß der Mechaniker und Maschinenbauer auch Plaketten gearbeitet habe, kann bei der außerordentlichen Vielseitigkeit, durch die die meisten Nürnberger Künstler sich auszeichnen, nicht auffallen. Vielleicht gehört diese Art der Thätigkeit vor die Zeit, die ihn mit großen Maschinenplänen beschäftigte. Ob unser L. D. identisch ist mit dem Künstler, dessen Monogramm auf dem Holzmodell zu der Medaille eines Anthonius Sanftl vom Jahre 1545 (s. Erman, Deutsche Medaill. S. 48) in der k. Sammlung zu Berlin sich befindet, muß ich dahingestellt sein lassen, da ich das Stück nicht gesehen habe. [Illustration] Das germanische Museum besitzt von L+D 4 Plaketten, die nach Kupferstichen H. S. Behams, und 3, die nach Stichen Aldegrevers gearbeitet sind. Charakteristisch sind die kräftig hervortretenden, stark verästeten Bäume deren Stämme meist eine wagerechte Riefelung zeigen. Die Arbeiten nach Beham weichen nur in geringen Kleinigkeiten von dem Stiche ab, die nach Aldegrever sind stark verkleinert und rund; der Hintergrund ist bei den letzteren selbständig behandelt: er ist mit der bekannten Phantasielandschaft ausgestattet. Das Monogramm des Stechers fehlt auf den Plaketten stets. Da die Stiche sämtlich dem Jahre 1540 angehören, so haben wir in diesem Jahre den terminus a quo für die Entstehungszeit der Plaketten. [Illustration: Taf. III. Aus der Plakettensammlung (II).] I. Der verlorene Sohn. K. P. 452. 225-227. Katal. 443-446. H. 0,051-0,054 m. Br. 0,087-0,09 m. Bleigüsse. Nach den Stichen H. S. Behams. B. 31-34. 1) Abschied. Aufschrift in erhabenen großen lateinischen Lettern: Pater da mihi porcionem substancia quæ ad me redit. 2) Das Gastmahl. Bezeichnet: L+D. Aufschrift: Dissipavit substanciam suam vivendo luxuriose. Luce. XV. 3) Der Sauhirt. Aufschrift: Cupiebat implere ventrem suum de siliquis. Luce. XV. (Tafel II). 4) Rückkehr. Aufschrift: Filius meus mortuus erat, et revixit, perierat, et inventus est. Luce. XV. Abschied (1) und Rückkehr (4) Collektion Spitzer Bd. IV, S. 149 Nr. 34 und 83, Bronze, mit Rand, ohne Aufschriften. -- Gastmahl (2) und Rückkehr (4) Kunstgewerbemuseum in Berlin, Bleigüsse. Nagler, Monogr. IV, S. 332 Nr. 1015 ist (nach Mitteilung des Herrn Geheimrats Lessing) dahin zu berichtigen, daß »Die Rückkehr« das Monogramm L+D nicht hat. -- Ein Gipsabguß der »Rückkehr«, der auf keine der genannten Plaketten zurückgeht, befindet sich im germanischen Museum, es läßt sich aber leider nicht feststellen, von welchem Original er genommen ist. Es scheint ein Buchsrelief zu sein. [Illustration] II. Evas Schöpfung. K. P. 447. Katal. 451. Durchm. 0,043 m. Bleiguß. Verkleinerte Nachbildung des Stiches von Aldegrever B. 1. III. Sündenfall. K. P. 854. Katal. 452. Durchm. 0,043 m. Bleiguß. Verkleinerte Nachbildung des Stiches von Aldegrever B. 2. IV. Adam und Eva. K. P. 448. Katalog 453. Durchm. 0,043 m. Bleiguß. Verkleinerte Nachbildung des Stiches von Aldegrever B. 6. (Tafel II.) Die Darstellungen II-IV sind wahrscheinlich auf Brettsteine zurückzuführen. Während der Korrektur des vorliegenden Aufsatzes hatte Herr Direktor Bösch die Güte, mich auf einen, soeben von ihm für das Museum angekauften Brettstein von Leonhard Danner aufmerksam zu machen. Der Stein (Durchm. O,045 m.) bietet sich dar als »Empfehlungskarte« in modernstem Sinne. Die Vorderseite zeigt in der Mitte eine Tanne (Anspielung auf den Namen Danner), umrahmt von einem Blätterkranze. Die Umschrift (in großen, erhabenen lateinischen Buchstaben) lautet: »Leinhart Daner zv Nvrenberg.« Auf der Rückseite befindet sich, ebenfalls von einem Blätterkranze eingefaßt, ein Hobel und unter ihm zwei kreuzweis übereinander liegende Schrauben. Umschrift: »Schreiner vnd Schravfenmacher.« Der Brettstein ist gepreßt, wir haben es also mit einem fabrikmäßig hergestellten Gegenstande zu thun, der wahrscheinlich dutzendweise gefertigt und auf den Markt gebracht wurde, so daß er für das künstlerische Können Danners keinen Beweis liefern, die Hypothese also, daß das Monogramm L. D. auf der Plakette mit »Leonhard Danner« aufzulösen sei, nicht unterstützen kann. Zeigten die Werke der Meister, die wir bisher betrachtet haben, eine bestimmte technische und stilistische Verwandtschaft, die man als Schule Flötners bezeichnen könnte, so mögen jetzt zwei Plakettenserien folgern, deren Schöpfer eine selbständigere, originellere Stellung einnehmen. Die Plaketten des einen Meisters, der den besten deutschen aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts an die Seite gestellt werden muß, sind mit Ausnahme einiger Körperteile der Hauptfiguren in ziemlich flachem Relief gehalten, sodaß schon aus diesem Grunde der Hintergrund weniger energisch hervortritt und das Augenmerk ungeteilt an die im Vordergrunde zur Darstellung gebrachte Scene gefesselt bleibt. Die Bäume zeigen eine völlig andere Technik, als die Flötnerschen. Sie sind weniger plastisch, sondern breit, malerisch behandelt. Die Wolken werden nur schwach, oft durch Spiralen, angedeutet. Vorzüglich aber ist die Darstellung der schlanken, eleganten Personen mit ihren lebhaften und graziösen Bewegungen. Die nackten Körper sind ausgezeichnet modelliert, bei den bekleideten liegt die antike Tracht so eng an, daß man ebenfalls jede Muskel und jede Linie des Fleisches erkennen kann. Die Arbeiten erinnern an die besseren Schnitte Virgil Solis. Diesem Meister weise ich folgende Plaketten unserer Sammlung zu: 1) Hirschjagd. K. P. 897. Katal. 532. Br. 0,113 m., H. 0,05 m. Bleiguß. Tafel II. Links Hirsch von drei Hunden angefallen, deren einen er aufspießt. Von rechts reitet ein Jäger an in antikem Kostüme, in der Linken den Jagdspeer schwingend. Rechts im Hintergrunde enteilt nach rechts eine Hindin, in der Mitte ein Jäger mit Horn und Lanze, nach links laufend. Der Schwanz des einen Hundes links ragt über den Rand hinaus. 2) Löwenjagd. K. P. 896. Katal. 533. Br. 0,118 m., H. 0,051 m. Bleiguß. Rechts wird ein Löwe von vier Hunden angegriffen. Einer liegt bereits überwunden unter ihm. In seinem Genick sitzt ein Pfeil. Von links kommt ein mit antikem Helm bedeckter, sonst nackter Reiter angesprengt, von einem Tuche umwallt, in der Rechten einen Säbel haltend. Neben dem Gaul läuft ein Hund. Mitten im Hintergrunde nach rechts eilend ein Jäger mit gespanntem Bogen. 3) Vulkan, Amor Pfeile schmiedend. K. P. 864. Katal. 592. Oval. Br. 0,085 m., H. 0,107 m. Bleiguß. Links, vor der Esse, sitzt Vulkan, hält in der Rechten in Lendenhöhe den Hammer, in der Linken einen Pfeil, der auf dem Ambos aufliegt. Rechts Venus, stehend, nackt, mit der Linken ein Tuch auf der Brust haltend, die Rechte gegen Vulkan vorgestreckt. An ihr rechtes Bein lehnt sich der nackte Amor, der in der Rechten den Bogen trägt. Links im Vordergrunde am Boden ein Helm, rechts am Ambos ein Hammer. Hintergrund: Flußlandschaft, Brücke, Berge, Bäume, antike und ruinenhafte Architektur. Die Plakette ist beschnitten. Das Original, Bronze, ist viereckig. S. »Beschreibung der Bildwerke der christlichen Epoche.« Berlin 1888. (Königl. Museen zu Berlin) S. 238, Nr. 1071. Abb. Taf. XLVIII. Molinier, Les Plaqu. No. 599. 4) Aktäon. K. P. 869. Katal. 578. Oval. Br. 0,107 m., H. 0,077 m. Bleiguß. Tafel II. Diana, die sich mit drei Nymphen links im grottenartigen Bade befindet, besprengt mit ihrer Rechten, während die Linke ein Laken vor die Scham hält, Aktäon mit Wasser. Sein Haupt ist bereits in einen Hirschkopf verwandelt. Er sucht nach rechts zu enteilen. In der Linken trägt er einen Jagdspeer, rechts und links von ihm je ein Jagdhund. Den linken führt er an der Leine. 5) Umarmung. K. P. 865. Katal. 591. Oval. Br. 0,09 m., H. 0,12 m Bleiguß. Auf den Knieen eines nackten, nach rechts gewandten, sitzenden, vollbärtigen Mannes sitzt ein ebenfalls nacktes Weib mit emporgezogenem rechtem Knie, das er küßt und umarmt. Sie stützt ihre Linke auf sein linkes Knie. Über beiden schwebt der Liebesgott, der sie mit Blumen bestreut. Links im Vordergrunde zwei Gefäße. Ich habe bereits auf den erhöhten Einfluß der Litteratur auf die bildende Kunst im 16. Jahrhundert hingewiesen. Waren es im Mittelalter vornehmlich biblische Geschichten und Heiligenlegenden, welche die Phantasie des Künstlers beschäftigten, so wagen sich seit dem Ende des 15. Jahrhunderts auch die weltlichen Darstellungen immer dreister hervor, bis sie innerhalb weniger Jahrzehnte die ersteren an Zahl weit überflügeln. Andererseits werden auch viele der biblischen Stoffe in einer Weise profaniert, daß man sie von den weltlichen Dingen nicht mehr scheiden darf. Es ist unnötig, auf die allgemein bekannten Gründe dieser Erscheinung nochmals hinzuweisen. Die Emblemata, die ovidischen und livischen Figuren etc., die bewußt für den Künstler und besonders den Kunsthandwerker geschaffen waren, hatte ich angeführt. Daneben aber existiert noch eine außerordentlich reichhaltige Anekdoten- und Schwanklitteratur, die sich der weitesten Verbreitung erfreute und häufig dem Künstler als Born diente, aus dem er schöpfte. Dazu gehören beispielsweise die Erzählungen, die, bereits im Mittelalter handschriftlich in den sogenannten »Gesta Romanorum« niedergelegt, im 15. Jahrhundert in lateinischer und deutscher Ausgabe erschienen, dann »Buch der Beispiele der alten Weisen«, Boccaccios Decamerone, Pauli, Schimpf und Ernst, Kirchhoff, Wendunmuth etc. etc. bis auf Samuel Meiger, der in seinem »Nucleus Historiarum« 1598 eine systematisch geordnete Zusammenstellung dieser »Geschichten« anstrebte. Manche dieser Anekdoten, die früher sicherlich zum größten Teil ganz allgemein bekannt waren, die also jeder Künstler auch, ohne befürchten zu müssen, daß er nicht verstanden werde, benutzen konnte, haben sich bis heute im Bewußtsein des Volkes erhalten, die große Mehrzahl aber ist ihm im Laufe der Zeit entschwunden. Daß man auch in Gelehrtenkreisen nicht immer diesem Anekdotenschatze die nötige Aufmerksamkeit schenkt, davon legen die oft sehr wunderlichen Erklärungen von Bildwerken der Renaissance Zeugnis ab. Als typisches Beispiel in dieser Beziehung kann die Collektion Spitzer gelten. Es ist ja allerdings nicht immer leicht, selbst wenn man die Geschichten kennt, die richtige Deutung zu finden, da der Stoff ein sehr umfangreicher ist, die Überlieferungen oft von einander abweichen und der Künstler bisweilen sich nicht streng an die schriftliche Überlieferung hält. Umsomehr wäre es eine verdienstliche Arbeit, das ganze Material einmal zu ordnen, eine Art Realencyklopädie auf diesem Gebiete anzulegen, zumal dieselbe auch einen wesentlichen Beitrag zur Erkenntnis der geistigen Interessen jener Zeit liefern würde. Ich berühre hier diesen Gegenstand, weil eine Anzahl von Plaketten eines Meisters mir vorliegen, deren einzelne völlig falsche Erklärung gefunden haben. 1) Der ungerechte Richter. K. P. 250. Katal. 574. Br. 0,065 m., H. 0,024 m. Bleiguß. Links über einem Stuhle, hinter dem ein nackter Krieger mit Helm und Lanze steht, liegt die Haut des ungerechten Richters. Rechts davon der König in antiker Tracht, auf die Haut deutend. Neben ihm der Sohn des Geschundenen. Des weiteren vier Personen, von denen drei bewaffnet sind. Rechts ein rundbogiger Eingang. Die Darstellung ist im Katalog der Originalskulpturen irrtümlich erklärt als: »der des Kopfes beraubte Sohn vor dem Schatzhause.« In »Collektion Spitzer« Bd. III, S. 15, Nr. 29 aber findet sich folgende treffliche Deutung: »Plusieurs personnages vêtus à l'antique regardant une sorte d'armure complète, composée d'une peau de lion posée sur un trône.« In Wirklichkeit haben wir es mit einer Erzählung zu thun, die sich in »Gesta Romanorum« ed. Österley S. 324, cap. 29, findet: »Erat quidam imperator, qui statuit pro lege, quod sub pena gravi quilibet judex recte judicaret, et si contrarium faceret nullo modo misericordiam inveniret. Accidit casus, quod quidam judex muneribus corruptus falsum judicium dedit. Imperator cum hoc andisset, servis suis precepit, ut eum excoriarent. Et sic factum est. Pellem ejus in loco, ubi judex sedere deberet, posuit ad significandum, quod ille judex cogitaret, quod amplius falsum judicium non daret. Rex vero filium judicis defuncti judicem constituit dicens ei: Sedebris super pellem patris tui, ut judices populum meum. Si vero aliquis affert tibi donum ut declines a via recta, ad pellem patris tui respicias, ne tibi hoc idem contingat«. 2) Blendung (Zaleucus). K. P. 252. Katal. 576. Br. 0,065 m., H. 0,024 m. Bleiguß. [Illustration] Links sitzt ein bärtiger Mann, rechts ein bartloser, beide nackt. Jedem wird von einem nackten Schergen ein Auge ausgestochen. In der Mitte vier Personen in antikem Kostüme. Der Darstellung liegt folgende Erzählung (Gesta Roman., ed. Österley, S. 347, Cap. 50) zu Grunde: »Refert Valerius, quod Zelongus consul edidit pro lege, quod, si quis virginem defloraret, utrumque oculum amitteret. Accidit, quod filius ejus filiam unicam cujusdam vidue defloravit. Mater hec audiens imperatori occurrens ait: O domine, legem quam fecisti, impleri faciatis. Ecce unicus filius vester unicam filiam meam rapuit et vi oppressit. Rex hoc audiens commota sunt omnia viscera ejus et precepit, ut duo oculi filii sui eruerentur. Dixerunt Satrape domino: Tantum unicum filium habes, qui est heres tuus. Toto imperio esset dampnum, si filius tuus oculos amittat. At ille: Nonne vobis constat, quod ego legem edidi? Obprobrium esset michi frangere, quod semel firmiter statui. Sed quia filius meus est primus, qui contra legem fecit, primus erit, qui penitencie subjacebit. Sapientes dixerunt: Domine, propter deum rogamus vos, ut filio vestro parcatis. Ille vero precibus devictus ait: Carissimi, ex quo ita est, audite me! Oculi mei sunt oculi filii mei et e converso. Dextrum oculum meum eruatis et sinistrum oculum fillii mei! Tunc lex est impleta. Et sic factum est, unde omnes prudenciam regis et justiciam laudabunt«. 3) Der Richter tödtet seinen Neffen. (Graf Archambeau). K. P. 251. Katal. 