*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK 50296 *** ################################################################## Anmerkungen zur Transkription Der vorliegende Text wurde anhand der 1899 erschienenen Buchausgabe möglichst originalgetreu wiedergegeben. Die Zeichensetzung wurde sinngemäß korrigiert; inkonsistente Schreibweisen wurden beibehalten. Die folgenden Stellen wurden korrigiert: S. 2: „Skakespeare“ → „Shakespeare“ S. 92: „räthelhaft“ → „räthselhaft“ S. 166: doppeltes „und“; eines entfernt S. 191: „vercshieden“ → „verschieden“ S. 223: „Dass“ → „Das“ S. 244: „Erscheineu“ → „Erscheinen“ Von der Nomalschrift abweichende Schriftschnitte wurden durch die folgenden Sonderzeichen dargestellt: kursiv: _text_ fett: #text# gesperrt: ~text~ Kapitälchen: %text% In den Fußnoten wurden einige Seitenangaben tiefgestellt wiedergegeben. Dies wurde im vorliegenden Text durch /Schrägstriche/ symbolisiert. ################################################################## GRAZER STUDIEN ZUR DEUTSCHEN PHILOLOGIE HERAUSGEGEBEN VON ANTON E. SCHÖNBACH UND BERNHARD SEUFFERT. ~GRAZ.~ K. K. UNIVERSITÄTS-BUCHDRUCKEREI UND VERLAGS-BUCHHANDLUNG ‚STYRIA‘. 1899. K. K. UNIVERSITÄTS-BUCHDRUCKEREI ‚STYRIA‘ IN GRAZ. LUDWIG TIECKS GENOVEVA. ALS ROMANTISCHE DICHTUNG BETRACHTET VON %Dr.% JOHANN RANFTL. Vorwort. Der Romantiker Ludwig Tieck ist eine bedeutende, einflussreiche und interessante Persönlichkeit. Zu den allerersten, bahnbrechenden und führenden Geistern unserer Literatur gehört er jedoch nicht. Es mag daher keineswegs für jedermann selbstverständlich sein, dass man über eine einzelne Dichtung dieses Mannes ein kleines Buch schreibt. Auch mir schien es nicht selbstverständlich, bevor ich mich eingehender mit der Entstehung wie mit dem geistigen und künstlerischen Charakter der „Genoveva“ befasste. Bei näherer Betrachtung fällt sogleich auf, dass Tieck selbst gerade diesem romantischen Drama eine besonders wichtige Stelle in seinem geistigen Entwickelungsgange anweist, es mit Nachdruck als „Epoche“ in seinem Leben bezeichnet. In seinen späteren Jahren, als ihm der altdeutsch-religiöse Enthusiasmus der „Genoveva“ längst fremd geworden war, kommt er mit einer gewissen Liebe und Zärtlichkeit gerade auf dieses Gedicht immer wieder zurück, das nach seiner Versicherung ganz aus seinem Gemüthe gekommen, das „gar nicht gemacht, sondern geworden sei“. Auch im großen Leben unserer Literatur gieng Tiecks „Genoveva“ nicht spurlos und unbemerkt vorüber. Goethe und Schiller und viele Kleinere, die Theilnahme für geistige Erscheinungen empfanden, nahmen Stellung zu dem Werke. Es machte den ästhetischen Gesinnungsverwandten Tiecks jenen erfreulichen Eindruck, den der Dichter gewünscht hatte, es war den echten Aufklärern ein Stein des Anstoßes, da sie es als Symptom einer mächtig anwachsenden, ihnen feindlichen, geistigen und literarischen Strömung ansehen mussten, und als Sammelpunkt des romantischen Geistes erweckt es heute das lebhafte Interesse des Literarhistorikers und erwirbt sich das Anrecht auf eine monographische Betrachtung. Vielleicht ist Tiecks „Octavianus“ ein noch vollständigerer „orbis pictus“ der Romantik als die „Genoveva“, dafür setzt aber dieses Werk mit weniger Klügelei, unmittelbarer und frischer der ersten Begeisterung entströmend dasjenige in dichterische Gestalt um, was um 1800 die Gemüther der älteren Romantiker erfüllte. Was hier wie von selbst dem Dichter aus der Seele quoll, wird im „Octavianus“ nur bewusst erweitert und gesteigert. Darum blieb ich lieber bei der „Genoveva“, um an diesem typischen Beispiele zu zeigen, wie damals ein romantisches Kunstwerk entstand, mit welchen künstlerischen Mitteln der Romantiker seine Theorie dichterisch verwirklichte, und welche Stellung ein solches Werk in unserer Literatur-Entwickelung einnimmt. Mehrere Forscher, vor allem Haym, haben mit Sorgfalt und Scharfsinn die schwere Aufgabe übernommen, aus dem Chaos von vieldeutigen, schillernden Sentenzen und Aphorismen, wie aus den ziemlich unklaren Manifesten der jugendlichen romantischen Stimmführer die leitenden ästhetischen Gedanken herauszulesen und übersichtlich darzustellen. In meiner Schrift soll eine Art Gegenprobe versucht und die Art beleuchtet werden, wie damals jene nebelhaften Theorien in einer einzelnen Dichtung Gestalt annahmen. Ich glaube, dass eine solche Einzelbetrachtung zu noch anschaulicherer, genauerer und feinerer Erkenntnis der romantischen Bestrebungen führen kann. Dass ein gewisses Bedürfnis nach solchen Untersuchungen besteht, bezeugt die Thatsache, dass fast gleichzeitig noch drei andere Schriftsteller auf den nämlichen Gedanken verfielen. Poppenberg untersuchte Mystik und Romantik in Z. Werners „Söhnen des Thals“, Kerr vertiefte sich in Brentanos „Godwi“ und Busse in „Novalis’ Lyrik“. Eine Durchprüfung des gedruckten Materiales über Tiecks „Genoveva“ gewährte auch genauere Aufschlüsse über die oft unbestimmt andeutenden „Vorberichte“, über das Verhältnis des Dichters zu Jakob Böhme, wie über die romantische Religion von 1800. Gerade über den letzteren Punkt ist noch manches zu sagen, um Missverständnisse, die in den Literaturgeschichten gerne wiederholt werden, zu beseitigen. In dieser rein literar-historischen Untersuchung war natürlich kein Raum, auf den theologischen Wert oder Unwert der romantischen Religionsanschauungen, die zunächst meist nur der dichterischen Stimmung dienten, näher einzugehen. Den mühsamen Versuch H. v. Friesens, Tiecks „Genoveva“ für den Protestantismus zu „retten“, mit einem leichteren Gegenversuch zu Gunsten des Katholicismus zu erwidern, scheint mir unnöthig, da mit solchen Bemühungen nach meinem Dafürhalten dem Katholicismus sowenig wie der Literaturgeschichte gedient ist. Wofern nicht ungedruckte Materialien über Tiecks Persönlichkeit und Schaffen noch wesentliche neue Aufschlüsse für die in dieser Schrift behandelte Periode bringen, hoffe ich, mit meiner Arbeit auch einen brauchbaren Baustein für eine künftige Tieckbiographie geliefert zu haben. Während mein Manuscript bereits für die Druckerei fertig lag, erschien Bruno Golz’ „Pfalzgräfin Genoveva in der deutschen Dichtung“ (Leipzig 1897). Über Tiecks Verhältnis zum Volksbuch wie zu Maler Müllers Drama kommt Golz zu Ergebnissen, die sich mit dem Resultate meiner Untersuchungen mehrfach decken. Der nothwendigen Abrundung meiner Arbeit zuliebe, konnte ich aber die betreffenden Abschnitte, die bereits im Jahre 1896, als ich diese Untersuchung an der Grazer Universität als Dissertation vorlegte, ihre jetzige Gestalt hatten, nicht mehr abkürzen, wenngleich sie jetzt nicht durchwegs Neues bringen. Zu besonderem Danke für die bereitwilligste Förderung dieser Arbeit bin ich meinem hochverehrten Lehrer Herrn Prof. Dr. ~Bernhard Seuffert~ verpflichtet, von dessen Anregungen im deutschen Seminar diese Untersuchungen ihren Ausgang nahmen. Gerne spreche ich hier auch den Herren Beamten der Grazer Bibliotheken für ihre Zuvorkommenheit meinen Dank aus. ~Graz~, Pfingsten 1899. Johann Ranftl. Inhalt. Seite #Vorwort# V-VII #I. Das Erwachen des Sinnes für Religion und deutsches Alterthum# 1-30 Tiecks und Wackenroders Freundschaft. Erlangen und Nürnberg. Tiecks geistige Wandlung. „Herzensergießungen“, „Sternbald“, „Phantasien“. Tieck als „Klosterbruder“. -- Schleiermacher und Tieck. „Reden über die Religion“. -- Tiecks Freundschaft mit Novalis. -- Wirkung der Schleiermacher’schen „Reden“ auf die übrigen Romantiker. Fr. Schlegels „Mythologie“. -- Tiecks Neigung für das Altdeutsche. Tieck und die Volksbücher. Äußere Entstehungsgeschichte der „Genoveva“. „Nicht gemacht, sondern geworden“. #II. Das Volksbuch als Quelle von Tiecks „Genoveva“# 31-66 Vergleichung der Dichtung Tiecks mit dem Volksbuch. Tieck benützt dasselbe im Sinne der Romantik. Erweiterungen im ersten und enger Anschluss an die Vorlage im zweiten Theile der Tieck’schen „Genoveva“. Die Angabe des „Vorberichtes“. Die Abänderungen entsprechen der romantischen Doctrin. Romantische Universalpoesie. #III. Literarische Einflüsse# 67-138 1. ~Tieck und Maler Müller~. (Goethes „Götz“ und „Werther“) 67-84 Das aus Müller entlehnte Lied. Ähnliche Charaktere. Ähnliche Scenen. Naturgefühl. Werther-Nachklänge. Müller’scher Einfluss auf die Costümbehandlung. Anklänge an „Faust“. -- Tieck Plagiator? Tieck und Müller geistig verwandt. Tieck passt das Entlehnte seiner Eigenart an. 2. ~Tieck und Shakespeare~ 84-107 Tiecks Shakespearestudien. Vorliebe für den „Perikles“. „Gower“ und „Bonifacius“. Gertrud und die Amme in Romeo und Julia. Karl Martells Monolog. Macbeth und Abdorrhaman. Die Vorbilder für die Balkonscene. Der sterbende Wolf und der sterbende Gaunt. Anregungen für die Hexenscene. Geringer Einfluss des Wintermärchens. Gerichtsscenen. Shakespeares und Tiecks Schlachtscenen. Die unheimlichen Naturvorzeichen bei Shakespeare, Goethe, Müller und Tieck. Formelle Reminiscenzen. -- Tiecks „Genoveva“ wird durch das Entlehnte nicht wesentlich bestimmt. Tieck schweigt im „Vorberichte“ von Shakespeare. 3. ~Tieck und Calderon~ 107-115 Tiecks spanische Studien. Calderon fördert die religiöse Kunststimmung. Vers- und Strophenformen. Meist verschieden bei Tieck und Calderon verwendet. Die lyrischen Ergüsse. Die Allegorie des Todes. Kleinere Anklänge. -- Calderons Einfluss nur für Form und Stimmung der „Genoveva“ bedeutend. 4. ~Tieck und Jakob Böhme~ 115-138 Tieck entdeckt die „Morgenröthe“. Die Zeugnisse für Tiecks Böhmestudium. Warum bewundert Tieck Böhmes Mystik? „Die Morgenröthe“. Böhmes Gedanken in der Rede des „Unbekannten“, in den Reden der Hexe und in der Sterbevision. -- Die Art der Verwendung von Böhmes Mystik bei Tieck. Die Böhmeschwärmerei der Romantiker. Überblick über die Anregungen und literarischen Einflüsse auf die „Genoveva“. #IV. Charakteristik der „Genoveva“# 139-242 1. ~Das romantische Drama. -- Composition~ 139-153 Tieck erstrebt nicht stoffliche Neuheit. Möglichkeit und Schwierigkeit, in verschiedenen Gattungsformen zu dichten. Unausgeglichene Gegensätze bei Tieck. Die Heiligkeit der „Tradition“. Alles Poetische darf in das romantische Werk aufgenommen werden. Weder eine rechte Haupthandlung noch eine führende Hauptperson. Entspricht der romantischen Theorie. Willkürlicher Wechsel von Ort und Zeit. Ort und Zeit der Stimmung dienstbar. Äußerliche Künstlichkeit: Symmetrie, Contraste, Parallelen, ahnungsvolle Beziehungen. Tieck und Bernhardi mit der äußeren Künstlichkeit zufrieden. 2. ~Das Religiöse~ 153-166 Die Religion stimmungsvolle Decoration. Reine und trübe religiöse Anschauungen. Gut abgewogene Vertheilung auf die einzelnen Figuren. Der religiöse „Ton“ nicht gleichmäßig festgehalten. Das unmittelbar Gegenwärtige fehlt. Widersprüche. Romantische Religion. 3. ~Das Costüm~ 166-172 Tiecks Gedanken darüber. Anwendung auf die „Genoveva“. Tiecks richtige Ansicht. -- Was erfahren wir von der äußeren Erscheinung der einzelnen Figuren? Idealisierende Allgemeinheit. Das Auge. 4. ~Das Naturgefühl~ 172-187 Tiecks beständige Liebe zur Natur. Seine Worte über das poetische Naturgefühl. Das sympathetische Naturgefühl in der „Genoveva“. Abergläubische und mystische Naturanschauung. Das Grauen vor der Natur. Religiöses Naturempfinden. Wirkung der Natur auf den Menschen. Stimmungshintergrund und Contrast. Gleichnisse, Metaphern und Composita aus dem Naturleben. Gewisse Zeiten als poetisch bevorzugt. Licht, Glanz und Ton. Tieck und Goethes „Werther“. Stimmung und Chronologie. Wenig religiöse Naturempfindung. Das „Klima“. 5. ~Die Charaktere~ 187-193 Directe und indirecte Charakterzeichnung. Beides nicht immer glücklich verbunden. Genoveva und Golo. Golo am besten dargestellt. Matte Nebenfiguren. Urtheile über die Charakteristik. Romantische Künstlichkeiten. 6. ~Der Stil~ 193-222 Petrichs Schrift über den romantischen Stil. Sprachliche Darstellung des Religiösen. Fromme Redensarten. Schilderung der Wunder und Visionen. Gebet und Erbauungsrede. Mystische und fatalistische Redeweise. -- Romantische Vorliebe für den Archaismus. Archaismen in der „Genoveva“. Solgers Urtheil. -- Stimmungmalende und musikalische Darstellung des Naturgefühles. -- Die lyrischen Monologe. Tieck entfernt sich vom Anschaulichen. Die Worte für zeitliche und räumliche Fernen. Innigkeit im Ausdruck. Die Sprache der Leidenschaft. Steigerung ins Ungewöhnliche. -- Tropen und Figuren. -- Theatralisches in der Diction. Der Dialog. -- Unklarheit des romantischen Stiles. Tieck ist auch in der Sprache zugleich Stimmungsidealist und künstelnder Virtuose. Nüancierung der Sprache. 7. ~Prosa und Metrik~ 222-242 A.W. Schlegel über Prosa und Rhythmus. Tieck über das Verhältnis von metrischer Form und Inhalt. -- Die Prosa in der „Genoveva“. Manchmal in Verse übergehend. -- Die romanischen Strophenformen: Stanze, Sonett, Terzine, Redondille. Lieder. Freie Rhythmen. Blankvers. Blankvers und Prosa. Shakespeare Tiecks Vorbild. Die metrische Mannigfaltigkeit gefällt den Romantikern. -- Rückblick und zusammenfassende Charakteristik der romantischen Dichtung „Genoveva“. Verwandtes in der gleichzeitigen Literatur. Das Genovevadrama der Geniezeit und die Genovevadichtung der Romantik. ~V. Urtheile der Zeitgenossen über Tiecks „Genoveva“~ 243-256 Die Romantiker und ihre Freunde. Tieck und Heinrich Schmidt. Die Brüder Schlegel. Mnioch. Karl v. Hardenberg. Bernhardi. A. v. Arnim. Brentano. Eichendorff. H. v. Chezy. Rochlitz. Koberstein. Tieck-Solger. Förster. Steffens. -- Goethe. Körner. Schiller. -- Kotzebue. Iffland. -- Nicolai. Merkel. Tiecks „Romantische Dichtungen“. „Kaiser Octavianus“. Tiecks Neuausgaben der „Genoveva“. -- „Die Klosterbrüder von S. Isidoro“. Romantische Dramatiker nach Tieck. Chr. v. Schmid. #Register# 257-258 I. Das Erwachen des Sinnes für Religion und deutsches Alterthum. Tiecks „Genoveva“ bildet einen Markstein in der Entwickelung der deutschen Romantik. Zwei geistige Richtungen sind es vor allem, aus deren Kreuzung jene eigenthümliche Gefühls- und Gedankenwelt erwächst, welche zuerst in der „Genoveva“ eine üppig reiche poetische Gestalt gewinnt: die Liebe zur altdeutschen Vergangenheit und die poetische Neigung zu katholisierender Religiosität. Diese Neigung und jene Liebe kennzeichnen den echten Romantiker an der Scheide des 18. und 19. Jahrhunderts. Die Liebe zur alten Zeit reicht bis in die Jahre des Goethe’schen „Götz“ und seines Gefolges ritterlicher Dramen zurück, die in Tiecks Jugendzeit die deutsche Bühne noch vielfach beherrschten.[1] Die religiöse Kunstbegeisterung Tiecks leitet ihren Ursprung aus den schönen Tagen der Jugendfreundschaft mit Wackenroder her. Diese Freundschaft war für Tieck von den bedeutsamsten Folgen. Denn aus dem Ideenaustausche mit Wackenroder erblüht dem Rationalisten erst die rechte innige poetische Stimmung und mit ihm zusammen lernt er, was Frömmigkeit ist, fühlen und er sucht sie aus der Kunst der alten Zeiten wieder heraufzuholen. So verbinden sich bald religiöse Stimmung und Sinn für deutsches Alterthum im Gemüthe der Freunde. Nicht die productive eigene Thätigkeit des früh geschiedenen Jünglings Wackenroder (1798 starb der fünfundzwanzigjährige) sichert diesem einen Platz in der deutschen Literatur- und Kunstgeschichte, sondern seine richtunggebende Einwirkung auf andere empfängliche Gemüther, in erster Linie auf Ludwig Tieck. Die beiden waren Freunde vom Gedicke’schen Gymnasium her. 1792 gieng Tieck von Berlin fort auf die Hallische Universität. Wackenroder musste nach dem Willen seines Vaters, der ihn noch nicht für das akademische Studium reif hielt, in Berlin zurückbleiben. Ein schwärmerischer Briefwechsel entschädigte die Freunde für den persönlichen Verkehr. Tieck ist Wackenroders Freund aus ganzer Seele. Er ist der reifere, erfahrenere, geistig ältere und gewandtere, besonders in allen literarischen Dingen. Der schwermüthige Dichter des „Abdallah“ durchlebt in Halle düstere Stunden, in denen die Leiden und Zweifel des „William Lovell“ sein Inneres durchstürmen. Seine Phantasie und sein Gefühl gehen jetzt noch mehr auf das Erhabene als auf die „kleinen Empfindungen“. Neben Goethe und Shakespeare begeistert ihn besonders der junge Schiller. Die wilde Kraft der „Räuber“ ist es, die sein Inneres „zerreißt und vernichtet“. Je unbefriedigter er in sich selbst ist, je düsterer sich sein Gemüth umschattet, desto mehr Bedürfnis und Sehnsucht hat er nach Freundschaft; je heftiger er nach Idealen ringt, die er selbst nicht besitzt, desto nöthiger ist ihm ein idealischer Freund wie Wackenroder. Wackenroder, der kindliche, schüchterne, noch unbeholfene, eine Natur voll stiller Heiterkeit, Sinnigkeit und von anschmiegsamem Wesen, eine Seele voll einfacher, schlichter Frömmigkeit, kennt in seiner schwärmerischen Hingebung an Tieck keine Grenze. Er ist ganz Herzlichkeit und Innigkeit und mädchenhafte Zärtlichkeit; er ist berauscht und entzückt im Gefühle des Glückes, Tiecks Freund sein zu dürfen, selig und zufrieden, wenn er nur ein Glied in der Kette ist, die den trübsinnigen, mit Todesgedanken spielenden Genossen noch an diese Erde fesselt. So erstehen die beiden Freunde vor dem Geiste des Betrachters, der ihren Briefwechsel aus den Jahren 1792 und 1793 durchblättert.[2] Den Sommer 1793 verlebten sie in glücklicher Gemeinschaft in der Universitätsstadt Erlangen, den Winter 1793/94 in Göttingen. In Erlangen tritt das süddeutsche Leben in ihren Gesichtskreis und wirkt mächtig auf diese jungen empfänglichen Gemüther. Eine neue Welt thut sich ihnen auf. In Bamberg, dem „deutschen Rom“,[3] ergötzt sich ihre Phantasie an der Pracht des katholischen Gottesdienstes. In Nürnberg steigt die gemüthsinnige, schlichte und tiefe altdeutsche Kunst und altes Künstlerleben vor ihrem entzückten Geiste auf.[4] Im Fichtelgebirge spricht die stille Waldeinsamkeit märchenhaft und wundersam die jungen Gemüther an.[5] Bisher war in Tieck „die Mischung des Berlinischen Verstandes mit dem erwachten Phantasie- und Gefühlsleben, dieser Zusammenstoß von Reflexion und Enthusiasmus productiv geworden“.[6] Bis jetzt hatte Tieck auch meist im Dienste anderer gedichtet, was ihm aufgetragen worden war, ohne besonderen warmen Herzensantheil und ohne tieferen Glauben an das, was er mit virtuoser, spielender Leichtigkeit darstellte. Es war ein jugendlich leichtsinniges poetisches Schaffen. Dies wird an Wackenroders Seite allgemach anders. Dieser Freund, dem kaum ein leidlicher Vers gelingen wollte, war dafür von einem echten, seelentiefen Enthusiasmus, von wahrer, herzlicher Andacht für Kunst und Poesie erfüllt. Er glühte für das Nämliche, dem Tieck bisher nur mit halber Seele gedient hatte. „Idealische Kunstschönheit ist der Lieblingsgegenstand meines Geistes“ sagt Wackenroder von sich.[7] Bald schreibt ihm auch Tieck: „Genau genommen solltest Du Dich ganz allein mit der Musik, und ich mit der Dichtkunst beschäftigen; denn die Welt ist wirklich nicht für uns, sowie wir nicht für die Welt...“[8] An der Seite dieses Freundes erst lernt Tieck, der unstäte und haltlose, der bis dahin in trüber und nüchterner Resignation hinter dem Großen und Erhabenen Schein und Trug, hinter dem Wahren und Guten überall die Engherzigkeit lauern sah, den Wert hingebungsvoller Verehrung, positiven Empfindens, den wahren seelenerfüllenden Enthusiasmus so recht kennen und schätzen. Wackenroders innerer Reichthum theilte sich der unruhigen, abgehetzten Seele mit. Freundschaft und hingebende Kunstbegeisterung beschwören die düsteren Geister, denen Tiecks Seele seit langem verfallen war. Freundschaft und Kunstandacht verfeinern und veredeln seine Gefühle und geben ihm neuen Lebensmuth.[9] Der ernstere Kunstgenuss wird ihm eine Erlösung. „Das arme dürstende Herz wird durch nichts in dieser Welt so gesättigt, als mit dem Genuss der Kunst, der feinsten Art, sich selber zu fühlen und zu verstehen.“[10] Empfindung und Begeisterung für Kunst und Poesie waren das einigende Band, welches diese Freundesherzen fest und dauernd aneinander fesselte. In der „milden Temperatur eines künstlerischen Sinnes“ athmeten ihre Seelen. In schöner Eintracht nahen die beiden, innig verehrend, der Kunst in jeder Gestalt. Was ihre Seele dabei erfüllte, findet in den „Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders“ (1797), in „Franz Sternbalds Wanderungen“ (1798) und in den „Phantasien über die Kunst für Freunde der Kunst“ (1799) seinen literarischen Ausdruck. Jedes Kunstwerk -- erfahren wir hier -- das die Menschenbrust mit seinem Zauber anrührt, hat seine Berechtigung. Es ist ja „das Kunstgefühl nur ein und derselbe himmlische Lichtstrahl, welcher aber, durch das mannigfach geschliffene Glas der Sinnlichkeit unter verschiedenen Zonen sich in tausenderlei verschiedene Farben bricht“, und dem großen Schöpfer „ist der gothische Tempel so wohlgefällig als der Tempel der Griechen.“[11] Jede künstlerische Eigenart muss geachtet werden: Raphael, Michelangelo, Dürer, Watteau. Es ist Herders Geist, der hier Wackenroders schlichte, fromme Sprache redet und in schüchterner Ahnung für die Betrachtung der bildenden Künste ähnliche Gedankenperspectiven eröffnet wie für die Dichtung die Schlegel’sche Doctrin von der einen alles umfassenden romantischen Universalpoesie. Herders Anschauungsweise spricht auch aus der Art der Wackenroder-Tieck’schen Kunstbetrachtung. Diese wird zur „Herzensergießung“, niemals zum vernünftelnden Kritisieren oder zum rationalistisch nüchternen Theoretisieren.[12] Es handelt sich beim Anschauen der Kunstwerke darum, „dass man mit entgegenkommendem Herzen in sie hineingehe, und in ihnen lebe und athme“[13] und „von der echten Kunst sollte nie ohne Enthusiasmus gesprochen werden“.[14] Das Gemüth ist hier das ästhetische Organ. Die wunderbaren Regungen „im inneren Gemüthe“, das Betrachten „mit Ernst und Innigkeit“, das „innige Verstehen“, das „innigliche Verehren“... das sind Lieblingsausdrücke, die Wackenroders und Tiecks seelisch innerliche Richtung und gemüthvolle Hingabe an die Kunst auch schon in ihrer Sprache kennzeichnen. Das Kunstgefühl, hieß es, ist ein „himmlischer Strahl“ und Gott ist es, der mit Wohlgefallen auf den gothischen und griechischen Tempel herniederschaut. Ernste religiöse Anschauung, ein tief frommes Fühlen beherrscht die reine Seele Wackenroders ganz und gar. Natur und Kunst sind ihm zwei wunderbare Sprachen von geheimnisvoller Kraft, mit denen Gott zum Menschen redet.[15] Sein frommes Denken geht von Gott aus und kehrt zu Gott zurück „wie der Geist der Kunst -- wie aller Geist von Ihm ausgeht, und durch die Atmosphäre der Erde, Ihm zum Opfer wieder entgegendringt“.[16] Den edlen Kunstgenuss vergleicht er mit dem Gebete. Beides muss der Mensch „zum Wohle seiner Seele gebrauchen“, zu beiden darf er nur in stiller Sammlung hintreten, in seligen Stunden, da die Gunst des Himmels das Herz mit hoher Offenbarung erleuchtet. Bildersäle sollten nicht Jahrmärkte, sondern Tempel sein.[17] Die geistliche Musik ist das Höchste und Edelste, die religiöse Malerei und Poesie das Ehrwürdigste. Die Kunst ist dem Klosterbruder in der That eine religiöse Liebe oder eine geliebte Religion. Ob auch viele Gedanken Wackenroders und Tiecks jeder positivgläubige Katholik und Protestant unterschreiben kann, so wäre es trotzdem irrthümlich und voreilig, an eine tiefere eigentlich religiöse Beziehung der beiden zu irgend einer kirchlichen Confession zu denken. In der Hauptsache ist und bleibt die Religion der beiden Freunde eine Kunst- und Herzensreligion, die weiter um Bibel und kirchliche Dogmatik vorläufig nicht fragt. Auf ein allgemeines, unbestimmtes religiöses Bedürfnis, auf „eine Sehnsucht zum Religiösen“ deuten allerdings manche spätern Äußerungen Tiecks.[18] Zunächst ist es ein subjectives frommes Gefühl, das, durch das Medium der Begeisterung an katholischen Kunstwerken hindurchgehend, allerdings mehr oder weniger katholische Färbung annimmt.[19] Die Herzensergüsse Tiecks und Wackenroders über die alte Kunst und die alten Zeiten bezeichnen auch ein neues Stadium in der Auffassung des Mittelalters. Dem Aufklärer war dasselbe eine Zeit der Barbarei, der Nacht und Finsternis auf allen geistigen und materiellen Lebensgebieten. Noch das Buch des Professors Meiners, „Historische Vergleichung der Sitten und Verfassungen, der Gesetze und Gewerbe, des Handels und der Religion, der Wissenschaften und Lehranstalten des Mittelalters mit denen unseres Jahrhunderts in Rücksicht auf die Vortheile und Nachtheile der Aufklärung“, das 1793 und 1794 erschien, enthält den Inbegriff alles dessen, was ein richtiger Aufklärer dem Mittelalter Übles nachsagen konnte.[20] Allein schon zwei Jahrzehnte zuvor hatte kein Geringerer als Herder in seiner kleinen Schrift „Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit“ (1774) es gewagt, der aufgeklärten Gegenwart ein langes Sündenregister vorzuhalten und im verachteten Mittelalter eine Reihe von Vorzügen zu entdecken. „Erklären“ wollte er das Mittelalter, wenn auch nicht loben und preisen. Neben den Schattenseiten wollte er auch das Große, Erhabene und Herrliche dieser verkannten Epoche nicht übersehen. Für ihn ist das Mittelalter eine nothwendige Durchgangsstufe auf dem Entwickelungswege der Menschheit. Wenn wir schon bei Herder den boshaften Seufzer: „In unserem Jahrhundert ist leider! so viel Licht!“ hören, so blicken wir unwillkürlich auf die kommende Romantik voraus. Wenn der nämliche Herder auch in späteren Werken wieder geringer vom Mittelalter denkt, in jenen früheren Ansichten, die dem Sturm- und Dranggeiste entstammen, kann er als wahres Zwischenglied zwischen Aufklärung und Romantik gelten. Verdammung und Verachtung des Mittelalters beim Aufklärer, Erklärung des historisch Gewordenen und Gewachsenen bei Herder, Bewunderung, Verehrung und Anbetung bei den Romantikern Tieck und Wackenroder. Je tiefer die Freunde von ihrer poetisch-künstlerischen Frömmigkeit ergriffen werden, desto herber empfinden sie, dass die aufgeklärte Gegenwart, in der sich eine „Epidemie prosaischer Nüchternheit“ über die ganze Bildung erstreckte, von den beseligenden wunderbaren Geheimnissen des Gemüthes so gut wie nichts wisse.