575. Br. 0,065 m., H. 0,024 m. Bleiguß. [Illustration] Links auf einem Bette sitzt ein nackten bärtiger Mann, der in der emporgehobenen Rechten den gezückten Dolch hält. Mit der Linken zieht er eine nackte, von rückwärts gesehene Gestalt über sein Lager. Rechts vier Männer. Derselbe Gegenstand in andrer Behandlung bei Aldegrever, B. 73. Pauli, Schimpf und Ernst, ed. Österley, S. 93 (CXXIX): »Man liszt von einem Edelman, der was ein amptman ein richter in einer stat, der niemans vbersah, vnd was nach gottes gerechtikeit hiesch, dem gieng er nach. Vnd vff ein zeit ward er kranck, da er also an dem bet lag, da hert er ein dochter ein junckfraw schreien. Er fragt seinen diener einen, der da für gieng warumb die dochter also geschruwen hat, er wolt es wissen. Der knecht sprach, euwer veder, euwers bruders sun hat mit ir geschimpfft. Tc. Der edelman verstunt es wol, vnd nam ein brotmesser, vnd legt es vnter das Küssen, vf ein mal erblickt er in, da er für die kamer anhin gieng, er rufft im vnd hiesz in zu im kumen, vnd er kam zu im, vnd er truckt in an sein brust vnd stach im das messer zu dem rucken hinyn in das herz, vnd stach in zudot, vnd stiesz in von im, vnd hiesz in vergraben«. 4) Söhne, die auf die Leiche des Vaters schießen. K. P. 248. Katal. 572. Br. 0,065 m., II. 0,024 m. Bleiguß. Links an einen Baum gebunden die von einem Laken verhüllte Leiche eines bärtigen Mannes. Ein Pfeil steckt in der Gegend des Herzens. Neben ihm, dem Hintergrunde zu, eine Tragbahre. In der Mitte die drei Söhne. Zwei, bärtig, stehen, mit Bögen bewehrt. Der dritte, bartlos, kniet vor dem rechts sitzenden Richter, der in der Rechten ein Scepter trägt. Im Hintergrunde die Ruinen einer Burg. Die Darstellung ist so bekannt und künstlerisch so oft verwertet (cf. z. B. Weltmann, Holbein S. 140, Mummenhoff, Das Rathaus in Nürnberg S. 336, v. Térey, die Handzeichnungen des Hans Baldung I, 45), daß der Hinweis auf die Gesta Romanorum in der angeführten Ausgabe S. 342 f. und S. 719, 45 genügen mag. In Collect. Spitzer, Bd. III, S. 15, Nr. 29 ist allerdings die Deutung trotzdem falsch. 5) Ein Vater verurteilt seine Tochter. (S. Barbara?) K. P. 249. Katal. 573. Br. 0,065 m., H. 0,024 m. Bleiguß. Links sitzt ein nackter bärtiger Mann mit abgewandtem Haupte, in der vorgestreckten Linken das Scepter haltend. Rechts von ihm eine bekleidete Frau und ein bärtiger Mann in antikem Kostüm, der mit der Rechten auf den Richter zeigt. Ein anderer Mann in antiker Kleidung hat seine Linke auf die Schulter der Frau gelegt und hält in der emporgehobenen Rechten das gezückte Schwert. Weiter rechts drei Krieger, die aus einem Thore kommen. Ob wir es wirklich mit der Geschichte der h. Barbara (vergl. den Holzschnitt von Aldegrever, Nagler, Monogr. I, S. 293, Nr. 32) zu thun haben, mag dahin gestellt bleiben. Die Auswahl ist in diesem Falle eine zu große, um eine sichere Entscheidung zu erlauben. 6) Mucius Scävola. K. P. 247. Katal. 571. Br. 0,065 m., H. 0,024 m. Bleiguß. Links auf dem Throne sitzt Porsenna, in der Rechten das Scepter haltend. Vor ihm auf rundem Postament das Kohlenbecken, aus dem die Flamme schlägt, und in das Scävola seine rechte Hand hält. Hinter ihm ein, rechts von ihm drei bewaffnete Krieger. Alle Personen in antiker Tracht. Bleiguß in Kassel. Drei der zuletzt beschriebenen Plaketten (1, 2 u. 4) befinden sich auf einem Pokale, der im Besitze Spitzers war und »Collektion Spitzer« Bd. III, S. 15, Nr. 29, folgendermaßen beschrieben ist: »(Argent doré) Le vase se compose d'une partie cylindrique reposant sur deux disques aplatis ornés de mascarons d'hommes et de femmes, entourés de cartouches, séparés par des godrons sur l'un desquels est gravé un dragon héraldique levant une épée, accompagné des lettres B. L. Sur la partie cylindrique sont représentées en bas-reliefs fondus et ciselés, séparés par des termes, trois scènes appartenant à une même suite (folgt die Beschreibung der Plaketten). Le pied, en balustre, est orné de mascarons en forme de termes. Sur la platte, deux figures de fleuves et deux sources couchées, appuyées sur des urnes; sur le bord, des arabesques gravées. Le couvercle est orné sur le bord d'un rang d'oves au-dessus duquel est gravée l'inscription suivante: CAVETE AVTEM VOBIS § NE GRAVENTVR CORDA § VESTRA CRAPVLA. Au-dessus de cette inscription se déroule une frise représentant de petits génies jouant sur les flots et des monstres marins. Au-dessus d'une seconde frise est un sujet deux fois répété: un homme et une femme s'embrassant, accompagnés de deux amours. Une figurine d'enfant nu, tenant un écusson, termine le couvercle et forme le bouton. Sur l'écusson, sommé d'une mitre, d'une crosse et d'une épée, on voit un trèfle accompagné de deux étoiles en chef (Wappen des Bistums Sitten). Enfin à l'interieur du couvercle est rapportée une plaquette repoussée, représentant la Trinité. Sur le bord sont gravées les initiales L+L. Hauteur: 0,260 m.« Der Pokal trägt zwei Marken, deren eine einen senkrecht in zwei Felder geteilten Schild zeigt, von denen das linke zwei Sterne übereinander hat. Die andere Marke bildet ein schlüsselartiger, nach unten halbmondförmig auslaufender Gegenstand. In dem halbmondförmigen Teile befindet sich ein Stern. Der außerordentlichen Liebenswürdigkeit des Herrn Professor Dr. Marc Rosenberg verdanke ich die Erklärung der ersten Marke: sie ist das Beschauzeichen von Sitten. Gleichzeitig aber übersandte mir Herr Professor R., wofür ich auch an dieser Stelle ihm meinen verbindlichsten Dank sage, Beschreibung und Abbildung eines anderen Pokales desselben Sittener Meisters, der, in Genf zur Ausstellung gebracht, eine feste Datierung giebt und im Verein mit dem Spitzerschen das hervorragende Können des Meisters darthut. (Ich erfülle gern die Pflicht, das liberale Entgegenkommen der Genfer Ausstellungskommission in dieser Sache dankend hervorzuheben.) R. urteilt über den Pokal: »Auf der Ausstellung in Genf das beste Renaissance-Becherchen«. Die Beschreibung aus dem Katalog Nr. 2130 lautet: »Coupe sur pied à couvercle, en argent repoussé, ciselé et doré; sur la coupe le massacre des Innocents, des mascarons et des amours; sur le couvercle, surmonté d'un amour tenant un écu aux armes de la famille de Graffenried, l'insription HOC SECVLVM EST IOCANTIS FORTVNÆ LVDVS. M. D. LXII., à l'interieur du couvercle les armes accolées et émaillées des familles de Graffenried et Michel dite Schwertschwendi. Poinçon de Sion, marque indéterminée. 1562. »Cette coupe appartenait à Nicolas de Graffenried, Gouverneur d'Aigle et banneret de la ville de Berne (1530-1580)«. Beide Pokale zeigen in ihrem Aufbau große Ähnlichkeit, nur daß der senkrechte, cylindrische Teil der cupa bei dem Graffenried'schen im Verhältnis zum Gesamtmaß höher ist, während bei dem Spitzer'schen der Schaft freier und schlanker emporstrebt. Der den Deckel abschließende Putto ist bei beiden Stücken derselbe. Die Darstellung des Bethlehemitischen Kindermordes zeigt in der einfachen, äußerst geschickten Komposition, in den muskulösen, beweglichen Figuren eine so augenscheinliche innere Verwandtschaft mit den Plakettendarstellungen, daß ich in weiterer Berücksichtigung der in jeder Beziehung künstlerisch vollendeten Durchführung der beiden Pokale nicht im Zweifel bin, daß wir in dem Sittener Meister auch den Urheber der Plaketten zu sehen haben, daß er nicht etwa nach fremden Mustern gearbeitet hat. Hoffentlich gelingt es der Lokalforschung, auch den Namen dieses bedeutenden Künstlers festzustellen, der, 1560 in Sitten arbeitend, von Italien stark beeinflußt ist, seine Ausbildung aber zweifellos deutschen, vielleicht Straßburger Meistern, verdankt. Über den Vorbesitzer unsrer Plaketten giebt Nr. 2, »Blendung« interessanten Aufschluß. Auf der Rückseite nämlich hat Kinderhand Linien zum »Rechnen auf der Linie« gezogen und in die Spacien Rechenpfennige mit Hilfe des Zirkels eingetragen. Außerdem aber sind Schreibversuche gemacht, die uns den Namen des jugendlichen Autors verraten. Oben lesen wir die Buchstaben des Alphabets von h--m, unten »all mechtiger«, in der Mitte aber »carollus perckmann«. Die Schrift gehört der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts an. Dieser Karl Perckmann ist, da die Plaketten später in den Hallerschen Besitz kamen, also wohl auch vorher in Nürnberg waren, sicherlich ein Mitglied der Nürnberger Goldschmiedefamilie gleichen Namens, aus der zwei Meister bekannt sind: Andreas Berckmann 1651, und Johann B. 1691. _Nürnberg._ Dr. _F. Fuhse_. Das Nürnberger Münz-Kabinet des Freiherrn Joh. Christ. Sigm. von Kress. Zu der Zeit, als Hubert Goltzius der Kupferstecher und Antiquar aus Amsterdam seine Reisen in Europa machte, um für seine merkwürdige Veröffentlichung der alten Kaiserbildnisse nach den Münzbildern Stoff zu sammeln, gab es bereits -- wenn wir wenigstens Goltzens Angaben vertrauen dürfen -- über 900 Münz- und Medaillenkabinete, die den Besuch lohnten. Allerdings handelte es sich bei den meisten vornehmlich um Antikes, um römische Kaisermünzen, wie sie der Niederländer ja auch hauptsächlich für seine Kupfer verwendete. In Deutschland war es Kaiser Max, von dessen persönlichen Verhandlungen mit seinen Münzstempelschneidern uns noch manches erhalten ist, der das erste Münzkabinet, das zu Wien, begründete. In Nürnberg war der Sammeleifer schon zu Dürers Zeit in dessen Freundeskreis erwacht: Wilibald Pirkheimers Stolz war zwar in erster Linie seine Büchersammlung, für die ihm befreundete Humanisten aus allen Städten Europas die neuen Erscheinungen besorgten; aber seine Münzen und Kunstschätze wurden nicht minder bewundert und in den Briefen seiner Freunde mit großem Lob genannt. Da der Gelehrte ohne männliche Nachkommenschaft starb, kamen seine Schätze in den Besitz der Familie Imhof und bildeten für seinen Enkel, den berühmtesten Kunstsammler des 16. Jahrh. in Nürnberg, für Wilibald Imhof, den Grundstock zu seiner reichen Kunstkammer. Aber Wilibalds Freund und Günstling war Hans Hofmann, der erste und auch der begabteste unter jenen berüchtigten Malern, die es sich zum Berufe machten, Dürers Gemälde und Zeichnungen zu fälschen. Aus der Freude am Sammeln ward ein immer mehr bedenklicher und gewissenloser Kunsthandel, den die Familie Imhof mehrere Menschenalter hindurch weiterbetrieb und über den ihr »Geheimbüchlein« auf der Nürnberger Stadtbibliothek recht merkwürdige Aufschlüsse giebt. Wirklich gute Stücke enthielt die Kunstkammer damals gewiß keine mehr; denn als anno 1630 dem feinsinnigen Verehrer Albrecht Dürers, dem Kurfürsten Maximilian »auf sein inständiges Anhalten die Hauptstücke der Sammlung präsentiert worden waren, hat er dazu gar keine Lust getragen, auch viel unter denselben nicht für Originalien erkennen wollen, sondern sie alle zurückgegeben und gar kein Gebot darauf legen lassen«. Daß die Imhofsche Kunstkammer, die bald darauf in ihren unberühmten Resten nach Wien und Amsterdam verkauft ward, außer den antiken römischen auch eine größere Sammlung von mittelalterlichen Münzen enthalten habe, ist nirgends gesagt und auch wenig wahrscheinlich[322]. Daß es dagegen im Beginn des folgenden, des 18. Jahrhunderts, an Interesse für die mittelalterliche Münzkunde in der alten Reichsstadt nicht fehlte, das beweist das Erscheinen der ersten numismatischen Zeitschrift der historischen Münzbelustigungen, die sich 35 Jahre lang am Leben erhielten und erst anno 1764 eingingen. Am Ende des Jahrhunderts ist es wieder einer aus der alten ehrbaren Familie der Imhof, den wir als hervorragenden Münzkenner und Besitzer einer außerordentlich reichhaltigen Sammlung von Nürnberger Münz- und Medaillenprägungen finden: Es war sein eigenes Kabinet, das Christoph Andreas IV. Imhof in den Jahren 1780-1782 in zwei starken Quartbänden »mit vieler Mühe so vollständig als möglich in wenig jahren zusammengetragen und sodann auf das Genaueste beschrieben herausgab. Eine Sammlung von dieser Vollständigkeit und dieser systematischen Anlage in wenigen Jahren zusammenzubringen, war damals gewiß weit mehr noch als heute ein Ding der Unmöglichkeit; aber da der Besitzer in seiner Veröffentlichung selbst keine Angaben über die Geschichte seiner einzigartigen Sammlung macht, so müssen wir uns bescheiden bei der Thatsache, daß wenigstens von der alten Imhofischen Kunstkammer nichts mehr bis auf diese Zeit im Besitz der Familie geblieben sein kann. [Fußnote 322: Über die Geschichte der Imhofschen Kunstkammer haben in ihren Dürerbiographien Haller u. Thausing eingehend gehandelt.] Der Sammler hatte sich weise beschränkt, nicht mit dem grauen Altertum begonnen und die entlegensten Länder mit herangezogen in sein Sammelgebiet; so gab er seinem Münzkabinet einen für die Wissenschaft um so höheren Wert, je näher er der systematischen Vollständigkeit in seinem immer noch weiten, alle Nürnberger Reichsstädtischen Münzprägungen umfassenden Rahmen kam. Zum Glück ist uns der größte Teil dieses unvergleichlichen Schatzes von Sammler- und Forscherfleiß erhalten geblieben und nunmehr nach jahrzehntelangen Verhandlungen und Erwägungen so wohl verwahrt und doch so leicht zugänglich untergebracht worden, daß man wohl annehmen darf, die Sammlung habe den Abschluß ihrer merkwürdigen Geschichte erreicht und werde für alle Zukunft da verbleiben, wo sie jetzt sich befindet, im germanischen Museum. Der anno 1818 im 89. Lebensjahre verschiedene Staatsrat Johann Christoph Sigmund von Kreß hatte das Imhofsche Kabinet, soweit es noch beisammen war, an sich gebracht und hinterließ es seinen Erben als eine unveräußerliche Familienstiftung zum Studium der nürnbergischen Münzkunde. Der Erblasser, der übrigens in seinen späteren Jahren ziemlich vereinsamt lebte, hatte den Wert seiner Sammlung auf 2600 fl. geschätzt und dazu noch 200 fl. gestiftet, aus deren Zinsen gelegentliche Ergänzungen vorgenommen werden sollten. Nun fand sich aber unter seinen Erben niemand, der die nötigen Geldmittel und die nötige Mühe aufwenden wollte, welche eine Aufstellung und Versicherung des Kabinets im Sinne des Verstorbenen verlangt hätten; so kam es nach vielen Mahnbriefen der Ansbachischen Regierung endlich 1821 dazu, daß der Senator Joachim Freiherr von Haller im Namen der Erben die ganze Stiftung selbst an Stelle der Kaution der Stadt übergab mit einer weitschweifigen und umständlichen Begründung, daß ein Privatmann nie so viel Zeit, Geld und mühsames Studium an die Sammlung wenden könnte, als nötig wäre, um sie wirklich nutzbar zu machen. »Will er nicht in der nächsten besten Reisebeschreibung andern zum Abscheu und Exempel als ein ungefälliger Mann aufgestellt werden, so heißt es da, so darf er wie einer vor dem Guckkasten vor seinem Münzkasten sitzen, um jeden Fremden, der vielleicht kaum 24 Stunden in der Stadt verweilt, in solchen hineinsehen zu lassen.« Am 27. August 1823 erfolgte denn auch endlich die Übergabe des in dessen von Haller selbst neu geordneten Kabinets an die Stadt. Aber dieser war mit dem Geschenk auch wenig gedient: weder der Bibliothekar noch sonst einer von den Beamten mochte die Verantwortung und die Sorge für den gefährlichen Schatz übernehmen, für dessen Aufstellung überdies nirgends ein geeigneter Raum vorhanden war. Man wandte sich daher bald wiederum an die Kreßischen Erben, bald an die mittelfränkische Kreisregierung in Ansbach, um von dem lästigen Geschenk befreit zu werden; aber ohne allen Erfolg zogen sich die Verhandlungen hin, bis im Dezember 1857 aus dem Kreise des Gemeinde-Kollegiums dem Magistrat der Antrag vorgelegt wurde, die ganze Sammlung dem wenige Jahre zuvor gegründeten germanischen Museum zur Aufstellung zu übergeben. Aber erst nach langen Verhandlungen und nach dem der Magistrat, »um endlich einmal von diesem Kabinet befreit zu werden« auch auf die Kaution verzichtet hatte, geschah im März 1866 die Übergabe der ganzen Sammlung von 2547 Stücken nach damaliger Schätzung im Werte von 3190 fl. an das Museum[323]. Aber auch hier hat das Kreßische Münz-Kabinet noch manche Sorge gemacht, bis endlich nach 30 Jahren auch der letzte Wunsch des Stifters erfüllt und die Sammlung allgemein zugänglich gemacht werden konnte. Münzsammlungen dem Publikum zugänglich zu machen, ist eine schwierige Aufgabe; meist hält man sie wohl verschlossen in einem Kassenschrank, der sich sehr selten nur für einen Fremden öffnet, und legt einige Beispiele, denn mehr erlaubt in der Regel der Raum nicht, in Glaskästen auf; so ist aber ein Betrachten der ganzen Münze samt der Rückseite für den Sachverständigen unmöglich. Deshalb kam der als Nürnberger Numismatiker bekannte Großhändler Joh. Chr. Stahl vor wenigen Jahren auf die Idee einer neuen Aufstellungsweise, welche die Münze aus nächster Nähe und von beiden Seiten sehen läßt, ohne sie doch dem Beschauer in die Hände zu geben. Die Kassenschrankfabrik von Hermann hat den Schrank mit seinem scharfsinnig erdachten Mechanismus ausgeführt, der es gestattet, die nahezu 1600 Münzen des Kreßischen Kabinets mit einem Raumaufwand von wenig mehr als zwei Kubikmeter zur Aufstellung zu bringen. Auf 48 ungefähr quadratischen Holztafeln liegen die Münzen in chronologischer Folge nach der Regierungszeit der Kaiser, mit deren Bilde die Reichsstadt so oft prägte, angeordnet so, daß in die 5 mm. starke Holztafel ein Ausschnitt entsprechend der Größe jeder Münze gemacht und in diesem die Münze durch drei Klammern aus Zelluloid sozusagen à jour gefaßt wurde. Die einzelnen Tafeln sind durch eine Kette so verbunden, daß sie der Reihe nach mittels Kurbeldrehung heraufgehoben werden können bis dicht unter die Glasscheibe, welche in der Tischplatte des Kastens eingelassen ist; ein eigener Mechanismus bewirkt dazu noch, daß jede Tablette beim Weiterdrehen der Kurbel sich wendet und von der Rückseite zu sehen ist. Es ist begreiflich, daß für eine in sich so gut wie abgeschlossene Sammlung wie das Kreßische Münz-Kabinet, die keiner namhaften Ergänzungen mehr bedarf, eine derartige Aufstellung die best mögliche Lösung gewährt. Die Münzen erscheinen dem Beschauer in wohlgeordneter unveränderlicher Folge, in nächster Nähe zu sehen, und bedürfen anderseits doch nicht beständiger Überwachung. [Fußnote 323: Die hier mitgeteilten Thatsachen verdanke ich der Güte des Herrn Joh. Ch. Stahl, der sie aus dem weitschichtigen Aktenmaterial auszog.] Über die Bestände der Sammlung, die nun endlich dem Wunsche des Stifters gemäß aufgestellt sind, eingehend zu berichten, ist hier unmöglich. Es sei nur auf eine gerade dem heutigen Stande der numismatischen Forschung besonders empfindliche Lücke hingewiesen, die der im übrigen, namentlich an Prägungen des XVII. und XVIII. Jahrhunderts erstaunlichen Vollständigkeit wenig entspricht. Einmal hat Andreas Imhof in seiner Sammelthätigkeit bis zur Mitte des XVI. Jahrhunderts die Scheidemünze zu gunsten der prachtvollen Goldprägungen dieser Zeit sehr vernachläßigt und dann hat er alle diejenigen Stücke unberücksichtigt gelassen, die zu der höchst interessanten Entstehungsgeschichte der städtischen Münze aus der alten Reichsmünzstätte, zu dem Wechsel des Münzrechts und zu den Münzkonventionen des XIV. Jahrhunderts aufklärende Beiträge bilden könnten. Immerhin sind das Lücken, welche durch die Hauptsammlung des Museums ausgeglichen werden können, und zum Teil schon ausgeglichen sind, so daß in absehbarer Zeit die Prägungen der Nürnberger Münze von ihren ersten Anfängen bis zu ihrer Auflösung im Jahre 1806 in möglichster Vollständigkeit dem Forscher zur Benützung stehen werden. _Nürnberg._ _K. Sch._ Friesische Häuser auf den Halligen. Es war einer der Lieblingspläne des verstorbenen Direktors v. Essenwein, nach Analogie der sogen. altdeutschen Zimmer unseres Museums auch ein friesisches Wohngemach nebst Küche in unseren Sammlungen einzurichten, wobei er wahrscheinlich an Muster aus West- oder Ostfriesland gedacht hat. Ein allzufrüher Tod hat ihn an der Ausführung dieses Vorsatzes gehindert, aber sein Gedanke wirkte wie ein Vermächtnis fort und wird unter der gegenwärtigen Direktion seine Vollendung finden, wenn auch nunmehr infolge mannigfacher Umstände den Besuchern des Museums das interessante Innere eines nordfriesischen, speziell eines Hallighauses vorzuführen beabsichtigt ist. Wertvolle und charakteristische Ausstattungsstücke dafür wurden bereits vor 3 Jahren von dem Unterzeichneten, in diesem Jahre von Herrn Direktor Bösch an Ort und Stelle erworben. Es dürfte daher an der Zeit sein, den Lesern unserer »Mitteilungen« die Beschreibung eines Hallighauses zu gewähren, wie sie im Wesentlichen bereits in meiner Monographie »die Halligen der Nordsee«, Stuttgart 1892, und im Maiheft der illustrierten naturwissensch. Monatsschrift »Himmel und Erde«, Berlin Jahrg. 1895, in meinem Aufsatz »Halligbilder« enthalten ist. [Illustration: Fig. 1.] 1) Diele. 2) Wohnräume. 3) Wandbetten. 4) Durchgänge. 5) Küche. 6) Herd mit Backofen. 7) Speisekammer. 8) Kellertreppe. 9) Dittenschacht. 10) Bodentreppe. 11) Stallräume. 12) Schornstein. 13) Gerätkammer. 14) Einlegeröfen. 15) Wandschrank. Die wissenschaftliche Fachlitteratur über das friesische Haus ist einerseits nicht sehr umfangreich, andrerseits auch lückenhaft, indem sie die Gebäude auf den schleswig'schen Utlanden und speziell auf den ganz eigentümlichen Halligen nur dürftig behandelt. Lasius in seiner kleinen Monographie »das friesische Bauernhaus«, Straßburg 1885, und Allmers in seinem Marschenbuch beschäftigen sich nur mit dem ost-westfriesischen Bauernhaus der _Marschen_, wie auch die von Henning in seiner bekannten Arbeit »das deutsche Haus«, Straßburg 1882, benutzte Litteratur erkennen läßt, daß selbst diesem Autor nach seinen Quellen und nach eigener Kenntnis das Hallighaus unbekannt geblieben war, was bei der früheren Abgeschlossenheit dieser Inseln vom allgemeinen Verkehr nicht zu verwundern ist. 1891 erschien dann zwar das Buch von Hansen-Jensen über die nordfriesischen Inseln, doch ist darin der kurze Abschnitt über die Halligen ohne jeden Wert. Henning weist übrigens die Gebäude der Inseln im 5. Kapitel der anglo-dänischen Bauart zu und meint, man finde auf den Werften der Inseln und der Halligen Gebäude, die in quadratischer Form unter einem gemeinsamen Dache mehrere Wirtschaftsgebäude umfassen, ähnlich dem Eiderstetter Heuberge. Da diese Auffassung geeignet ist, eine irrige Vorstellung von den Ansiedlungen auf den Halligen zu erwecken, so habe ich sie bereits in dem Aufsatz »Halligbilder« zu widerlegen versucht, wie ich auch hier bei der Bedeutung des Henning'schen Buches nicht versäumen will, sie als unzutreffend zu bezeichnen. Nur die kleine Hallig Süderoog besitzt ein quadratisches, sehr großes Haus (das einzige auf der Insel), dessen 4 Flügel einen kleinen, offenen Hof umschließen, so daß also auch in diesem Ausnahmefalle die Gebäude nicht unter einem Dache vereinigt sind. Die wenigen Angaben, die Haupt in Bd. I seiner »Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Schleswig-Holstein« pg. 436 bringt, beruhen zwar auf persönlicher Kenntnisnahme, sind aber gar zu knapp bemessen und bedürfen deshalb der Erweiterung. Lütgens behandelt in seinem Werk »Kurzgefaßte Charakteristik der Bauernwirtschaften in den Herzogtümern Schleswig und Holstein«, 1847, pg. 16 und Tafel 36 und 37 die westfriesischen Inseln, aber mit Ausschluß der Halligen, und nur bei R. Mejborg, »nordiske Böndergaarde« finde ich in Band 1, Slesvig, 1892, eine zutreffende Schilderung der Halligen, der ich auch bezüglich der Häuser beizustimmen vermag; erhöht wird der Wert dieses Werkes durch gute Illustrationen. [Illustration: Fig. 2.] 1) Diele. 2) Wohnräume. 3) Wandbetten. 4) Wandschrank. 5) Küche. 6) Kellertreppe. 7) Speisekammer. 8) Bodentreppe. 9 u. 11) Stallräume. 10) Brunnenraum. 12) Düngerrinne. 13) Herd. 14) Schornstein. 15) Einlegeröfen. 16) Dittenschacht. Die Halligen und die heutigen Inseln Nordstrand und Pellworm sind die Überbleibsel der alten Strandinger Marschlandschaft nördlich vom Heverstrom. Nachdem von Zeit zu Zeit durch verheerende Sturmfluten einzelne Teile von ihr losgelöst waren und als Halligen weiter existierten, vollendete sich das Schicksal des Nordstrandes in der schrecklichen Katastrophe des Jahres 1634. Nur die beiden großen Fragmente Nordstrand und Pellworm erhielten nach derselben neue Seedeiche, die übrigen blieben abermals als niedrige Halligen den weiteren Verwüstungen preisgegeben, die mit elementarer Gewalt wiederholt im 18. Jahrhundert und zum letzten Male im Jahre 1825 über sie hereinbrachen. Die Folge davon war, daß eine Anzahl von ihnen überhaupt spurlos verschwunden, auf den übrigen aber alte Häuser nicht mehr erhalten sind. Man wird mit Sicherheit annehmen dürfen, daß sie vor ihrer Isolierung dieselben Gebäude trugen, wie die benachbarten Festlandsmarschen und wie die genannten beiden Inseln, dann aber bedingte die Veränderung des Wirtschaftssystems und die Notwendigkeit des engen Zusammenbauens auf mühsam errichteten Werften eine andere Bauart, die im allgemeinen wohl an der alten Überlieferung festhielt, aber den Bedürfnissen einer Hirten- und Schifferbevölkerung und den physischen Bedingungen einer oft grandios furchtbaren Natur angepaßt werden mußte. Neuere wie ältere Hallighäuser -- und kaum eins ist hinter das Jahr 1717 mit seiner Sturmflut unseligen Andenkens zurückzudatieren -- weisen daher einen übereinstimmenden Typus auf[324]. Sie sind sämtlich mit ihrer Front nach der Südseite gerichtet, woselbst sich auch der Eingang manchmal unter einem aus dem Rohrdache hervorspringenden Giebel befindet. Durch die horizontal zweiflüglige Thür betritt man die mäßig breite Diele, von der rechts und links Thüren in die meist niedrigen Wohnzimmer führen. Daß die bestausgestattete Stube Pesel und das gewöhnliche Wohngemach Dönse genannt wird, ist hinlänglich bekannt, eine bestimmte Norm aber für die Lage dieser Räumlichkeiten, ob links oder rechts von der Diele, ist nicht befolgt worden, sie richtete sich in jedem Falle nach dem Gutdünken des Erbauers. Stets ist das Hallighaus gleich dem fränkischen in erster Linie Wohnhaus; wie dort nimmt die darin untergebrachte Viehstallung nur etwa einen Vierteil des Gesamtraumes ein, selten eine Hälfte, vielmehr wird bei reichem Viehstande lieber ein Flügel angebaut, mitunter vertritt den Flügel sogar ein selbständiges Stallgebäude. Vergleicht man die hier und meiner erwähnten Monographie beigegebenen Grundrisse von Hallighäusern mit demjenigen des fränkischen Hauses bei Meitzen, »das deutsche Haus«, Berlin 1882, auf Tafel I, Fig. 2, in welchem i und k die Lage der Ställe bezeichnen, so ergiebt sich unzweifelhaft eine Ähnlichkeit im Prinzip der inneren Raumausnützung, andrerseits aber auch mit der Wohnungsabteilung des friesischen Hauses bei Lasius, Fig. 6, wie ja das friesische Haus in den Wohnräumen dem fränkischen, in den Wirtschaftsräumen dem sächsischen Hause näher steht. Die Halligfriesen, die nach der Einbuße des Deichschutzes ihrer Ländereien lediglich auf Viehzucht und Schiffahrt angewiesen waren, mithin keiner Scheunen, Pferdeställe und Gerätschuppen bedurften, scheinen von jeher doppelten Werth auf bequeme, geräumige Wohnungen gelegt zu haben, denn nur in sehr kleinen Häusern, welche die Minderzahl bilden, begnügt man sich mit Pesel und Dönse, in den größeren Häusern findet man außer dem Pesel zwei Wohnzimmer nach der Südseite, ja in den wohlhabendsten sogar zwei Staats- und zwei Wohnstuben. Die Wände zwischen ihnen und der Diele sind fast ausnahmslos gemauert, 1½ Stein stark, die Trennung der Zimmer unter sich erfolgt dagegen häufig durch Bretterwände, wo aber Mauern diesen Dienst verrichten, sind Wandnischen in ihnen angebracht mit Glasthüren, hinter denen allerhand Ziergerät aus Messing, Porzellan und Silber sowie Andenken an ferne Länder und Meere aufbewahrt werden. Die festen Wände sind mit kleinen quadratischen Kacheln belegt, in den Häusern aus der guten alten Zeit von Delfter Fayence, in den neueren aus minderwertigem Material, das aus Hamburg bezogen wird. Auf weißem Grunde enthalten die Kacheln blaue eingebrannte Bildchen mit den mannigfaltigsten Darstellungen: Schiffe, Brunnen, Vögel und andere Thiere, Jagdbilder, Landschaften und Stoffe aus der heiligen Schrift in reicher Abwechslung; daß die modernen Wandkacheln häufig weiß und braun gehalten sind, sei nebenbei erwähnt, jedenfalls übertreffen die echten alten die neueren an Schönheit der Farbe und Glasur. In vielen Zimmern, besonders auf Hooge und Langeneß-Nordmarsch, heben sich aus diesem bunten Wechsel aneinandergereihter Einzelbildchen Kompositionen von Schiffen heraus, zusammengesetzt aus 5 × 5 Kacheln, die nach einer Originalvorlage auf besondere Bestellung gebrannt wurden; sie bilden Andenken für Kapitäne an die Schiffe, welche sie im Dienste fremder Rheder geführt haben. Eine solche Inschrift lautet beispielsweise: Ao. 1750 Handelaar gefoerd doer Skipper Barend Frederik Hansen voor De Heer John Notemann. Um die Kompositionen herum läuft gleichfalls aus Kacheln zusammengesetzt eine Art Rahmen von Putten- und Rankenarabesken, wie auch zuweilen die Thürrahmen von Bordüren gleicher Art oder von zusammengesetzten Säulen und Tieren eingefaßt sind. Bestehen die Scheidewände aus Brettern, so fehlen natürlich die Kacheln und an ihre Stelle tritt wie bei Thüren und Fenstern der Anstrich von weißer Ölfarbe, in den ältesten Häusern eine Bemalung der Wände mit Pflanzenornamenten in blauer, weißer und roter Farbe. [Illustration: Fig. 3.] 