[21] Wie anders sei es in den herrlichen alten Zeiten Albrecht Dürers gewesen. Da war die Religion den Menschen „das schöne Erklärungsbuch“, wodurch sie das Leben erst recht verstehen lernten.[22] „Fromm und einfach“ war Dürers Wandel; „wie er selbst, sind alle seine Bilder“.[23] Auch Giovanni da Fiesole betet, bevor er an die Staffelei tritt und er weint in frommer Rührung, wenn er Christi Leiden am Kreuze malt.[24] Das waren die wahren und echten Künstler, die nur darstellten, was voll und warm und innig ihr ganzes Gemüth belebte und darum wieder so herzbewegend in ihren Werken sich aussprach und den Beschauer mit heiliger Macht überwältigte. Ein fester und fruchtbarer Zusammenhang zwischen der religiösen Lebensanschauung der alten Künstler und der lebendigwirkenden Kraft ihrer Schöpfungen fällt unseren Freunden allerwegen in die Augen. Eine hehre Weihe umschwebt für sie daher noch heute das Alte, das dieser begnadeten Zeit entstammt und „alt“ wird schon in den „Herzensergießungen“, im „Sternbald“ wie in den „Phantasien“ ein schmückendes ehrendes Beiwort (die „alten“ Maler, der „alte“ Vasari etc.).[25] Endlich dürfen wir nicht unbemerkt lassen, dass Wackenroder und sein Freund mit einer eigenthümlichen Vorliebe beim Wunderbaren und Geheimnisvollen verweilen, das dem künstlerischen Schaffen innewohnt, das sie an übernatürliche Gnadenwirkungen und Eingebungen erinnert. Es wird das Seltsame und Phantastische an Künstlerpersönlichkeiten wie Piero di Cosimo in behaglicher Breite geschildert und ebenso die außerordentliche herrliche Vielseitigkeit eines Geistes wie Lionardo bewundernd verehrt. „Alle fühlen einen Hang nach dem Wunderbaren in ihrem Busen“, behauptet Tieck in den „Phantasien“. Ganz besonders aber die Romantiker, dürfen wir beisetzen. Die Gestalten von Dichtern und Künstlern werden bald beliebt in romantischen Dichtungen. Ziemlich die gleichen Anschauungen und Empfindungen beherrschen die „Herzensergießungen“, die „Phantasien“ und den ersten Theil des „Sternbald“. Tieck versucht es mit aller Liebe, in den frommen, herzlichen Ton seines Freundes einzustimmen. Er arbeitet ein wenig mit an den „Herzensergießungen“, reichlich an den „Phantasien“ und dichtet aus der nämlichen Stimmung heraus allein den „Sternbald“, freilich, ohne im frommen Tone auszuharren bis ans Ende. Tieck bemüht sich sichtbar, ein zweiter „Klosterbruder“ zu werden. Nur will die Wackenroder’sche Kunstfrömmigkeit nicht so recht ernstlich von seiner Seele Besitz ergreifen. Er gefällt sich immer ein wenig in der frommen Rolle. Er bleibt auch immer ein eleganter Klosterbruder, ein Mönchlein, das nicht so ganz aus innerem Beruf und Herzensdrang den Berliner Salon mit der stillen Klosterzelle vertauschte. Ja Tieck geht, wie manches allzurasch bekehrte Weltkind mit seltsam hastigem Eifer bei seiner Frömmigkeit zuwerke und schießt dann über das Ziel hinaus. Er will sich recht energisch fromm anstellen und tritt (alles nur in der Phantasie selbstverständlich) gleich in Rom zum Katholicismus über -- seiner Geliebten und seiner Kunst zuliebe. „Die Kunst hat mich allmächtig hinübergezogen ... ich folgte bloß meinem innerlichen Geiste, meinem Blute, von dem mir jetzt jeder Tropfen geläuterter vorkömmt.“[26] Das leichtentzündliche Künstlerblut hat also das meiste zu dieser poetischen Bekehrung gethan und der „innerliche Geist“ ist auch nicht viel mehr als eine „prédilection d’artiste“. Der Enthusiasmus für die Kunst ist immer das Alpha und das Omega. Nur die Liebe zur Kunst befreundet das Herz dieses Enthusiasten auch mit dem dargestellten Gegenstande dieser Kunst.[27] Im „Sternbald“ peitscht Tieck seine Begeisterung für das Katholische so gewaltsam in die Höhe, dass es immer wie Absicht aussieht, die verstimmt. Tieck stellt paradox und geistreich den Gedanken Wackenroders, die Kunst müsse religiös sein, auf den Kopf und sagt: die Andacht ist der höchste und reinste Kunstgenuss, dessen die menschliche Seele nur in den schönsten und erhabensten Stunden fähig ist.[28] Im „Sternbald“ finden sich mancherlei enthusiastische religiöse Herzensergüsse[29] und Tieck lässt hier bereits Ludovico eine Standrede gegen Luther halten,[30] gegen den Mann, dem erst noch kurz zuvor der „Klosterbruder“ seine warme Verehrung bezeugt hatte.[31] Von den Nachfolgern Luthers befürchtet Sternbalds Freund Ludovico, dass sich „statt der Fülle einer göttlichen Religion eine dürre, vernünftige Leerheit, die alle Herzen schmachtend zurücklässt, erzeugt“. Eine poetische Hinneigung zur katholischen Religion wird wiederholt mit nachdrücklichster Deutlichkeit hervorgekehrt. Der Katholicismus ist eine Religion, „die wie ein wunderbares Gedicht vor uns da liegt“. Dies ist aber auch alles. Tieck vermag viel im Anempfinden, ja im künstlerischen Einfühlen in eine Rolle. Er besaß die nachschaffende Kraft des Schauspielers im hohen Maße und galt im Freundeskreise als großes schauspielerisches Talent. Aber in das harmonisch gestimmte Empfinden Wackenroders sich einzuleben, wie er gerne möchte, gelingt ihm doch nicht ganz. Das eine ist deutlich: Tieck ist in den Aufsätzen, die er zu den „Phantasien“ beisteuerte und im „Sternbald“ ein ganz anderer geworden, als er in den vorhergehenden Schauergeschichten und in den übermüthig verneinenden satirischen Komödien war, wenn er auch die letzteren noch in die neue Periode seines Dichtens mit hinübernimmt. Er fühlte auch selbst freudig die beruhigende und segensreiche Wirkung des Wackenroder’schen Geistes. Er ist beglückt, dass er endlich mit dem neuen Enthusiasmus einen Mittelpunkt für sein Dasein gefunden zu haben glaubt.[32] Auch A.W. Schlegel hat diese geistige Wandlung Tiecks in dessen Dichtungen gespürt. „Seine Einbildungskraft, die sich im ‚William Lovell‘ zum Theil in trüben Phantomen herumtrieb und ihre Flüge verschwendete, ist seitdem auffallend zu größerer Heiterkeit und Klarheit hindurchgedrungen. Das Trauerspiel ‚Karl von Berneck‘ und sonst hie und da Spuren von Gewölk gehören noch dem ersten Morgennebel an...“[33] Die Liebe zum Alten, zum Religiösen und Gemüthsinnigen, ein positives Empfinden nach so viel Negation und Trübsinn, war der wertvolle Gewinn, den Tieck seinem geliebten Freunde zu danken hatte, und dass er sich dessen bewusst war, zeigen der „Traum“[34] und die vier Sonette, die er trauernd zum Kranze auf das Grab seines Freundes flicht.[35] „Wenn das Gewühl der Welt mit tausend Banden Um Auge, Sinn und Herz sich wollte stricken, So durft’ ich nur in deine Augen blicken Und alle Zweifel, alle Räthsel schwanden. -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- Dann sah ich dich in stiller, frommer Freude Im ewigen Gebete niederkniend Einsam Natur und Gott und Himmel lieben.“ Diese Eindrücke wirken fort in Tiecks Gemüth, bis sie verstärkt durch andere Einflüsse, in der „Genoveva“ neue poetische Gestalt annehmen. Ja, manche Einzelheiten in der „Genoveva“ weisen noch deutlich auf den „Klosterbruder“ zurück und lassen die Verbindungsfäden sehen, die von Wackenroder in die Hochblüte der Romantik hinüberführen.[36] Tieck war immer leicht empfänglich für Anregungen und Eindrücke von außen; er hielt sie aber, wenn sie nicht seiner Natur homogen waren, selten lange und energisch fest. Es drohte auch die hohe romantisch-religiöse Klosterbruderstimmung ihm unter den Händen zu entweichen. Gegen Ende des unvollendeten „Sternbald“ scheint es, als ob das fromme, helle Feuer erlöschen und der keusche Genius, sein Antlitz verhüllend, hinwegfliehen wollte. In den ziemlich leichtfertigen Badescenen und den florentinischen Künstlergelagen muss Wackenroders Vorbild dem des sinnlichen Heinse weichen. In welchem Geiste etwa der Roman zu Ende geführt worden wäre, lässt sich aus der kleinen Planskizze nicht entnehmen. Das eine Gefühl aber wird der Leser nicht los, dass hier die Ideen und der glorreiche Enthusiasmus der „Herzensergießungen“ gegen Ende zu schon stark verblassen und dass damit der Weg, der zur „Genoveva“ hinführt, sich verliert. Vielleicht hätte Tieck diesen Weg zur religiös hochgespannten Dichtung auch nicht wieder gefunden, wenn ihn nicht eine neue starke Strömung ergriffen hätte, die das vollendete, was Wackenroders Freundschaft begonnen hatte, die Einflüsse nämlich, die von Schleiermacher und Novalis, von Calderon und Jakob Böhme ausgiengen. * * * Der persönliche Verkehr mit Schleiermacher scheint nicht von großer Bedeutung für Tieck gewesen zu sein.[37] Der wortkarge Theologe, der hartkantige Mann, die einsame „Beichtvaternatur“ war nicht dazu geschaffen, Tieck gesellig zu fesseln. Was Schleiermachers Persönlichkeit nicht vermochte, that sein erstes größeres Werk, das den Verfasser mit einem Schlage berühmt machte, die „Reden über die Religion“ (1799).[38] So wenig als Wackenroders Frömmigkeit und religiöse Kunstverehrung, trägt Schleiermachers Religion in den „Reden“ eine Spur von Dogmatik und Systematik an sich. Auch ihm ist im Grunde „Aberglaube lieber als Systemglaube“. Seine religiösen Anschauungen sind durchaus romantische.[39] Die Religion ist ihm etwas ganz und gar Individuelles und Subjectives, sie ist Anschauung und Gefühl des Universums, innerlich und unmittelbar. Diese religiöse Anschauung ergreift immer das Ganze, wie die wahre und richtige ästhetische Betrachtung das Gesammtkunstwerk. Nicht auf Erkenntnis des Universums, wie die Metaphysik, nicht auf Leitung des menschlichen Handelns, wie die Moral, zielt die Religion ab. Im Gemüthe und nur im Gemüthe und vor dem inneren Sinne ist das Göttliche gegenwärtig. Als eine wundervolle Erleuchtung kommt dieses Anschauen des Universums über die Seele des Menschen.[40] Schleiermachers religiöses Gefühl ist ästhetischer Natur oder wenigstens ästhetischen Stimmungen nahe verwandt.[41] Der Vortrag in Redeform ist von einem kraftvollen, mächtig eindringlichen Pathos durchlodert. Denn, sagt Schleiermacher, Religion verlangt die höchste Kunst und Kraft des Ausdrucks.[42] Es ist ein Stil, der, wie Fr. Schlegel behauptet, als oratorische Leistung, „eines Alten nicht unwürdig wäre“.[43] Dieser Recensent betrachtet die Reden „durchaus als Incitament für die Religionsfähigen“.[44] Dass der Dichter der „Genoveva“, in dem die Wackenroder’schen Anregungen noch leise nachtönten, der inzwischen auch schon Böhmes „Morgenröthe“, Calderon und das schlichtfromme Volksbüchlein von der heiligen Genoveva zur Hand genommen hatte, der nach seinem eigenen Worte einen angeborenen „Instinct“ zur Religion besaß,[45] zu den „Religionsfähigen“ gehörte, kann nicht bezweifelt werden. Exactes, systematisches Denken in Religion und Philosophie war freilich seine Sache nicht, und ein strenges Verfolgen aller Gedankenwege der trotz aller Systemscheu durch und durch philosophischen „Reden“ ist bei Tieck nicht vorauszusetzen. Sicher musste aber die hinreißende oratorische Sprache, die sich öfters zu einem dithyrambischen Feuer erhebt, in Tiecks Seele zünden und über sie eine ernste, religiöse Weihestimmung ausgießen. Die feurige Sprache musste seine Seele ergreifen; denn die „Reden“ Schleiermachers stehen wie alle Redekunst hart an der Grenze dichterischen Schaffens. Über Tieck konnte Fr. Schlegel bald an Schleiermacher berichten: „Was ich geweissagt, ist geschehen, dass nämlich Tieck von Deiner Religion grausam begeistert ist.“[46] Diese „grausame Begeisterung“ ist für Tiecks Seelenverfassung unmittelbar vor Abfassung seiner „Genoveva“ entschieden wesentlich und bemerkenswert. Dass die bereits geweckten allgemein religiösen Stimmungen, die poetische Neigung zu religiösen Stoffen und zu religiöser Auffassung derselben durch die „Reden“ Schleiermachers eine Steigerung erfahren mussten, ist recht wohl begreiflich. Wenn Tieck an ernstliche Vertiefung in das Problem der „Reden“ auch kaum dachte, so scheinen doch ein paar allgemeine Anschauungen Schleiermachers einen tieferen Eindruck auf ihn gemacht zu haben, so dass man die Nachwirkung in der „Genoveva“ noch einigermaßen verfolgen kann. Daneben war auch manche Anschauung, die im Keime oder in kindlicher Unreife schon in den „Herzensergießungen“ und „Phantasien“ schüchtern auftauchte, hier zu männlicher Vollkraft und Reife entwickelt. Ein persönlicher Zusammenhang zwischen Wackenroder und Schleiermacher lässt sich zwar nicht erweisen,[47] und Wackenroder war durch die Betrachtung religiöser Kunstwerke, Schleiermacher aber durch die Betrachtung religiöser Menschen zu seinen Anschauungen gekommen. Trotzdem ist Verwandtschaft da und kann nicht sonderlich auffallen: denn sie liegt im gemeinsamen romantischen Geiste, woraus sich auch erklärt, dass der Kreis der Berliner und Jenenser Genossen beim Erscheinen der „Reden“ in freudige Erregung gerieth. Überdies hat auch Schleiermacher wie Wackenroder das Verhältnis von Kunst und Religion besprochen, und was Poesie und Kunst berührte, zündete unfehlbar in den Herzen der jungen Generation. Den schönen Bund der Kunst mit der Religion, den Wackenroder in den alten Kunstzeiten bewunderte, den August Wilh. Schlegel bereits in einem großen Gedichte gefeiert hatte, sieht unser Redner eben im alten Griechenland verwirklicht. „Da näherte sich“, sagt er, „der Kunstsinn der Religion, um sie mit neuer Schönheit und Heiligkeit zu überschütten und ihre ursprüngliche Beschränktheit zu mildern.“ Auch Schleiermacher findet wie Wackenroder, dass es in der Gegenwart leider nicht so gut steht. „Religion und Kunst stehen nebeneinander wie zwei befreundete Seelen, deren innere Verwandtschaft, ob sie sie gleich ahnen, ihnen doch noch unbekannt ist. Freundliche Worte und Ergießungen des Herzens schweben ihnen immer auf den Lippen und kehren immer wieder zurück, weil sie die rechte Art und den letzten Grund ihres Sinnens und Sehnens noch nicht finden können. Sie harren einer näheren Offenbarung, und unter gleichem Druck leidend und seufzend sehen sie einander dulden, mit inniger Zuneigung und tiefem Gefühl vielleicht, aber doch ohne Liebe.“ Würden beide in ein Bett zusammengeleitet, so könnte das die Religion zur Vollendung bringen. An die kunstübenden Genossen und Freunde richtet daher der Redner die Worte: „Sehet da, das Ziel Eurer gegenwärtigen höchsten Anstrengungen ist zugleich die Auferstehung der Religion!“ Schon sieht der Prophet „einige bedeutende Gestalten, eingeweiht in diese Geheimnisse (seiner Religion) aus dem Heiligthum zurückkehren, die sich nur noch reinigen und schmücken, um im priesterlichen Gewande hervorzugehen.“[48] Schleiermacher denkt an die romantischen Genossen. Es war dies ein Aufruf und eine Prophezeiung, die sich besonders Novalis und Tieck zuherzen nahmen und sie wollten sie gemeinsam verwirklichen in geistlichen Liedern und Predigten. Und Schleiermacher arbeitet ihnen dazu noch mehr vor. Er findet das, was er für das echt Religiöse erkennt, nicht nur in sich und in den religiös veranlagten Zeitgenossen, er sucht und findet es auch in allen historischen Erscheinungsformen der Religion, in den positiven Religionen, indem er allerdings die Begriffe und Anschauungen der alten Religion nach seinen festgestellten Religionsbegriffen ausdeutet und so ganz neue Werte in alte Worte kleidet. Er wendet sich dabei mit scharfer Polemik gegen die „natürliche Religion“ der Aufklärer, die alles Außerordentliche und Unbegreifliche scheut. Er eifert gegen das unbestimmte, verwaschene, kraftlose Gebilde, das jener Masse gleicht, die zwischen den Weltsystemen dünn und zerstreut schweben soll und ihre Existenz erst erwartet.[49] „Wenn eine Religion nicht eine bestimmte sein soll, so ist sie gar keine, sondern nur loser, unzusammenhängender Stoff.“[50] Ein dünnes, unbestimmtes, abstractes Etwas ist aber für den Dichter immer ein höchst undankbarer Vorwurf. Die positive Religion dagegen war einst eine fruchtbare Grundlage für Kunst und Poesie. Die Gegenwart bot nirgends, was die Vergangenheit besaß. Wenn nun die positive Religion zu Ehren kommt, wie in den „Reden“, dann muss sich auch ein Dichter aus dem aufgeklärten Berlin umsomehr ermuthigt fühlen, die gestaltenreiche katholische Legende, an der sich schon das Poetenauge heimlich ergötzte, in ihrer mittelalterlichen Auffassung wieder aufzunehmen und dichterisch zu gestalten. Noch mehr. Sogar die bei den nüchternen Großmeistern der Aufklärung genugsam verfehmten Begriffe: Wunder, Weissagung, Offenbarung, Eingebung, Gnadenwirkung sollten sich einer unverhofften Ehrenrettung erfreuen, wenn auch wiederum umgewertet nach dem Maßstabe Schleiermacher’scher Auffassung. Jeder wahrhaft religiöse Mensch sieht nach den „Reden“ Wunder, erlebt Offenbarungen, Eingebungen, Gnadenwirkungen, und glaubt an Weissagungen. Mochte bei solchen Gedanken die ehrsamen Nicolaiten und alle Schildbürger und Philister im Reiche des aufgeklärten Verstandes ein heimliches Bangen beschleichen, so fand Tieck dieselben bei seiner Liebe zur Poesie und zum Sonderbaren[51] nur umso verständlicher und anheimelnder. Schleiermachers Anerkennung des Wunderbaren konnte den Dichter, dessen Phantasie sich bereits mit den Wundern, Offenbarungen und Gnadenwirkungen, von denen das Volksbüchlein berichtet, beschäftigte, nur ermuntern, die alte, schlichte Legende mit neuer poetischer Schönheit zu überschütten. Ob Schleiermacher auch nicht die Legendenwunder nach der alten Auffassung vertheidigte: eine solche warme Vertheidigung des religiös Wunderbaren an sich nahm allein schon viel vom Fluche des Lächerlichen von den missliebigen Begriffen hinweg, vom Fluche, der auch für Tieck bisher gegolten hatte und, wenn auch abgeschwächt, noch galt. Tiecks rationalistische Jugendeindrücke, seine düstere Skepsis waren trotz Wackenroder noch lange nicht mit der letzten Wurzel aus seiner Seele gerissen. Für ihn, der inzwischen auch Nicolais Schildknappe gewesen war, bedurfte es eines solchen Zuspruches für die Stärkung seines religiösen Stimmungslebens, um es poetisch fruchtbar zu machen. Sehr wesentlich war für Tiecks Dichtung noch folgende Gedanken-Entwickelung der „Reden“. Eine damals neue Entdeckung Schleiermachers liegt in seinem Begriffe der Religion als Anschauung und Gefühl des Universums, einem Gedanken, der sich auf das engste mit der romantischen Hochschätzung und Überschätzung von Phantasie und Gemüth berührt. Das intuitive Anschauen und das Gefühl des Universums kommen nach seiner Darlegung für die Religion allein in Betracht. Die Stärke der religiösen Anschauungen und Gefühle bedingt den Grad der Religiosität eines Menschen. Verkehrt wäre die Forderung, das religiöse Fühlen sollte etwa das menschliche Handeln bestimmen. Das sittliche Handeln ist Sache der moralischen Kraft im Menschen und hat mit der Religion nichts zu schaffen. „Alles eigentliche Handeln soll moralisch sein und kann es auch, aber die religiösen Gefühle sollen wie eine heilige Musik alles Thun des Menschen begleiten; er soll alles mit Religion thun, nichts aus Religion.“ Die religiösen Gefühle lähmen geradezu die Thatkraft des Menschen und laden ihn ein zum stillen, hingegebenen Genuss. Daher verließen die religiösesten Menschen, die nichts waren als religiös, so oft die Welt und ergaben sich der müßigen Beschauung.[52] Die Thatsache, dass Tiecks „Genoveva“ dieser Auffassung vom ausschließlich religiösen Menschen, dem contemplativen Ideale so auffallend entspricht, kann nicht übersehen werden. Während die Heilige des Volksbuches, das Tieck als Vorlage dient, in ihrem Auftreten gegen Golo eine anerkennenswerte sittliche Energie zeigt, scheint Tiecks Heldin von Anfang bis zum Ende an ihrer Willenskraft wie gelähmt und ihr Dasein löst sich fast beständig in einen frommen Gefühlsgenuss und in religiöse Stimmungsschwelgerei auf. Wenn auch das Volksbuch ziemlich viel von Genovevas beschaulichem Leben berichtet, so ist das süße Schwärmeln und Schwelgen in Gefühlen und weichen Stimmungen bei Tieck noch um manchen Grad gesteigert. Andere Dichter scheiden solchen lyrischen Überfluss eher aus oder verkürzen ihn, wenn sie dramatisch gestalten wollen. Tieck ist aber von Hause aus durch und durch ein Stimmungsdichter, der immer am liebsten den ätherischen Duft und Geist der Erscheinungen in Worte und Verse fassen möchte. Das zeigt seine Poesie ja schon vor der „Genoveva“. Man denke an seine „Magelone“. Seine eigene Begabung und Neigung führte ihn daher schon dazu, die Situationen der Legende möglichst nach ihrem Stimmungswerte auszunützen. Die Gefühlsweichheit in der „Genoveva“ darf darum nicht ausschließlich wie ein dichterisches Correlat zur theoretischen Aufstellung der Schleiermacher’schen „Reden“ angesehen werden. Aber es bleibt ein merkwürdiges Zusammentreffen, dass Tiecks dichterische Neigung durch Schleiermachers Forderung einer durchaus passiven Religiosität noch geradezu eine theologische Sanction erhielt, die seine poetische Neigung zu befestigen und vor ihm selbst zu rechtfertigen geeignet war. An die Mahnung Schleiermachers, eine „heilige Musik“ religiöser Gefühle solle das ganze Leben ohne Aufhören begleiten, wird der Leser der „Genoveva“ unwillkürlich erinnert, wenn er bei Tieck im Kriegslager und auf dem Schlosse, in der Wüste so gut wie in der Kapelle fast bei allem Thun und Denken wenigstens irgend einen religiösen Klang tönen hört.[53] Wie die romantische Ästhetik das eine Urpoetische in den dichterischen Äußerungen der verschiedenen Zeiten und Völker sucht, in der höchsten Kunstpoesie sowie im unscheinbarsten Volksliede, so sucht der romantische Theologe das eine Urreligiöse in allen Gestalten und Verkleidungen, unter denen es je im Laufe der Zeiten unter den Menschen erschienen ist. Alle Religionen erscheinen als ein großer Organismus, dessen Glieder alle ihre gute Berechtigung haben. Der stets künstlerischen romantischen Anschauung schließt sich immer das Mannigfaltige zu einem Kosmos höherer Ordnung zusammen. Der wahrhaft religiöse Mensch Schleiermachers ist darum tolerant. Es gibt ja für ihn keinen Wesensunterschied etwa zwischen Pantheismus und Personalismus im Gottesbegriffe.[54] Es sollen sich gerade unzählige Religionen entwickeln, jeder Mensch kann sich seine eigene gründen.[55] Es webt und wirkt ja doch in allen der nämliche Geist der einen, unendlichen Religion.[56] Mag die einzelne Gestalt, die diese annimmt, wie immer aussehen; wenn es nur Religion ist, so gibt sich damit der Fromme zufrieden. Man muss wohl oder übel an eine freie Weiterbildung dieser Ansicht Schleiermachers in Tiecks Dichtung glauben, will man eine Erklärung für das Zusammenwürfeln so fremdartiger religiöser Vorstellungen finden, wie es uns in der „Genoveva“ begegnet. Von der Idee des romantischen Urreligiösen aus wird es sogar einigermaßen erklärlich, wie in einer und derselben Persönlichkeit sich der katholische Gottesbegriff mit dem Pantheismus, wie christliche Gedanken und fatalistische Vorstellungen sich friedlich miteinander verbinden und vertragen können. Zum weitaus größten Theile sind in der „Genoveva“ allerdings die christlichen Vorstellungen festgehalten. Die verschiedenen religiösen Elemente aber, die sich fremd dazwischen drängen, fallen für Tieck und seine Freunde unter die höhere Kategorie des allgemein Religiösen. Alle wirklichen Dissonanzen sind daher für ihn nur scheinbar und lösen sich in dem höheren Einklang auf und wirken zur allgemein religiösen Gesammtstimmung, auf welche Tiecks Dichtung abzielt, ohne Störung mit. Wenn Genoveva ihre christlichen Vorstellungen vom Jenseits mit der pantheistischen vom Aufgehen im Weltall verknüpft, so entspricht das noch besonders Schleiermachers Ansichten; denn das Verlangen nach persönlicher Fortdauer nach dem Tode findet er ganz irreligiös; der Mensch soll geräuschlos im Unendlichen verschwinden; falls er es nicht bewusst in seinem Denken und Sein vermag, soll er wenigstens den Tod als willkommene Gelegenheit dazu ergreifen. Daher muss auch Genovevas Seele „in dem Lebensmeer als Welle klingen“. Wahre Religion, führt Schleiermacher ferner aus, ist tolerant gegen das Religiöse in jeder Gestalt, aber polemisch gegen alles Irreligiöse in und außer sich. Es widerspricht darum nicht dem Wesen des Christenthums und der Toleranz, zu kämpfen gegen alles, was ihm als Irreligion erscheint. Tieck brauchte deshalb kein Bedenken zu tragen, den Saracenenfeldzug als Kreuzzug in seine Dichtung einzuschalten. Einen heiligen Krieg hat das Christenthum auch gegen alles Unheilige in sich selbst beständig zu führen, damit alles Unreine ausgeschieden werde. Einzelne Elemente und ganze Massen werden ausgestoßen. Dieser immerwährende Kampf ist die in seinem Wesen begründete Geschichte des Christenthums. „Ich bin nicht gekommen, Friede zu bringen, sondern das Schwert“, sagt der Stifter desselben, freilich nicht um blutige Bewegungen und elenden Wortstreit zu entfachen; nur die heiligen Kriege, die aus dem Wesen seiner Lehre nothwendig entstehen, hat er vorausgesehen und anbefohlen.[57] Die Rede Dragos[58] über den beständigen Kampf im Leben der christlichen Kirche und des einzelnen Christen, die auch mit dem gleichen evangelischen Citate beginnt, ist hier im Keime gegeben. Schon beim flüchtigen Lesen fällt es auf, dass uns in der katholisierenden „Genoveva“ eine ganz eigenthümliche Auffassung des Priesterthums begegnet, die sich der katholischen hierarchischen Ordnung gar nicht anbequemt. In Siegfrieds Burgkapelle hält ein „Capellan“ eine religiöse Ansprache, aber auch der Diener Wendelin. Der nämliche Capellan hält auch noch eine erbauliche Rede für Genoveva, verschwindet dann aus der Dichtung und im weiteren nimmt der Küchenmeister Drago die Stelle eines geistlichen Seelenleiters ein. Also neben dem Bischof, der am Schlusse auftritt, und dem Capellan predigen Diener und Küchenmeister. Die hier ziemlich deutlich durchschimmernde Ansicht vom freien Priesterthum ist wieder ein Gedanke aus Schleiermachers „Reden“. Schleiermacher will kein zunftmäßiges Priesterthum. Ein Privatgeschäft sei die Mission des Priesters. Ein jedes Privatzimmer mag ein Tempel sein.