1) Diele. 2) Wohnräume. 3) Wandbetten. 4) Brunnen. 5) Küche. 6) Kellertreppe. 7) Herd. 8) Einlegeröfen. 9) Speisekammer. 10) Bodentreppe. 11 u. 12) Viehverschläge. 13) Schafstall. 14) Düngerrinne. 15) Futterkrippen. 16) Deckenstützen. [Fußnote 324: Derselben Ansicht ist Mejborg, der den Gebäuden holländischen Charakter zuspricht: De gamle og de ny er omtrent ens; Indretningen er naesten overalt den samme, og saavel det indre som det ydre Udseende retter sig efter den hollandske Mode, der gör sig gaeldende fra Fanö til Helgoland (pg. 71).] Wo die Art der Wände und die Größe der Zimmer es erforderlich macht, ruht die Decke auf Balkendurchzügen; darüber liegen die dicht gefugten Bretter, auf denen unmittelbar zugleich die Vorräte des Bodens aufgestapelt sind. In älteren Häusern sind Decken und Durchzüge farbig gestrichen[325], in den späteren wieder weiß. Es scheint, daß in der Glanzzeit des Halligwohlstandes etwa in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, wo die männliche Bevölkerung im Dienste von Hamburger, Bremer, Flensburger u. a. Rhederfirmen dem noch sehr einträglichen Walfisch- und Robbenfang im Polarmeer nachging, die Freude an Farben lebhaft gewesen sei; sie hat sich auch auf den Schmuck des Hausgerätes erstreckt, wie wir in einer späteren Mitteilung sehen werden. Mit dem langsamen Versiegen dieser Quelle sehr reichen Verdienstes und der rapiden Abnahme des Halliglandes, der Wirtschaftsstellen und der Einwohner trat Nüchternheit an die Stelle frohen Lebensgenusses, und heut schwinden rasch die letzten Reste des schmuckreichen alten Besitzes, um für den Erlös dringendere Bedürfnisse befriedigen zu helfen. In Häusern des Festlandes und auf größeren Inseln, die bei gleichen wirtschaftlichen Bedingungen auch eine den Hallighäusern ganz ähnliche Einrichtung zeigen, fand ich wiederholt in der Wohnstube die große Eckbank des fränkischen Hauses von ganz derselben Art, wie sie Henning auf S. 10 durchaus zutreffend beschreibt; sie kommt auch auf den Halligen vor, wo man indessen die zum Sitzen bequemeren Stühle bevorzugt. Praktisch für gewöhnlich nicht sehr große Zimmer sind die Tische am Wandpfeiler zwischen den Fenstern: in unbenutztem Zustande haben sie eine sehr schmale, etwa 1 m lange Platte, von der nach beiden Seiten Klappen bis nahe an die Diele herabhängen. Zur Stütze der letzteren dienen im Bedarfsfalle entweder aus dem Tischkasten herausziehbare Arme oder eine sinnreiche Vorkehrung: jedes Brett der Langwand des Tischkastens ist vertikal bis zur Mitte seiner ganzen Länge durchgeschnitten, so daß es also bis dorthin aus 2 Brettchen von der halben Stärke der übrigen Kastenwände besteht. Das äußere Brettchen läßt sich in Scharnieren vom Mittelpunkt des ganzen Brettes aus drehen und mit ihm die Hälfte eines ebenfalls vertikal durchschnittenen Tischbeines, in welches das drehbare Brettchen am oberen Ende eingelassen ist. Werden also beide Klappen aufgeschlagen, so ruht der Tisch auf 2 vollen und 4 geteilten Beinen und seine frühere Länge entspricht nun seiner Breite. [Fußnote 325: Vergl. die Abbildung der Deckenmalerei des »Königshauses« auf Hooge bei Mejborg, pg. 75.] Vielbeschrieben sind die den Schiffskojen ganz ähnlichen Wandbetten in tiefen Nischen mit Raum für 2 Personen. Am Tage sind sie durch Vorhänge geschlossen, von denen das germanische Museum ein altes Muster mit der Opferung Isaaks besitzt, oder durch Bretterthüren, die früher bemalt zu werden pflegten. Über den Thüren fehlen jetzt die alten sinnigen Sprüche, die noch das vorige Jahrhundert anzubringen liebte in der Weise, wie Jessen das bei Haupt, Bd. I pg. 435 dargestellt hat. Wie das Kojenbett kein bewegliches Gestell bildet, sondern organisch mit den Schiffswänden verwachsen ist, so auch das friesische Wandbett, dessen Kasten sich nahezu in Tischhöhe über der Stubendiele befindet. Da während des Tages die Thüren oder die Vorhänge geschlossen sind, so übersieht zwar der Besucher, daß er eigentlich in einem Schlafzimmer empfangen wird, dafür aber ist die Lüftung der Nischen eine sehr mangelhafte. Wandbetten findet man sowohl im Pesel wie in der Dönse, in größeren Häusern jedoch bleibt eins oder das andere Zimmer frei davon, weil die nach Norden gelegenen Hinterstuben und Kammern genügende Lokalitäten dafür bieten. Wie übrigens der Friese im allgemeinen sehr überlegt und genau ist im Ausdruck, so entspricht es ganz besonders der Ausdrucksweise einer Schiffer- und Inselbevölkerung, nicht von Vorder- und Hinterzimmern zu sprechen, sondern die Lage der Räume geographisch zu bezeichnen; man hat also Norder- und Süder-Stuben oder andere »bi Osten« und »bi Westen«. Bemerkenswerth sind sodann die eisernen Einlegeröfen. Sie bestehen aus eisernen Kästen in der Form eines Parallelepipedons, dessen eine Schmalseite in die Wand nach dem Inneren des Hauses eingelassen ist. Die drei freien Seitenwände weisen in Flachrelief vorzugsweise Scenen aus der biblischen Geschichte auf, sehr oft mit der Jahreszahl, von denen die älteste, welche ich auf den Halligen las, 1593 lautete. Diese Zahl entspricht natürlich nicht mehr zugleich dem Alter des betreffenden Hauses, denn Sturmfluten vermögen wohl Gebäude zu zertrümmern und ihre schwimmbaren Bestandteile fortzuführen, die schweren Eisenöfen dagegen blieben auf den Werften zurück und fanden im Neubau wieder Verwendung. Nicht ganz 1 m. in das Zimmer hineinragend, ruht hier der Ofenkasten auf 2 eisernen Füßen, und auf den Ecken darüber zieren ihn blankgeputzte Messingkugeln. Geheizt werden die Öfen vom Herd aus, indem durch eine Öffnung in der Wand glimmende Ditten hineingelegt werden, andere Öfen, die vom Herd aus nicht erreichbar sind, haben ihre eigene Heizvorrichtung mit eigenem Schornstein. Unter dem Ofen bemerkt man in jedem Hause Blechbüchsen mit wohlschmeckendem Buttergebäck, womit man Gäste zu bewirten pflegt. Verschwunden dagegen ist aus den meisten Häusern der messingne »Stülp«, der in der Form einer mitten durchgeschnittenen länglichen Wanne bestimmt war, unter ihm Speisen auf der Oberplatte des Ofens warm zu halten. Von ganz einfachen, glatten Exemplaren fortschreitend gab es solche mit mannigfach wechselnden ein- bis mehrreihigen Bandornamenten, von welchen letzteren wir ein treffliches Muster erworben haben. Am Ende der Diele, also der gewöhnlichen Orientierung entsprechend nach Norden liegt die Küche mit großem, gemauertem, offenem Herde unter einem mächtigen Rauchfang. An der rechten und linken Seite der Plattform sind Züge für die beiden Feuerungsstellen eingemauert, darüber feste Roste für das Brennmaterial und bewegliche Roste, auf denen die Töpfe stehen. Zwischen den Zügen liegt im Herdbau der Backofen, nur mit einem Holzdeckel an seiner Zugangsöffnung verschlossen, und vor ihm in dem gepflasterten Küchenboden bemerkt man einen zweiten Holzdeckel über einer Vertiefung, in welcher die Hausfrau die Füße einstellt, während sie beim Backen vor dem niedrigen Ofen auf der Diele sitzt. Oft ragt neben dem Herd ein viereckiger Schacht durch die Decke nach dem Boden empor, wo das Brennmaterial aufbewahrt wird, die Ditten; durch denselben werden sie herabgeworfen und vermittelst eines Thürchens daraus hervorgeholt. Neben der Küche finden wir eine Speisekammer und die Norderstube oder eine Kammer mit Wandbett, unter einem dieser Räume den Keller, nach der anderen Seite der nördlichen Hälfte die Ställe, soweit sie nicht wie in Figur 8 und 9 der »Halligen der Nordsee« in besonderen Anbauten untergebracht sind. In unserem Grundriß 2 überrascht in der Stallabteilung ein besonderer Brunnenraum mit einer Erdsoodencisterne zum Auffangen des Regenwassers für das Vieh. Das sind vereinzelte Anlagen, sowohl die aus Ziegeln gemauerten wie die Soodencisternen liegen sonst außerhalb des Hauses, diese mit dem Trinkwasser für die Menschen »in vestibulo domus«, wie schon Plinius berichtet, d. h. in dem gehegten Raume vor dem Hause, der jetzt von wohlgepflegten Gärtchen eingenommen zu werden pflegt, jene mit dem Trinkwasser für das Vieh auf der Nordseite. Über dem ganzen Hause ruht das mächtige Dach, das einen einzigen, ungeteilten Bodenraum umschließt. Die Balkenlage stützt sich teils auf das Gemäuer des Wohngeschosses, teils auf die starken eichenen Ständer, die tief in den Werfthügel eingelassen und an den 4 Ecken in die Hausmauer eingeschlossen sind. Die Ständer haben den oft genug thatsächlich erfüllten Zweck, den Dachboden als den wichtigsten Teil des Hauses in Zeiten der Gefahr zu tragen, wenn die Mauern und Wände durch die Wucht hochgespannter Sturmfluten eingedrückt waren; denn in solchen Zeiten retten sich die Bewohner mit ihren Schafen auf den Boden als ihren einzigen Zufluchtsort. Das kräftige Gespärr wird gestützt durch einen Firstrahmen mit Kehlbalken und Firstsäulen, denn das auf dichtgereihten Latten ruhende Rohrschaubendach hat den Druck von häufig genug orkanartigen Stürmen auszuhalten. Wo ein Haus mit den Giebeln an Nachbarhäuser stößt, ist es mit einem einfachen Satteldach gedeckt, wo es freisteht, mit einem Walmdach, dessen Walme entweder ganze oder Krüppelwalme sind. Nicht mehr so regelmäßig wie früher ragt auf den Halligen ein Giebel aus dem Dache über der Eingangsthür hervor, wie er sonst charakteristisch ist für das friesische Haus auch auf den Utlanden. Den größten Teil des Bodens nehmen festgestopft bis unter die Rohrschauben die Heuvorräte ein, der einzige Ernteertrag, den die Halligen bei ihren zu jeder Jahreszeit vorkommenden Überschwemmungen liefern können. Das Heu wird so fest eingelegt, daß es das Dachgerüst stützen hilft und zum Gebrauch mit scharfen Spaten abgestochen wird. Der übrige Theil des Bodens beherbergt Kisten und Kasten und vor allem Wintervorräte für den Haushalt, die im Herbst von Husum und Wyk auf Föhr für mehrere Monate beschafft werden müssen, weil mit Beginn der Eisbildung auf den Watten die Halligen so gut wie von jedem Außenverkehr abgeschnitten sind. Das Innere eines Hallighauses in seiner ganzen Behaglichkeit hat in letzter Zeit Jacob Alberts in mehreren Ölgemälden dargestellt; seine Studien und ausgeführten Bilder waren 1894 der Gegenstand einer besonderen Ausstellung in Kiel, seit welcher sich sein bekanntestes Bild, der Königspesel auf Hooge, im Museum daselbst befindet. Das erste Heft des Jahrganges 1895 der »Graphischen Künste«, hat vortreffliche Reproduktionen seiner Arbeiten gebracht, auf die hiermit hingewiesen sein möge. In einem späteren Aufsatz sollen die wichtigsten Stücke der bisher erworbenen inneren Ausstattung besprochen und in Abbildungen vorgeführt werden. Vielleicht tragen diese Anregungen dazu bei, dem Museum in seinen Bemühungen um die Aufstellung eines friesischen Zimmers nebst Küche materielle Unterstützung zu verschaffen, deren es bei der raschen Verschleppung der letzten alten Ausstattungsstücke in die Häuser vermögender Sammler und bei der Kostspieligkeit des Erwerbes wie des Transportes dringend bedarf. Was im Privatbesitz sich ziemlich zwecklos verbirgt, würde im germanischen Museum den Tausenden von Besuchern aus allen Teilen Deutschlands zur Freude und Belehrung zugänglich sein. _Nürnberg._ Dr. _Eugen Traeger_. Dürer. Kleine Mitteilungen. Nach Lochner's Darlegungen im Korrespondenten von und für Deutschland, 1858, Nr. 421, nimmt man allgemein an, daß der Schwiegervater des älteren Albrecht Dürer Hieronymus Holper geheißen habe, und nicht Haller, obgleich alle uns erhaltenen Abschriften der Familienchronik die letztere Lesart aufweisen. Es ist nicht zu leugnen, daß Lochners Hypothese große Wahrscheinlichkeit für sich hat, andererseits aber nicht zu vergessen, daß zwingende Beweiskraft dem von ihm beigebrachten Material nicht innewohnt, daß sehr wohl ein tückischer Zufall hier sein Spiel getrieben haben kann. Es liegt mir fern, diese an sich nebensächliche Frage zum Gegenstande einer eingehenden Untersuchung zu machen, sondern ich möchte nur einiges Material über die Verwandtschaftsverhältnisse von Dürers Schwiegereltern beibringen, die zu allerhand Vermutungen Anlaß geben. Hans Frey, Dürers Schwiegervater, war vermählt mit Anna, Tochter Wilhelm Rumels und dessen Ehefrau Kunigund, geb. Hallerin oder Münzmeisterin von Bamberg, Schwester von Anton Haller, Genannten und Richter zu Wöhrd. Die Familie Frey war also zweifellos mit einer Nebenlinie der Haller verwandt. Ist das gleiche auch mit Dürer der Fall, dann erscheint die immerhin auffallende Thatsache, daß der begüterte und angesehene Hans Frey sich für seine Tochter um den jungen Malergesellen bewirbt, in ganz anderem Lichte: die Familien waren bereits durch verwandtschaftliche Bande mit einander verknüpft und es herrschte demgemäß ein vertrautes Verhältnis zwischen ihnen, das einen solchen Schritt erklärt. -- Gehörte auch Johann Haller aus Rothenburg o. d. T., der Schüler Kobergers, der 1491 das Bürgerrecht in Krakau erwarb und dort eine Druckerei gründete, zu dieser Verwandtschaft? Hat er vielleicht Dürers, des jungen Verwandten, Wanderschaft beeinflußt, so daß Burckhardt mit seiner Annahme von Dürers Aufenthalt in Krakau Recht hätte? * * * * * Der Entwurf zur Widmung der Befestigungslehre (Dürers schriftlicher Nachlaß S. 201) befindet sich noch auf dem städtischen Archiv zu Nürnberg (D. 394-397) und stammt, wie Campe richtig angibt, von Pirkheimer. * * * * * Die Abschriften der Heller-Briefe, die sich zur Zeit der Herausgabe von Dürer's schriftlichen Nachlaß (S. 43) nicht auffinden ließen, befinden sich nicht mehr auf der Hof- und Staatsbibliothek in München, sondern nach Mitteilung des Herrn Konservators Bayersdorffer im kgl. Kupferstichkabinett daselbst. F. Leonhard Danner. Zu dem Artikel »Aus der Plakettensammlung II« sei nachträglich erwähnt, daß der unter Danner angeführte Brettstein nebst einer Reihe anderer, sicher auf diesen Künstler zurückzuführender, von Stockbauer, Bayer. Gewerbe-Zeitung 1888, Nr. 1, beschrieben wurde. F. Das schleswig-holsteinische Frontale im germanischen Museum. Zu den wertvollsten Schätzen des germanischen Museums zählt ein in der Kirche aufgestelltes Frontale. Es dürfte nicht überflüssig sein, das Interesse der Besucher der Sammlung auf dieses schon durch seine Seltenheit und sein Alter kostbare Stück zu lenken. Die Seitenwände, vornehmlich aber die Vorderwand des Altares zu schmücken, sei es durch Vorhänge, sei es durch eine Vorsatztafel (antependium, frontale, antemensale) ist jedenfalls eine sehr alte Sitte, welche bis in die frühchristliche Zeit zurückreicht. Auf dem bis etwa zum Jahre 1000 gewöhnlich vom Ciborium überdachten Altar durften nur die notwendigsten Geräte aufgestellt werden, das Kruzifix, die Leuchter, das Meßbuch und außerdem Reliquienbehälter. Für figurale Darstellungen bot sich also kein geeigneterer Platz, als die Seitenwände und die Vorderseite des Altares. Letztere wählte man naturgemäß vorwiegend zur Anbringung bildlichen Schmuckes. Meistens scheint man sich dabei einer metallenen Tafel bedient zu haben, sehr häufig auch des Holzes, oder in Rahmen gespannter Gewebe. In einzelnen Fällen wurde Stein verwandt. Diese Altarvorsätze waren beweglich und konnten nach Bedarf entfernt oder gewechselt werden. Für die weitere Entwicklung des Altarschmuckes wurde die Neigung zur Aufstellung einer immer größeren Anzahl prächtiger Reliquienbehälter auf der Altarplatte (mensa) von Bedeutung. Diese Gegenstände beengten den Raum der Mensa. Um nun diesen wieder für ungehinderte Ausübung der heiligen Handlung zu gewinnen, ohne doch den prächtigen Schmuck der goldenen und silbernen Reliquienbehälter entbehren zu müssen, errichtete man hinter der Mensa eine sie überragende Steinwand (retabulum) die zur Aufstellung kirchlicher Prunkgefäße diente. Das Retabulum selbst bot eine neue Fläche für Anbringung figuraler Darstellungen, die man nicht unbenutzt ließ. In derselben Weise, wie beim Schmuck der Stirnwand des Altares verfuhr man auch hier und so entwickelte sich über dem Frontale ein Superfrontale[326]. Aus dem Retabulum mit dem Superfrontale ging unter der Herrschaft der Gotik der reichgeschnitzte und bemalte, in die Höhe und Breite wachsende Flügelaltar hervor, während gleichzeitig das Frontale mehr und mehr seinen bildlichen Schmuck verlor und sich in eine ornamental verzierte Altarbekleidung umwandelte. Das metallene Antemensale verschwindet im Laufe der ersten Hälfte des XIII. Jahrhunderts, an seine Stelle tritt die zuweilen geschnitzte, meist bemalte Holztafel und vor allem gewebte Antependien. [Fußnote 326: Außerordentlich interessant ist ein Altar aus dem XII. Jahrhundert in Lisbjerg (Dänemark). Er besitzt bei einem reich figuralgeschmückten Frontale ein Superfrontale, das in einreihiger Darstellung den thronenden Christus, zu seinen Seiten je sechs Apostel in Bogenstellung zeigt. Darüber wölbt sich auf medaillonverzierten Untersätzen ein mächtiger Halbbogen, in dem der Kruzifixus mit Maria und Johannes unter dem Kreuz sich befindet. Das Ganze wird gekrönt durch einen Aufsatz, der unter einem mittleren größeren Bogen den thronenden Heiland enthält, während in den nach beiden Seiten niedriger werdenden drei Bögen anbetende Gestalten dargestellt sind.] Aus der hier kurz gegebenen Entwicklung der Altarbekleidung ergibt sich, daß sich das metallene Frontale mit figuralem Schmuck allgemein nur bis zum Beginn der Gotik findet[327]. Die erhaltenen romanischen Antemensalien sind in ihrer größeren Zahl gewebte, bemalte oder gestickte Antependien, ferner bemalte, sehr selten geschnitzte Holztafeln. Metallene Frontalien sind nur in geringer Anzahl überkommen. Doch darf man daraus nicht den Schluß ziehen, sie wären seltener angewandt worden, denn der Not und dem Kampfe der Zeiten mußten solche Stücke leichter als weniger kostbare zum Opfer fallen. Dieses Schicksal hatte z. B. eine am Ende des XII. Jahrhunderts aus Gold und Silber gefertigte Altartafel des Klosters Petershausen. So wurde auch im XVI. Jahrhundert der mit Edelsteinen gezierte Altar aus dem Dom zu Merseburg, ein Geschenk Kaiser Heinrich II., Kriegsbeute. Doch sind einige metallene Altarvorsätze in Deutschland erhalten geblieben: Im Schatze des Münsters zu Aachen 17 getriebene Goldplatten aus dem X. Jahrhundert[328], ein goldenes Frontale, das Kaiser Heinrich II. 1019 dem Münster zu Basel gestiftet hat[329]. Jetzt befindet es sich im Hotel Cluny zu Paris. In der Stiftskirche zu Komburg in Württemberg ist ein kupfernes, vergoldetes, mit Emailarbeit und Edelsteinschmuck versehenes Frontale aus dem XII. Jahrhundert[330]; ferner ist das Antemensale der Ursulakirche in Köln zu nennen, von gleicher Arbeit und aus gleicher Zeit wie das vorige[331]. Ein hervorragendes Werk deutscher Emailarbeit ist das Frontale in Kloster-Neuburg, das in drei Reihen die Heilsgeschichte zur Anschauung bringt[332]. Das zuletzt entdeckte unter der geringen Anzahl in Deutschland erhaltener Frontale ist das im germanischen Museum aufgestellte, aus Quern in Angeln (Kreis Flensburg, Schleswig-Holstein) stammende. Erwähnt wird das Querner Frontale von Haupt in seinen Bau- und Kunstdenkmälern der Provinz Schleswig-Holstein Bd. I. S. 321; ferner in der schleswig-holsteinischen Kirchengeschichte, nach hinterlassenen Handschriften von H. N. A. Jensen, herausgegeben von A. L. J. Michelsen Bd. II. S. 267. Auch in Ottes Handbuch der kirchlichen Kunstarchäologie des deutschen Mittelalters Bd. I. S. 136 findet es eine kurze Erwähnung. Eine ausführlichere Beschreibung widmet ihm J. P. Trap in seiner Statistisk-topographisk Beskrivelse af Hertug-demmet Slesvig Bd. II. S. 500 und 501. Endlich darf wohl angenommen werden, daß das von J. von Schröder in seiner Topographie des Herzogtums Schleswig S. 414 erwähnte kupferne Altarblatt mit dem Brustbild Christi und den vier Evangelistenzeichen unser, hier allerdings ungenau beschriebenes Frontale sein soll. Wenigstens haben meine Nachforschungen am Orte selbst keinen Anhalt ergeben für die Annahme, daß noch ein zweites kupfernes Altarblatt in Quern sich befunden habe. [Fußnote 327: Von einem metallenen gotischen Antemensale mit figuraler Darstellung spricht Bouillart in seiner Geschichte der Abtei von St. Germain. Er berichtet von einem Frontale (1404) mit Säulenbündeln und Fialen, in dessen Nischen die Bilder des Johannes, des Philippus, des Germanus und der heiligen Catharina stehen. Laib und Schwarz, Studien über die Geschichte des christlichen Altars S. 19.] [Fußnote 328: Abbildung aus'm Weerth. Tafel XXXIV. 1.] [Fußnote 329: Abbildung Laib und Schwarz, Studien über die Geschichte des christlich. Altars. Tafel IV. Fleury, La messe Pl. LXXXVI. Anton Springer, Handbuch der Kunstgeschichte Bd. II. S. 198 u. s. w.] [Fußnote 330: s. Paulus. Kunstdenkmäler von Würtenberg. Laib und Schwarz, Studien über die Geschichte des christlichen Altars. Tafel V. Boisserée Denkmäler Tafel XXVII.] [Fußnote 331: Abbildung Bock, das heilige Köln. Tafel XVIII. 69.] [Fußnote 332: siehe darüber: Der Altaraufsatz im regul. Chorherrenstift zu Kloster-Neuburg, von Dr. Gustav Heider. Karl Drexsler. Das Stift Kloster-Neuburg.] Das Frontale im germanischen Museum stammt aus der St. Nicolaikirche in Quern, einem romanischen Quader- und Feldsteinbau, der in seiner ursprünglichen Form dem XII. Jahrhundert angehören mag. Die Altartafel wurde, wie Haupt mutmaßt, am Ende des XVII. Jahrhunderts mit Flügeln versehen, die eine schlecht gemalte Darstellung des Abendmahls und der Kreuzigung enthalten. In dieser Form diente sie als Altaraufsatz. Unter dem 31. Oktober 1881 beschloß das Kirchenkollegium, das Antependium, welches seit 1869 hinter dem Altar gehangen hatte, und dessen Altertumswert niemand ahnte, nebst zwei messingenen Altarleuchtern für 300 Mk. zu verkaufen[333]. Eine Zeit lang war das Antemensale im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe ausgestellt und wurde schließlich vom germanischen Nationalmuseum in Nürnberg erworben. Die Querner Altartafel ist zwei Meter lang und ein Meter hoch, von stark vergoldetem Kupferblech, aus einzelnen unregelmäßig geschnittenen Platten zusammengesetzt. Die Aureole in der Mitte der Tafel ist 580 mm. hoch, 432 breit, der obere Rand hat 30, die innere Abschrägung 32 mm. Die Bogennischen haben eine Höhe von 340 und eine Breite von 60 mm. Der mittlere Ornamentstreifen ist 40 mm. breit. Die Figuren haben folgende Maaße: Die Christusfigur mit der Gloriole 400 mm., der geflügelte Mensch 290 mm., die übrigen Figuren messen 270-280 mm. von der Hake bis zum Scheitel. Die unbärtigen Köpfe haben ein Maaß von 45-50 mm., die bärtigen von 60-70 mm. Inhalt und Einteilung der Tafel sind die für das Frontale um 1200 allgemein üblichen. In kräftig getriebenem Relief, das die Köpfe und oberen Körperpartien besonders stark hervortreten läßt, zeigt sie in einer von den vier Evangelistensymbolen in der Reihenfolge Matthäus, Johannes oben, Marcus, Lucas unten, umgebenen, zugespitzten elliptischen Aureole den Salvator auf tuchbehangenem Thron, die rechte Hand segnend erhoben, die linke auf das Buch des Lebens gestützt. Die Füße stehen auf einem Schemel. Der bärtige Kopf des Heilands ist von einer Gloriole umgeben, welche die Kreuzform in bekannter Weise enthält. Das Bild hebt sich von schuppenartig gemustertem Grund ab. Über der Aureole ist die Taube, unter der Aureole das Lamm mit Heiligenschein und Fahne in typischer Darstellung gegeben. Zu beiden Seiten des großen Mittelfeldes sind je sechs Apostel zu drei und drei über einander in romanischer Rundbogenstellung angeordnet. Petrus ist durch den Schlüssel ausgezeichnet, die übrigen Apostel tragen das Buch. Die obere und untere Bogenstellung werden durch einen Ornamentstreifen getrennt; ebenso ist die Aureole durch Ornamentstreifen gebildet. Ein Rundstab scheidet die Tafel von dem nach innen abgeschrägten Rand. Auf letzterem findet sich in Beziehung auf das Salvatorbild die mit Gold gemalte Inschrift: Sum lux eterna residens in sede superna. -- Lux ego sum vite per me sup astra venite. [Fußnote 333: Eine Mitteilung, die ich dem Herrn Pastor H. Flor in Groß-Quern verdanke.] Mit Bezug auf die Bestimmung des Altares heißt es weiter: Est deus hic regnans hic sacratur et ebibitur roseus cruor agni per quem sulphurei tepuit violentia stagni. -- Die erste Umschrift beginnt über der letzten Bogennische links von der Aureole und endigt unter Petrus. Dort setzt die zweite Umschrift ein. Der Querner Tafel fast gleich nach Inhalt und Einteilung ist das dem XII. Jahrhundert angehörende Antemensale aus der Stiftskirche zu Komburg in Württenberg. In der Mitte zeigt es gleichfalls die Aureole in Gestalt einer zugespitzten Ellipse mit der hier allerdings stehenden und auch sonst abweichenden Heilandfigur. Durch gerade verlaufende Ornamentstreifen wird das Mittelfeld von den Seitenfeldern abgetrennt. In den so um die Aureole entstehenden vier Zwickeln sind die Evangelistensymbole angebracht in derselben Reihenfolge wie auf der Querner Tafel. Die Seitenfelder gleichfalls durch gerade verlaufende Ornamentstreifen abgeteilt und darin von der Querner Tafel abweichend, enthalten in gleicher Anordnung, zu drei und drei über einander beiderseits je 6 Apostel. Die Reihenfolge unter den Aposteln selbst ist allerdings insofern eine andere, als in dem Komberger Antemensale Petrus, der hier noch nicht mit dem Schlüssel dargestellt ist, in der oberen Reihe rechts zu nächst dem Mittelfelde steht, während er in dem Querner Frontale an der entsprechenden Stelle in der unteren Reihe rechts seinen Platz gefunden hat. Dem Komburger Antemensale nahe verwandt ist die Altartafel in St. Ursula in Köln. Die übrigen von mir angeführten metallenen Frontalien aus Deutschland weichen völlig ab von dem Typus, den die Querner Tafel zeigt. So stellt der berühmte goldene Altarvorsatz aus dem Münster zu Basel unter 5 hohen schmalen säulengetragenen Rundbögen Christus mit den 3 Erzengeln und dem heiligen Benedictus dar. Die Tafel aus Klosterneuburg entbehrt ganz des plastischen Schmuckes, sie giebt in vortrefflicher Emailarbeit die Heilsgeschichte wieder. In Schleswig-Holstein selbst finden sich einige hölzerne Altarvorsätze, die bezüglich ihrer Einteilung und des Inhalts ihrer Darstellung bemerkenswerte Ähnlichkeit mit der Querner Tafel zeigen. Zunächst ist in der alten Kirche zu Ekwadt (Kreis Apenrade) vor der Mensa ein spätromanischer, um 1200 gefertigter Vorsatz[334], der genau dieselbe Einteilung hat. Die Mitte nimmt die Aureole ein in Form einer zugespitzten Ellipse, die hier freilich keinen Raum mehr für eine Darstellung der Taube und des Lammes (über und unter sich) freiläßt. Dagegen sind für die Anbringung der 4 Evangelistenzeichen an gleicher Stelle wie bei der Querner Tafel Teile von der Ellipse durchschnittener Bögen ausgespart. Zu beiden Seiten des Mittelfeldes finden wir auch hier in 2 Reihen je 3 Bögen. Leider sind die Figuren aus dem Frontale verloren gegangen. Man darf jedoch bei der völligen Gleichheit der Einteilung des Rahmens auch annehmen, daß der von ihr umschlossene figürliche Inhalt derselbe war, wie ihn das Querner Antemensale besitzt. Wir dürfen das um so unbedenklicher thun, als sich in Hellewadt[335], in der Nähe Ekwadts, ein dem Ekwadter gleiches Frontale befand, welches zwar 1878 zerstört ist, aus dem sich aber ein thronender Christus und 8 Apostel erhalten haben. Beachtenswert sind beide Stücke auch deswegen, weil Bögen, Säulen und Figuren nicht nur gemalt, sondern in Holz geschnitzt sind. Ein ähnliches Stück soll sich in der Universitätssammlung zu Christiania befinden. [Fußnote 334: Haupt Bau- und Kunstdenkmäler der Prinz Schleswig-Holstein. Bd. I, S. 24.] [Illustration: Taf. IV. Frontale aus der Kirche zu Quern in Holstein.] Die Frontalien des XII. Jahrhunderts geben sehr oft Vorgänge aus der Heilsgeschichte, meist in 3 Reihen von Bildern, wieder, so das Antemensale aus Stroddetorp im Museum zu Stockholm[336] ferner die Reste eines norwegischen kupfernen Frontale, das Bendixen in den Bergens Museums Aarsberetning for 1890 bespricht. Um 1200 scheinen die früher beliebteren scenischen Darstellungen der Anbringung einzelner Figuren in umgrenztem Felde zu weichen und für Letztere wurde Einteilung und Inhalt der Darstellung, wie sie die Querner Tafel zeigt, typisch. Bis in die Zeit der Gothik hinein hat sich diese Tradition, ohne freilich zur ausschließlichen Herrschaft zu gelangen, erhalten. So finden wir