[59] Wen der religiöse Geist ergreift, der übt auch das Priesteramt. Es gibt zwischen Geistlichen und Laien keinen Unterschied der Personen, sondern nur einen Unterschied „des Zustandes und der Verrichtung“.[60] In diesem Sinne wird thatsächlich das Predigtamt in der „Genoveva“ geübt. Doch genug. Es darf für erwiesen gelten, dass ähnliche Ideenrichtungen sich in den „Reden“ des romantischen Theologen und im Drama des romantischen Dichters finden. Es ist freilich nicht vieles Einzelne, was sich sicher greifen ließe. Wie sollte auch der Dichter aus dem Buche, das sich vom Anfange bis zum Ende in lauter Abstractionen bewegt, mehr entnehmen können als die eine oder andere grundsätzliche Ideenrichtung? Hauptsache bleibt, dass Tiecks künstlerische Begeisterung für Religion in den „Reden“ ein kräftiges „Incitament“ gefunden hatte. * * * Tieck ließ sich willig durch Schleiermacher begeistern, aber ein echter und eigentlicher Schüler des Berliner Theologen war er darum noch nicht. Ein solcher war Tiecks Freund Novalis-Hardenberg. Schleiermacher und Novalis waren es allein, die unter den älteren Romantikern auf eine Erweckung des eigentlich religiösen Sinnes abzielten, während die übrigen nur an eine Erneuerung und Belebung von Kunst und Poesie durch die Religion dachten. Schleiermacher selbst gedenkt in der zweiten Auflage seiner „Reden“ schmerzergriffen des lieben Todten, des „zu früh entschlafenen göttlichen Jünglings, dem alles Kunst ward, was sein Geist berührte, seine ganze Weltbetrachtung unmittelbar zu Einem großen Gedicht, den Ihr, wiewohl er kaum mehr als die ersten Laute wirklich ausgesprochen hat, den reichsten Dichtern beigesellen müsst, den seltenen, die ebenso tiefsinnig sind als klar und lebendig“. Dieser Jüngling mit seiner Christusliebe erscheint Schleiermacher als das edelste Vorbild des frommen Künstlers.[61] Novalis war wirklich seiner Denkrichtung nach mit Schleiermacher nahe verwandt. Beide Geister wurzeln ja auch im Herrnhuterthum. Beide bringen dieselbe tiefreligiöse Veranlagung mit. Novalis ist daher von den „Reden“ am meisten ergriffen unter den Jenenser Freunden.[62] Wie mächtig sie sein ganzes Inneres erregten und verwandte Ideen und Stimmungen in drängender Fülle auslösten, lässt sich auf Schritt und Tritt verfolgen. Fast alle wesentlichen Gedanken Schleiermachers über die Religion finden sich modificiert, subjectiv angewendet, besonders gerne in Aphorismen voll kräftiger Poesie eingekleidet, bei dem jungen Dichter wieder. Da heißt es: „Alle absolute Empfindung ist religiös.“[63] „Nach Innen geht der geheimnisvolle Weg. In uns oder nirgend ist die Ewigkeit mit ihren Welten, die Vergangenheit und Zukunft.“[64] „Alle unsere Neigungen scheinen nichts als angewandte Religion zu sein; das Herz scheint gleichsam das religiöse Organ.“[65] Auch Novalis wendet sich gegen die Aufklärer, die alles Wunderbare und Geheimnisvolle von der Religion abwaschen möchten.[66] Aufklärung und Religionsverachtung ist ihm ungefähr das nämliche und ebenso innigstes, höchstes Fühlen und Religion. Sein Idealbild religiösen Lebens projiciert Novalis in das Mittelalter, ähnlich wie Wackenroder, aber auch zugleich hoffnungsfreudig in eine bessere Zukunft. Mit tiefer Sehnsucht schaut er im Aufsatze „Die Christenheit oder Europa“ (1799)[67] in die alte Zeit zurück, in der die Religion als die Centralsonne des Lebens galt. Und nach dem Alten hatte er sich schon in den „Hymnen an die Nacht“ gesehnt. „Was sollen wir auf dieser Welt Mit unsrer Lieb’ und Treue? Das Alte wird hintangestellt: Was soll uns denn das Neue? O! einsam steht und tiefbetrübt Wer heiß und fromm die Vorzeit liebt.“[68] So wenig wie Wackenroder oder Schleiermacher, schließt sich Novalis einer kirchlichen Lehre an, wenn er auch gerne seine Gedanken mit kirchlichen Worten stilisiert und das katholische Mittelalter preist und sogar innige Marienlieder dichtet.[69] Und wenn er auch mit verschiedenen Gedanken katholischen Ideen recht nahe kommt: er meint zunächst doch immer das phantastische Idealbild einer Religion, wie es seine Dichterseele träumt. Pantheismus und Christenthum stehen auch bei ihm hart nebeneinander. Wie Schleiermacher denkt auch Novalis über das Wunder.[70] Wie für Schleiermacher Religion und Kunst, sind für ihn Poesie und Mysticismus nahe Verwandte.[71] Auch für Novalis gibt es kein abgeschlossenes System.[72] Novalis’ Seele ist voll Schleiermacher’scher Frömmigkeit. Wohin wir blicken, die Saat des Berliner Redners sprosst und treibt mit üppiger Kraft in den geheimnisvollen Tiefen dieses merkwürdigen Gemüthes. Es ist von den „Reden“ in der That „ganz eingenommen, durchdrungen, begeistert und entzündet“.[73] Novalis verehrte schon Tieck als den Dichter der „Volksmärchen“, bevor er ihm persönlich begegnete. In Jena nun treffen sich beide im Sommer 1799. Erstes Begegnen, entgegenkommendes Verstehen, schwärmerisches Freundschaftschließen: all das war das Werk eines Tages.[74] Tieck glaubte seinen Wackenroder in verklärter Gestalt wiederzubesitzen. Leider musste er auch diesem Freunde gar bald Trauersonette als Todtenopfer weihen.[75] Diese neue Freundschaft ist wieder so enthusiastisch wie jene mit Wackenroder. Ist doch Novalis ebenso herzlich und fromm und liebenswürdig und dabei mit einem weitreichenden geistigen Blicke begabt, ein jugendfroh und gewaltig aufstrebender Dichter und Denker, der bei aller Frömmigkeit auch alle Bildung des Zeitalters, insbesondere die naturphilosophische, durstig in seine Seele saugen und dichterisch in einer großen Romanserie verklären möchte. Das war gewiss ein richtiger Umgang für Tieck, als er schon an seiner „Genoveva“ arbeitete. In dieser Freundschaft konnte auch seine religiöse Stimmung neues kräftiges Leben schöpfen und einzelne Spuren des freundschaftlichen Gedankenaustausches sind wiederum in Tiecks Dichtung erkennbar. Wie Novalis im Aufsatze: „Die Christenheit oder Europa“ den Leser aus der nüchternen, unfrommen Gegenwart in die schönen glänzenden Zeiten des katholischen Mittelalters führt, so weist der heilige Bonifacius Tiecks als Prologsprecher in die gläubige, altdeutsche Zeit zurück, die so ganz das Gegentheil der glaubenslosen Jetztzeit war. Wenn Novalis auf den geheimnisvollen Weg nach innen zeigt und nach Schleiermachers Beispiel eine Herzensreligion, eine Frömmigkeit des innerlichsten Lebens fordert, so meint der Leser der „Genoveva“ im Sonette des Capellans[76] einen Schüler Hardenbergs zu vernehmen. Novalis war auch der erste im romantischen Kreise, der direct die katholische Religion als solche im ganzen Umfange, wenn auch subjectiv ausdeutend, mit Entzücken pries. Gemeinsam wollten ferner die Freunde geistliche Lieder und Predigten herausgeben und sie Schleiermacher widmen.[77] Novalis’ „Geistliche Lieder“ erwuchsen auch bald aus dieser hochgesteigerten religiösen Stimmung heraus und auch im „Ofterdingen“ sind Anklänge an die „Reden“ bemerkbar. Tieck wollten die geistlichen Lieder nicht gelingen[78] und von den Predigten ist bei ihm überhaupt nicht weiter die Rede. Wenn uns aber Tieck sagt, dass er verschiedene „Vorsätze und poetische Stimmungen“, die ihn damals beherrschten, in seine „Genoveva“ hineingearbeitet habe, so lassen unsere Betrachtungen ahnen, was einmal unter den „Stimmungen“ gemeint ist. Wohl nichts anderes, als die neue religiöse Begeisterung und die Schwärmerei für altdeutsches Wesen, die sich Tiecks wie der übrigen Genossen um diese Zeit bemächtigt hatte. Zu den „Stimmungen“ gehören vielleicht auch jene „leidenschaftlichen Zustände und unerwarteten Erfahrungen“ an sich selbst, über die sich nur eine dunkle Andeutung in einem späten Briefe an Solger findet.[79] Die „Vorsätze“ dann beziehen sich jedenfalls auf die geplanten geistlichen Lieder und Predigten.[80] Spuren der projectierten Predigten lassen sich in der „Genoveva“ fast noch erkennen. Novalis schrieb mehrere Einfälle über das Wesen der Predigt nieder, wie er es sich dachte. Darunter finden sich Gedanken, wie: „Die Predigt muss angewandte Religion enthalten.“[81] „Die katholische Religion ist gewissermaßen schon angewandte christliche Religion.“[82] „Predigten sollten eigentlich Legenden heißen, denn der eigentliche Stoff der Predigten ist der Legendenstoff.“[83] Von der wunderschönen Frau der Christenheit und von längst verstorbenen himmlischen Menschen, von Heiligen, predigten einst die Priester im schönen Mittelalter.[84] Jedermann kann Predigten halten und aus dem Schatze seiner Erfahrung göttliche Geschichte mittheilen.[85] (Freies Priesterthum wie bei Schleiermacher.) Nun sehen wir in Tiecks „Genoveva“ den Diener Wendelin in der Kapelle zu den Heiligenbildern hintreten und sie seinen Genossen, also einer kleinen Gemeinde, predigend erklären.[86] Wir sehen ein andermal Drago im Anschluss an die Lesung des Legendenbuches eine geistliche Anrede an Genoveva halten.[87] Hier spielt allem Anscheine nach das Predigtproject der beiden Freunde herein und das wäre vielleicht ein erkennbarer Rest jener „Vorsätze“, die in der Dichtung nachwirkten. -- Novalis und Tieck waren nicht die einzigen Bewunderer der „Reden“. Fast die ganze romantische Tafelrunde von Jena that wacker mit[88] und verschiedene religiöse Poesien erwuchsen aus den neuen Anregungen. Schon vor einem Jahre waren A.W. Schlegels Gemäldegespräche und geistliche Sonette über einige religiöse Bilder der Dresdner Gallerie sowie der bedeutsame Versuch romantischer Didaktik „Der Bund der Kirche mit den Künsten“ im Anschluss an Wackenroder-Tieck entstanden. Unter dem Einfluss der neuen religiösen Anregungen folgen die Neudichtungen alter Legenden und noch andere Gedichte mit religiösen Motiven. Das Christenthum ist in Jena bald „à l’ordre du jour“. Während es Hülsen zwar bei einer hellenisierenden, pantheistischen Naturreligion sich genügen lässt,[89] entfacht Steffens, ein junger Norweger und Tiecks Freund, seine Andacht an der sistinischen Madonna in Dresden.[90] Friedrich Schlegels „Ideen“ im „Athenäum“, die zwar manchmal von Schleiermacher abweichen, sogar manche Spitzen gegen die „Reden“ enthalten, sind nichtsdestoweniger nur ein Fortspinnen der in den „Reden“ ausgeführten und im persönlichen Verkehr mit Schleiermacher gewonnenen Anschauungen. Friedrich sinnt auf Mittel und Wege, die neugewonnenen Ideen für Poesie und Kunst fruchtbar zu machen. Das Ergebnis seines Nachdenkens ist im „Gespräch über die Poesie“ niedergelegt. Das Studium der Griechen hatte ihn belehrt, dass eine Mythologie, in der sich die tiefsten Welt- und Lebensanschauungen, die höchsten Ideale eines Volkes in unvergänglichen Typen zusammenkrystallisierten, in denen das, was sonst das Bewusstsein ewig flieht, sinnlich geistig zu schauen festgehalten ist, für die Poesie die allerwertvollste Basis sein kann. Diese richtige Beobachtung führt aber Schlegel, der vielleicht Schelling’schen Anregungen folgte, auf den bizarren Gedanken, die bewusste Schöpfung einer neuen Mythologie zu verlangen. Er selbst war schon eine Zeitlang mit keiner geringeren Absicht umgegangen, als der, eine neue Religion zu stiften.[91] Aber ein absichtliches Verkörpernwollen von Ideen in mythologischer Art bringt statt lebendiger Typen und Göttergestalten höchstens den Wechselbalg Allegorie zum Vorschein.[92] Schlegel selbst meint überdies, man könne auf verschiedenen Wegen dem neuen Ziele zustreben. Die älteren Mythologien seien wieder zu erwecken, um das Werden der neuen zu beschleunigen und das Studium der Naturphilosophie gewähre die heiligsten Offenbarungen. Daneben begegnet uns der Gedanke, die Deutschen müssten, um ihre Poesie zu erneuern, auf „die Quellen ihrer eigenen Sprache und Dichtung zurückgehen“ und die alte Kraft und den hohen Geist, der in den Urkunden der vaterländischen Vorzeit schlummert, wieder frei machen.[93] Über Religion und Poesie spricht Fr. Schlegel ähnlich wie Schleiermacher und Novalis.[94] Was Fr. Schlegel wünschte, führte Tieck gleichzeitig schon zum Theile und in seiner Weise aus. Während Schlegel sich mit seiner Mythologie abmühte, geht Tieck mit kühner Leichtigkeit den Weg, den ihm seine lebendige religiöse Kunststimmung und die übrigen empfangenen Anregungen wiesen. Statt der antiken Mythologie, die ihm sein Leben lang fern blieb und statt der neuzuschaffenden, von der Schelling, Schlegel und Novalis träumten und die noch in recht nebeliger Ferne dämmerte, tritt bei Tieck die katholische Legende ein. Sie war für ihn ja längst nimmer todt. Alte Kunst und Dichtung, Calderon voran, bürgten ihm für die innere Lebenskraft derselben und er hatte auch mit eigenen Augen in Süddeutschland katholisches Leben und den Cultus der Heiligen in leibhafter Gegenwart mitangesehen. Er brauchte nur die Gestalten der vergessenen Legende mit der reichen religiösen Begeisterung, die ihm eben aus vielen Quellen zuströmte, zu durchwärmen und den Reichthum seiner Phantasie der Erneuerung des alten Büchleins dienstbar zu machen und es bedurfte für ihn keiner imaginären Mythologie mehr. Es war das der nächste und selbstverständlichste Weg, seinen dichterischen Wünschen Genüge zu thun. Die Freundschaft mit Wackenroder, die „Reden über die Religion“, der Umgang mit Novalis und der, wenn auch weniger tief wirkende, mit Friedrich Schlegel[95], die Lectüre von Calderon und Jakob Böhme, deren Einfluss noch später besprochen werden soll, die gesammte geistige Atmosphäre, in welcher die junge Dichtergeneration lebte und athmete: alles half zusammen, Tieck aus der flachen Sandwüste Berlinischer Aufklärung, in der Gemüth und Phantasie kläglich abgewelkt waren und die Dichtung kein fruchtbares Erdreich fand, in die poetische Welt des Religiösen, Wunderbaren, Alterthümlichen, Gefühlsinnigen und zur katholischen Legende hinüberzuführen. Wer die Einwirkungen dieser letzten Jahre im Auge behält, kann es nicht räthselhaft finden, dass in Tieck sich jetzt mit seiner Liebe zum Altdeutschen noch die hochreligiöse Auffassung eines alten Stoffes vermählt. * * * Nun gewinnt der Dichter auch eine andere Stellung zu den Volksbüchern, als er sie bisher einnahm. Die Neigung für die kräftige Poesie dieser alten Volksromane war, wie erwähnt, schon längst in Tieck lebendig. „Götz“ und die Ritterdramen, die seine jugendliche Phantasie bestürmten, hatten zuerst sein Interesse für das Alte geweckt. Die Sprache des „Faust“ empfand er als den „veredelten, tiefsinnigeren Widerhall des alten, vergessenen deutschen Tones“ bei Hans Sachs. „Die früheren Werke Goethes waren die erste Nahrung meines Geistes gewesen. Ich hatte das Lesen gewissermaßen im Berlichingen gelernt. Durch dieses Gedicht hatte meine Phantasie für immer eine Richtung nach jenen Zeiten, Gegenden, Gestalten und Begebenheiten bekommen.“[96] Sein eigenes richtiges Gefühl für das Poetische ließ ihn den Wert der verkannten bescheidenen Volksbüchelchen erkennen und schätzen. Die erste Erwähnung derselben treffen wir im „Karl von Berneck“.[97] Der Dienst bei Nicolai vermochte die einmal erwachte Neigung, die Tieck noch durch die Lectüre älterer Literatur (Hans Sachs, Moscherosch, Grimmelshausen) nährte, nicht zu ersticken. Im „Peter Leberecht“ spendet er den Volksbüchern reiches Lob.[98] Dann folgen die verschiedenen Neubearbeitungen von Volksbüchern selbst. Schlichte, holzschnittmäßige Nachbildung des alten Originals versucht er in den „Haimonskindern“, lyrische Stimmungsmalerei in der „Magelone“. Satirische Seitenwege geht er in den „Schildbürgern“ wie im „Blaubart“. Abgesehen von den „Haimonskindern“, schaltet Tieck überall nach eigenem Belieben in ziemlich freier Willkür mit dem alten Stoffe.[99] Die Vorliebe für diese alten Poesien ist noch immer eine bedingte, zum Theil eine Vorliebe aus Opposition gegen den platten aufgeklärten Dienstherrn Nicolai. Hauptsächlich durch Wackenroders eigenthümliche Geistesrichtung muss die tiefe Verehrung des Alten zur unbedingten, schwärmerischen Begeisterung, zum „Phantastischen“[100] gesteigert worden sein. Die übrigen Romantiker stimmen bald in diesen Lobpreis des Alten mit ein. In ein paar Jahren hat sich die Meinung festgesetzt, dass der „historische Weg“ das einzige Mittel sei, eine Besserung in Kunst und Poesie einzuleiten.[101] So fließen denn unmittelbar vor Entstehung der „Genoveva“ die höchste Begeisterung und Bewunderung für das Altdeutsche und ein hochgesteigertes religiöses Stimmungsleben bei Tieck ineinander, um sich vereint in die neue Schöpfung zu ergießen. Im Jahre 1800, bald nach Vollendung der „Genoveva“, dichtet Tieck so nebenbei in einigen heiteren Stunden einen kleinen Schwank in Hans Sachsens Manier, den „Neuen Hercules am Scheidewege“ (später „Der Autor“ betitelt). In dieser Burleske zieht er lustig gegen die Nützlichkeitsfanatiker und Aufklärer, gegen den „alten Mann“ Nicolai und die unberufenen Lessingverehrer, gegen den ganzen Heerbann der Antiromantiker vom Leder. Er feiert Goethe als Neubegründer der wahren, vaterländischen, deutschen Poesie und verehrt den „großen deutschen Jakob Böhme“. Jede Zeile deutet jene romantische Zeitstimmung an, welcher die „Genoveva“ ihren Charakter verdankt. Der derbe „Altfrank“ tritt wie ein Abgesandter des romantischen Geistes vor den Dichter hin und ermuntert ihn zur Pflege der romantischen Dichtung: „Erwärme dein Herz in alter Liebe, Erwecke in dir die alten Triebe, Wenn dir die neue Zeit nicht gefällt, So gedenk der braven alten Welt, Mit Andacht geh zu den alten Ruinen, Die auf den hohen Bergen verwittern, Sie schaun dich an mit wehmüthigen Mienen Und erzählen dir von Thaten und Rittern, Besuche zumal die Wald-Kapellen, Wo sich heilige Geschichten vor dich stellen, Die alte katholische Religion, Als sie noch schmückte ihren Thron, Und schöner die Welt durchströmte, Ein selger Tod die Märtrer krönte: Als deutsche Freiheit noch stolzirte, Vor ganz Europa hell pranchirte, Das alles magst du kühnlich preisen, Verkündigen in vollen Weisen, Was sonst erregte deinen Muth, Beseligte in Adern dein Blut, Lebt nicht noch alles in einzeln Spuren, Wandelst nicht noch auf denselbigen Fluren?“[102] Ähnliche Verse könnte man sich als Prolog vor die „Genoveva“ gesetzt denken. Die näheren Umstände, welche die Entstehung der „Genoveva“ noch begleiteten, gibt Tieck selbst und sein Biograph Köpke an.[103] Den ersten maßgebenden äußeren Anstoß erhielt Tieck nicht durch das Volksbuch, sondern durch ein Werk des Geniedichters Maler Müller, nämlich durch dessen Drama „Golo und Genoveva“, das, 1775-1781 entstanden, auch die alte Legende behandelt. Bei einem Besuche in Hamburg (1797) erhielt Tieck durch Vermittlung des Malers Waagen Einsicht in Müllers Manuscript, das noch immer des Verlegers harrte. Die Lectüre war nach Tiecks Erzählung eine flüchtige. Nur das Lied: „Mein Grab sei unter Weiden“ und die eigenthümliche Beziehung desselben auf Golos Geschick machte ihm einen tiefen Eindruck. Im übrigen behielt er nur ein sehr allgemeines, verschwommenes Bild vom Werke in Erinnerung. Diese Bekanntschaft mit dem Werke Müllers hätte am Ende noch nicht hingereicht, Tiecks Interesse bei diesem Stoffe festzuhalten. Da fiel ihm aber ein Jahr darauf das Volksbüchlein von der Pfalzgräfin Genoveva selbst in die Hände.[104] Es ist erklärlich, dass Tiecks ganzes Gemüth, das eben jetzt von altdeutschen und religiösen Kunststimmungen überquoll, sich mit Eifer und Liebe auf den hier gebotenen Legendenstoff warf, der altdeutsche Schlichtheit und innige Frömmigkeit so lehrend in sich vereinte und durch viele Motive zur Verherrlichung der neuen romantischen Ideale einlud. Wenn auch nicht mit tiefem Gemüthe (das besaß Tieck überhaupt kaum), so doch mit ganzem Gemüthe ergriff er diese Legende, die ihn so traut anmuthete und durch ihre stille Gewalt seine Phantasie in Bewegung setzte. Schnell und leicht muss alles, was an poetischen Kräften in ihm schlummerte, zusammengeströmt sein; denn im Sommer 1799 schrieb er auf Giebichenstein den Prolog und die ersten Scenen. Im Herbste vollendete er mit rascher Feder das Ganze und theilte es schon im November seinen Freunden, im December Goethe, der den jungen Romantikern ein wohlwollender Mentor war, mit, und im Jahre 1800 erschien in Jena bei Friedrich Frommann das Trauerspiel „Leben und Tod der heiligen Genoveva“, mit „Melusina“ und „Rothkäppchen“ zum zweiten Bande der „Romantischen Dichtungen“ vereint. In unserem Zusammenhange angesehen, ist es nicht befremdend, wie die Behandlung dieses alten religiösen Stoffes in alter religiöser Auffassung für Tieck wirklich ein poetisches Erlebnis werden und wie er später Solger gegenüber sagen konnte: „Es (sc. Solgers Urtheil über „Genoveva“) interessiert mich sehr, weil dieses Gedicht auch ganz aus dem Gemüthe gekommen ist, weil es mich selbst überrascht hat, und gar nicht gemacht sondern geworden ist.“[105] II. Das Volksbuch als Quelle von Tiecks „Genoveva“. Das Volksbuch bildet nach Tiecks eigener Andeutung den Stamm, an den sich verschiedene andere Theile und Theilchen seines Dramas ansetzen. Unsere erste Frage muss daher die nach dem Verhältnisse des Volksbuches zu Tiecks Neudichtung sein. Dieser Untersuchung wird ein Druck der Legende, wie er am Ende des vorigen Jahrhunderts umgieng, zugrunde gelegt und zwar ein Druck jener Fassung, die auf die Martin Cochem’sche Bearbeitung zurückgeht.[106] Es wird sich kaum authentisch feststellen lassen, welcher Druck Tieck 1798 in die Hände fiel. Dies verschlägt jedoch wenig für eine derartige Untersuchung, da diese Volksbücher in ihrem inhaltlichen und vielfach auch im sprachlichen Bestande zu den conservativsten Elementen unserer Literatur gehören. Die Wahl der Grundlage für diese Untersuchung muss eigentlich erst die Untersuchung selbst rechtfertigen. Der Abschied. _Volksbuch, 3 ff._ Die schlichte Erzählung des Volksbuches beginnt mit der glücklichen Ehe, die Graf Siegfried mit Genoveva, der Herzogstochter von Brabant, geschlossen hat und dem Aufgebote des Frankenkönigs „Marcellus“, das Siegfried von der Seite seiner geliebten Gemahlin hinweg in den Mohrenkrieg ruft. Denn der Mohrenkönig „Abdarodam“ ist in Spanien eingefallen und bedroht Frankreich. Der Abschied Siegfrieds von Genoveva ist überaus schmerzlich und kostet die junge Frau eine zweifache Ohnmacht. Siegfried sucht sie zu trösten, gibt ihr seinen treuesten Diener Golo an die Seite und reißt sich los. _Tieck_. Die äußere Lage der Dinge, den drohenden Mohrenkrieg und Karl Martells Aufgebot, das Siegfried zu den Waffen ruft, nimmt Tieck mit kleinen Erweiterungen in den Prolog auf.[107] Aus dem einfachen Abschiede des Volksbuches, dessen einzelne Motive beibehalten werden, entsteht ein reicher Complex von Abschieds-Scenen.[108] Eine kirchliche Abschiedsfeier, ein häuslich-familiärer Abschied Siegfrieds von Genoveva. (Mit Recht lässt es Tieck bei einer einmaligen Ohnmacht bewenden.) Von Siegfried verabschieden sich auch seine Untergebenen, Drago der Haushofmeister, Wolf, ein alter Ritter, und Golo, der zum „Vogt“ über Siegfrieds Haus bestellt wird. Das Abschiednehmen pflanzt sich noch in die unteren Schichten der Unterthanen Siegfrieds fort. Der Köhler Grimoald sagt wehmüthig seinem Sohne Traugott Lebewohl. Endlich erfahren wir noch den Eindruck des Abschiedes auf den Schäfer Heinrich und seine Geliebte Else. Zwischen den kirchlichen und häuslichen Abschied fügt Tieck ein Schäfer-Idyll ein, in dem nur ein paar Erwähnungen des großen Abschiedes auf dem Schlosse uns leise an die Hauptsituation erinnern. Es ist ein genrehaftes Stimmungsbild und macht den Leser mit Golo, Golo selbst mit einem traurigen Liebesliede bekannt, das ihn tief und räthselhaft ergreift. Ein wenig vom Vorleben Genovevas erfahren wir beim Abschiede und abweichend vom Volksbuche lässt Tieck sie eine Waise (damit man leichter erklärlich finde, warum ihr gar niemand in ihrem Elende zuhilfe kommt) und eine Herzogstochter von Burgund sein.[109] Den verballhornten Namen gibt Tieck eine bessere Gestalt. Der Krieg. Das Volksbuch erzählt die Schicksale Siegfrieds im Kriege und die Begebenheiten daheim auf dem Schlosse synchronistisch, bis mit Siegfrieds Rückkehr sich beide Fäden wiedervereinigen. Ebenso sucht Tieck den gleichzeitigen Fortgang der Ereignisse zu Hause und im Kriege dadurch in seinem Drama vorzuführen, dass er mit größter Freiheit des Scenenwechsels uns bald auf den einen, bald auf den anderen Schauplatz führt. _Volksbuch, 5_. Nach dem Eintreffen Siegfrieds und der anderen Fürsten und Herren im Lager des Königs „Marcellus“ geht es in die Schlacht. Das Christenheer besiegt die Mohren trotz ihrer Übermacht. Von den Mohren fallen beiläufig fünfmal soviel als überhaupt kämpfen! Die Geschlagenen fliehen in die Stadt „Arion“ (jedenfalls ein Druckfehler für das spätere „Avion“ S. 15). Die Belagerung der Stadt bringt es mit sich, dass Siegfried „über ein Jahr“ länger als er dachte, ausbleiben muss. „In Gott und dem heiligen Gebet“ sucht indessen Genoveva ihren Trost. _Tieck_. Von Karl Martell wird Siegfried als der letzte, weil entfernteste, erwartet. Diese Zeit des Wartens verkürzt uns der Dichter durch Vorführung verschiedener Lagerscenen. Wir lernen in der ersten derselben den blindgehorsamen Otho und einen raisonnierenden Hauptmann kennen, dann gleich in der nächsten Scene den großen, klugen Feldherrn Karl Martell selbst. Neben diesem steht der feurig vorstürmende, junge Herzog von Aquitanien, der von künftigem Kriegsruhme träumt. Es erscheinen die anmaßenden, stolzen Gesandten des Mohrenfürsten, die von Karl gebürend abgefertigt werden. Nun kommt auch Siegfried an und Karls Streitmacht ist damit beisammen. Die Schlacht könnte beginnen.[110] Tieck wirft aber noch zuvor einen Blick nach Siegfrieds Schloss, wo Genoveva beständig an den Gatten denkt und wie im Volksbuch in Andachtsübungen und Bibellesen Trost sucht, wo Golo bereits in seine Herrin verliebt ist und Wolf, der alte Ritter, seine unheimlichen astrologischen Neuigkeiten zum besten gibt.