in einem hölzernen gotischen Antemensale in Riseby (Kreis Eckernförde) das Haupt in den Anfang des XII. Jahrhunderts setzt[337] bei gleicher Einteilung Christus mit den Aposteln in gleicher Anordnung wieder. Dasselbe ist in einem ungefähr gleichzeitigen norwegischen Frontale aus der Kirche von Ulvik in Hardanger[338] der Fall, nur ist hier die Aureole abweichend gestaltet. Die Darstellung des Heilandes in der Aureole, umgeben von den Evangelistensymbolen, ist in romanischer und frühgotischer Zeit eine überaus häufige. Seit dem XII. und XIII. Jahrhundert scheint man meist die, auch in unserer Tafel angewandte Reihenfolge der Symbole (geflügelter Mensch und Adler oben, Löwe und Ochse unten) bevorzugt zu haben. Es würde aber doch nicht unbedenklich erscheinen, die Reihenfolge der Evangelistensymbole als weiteren Anhaltspunkt zur Datierung der Querner Tafel zu benützen. Ebensowenig dürfte die Darstellung der Symbole in ganzer Figur (wie in dem Querner Altarvorsatz) oder in halber Figur (wie im Komburger Frontale) auf einen zu verschiedenen Zeiten allgemein üblichen Gebrauch zurückzuführen sein. Auch ist es mir zweifelhaft, ob die anthropomorphe oder nichtanthropomorphe Gestaltung der Symbole ein für die Datierung zu benutzendes sicheres Merkmal bildet. Dagegen darf zur Bestimmung der Entstehungszeit darauf hingewiesen werden, daß Petrus in dem uns vorliegenden Antemensale als Attribut den Schlüssel in den Händen hält. Das XII. Jahrhundert stellt die Apostel entweder mit einer Schriftrolle oder mit einem Buch versehen dar. Die Gotik charakterisiert die einzelnen Apostel durch bestimmte Attribute. Das XIII. Jahrhundert beginnt damit, Petrus mit einem solchen zu versehen und zwar wird ihm entweder das Schwert gegeben, wie die aus dem Frontale zu Hellewadt erhaltene Figur des Apostels zeigt, oder man stellt ihn den Schlüssel tragend dar. Ich möchte glauben, daß die letztere Art der Charakterisierung des Petrus die jüngere ist. Jedenfalls scheint die Petrusfigur aus dem Hellewadter Frontale, die neben dem Schwert auch noch die ursprüngliche Schriftrolle trägt, älter zu sein, sie stammt, wie oben gesagt, aus der Zeit um 1200. Das Querner Frontale würde danach in den Anfang des XIII. Jahrhunderts zu setzen sein.[339] [Fußnote 335: Haupt Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Schleswig-Holstein. Bd. I, S. 34.] [Fußnote 336: Fleury, la mes pl. LXXXVIII.] [Fußnote 337: Haupt. Bd. I, S. 185.] [Fußnote 338: Bendixen, Bergens Museums Aarsberetning for 1893.] Dafür spricht auch der Stil der Figuren selbst. Auf den ersten Blick erinnern die in lange Gewänder gehüllten, wenig proportionierten Gestalten, mit den schmalen, schräg abfallenden Schultern, den stark herausgetriebenen Köpfen und den mehr in die Fläche zurücktretenden nackten Füßen an die Plastik des beginnenden XI. Jahrhunderts, etwa an die Erzthür im Dom zu Hildesheim. Bei aufmerksamerer Betrachtung entgehen uns aber in dieser unbeholfenen und zum Teil rohen Arbeit nicht die Züge, welche die Kunstblüte im Anfang des XIII. Jahrhunderts auszeichnen. Der Trieb nach treffenderer Wiedergabe des Wirklichen, nach freierer Bewegung der Gestalten und die nicht ungeschickte Behandlung des Stofflichen. Die rechte, segnend erhobene Hand des Heilandes ist noch völlig konventionell. Sie steht fast in rechtem Winkel zum Arm, eine Haltung, die in Wirklichkeit außerordentlich schwierig, wenn nicht unmöglich sein würde. Die Stellung der Finger der segnenden Hand (der kleine Finger und der Ringfinger sind eingeschlagen, während die übrigen 3 Finger gestreckt sind) findet sich schon sehr früh, z. B. auf dem erwähnten Buchdeckel des heiligen Bernward im Domschatz zu Hildesheim und vielen anderen Stücken; ebenso noch in der spätromanischen Zeit, u. a. in einer Miniatur in einem Evangelienbuch aus der ersten Hälfte des XIII. Jahrhunderts in der Königl. Schloßbibliothek zu Aschaffenburg.[340] -- Gut beobachtet dagegen ist die Stellung des linken Beines; es ist stark angezogen, um dem Buche als Stütze zu dienen. Bekleidet ist der Heiland mit einem langen, weitärmlichen Gewand, das am Halse mit einem breiten, gemusterten Kragen abschließt und in der Mitte des Körpers von einem breiten etwas nach oben verschobenen Gürtel gehalten wird. Nur über die linke Schulter geworfen ist ein Mantel, welcher das linke angezogene Bein bis übers Knie deckt. In ganz derselben Weise finden wir den Salvator aus dem Antemensale zu Hellewadt bekleidet, auch dort liegt der Mantel nur auf der linken Schulter, ist dann freilich über beide Beine geschlagen und rechts im Gürtel befestigt. Große Ähnlichkeit mit dem Salvator in der Querner Tafel zeigt der thronende Heiland in dem norwegischen Antemensale im Museum zu Bergen, nur thront er dort auf dem Bogen und hat zu beiden Seiten der Gloriole das Alfa und Omega. Leider ist in dem Querner Frontale der Kopf des Heilandes eingedrückt, doch kann man deutlich erkennen, daß bei der Behandlung des Bartes und Haares zu feinerer Ausarbeitung der Stichel angewandt ist. Seine Anwendung finden wir nur noch einmal bei dem Apostel in der vom Mittelfeld aus ersten Bogennische oben rechts im Frontale wieder. Die Figuren lassen ein gewisses Streben nach natürlicherer und freierer Gestaltung nicht verkennen. Bei Einzelnen wird der oft nicht ganz geglückte Versuch gemacht, durch die Kleidung die Körperformen sehen zu lassen, so bei dem geflügelten Menschen, dem Symbol des Matthäus. Hier ist auch die Behandlung des Faltenwurfes eine recht gute. Beim Petrus zeigen sich die Knie deutlich durch das Gewand. Einer der Apostel (im Frontale rechts unten der äußerste), ist ganz in Profilansicht gegeben. Er schreitet eilend vorwärts und die Kontouren seines Beines heben sich deutlich im Stoff ab. Überhaupt ist die Absicht unverkennbar, möglichsten Wechsel in Haltung und Gebärden der Figuren eintreten zu lassen. Wenn dennoch einmal 2 Gestalten große Ähnlichkeit mit einander zeigen, wie die beiden unbärtigen Apostel (in der oberen Reihe die äußersten), so muß man zur Erklärung in Betracht ziehen, daß es gar nicht leicht ist, 12 Figuren, die durch gleiche Bedeutung und gleiche Raumbeschränkung gebunden sind, überall in abweichender Stellung zu zeigen. Dazu kommt, daß die Figuren durch Säulen getrennt, keine Beziehungen zu einander haben. Allerdings könnte es scheinen, als ständen die 3 Apostel oben rechts in einem gewissen inneren Zusammenhang. Die beiden äußeren Figuren wenden sich der mittleren zu. Auch die Fußstellung würde mit solcher Annahme im Einklang sein. Doch ist das wohl nicht mehr als ein zufälliges Zusammentreffen, denn unter den übrigen Aposteln ist irgend eine Beziehung nicht zu konstatieren. -- Die meist bärtigen Köpfe der Apostel haben entschieden eine in die Augen fallende Ähnlichkeit, dennoch besteht das Streben zu individualisieren wie in der Haltung und Bewegung so auch hier; man betrachte z. B. den Kopf des Petrus, ferner den des über Petrus stehenden Apostels mit dem zugespitzten Vollbart. Hier ist, wie bereits erwähnt, zur feineren Behandlung des Haares auch der Stichel angewandt. -- Ein bemerkenswerter realistischer Zug zeigt sich in der Wiedergabe der Tierleiber. So ist der geflügelte Ochse, wenn auch nicht völlig richtig wiedergegeben, doch gut beobachtet in Bezug auf seine Bewegung und nicht ungeschickt modelliert. Die Wendung des Kopfes mit der herabhängenden Wampe findet sich freilich auch öfter in romanischen Werken früherer Zeit, ebenso das Hervortreten der großen und kleinen Rippen. Beim Löwen, wo der Anfertiger auf Vorbilder oder seine Phantasie angewiesen war, finden wir eine ganz typische Wiedergabe, die Füße sind sogar stilisiert. Einen naturalistischen Zug bekundet dagegen wieder die Bildung des Halses bei dem geflügelten Menschen. Hier zeigen sich deutlich die Knorpelringe des Kehlkopfes. -- Nach Allem dürfen wir wohl im Stil der Figuren trotz ihrer augenfälligen Mängel Züge der Kunst des beginnenden XIII. Jahrhunderts als festgestellt annehmen. [Fußnote 339: Abbild. u. a. Anton Springer, Handbuch der Kunstgeschichte. Bd. II, S. 145.] [Fußnote 340: Abbild. Knackfuß deutsche Kunstgeschichte. Bd. I, S. 251.] Der Mittelstreifen und der obere Rand der Aureole zeigen 2 einander verwandte spätromanische Ornamente, die, zierlich in Zeichnung und Ausführung, viel Verständnis für die Füllung des Raumes beweisen und in ihrer Arbeit einen merkwürdigen Kontrast zu dem übrigen groben ornamentalen Schmuck des Frontales bilden. Von Letzterem fallen besonders die urnenartigen Gebilde in den Bogenzwickeln auf. Sie bestehen aus einem oberen, von einem Knopfe gekrönten, überquellenden und einem sich nach unten, unter Anschluß an die Linien des Bogenzwickels verengenden Teil. Dieser ist durch eine horizontale Linie geteilt und läßt unter ihr deutlich eine quadratische Vertiefung erkennen. Der obere Teil zeigt vom krönenden Knopf abwärts verlaufende Striche, mehr oder weniger deutlich unter der Farbe erkennbar. Ferner läuft eine Horizontale von einem Knopf zum anderen, nicht überall in gleicher Höhe über den Bögen. Unter ihr zu beiden Seiten der vortretenden Bogenwölbung ist wieder je eine quadratische Vertiefung zu bemerken. -- Die deutschen Frontalien geben uns keinerlei Analogien für diese eigenartige Dekoration. Wohl aber zeigen nordische Arbeiten Ähnliches. In dem Superfrontale des Altares zu Lisbjerg (Dänemark) findet sich eine sehr ähnliche Bogenstellung, die in den Zwickeln klar erkennbare Architektur zeigt. Bei mangelhafterer Ausführung könnte sie recht wohl zu Formen führen, wie sie die Querner Tafel über den Bögen hat. In dem norwegischen kupfernen Frontale im Museum zu Bergen läßt sich auch hierin eine nahe Verwandtschaft mit der Querner Tafel konstatieren. Die Platten der zweiten und dritten Reihe haben dort nämlich in den Bogenzwickeln fast völlig gleiche Gebilde, nur kann man dort etwas deutlicher als hier erkennen, daß Türme mit Fenstern dargestellt werden sollten. So darf wohl angenommen werden, auch die Dekoration über den Bögen der Querner Tafel sollte Architektur darstellen. Die Verwendung von Architekturformen, Kuppeln und Türmen, über der Bogenstellung ist ja eine keineswegs seltene, sie will in naiver Weise gleichzeitig die Außen- und Innenansicht eines Domes geben. Sehr oft findet sie sich in Miniaturmalereien, aber auch in der kleinen und großen Plastik. Als Beleg für letztere erinnere ich z. B. an die Chorschranke der Michaelskirche in Hildesheim. Die Kapitäle und Basen der Säulen in dem Querner Frontale sind, wo sie nicht verloren gingen, teils ornamentiert, teils glatt. Ein systematischer Wechsel bei der Anwendung beider Formen läßt sich nicht feststellen. Die glatten Stücke bilden einfach einen von 2 Rundstäben eingefaßten Wulst. Die ornamentierten Kapitäle und Basen tragen entschieden das Gepräge der ersten Hälfte des XIII. Jahrhunderts. Auf dem gleichfalls von Rundstäben eingefaßten Mittelstück wechseln langgestielte Dreipaßblätter mit kurz gestielten, über denen sich zur Ausfüllung des Raumes kugelartige Gebilde befinden, die unter der Übergoldung nicht deutlich zu erkennen sind. Besonders beachtenswert ist, daß in dem Südportal der Querner Kirche selbst ein ganz ähnliches Kapitäl vorkommt[341]. Das auch dort von 2 Rundstäben eingefaßte Mittelstück hat ebenfalls, allerdings etwas abweichend gestaltete Dreipaßblätter. Das Südportal gehört offenbar dem Anfang des XIII. Jahrhunderts an. Es ist spitzbogig, wechselt mit roten und schwarzen Backsteinen, der innere Stab trägt das eben beschriebene Kapitäl, seinen Sockel bilden noch roh glasierte, schwarze, backsteinere Basen mit den romanischen Eckblättern. [Fußnote 341: Abbild. Haupt. Bd. I, S. 321, Fig. 458.] Es haben in der Querner Kirche im Anfang des XIII. Jahrhunderts also Umbauten stattgefunden. Nicht unwahrscheinlich ist die Annahme, daß bei dieser Gelegenheit auch das Frontale, welches, wie wir gesehen haben, gleichfalls den Beginn des XIII. Jahrhunderts entstammt, zum Schmucke des Altares angeschafft wurde. Nach Stil und Technik gehört die Querner Tafel dem Norden an. Und da sich, wie wir sehen, ähnliche, wenn auch nicht in Metall gearbeitete Altarvorsätze in Schleswig-Holstein gefunden haben (die Antemensale aus Ekwadt und Hellewadt), dürfen wir annehmen, daß auch das Querner Frontale im Lande selbst entstanden ist[342]. Leider ist das Querner Frontale mit Farbe dick überstrichen. Der Grund der Aureole, sowie der Bogennischen ist blau. Die Figuren sind nochmals übergoldet. Die Flächen über den Bögen zeigen ein Braunrot, darin sind die architektonischen Gebilde in den Zwickeln von hellerem Braun, unter dem ein grüner Anstrich liegt, mit vergoldetem oberen Teil. Die Ornamentstreifen sind dunkelgrün mit Ausnahme eines links von der Aureole durch ein glückliches Geschick dem Anstrich entgangenen Stückes und des durchbrochenen vergoldeten Ornamentsstreifens in der inneren Abschrägung der Aureole. Die Säulen sind rot und weiß marmoriert und, wie die Innenfläche der Aureole, durch einen schwarzen Streifen eingefaßt. Kapitäle und Basen sind übergoldet. In den Bogennischen hat man ohne Verständnis für die Bedeutung der Bogenstellung den Boden mit gemaltem Pflanzenwuchs bedeckt. -- Die wenig schöne Bemalung könnte etwa aus der Zeit stammen, in der man das Antemensale mit den schlecht gemalten Flügeln versah und zum Schreinaltar umbildete. -- Eine weitere gewaltsame Umbildung muß der Altarvorsatz auch insofern erlitten haben, als man ihm eine neue Unterlage, entschieden vor der Zeit seiner letzten Bemalung gab. Die einzelnen unregelmäßig geformten Platten sind offenbar nicht mehr auf der ursprünglichen Holzunterlage; sie sind nicht, wie es in der Entstehungszeit der Querner Tafel geschah, mit Kupfernieten, sondern mit groben geschmiedeten Nägeln befestigt. -- Jede Figur ist aus einer Platte für sich gearbeitet, die ausgetriebenen Formen wurden, um dem durch die Bearbeitung dünn gewordenen Kupfer Halt zu geben, mit einer Art Harz ausgegossen. Diese Füllungsmasse scheint stellenweise verloren gegangen zu sein, wie der eingedrückte Kopf des Salvators vermuten läßt. Die die Figur umrahmenden Platten sind einfach übergenagelt und zwar zum Teil so unachtsam, daß ein Stück der Figuren verdeckt wird, so der obere Rand des Nimbus bei dem geflügelten Menschen und dem Apostel im erstem Bogen links. Die