[111] Nach diesem Intermezzo eröffnet sich eine Nachtscene im saracenischen Lager. Abdorrhaman, der Feldherr, ertheilt seine Befehle. Zulma, seine Geliebte, ist ihm in Kriegerkleidung nachgeeilt, ohne von ihm sogleich erkannt zu werden. Abdorrhaman trägt sich mit ehrgeizigen Plänen und will sich von seinem Kalifen lossagen.[112] Mit einer ähnlichen Versuchung ringt Karl Martell. Für ihn ist es nämlich ein verlockender Gedanke, sich die fränkische Königskrone aufs Haupt zu setzen, nachdem er doch thatsächlich bereits die königliche Macht in Händen hat. Er überwindet die lockenden Einflüsterungen des Ehrgeizes.[113] Nun beginnt der Kampf der beiden Heere. Es eröffnet sich ein weites, reichangelegtes Schlachtbild.[114] Zuerst fliehende Saracenen, deren Muth durch die Tapferkeit ihres Führers neu belebt wird. Das Kampfglück wechselt. Die Christen fliehen und der jugendliche, unvorsichtige, voreilige Aquitanien wird gefangen. Nach den Massenscenen folgen Einzelkämpfe. Ein Vierkampf: Abdorrhaman-Zulma gegen zwei Franken. Die Befreiung des Herzogs von Aquitanien. Kleine Ruhepause. Zweikämpfe zwischen Otho und Derar, zwischen Aquitanien und Abdorrhaman. Schließlicher Sieg der Christen. Nach der Schlacht eine tragische Liebes-Episode zwischen Zulma und Aquitanien. Tieck aber verfolgt das Thema: Krieg und Schlacht noch weiter. Nach vollendeter Feldschlacht gegen den äußeren Feind erscheint in der Ferne der Aufruhr im eigenen Lande des Herzogs von Aquitanien einerseits; andererseits kommt „ein Unbekannter“ voll mysteriöser Gelehrsamkeit zu Karl Martell und entwickelt in prophetischer Rede die welthistorischen Folgen der großen Schlacht, die eben geschlagen wurde. Noch immer ist Tieck nicht zu Ende. Thun wir einen Blick in seine Dichtung nach vorwärts, so sehen wir das Kriegsmotiv noch weiter fortgeführt. Nach dem Kriege im offenen Felde erleben wir die Belagerung von Avignon.[115] (Die Belagerung von „Avion“ erwähnt auch das Volksbuch im Vorübergehen.) Das Motiv erzeugt auch in seiner neuen Wendung Scene auf Scene. Die Mohren sind in einer ihnen feindlichen Stadt eingeschlossen, deren Bürger die Übergabe wünschen. Die Mohren planen einen Ausfall und setzen ihn ins Werk. Nächtlicher Kampf im Lager. Zuerst die Christen in Bedrängnis, danach siegend. Der sterbende und der verwundete Krieger (Otho und Siegfried). Kampf in der Stadt. Zweikampf zwischen Karl und Ali. Nächtlicher Brand in Stadt und Lager. Die Bürger übergeben ihre Stadt den befreundeten Belagerern. Was ist hier aus dem kahlen Berichte des Volksbuches nicht alles geworden! Hier wie in den Eingangs-Scenen der „Genoveva“ wurde thatsächlich die Imagination des Dichters derart „in Bewegung gesetzt“, dass aus den einfachen Thatsachen: schmerzlicher Abschied, Schlacht und Belagerung in Tiecks Phantasie ein wahres Lauffeuer von Motiven und Scenen sich entwickelte. Es sind sozusagen alle möglichen kriegerischen Verwicklungen behandelt, Massenkampf, Einzelkampf, offene Schlacht, Belagerung, äußere Feinde, innere Feinde. Das Motiv soll möglichst erschöpft werden, um in der Dichtung die romantische „Begeisterung des Kriegers“, der für Christus kämpft, lebendig sprechen zu lassen. Drei Seiten des kleinen Volksbüchleins dehnten sich zu mehr als sechzig Seiten in der Tieck’schen Dichtung aus. Golos Liebe. _Volksbuch, 6 ff_. Ausführlicher als in der Erzählung vom Mohrenkriege ergeht sich das Volksbuch in der Schilderung der sündhaften Liebe Golos. Der Satan -- heißt es -- will Genoveva in Schaden bringen. Er gibt darum Golo unkeusche Gedanken ein. Golo gesteht Genoveva seine Wünsche, wird aber mit dem directen Hinweis auf die schuldige Gattentreue strenge von ihr zurückgewiesen. Doch seine Leidenschaft dauert fort und wächst. Nachdem der direct ausgesprochene unsittliche Antrag abgewiesen war, versucht es Golo indirect mit Hilfe eines Bildes. Genovevas Porträt gibt ihm Gelegenheit zu einer zweiten etwas verhüllten Liebeserklärung. Die fromme Gräfin erkennt die Absicht und schickt Golo wieder mit einem scharfen Verweise heim. Die sinnliche Begierde des Zudringlichen steigert sich aber aufs neue und nach der Abendmahlzeit im Garten wagt er einen dritten Versuch, zu seinem Ziele zu gelangen. Er versucht diesmal, die günstige Stunde auszunützen. Genoveva droht jedoch erzürnt, alles ihrem Gatten zu berichten und weist damit jedes Ansinnen von sich. Es wiederholt sich im wesentlichen dreimal die nämliche Scene, und Golo, dem jede Hoffnung auf Erfüllung seiner Wünsche schwindet, sinnt auf Rache. _Tieck_. Wesentlich anders tritt uns Golos Liebe im Werke Tiecks entgegen. Hier sehen wir die Liebe und Leidenschaft entstehen. In der Abschiedsscene ist von Golos Liebe nur in kaum merklichen Andeutungen die Rede. Der Ritter möchte sogar noch in den Krieg ziehen.[116] Bald jedoch wird Golo schwermüthig und eine geheime Macht zieht ihn unbewusst in Genovevas Nähe.[117] Er spricht aber noch kein Wort von Liebe, er weiß sich seinen Zustand nicht zu erklären und möchte ihn am liebsten abschütteln. Golo will (ein künstlerisch feiner Zug!) durch das Singen „der alten Liebesreime“ seine traurige Stimmung vertreiben. In Ausdrücken religiöser Verehrung und Andacht spricht er von seiner reinen Neigung zu Genoveva.[118] Als er aber das Lied des verstoßenen Liebhabers singen will, brechen ihm Thränen hervor; er wird sich seines inneren Zustandes bewusst, er fühlt bereits, dass dieses Lied ihm selbst gilt.[119] Genoveva, die Arglose, merkt nur eben eine Veränderung an Golo, die sie seiner treuen Sorge um Siegfried zuschreibt.[120] Die Leidenschaft des Unglücklichen wird zum zehrenden Feuer; er spricht sie aber noch immer nur in Liedern und versteckten Andeutungen aus, ohne den Namen seiner Geliebten zu verrathen.[121] Die verhaltene Leidenschaft weckt verzweifelte Stimmungen.[122] Das in Liedern verschleierte Liebesgeständnis entspricht (rein äußerlich genommen) dem ersten Antrage des Volksbuches. Tiecks Genoveva nimmt die Sache nicht ernst, sondern für poetische „Erfindung“, für „Schwärmerei“ und lehnt sie als solche in sanfter Weise ab.[123] Indessen gesteht Golo seiner Amme Gertrud, was seine Seele foltert. Es ringen schon reine Liebe und Sinnlichkeit in ihm. Gertrud, die wir erst noch in der Balkon- und in einer Schloss-Scene als Vertraute Genovevas sahen, der diese ihr ganzes Herz enthüllte, zeigt sich nun plötzlich als halbe Kupplerin, was man von ihr nicht vermuthet hätte.[124] Eine halbe Kupplerin, -- denn Tieck sucht das Thun Gertruds mit ihrer närrischen Liebe zu ihrem Pflegesohne beiläufig zu motivieren und so das Abstoßende zu mildern. Darum erzählt die geschwätzige Amme auch mit so liebevoller, wortreicher Freude von Golos Jugend und von seinen Vorzügen.[125] Gertrud richtet Golo aus seiner dumpfen Stimmung zu neuem Muthe und neuer Hoffnung wieder auf und so ist denn auch der abermalige Angriff auf Genovevas Herz eingeleitet, der sich beim Betrachten des Bildnisses der Gräfin abspielt.[126] Das Bild gibt also Golo hier wie im Volksbuch die Gelegenheit zum zweiten Antrage. Auch bei Tieck besieht Genoveva „fürwitzig“ ihr Bild und Golo kommt von ungefähr dazu. Die entscheidende Stelle behandelt Tieck sehr genau nach der Vorlage. Im Volksbuche (Seite 7) fragt Genoveva, „ob er (Golo) vermeinte, dass diesem schönen Stück noch etwas abgehe?“ Da sprach er zu ihr: „Gnädige Frau, wiewohl diesem Bild keine Schönheit mag beykommen, so vermeine ich dannoch, es gehe ihm etwas ab, nemlich dass es lebendig sey, und mir eigentlich zustehe.“ Tieck, 187, 23: ~Genoveva~: „-- -- Zwar hat er mir geschmeichelt, aber sonst Scheint mir dem Bilde nichts zu fehlen.“ ~Golo~: „Nichts?“ ~Genoveva~: „Schaut es nur selber an.“ ~Golo~: „Das geht ihm ab, Dass es nicht lebt und eigen mir gehört.“ Während aber im Volksbuche Genoveva sich „im Antlitz ganz erzürnt“ zeigt, fragt Tiecks Genoveva gar naiv: „Wie meint ihr das, wie kann ein Bildnis leben?“ Als Golo deutlicher wird, hält sie ihn für fieberkrank. Nach dem leidenschaftlichen Ausbruche seiner Empfindung erinnert sie ihn an Siegfried. (Im Volksbuch beim ersten und dritten Antrage.) Erst als Golo sie in seine Arme reißen will, benimmt sie sich ungefähr wie im Volksbuche.[127] Golo ist durch die Abweisung niedergeschmettert. Gertrud sucht ihm wieder Hoffnung zu machen.[128] Seelische und sinnliche Neigung steigern sich in ihm. Um die Abendmahlzeit erwartet er Genoveva im Garten, wie im Volksbuche. Sein hochaufstrebendes Liebesgefühl wird mehr und mehr von sinnlicher Sehnsucht erdrückt. Als Genoveva erscheint, wird Golo zuerst durch die Erinnerung an sein Benehmen in der Porträtscene in Schranken und Mäßigung gehalten.[129] Allmählich bricht sich die Leidenschaft wieder Bahn, erst nur in Worten andeutend, dann immer dringlicher und ungestümer. Genoveva, an der Tieck besonders eine naive, unschuldige Hilflosigkeit, einen Mangel an Verständnis für alles Schlechte herausarbeiten möchte, spricht von Golos Wahnsinn, von Siegfried, sie sieht sich erst einmal um Hilfe um, und nun endlich erfolgt die entschiedene Abweisung und Flucht. Jetzt flammt in Golo neben der Liebe Eifersucht und Rachsucht auf, durch Gertruds Einflüsterungen über Genoveva und Drago veranlasst.[130] Die Liebesverwickelung des Dramas folgt in ihrem äußeren Umrisse (in den drei Stadien) und in manchen Einzelheiten allerdings dem Volksbuche. Tieck schuf jedoch aus dem Rohstoffe hier etwas wesentlich Neues und dichterisch Höherstehendes. Aus der dreimaligen Wiederholung des nämlichen Antrages eines sinnlichen Gesellen sollte ein organisch wachsender psychischer Process mit leisen Übergängen, mit Motivierung der einzelnen Stufen sich entfalten. Der Golo des Volksbuches wird aus dem „treuesten Diener“, für den er wenigstens anfangs gilt, ohne weitere psychologische Aufklärung im Handumdrehen ein rabenschwarzer Bösewicht, der den Einsprechungen des Satans willig Gehör schenkt. So will es die drastische Holzschnittmanier des Volksbuches und so liebt es der einfache Volksbuchleser. Bei Tieck, dem feineren Kunstdichter, lernen wir zunächst einen Ritter voll bezaubernder Liebenswürdigkeit, einen Mann mit herrlichen geistigen und körperlichen Vorzügen kennen, den erst seine sündige Leidenschaft, nachdem er selbst ihr zu widerstehen versucht hat, zu Treubruch und Verbrechen führt.[131] Wenn bisher Tiecks Phantasie die mageren Skizzen des Volksbuches, wie wir zeigten, zu reichen bunten Gemälden erweiterte, so sehen wir hier den Dichter in anderer Weise poetisierend thätig. Das Rohmaterial wird umgeformt, die Charaktere psychologisch tiefer gefasst. Statt der plötzlich fertigen sinnlichen Leidenschaft ein schrittweises Entwickeln und Emporwachsen der Liebe von reiner unbewusster Neigung zum heftigen Sturm sinnlichen Verlangens. Im Volksbuch rückt Golo ohne Scheu direct mit seinen sündigen Anträgen heraus, bei Tieck schlägt er schüchtern allerhand Umwege ein. Der Satan flüstert ihm nicht mehr von außen böse Gedanken in die Seele, sondern er erwacht „als böser Geist“ in Golos Herzen und reißt ihn dem Untergang entgegen.[132] Golo selbst fühlt, dass „der wilde Satan“ ihm sinnliche Phantasien eingibt.[133] Die fortreißende verheerende Leidenschaft dünkt ihm ein „Höllenwerk“.[134] Was im Volksbuch nur wie eine äußerliche Maschinerie erscheint, wird vom Dichter seelisch vertieft und verinnerlicht und so zugleich menschlich erklärt. Das Volksbuch spricht wohl von einer Steigerung des sinnlichen Verlangens in Golo, das ihn zu seiner dreifachen Werbung treibt, aber es bleibt eine bloß quantitative Steigerung der sinnlichen Gier und die drei Anträge sind darum nichts weiter als eine Wiederholung der nämlichen Sache, wenn auch dabei die kleinen Nebenumstände wechseln. Anders wird das Ganze bei Tieck. Wenn hier die Liebe als reine seelische Neigung anhebt und erst allmählich sich die sinnliche Begierde eindrängt, wenn es in Golos Seele erst einen harten Kampf zwischen ehrfürchtiger Verehrung und niedrigem Verlangen gibt, bis die sinnliche Leidenschaft dem aufwärtsstrebenden Zuge des Gemüthes obsiegt, bis alles „geht bergunter zur Nacht hinunter“, so hat der Dichter damit eine innere Grundlage für einen dreifachen Liebesantrag gewonnen, der dann keine einförmige Wiederholung mehr ist. Zu dieser inneren Motivierung und Ausgleichung kommt noch eine äußere, das Eingreifen der Amme Gertrud in den Gang der Entwickelung, wie er oben geschildert wurde. Sie bestärkt Golo in seinen Irrgängen nicht aus Bosheit, sondern aus falscher Liebe. Golo lässt sich die Zweifel über das Recht seiner Liebe ausreden und ist nun nicht mehr allein schuldig. Diese Gestalt tritt im Volksbuch erst nach der Gefangensetzung Genovevas in Thätigkeit. Während man den Bösewicht Golo im Volksbuch von Anfang an verachten muss, gewinnt der ursprünglich gutgesinnte und herrliche Ritter, den seine unglückliche Liebesleidenschaft ins Verderben stürzt, unsere Theilnahme. Um diesen Entwickelungsgang in Golos Liebe zu ermöglichen, durfte Genoveva nicht das Wesen der Volksbuchheiligen beibehalten. Diese treue, strenge, energische Ehefrau, wie die Volksbuchlegende sie vorführt, würde ohne viel Umstände dem Liebeswerben Golos nach der ersten Annäherung ein jähes Ende bereiten, und jenes Austönenlassen der Liebesempfindung in allen Graden und sogar in ihrer Gegenwart selbst, darin sich Tiecks Golo gefällt, fände keinen Raum mehr. Für eine dramatische Concentration des Stoffes wäre gewiss ein einmaliger psychologisch motivierter Zusammenstoß wirksamer (Golos Leidenschaft könnte keimen und wachsen, ohne dass er ein Geständnis wagte): allein auf eine strenge Erfüllung dramatischer Anforderungen verzichtet Tieck in dieser Dichtung von vornherein. Die Umbildung, die sich Genoveva in Tiecks Phantasie gefallen lässt, gereicht ihr nicht ganz zum Vortheil. Sie muss sich (künstlerisch genommen) eben Golo fügen, der in diesen Partien des Buches als Alleinherrscher erscheint. Die strenge Frau des Volksbuches wird zu einem naiven, arglos unschuldigen, unentschiedenen, fast schwächlichen Wesen, jedoch zu einem Wesen von höchster Seelenreinheit, zu einem Wesen voll nichts ahnender Unschuld umgeschaffen, und aus ihrer kindlichen Herzensunschuld soll wohl ihre Arglosigkeit entspringen, aus dieser naiven Arglosigkeit ihr schier unbegreiflich gütiges, bis zur Schwäche nachsichtiges Benehmen gegen Golo. Ob es dem Dichter gelang, dies glaubhaft zu machen, ist noch eine Frage für sich. Übrigens hängt dieser passive Charakter Genovevas noch mit der eigenthümlichen Schleiermacher-Tieck’schen Religions-Auffassung zusammen. Das Charakteristische für diesen Theil der neuen Dichtung ist: Tieck nimmt für Golos Liebe aus der Vorlage das äußere Schema, hebt es aber dadurch zu feinerer poetischer Gestaltung empor, dass er es in eigener Weise vertieft und belebt und auch ethisch verständlicher macht. Genovevas Gefangennahme. _Volksbuch, 8 ff_. Genovevas Freundlichkeit gegen den frommen Küchenmeister Dragones benützt der rachsüchtige Golo als willkommenen Anlass, die Gräfin bei seinen Freunden zu verdächtigen. Golo bringt einige Diener auf seine Seite, schickt eines Tages Dragones, „den frommen Tropf“, in Genovevas Zimmer, ertappt ihn daselbst, beschuldigt ihn und Genoveva wegen dieses Vorfalles des Schlimmsten und spricht von Liebespulver, das der Koch der Gräfin beigebracht haben soll. Diese Verdächtigung spricht Golo den Dienern gegenüber aus, dann ruft er Dragones zu sich und lässt ihn nach einer längeren Anklagerede in den tiefsten Thurm werfen. Dragones beschwört wohl erschreckt seine Unschuld. Es nützt ihm nichts. Er muss in den Thurm und schließlich in der Haft zugrunde gehen. (Dass er vergiftet wird, erzählt das Volksbuch erst später.) Als Dragones todt ist, erhebt Golo seine Anklage gegen Genoveva und sperrt sie „bis auf weitere Ordre des Herrn Grafen“ ein. Die Gefangennahme war „erbärmlich“ anzusehen. Die Unbild gieng Genoveva, der schwangeren Frau, zu Herzen, und sie klagte Gott ihre Unschuld. _Tieck_. Unser Romantiker verwendet alles Wesentliche auch für seine Darstellung der Rache Golos, jedoch mit mehreren Änderungen. Durch Gertrud wird Golo auf Drago aufmerksam gemacht und durch ihre Worte wird die Rache und Eifersucht auf den harmlosen Hausmeister hingelenkt.[135] Während Genoveva und Drago sich über die Bedeutung und christliche Auffassung der irdischen Leiden besprechen, werden sie von Golo und seinem Anhange überfallen. Dass Golo bereits Machinationen im Sinne der Volksbucherzählung angestellt hat, ersieht man aus ein paar unklaren Andeutungen.[136] Das lange, schwerfällige Hin und Her des Volksbuches, das dort die Einkerkerung der beiden einleitet und begleitet, lässt Tieck, der dramatischen Form seiner Dichtung Rechnung tragend, hier ganz gut fallen. Drago ist auch in Tiecks Dichtung ein „frommer, andächtiger“ Mensch, doch nicht gerade ein einfältiger „Tropf“, wie ihn das Volksbuch nennt. Er ist vielmehr lernbegierig,[137] er weiß seiner Gebieterin manches im Legendenbuche, sogar „lateinische Redensarten“ zu erklären[138] (etwas viel zwar für einen Koch auf einer mittelalterlichen Ritterburg) und pflegt mit ihr weitläufige religiös-didaktische Erörterungen.[139] Er ist geradezu an die Stelle des Kapellans getreten. Während Dragones im Volksbuch erst, als von Golos Rache die Rede ist, erwähnt wird, lässt ihn Tieck schon von Anfang an wenigstens nebenbei auf die Bühne treten. Auch hier erwirbt ihm seine Frömmigkeit die freundliche Geneigtheit Genovevas. Beim Überfall betheuert er auch verzagt und erschreckt seine Unschuld, wird aber in den Thurm geworfen und soll dort sein Grab finden.[140] Da Genoveva gleichzeitig eingekerkert wird, so muss sie in einen „andern Thurm“ wandern. Neu führt Tieck neben der Rachgier das Motiv der Eifersucht[141] ein, lässt es aber gleich wieder fallen. Im Volksbuch gewinnt Golo einige Diener für seinen Racheplan. Eine Spur davon blieb im Trinkgelde, mit dem Benno, der Helfershelfer, und die Dienerschaft von Golo bedacht werden.[142] Auch Tiecks Golo redet seinen zweifelhaften Anhang als „Freunde“ an und beruft sich auf seine Pflicht, die Ehre des Grafen zu schützen, auf seine Verantwortung, die er dem rückkehrenden Siegfried schulde.[143] Wenn es im Volksbuch „erbärmlich“ anzusehen ist, wie man die unschuldige Gräfin in die Gefangenschaft schleppt, so gibt uns diesen Eindruck auch das Gespräch zwischen Wendelin und Else wieder.[144] Genoveva sagt mit der hohen Sicherheit der Unschuld bloß zu Golo: „Du, Golo, weißt, ich brauch’ mich nicht zu schämen.“ Man erwartet, dass Genoveva für ihren unschuldigen Leidensgenossen ein Wort sprechen würde und umgekehrt. Von Benno, dem Echo Golos, hören wir, dass Genoveva „im Thurm bleiben wird, bis der Herr Graf wieder da ist, dann mag er sie richten“. Die Schwangerschaft Genovevas und das Betonen ihrer Unschuld kehrt bei Tieck in einer monologischen Klage wieder.[145] Tieck vereinfacht hier die unbeholfen weitläufige Erzählung der Vorlage. Dragones’ Gestalt wird gehoben. Gertrud greift in der Weise intriguierend ein, dass Golo wieder ein wenig von der Schuld entlastet wird. Die unerquicklich lange Geschichte der zweifachen Verhaftung wird dramatisch zu einer einzigen gleichzeitigen zusammengezogen. Der Kapellan ist todt, der alte Wolf krank, um Genovevas Hilflosigkeit ins stärkste Licht zu setzen. Im Unglück wird Tiecks Heilige, die erst noch schwächlich und willenlahm erschien, zur würdevollen Dulderin, die uns Rührung und Achtung einflößt. Hier wie sonst im Drama klingen (und das ist Tiecks Beigabe) die Geschicke der Hauptpersonen in den Nebenscenen nach und hier wie im vorhergehenden wechseln Kriegsscenen und Schloss-Scenen, das einemal contrastierend, das anderemal in Parallele gestellt. Genovevas Kerkerhaft. _Volksbuch, 11 ff_. In den Kerker Genovevas hat außer Golo nur dessen Amme Zutritt. Diese beiden sind es, welche der Gefangenen schwere Tage bereiten. Golo besucht sie und will sie durch jedes Mittel seinen Wünschen gefügig machen, durch gute und böse Worte, durch Verheißungen und Drohungen, durch Liebkosen und Schmeicheln. Aber umsonst! Einmal stößt ihn Genoveva „mit der Faust“ zurück und weist ihn, indem sie ihn an ihr Seelenheil erinnert, mit größter Entschiedenheit ab. Sie will lieber sterben, lieber im Kerker verfaulen, als den Wünschen des Verführers irgendwie entgegenkommen. An einer späteren Stelle heißt es, Genoveva sei „täglich von dem tyrannischen Golo mit Schmähworten gespeiset worden“. Um den Willen der Widerstrebenden doch zu beugen, dingt Golo noch seine Amme, die es an Zureden bei Genoveva nicht fehlen lässt. Die „lose Vettel“ schlägt der Armen auch jede Hilfeleistung für die bevorstehende Entbindung ab. Sie bringt Golo bald darauf die Nachricht, dass nunmehr zwei Gefangene im Thurme wären und sagt ihm vom Elende der Wöchnerin. Selbst bewegt durch diese Noth, sucht sie bei Golo einige Bequemlichkeit für die Unglückliche zu erbitten. Nur ein wenig mehr Wasser und Brot wird bewilligt. _Tieck_. Was Tieck in seiner Quelle vorfindet, verwertet er wieder alles ziemlich sorgfältig. Wir finden das einemal Golo bei Genoveva, wie er mit Bitten, Drohen und Verheißungen um ihre Neigung wirbt; aber von Genovevas Persönlichkeit überwältigt und zur Ehrfurcht gezwungen, entfernt er sich. Dieser schöne Zug, dass vor der hohen Seelenreinheit und heiligen Unschuld der sittenstrengen Frau der Begehrliche unwillkürlich zurückweicht, ist Tiecks Zugabe und dieser nämliche Gedanke schimmert auch sonst noch ein paarmal im Drama durch.[146] In einer anderen Scene tritt Golo höhnisch vor die Dulderin, auch wieder verheißend und bittend. Genoveva wehrt ihn mit kräftigen Worten ab, sie will lieber „sterben und verderben“, als ihm die geringste Gunst erweisen. Alles Drohen, Bitten und Klagen ist unnütz und da schließlich Genoveva den Bedränger zur Reue mahnt, verlässt er sie mit rohen Schimpfreden.[147] Während im Volksbuch die Amme erst an dieser Stelle erscheint, kennen wir Tiecks Gertrud bereits längere Zeit. Sie spielt hier der Gefangenen gegenüber fast die gleiche Rolle wie im Volksbuch. Sie sucht auch hier Genoveva im Sinne Golos zu bereden, wenigstens ein freundliches Wort für ihn zu erwirken.[148] Doch es geschieht hier nicht bloß in boshafter kupplerischer Weise, wie man es im Volksbuch wohl auffassen muss, sondern falsche Liebe und sträfliches Mitleid mit dem hinsiechenden Pflegesohne sprechen auch ein entscheidendes Wort mit. Der Wöchnerin wird zwar die nothwendigste Pflege ebenfalls verweigert, aber nicht auf Gertruds Anstiften. Diese weicht der Bitte Genovevas bloß aus. Die Nachricht von der Geburt des Kindes und der schlimmen Lage der Mutter überbringt Gertrud mit ganz ähnlichen Worten wie ihr Vorbild.[149] Das Mitleid mit der Hilflosen äußert sich bei Gertrud viel lauter und energischer, als bei der Amme im Volksbuch; jene widerliche „Vettel“ bekommt auch hier wie sonst ein menschlicheres Ansehen. Der Hinweis auf die Jagdhunde wird in Gertruds Bitte nicht vergessen. Durch das gesteigerte Mitleid vergütet Tieck einigermaßen den abstoßenden Eindruck, den das kupplerische Gebaren dieses Weibes im vorhergehenden Theile der Dichtung machte. Die Sachlage verschiebt sich ein wenig. Es erscheint nämlich bei Tieck Golo als der hartherzige. Er gewährt die Bitte der Amme nur, um die Lästige loszubekommen. Auch den Bitten und Zureden seines sterbenden Pflegevaters Wolf schenkt er kein Gehör und will nur seine Rache kühlen.[150] Die größere Rachsucht des verschmähten Buhlers soll der tieferen und heißeren Leidenschaft entsprechen. So deutet es Tieck selbst ungefähr an.[151] Dieser Gegensatz ist bedeutend und psychologisch richtig. Kriegsscenen sowie die Episode vom sterbenden Wolf treten wieder zwischen die Scenen der Haupthandlung. Golos Bericht an Siegfried. _Volksbuch, 15 ff_. Siegfried konnte von den Vorgängen auf seinem Schlosse bisher nichts erfahren, weil aus Furcht vor Golo es niemand wagte, ihm zu berichten. Siegfried muss auch seiner Wunde wegen länger, als er verhoffte, im Felde bleiben. Zwei Monate nach der Geburt Schmerzenreichs sendet Golo einen Diener zu Siegfried mit einem Briefe, dessen Inhalt das Geschehene verleumderisch andeutet. Die Wunde des Grafen verschlimmert sich darüber. Der Diener berichtet ausführlicher, wie Genoveva mit dem Koche verdächtige Gemeinschaft hatte. Öftere Ermahnungen hätten nichts gefruchtet. Darum mussten beide eingesperrt werden. Auch das Kind wird von den Hofleuten dem Koch zugeschrieben. Ein Monat sei ja erst seit der Geburt desselben verflossen und der Graf ist bereits eilf Monate fort. Siegfried wüthet und lästert auf Genoveva und den Koch. Nach langem Besinnen gibt er den Befehl, die Gräfin von allem Verkehre abzuschließen und den Koch „unter verdienten Martern“ zu tödten. Mit diesem Befehle kommt der Diener zu Golo. Der Koch wird vergiftet und sammt seinen Ketten in einer abscheulichen Grube vergraben. Genoveva ist ohnehin schon im engsten Gewahrsam. Golo aber fürchtet entdeckt zu werden, falls Genoveva am Leben bleibt. Denn viele am Hofe missbilligen sein Thun. _Tieck_. Tieck schaltet vor der Absendung des Boten noch Genovevas Klage im Gefängnisse, sowie Heinrichs des Schäfers Hochzeit als Contrast-Episoden ein.[152] Dann hören wir Golos Auftrag an Benno.[153] Dieser soll die seit Genovevas Niederkunft verflossene Zeit falsch angeben. Eine kurze Klage Grimoalds um seinen gefallenen Sohn[154] leitet vom Hause zum Lager über. Hier sehen wir die Wirkung der Botschaft auf Siegfried, die sich, wie im Volksbuche, in einer Verschlimmerung der Wunde äußerlich zeigt. Auch Benno bedauert, wie der Diener im Volksbuche, solch schlimme Botschaft bringen zu müssen. Auch Tiecks Siegfried wüthet: „O schmachvoll Weib, o heuchlerische Schlange...“ Den Inhalt des Briefes im Volksbuch (Golo fürchtet Siegfried zu betrüben. -- Alle Hausgenossen haben umsonst sorgsam gewacht, wie die gräflichen Verwandten bezeugen können. -- Der Bote wird glaubwürdig berichten. -- Der Graf möge seinen Willen kundthun) verwendet Tieck dramatisierend für Bennos Reden. Siegfried hat zu wenig aus dem Briefe erfahren. Das motiviert den Bericht Bennos, der die wesentlichen Punkte der falschen Anklage wie im Volksbuche wiedergibt und dazu noch das (im Volksbuche früher erwähnte) Liebespulver fügt.[155] Die raffinierte Art, wie Benno durch seine Erzählung Siegfrieds Entrüstung steigert und in diese Scene wirklich dramatisches Leben bringt, ist Tiecks Eigenthum. Drago soll „nach dem Gesetze“, nicht unter Martern sterben. Siegfried gibt in seinem Zorne ohne langes Besinnen den Befehl zu Dragos Hinrichtung und Genovevas strengem Gewahrsam. Wir erfahren noch von Golos Besorgnis vor Siegfrieds Rückkehr. Auch manche Hofleute sind mit ihm unzufrieden. Gertrud räth, ihre Schwester, die Zauberin in Straßburg, zuhilfe zu nehmen, um Siegfried gründlicher zu bethören. Diese Scene muss zugleich die Zeit der Rückreise Bennos ausfüllen helfen. Nach dieser Abmachung wird Drago hinter der Scene vergiftet.[156] Die Hauptpunkte stimmen also mit der Vorlage. Rohes und Hässliches wird gemildert. Einzelne Züge werden geschickt an eine andere, dramatisch tauglichere Stelle gerückt. Bei der Hexe in Straßburg. _Volksbuch, 18 ff_. Golo reitet Siegfried bis Straßburg entgegen und sucht hier zuerst die Schwester seiner Amme, ein scheinheiliges Weib und Hexe ihres Zeichens, auf. Diese wird von Golo bezahlt, um Siegfried „ein Gespenst daher zu machen“. Bei Siegfried erzählt Golo wieder seine Lügengeschichte und stellt sich schmerzlich berührt über das Unglück, das seinen Herrn getroffen. Er hat den Koch heimlich hinrichten lassen, um die Schande der Gräfin mehr zu verdecken. Der Graf glaubt den Aussagen nicht ganz sicher. Golo weist ihn daher an die „heilige Matrone“. Bei Anbruch der Nacht begeben sich beide dorthin. Siegfried richtet seine Frage an die Alte. Die Hexe stellt sich recht demüthig an und führt ihre Gäste in einen dunkeln Keller, „in welchem ein grünes Licht brennete, so einen blauen Schein von sich gab“. Die beiden Männer treten in zwei gezogene Kreise, die Hexe murmelt über einem Spiegel, der im Wasser liegt, geheime Worte, macht wunderbare Segen und anderen Zauberhocuspocus, so dass Siegfried dabei ein Schauer anfasst. Sie lässt ihn im Spiegel den Ehebruch seiner Gattin sehen, der sich in drei Stadien entwickelt: freundliches Reden und Liebkosen, Wangenstreicheln und Küssen, endlich das Schlimmste selbst. Siegfried erröthet für Genoveva. Er „speyete gleichsam Feuer“ und schickt Golo mit dem Auftrag fort, Genoveva und ihr Kind eines schändlichen Todes sterben zu lassen. Nach Golos Heimkehr verräth das Töchterchen der Amme der gefangenen Genoveva durchs Kerkerfenster ihr bevorstehendes Los und bringt der unschuldig Verurtheilten Feder und Tinte, womit diese den Reinigungsbrief schreibt. _Tieck_. Schon bei der Berathung Golos mit Gertrud hörten wir von Winfreda, der Schwester Gertruds. Es heißt, dass sich diese Hexe auf Künste verstehe, bei denen „sich die Haare aufrichten“. Diese soll Siegfried „ein Blendwerk vormachen“. In Straßburg sehen wir, wie Golo die Hexe durch Geschenke für sich gewinnt und (seltsamerweise) sich selbst Aufschlüsse über seine Herkunft geben lässt, also an ihre Kunst glaubt.[157] Dann geht er wie im Volksbuch zu Siegfried, der den Nachrichten über Genoveva nicht ganz traut. Tieck scheint wieder Golo entlasten und die Schuld auf andere wälzen zu wollen. Golo, auch hier wie im Volksbuch, voll heuchlerischer Theilnahme, berichtet Dragos Hinrichtung wie in der Legende und weist zur vollen Beglaubigung seiner Aussagen Siegfried an die Weissagerin. Siegfried äußert religiöse Bedenken gegen die Zauberei, über die ihn Golo beschwichtigt. Mit Anbruch der Nacht begeben sich beide zur Hexe.[158] Siegfried behandelt sie als eine „heilige Frau“. Sie stellt sich demüthig und bei ihren geheimnisvollen Reden erfasst den Grafen ein Schauer, es sträuben sich seine Haare. Er trägt seine Bitte vor. Er bekommt auch im Spiegel das Verlangte zu sehen. Dieser Zauberspiegel liegt hier nicht im Wasser, sondern „hängt an seinem Orte“. Nachdem die Hexe ihre Formeln gesprochen hat, sieht Siegfried die nämlichen Vorgänge wie im Volksbuche abgespiegelt: freundliches Gespräch, Wangenstreicheln, „Niedersinken in die Laube“. Auch hier muss Siegfried für Genoveva erröthen. Es folgen Siegfrieds Zorn und der Befehl, Genoveva sammt dem Kinde zu tödten. (Der „schändliche“ Tod fällt bei Tieck weg.)[159] Tieck gibt zur Erzählung der Legende nur den mysteriösen Inhalt der Zaubersprüche, einige andere geheimnisvolle Reden der Hexe, Siegfrieds Bedenken gegen die Zauberei, Golos Frage nach seiner Herkunft und eine phantastischere Decoration des Hexen-Haushaltes hinzu. Sehen wir noch vom Hängen des Zauberspiegels ab, so folgt alles übrige der Vorlage. Nach Golos Heimkunft weint im Drama wie im Volksbuch das Töchterlein der Amme vor dem Kerkerfenster am Thurme und kündigt der Gefangenen ihr Schicksal an. Diese erbittet sich Papier und Tinte, um ihren Reinigungsbrief zu schreiben, dessen Inhalt das Volksbuch an dieser Stelle, Tieck später bei der Auffindung des Briefes durch Siegfried mittheilt.[160] Die Klage Genovevas im Volksbuche fehlt bei Tieck. Genoveva und die Mörder. -- Ihre Rettung. _Volksbuch, 22 ff_. Golo gibt früh morgens zweien von seinen treuesten Dienern den Befehl, Genoveva und ihr Kind zu tödten. Sie soll in den Wald geführt und als Wahrzeichen der vollführten That sollen Augen und Zunge zurückgebracht werden. Die genaue Ausführung seiner Anordnung verspricht Golo zu belohnen, die Vernachlässigung strengstens zu bestrafen. Die Diener führen das „unschuldige Schäflein“ und das „unschuldige Lämmlein“ in den Wald hinaus. Genoveva beklagt den frühen Verlust ihres Kindes. Die Diener sind dabei so gerührt, dass sie sich schweren Herzens an ihr Werk machen. Genoveva darf sich aber erst noch zum Tode bereiten. Während sie im Gebete kniet, wollen die beiden das Kind umbringen. Genoveva springt auf, hält sie zurück und verlangt, zuerst sterben zu dürfen. Sie zeigt aber den Beiden Mördern auch das Verwerfliche ihres Vorhabens, da sie unschuldiges Blut vergießen wollen. Beide fühlen sich durch Genovevas Worte so getroffen, dass sie der Unschuldigen das Leben schenken gegen das Versprechen, dass sie beständig im Walde bleibe. Als falsche Wahrzeichen des vollführten Mordes bringen sie Augen und Zunge eines Windspieles heim. Golo lässt die „Hurenaugen“ den Hunden vorwerfen. _Tieck_. Im Drama ist wieder das Meiste beibehalten, nur einzelne Änderungen und Erweiterungen gestattet sich der Dichter. So müssen sich die beiden Mörder erst Muth antrinken: ein realistisch gehaltenes Motiv, wie es sonst nicht oft in der „Genoveva“ begegnet. Das Ganze wickelt sich auch bei Tieck früh morgens ab, nur wird hier ein trüber Herbstmorgen zugleich stimmungsvoller Hintergrund; denn hier wie sonst ist Tiecks Verhältnis zur Natur und ihrer Stimmung ein ganz eigenes, während das Volksbuch sich für eine sentimentale Naturauffassung nirgends interessiert.[161] Wir erfahren die Wegführung Genovevas aus Wendelins und Elsens Gespräch.[162] Was das Volksbuch hier von der Rührung beider Mörder sagt,[163] gilt nur von einem bei Tieck, von Grimoald mit dem weichen Gemüthe; dieser muss erst den rohen Benno von seinem Vorhaben abbringen: das Einfache wird differenziert und ein Contrast herausgearbeitet. Genovevas Rechtfertigungsrede ist bei Tieck sehr breit behandelt. Das Kind wird auch hier das „liebe Lamm“ genannt.[164] Ein wesentlicher neuer Zug an Tiecks Golo ist es, dass dieser in den Wald nacheilt, um Genoveva zu retten und über die vermeintlich geschehene That ernste Reue zeigt; das Volksbuch weiß nichts von einer Reue Golos. Das rohe Gebot Golos, die Augen den Hunden vorzuwerfen, lässt Tieck dementsprechend weg. Grimoald mag nimmer im Lande bleiben, in dem so schlimme Dinge geschehen.[165] Das Wichtigste ist in diesem Abschnitt, dass uns Golo wieder menschlich nähergebracht werden soll. Er, der uns durch Härte und Roheit schon beinahe abstieß, bekommt wieder ein paar Lichtseiten. Während das Volksbuch nach dem Gerichte über Genoveva ohne Unterbrechung die siebenjährige Verbannung im Walde schildert, nimmt Tieck nur ein kleines Stück davon voraus, um die Pause bis zu Siegfrieds Heimkunft auszufüllen. Wir werden zugleich über Genovevas Schicksal beruhigt, nachdem unsere Theilnahme schon den Höhepunkt erreicht hat, und wir werden durch das Wunder mit der Hirschkuh auf weitere Wunder vorbereitet. Die tragische Periode erhält nach dem Ausspruche eines befreundeten Kritikers so ein „rührendes Ende“.[166] Alle Erlebnisse der ersten Tage in der Einsamkeit, wie sie die Legende erzählt, verwebt Tieck in den Monolog Genovevas. Tiecks charakteristische Zugabe ist Genovevas Anruf an die Natur.[167] Siegfrieds Reue. _Volksbuch, 41 ff_. Statt die Erzählung des einsamen Lebens fortzusetzen, wie das Volksbuch thut, führt das Drama die Ereignisse nach Siegfrieds Heimkehr vor. Wir müssen daher zum Vergleiche den Anfang des folgenden Abschnittes der Legende vorausnehmen. Siegfried bekommt etliche Tage nach der Rückkehr Gewissensbisse darüber, dass er Genoveva ungerecht ohne Richterspruch verurtheilt habe. Im Traume sieht er, wie ein Drache sein geliebtes Weib entführt und das verstärkt seine Reue. Golo deutet den Traum mit Benützung des Namens „Dragones“ auf den Koch und sucht Siegfried aus seinen melancholischen Träumen aufzurütteln. Dazu veranstaltet er allerlei Kurzweil, wie Jagen, Rennen, Gastereien, Tanz und Besuch von Freunden. Doch alles dies kann Siegfrieds Herzenswunde nicht heilen. Nun findet der Graf noch Genovevas Brief, dessen Inhalt ihn mit großem Herzeleid erfüllt und er hätte Golo im Zorne getödtet, wenn dieser nicht eben auf einige Tage sich entfernt hätte. Hernach weiß der Arglistige wieder den Grafen zu seinen Gunsten umzustimmen. Doch gelingt dies nicht auf die Dauer, so dass es Golo am Hofe unheimlich zu werden anfangt und er aus dem Lande flieht. _Tieck_. Das Volksbuch ist für alles Wichtigere im Drama der Ausgangspunkt. Siegfrieds Reue, sein Traum, Golos Deutung desselben, sowie sein Bemühen um Siegfrieds Zerstreuung: alles kehrt auch bei Tieck wieder.[168] Um die Art der Wiederauffindung Genovevas anzudeuten und aus besonderer Vorliebe für die dichterische Schilderung freier Waldnatur sucht sich der romantische Dichter von den verschiedenen Belustigungen gerade die Jagd heraus, um sie in eigenen Scenen zu entfalten.[169] Tieck eigenthümlich ist die Art, wie Golo während der lustigen Jagd in schmerzliche Erinnerungen an der Stelle versinkt, wo „Genovevas Augen und Zunge“ begraben sind.[170] Allein dieser Ort ist für die ernste, wehmüthige Empfindungsaussprache kaum glücklich gewählt. Das schöne, alte, poetische Motiv von Blumen, die an der geliebten Stelle aufsprießen, bekommt einen Stich ins Komische, wenn wir wissen, dass nur Augen und Zunge eines untergeschobenen Vierfüßlers hier begraben liegen. Die Flucht Golos mit Benno wird erst beschlossen und dann wirklich ausgeführt,[171] aber es ist nicht eine Flucht „außer Landes“, sondern in echt romantischer Weise eine Flucht in die verlassenste Waldeinsamkeit. Auch bei Tieck findet Siegfried vorher den Brief seiner Gattin, der in Form eines Sonettes abgefasst ist, den -- und das ist dramatisch gut berechnet -- Golo selbst lesen muss. Der Inhalt stimmt im wesentlichen mit der Vorlage. (Abschiednehmen. -- Unschuldbetheuerung. -- Verzeihen der erlittenen Ungerechtigkeit. -- Die Irreführung durch einen bösen Mann hat alles verschuldet.) Golos Entschuldigung ist dieselbe wie im Volksbuche, nur etwas ausführlicher. Siegfried lässt sich hier wie in der Legende recht schnell umstimmen.[172] Golo flieht in sein Waldversteck. Die sieben Jahre. Die Erlebnisse Siegfrieds und Genovevas innerhalb dieser Jahre lässt Tieck durch den heil. Bonifacius episch berichten.[173] Hier folgt Tieck fast überall auf das genaueste der Erzählung des Volksbuches, einmal, weil ihn Inhalt und Erzählung der Vorlage besonders ansprachen, wie er selbst andeutet, und weil ferner die epische Technik weit weniger Änderungen forderte als die dramatische. Zuerst lässt Tieck seinen heil. Bonifacius erzählen, was auf dem Schlosse Siegfrieds vorgieng. Dragos Geist erscheint nächtlicherweile dem Grafen und führt ihn unter schaurigen Geberden in den Zwinger der Burg, wo der Leichnam des Gemordeten eingescharrt worden war. Siegfried lässt die irdischen Reste Dragos an einem angemesseneren Orte zur Erde bestatten und Seelenmessen für den Verstorbenen lesen, dessen Geist nun Ruhe findet. Siegfried erkennt aus dem ganzen Vorgange, dass Genoveva und Drago unschuldig sind. Tieck folgt in der Schilderung dieser Vorgänge allenthalben, selbst in den Nebenumständen, der Erzählung des Volksbuches. Nur das Schlagen des Geistes an die Thür und sein Auf- und Abgehen im Zimmer Siegfrieds wird -- vielleicht als ungespenstisch -- weggelassen. Und während Dragos Leichnam nach dem Volksbuch in einer „abscheulichen“ Grube verscharrt wurde, gibt Tieck als Ort den Zwinger an. Mit der Erwähnung von Genovevas Unschuld führt uns der Dichter in einem äußerlichen Übergange zur Verbannten selbst in die Wüste, um uns ihre und ihres Kindes Geschicke durch den heil. Bonifacius erzählen zu lassen. Ihre Leiden und Entbehrungen, die himmlischen Wunder und Tröstungen, der trauliche Verkehr Schmerzenreichs mit den Waldthierlein und die frommen Gespräche zwischen Genoveva und Schmerzenreich, alles wird Zug für Zug im Anschluss an das Volksbuch dargestellt. Ganz wenig nur wird von Tieck abgeändert. Das Volksbuch erwähnt z. B., dass Schmerzenreich sich bald seines traurigen Daseins bewusst wurde und mit der Mutter weinte: Tieck übergeht diesen Zug. Dafür gestaltet er das wunderbare Begebnis mit dem himmlischen Crucifix, das die Hand nach Genoveva ausstreckt, dadurch reicher, dass er während des Wunders einen unsichtbaren Chor, wie aus Engels Mund, singen lässt. Dieses Wunder nimmt eben eine poetisch weit höhere Stellung ein, als jenes natürlich alltägliche Ereignis. Tiecks Erweiterung sind auch die zwei Strophen, mit denen Bonifacius seine Erzählung einleitet[174] und ebenso drei Strophen der Trostrede, die Christus an Genoveva richtet.[175] Für die didaktische und moralisierende Anrede an den Leser: „O laß uns alle diesen Wandel führen...“ fand Tieck an einer anderen Stelle des Volksbuches Anregung und Vorbild, nämlich in dem Gebete: „O gottseelige Genoveva!... Ach theile mit mir deine Reinigkeit, und erwerbe mir bey Gott, deiner Tugend nachzufolgen.“[176] Der letzte Theil der epischen Einschaltung, die Bonifacius vorträgt, beschäftigt sich mit Schmerzenreich und nach dem Abgehen des Rhapsoden folgt ein religiöses, erbauliches Gespräch zwischen Genoveva und dem Kinde. Auch hier wird alles beibehalten, was Tieck in der Vorlage fand. Die Abweichungen von der Legende zeigen sich nur in geringfügigen Nebendingen und es ist nicht ausgeschlossen, dass auch der Reim der achtzeiligen Stanze an solchen kleinen inhaltlichen Verschiebungen schuld ist. Wie enge sich hier Tieck stellenweise an die Vorlage anschließt, mag ein Beispiel zeigen. S. 37 f. erzählt das Volksbuch: „Es fiengen auch die wilden Thiere von selbiger Zeit an mit ihnen gar gemein zu werden; daher sie täglich zu ihnen kamen, und dem lieben Kind manche Kurzweile machten; er ritte vielmal auf dem Wolf, der ihm das Schaafsfell gebracht hatte, und spielte oftmals mit den Haasen und anderen Thieren, so um dasselbige herumliefen. Die Vöglein flogen ihm gewöhnlich auf die Hand und Häuptlein, und erfreueten Kind und Mutter mit ihrem lieblichen Gesang. Wenn das Kind ausgienge, für die Mutter Kräuter zu suchen, so liefen unterschiedliche Thiere mit ihm, und zeigten ihm mit ihren Füssen, welches gute Kräuter wären. Es hatte auch die fromme Mutter große Freude in seiner Konversation, und verwunderte sich vielmal über seine weislichen Fragen und Antworten; sie lehrte ihn auch das Vater Unser und andere Gebetlein beten“, etc. Die entsprechenden Strophen bei Tieck lauten: „Es wurde auch das Wild zur selben Zeit Mit ihnen gar vertraulich und gemein, Das liebe Kind hat daran manche Freud’, Daß sie um ihn so schön ergötzlich sein. Er ritt auf seinem Wolf gar oftmals weit In Wald, die Hasen liefen hinterdrein, Die Vöglein sich auf Hand und Häuptlein schwungen, Erquickten ihn und sie, so wie sie sungen. Ging’s Kindlein aus, um Kräuter aufzulesen, So liefen auch die frommen Tierlein mit, Und zeigten ihm die guten von den bösen Mit ihren Füßen, folgten jedem Schritt: Dann kehrt’ er freudig, war er ausgewesen, Und brachte seiner Mutter Essen mit, Dann lehrte sie ihn Vater Unser sagen, Liebkosend in den schönen Sommertagen.“[177] Reim und Strophenform bedingen hie und da kleine inhaltliche Änderungen, besonders Erweiterungen. Das lässt sich schon am beigebrachten Beispiele verfolgen und das gilt auch für das darauffolgende Gespräch zwischen Genoveva und Schmerzenreich. Daraus erklärt sich die breitere Schilderung der himmlischen Freude und des irdischen Leidens. Die Endstrophe bringt nichts Neues, sie soll nur den Scenenschluss rechtfertigen. Mit der dramatischen Darstellung beginnt auch wieder der freie Scenenwechsel, welcher synchronistisch die Ereignisse auf Siegfrieds Schloss und in Genovevas und Golos einsamer Behausung nebeneinander hergehen lässt. Das Bekenntnis der Hexe _Volksbuch, 47 ff_. Nach einigen Jahren (d. i. einige Jahre nach der Erscheinung von Dragos Geist) wird die Straßburger Hexe gerichtlich eingezogen und sie legt vor ihrem Tode das Bekenntnis ab, dass sie Siegfried betrogen habe. Der Schmerz des Grafen erwacht bei dieser Nachricht mit furchtbarer Heftigkeit und bringt in Siegfried den Entschluss zur Reife, Golo zu bestrafen. _Tieck_. Das Hexengericht wird in Tiecks Darstellung nur wenig verändert, und zwar zu Gunsten der dramatischen Form. Siegfried ist hier selbst der Richter. Wir erfahren vom Verhöre der Hexe wie von Siegfrieds Gemüthszustand. Nur widerwillig lässt dieser die Verurtheilte noch ein zweitesmal vor sich kommen, eingedenk der Ungerechtigkeit, dass er einst Genoveva und Drago nicht einmal angehört hatte. Das Geständnis der Hexe, das Genovevas Unschuld bezeugt, wird wie im Volksbuch behandelt; nur dass es von Winfreda vor Siegfried selbst abgelegt wird. Dieser wüthet vor Schmerz und will nun endlich gegen Golo ernstlich vorgehen. Im Volksbuch wird uns nur ein Bericht aus der Ferne über die Hexe erstattet, Tieck gibt dem Ganzen dramatische Gegenwart und schafft einen wirksamen Gegensatz, indem er Siegfried selbst, der einst der Hexe wie einer Heiligen geglaubt, über diese Gericht halten lässt. Also hier ein ähnliches Confrontieren wie bei Golo, der den Reinigungsbrief selbst vorlesen muss. Genovevas Krankheit. _Volksbuch, 40 f_. Ungefähr gleichzeitig mit dem Hexenprocesse fällt Genoveva in eine schwere Krankheit. Zwei Engel bringen ihr wunderbare Heilung. _Tieck_. Das Drama behält das Ganze bei, einiges etwas erweiternd.[178] Hier legt Tieck Schmerzenreich das Verlangen in den Mund, mit in den Himmel reisen zu dürfen, wie zu Anfang des Dramas Genoveva von ihrem ausziehenden Gatten sich nicht trennen wollte. Wie Füllsel, um die Stanze fertig zu bringen, sehen manche Verse aus.[179] Unpassend, weil unmotiviert, ist die Furcht des Kindes: es möchte, wenn die Mutter fort ist, „verkehrt“, „gottlos“, „ungezogen“ werden.[180] Neu erscheint bei Tieck die Einführung des Todes als allegorischer Gestalt und die Danksagungsstrophen nach der Genesung, sowie der kindliche Gesang der beiden „Flügelkinder“. Mit Ausnahme dieser Kinderverse, welche die Englein singen, stolziert die ganze Scene in prunkenden Stanzen daher. Golo in der Einsamkeit. -- Siegfrieds Einladung. Wie das Volksbuch (48 ff.) nach dem Hexengericht sich wieder zu Golo wendet, so führt uns Tieck nach der wunderbaren Rettung Genovevas aus der Krankheit zurück zu Golo, der in der Verbannung lebt. Allein für die Nachtscene im Waldgebirge,[181] wohin Golo geflohen ist, wo er in dunklen Worten von seiner Seelenstimmung spricht und in lebhafter Erinnerung an Genoveva über deren vermeintlichen Mörder Benno derart ergrimmt, dass er ihn vom Bergesgipfel in die Tiefe stößt, konnte Tieck in seiner Vorlage nichts finden. Dass ein gewisser Verkehr zwischen Golo und Siegfried noch besteht, erfahren wir im Volksbuch wie im Drama. Begründet ist derselbe nirgends. Die Contrastfigur des nächtlichen Pilgrims, der Wallfahrtsörter und Wunderbilder besucht und seine Jugend bereut, während Golo jetzt nur mehr überall ein Walten des unabwendbaren Schicksals sieht, ist Tiecks Zugabe an dieser Stelle. Später übernimmt dieser Pilgrim die Rolle jenes Engels in Pilgrimskleidern, von dem die Legende erzählt. Oder richtiger gesagt, die Rolle des Pilgrims im Volksbuch wird von Tieck nach vorne erweitert, sowie die Rollen Dragos und Gertruds. Die Einladung Golos an Siegfrieds Hof erscheint im Volksbuch als ein Anlocken des „listigen Fuchses“. Bei Tieck ist es auch ein Herbeilocken durch Siegfrieds Briefe und verstellte freundliche Botschaft. Allein diese leicht zu durchschauende Einladung würde auf Tiecks Golo den Eindruck verfehlen, wenn nicht das sehnsüchtige Heimweh und der Wunsch, als Einsiedler an der Stätte zu wohnen, wo Genoveva begraben liegt, sein Gemüth mit tiefer Gewalt erfasste.[182] In einem Monologe bezeichnet Golo den Pilgrim als ein himmlisches Wesen und staunt darüber, wie dieser die verborgensten Dinge und Gedanken wisse. Unabhängig von der Legende führt hierauf Tieck seinen schwermüthigen Ritter auf dem Wege zu Siegfried mit dem Schäfer Heinrich zusammen,[183] den innerlich Verstörten mit dem harmlos Glücklichen, dem übrigens Golo selbst zu seinem Glücke verhalf. (Tragische Ironie und Contrast.) Heinrichs Kind fürchtet sich instinctiv vor Golo. Wehmüthige Erinnerung an die Vergangenheit klingt leise durch die ganze idyllische Scene. Während das Volksbuch nur kurz und trocken von den Geschehnissen berichtet, benützt Tieck in diesem Abschnitte jede Gelegenheit zum Ausmalen verschiedener Stimmungsbilder. Den Gang der Begebenheiten „sollte ein Spiel der Empfindungen entfaltend begleiten“, wie in der „Magelone“. Die Jagd. -- Das Wiedersehen. Das Volksbuch behandelt die Jagd, welche Siegfried und Genoveva wunderbar zusammenführt, ganz prosaisch als Mittel, um Wildbret für ein kommendes Fest zu beschaffen und dabei findet man zufällig den Aufenthalt der Todtgeglaubten. (S. 50.) Tieck macht die nämliche Sache poetisch beziehungsreicher, da bei ihm die Jagd eigentlich Golo gilt und mit ihm zugleich das noch edlere Wild erbeutet wird. Tiecks Freude an der Scenerie zeigt sich auch hier wie bei den Kriegsscenen, indem er zwei Scenen hintereinander folgen lässt, die eben nichts als Jagdbilder sind.[184] Golo fühlt sich in der That als gehetztes Wild bei Tieck, während er in der Legende bis zur Auffindung Genovevas einfach ganz verschwindet. Die äußeren Vorgänge beim Zusammentreffen Siegfrieds mit Genoveva wickeln sich im Volksbuch und Drama ganz gleich ab.[185] Von den Einzelheiten der Legende wird nur höchstens ganz Unbrauchbares, wie die „Kutsche“, welche Genoveva nach dem Schlosse führt, ausgeschieden und der schwer denkbare Sturz Siegfrieds vom Pferde auf die Knie abgeändert. Die „Ehrfurcht vor der Heiligen“, von der das Volksbuch spricht, äußert sich bei Tiecks Siegfried in der Scheu, Genoveva mit „Du“ anzusprechen. Bei Tieck bittet Siegfried, der seinen Gefühlen in langen Reden Ausdruck gibt, auch noch sein Kind um Verzeihung. Das Kosewort „herzgoldenes Kind“ des Volksbuches nimmt Tieck auf, steigert es zum „herzgüldenen Herzenskind“. Siegfried ergreift die Erinnerung an die alte Zeit. Er sucht Theilnehmer für seine neubelebte Freude. Darum (Tiecks poetische Motivierung) ruft er durch einen Hornstoß die Genossen zusammen. Golo sitzt unterdessen tiefdenkend um die Felsenecke und kümmert sich um nichts. Er wird gerufen, er glaubt „zu träumen“ und fleht Genoveva um Gnade an. Golo ist hier ganz weichfühlender Mensch und kein satanischer Bösewicht. Durch diese kleinen Zuthaten seelischer Art bekommt die Scene bei Tieck ein eigenes poetisches Colorit. Genoveva wird nun in einer Sänfte auf das Schloss getragen. Die Freude über die Wiedergefundene findet vielstimmigen Ausdruck bei Dienern, Kindern und Zuschauern. Das Motiv vom weggeworfenen und wunderbar wiedergefundenen Trauring nimmt Tieck genau aus dem Volksbuch, lässt es aber in der Ausgabe von 1820 wieder weg. Die Magenbeschwerden Genovevas infolge ihrer langjährigen Wurzelkost, die das Volksbuch so pietätvoll erzählt, beseitigt Tieck mit Recht. Das Gericht über Golo. Den äußeren Verlauf der Scene bestimmt die Legende. Tieck beseitigt aber den grässlichen Schluss. In der Legende wird Golo von Ochsen zerrissen. Im Drama wird nur eine „Marter“ angedroht, aber auf Genovevas Fürbitte hin erlassen.[186] Jedoch sterben muss Golo an der Stelle, wo er Genoveva wollte tödten lassen.[187] Diese Wendung musste im Zusammenhange mit dem Liede „Dicht von Felsen eingeschlossen...“ eingeführt werden. Hier hört man plötzlich und unnütz, Siegfrieds Bruder Matthias sei während Golos bösem Treiben in England gewesen. Diese Erklärung gibt Tieck etwas spät. Die Belohnung der gutgesinnten und die Bestrafung der schlechten Diener entfällt bei Tieck, weil ja außer Benno, der schon todt ist, keiner sonderlich ernst in die Vorgänge eingegriffen hat. Gertrud muss unterdessen gleichfalls gestorben sein, da uns zweimal berichtet wurde, sie liege im Sterben. Genovevas Tod. Das Hinsiechen Genovevas, von dem die Legende spricht, beseitigt Tieck als undramatisch und unpoetisch und führt nur noch den Tod der Heiligen vor.