Platten, aus denen die Taube und das Lamm gearbeitet sind, zeigen deutlich die schräg abgeschnittenen Ränder. An einigen Stellen lassen die nicht ganz zureichenden Metallstücke den Holzuntergrund sehen. -- Die Säulenkapitäle und Basen sind auf die über einen runden Holzstab geschlagenen Säulen mit geschmiedeten Nägeln leicht befestigt. Die verschiedene und nicht im regelmäßigen Wechsel angewandte Form derselben legt den Gedanken nahe, man habe die glatten Kapitäle und Basen später, als man das romanische Ornament der Erhaltenen nicht mehr verstand, zur Ergänzung der etwa verloren gegangenen Kapitäle und Basen hinzugethan. Doch zeigen auch andere nordische Frontale, so das norwegische im Museum zu Bergen, denselben unregelmäßigen Wechsel zwischen glatten und ornamentierten Stücken. -- Spätere Zuthat dagegen ist unzweifelhaft der Ornamentstreifen der inneren Abschrägung der Aureole. Er zeigt in durchbrochener Arbeit ein romanischen Stil imitierendes, von der Feinheit der Ornamente auf den anderen Streifen weit entferntes, übergoldetes Ornament auf schwarzem Grund. -- Alles übrige ist ursprünglich und echt. Ein Zweifel könnte höchstens bezüglich des nicht gestrichenen in seinem alten Glanze erhaltenen Ornamentsstreifens links von der Aureole entstehen. Doch ergab die Untersuchung, daß das Metall dem bei den echten Teilen des Frontale verwandten Material gleich sei. [Fußnote 342: Ob auch die von Haupt Bd. II, S. 320 erwähnten kupfernen, stark vergoldeten Altäre, die im Hl. Geisthaus in Schleswig gewesen sein sollen, derselben oder einer späteren Zeit angehören, ist mir unbekannt.] _Nürnberg._ _Gustav Brandt._ Geschnitzte friesische Thüren im germanischen Museum. (Mit 1 Lichtdrucktafel). Im letzten Heft 5 unserer »Mitteilungen« hatten wir das speziell auf den Halligen übliche nordfriesische Haus kennen gelernt, woran wir nunmehr die Schilderung einiger in unserem Besitze befindlichen Einrichtungsstücke schließen, die im gegebenen Zeitpunkt bei der Ausstattung eines friesischen Zimmers Verwendung finden sollen. Das Glanzstück derselben bilden zwei geschnitzte eichene Stubenthüren, das bedeutendste Profanaltertum, welches die Halligen bargen und welches sich eines nicht geringen Rufes erfreute. Die Thüren stammen von Nordmarsch, der Schwestergemeinde der Hallig Langeneß-Nordmarsch, einer Insel, die lange Zeit durch einen mächtigen Schlot (Graben, der mit der See in Verbindung stehend an Ebbe und Flut teilnimmt) in zwei annähernd gleiche Hälften getrennt war. Das Haus, welches sie schmückten, war eines der ältesten Halliggebäude vom Anfang des 18. Jahrhunderts, in welchem sich vortreffliche Wandkacheln und manches wertvolle Möbelstück befanden, woraus insgesamt geschlossen werden darf, daß es sich von Anfang an eines behaglichen Wohlstandes erfreut habe. Die in die Thüren eingeschnitzten Inschriften bilden den Beweis, daß sie in die Blütezeit des Halligwohlstandes zurückzudatieren sind, von dem ich in meinem vorigen Aufsatze sprach. Das Haus sah ich bei meinem Halligbesuch im Jahre 1893 noch vollständig eingerichtet, aber rettungslos dem Untergang geweiht, weil die Werft, auf der es stand, die Peterswerft, schon damals in gefahrdrohender Weise vom Wasser zerstört war, so daß sie in den heftigen, andauernden Orkanen der beiden folgenden Jahre demselben Schicksal verfiel, wie schon so viele Halligwerften: dem völligen Zusammenbruch und Hinabgleiten in die tobende Brandung schwerer Sturmfluten. Die beiden Thüren, die wir mit A und B bezeichnen wollen, befanden sich als Pendants in einem ziemlich kleinen Wohnzimmer von ungefähr 3-3½ m. Tiefe und Breite und kaum 2½ m. Höhe. Vom Flur aus betrat man es durch die Thür A, während B in eine Kammer führte. Das Haus war feucht, weshalb die Flächen der vier größeren Thürfüllungen in der Mitte, die geschnitzten Rahmen an den oberen Ecken auseinandergeborsten sind, die Bretter der anschließenden Holzwände aber Spuren von Vermoderung erkennen lassen, während das Eichenholz der Thüren selbst der Fäulnis Widerstand zu leisten vermochte. Sie sind ein Produkt der in ganz Friesland geübten Liebhaberkunst des Holzschnitzens, zu deren Ausübung auf unseren Inseln der sehr geringe Verkehr mit dem Festlande beigetragen haben mag, wodurch die Bewohner darauf angewiesen waren, viele Gebrauchsgegenstände selbst zu verfertigen, und die Vertrautheit mit der Holzbearbeitung, wie sie bei der Ausübung des Schiffzimmermanns-Gewerbes erforderlich ist. An Holz selbst aber gebrach es trotz des mangelnden Baumwuchses auf den Inseln nicht, man fand es an allen Sandplatten und Inselgestaden als Strandgut, das früher noch häufiger gewesen sein muß als jetzt, wo Leuchttürme und ein ausgebildetes Warnungssystem die Schiffe von den gefährlichen Untiefen fernhalten. Daß kein Berufsschreiner sie angefertigt habe, scheint mir schon aus den nicht ganz übereinstimmenden Maßen hervorzugehen, denn der Thürflügel A hat eine Höhe von 187.5, B von 189 cm., die geschnitzten Rahmenleisten der letzteren außerdem auf der Angelseite 200, auf der Schloßseite 202 cm. Höhe, wie auch sonst noch kleine Unregelmäßigkeiten festgestellt werden können, z. B. in der Breite der geschnitzten Rahmenflächen, die bei A 10, bei B 9-9,3 cm. beträgt, u. s. w. Jede Thür hat eine Breite von 82 cm. und ist durch eine doppelt überschobene obere und untere und eine schmale einfach überschobene Mittelfüllung gegliedert, die also auf der Rückseite aus der übrigen Fläche hervortreten. Die eigentlichen Bilder der oberen und unteren Paneele von A und B haben je eine dreifach zusammengesetzte Umrahmung, bestehend aus einem immer wiederkehrenden, überaus steif stilisierten Pflanzenornament mit phantastischen großen roten Blumen in Breite von 8 cm. zwischen zwei Kehlstoßleisten, die der doppelten Ueberschiebung entsprechen. Das obere Paneel von A zeigt in 34,2:34,6 cm. zwei ganz symmetrische Säulenhallen mit roter Stoffdraperie. Unter der linken Halle sitzt der Evangelist Matthäus auf einem hochlehnigen Polsterstuhl; vor ihm kniet ein Engel und hält ihm das Evangelienbuch, in welches er schreibt, ihm zur Linken steht ein Tisch mit blumenerfüllter, schlanker Amphora. Unter der rechten Halle sitzt Markus hinter einem gotischen gedeckten Tisch auf einem Bänkchen mit schwellendem Polsterkissen. Auf dem Tische steht ein kleines Schreibpult mit dem Evangelienbuch, vor welchem der Apostel, in tiefes Nachdenken versunken, sitzt, die Feder in der Hand. Vor dem Tisch steht der Löwe und blickt zu seinem Herrn empor. Oben mitten zwischen beiden Säulenhallen erblicken wir die Taube des heil. Geistes in einem Strahlenkranze, wie auch die Häupter der Evangelisten von einem goldenen Heiligenschein umgeben sind. Die Mittelfüllung besteht aus einer oblongen, glatten Kartusche mit dem in Oelfarbe aufgemalten Namen Ebeneser; umrahmt ist letztere von einem horizontal 4, vertikal 8,5 cm. breiten geschnitzten Pflanzenornament von nicht ungefälligem Schwung in zierlicher Spätrenaissance, das sich in seiner freieren Anmut vorteilhaft abhebt von den übrigen steifstilisierten Ornamentschnitzereien. Die Dimensionen des so bearbeiteten Paneels sind 18:56 cm. In der unteren Füllung tritt aus seiner Umrahmung ein Vollschiff heraus, das mit geschwellten Segeln, wehender Flagge und Wimpeln durch die Wellen streicht, wahrscheinlich der Walfischfänger, dessen glücklichen Reisen der Verfertiger der Thüren als eifriger Teilnehmer seinen Wohlstand verdankte. Möven umflattern das stolze Fahrzeug, dessen gedrungener, fester Bau sehr wohl geeignet erscheint, den Gefahren des Eismeeres zu trotzen. Die Friesen lieben es noch heut, Bildnisse von den Schiffen zu besitzen, auf denen sie gefahren sind, man findet sie als Zeichnungen, Gemälde, Reliefschnitzereien und zierlich gearbeitete Modelle in allen Häusern, sogar als Kachelkompositionen, wie wir früher gesehen haben. Daß wir es hier mit einem Walfischfänger zu thun haben, dessen blau-weiß-rote Flagge auf Schleswig-Holstein hinweist, ersehen wir aus den Inschriften, die in die oberen Querleisten des äußeren Thürrahmens eingeschnitten sind, und zwar auf jedem die Hälfte eines mißlungenen Verses: DURCH GLUCK UND -- WALFISCHFANGST (A) GIBT GOT MIR -- HAUS UND LAND (B) Größenverhältnisse des Schiffsbildes: 33,5 × 43 cm. Die geschnitzten Umrahmungen der Paneelbilder der zweiten Thür B gleichen ganz denjenigen von A. Die obere Füllung behandelt hier die Apostel Lucas und Johannes in unverkennbarer Uebereinstimmung der Auffassung und des Arrangements, wie in dem entsprechenden Paneel von A, so daß der Schnitzer nach Vorlagen desselben Künstlers gearbeitet zu haben scheint. Wem diese Vorlagen aber zuzuschreiben sind, vermag ich nicht zu entscheiden, vielleicht haben wir dabei an einen Bibelillustrator zu denken. Links von dem Beschauer sehen wir, abermals unter einer Säulenhalle, geschmückt durch eine schöngeschwungene Purpurdraperie mit goldener Franse, den Apostel Lucas auf einer mit schwellenden Polstern belegten Bank vor einem Schreibtisch sitzen, beschäftigt mit der Niederschrift seines Evangeliums. Ihm zur Linken ragt ein Crucifix bis zum Dache der Halle, zur Rechten liegt am Boden sein Attribut, der Ochse, neben dem Tisch ebenfalls auf dem Boden steht eine blumengefüllte Amphora, doch niedriger als die auf dem Tische des Matthäus. Gegenüber sitzt Johannes, sein Evangelienbuch auf den Knieen haltend und ebenfalls eifrig mit Schreiben beschäftigt. Den Hintergrund erfüllt hier eine von Bäumen umgebene, hochragende Stadt mit spitzen Türmen (wohl Jerusalem), links neben ihm steht sein Adler und über ihm in einer Wolke thront Christus, eine Hindeutung auf seine Eigenschaft als Lieblingsjünger des Herrn. Zwischen beiden Evangelisten schwebt wieder die Taube in goldenem Strahlenkranze, und goldene Nimben verklären die Häupter der beiden Evangelisten, auf diesem Bilde sogar die symbolischen Tiere, was bei A nicht der Fall ist. [Illustration: Taf. V. Thüre von der Hallig Nordmarsch.] Die Verhältniszahlen des Bildes sind 34,5:35 cm. Die Mittelfüllung ist ausgezeichnet durch ein ähnlich zierliches Rankenornament wie bei A, nur läuft es in gleichbleibender Breite von 4,5 cm. um eine Schrifttafel, die in Schnitzerei die gotische Inschrift enthält: Der Ein Und Aus Gang Mein Laß Dier O herr Befohlen Sein. Die Größenverhältnisse des Schnitzwerkes sind hier 17,5:66,5 cm. Die untere Füllung von B ist einigermaßen überraschend, denn der gelbe Blumenkorb mit steifem, streng symmetrisch geordnetem Bouquet, mit welchem sie geschmückt ist, erscheint mehr als ein Lückenbüßer, denn als charakteristische, der ganzen Veranlassung zu den beiden Pendants entsprechende Verzierung. Da wie um alle übrigen Paneelbilder auch um dieses eine Umrahmung von Pflanzenornament läuft, so ist hier des vegetabilischen Motivs etwas zu viel gethan, und man würde an Stelle des Blumenkorbes lieber irgend eine Scene aus dem Seemannsleben dargestellt sehen. Um wieder die Verhältniszahlen anzuführen -- sie betragen 34,5:43,4 cm. Jeden Thürflügel umschließt ein 17-18 cm. breiter Rahmen mit 10 cm. breiter Schnitzerei, die sich wesentlich von den übrigen umrahmenden Ornamenten unterscheidet. In Wellenlinien läuft hier von oben nach unten eine scharf hervortretende Lianenranke, deren Wellenhöhe bei B beträchtlicher ist, als bei A, wodurch dann natürlich die Wellenlängen in umgekehrtem Verhältnis stehen. An die Ranke setzen sich Blätter, Blüten und Früchte in naturalistischer Ausführung der exotischen Formen, doch unterscheiden sich beide Rahmen noch dadurch, daß bei A zahlreiche buntgefiederte Vögel, die bei B ganz fehlen, einen Teil der Blüten und Früchte ersetzen. Die Spruchbänder in den oberen Querleisten sind in der Mitte abgeteilt, bei A durch eine Blüte, aus der ein geflügeltes Engelsköpfchen herauswächst, bei B durch ein ganzes Figürchen, das mit erhobenen Armen ein wehendes Band etwa in der Form eines Schiffswimpels hält. Deutlich hervortretend zieht sich die Lianenranke in organischem Zusammenhange mit denjenigen der Seitenrahmen bei B auch durch die Querleiste, bei A verschwindet sie mehr unter üppigerem Blattwerk. Durch das Auseinanderbersten des Holzwerkes haben sich spätere Besitzer der Thüren veranlaßt gesehen, geschnitzte Keile in die breit klaffenden Fugen zwischen Quer- und Seitenleisten einzusetzen, welche der Harmonie des Ganzen leider in unschöner Weise Abbruch thun. Die Thürverschlüsse bestehen aus ovalen Messingschilden mit Bogenausschnitten an den Kanten und mit rechtwinkligen Griffbügeln. Von wenig geübter Hand sind Anfangsbuchstaben von Namen in der Mitte eingraviert und die Jahreszahlen 1774. Sie sind ganz augenscheinlich erst nachträglich aufgenagelt worden, denn die Farbe der Thür war hier bereits merklich abgegriffen und die Schilde selbst passen der Breite nach nicht auf die ungeschnitzte Leiste, so daß sie bis auf die Kehlstöße der Mittelfüllung überragen. Zu den Thüren gehören Bretterwände, die horizontal mit weißen akanthusartigen Arabesken auf blauem Grunde bemalt sind. Breite, reich profilierte Leisten mit buntem Oelfarbenanstrich verbinden je zwei Bretter und bilden auch oben und unten den Abschluß der Wände. Die Thüren mit ihrem tiefen, ruhigen Farbenschmuck und die Wandbretter harmonierten aufs Schönste mit den dunkelblau-weißen Kacheln der übrigen Wandteile, so daß im Verein mit dem über das gewöhnliche Maß hervorragenden Mobiliar, das mit den Thüren im Hause alt geworden war, mit dem reliefgeschmückten Einlegerofen und der Bettnische das ganze Zimmer ein ungewöhnlich charakteristisches Ensemble bot, dessen Zerstörung, ehe es ganz in unseren Besitz gelangen konnte, sehr zu bedauern bleibt. _Nürnberg._ Dr. _Eugen Traeger_. Das Bildnis des Hans Perckmeister. Gegen das Ende des Jahres 1894 gelangte durch Ankauf ein interessantes Porträt, in Öl auf Holz gemalt, h. 51 cm, br. 41,5 cm in die Gemäldesammlung des germanischen Museums. Am obern Rande trägt das Bild, dessen nähere Beschreibung unten folgt, auf dem olivgrünen Grund in gelben lateinischen Majuskeln die Inschrift: ALS · MAN · M · CCCC · LXXXXVI · IAR · ZALT · WAS PERCKMEISTER · LX · IAR · IN · DER · GE · STALT · Am Rande der linken Seite in der Mitte das Monogramm W aus zwei sich überschreitenden V gebildet. Der Dargestellte (Brustbild) blickt dem Beschauer dreiviertel en face etwas nach rechts gewandt