[188] Nach dem Volksbuch lebt Genoveva noch ein Vierteljahr. Bei Tieck entfällt jede Zeitbestimmung; denn am Schlusse seines romantischen Dramas soll alles möglichst ins Überirdische, Geheimnisvolle und Ewige verfließen. Eine kleine Verschiebung ist es, wenn den Trost, den im Volksbuche Genoveva dem Vater und Sohne gibt, hier der Sohn dem trauernden Vater spendet. Damit hat aber Tieck nichts verbessert; denn das Kind erscheint hier nur noch altklüger und unkindlicher als zuvor. Die Vision, die Genoveva nach dem Volksbuch „einige Zeit“ vor ihrem Tode hatte, wird von Tieck reicher ausgestaltet und sachlich und dramatisch wirksamer in die Todesstunde selbst verlegt. Das Contrastieren des leiblichen Sterbens und des übernatürlichen, ewigen Lebens ist ein Gedanke, der öfters in der Dichtung wiederkehrt. Der Dichter lässt auch den Bischof Hidulf als Spender der Sterbesacramente auftreten, wovon das Volksbuch nichts berichtet. Die allgemeine Trauer bei Genovevas Tod zeigt das Drama im Eindrucke auf die Umgebung.[189] Das Benehmen der wunderbaren Hirschin interessiert bei Tieck ganz richtig in erster Linie die naiv frommen Diener. Was Tieck hier beifügt oder ändert, läuft alles auf eine Steigerung des religiösen Colorites hinaus. Schluss. Von den Wunderdingen, die das Volksbuch am Schlusse noch reichlich bringt, nimmt Tieck nur wenig auf. Für den Engel in Pilgrimsgestalt tritt der pilgernde Geist Othos ein,[190] den wir bereits von seinem Zusammentreffen mit Golo her kennen. Dieser tröstet Siegfried ebenso rasch, als es ein Engel gekonnt hätte. Die übrigen Wunder bleiben weg, da es fast nur Variationen früherer Geschehnisse sind. Dadurch wird auch die Überführung der Leiche, welche durch jene Wunder verherrlicht wird, überflüssig und fällt fort. Siegfried und sein Sohn leisten den Verzicht auf ihre weltlichen Ansprüche,[191] wie in der Legende, doch nicht vor den Vettern und Verwandten, sondern vor dem Bischof Hidulf. Eine nicht recht verständliche und wenig geschickte, aber jedenfalls beabsichtigte Wendung ins kirchlich Religiöse der alten Zeit, wie Tieck es sich denkt und wie es den ganzen Schluss beherrscht. Siegfried verlangt vom Bischof die Erlaubnis, eine Kapelle (die im Drama wie im Volksbuch gleich darauf „Kirche“ heißt) bei Genovevas Höhle bauen zu dürfen und fügt auch gleich den Wunsch nach der Heiligsprechung der verstorbenen Gattin bei, worauf er aber keine eigentliche Antwort bekommt. Das „wunderthätige Bild“ im Epilog ist noch ein Rest der weggelassenen Wunder und soll den überzeugenden Eindruck erwecken, dass Genoveva nunmehr eine himmlische Heilige ist. Die Verehrung der Heiligen berichtet der Epilog, den der heil. Bonifacius in Sonettform spricht.[192] * * * Überschauen wir die angestellte Vergleichung zwischen dem Volksbuch und Tiecks Dichtung, so fällt als erstes bedeutsames Ergebnis in die Augen, dass Tieck mit großer Pietät dem alten Stoffe gegenübertrat und so viel als nur immer für ihn, den modernen Dichter, möglich war, von der Überlieferung beibehielt. Die Legende bildet im großen und ganzen das wesentliche Gerüste für Tiecks Dichtung, diese ist eine dramatische Nacherzählung der Vorlage, wie es die Nebeneinanderstellung fast Schritt für Schritt bewies. Wenn Tieck hier in dramatischer Form, also in einer Kunstform, die ihrem Wesen nach zu eigenmächtigem Verändern des gegebenen Stoffes, zum Verschieben und Verkürzen herausfordert[193], doch der Überlieferung so merkwürdig treu bleibt, so will dies noch weit mehr sagen, als wenn er etwa in den „Haimonskindern“ im Anschlusse an die alte Erzählung wieder eine Erzählung macht, die nur verkürzt und in einem erneuerten sprachlichen Gewande erscheint. Hier stehen wir einem dichterischen Verfahren gegenüber, das uns mitten in die Anschauungen der Romantik hineinversetzt und nur aus diesen Anschauungen heraus erklärbar ist. Eine heilige Ehrfurcht den Urkunden alter Poesie gegenüber ist es, die den Erneuerer der Genoveva-Legende überall leitet. Das aus der alten, poesiereichen Zeit Überlieferte, das Product einer Zeit, die an allen Enden das Gegenspiel der nüchternen, poesieleeren Gegenwart ist, einer Zeit, welche Tieck an Wackenroders Seite innig und sehnsüchtig verehren gelernt hatte, muss mit frommer Scheu bewahrt werden, der alte kostbare Edelstein darf höchstens eine neue Form und Fassung und Politur erhalten, es soll aber ja kein Splitterchen unnöthigerweise verloren gehen und Tieck selbst schreibt 1799 an Iffland: „Sie können sich ohngefähr eine Vorstellung davon (von der ‚Genoveva‘) machen, wenn Ihnen die alte Legende bekannt ist, an die ich mich im Ganzen sehr angeschlossen habe, weil sie so schön und ächt poetisch ist...“[194] Das ist die Meinung der Romantiker von den Überresten alter, volksthümlicher Poesie. Tieck hat seine ungemeine Hochschätzung der alten Volksbücher seit dem Jahre 1795 selbst, wie wir hörten, wiederholt bezeugt („Leberecht“, „Schildbürger“, „Sternbald“). Darum hat sein jetziges Vorgehen nichts sonderlich Überraschendes. Er hält an dieser hohen Meinung auch späterhin noch fest, als ihm die Stimmung der „Genoveva“ schon längst fremd geworden war. Im „Phantasus“ spricht er mit ebenderselben Wärme noch von den Volksbüchern und empfiehlt es als etwas Hochverdienstliches, die Nibelungen und Heldenbücher neu zu bearbeiten und unter das Volk zu bringen.[195] Auch den spanischen Kunstdichtern rühmt Tieck nach, dass sie es verstanden hätten, Volkssagen, Legenden und vaterländische Geschichten zu bearbeiten, ohne ihnen die Einfalt und Popularität zu nehmen.[196] Wie Tieck dachten auch seine romantischen Parteigenossen. In der Recension der Tieck’schen „Volksmärchen“ (1797)[197] äußerte z. B. A.W. Schlegel den Wunsch, man solle die „ehrlichen, alten Volkssagen“, denen es schwerlich ganz an poetischer Energie fehle, in ihrer „ursprünglichen rohen Treuherzigkeit“ wieder vorführen. Am besten geben die romantische Ehrfurcht vor dem Alten seine Worte in den Berliner Vorlesungen (1802-1803) wieder.[198] Nach Schlegels übertreibender Äußerung hat in Deutschland nur der gemeine Mann eine Literatur und das sind die unscheinbaren Büchelchen, „die schon in der Aufschrift: ‚gedruckt in diesem Jahr‘, das naive Zutrauen kundgeben, das sie nie veralten werden, und sie veralten auch wirklich nicht“. Denn sie haben unleugbar eine unvergängliche poetische Grundlage. „Bey einigen ist sogar die Ausführung vortrefflich, und wenn sie bey andern formlos erscheint, so ist dies vielleicht bloß die Schuld einer zufälligen Verwitterung vor Alter. Sie dürfen nur von einem wahren Dichter berührt und aufgefrischt werden, um sogleich in ihrer Herrlichkeit hervorzutreten.“ Nur im Hinblick auf diese tiefe Verehrung der alten, naturwüchsigen, echt poetischen Volksdichtung lässt sich verstehen, wie Bernhardi in seiner Recension der „Genoveva“[199] das überflüssige Nebenwerk der Dichtung unter anderem mit dem wiederholten, nachdrücklichen Hinweise auf „die historische Heiligkeit“ des überlieferten Stoffes rechtfertigt, und nur so versteht man auch die Worte, mit denen ein andermal A.W. Schlegel Ariostos eigenmächtiges Schalten mit den alten Ritterbüchern entschuldigt:[200] „Vielleicht stand er (Ariost) dem Zeitalter, wo die Ritterbücher entstanden, noch zu nahe, um den ganzen Wert dieser Dichtungen unter ihrer oft unscheinbaren Hülle einzusehen, und so behandelte er sie bloß als rohen durch seine Wahl und Willkür schon genug geehrten Stoff.“ Auch Friedrich Schlegel, der im „Gespräch über die Poesie“ zum Zurückgehen auf die alten Quellen unserer Sprache und Dichtung aufforderte, rühmt an der „Genoveva“ diese Seite der Dichtung am meisten. „Die Genoveva bleibt in dieser Rücksicht eine göttliche Erscheinung.“[201] Ebenso heben die Sonette der beiden Brüder Schlegel, die den Dichter der „Genoveva“ feiern, wieder gerade diese Richtung auf das Alte hervor.[202] Was die Poeten des 18. Jahrhunderts, die unter dem Stichworte „Retournons à la nature!“ auf das Volkslied zurückgriffen, sowie die weiteren lobenswerten Bemühungen um das Wiederverständnis altdeutscher Art und Kunst, an denen es im 18. Jahrhundert keineswegs fehlte, begonnen hatten, setzen nun die Romantiker eifrig und im weiteren Umfange und mit großem Erfolge fort.[203] Besonders Herder hatte die poetische Herrlichkeit des Volksliedes aufgedeckt, er hatte es gewagt, das Mittelalter zu vertheidigen und den poetischen Wert der alten Legenden den Aufklärern zum Trotz zu verfechten (1797) und der nämliche Herder hatte auch den vergessenen Jesuitendichter J. Balde aus seinem „lateinischen Grabe“ erweckt und wurde dafür von A.W. Schlegel in einer eingehenden Recension gelobt (1797).[204] Die Erneuerung verschollener Poesien bildete einen wichtigen Punkt in Herders großartigem Lebensprogramm. Diese Bestrebungen dürfen hier nicht unerwähnt bleiben. Wenn Wackenroder und Tieck auch zunächst, wie es scheint, auf eigenem Wege in Süddeutschland ihren Enthusiasmus für alte, religiöse und nationale Kunst wachriefen: in den letzten Neunzigerjahren scheint auch die Herder’sche Thätigkeit direct fördernd auf diese romantischen Tendenzen herübergewirkt zu haben. Diese hohe Ehrfurcht vor dem Alten, die in Dichtung und Wissenschaft noch lange höchst fruchtbar und gelegentlich auch nachtheilig wirkte, sehen wir also als einen wesentlichen und echt romantischen Zug in Tiecks Verhalten zum alten Genoveva-Volksbüchlein ausgeprägt. Bei aller Ehrfurcht vor der poetischen Kraft, die in den Motiven der alten Volksromane steckt, macht doch auch der geläuterte Geschmack des neueren Dichters, der inmitten der höchsten Entfaltung deutscher Kunstpoesie aufgewachsen war, seine Rechte geltend. Wenn Tieck von seiner alten Vorlage auch möglichst wenig ausscheidet, so sucht er dafür seinerseits manches zuzugeben, um eine reiche und abgerundete Fassung für sein altes Juwel zu gewinnen. Was im Volksbuche nur in wenigen Sätzen, im Stile einer trockenen Chronik abgethan wird, reizt mitunter den Bearbeiter zu vollständigerer Ausführung. Das geschieht beim Abschiede und beim Kriege, bei der Jagd wie bei der Wiederauffindung Genovevas. Die in der Legende gebotenen Motive werden bis in die letzten Verzweigungen zu Ende gedacht. Aus einer kurzen Erzählung des Abschiedes wächst eine Reihe verschiedenartiger Stimmungsbilder heraus; die dürftigen Angaben der Vorlage über den Krieg werden zu einem bunten, weitläufigen Bilde ritterlichen Kriegslebens erweitert, und diese verschiedenen Scenen sollen sich dann wieder zu einem großen Gemälde voll alterthümlicher Stimmung zusammenschließen, aus dem uns „die Begeisterung des Kriegers“ kräftig entgegenwehen soll. Wenn Abschied und Krieg in der Erzählung der Legende dem Geschmacke Tiecks zu kahl und farblos erschienen, so konnte ihm am Charakter Golos, der in echter alter Holzschnittmanier als unmenschlicher Bösewicht schroff contrastiert neben dem Engel Genoveva steht, das Niedrige, Rohe und psychologisch Unentwickelte nicht genügen. Hier greift darum der neuere Dichter wieder in seiner Weise poetisierend ein, indem er diesen Charakter auf eine menschlich höhere Stufe hebt, einen an sich edel veranlagten Menschen durch ungezügelte Leidenschaft, die zudem von einer aus falscher Liebe irreleitenden Pflegemutter gesteigert wird, tragisch untergehen lässt, und dabei findet auch der psychologisierende Poet, der Dichter des „Lovell“ und „Blaubart“, seine Aufgabe, wenn er die Liebesleidenschaft von der ersten keimenden Neigung bis zum elementaren, rasenden Sturm verfolgt und mit leichter, wohlgeübter Feder Scene um Scene, worin das Werden und Wachsen dieser Liebe vorgeführt wird, aufs Papier wirft. Für diese Partien der Legende fand also der Romantiker noch nicht genug von jener „wahren Erfindung“, die er den Volksbüchern im allgemeinen nachrühmt. Er musste das spärlich skizzierte Motiv selbst gestalten, ausführen, vertiefen und abrunden, wie es etwa Goethe in seiner Art mit eigenen Erlebnissen that. Goethe erlebte ein Fragment. Dieses wuchs aber in seiner Dichtung zum fertigen, in die letzten Consequenzen fortgedachten, schön gerundeten Ganzen aus. Diesem poetischen Processe lässt sich Tiecks Verfahren mit dem Stoffe in der ersten Hälfte seiner Dichtung einigermaßen an die Seite setzen. Anders wird das Verhältnis in der zweiten Hälfte der „Genoveva“, wenn auch für sie die frühere Erweiterung oder Vertiefung des Golocharakters selbstverständlich noch wirksam bleibt und die dramatische Form an einzelnen Stellen ihr Recht geltend macht. Von der Gefangennahme der Heldin an merkten wir einen viel engeren Anschluss an die Legende, ein Begnügen mit dem alten Überlieferten, das sich in den Stanzen des heiligen Bonifacius so weit steigert, dass man stellenweise fast nur von einem Umdichten der prosaischen Erzählung in Verse und Strophen reden kann. Ein wenig freier bewegt sich Tieck wieder von der Hexenscene an gegen das Ende zu. Hier herrschen die weichen und frommen Stimmungsbilder. Allein der Dichter erweitert hier seine Vorlage nirgends in dem Maße, wie es bei Abschied und Krieg geschah. Wenn man von den letzten Wundergeschichten der Legende absieht, die größtentheils wegfallen, so muss man sagen, dass der Dichter auch hier weitaus das Meiste und vieles ohne wesentliche Änderung beibehält. Im ganzen genommen scheint also für die zweite Hälfte der Tieck’schen Dichtung charakteristisch, dass hier dem Dichter der vorliegende Stoff, die Wunder und Visionen, das Leben und Leiden der Heiligen in der Waldeinsamkeit, sowie die Art des Wiederfindens der Todtgeglaubten schon jene ursprüngliche „Kraft der Poesie“, von der unser Romantiker bei den alten „Schartecken“ spricht, in sich zu tragen schien. Es bedurfte da nicht mehr vielen Umschmelzens und Läuterns, es brauchten nur Form und Vortragsweise hinzuzutreten und das alte Büchlein war aufgefrischt, wie es A.W. Schlegel verlangte. Poetischer Stimmungsduft und Naturgefühl durchziehen hier zwar reichlich das Ganze, sie umschleiern wohl die Vorgänge, ohne aber die alten Motive in ihrem inneren Wesen tiefer zu berühren. Gerade diese letzten Theile des Volksbuches, „die Schilderung der Einsamkeit, die Leiden der Frau in dieser und das wundersame Zusammentreffen mit dem Gemahl“ waren es zuvörderst, die Tiecks Imagination nach seinem eigenen Geständnisse in Bewegung setzten.[205] Auch der „schlichte Ton“, der Tieck beim Lesen der Legende so besonders rührte, kommt am wirksamsten in der zweiten Hälfte derselben zur Geltung. Tiecks Worte in der Einleitung zu seinen Schriften treffen mithin den wirklichen Thatbestand, nur dass sie in ihrer Allgemeinheit erst nach angestellter Untersuchung concret und deutlich werden. Für die größeren Erweiterungen des alten Stoffes ist noch ein zweiter Gesichtspunkt zu berücksichtigen. Die Legende, die in einfachster Art nur die menschlichen Conflicte und wunderbaren Begebenheiten in Genovevas Leben vorträgt, die auch nur die bedeutendsten Personen mit eigenem Namen versieht, diese bescheidene Legende wird von Tieck auch im Sinne der mannigfaltigen und alles umfassenden romantischen „Universalpoesie“, die dem Theoretiker Friedrich Schlegel angesichts des Romans „Wilhelm Meister“ zu einem wichtigen Postulate geworden war, stofflich bereichert, wie schon Hettner ausführt.[206] Die romantische Poesie soll ja „gleich dem Epos ein Spiegel der ganzen umgebenden Welt, ein Bild des Zeitalters werden“.[207] Im Rahmen der Geschichte Genovevas will Tieck in epischer Breite auch ein Bild mittelalterlichen Lebens aufrollen. Diesem Zwecke dienen die breiten Kreuzzugs-Scenen; denn „die Begeisterung des Kriegers“ soll sich entfalten, jener kriegerische Enthusiasmus, den Tieck öfter als romantisch bezeichnet.[208] Dabei wird es möglich, den Contrast von morgenländischem und abendländischem Wesen sammt seinen Differenzen in Glaubens- und Lebensanschauung ebenso das Verhältnis zwischen Lehensherrn und Vasallen zu zeigen. Gegenüber dem Kreuzzugsbilde sehen wir das Leben auf der Ritterburg, das Tieck mit einem mannigfaltigen Apparat zu bereichern sucht. Wir treten in die gothische Burgkapelle zum Gottesdienst. Das Ingesinde des Schlosses wird durch verschiedene Figuren vertreten, bis zum leibeigenen Schäfer herab. Hexenwahn und Hexenprocess, Ausübung der Gerichtsbarkeit durch die Sippe, das ritterliche Vergnügen der Jagd fehlen nicht. Wenn Golo selbst zu einem Liede „Wort und Weise“ findet, so scheint Tieck einen alten Minnesänger vor Augen zu haben. Das über die engeren Verhältnisse Hinausliegende, Staat und Kirche, erscheint wenigstens blass im Hintergrunde. Das Menschendasein soll seinen ganzen vielgestaltigen Reichthum von Motiven zeigen. Wir sehen Kinder, Jünglinge, Männer und Greise, Hochgestellte und Mächtige, Arme und Niedrige. Geburt, Verlöbnis, Hochzeit und Tod, Krieg und Frieden, frohe und traurige Stunden, alle möglichen Gemüthsstimmungen und Religionsanschauungen, Vergangenheit (Bonifacius), Gegenwart und Zukunft (Der Unbekannte, Ausblick in den Himmel), alles zieht wie ein bunter Traum vor unserer Phantasie vorüber. Seit den Schlegel’schen Aufstellungen kehrt das echt romantische Bestreben, ein Vielartiges zu einem Complex zusammenzuordnen, überall und in immer neuen Wendungen wieder. Vor dem Auftauchen dieses Gedankens ist der Dichtung Tiecks eine solche Vielgestaltigkeit fremd. Was Tieck im kleinen dort und da änderte, ward an den einzelnen Punkten unserer Vergleichung angemerkt und wir sahen, wie er das Rohe, Crasse, Hässliche mildert, das Energische und Kraftvolle abschwächt, Unebenheiten glättet, kleine Verschiebungen und Zusammenziehungen der dramatischen Form zuliebe vornimmt und kleine Zuthaten zur Motivierung einfügt. Öfters sind es recht glücklich gewählte Züge (z. B. Golos Heimweh nach den vertrauten Stätten). Das ist die Art, wie Tieck das Alte, wo er es unverkürzt aufnimmt, erneuert und auffrischt und die Spuren der „Verwitterung“ entfernt. Die Stellung des Dichters zu seiner alten Vorlage ist in allem Wesentlichen durch jenen Geist der Romantik bedingt, der um 1800 in unserer Literatur heimisch war. III. Literarische Einflüsse. 1. Tieck und Maler Müller. (Goethes „Götz“ und „Werther“.) Dass Tieck nicht alles, was wir als Zuthat dem Volksbuche gegenüber erkannten, unvermittelt aus seiner eigenen Phantasie heraufholen konnte, sagt uns die gewöhnliche psychologische Erfahrung. Und wer bedenkt, welche Fähigkeit des Anempfindens und Nachempfindens Tieck eignete, wer sich erinnert, wie Lesen für ihn oft zum Erleben wurde, der sieht sich von selbst genöthigt, nach literarischen Vorbildern für seine „Genoveva“ auszuschauen. Und der Dichter erleichtert dem Forscher das Suchen. Wir hören von ihm selbst, dass sich „Erinnerungen, Vorsätze und poetische Stimmungen“ mit dem „Märchen“ von der heiligen Genoveva verbunden hätten. Was unter den „Vorsätzen“ und „Stimmungen“ zu verstehen ist, sahen wir schon. Eine Richtung, aus welcher die „Erinnerungen“ auf ihn zukamen, hat uns Tieck selber angezeigt, wenn er auf Maler Müllers „Golo und Genoveva“ aufmerksam macht. Ein Jahr bevor er das Volksbuch las, hatte er bereits das Manuscript dieses Sturm- und Drang-Schauspiels gelesen. War diese Lectüre auch keine sehr intensive, so mag man doch von vornherein vermuthen, dass sie auch irgendwie befruchtend auf die Phantasie des Dichters wirkte, der an die Behandlung des gleichen Stoffes gieng. Den großen Eindruck, den beim Lesen des Müller’schen Manuscriptes das traurige Liebeslied: „Mein Grab sei unter Weiden“, das die wichtigsten Momente in Golos Geschick begleitet, auf Tieck machte, hebt dieser im Vorberichte zu seinen Schriften selbst hervor.[209] Die Einschaltung eines solchen Liedes nimmt er mit Bewusstsein aus Müllers Drama in das seine herüber. Vergleicht man das Lied bei Müller[210] (dessen Stimmung auch Werthers Worte: „Ach, ich wollte ihr begrübt mich am Wege, oder im einsamen Thale...“ schon ausdrücken) mit dem Tieck’schen[211] auf seinen Inhalt hin, so ergibt sich auf den ersten Blick eine Übereinstimmung in allem Wesentlichen. Todessehnsucht eines unglücklichen Liebhabers, geknüpft an den gleichen düsteren Naturhintergrund, ist der Vorwurf beider Gedichte. Den Wunsch nach dem einsamen Grabe, den die zwei ersten Verse Müllers aussprechen, behandelt die erste Strophe Tiecks. „Der Kummer“, der mit dem Grabe enden soll und den die folgenden Müller’schen Zeilen schildern, erfüllt die zweite Strophe Tiecks, welche den „Kummer“ als den Schmerz eines verstoßenen Liebhabers ausführlicher charakterisiert. Wie Müllers Lied in den Schlussversen zum Wunsch und Naturbild des Anfanges zurückkehrt, thut es auch Tiecks letzte Strophe. Also Inhalt und Gliederung des Inhaltes sind bei beiden Dichtern dieselben. Tieck bereichert und erweitert nur, was Müller in gedrängter Kürze sagt. Das eingehendere Verweilen bei der Naturscenerie ist bezeichnend für den Romantiker. Grund und Art der Todessehnsucht müssen bei Tieck genauer ausgeführt werden, weil das Lied nicht wie bei Müller bloß Empfindungs-Aussprache Golos ist, dessen Herzleid wir schon einen Act lang kennen und der daher mit dem einen Worte „Kummer“ deutlich macht, was er sagen will, während das Lied bei Tieck von einem unbekannten Verstoßenen stammt und auch zunächst von einem Unbetheiligten gesungen wird. Eine wesentliche Differenz liegt aber in der Verwendung des Liedes bei Müller und Tieck. In Müllers Drama ist es zweimal directer lyrischer Ausfluss von Golos Stimmung[212] und einmal soll es eine bestimmte Stimmung in ihm wecken.[213] Diese Art von Wiederholung lässt einen eigenthümlichen Ton weicher Schwermuth über dieses Drama hinschweben.[214] Bei Tieck tritt das Lied als etwas ganz Fremdes an Golo heran, aber es überwältigt sein Herz beim ersten Anhören mit einer geheimen räthselhaften Macht, dass ihm die Thränen nahe sind.[215] Etwas Ahnungsschweres liegt in dieser ersten Einführung des Liedes. Der verliebte Golo benützt im weiteren Verlaufe das Lied auch, um mit dessen Worten seine Empfindung zu entladen.[216] Vor dem Tode drängen sich die Verse des Liedes in sein Gebet.[217] Was der unbekannte Dichter in seinem Liede sagt und wünscht, erfüllt sich nach und nach an Golo; ein Grab unter Weiden, das jener sich wünscht, wird diesem zutheil. Golo betrachtet schließlich auch selbst das Lied als eine Schicksalsverkündung und beruft sich auf das Versprechen des Liedes, das sich an ihm erfüllen soll.[218] So hat das Lied bei Tieck eine ganz eigene Stellung gewonnen. Wie eine geheimnisvolle räthselhafte Schicksalsstimme klingt es erst zufällig an Golos Gemüth, wie die Stimme einer unbekannten Macht, die verborgen die Erlebnisse des Ritters zu lenken scheint, begleitet es dann Golo bis zum Grabe. Als schicksalsmäßigen Zuruf an Golo charakterisiert sich das Lied sogar stilistisch durch den Doppelsinn der Selbstanrede in der zweiten Person. „Such’ zum Troste dir ein Grab“ sagt zunächst der Dichter des Liedes zu sich selbst; „Such’ zum Troste dir ein Grab“ sagt das Lied zu Golo. Nach unmittelbarer, kräftiger Aussprache der Empfindung strebt Müller, der Dichter der Geniezeit: die geheimnisvoll anklingende Stimmung und die Kunst der feinen, ahnungsvollen Beziehungen und das Hereingreifen einer überirdischen Schicksalsmacht in das Menschenleben interessiert Tieck den Romantiker. Außer diesem Liede blieben Tieck noch „dunkle Erinnerungen“ vom Ganzen und klare von einzelnen Stellen des Müller’schen Dramas. Verschiedene Gestalten nahmen bei Tieck, wie gezeigt wurde, ein anderes Wesen an, als sie im Volksbuch hatten. Sollten nicht die „Erinnerungen“ an das Drama gleichen Inhaltes als wirkende Kräfte bei diesen Verschiebungen mitgeholfen haben? Müllers Drama verdankt aber selbst wieder verschiedene Züge Goethes größeren Jugendwerken „Götz“ und „Werther“.[219] Die Lectüre dieser nämlichen Dichtungen Goethes ist auch für den jungen Tieck einst ein Ereignis gewesen. Den „Götz“ soll er so gut wie auswendig gewusst haben, „Werther“ hatte ihn aufs tiefste ergriffen. Dies gibt uns ein Recht, hier alle diese literarischen Erfahrungen Tiecks zusammenzunehmen und beim Vergleiche mit Müllers Drama ab und zu auch einen Blick auf „Götz“ und „Werther“ zu werfen. Die innerlich verwandten dichterischen Gestalten mussten auch als verwandte Erlebnisse und Kräfte in Tiecks Phantasie wirksam sein. Es wird eine resultierende aus mehreren verwandten Kräften. Tiecks Golo wird kaum seine Verwandtschaft mit der Gestalt, die Müller schuf, verleugnen können. Mehr als ein Zug von Familienähnlichkeit zeigt sich bei näherer Betrachtung. Müllers Golo ist vor seiner unglücklichen Liebe ein heiterer Ritter, der es versteht, angenehmen Zeitvertreib zu schaffen.[220] „Er ist auch Maler... Und Musikant; hat alle Talente.“[221] Seine Sangeskunst übt er gelegentlich aus. Ganz ähnlich hören wir im Eingange der Tieck’schen „Genoveva“ Golo schildern und auch dieser übt im Verlaufe des Stückes einzelnes von dem, was ihm hier beigelegt wird. Ein lustiger Reiter, der sein frohes Morgenlied singt, galoppiert er ins freie Feld. „Er kann alles,“ -- versichert der Schäfer Heinrich -- „er singt, er musiciert, er kann Gemälde machen, er tanzt und ist auch ein Dichter“.[222] Tiecks Golo versteht es ebenfalls, die Menschen froh zu machen.[223] So war ja auch schon Weislingen im „Götz“ der „edelste, verständigste und angenehmste Ritter in Einer Person“ vor seiner Liebschaft mit Adelheid. Der „Maler“ endlich geht auch bis auf den „Werther“ zurück. Die Art, wie der Stürmer und Dränger und der Romantiker die Liebes-Entwickelung an ihren Helden darstellen, zeigt auch manche auffallende Berührungspunkte. Aus dem abstoßenden Wüstling der Legende ist bei beiden Dichtern ein liebenswürdiger Ritter geworden, dessen erwachende Liebe zunächst eine reine Neigung ist, die mit religiöser Ehrfurcht zum geliebten Wesen aufblickt und in Ausdrücken religiöser Verehrung zu demselben spricht. „Götz“ und „Werther“ gehen auch hier als Vorbild voraus. ~Götz~ (Franz): „... ich fühlte in dem Augenblick, wie’s den Heiligen bei himmlischen Erscheinungen sein mag.“ ~Werther~: „Leb’ wohl, Engel des Himmels!“ -- „Lippen! auf denen die Geister des Himmels schweben.“ -- „... habe ich nicht, gleich einem Kinde, ungenügsam allerlei Kleinigkeiten zu mir gerissen, die du Heilige berührt hattest!“ ~Müller~: „Daß ich mich erquicke an ihren Spuren: Das sei es auch alles, reine Anbetung, wie die Liebe zum schönsten Gestirn, ... so sei mein Weben stiller Wunsch, Gebet zu ihr!“[224] ~Tieck~: „Ja, ihr habt recht, ihr seid ein göttlich Bild, Drum muss man euch Reliquien gleich verehren, Mit stummer Inbrunst und aus frommer Ferne.“[225] Müllers Golo wird von einem geheimen Zuge seines Herzens, über den er sich noch keine klare Rechenschaft gibt, in das Vorzimmer Genovevas geführt.[226] (Werther.) Auch bei Tieck sieht sich Golo unvermerkt in der Nähe seiner Geliebten.[227] Überall kämpfen reine Herzensneigung und Sinnlichkeit zuerst einen harten Kampf. Jeder von beiden muss sich die Berechtigung seiner Leidenschaft erst einreden. (Werther--Weislingen.) Jeder möchte der Gefahr entfliehen, aber es gelingt nicht. (Werther--Weislingen.) Jeder spricht in Liedern von seinem Liebeskummer zur Geliebten. Bei der reinen schwärmerischen Liebe bleibt es aber weder in dem einen noch im andern Falle. Die Leidenschaft wächst und wächst und wird zum zehrenden Gifte. Nach der fehlgeschlagenen Liebeswerbung ist Müllers Golo höchst rathlos und muss sich ganz und gar der führenden Hand Mathildens anvertrauen.[228] Nicht viel besser ergeht es Golo bei Tieck nach der Porträtscene; auch er wäre ohne seine Amme Gertrud hilflos.[229] In beiden Helden geht mit der wachsenden Liebe eine große Veränderung vor sich. Müllers Golo findet an seiner glänzenden Zukunft kein Interesse mehr.[230] Auch bei Tieck wird dem Ritter alles zuwider und gleichgiltig, was ihm sonst Freude machte.[231] (Werther.) Das Problem, wie ein „edler Mann“ durch seine ungezügelte Leidenschaft so „tief hinuntersinken“[232] muss, wollen Müller und Tieck[233] entwickeln. Wie der biedere, treue Adolf bei Müller, tadelt der alte Wolf bei Tieck diese schlimme Veränderung am Verliebten.[234] (Auch Adelheid an Weislingen.) -- Die Art des Empfindens beider Liebhaber hat auch viele Ähnlichkeit. Bei jedem entfacht sich eine tiefe Leidenschaft, die sich wohl in erregten und schwermüthigen Gefühlswallungen auslebt, dann wieder in weichen Sehnsuchtsstimmungen versinkend schwelgt, aber es fehlt dabei jeder kräftige Impuls zu entschlossenem Handeln. Am auffallendsten tritt diese Willensschwäche allerdings an Müllers Golo hervor, weil neben ihm das willenskräftige Machtweib Mathilde steht, die ihren weichlichen Schützling Schritt für Schritt vorwärts führen muss, während Tiecks kraftloser Held durch kein so übermächtiges Gegenspiel in Schatten gestellt wird. Beide liebesiechen Ritter gefallen sich in wehmüthigen Todesgedanken. Es muss aber hier auch angemerkt werden, dass Tiecks Gemüthsanlage und langgenährte Neigung für düstere Stimmungen dem Vorbilde aus der Wertherzeit besonders verwandt entgegenkam. Der „Werther“ selbst aber und verwandte Dichtungen waren für Tiecks Gemüth nicht ohne Einfluss. Müllers Golo sieht, nachdem er verschiedene Unthaten begangen hat und von Gewissensbissen gepeinigt wird, mit seinem überreizten Gehirn Gespenster,[235] er wüthet gegen die eigenen Freunde und Helfershelfer, er reißt Steffen zu Boden[236] und sticht nach Mathilden.[237] Vom Gespenstersehen zeigt sich bei Tieck nur noch eine schwache Spur,[238] wohl aber stürzt auch Tiecks Golo seinen einzigen treugebliebenen Benno, der die Rolle Steffens theilweise übernommen hat, in einem dumpfen Wuthanfall in den Abgrund.[239] -- Schon bei Müllers Helden (Weislingen -- Werther) legt sich die Liebesleidenschaft mit so unwiderstehlicher Gewalt auf die Seele, dass sich der Unglückliche unter dem Banne einer unbezwingbaren Schicksalsmacht fühlt.[240] Wie verwandt gerade diese Auffassung Tiecks eigener Anschauung war, zeigte schon die Betrachtung des traurigen Liedes und verschiedene andere Dichtungen bestätigen es. In „Abdallah“, „Lovell“, „Karl von Berneck“ herrschen dunkle Gewalten über die Menschen, über Menschen, in denen sich keine eigene spontane Willenskraft zu regen scheint, sondern eine elementare geheime Naturgewalt bewegt sich in ihnen. Diese fremdartige Gemüthsrichtung Tiecks ist auch in der „Genoveva“ dort wirksam, wo sich Golo von einer dunkeln, unüberwindlichen Macht fortgestoßen fühlt.[241] Die literarischen Vorbilder nährten und entwickelten Tiecks Gemüthsrichtung selbstverständlich. Jene Episode, die bei Müller Golos Zusammentreffen mit dem Schäfer Brandfuchs schildert und das Los des unglücklichen Ritters mit dem harmlosen Glück des anspruchlosen Schäfers contrastiert,[242] scheint nicht ohne Einfluss auf Golos Zusammentreffen mit dem Schäfer Heinrich bei Tieck[243] geblieben zu sein. Jedesmal drängt sich auch das Erinnern an die vergangenen Zeiten und damit die gleiche Wehmuthstimmung ein. Tieck liebt solche Contraste und solche Stimmungsbildchen freilich noch mehr als Müller. -- Müllers Golo wird von den racheheischenden Rittern, mit denen er zur Jagd ausgezogen ist, wirklich gejagt wie ein Wild.[244] Tiecks Ritter fühlt sich nur wie ein gehetztes Wild.[245] Die wiedergefundene Genoveva erscheint dort Golo wie eine auferstandene Todte[246] (Weislingen--Maria): hier wie ein Traumbild.[247] Diese Abschwächung der äußeren, drastischen Handlung zur inneren Stimmung, des gestaltlich Greifbaren ins dämmernd Unbestimmte des Traumes entspricht wieder ganz der Neigung des romantischen Dichters. Die Verwendung des begleitenden Liedes in der Weise Müllers verlangte auch die gleiche Situation und Stimmung für die Todesscene Golos bei Tieck: unter dunkeln Weiden im einsamen Thale. Wie hier das einemal Golos Gegner ritterlichen Tod und Begräbnis verweigern, so verweigern Siegfrieds Bruder und Vetter das anderemal (abweichend vom Volksbuche) das ehrliche Begräbnis. Müllers Golo erreicht aber mit Gewalt,[248] was Tiecks Golo erbittet.[249] Wieder ein Entfernen des Drastischen. Lassen sich die Einwirkungen des Müller’schen Helden vielfach deutlich verfolgen, so sind die Nachwirkungen der Genovevagestalt Müllers auf ihre Nachfolgerin lange nicht so beträchtlich. Begreiflich, die ganz verschiedene Auffassung dieser Gestalt bei beiden Dichtern erklärt es. Dort und da nur blickt das Vorbild noch ein wenig hervor. Den glücklichen poetischen Griff, den Müller thut, wenn er seine Genoveva voll trüber Ahnung ihren Gatten dringlich bitten lässt, dass er sie mit in den Krieg nehme,[250] hat auch Tieck sofort empfunden und ihn für seine Heldin gleichfalls verwendet.[251] Tieck lässt aber wieder die trüben Stimmungen und Ahnungen, wovon die Abschiedsscene erfüllt ist, die bei seinem Vorgänger nur kurz anklingen, lange und behaglich austönen. -- Müllers Genoveva ist von argloser, naiver Gemüthsart und schürt ohne Wissen und Absicht Golos Liebe wie Tiecks höchst naive Heilige, wenn auch Tieck diese Naivetät und Arglosigkeit in einer Weise ausnützt, die das psychologisch Glaubhafte übersteigt. Das unbefangene, frische und heitere Gebaren Genovevas in der Porträtscene[252] bei Müller sowie in der Unterhaltung mit Mathilden in der Balkonscene[253] konnte recht wohl der Heldin Tiecks für ihre arglose Theilnahme, für ihr Zutrauen zu Golo ein wenig die Richtung angegeben haben.[254] Naivetät und Unschuld verbinden sich dort wie hier. Über Golos Traurigkeit äußern sich beide Frauen recht ähnlich. Das Volksbuch gab Tieck für diese Einzelzüge keinen Wink. -- Bei Müller und bei Tieck singt die Mutter im Kerker ihrem Kinde ein Schlummerliedchen.[255] Tiecks Siegfried erinnert an sein Vorbild besonders durch das, was ihm fehlt, nämlich Temperament und warmblütiges, individuelles Leben. Siegfried ist jedesmal ein herzlich unbedeutender biederer Ehemann und tüchtiger Kriegsmann, der nur dann ein wenig ins Feuer geräth, wenn er von der Untreue seiner Frau hört oder Golo entlarvt sieht. Tiecks Siegfried ist daneben ein wenig fromm, abergläubisch und sentimental; nichts in hervorstechendem Grade. Die Farben haben überall etwas Mattes, Verblichenes. Jeden von beiden beschleichen im Lager trübe Ahnungen.[256] Der Ausdruck ihrer Trauer um die verlorne Gattin ähnelt sich.[257] Der Gedanke Bernhards über die untreue Frau bei Müller[258] geht bei Tieck auf Siegfried über.[259] Golo bekommt als gesinnungstreuen Diener und Helfershelfer bei Müller den derben Kerl Steffen, der ein gut Theil des volksthümlichen Hanswurstes in sich birgt, an die Seite und beim Ritter Tiecks vertritt Benno dessen Stelle. Benno, obschon ein etwas weniger ruppiger Bursche als Steffen, müsste sich doch mit diesem ganz trefflich verstehen. Denn, wenn Steffen auf „Fressen und Saufen“ hält,[260] so findet auch Benno beim Essen und Trinken am besten seine Rechnung[261] und „Wohlanständigkeit“ mag er dabei nicht leiden.[262] -- Beim Überfall auf Dragones und Genoveva erscheinen „Mathilde mit Knechten und Steffen“.[263] Ebenso tritt bei Tieck Golo ein „mit Benno und anderen Knechten“.[264] -- Steffen und Benno werden als Boten mit der verleumderischen Nachricht an Siegfried geschickt.[265] Steffens Geldgier[266] verunziert, wenn auch in etwas minderem Grade, Benno.[267] Steffen und Benno bleiben bei Golo, nachdem sich dieser von Siegfrieds Hofe geflüchtet; beide werden von ihrem Herrn übel behandelt. Ist Steffen-Benno eine Art Vertrauter für Golo, so ist es wenigstes anfangs Mathilde-Gertrud für Genoveva. Der Dichter des Sturmes und Dranges macht, um den dramatischen Conflict zu verschärfen, die Amme der Legende zu Golos Mutter, während Tieck, der Legende folgend, die Amme beibehält. Das Weib voll dämonischen Zaubers, voll Thatkraft, Leidenschaft und Rücksichtslosigkeit, das Machtweib, das die Männer um sich her in den Untergang reißt, wie Mücken, die sich in die Flamme stürzen, verblasst zwar ganz in der Phantasie des Romantikers,[268] doch einige erkennbare Nachwirkungen dieser überaus lebendigen Gestalt vererbten sich immerhin auf die Amme Gertrud. Während die Amme des Volksbuches erst nach der Einkerkerung Genovevas in die Handlung eintritt, greifen Mathilde und Gertrud schon früher in Golos Liebesangelegenheit ein. Beide Dichter erweitern also die Rolle im gleichen Sinne. Mathilde macht dem verliebten Golo Hoffnung auf Erfüllung seiner Wünsche,[269] sie sucht ihm seine Schwermuth und seine Todesgedanken auszureden und belehrt ihn über die leichte Besiegbarkeit der Frauen;[270] all das thut auch Gertrud.[271] Mathilde und Gertrud missbilligen Golos unüberlegtes, rasches Darauflosgehen bei der Liebeserklärung.[272] Beide wecken in ihrem Liebling aufs neue die schlummernde Leidenschaft, nachdem sich diese unter dem ersten Misserfolge scheu zurückgezogen hatte. Doch Gertruds Einfluss ist lange nicht so energisch vorwärtstreibend wie der Mathildens. Gertruds Thun beschränkt sich auf ein Rathen, Vermitteln, Forthelfen. Mütterliche Liebe und Theilnahme für Golo entfaltet auch Gertrud, obschon sie bloß seine Amme ist. Müller und Tieck suchen das Widerliche an der Art der Amme, wie sie das Volksbuch vorführt, zu beseitigen und geben dem an sich unschönen Charakter eine verständlichere ethische Grundlage. Was Tieck von Müller übernimmt, sind äußerliche Züge. Das innere Wesen des „Machtweibes“ aus der Geniezeit, dämonische Schönheit, zügellose Sinnlichkeit, rücksichtslose Thatkraft, ein Übermenschenthum, das sich „jenseits von Gut und Böse“ ansiedelt, all diese hervorstechenden Züge haben an Tiecks Gertrud keine Spur zurückgelassen. So kommt es, dass bei Tieck wie im Volksbuch wieder Gertrud sich um eine bessere Verpflegung der gefangenen Wöchnerin bemühen kann,[273] während dies bei Müller eine Gärtnersfrau thun muss. Wenn Gertrud zu Golo sagt: „Ihr müsst durch die rauhe Zeit hindurch“ so eignet sie sich ein Lieblingswort Mathildens an, aber das an sich kräftige Wort verliert seine Kraft im Munde einer Gertrud. Diese wird schließlich „krank in ihrem Wahnsinn“ und verschwindet dann gänzlich aus dem Drama. Diese Nachricht, dass Gertrud hinter der Scene im Wahnsinn liege, ist auch nur ein blasser Reflex der grellen Sterbescene Mathildens.[274] Nach dem Höhepunkte der Verwickelung tritt Mathilde etwas, Gertrud ganz zurück. Mathilde und Gertrud sind also bei beiden Dichtern ähnlich zwischen Golo und Genoveva gestellt. Überall werden sie aus Vertrauten der Gräfin Genoveva zu deren Verfolgerinnen, und zwar immer dem vergötterten Schützling zuliebe. Treu zu Genoveva halten bei Müller Adolf, Dragones und die Gärtnerfamilie, bei Tieck Wolf, Drago, Wendelin, Heinrich und Else. Müllers Adolf, der alte biderbe Ritter und Schlosshauptmann, der gerne mit in den Mohrenkrieg zöge, wenn es in seinem Alter noch angienge,[275] ist derselbe Typus des alten treuen Unterthanen auf der Burg wie Tiecks Wolf, der nicht minder gern mit Siegfried ziehen möchte,[276] der sich ebenso närrisch über den heimgesandten Mohrensäbel freut[277] wie Adolf über den von seinem künftigen Schwiegersohne erbeuteten „Türkensäbel“.[278] Bei Müller wird dies Motiv weiter verwendet, bei Tieck verschwindet es ohne Spur aus der Dichtung. Adolf und Wolf tadeln Golos, des Liebeskranken, verändertes Wesen. Drago ist bei Tieck ganz nach dem Volksbuch gearbeitet. Er übernimmt außerdem eine religiöse Rolle, während ihn Müller fast ganz verweltlicht. Der Schäfer Brandfuchs singt einmal vor Golo das traurige Liebeslied,[279] ebenso der Schäfer Heinrich bei Tieck.[280] Die beiden Mörder, die Müller nach Shakespeare’scher Weise einführt[281] und deren Charakterverschiedenheit die Legende nur flüchtig andeutet, wirkten außer den Shakespeare’schen jedenfalls auf die beiden Gesellen bei Tieck nach.[282] Überall ist der eine ganz hart und fühllos, der andere menschlicher gesinnt; überall müssen sie sich für ihr Geschäft Muth antrinken. Tieck mildert aber das Rohe und Derbrealistische seines Vorgängers um viele Grade, wenn auch einiges davon in der Trinkscene und in Bennos sonstigen Reden übrig bleibt. Weniger deutlich als für die Charaktere und ihre Gruppierung, lässt sich Müllers Vorbild im scenischen Aufbau des Tieck’schen Dramas verfolgen. Da die erste Anregung zur Behandlung der Genoveva-Legende für Tieck von Müller ausgieng, so muss allerdings das eine auch festgehalten werden, dass Tieck von Müller lernte, Verschiedenes aus Shakespeare, „Götz“ und „Werther“ in die Dramatisierung des Volksbuches hereinzunehmen. Wie viel für den raschen Scenenwechsel sowie für die Art des sorgfältigen Wiedergebens aller nur möglichen Vorgänge vor den Augen des Zuschauers und des Zeitausfüllens für Vorgänge hinter der Scene bei Tieck auf Shakespeare zurückzuführen ist, wie weit dafür im einzelnen Falle Müller oder Goethe in Betracht kommen, lässt sich meines Erachtens nicht mehr feststellen, da der junge Goethe und Lenzens Dramen Tieck längst ebenso vertraut waren als Shakespeares Werke. Das nämliche gilt von der Einführung episodischer Figuren und paralleler Nebenhandlungen. All das sind eben Bestandstücke, die ebenso in Shakespeares Technik wie in jener der Stürmer und Dränger wiederkehren. Freilich wird man am liebsten immer zuerst an Shakespeare denken, wenn man Tiecks Begeisterung für diesen Dichter sich vor Augen hält.[283] Für die Ausführung der Abschiedsscene bei Tieck scheint Müller’scher Einfluss nicht gerade ausgeschlossen. Denn auch Müller macht schon aus dem einfachen Abschied der Legende eine bunte Gruppe von Scenen. Zwei davon sind als Abschiedsscenen in Parallele gestellt. Von hier ausgehend, reiht Tieck noch weitere Abschiedsscenen aneinander. Müllers breit gerathene Aufbruchsscenen sind aber neben Tiecks Schilderung des Abschiedes fast knapp zu nennen. Die Hingabe an die Natur und ihre Stimmung, die bei Müller, Goethe und Shakespeare bezeichnend hervortritt und die Art dieses Dichters, die Natur als Umgebung und Hintergrund für seelische Vorgänge wirksam zu benützen, konnte für Tieck außer seiner eigenen Neigung ein Anlass mehr sein, seine „Genoveva“ reichlich mit Naturstimmung zu durchweben und landschaftliche Hintergründe für gewisse Scenen zu schaffen. Die Balkonscene mit Serenade und Sommernachtzauber im Müller’schen Drama[284] konnte von Tieck unmöglich übersehen werden. Daneben musste sich dann auch das Original bei Shakespeare von selbst einstellen. -- Müllers Adam sagt einmal vor Genovevas Gefängnis:[285] „Soll denn die Sonne scheinen jetzt? Möchte auch nicht scheinen, wenn ich Sonne wäre, herunter auf diesen jämmerlichen Erdball.“ Ähnlich spricht Tiecks Genoveva zu ihren Henkern:[286] „O seht, die Sonne will nicht niederscheinen Auf solche That, es will das Aug’ der Welt Nicht sehn, was euch auf immer nagen würde.“ Hier müssen wir noch einen Blick auf „Werther“ werfen,[287] dessen Bedeutung für die Entwickelung des Naturgefühles in der deutschen Poesie nicht hoch genug angeschlagen werden kann. Werther sieht die Naturumgebung immer im Lichte seiner Stimmung. Wenn auch nicht mit gleich tiefem Gemüthsantheile, so doch in verwandter Art fühlt Golo seine Empfindung in die Natur hinein. Die Todessehnsucht Golos, den der Wasserfall in seine Tiefe herabzulocken scheint, geht ohne Zweifel auf Werther’sche Empfindungen zurück. Werther schreibt: „Ach mit offenen Armen stand ich gegen den Abgrund und athmete hinab! hinab! und verlor mich in der Wonne, meine Qualen, meine Leiden da hinabzustürzen! dahinzubrausen, wie die Wellen!... O Wilhelm! wie gern hätte ich mein Menschsein drum gegeben, mit jenem Sturmwinde die Wolken zu zerreißen, die Fluten zu fassen!“ Golo:[288] „Geh’ ich den tiefen Wasserfall vorüber Und höre unten seine Wellen brausen Und sehe den lebend’gen mut’gen Schaum Und wie der Strom sich weit hinunterreißt: Ich kann nicht sagen, welch ein tief Gelüst Mich dann befällt, in die Strudel abzuspringen, Daß sie mich unterwälzen und verschlingen.“ Der unglückliche Werther läuft in den Wäldern herum und stürzt in den Sturm hinaus. Der abgewiesene Golo ruft:[289] „Hinaus! dem Winde sei ein Spiel, den Regenwolken und dem Blitz ein Ziel!“ Werther verkehrt gerne mit einfachen Leuten, die der Natur nahestehen, die dem überfeinerten Menschen als unverfälschte Natur erscheinen und macht sie zutraulich: Golo thut das nämliche.[290] Die Empfindungsweise, die hauptsächlich von Rousseau ausgieng, sendet ihre schwächeren Wellenzüge bis in die romantische Dichtung herüber. Ahnungen und Träume spielen bei Müller (dem wieder „Götz“ und „Werther“ vorangehen) ihre Rolle. Diese Elemente waren aber besonders geeignet, Tiecks Phantasie an einer sehr empfänglichen Seite zu berühren. Ahnung und Traum haben in seiner „Genoveva“ auch eine bedeutende Stelle. Wackenroder, Novalis und Tieck sind es, die mit großer Vorliebe in diesen geheimnisreichen Kreisen unseres Seelenlebens verweilen. Schwer lassen sich die Einflüsse nachweisen, welche für das ritterliche Costüm, besonders für Tiecks Kriegsdarstellung maßgebend waren. Der „Kreuzzug“ gegen die Saracenen, der breitangelegte Auszug der Ritter in den Krieg sowie die Lagerscenen bei Müller schlagen schon die Richtung der Ritterdramen ein. Das Leben und Treiben auf der Burg, wie es Müller schildert, konnte Tieck einzelne Winke geben und diese Scenen waren geeignet, Tieck, der nun einmal für das Altdeutsche ein hohes Interesse und warmes Gefühl hegte, zu veranlassen, dieses ritterliche Costüm noch weiter auszuführen. An Anregungen verschiedener Art fehlte es für Tieck hier nicht, da er die Herrschaft der Ritterstücke auf der Bühne selbst als junger Mensch miterlebt hatte. Und lassen wir die Dutzendware der Ritterdramen und Ritterromane beiseite, so müssen wir wieder hervorheben, dass Müller Tiecks associierende Erinnerung naturgemäß auf „Götz“ und Shakespeare zurückführen musste. Schlachtscenen, nächtlicher Kampf und Brand, der Contrast ehrlicher Ritter und falscher Feinde begegnete ihm im „Götz“. Noch mehr Schlachtscenen fand er bei Shakespeare. Wenn Tieck auch im allgemeinen mehr Sorgfalt für das alterthümliche Costüm und Colorit verwendet als Müller, so darf man doch auch bei ihm nicht zu viel erwarten. Das Costüm bleibt auch für ihn Nebensache, untergeordnetes Mittel zum Zweck, ein Mittel nämlich, die Stimmung des Alterthümlichen zu erregen. Als „klare Erinnerungen von einzelnen Stellen“ des Müller’schen Werkes ließe sich noch dies und jenes ansprechen. Die Nachrichten vom Kriegsschauplatze und das Heimsenden von Beutestücken gehen offenbar auf das gleiche Motiv des Vorläufers zurück.[291] Tieck beachtet aber den ursprünglichen Zweck und Sinn desselben, einen Contrast gegen Golos unthätiges „Verliegen“ auszudrücken, nicht mehr weiter. Er nimmt es als bloße Decoration für den Augenblick in sein Stück auf. Der Jagdscene mit dem Jagdliede bei Müller[292] entspricht die Jagdscene mit dem Liede bei Tieck.[293] Wie bei Müller Siegfrieds Vettern als Veranstalter der Jagd erscheinen,[294] so bei Tieck Siegfrieds Bruder und Vetter Kunz.[295] Der Inhalt des Reinigungsbriefes wird überall, abweichend vom Volksbuch, erst nach seiner Auffindung mitgetheilt und erscheint an einer dramatisch wirksameren Stelle. Namen und Namensform entlehnt Tieck nicht von Müller, wo er vom Volksbuch abweicht. Der Name „Wolf“ aber, der im Ritterdrama für alte Diener, Burgvögte und Leibknappen beliebt ist,[296] deutet darauf hin, dass Tieck wohl auch die anderen gut altdeutsch klingenden Namen Otho, Günther, Kunz, Gertrud u. s. w. in ähnlicher Absicht, wie die Ritterdramendichter einführt. * * * Betrachten wir das Müller’sche Gut und Eigenthum in Tiecks Drama, so will es in der That scheinen, die Vorwürfe, die Tieck einst wegen begangenen Plagiates zu hören bekam, seien doch nicht so ganz unberechtigt gewesen und Tiecks Bezeichnung dieser Entlehnungen als „dunkle Erinnerungen vom Ganzen und klare von einzelnen Stellen“ sei viel zu liebevoll und selbstgerecht. Dass Tieck in recht schonender Weise, weil in eigener Sache, spricht, kann nicht geleugnet werden, ist aber nicht allzuschwer begreiflich. Von einem Plagiate im gewöhnlichen üblen Sinne des Wortes darf man aber hier so wenig reden, als etwa bei Lessings vielberufenen Entlehnungen. Die zusammengelesenen Steinchen machen noch lange nicht das Mosaikbild aus und all die entlehnten Motive und Charakterzüge (und wäre selbst ein halbfertiger Charakter wie Golo darunter) noch weniger Tiecks ganze Dichtung. Wenn Tieck die verschiedenen Anleihen, die er bei Müller macht, nur als „dunkle Erinnerungen...“ behandelt, so lässt sich auch für diese Bezeichnung eine wohlwollendere Erklärung, als die seiner einstigen Gegner, finden. Tiecks Dichten gieng auch nicht „vom Buche zum Buche“, sondern „vom Leben zum Leben“, d. i. in diesem Falle vom inneren Erleben in der Phantasie zum Neuschaffen aus der Phantasie. Theater, Bücher und Kunst bieten Tieck die meisten Anregungen. Ganz anders, wie bei Goethe, dessen Poesie mehr dem Leben als den Büchern verdankt. Wenn Tieck „Götz“, „Werther“, Müller, Shakespeare u. s. w. liest, so leben ihm die Gestalten der Dichtungen leibhaftig in klarer Vision auf und besonders diese Gestalten haften in seiner Erinnerung mehr oder weniger lebendig, nicht aber die einzelnen Verse und Zeilen des Buches. Wenn dann Tieck das Volksbuch las, konnten sich recht gut Müllers Golo und von diesem herbeigerufen, Weislingen, Werther und andere Figuren einstellen und mit den aus dem Volksbuch aufwachsenden Gestalten unvermerkt zusammenfließen oder den Gestalten des Volksbuches eine bestimmte Färbung verleihen, ohne dass Tieck selbst es irgendwie deutlich merkte. Dass dabei auch einzelne Verse, Sätze, Bilder... sich bald klarer, bald minder klar reproducierten, hat nichts Auffallendes. Wollte Tieck, der die nämliche Legende dramatisch bearbeitete, die er schon einmal dramatisiert gelesen, jedes Nachwirken des Vorgängers genau vermeiden, er hätte Schritt für Schritt eigens gegen Erinnerungs-Contrebande kämpfen müssen. Dazu wäre zum mindesten auch nöthig gewesen, dass ihm jemand Müllers Manuscript, das er ein Jahr vorher gelesen hatte, zu beständigem gewissenhaften Vergleichen auf den Schreibtisch gelegt hätte. Neben der im ganzen identischen stofflichen Grundlage, die beiden Dichtern gemeinsam ist, kommt hier auch eine Art geistiger Verwandtschaft der Dichter selbst in Betracht. Diese äußerte sich in dem auffallend lebhaften Interesse, das Tieck stets für Müller hegte.