entgegen, die beiden nicht mehr ganz sichtbaren Hände sind gekreuzt, in der Rechten hält er einen Rosenkranz mit roten Perlen. Er trägt schwarze Schaube und schwarze Mütze mit hinten herabhängendem Ende. Das Gesicht ist schmal, mit kräftiger, ein wenig gebogener Nase, vielfach von Falten durchfurcht, das Haar graumeliert, der Ausdruck der eines klugen, dabei etwas gutmütigen Mannes. Über die Persönlichkeit des Dargestellten hat Hermann Peters in seinen geschichtlichen Notizen über die Mohrenapotheke das Wissenswerte zusammengestellt. Darnach war er der Sohn des Meisters Conrad Berkmeister, Besitzers der an Stelle des jetzigen Rathauses an der Ecke der heutigen Theresienstraße dem seinerzeitigen Predigerkloster gegenüberliegenden Apotheke. Nach der mitgeteilten Inschrift ist Hanns 1436 geboren; 1470-1512 in welchem Jahre er starb, war er Genannter des größeren Rates. Die Apotheke am Predigerkloster, die er jedenfalls nach seinem Vater übernommen, befand sich schon vor seinem Tode in andern Händen (1511) und es ist wahrscheinlich, daß er, der mit seiner Frau eine Stiftung für die neue Spitalapotheke gemacht hatte, diese selbst in seinen letzten Lebensjahren geleitet habe. Das Bild ist gewiß kein hochbedeutendes Kunstwerk, aber nach mehr als einer Richtung von kunstgeschichtlichem Interesse. In der reichen Litteratur über Wolgemut ist es bisher nicht erwähnt, insbesondere auch Thode unbekannt geblieben. Gehört es wirklich Wolgemut an, so wäre es dessen bisher einzig existierendes bezeichnetes Gemälde. Daß das Monogramm W alt und echt ist, unterliegt nach Angabe von Geheimrat v. Reber und Professor Hauser, die gelegentlich der Restauration Gelegenheit hatten genau zu prüfen, keinem Zweifel. Fraglich bleibt zunächst nur, ob es Wolgemut bedeutet. Sind die verschiedenen W auf Illustrationen des Schatzbehalters Hinweise auf den Künstler Michael Wolgemut, so ist es das W auf dem vorliegenden Bilde sicher auch. Noch mehr aber dürfte für Wolgemut die künstlerische Art und Weise sprechen. Zum Vergleich heranzuziehen ist zunächst das in Größe und Ausführungsart dem des Hans Perckmeister ganz gleiche Brustbild des Martin Rosenthaler (Kat. d. Gem. d. Germ. Mus. Nr. 119). Leider ist das Bild schlecht erhalten, mit Ausnahme des Gesichtes ist alles übermalt. Die Persönlichkeit des Dargestellten geht aus einer fast verwischten Inschrift der Rückseite, die bisher nicht beachtet wurde, hervor, und heißt: MERTEN ROSSENTAHLER IN DIESER GESTALT 72 IAR ALT. Sie ist nach der Schrift (Weiß auf schwarzem Grund) wohl im sechzehnten Jahrhundert, vielleicht als das Bild eine Übermalung erhielt, erneuert worden. Die freie, kecke, an eine schnell gemachte Skizze erinnernde Art des Porträts Perckmeisters wohnt ihm nicht inne, es ist sorgfältiger behandelt, wie das Perckmeisters zeigt es aber dieselbe Auffassung und dieselbe Art den Dargestellten gegen den Hintergrund zu setzen. Der Dargestellte war nach urkundlichen Nachrichten 1493 gestorben, 1492 von einer Reise in das gelobte Land zurückgekehrt. Vermutlich ist das Bild kurz nach 1490 oder 1492-93 entstanden. Von diesem Martin Rosenthaler existiert ein auch in der Porträtsammlung des Museums vorhandener Kupferstich von J. F. Leonhardt (Ende des 17. Jahrhunderts). Dieser enthält auch die Notiz über Rosenthalers Wallfahrt zum heiligen Grab, welche in der betreffenden Litteratur bis heute nicht Erwähnung gefunden hat. Es ist eine ebenfalls nach links gewandte Halbfigur in schwarzer Schaube mit Rosenkranz in der Rechten. Das Haupt deckt ein pelzverbrämtes Barett. Der Dargestellte trägt hier einen Bart und ist jugendlicher, etwa als Fünfziger, wiedergegeben, so daß die beiden auf die Pilgerfahrt bezüglichen Zeichen, Muschel und Stern wohl spätere Zuthat sind. Die Gesichtszüge sind trotz des Bartes unverkennbar dieselben wie auf dem Ölgemälde und offenbar liegt dem Stich ein gleichzeitiges Gemälde zu Grunde. Nicht so groß, aber doch leicht erkenntlich ist die Verwandtschaft zu den neuerdings Albr. Dürer zugeschriebenen Tucherbildnissen der Casseler Galerie und des Weimeraner Museums. In Auffassung und Technik stehen diese 1499 datierten Bilder entschieden bedeutend höher als das vorliegende Porträt. Nichtdestoweniger ist die zeichnende, die Konturen hervorhebende Art beiden gemeinsam, auch die Art die Augen zu behandeln zeigt Verwandtes. Daß das Bildnis in die der Werkstatt Wolgemuts angehörende Gruppe zu verweisen ist, wurde auch ohne Monogramm des Weiteren ein Vergleich mit der Vorderseite der Predella des Peringsdorfferischen Altars (Brustbilder Cosmas, Damian, Magdalena und Lucia, Kat. Nr. 113 und 114) ergeben; die technische Behandlung des Haares und des Fleisches, der Modellierung stimmt genau überein. Ein erhöhtes Interesse gewinnt das Bild durch den Umstand, daß wir von einem zweiten und zwar plastischen Bildnis desselben Mannes Kunde haben. Wäre nicht die ganz ausdrückliche Bemerkung dabei, daß es Bildhauerarbeit und zwar vermutungsweise eine solche von Veit Stoß sei, so würde die Annahme, daß wir es mit dem eben besprochenen Gemälde zu thun haben, wohl kaum fehlgreifen. Joh. Christoph von Murr berichtet nämlich in seiner Beschreibung der Marienkirche zu Nürnberg (v. J. 1804, auf S. 15) bei Gelegenheit der Besprechung der Kunstweise von Veit Stoß: »Ich habe von Veit Stoß eine sehr schöne Büste. Sie ist 12½ Zoll hoch (das entspricht auch ungefähr der Größe des gemalten Bildnisses), und hat diese Aufschrift in goldenen Buchstaben: »ALS MAN M · CCCC · LXXXVI IAR ZALT WAR HANS PERCKMEISTER IX IAR IN DER GESTALT.« Das in der Bibliothek des germanischen Museums befindliche Exemplar der Schrift, stammt aus der Colmarischen Bibliothek und trägt von der Hand dieses Sammlers wie so viele andere, auch die Bemerkung: Jetzt hat sie (die Büste) Hr. Fürst Reiß-Lobenstein. Leider waren die Bemühungen den weiteren Verbleib dieser Skulptur, die als deutsche Porträtbüste des XV. Jahrh. von größter kunstgeschichtlicher Wichtigkeit wäre, festzustellen, bis jetzt ohne Erfolg. Eine handschriftliche Bemerkung auf der Rückseite des Ölgemäldes, der Schrift nach aus dem Anfang des 19. Jahrhunderts, weist auf die »alhier« befindliche Praunsche Kunstkammer hin, und beweist damit, daß das Gemälde sich bis auf unser Jahrhundert in Nürnberg befand. In den Besitz des Museums gelangte es aus der nachgelassenen Sammlung des Appellationsgerichtsrates Lippart in Sulzfeld a. M., wo es wohl wenigstens seit der Mitte des Jahrhunderts war. Merkwürdig ist immerhin, daß weder Murr, der doch die Nürnbergischen Kunstbestände sehr genau kannte, noch der Autor der handschriftlichen Bemerkung von dem Vorhandensein des Bildes etwas wußten. Vielleicht trägt diese Notiz dazu bei, der Büste des weiteren nachzuforschen; dann kann auch entschieden werden, ob, wie zu vermuten ist, beide Arbeiten zusammenhängen, resp. das eine nach dem Vorbild des andern geschaffen wurde. Die lebenswahre, jedem Beschauer auffallende Behandlung des Gemäldes spricht vorläufig für die Arbeit desselben nach dem Leben. _Nürnberg._ _Hans Stegmann._ Anmerkungen zur Transkription Das Inhaltsverzeichnis wurde vom Ende an den Anfang des Buches verschoben. Fehlende Fußnotenreferenzen im Text wurden dem Kontext entsprechend hinzugefügt ([33] und [339]). Eine Referenz verwies auf keine Fußnote und wurde entfernt (vor [38]). Hervorhebungen wurden mit _Unterstrichen_ gekennzeichnet. In der Vorlage wurde ß als Kombination von langem und rundem s gesetzt. Das hat offenbar zu Verwechslungen von ß und ss geführt. In allen unzweideutigen Fällen wurde dies stillschweigend entsprechend den damaligen Schreibregeln korrigiert. Weiter Fehler wurden korrigiert wie hier aufgeführt (vorher/nachher): [S. 9]: ... vestenthors ist ertailt Jorg Scklenk, zollner (!). -- Der Protokollirende hat hier irrtümlich ... ... vestenthors ist ertailt Jorg Schlenk, zollner (!). -- Der Protokollirende hat hier irrtümlich ... [S. 10]: ... G. W. K. Lochner, des Johann Neundörfer, Schreib- uud Rechenmeisters zu ... ... G. W. K. Lochner, des Johann Neundörfer, Schreib- und Rechenmeisters zu ... [S. 12]: ... 69b. -- Georg Selnecker, im Jahre 1523 (Ratsbbch 12. Fol. 166a) noch Stadtschreiber in ... ... 69b. -- Georg Selnecker, im Jahre 1523 (Ratsbuch 12. Fol. 166a) noch Stadtschreiber in ... [S. 15]: ... willkommenen Wandschmuck. -- Das Geburtsland der Plaketten ist Italien ... ... willkommenen Wandschmuck. -- Das Geburtsland der Plaketten ist Italien, ... [S. 23]: ... Porträt: richtig beurteilen und voll würdigen hönnen wir eine Leistung ... ... Porträt: richtig beurteilen und voll würdigen können wir eine Leistung ... [S. 26]: ... [1512. X, 4a] Quarta thome Canthuariensis (29. Dsz.) 1512: ... ... [1512. X, 4a] Quarta thome Canthuariensis (29. Dez.) 1512: ... [S. 44]: ... und, wo es geht, andere gleichzeitige Quellen zur Kontrole heranziehen ... ... und, wo es geht, andere gleichzeitige Quellen zur Kontrolle heranziehen ... [S. 46]: ... war, um dort Verdienst zu suchen. Hiegegen wäre zu erwiedern: wenn es ... ... war, um dort Verdienst zu suchen. Hiegegen wäre zu erwidern: wenn es ... [S. 48]: ... Solichs dan (!) weib und kindt in ausehung der armutt propter deum beschehen. Actum ... ... Solichs dan (!) weib und kindt in ansehung der armutt propter deum beschehen. Actum ... [S. 52]: ... der Merkelschen Sammlung vor Allem, dals er aus Gefrees in Oberfranken ... ... der Merkelschen Sammlung vor Allem, daß er aus Gefrees in Oberfranken ... [S. 55]: ... Thausing Albrecht Dürers Leben und Werke II/27. Ferner Bucher & Gnauth das ... ... Thausing Albrecht Dürers Leben und Werke II/27. Ferner Bucher & Gnauth Das ... [S. 55]: ... wußten die Italiener schon lange; und auch dieseits der Alpen übte man schon im ... ... wußten die Italiener schon lange; und auch diesseits der Alpen übte man schon im ... [S. 56]: ... daß er ihn unter den Venezianern am höchten schätzte, dessen glänzende ... ... daß er ihn unter den Venezianern am höchsten schätzte, dessen glänzende ... [S. 56]: ... Ganze zu denken und zu komponieren. ... ... Ganzes zu denken und zu komponieren. ... [S. 59]: ... Reliefbilder im Tympanon, läßt faßt einen Dilettanten vermuten; ich meine, ... ... Reliefbilder im Tympanon, läßt fast einen Dilettanten vermuten; ich meine, ... [S. 61]: ... deutscher Wallfahrer nach Santiago de Compostella, dem »Jerusasalem ... ... deutscher Wallfahrer nach Santiago de Compostella, dem »Jerusalem ... [S. 64]: ... Röhricht und Meissner a. a. O., S. 66 u. 95. ... ... Röhricht und Meisner a. a. O., S. 66 u. 95. ... [S. 64]: ... de la Reina; Madrid--Zaragoza--Fraga; Igualada--Barcelona--Pergignan--Narbonne; ... ... de la Reina; Madrid--Zaragoza--Fraga; Igualada--Barcelona--Perpignan--Narbonne; ... [S. 65]: ... und 1516 (vgl. Urkundenbbuch des Klosters Ilsenburg, beabeitet von Jacobs, Halle 1877, ... ... und 1516 (vgl. Urkundenbuch des Klosters Ilsenburg, bearbeitet von Jacobs, Halle 1877, ... [S. 96]: ... [Ratsprotolle 1527, Heft II, Bl. 33b] Tercia 18. Junj 1527: ... ... [Ratsprotokolle 1527, Heft II, Bl. 33b] Tercia 18. Junj 1527: ... [S. 99]: ... Leonhard Danner scheint ein grübelnder Kupf gewesen zu sein, der ... ... Leonhard Danner scheint ein grübelnder Kopf gewesen zu sein, der ... [S. 100]: ... die dicksten Mauren von Thürnen nnd andern Gebäuen zu brechen ... ... die dicksten Mauren von Thürnen und andern Gebäuen zu brechen ... [S. 104]: ... dann »Buch der Beispiele der alteu Weisen«, Boccaccios Decamerone, Pauli, ... ... dann »Buch der Beispiele der alten Weisen«, Boccaccios Decamerone, Pauli, ... [S. 105]: ... ex quo ita est, andite me! Oculi mei sunt oculi filii mei et e converso. ... ... ex quo ita est, audite me! Oculi mei sunt oculi filii mei et e converso. ... [S. 107]: ... à une mème suite (folgt die Beschreibung der Plaketten). Le pied, en balustre, ... ... à une même suite (folgt die Beschreibung der Plaketten). Le pied, en balustre, ... [S. 107]: ... marins. Au-dessus d'une seconde frise est nn sujet deux fois répété: un ... ... marins. Au-dessus d'une seconde frise est un sujet deux fois répété: un ... [S. 111]: ... von der Rüchseite zu sehen ist. Es ist begreiflich, daß für eine in sich so ... ... von der Rückseite zu sehen ist. Es ist begreiflich, daß für eine in sich so ... [S. 112]: ... Stifters gemäß aufgestellt sind, eingehend zu berichren, ist hier unmöglich. ... ... Stifters gemäß aufgestellt sind, eingehend zu berichten, ist hier unmöglich. ... [S. 115]: ... jeher doppelten Werth auf bequeme, geräumige Wohnungen gelegt zn haben, ... ... jeher doppelten Werth auf bequeme, geräumige Wohnungen gelegt zu haben, ... [S. 119]: ... auszuhalten. Wo ein Haus mit den Giebeln an Nachbarhäußer stößt, ist es ... ... auszuhalten. Wo ein Haus mit den Giebeln an Nachbarhäuser stößt, ist es ... [S. 121]: ... den prächtigen Schmuk der goldenen und silbernen Reliquienbehälter entbehren ... ... den prächtigen Schmuck der goldenen und silbernen Reliquienbehälter entbehren ... [S. 123]: ... s. Paulus. Kunstdenkmäler von Würtenberg. Laib und Schwatz, Studien über ... ... s. Paulus. Kunstdenkmäler von Würtenberg. Laib und Schwarz, Studien über ... [S. 125]: ... 1878 zerstört ist, aus dem sich aber ein tronender Christus und 8 Apostel ... ... 1878 zerstört ist, aus dem sich aber ein thronender Christus und 8 Apostel ... [S. 125]: ... erhatten haben. Beachtenswert sind beide Stücke auch deswegen, weil Bögen, ... ... erhalten haben. Beachtenswert sind beide Stücke auch deswegen, weil Bögen, ... [S. 126]: ... oben gesagt, aus der Zeit um 1200. Das Querener Frontale würde danach ... ... oben gesagt, aus der Zeit um 1200. Das Querner Frontale würde danach ... [S. 129]: ... Umhauten stattgefunden. Nicht unwahrscheinlich ist die Annahme, daß bei ... ... Umbauten stattgefunden. Nicht unwahrscheinlich ist die Annahme, daß bei ... [S. 130]: ... den Halligen übliche nordfrisische Haus kennen gelernt, woran ... ... den Halligen übliche nordfriesische Haus kennen gelernt, woran ... [S. 132]: ... umflattern das stolze Fahrzeung, dessen gedrungener, fester Bau sehr wohl geeignet ... ... umflattern das stolze Fahrzeug, dessen gedrungener, fester Bau sehr wohl geeignet ... End of the Project Gutenberg EBook of Mitteilungen aus dem germanischen Nationalmuseum. Jahrgang 1896, by Various *** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK 50917 ***