[297] Vorliebe für das mittelalterliche Ritterleben und für Volksthümliches, die Neigung zum Lyrischen und Musikalischen, Verehrung Shakespeares und des jungen Goethe, ein reger Natursinn bieten in der That mannigfache Berührungspunkte. Es war daher mehr als ein bloß geistreicher Einfall, wenn man Müller den „Romantiker der Sturm- und Drangperiode“ nannte, wie Hettner that. Behält man diese innere Verwandtschaft beider Dichter im Auge, so erscheint es auch um vieles verzeihlicher, wenn Tieck manches in seiner „Genoveva“ als rechtmäßigstes Eigenthum ansprechen mochte, was es vielleicht in Wirklichkeit nur zur Hälfte war und seine beharrliche Abwehr jeder Plagiatbeschuldigung wird um so begreiflicher. Unter solchen Umständen darf man wohl glauben, dass Tieck bona fide nur das herübergenommene Lied als nennenswerte Entlehnung betrachtete. Ein sorgfältiges Vergleichen seiner „Genoveva“ mit Müller und den anderen literarischen Vorbildern hätte Tieck später, als er dem eigenen Werke schon recht objectiv gegenüberstand, zu einer exacteren Sprache bewegen können. Gute Gelegenheit dazu hätte er gefunden, da er als erster Müllers Drama herausgab. Fühlte er sich aber des Plagiates schuldig, so hätte er die Herausgabe besser im eigenen Interesse unterlassen. Seine „Vorberichte“, die viele wertvolle Erinnerungen an seine dichterische Laufbahn enthalten und uns viele Aufschlüsse über das Wesen seiner Kunst gewähren, machen nicht den Eindruck, als ob Tieck je mit so ängstlicher philologischer Genauigkeit zuwerke gegangen wäre. Nicht zu vergessen, dass fast drei Decennien vorüber waren, als er darangieng, seine einstigen dichterischen Stimmungen und literarischen Beziehungen aus der Erinnerung darzustellen. Wie Tieck an dem, was er von Müller übernimmt, in seiner Art an allem Drastischen und Kraftvollen mildernd und abschwächend änderte (also ganz ähnlich wie beim Volksbuch), wie er Ahnung, Traum und Naturstimmung, also gerade jene Dinge, die seinem Empfinden wahlverwandt entgegenkamen, aufnahm und liebevoll erweiterte, wie er selbst dem begleitenden Liede, das er absichtlich und mit Bewusstsein entlehnt, eine andere Stellung in seiner Dichtung anwies, sahen wir im Verlaufe der Untersuchung. Das Wichtigste und Bemerkenswerteste bleibt, dass durch alle Entlehnungen aus Müller das Gesammtbild der Tieck’schen „Genoveva“ und die Gesammtauffassung derselben nicht wesentlich bestimmt wird. Alles dient nur zur Ergänzung und Ausfüllung der Legende des Volksbuches. Motive und Vorstellungen, die Tieck von außen her aufnimmt, gehen außerdem immer durch das Medium seiner Individualität hindurch und müssen sich der Auffassung des Ganzen unterordnen und diese Gesammtauffassung der Legende bei Tieck ist von der Müllers so verschieden, als eben Geniezeit und Romantik bei allen gegenseitigen Berührungspunkten doch immer verschieden sind. 2. Tieck und Shakespeare. „Das Centrum meiner Liebe und Erkenntnis ist Shakespeares Geist, auf den ich alles unwillkürlich und oft, ohne dass ich es weiß, beziehe, alles, was ich erfahre und lerne, hat Zusammenhang mit ihm, meine Ideen so wie die Natur, alles erklärt ihn und er erklärt die andern Wesen, und so studiere ich ihn unaufhörlich.“[298] Diese Worte schrieb Tieck in sein „Poetisches Journal“, das im gleichen Jahre mit der „Genoveva“ erschien und sie kennzeichnen seine Stellung zum großen englischen Dramatiker, seine unbegrenzte Verehrung, seine ehrfürchtige Begeisterung. Shakespeare war von der Schulbank an Tiecks lieber Freund und Lebensgefährte. Als Gymnasiast hatte unser Poet heißhungrig einen Band der Eschenburg’schen Übersetzung um den andern verschlungen.[299] Sechzehnjährig huldigte er seinem Abgotte mit der kleinen Dichtung „Die Sommernacht“. In Göttingen (1792 bis 1793) gieng er an ein eifriges Studium Shakespeares und des altenglischen Theaters in der Originalsprache.[300] Die nächste Frucht dieser Beschäftigung war die Bearbeitung des „Sturm“ und zwei Abhandlungen über Shakespeare. Der Einfluss dieser Studien lässt sich im Costüm des „Lovell“ sowie in manchen Zügen des „Blaubart“ und „Zerbino“ erkennen.[301] A.W. Schlegels Übersetzung (von 1797 an erscheinend),[302] entzückt Tieck ganz besonders; denn hier findet er den Engländer in deutscher Sprache „gleichsam neu erschaffen“.[303] Im „Zerbino“ versetzt er ihn mit den größten Meistern der Weltliteratur in den Garten der Poesie. Gleichzeitig nimmt er das längstgeplante große Werk über Shakespeare in Angriff, kommt aber über die zwei „Briefe über Shakspeare“, die im „Poetischen Journal“ stehen und höchstens eine Einleitung zum Werke selbst abgeben könnten, zunächst nicht hinaus.[304] Diese „Briefe“ sind ein Erguss der tiefen schwärmerischen Verehrung, mit der Tieck vor dem britischen Heros auf die Knie sinkt. Auch zu diesem „Kunstheiligen“ sieht er mit inniger Bewunderung, mit Andacht und Entzücken empor, wie er mit Wackenroder zum lieben, wackern Albrecht Dürer und zum göttlichen Rafael aufgeblickt hatte.[305] Nur tiefe Ehrfurcht und Enthusiasmus erfüllen seine Seele. Noch zeigt sich kaum eine Spur der späteren sachlichen Kritik der „Dramaturgischen Blätter“. Die Begeisterung in den „Briefen“ wird nur ab und zu durch missfällige, ironische Seitenblicke auf die „knaupelnden Schönheitszergliederer“ wie auf verschiedene zeitgenössische Tendenzen unterbrochen. Tieck hat noch kein offenes Auge für die historischen Bedingungen, die vor zwei Jahrhunderten den englischen Dichter umgaben. Es erscheint ihm an Shakespeare alles als höchste Vollkommenheit. Bei solch enthusiastischer Hingabe kann es dem Dichter Tieck leicht begegnen, dass er als erstrebenswerte Tugend nachahmt, was beim bewunderten Vorbild nicht höchste Leistung, sondern nur eine Noth und vorübergehender Zeitgeschmack war. Es ist dies dieselbe schrankenlose Bewunderung, wie sie die Romantiker den alten Volksbüchern entgegenbringen.[306] Ein solcher entzückter Verehrer kann sich bei der Nachahmung so gut vergreifen wie der Halbverständige. Es müsste wunderlich zugehen, wenn diese Hingebung an den einzig bewunderten Dramatiker an Tiecks dramatisierter Genoveva-Legende gar keine Spuren erkennen ließe, nachdem auch Tiecks Vorgänger Müller den nämlichen Stoff schon mit Shakespeare’schen Motiven bereichert und vielfach mit Shakespeare’scher Technik behandelt hatte. In seinen Vorberichten gedenkt freilich Tieck mit keinem Worte einer solchen Anregung. Wohl aber bemerkt Köpke im Vorübergehen,[307] dass unserem Dichter um jene Zeit der halbshakespeare’sche „Perikles“[308] wegen der eingeflochtenen epischen Partien besonders lieb gewesen sei. An Iffland schreibt der Dichter am 16. December 1799: „Ich habe den Versuch gemacht, in diesem Schauspiel die Shakespeare’sche Form mit der spanischen zu verbinden, wozu sich der Stoff auch sehr gut eignet.“[309] Noch deutlicher spricht Tieck endlich in einem Briefe an Solger:[310] „Es gehört zu meinen Eigenheiten, dass ich lange Jahre den Perikles von Shakespeare vielleicht übertrieben verehrt habe; ohne diesen wäre Zerbino nicht, noch weniger Genoveva und Octavian entstanden. Ich hatte mich in diese Form wie vergafft, die so wunderbar Epik und Drama verschmelzt; es schien mir möglich, selbst Lyrik hineinzuwerfen, und ich denke mit wahrem Entzücken an jene Stunden zurück, in denen Genoveva und später Octavian in meinem Gemüthe aufgiengen: Dies Entzücken wollte ich wohl zu körperlich, buchstäblich hineinbringen, und so entstand das Manierierte. -- --“ Hier sagt Tieck mit aller wünschenswerten Klarheit, dass gerade die untheatralische Form es war, die ihn so absonderlich am „Perikles“ anzog. Seine eigene phantastische Neigung, seine Lust zum Überspringen der hergebrachten und der natürlichen Grenzen der künstlerischen Gattungen, Fr. Schlegels Doctrin von der romantischen Universalpoesie, in der sich nach der Forderung dieses romantischen Gesetzgebers auch die verschiedenen künstlerischen Gattungen und Formen unauflöslich verschmelzen sollen, erklären es, wie sich Tieck gerade in die Form dieses Zwitterproductes „vergaffen“ konnte. Wenn Köpke Shakespeares Einfluss auf die „Genoveva“ zu wenig betont, so thut Tieck selbst in diesem Briefe des Guten fast zuviel, wenn er sagt, dass ohne „Perikles“ nicht „Zerbino“ und noch weniger „Genoveva“ und „Octavian“ entstanden wären. So weit es sich um „Genoveva“ und „Octavian“ handelt, ist die Sache wohl nicht anders gemeint als: „Genoveva“ und „Octavian“ wären ohne „Perikles“ nicht die romantischen Dramen geworden, die wir vor uns haben. Warum Tieck diese Volksbücher nicht auch ohne „Perikles“ in der Art der „Magelone“ oder „Melusine“ hätte bearbeiten sollen, ist schwer einzusehen. Für die romantisch-dramatische Behandlungsweise ist aber das Vorbild des „Perikles“ gewiss nicht zu unterschätzen. Wenn es im allgemeinen Shakespeare’sches Princip ist, möglichst viele Vorgänge dem Zuschauer auf der Bühne vor Augen zu führen (was bei der damaligen Bühneneinrichtung nicht schwer war), so sehen wir diese Darstellungsart im „Perikles“ bis zur äußersten Consequenz getrieben. Ohne straffe dramatische Composition werden uns die Schicksale und Abenteuer des Helden Perikles von Tyrus, die eine lange Reihe von Jahren ausfüllen, aufs gewissenhafteste vor Augen gestellt, und es sollte nichts vergessen und nichts weggelassen werden. Bei solchem Vorgehen stieß jedoch der Dichter bald auf die eine oder andere Schranke. Sollte alles scenisch erscheinen, so musste einmal das Stück eine Ausdehnung bekommen, die jeder Aufführung gespottet hätte. So griff er denn zum Auskunftsmittel des epischen Berichterstatters, der auf der altenglischen Bühne ohnehin längst heimisch war und gewährte ihm möglichst freien Spielraum. Dazu fanden sich in der Fabel des Stückes gerade Ereignisse, die sich bequem durch einen Erzähler an der Stelle abthun ließen, die ihnen chronologisch zukam, wie etwa die zweimalige Meeresfahrt. Anderes in diesen Zwischenerzählungen ist freilich auch nichts weiter, als Wiederholung und verdeutlichende Erklärung von Dingen, die wir auf der Bühne sehen oder es wird etwas erzählt, dass sich ebensogut im Dialoge mittheilen ließe. Ganz ähnlich steht es mit dem Chorus in „König Heinrich V.“ Im „Wintermärchen“ dagegen soll die Zeit als Chorus den Verlauf von sechzehn Jahren markieren. Einen ähnlichen Chorus fand Tieck noch im „Locrine“ wie im „Lustigen Teufel von Edmonton“.[311] Dieser erzählende Chorus erscheint im „Perikles“ nicht nur zwischen den einzelnen Acten mit seinem Berichte, sondern zweimal sogar mitten im Verlaufe des Actes. Tieck will uns „Leben und Tod der heil. Genoveva“ dramatisch vorführen. Dieser Stoff umfasst ebenfalls die Ereignisse langer Jahre. Alles dramatisch zu formen, würde selbst einem Buchdrama, das nicht mit der Bühne des Theaters, sondern mit einer Bühne für die Phantasie rechnet,[312] eine zu unerfreuliche Länge verleihen. Ließ sich etwas an passender Stelle episch sagen, so konnte es Tieck nur lieb sein. Eine solche passende Stelle ist durch den Stoff der Genoveva-Legende selbst gegeben. Der siebenjährige Zeitraum, der durch Genovevas Dulden, Beten und wunderbare Erlebnisse und durch Schmerzenreichs einsame Jugend im Walde ausgefüllt wird (Siegfried erscheint indessen Dragos Geist), bietet fast lauter Momente, die für den psychologisierenden Epiker bequem, für den Dramatiker wegen ihrer Armut an innerer und äußerer Handlung undankbar sind. Dieser Theil der Legende gab also Tieck den deutlichen Wink, wo sein Rhapsode einzutreten habe. Es ist dies eine Eigenthümlichkeit, welche der Stoff des Genovevabüchleins mit dem Shakespeare’schen „Wintermärchen“ gemein hat. Zu beachten ist hier noch die technische Erwägung, dass die auffallend hohen Wunder sich im epischen Vortrag poetisch wahrer ausnehmen, als in dramatischer Vergegenwärtigung. Der letzterwähnte Grund ist kein vager Einfall; er entspricht der Auffassung Tiecks von der Darstellung des Wunderbaren.[313] Ähnlich beurtheilt auch Bernhardi diesen epischen Theil in seiner Recension der „Genoveva“.[314] So erklärt es sich, warum Tieck außer im Prologe und Epiloge den heil. Bonifacius gerade hier und nicht öfter eintreten lässt, wozu ihn das Vorbild des „Perikles“ immerhin hätte verleiten können. Die Verwendung des erzählenden Chorus, sowie das Beispiel einer dramatischen Behandlung von Ereignissen, die sich durch lange Jahre hinziehen, einer dramatischen Biographie, muss für Tieck entscheidend gewesen sein, auf eine gewöhnliche Dramatisierung der Legende hätte ihn am Ende Müllers Vorgang auch führen müssen. Denn bevor Tieck das Volksbüchlein las, hatte er eine dramatische Gestaltung des Genovevastoffes in den Händen gehabt. Seit dem „Wilhelm Meister“ geht aber ein epischer Zug durch unsere Literatur, der sich z. B. auch im „Wallenstein“ bemerkbar macht. Das episch gedehnte inhaltsreiche Drama, wie es Tieck anstrebt, nähert sich dem Roman, dem höchsten Ziele der Romantiker in den letzten neunziger Jahren. Hätten wir ohne „Perikles“ keine Tragödie „Genoveva“, so hätten wir auch ohne Gower keinen heiligen Bonifacius. Der Verfasser des „Perikles“ wählt sich zum Chorus den altenglischen Dichter John Gower, dessen „Confessio Amantis“ im achten Buche die Geschichte von „Perikles“ behandelt und die neben Lawrence Twines Novelle „The Pattern of painfull Adventures“ als Quelle für das Drama diente.[315] Die Beziehung Gowers als Erzählers einer Vorlage des Stückes war für die Wahl dieses Dichters zum Chorus maßgebend. Als Erzähler der Vorlage hat Gower schon äußerlich eine Verbindung mit der Neubearbeitung selbst. Die dramatische Neubehandlung seiner Erzählung ist ein Auferstehen vom Tode der Vergessenheit und da mag dann billig mit der alten Dichtung auch der alte Dichter erscheinen. Tieck wusste allerdings keinen Volksbuchschreiber zu finden, der etwa in der „Genoveva“ eine Stelle wie Gower im „Perikles“ einnehmen könnte. Hätte unser Romantiker Martin von Cochem und den Antheil dieses Schriftstellers am Genovevabüchlein gekannt, wer weiß, ob nicht dieser treffliche Kapuzinerpater den Part des heil. Bonifacius hätte übernehmen müssen? Tieck führt dafür den heil. Bonifacius ein, den er dichterisch frei zum Zeitgenossen Genovevas macht. Fehlt für Tieck auch eine ursprüngliche äußere Beziehung, wie sie zwischen Gower und Perikles besteht, so steht Bonifacius mit der Genoveva-Legende doch in einer gewissen inneren, geistigen Verbindung. Der berühmteste Heilige und Glaubensbote des deutschen Mittelalters erscheint ganz passend als Chorus in einem Drama, das uns in die Zeit mittelalterlicher Frömmigkeit und wunderbaren Glaubenslebens zurückversetzen will. Im „Perikles“ tritt Gower auf und beginnt: „Es kommt, zu künden einst’ge Mär’, Vom Grab der alte Gower her.“ Er kommt ins Leben zurück, um die Menschen mit seiner alten Mär von Perikles zu erfreuen, an der sich schon die alte Zeit ergötzte. „Man sang die Mär’ beim Festgelag, Am Kirmiß- und Quatembertag; Auch lasen zur Erholung gern Zu ihrer Zeit sie Fraun und Herrn...“ Wenn die später Lebenden und darum Gescheiteren der alten Geschichte etwas abgewinnen können, so will Gower sie gern ihnen vorführen. Er erzählt nun die Vorgeschichte des Dramas und schließt: „Was nun folgt, soll euer Aug’ erschaun, Das mag entscheiden, ob ihr mir dürft traun.“ Seine nächste und noch andere Erzählungen schließt Gower mit dem Hinweis auf die auftretende Person: „Hier kommt er selbst, nun schweigt....“[316] Am Anfange von Tiecks „Genoveva“ tritt der heil. Bonifacius mit Schwert und Palmenzweige (Symbolen, wie sie der Dichter auf Märtyrerbildern sah) herein und beginnt mit ähnlicher Naivetät wie Gower: „Ich bin der wack’re Bonifacius, Der einst von Englands Ufern in die Wälder Der Deutschen Christus’ heil’gen Glauben brachte.“[317] Bonifacius schildert seine apostolische Thätigkeit. Wie an Gower, freute sich die Vorzeit auch an Bonifacius. „Das Alter sprach von mir, und meiner dachte Die Jugend mit des Herzens Innigkeit,..“ Nachdem wir so die nöthige Aufklärung über die Persönlichkeit und das Erscheinen des Heiligen erhalten haben, schildert auch dieser die Vorgeschichte des Dramas und weist wie Gower die Zuschauer auf den auftretenden Grafen Siegfried hin. „Da geht der edle Mann, zum Streit gewappnet,[318] -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- So seid nun aufmerksam und lasst euch gern In alte deutsche Zeit zurückeführen.“ Bonifacius fordert hier Aufmerksamkeit für das Folgende gerade wie Gower, der zum Schweigen mahnt und der sich seinerseits wieder nach den alten Mysterien richtete, in denen die Engel oder ein anderer Prologus das „Silete!“ riefen und Aufmerksamkeit heischten. Die Einführung der Prologsprecher und die Disposition der beiden Prologe, nämlich erst Selbstschilderung der auftretenden Persönlichkeit, dann Entwickelung der Vorgeschichte und Mahnung zur Aufmerksamkeit, ist so ähnlich, als ob Tieck sich förmlich bemüht hätte, den Eingang des schwächlichen altenglischen Stückes, das er damals so hoch verehrte, Zug für Zug nachzubilden. Tieck hat bei Herübernahme des Prologes seinem bewunderten Vorbilde auch sogar eine üble Seite abgeguckt. Im „Perikles“ so gut wie in der „Genoveva“ erfahren wir die Thatsachen der Vorgeschichte, von denen der Prolog redet, im Stücke selbst noch einmal.[319] Neben diesen deutlichen Ähnlichkeiten im äußeren Aufbau springt auch der innere Unterschied beider Prologe sogleich in die Augen. Bonifacius tritt seinem Publicum nicht bloß als harmloser Geschichtenerzähler, sondern zugleich als strenger, religiöser Mahner, als Prediger in der Wüste entgegen und beklagt sich bitter (wie Wackenroder, Novalis und Tieck), dass der Sinn für die alte fromme Zeit in seinem lieben Deutschland so ganz geschwunden sei. Die breitausladende Rede des Heiligen ist -- wenn wir vom gequält naiven Eingange absehen -- ernst und voll feierlicher Würde und hüllt sich darum auch in das vornehmere Gewand des Blankverses, in dem an anderen Stellen auch Gower redet, während im Prologe und in den meisten epischen Zwischenstücken des „Perikles“ die vierhebigen Reimpaare der hausbackenen, schwerfälligen Rede die richtige Begleitung geben. Gower sagt klar und bündig, was er ist und was er auf dem Theater will. Er vergeudet sein neugewonnenes Leben wie Kerzenlicht zur Freude der Zuschauer. Bonifacius, der allem Anscheine nach eben aus der jenseitigen Welt gekommen ist, sagt noch obendrein: „Und oftmals geht in dieser späten Zeit Mein Geist umher...“ Etwas räthselhaft. Dazu kommt das Zwiespältige, dass Bonifacius auf der einen Seite als Berichterstatter über die längstvergangene alte Zeit vor uns tritt, auf der andern wiederum dreimal im Drama als mitlebender Bischof nicht gerade auftritt, aber doch erwähnt wird. Dass Bonifacius nur an einer Stelle innerhalb des Stückes auftritt, sahen wir durch die Beschaffenheit des Stoffes und durch technische Erwägungen geboten. Gower ist, mit Bonifacius verglichen in seiner Erzählungsweise subjectiver und „ironischer“ im romantischen Sinne, indem er dem Zuschauer immer gegenwärtig hält, dass dieser im Theater sitzt, was Bonifacius alles vermeidet, um keine Störung in die ernste Rede zu bringen. Gower beschließt, entgegen seiner ersten Absicht im Prolog, wo er nur verheißt, seine Zuschauer zu erfreuen, das Drama mit einem ziemlich nüchternen moralisierenden Epilog. Bonifacius bleibt innerhalb seiner religiösen Sphäre und verkündet am Ende die Verklärung der heil. Genoveva. Das äußere Schema und einzelnes in der Stilisierung des Prologes nimmt also Tieck aus dem „Perikles“. Inhalt und Auffassung ist durch den allgemeinen Geist seines Stückes durch die alterthümlich-religiöse Stimmung bedingt. Mit diesem Einfluss des „Perikles“ auf die Form, auf die Verbindung von Erzählung und Drama ist aber Shakespeares Einwirkung auf Tiecks „Genoveva“ noch nicht erschöpft. Minor hat in seiner Ausgabe in kurzen Anmerkungen bereits auf die bedeutendsten Anklänge hingewiesen. Es sollen diese Notizen hier näher ausgeführt, begründet und an ein paar Stellen ergänzt und berichtigt werden. Einige Gestalten Tiecks zeigen in ihrem Charakter Verwandtschaft mit Shakespeare’schen Figuren. Da muss an erster Stelle der „wackeren“ Amme Gertrud gedacht werden. Das meiste für diese Nebenfigur gab dem Dichter das Volksbuch an die Hand, ihre Stellung im Drama wurde einigermaßen durch Maler Müllers Mathilde modificiert, von der Amme in „Romeo und Julia“ entlehnte aber Gertrud ihre „bösgeläufige“ Zunge. Denn die Erzählung von Golos Jugend ist unverkennbar in manchen Einzelheiten der Erzählung von Julias Jugend[320] nachgebildet. Wie Julias Amme eine Gespielin ihrer Pflegebefohlenen verlor, so muss Gertrud den Tod ihres eigenen Söhnchens beklagen, während Golo am Leben blieb. Beide erzählen mit der gleichen breiten Geschwätzigkeit und beide suchen mit wiederholten Ausrufen und Wendungen Gott in ihr Gerede hineinzuziehen. Für die leichtsinnigen geschlechtlichen Anspielungen der Amme Julias tritt bei Tieck das Lob des Bastards ein, das wieder sein eigenes Vorbild im Monologe Edmunds im „König Lear“[321] hat und die scherzhafte Bemerkung Gertruds: „Du lieber Gott, wie’s nun so in der Welt Einmal zu gehen pflegt, er war nun da Und fragte keinen, ob er kommen sollte.“[322] klingt ähnlich wie die Worte des alten Gloster über Edmund: „Obgleich dieser Schlingel etwas vorwitzig in die Welt kam, ehe er gerufen ward, so war doch seine Mutter schön...“ Wie Julias Amme refrainartig ihren Scherz wiederholt, so Gertrud ihr Erstaunen über das Wunderbare, das sie an Golo und seinem Schicksale zu bemerken glaubt. Die Gräfin Capulet sucht den unangenehmen Redeschwall der Wärterin einzudämmen. „Genug davon, ich bitte, halt dich ruhig.“ Genoveva, in der gleichen Lage, mahnt: „Du bist ein wenig zu geschwätzig, Gertrud, und sprichst daher mit bös’ geläuf’ger Zunge.“ Tieck schwächt wieder die derben Spässe, die der frommen Grundstimmung seiner Dichtung widerstreiten müssten, ab. Er nennt auch in einer späteren Abhandlung über „Romeo und Julia“ einmal das Geschwätz der Amme „gemeines Geschwätz“.[323] Im langen Monologe Karl Martells[324] will Minor deutliche Anklänge an die Monologe Macbeths bemerken, was mir aber nicht nachweisbar erscheint. Karl wiegt sich eine Zeitlang mit Lust in ehrgeizigen Gedanken und bekämpft sie dann im religiösen Sinne, wie sie eben ein guter Christ bekämpfen soll. Macbeth aber rechnet sich die quälenden Gewissensbisse vor, die der vollbrachten Mordthat folgen. Auch in einzelnen Gedanken und Wendungen lassen sich keine deutlichen Übereinstimmungen auffinden. Eher möchte man gewissen Äußerungen ehrgeiziger Prätendenten, z. B. im „König Heinrich VI.“ Keime einiger Gedanken Karl Martells vermuthen. In einer ehrgeizerfüllten Rede Yorks[325], in Richards herrschsüchtigen Worten[326], in Glosters Äußerungen[327], ferner in Hublas’ Rede[328] begegnen uns thatsächlich Gedanken, die manchen Impuls für Karl Martells Monolog bei Tieck gegeben haben könnten. „Könnten“, denn wörtliche und sicher nachweisbare Übereinstimmungen fehlen. Nicht unwahrscheinlich ist es aber, dass ein wenig von dem finsteren Heldentrotze, den Macbeth vor seinem Ende zeigt, auf Abdorrhaman übergieng. Der abergläubische Macbeth sieht nämlich, dass nach der doppelsinnigen Weissagung, welcher er unbedingt Glauben schenkt, sein Schicksal sich erfüllt; denn der Birnamwald rückt gegen Dunsinan und ein Gegner, der nicht vom Weibe „geboren“ ist, steht ihm gegenüber. Einen Augenblick bricht sein Muth zusammen, um sich sofort wieder todeskühn emporzurecken.[329] Macduffs, seines Gegners Aufforderung, die Waffen zu strecken, weist er mit stolzem Wort zurück. So benimmt sich auch der Saracenenführer Abdorrhaman in der Schlacht.[330] Obschon er sieht, dass Mahom, sein Schutzherr, ihn im Stiche lässt, stürmt er muthig und mit Todesverachtung in den Kampf und Aquitanien, der den Saracenen auffordert, sich zu ergeben, bekommt dieselbe trotzig-stolze Antwort wie Macduff. In anderen Fällen wieder merkt man Shakespeares Vorbild in der Anlage und herrschenden Stimmung der Scene. Da verweist Minor vor allem auf die Balkonscene Tiecks, die bei „Romeo und Julia“ und dem „Kaufmann von Venedig“ ihre Anleihen mache. Es wird aber nicht bloß an eine directe Anlehnung an Shakespeare zu denken sein, sondern Müllers Balkonscene tritt, wie schon bemerkt wurde, als Mittelglied zwischen Tieck und Shakespeare. Für den Shakespeareschwärmer Müller, der seiner Genoveva die ganze Heiligengloriole nimmt, um sie zu einer menschlichen, dramatisch wirksamen Gestalt umzubilden, liegt eine Nachbildung der Scene aus „Romeo und Julia“ nicht so fern. Für Tieck aber, der eine „heilige Genoveva“ schaffen will, musste jene leidenschaftdurchflammte Begegnung zwischen Romeo und Julia, in der eines die Liebe des anderen glühend erwidert, eigentlich ziemlich ferne liegen. Golos vergebliche Werbung ist das Motiv bei Tieck. Tritt aber einmal Müller dazwischen, der die Balkonscene sammt der Sommernacht mit Golo und Genoveva verbindet, so ist es begreiflicher, dass Tieck, der Romantiker, der dem Reize einer Sommernacht nie widerstehen kann, das Motiv aufnimmt und alle weichen Hauche und Töne träumerisch erklingen lässt. Müllers und Shakespeares Antheil ist übrigens noch ganz gut erkennbar. Wie bei Müller Genoveva und Mathilde, so betreten bei Tieck Genoveva und Gertrud den Balkon, um die Sommernacht zu genießen. Jedesmal bringt ihnen Golo eine Serenade, mit welcher er eine versteckte und erfolglose Liebeswerbung verbindet. Die Scene nimmt in beiden Dramen ungefähr die nämliche Stelle ein. So viel steuert Müller für die Scene bei. Darein verwebt nun Tieck verschiedene Dinge, die er direct aus Shakespeare herübernimmt und das sind erst die Reminiscenzen aus „Romeo und Julia“ sowie aus dem „Kaufmann von Venedig“, von denen Minor in seiner Anmerkung spricht. Einmal die Entwickelung des Dialoges. In „Romeo und Julia“ hebt die Scene mit einem Monologe Romeos an. Julia erscheint auf dem Balkon, wird von Romeo bemerkt ohne ihn selbst zu bemerken. Romeos Reden correspondieren etwa dreißig Zeilen hindurch mit Julias Selbstgespräch, ehe es zum eigentlichen Dialoge kommt. Auffallend ist die Ähnlichkeit dieses Sceneneinganges mit der Art, wie Tieck die nämliche Sache durchführt. Monolog Golos; Genoveva und Gertrud erscheinen auf dem Balkone; Genovevas Reden werden von Golo beantwortet, ohne dass er von den Frauen bemerkt wird und dann beginnt der Dialog selbst.[331] Alles wie bei Shakespeare. Auch Gedanken und Empfindungen Golos[332] berühren sich hin und wieder mit Romeos Monolog.[333] Überall erscheint die Frauenschönheit im Wettstreit mit den glänzendsten Erscheinungen der Natur. Der Liebende entbehrt gerne das Schönste in der Schöpfung, Sonne, Mond und Sterne, wenn ihm nur die Schönheit seiner Geliebten erglänzt; denn bei Tieck und Shakespeare muss sich die Natur durch den Reiz der einzig Vergötterten beschämen lassen.[334] Romeos auflodernde Phantasie sieht in Julia die holde Sonne, die Lunens Glanz ertödtet und seine Liebesseligkeit drängt sich in beständigen Anrufen an seine Geliebte aus dem Herzen. Golos Phantasie weilt lieber im dämmernden Reiche der Nacht. Seine Bilder entlehnt er von Mond und Sternen. Er richtet seine liebeerfüllten Ausrufe nicht so sehr an die Geliebte, sondern er haucht sie wie träumend in die umgebende nächtliche Natur ein. Hier beobachten wir deutlich Tiecks Abhängigkeit und eigene poetische Art dicht nebeneinander. Dazu gesellen sich noch die weichen Laute aus dem bekannten lyrischen Eingange des fünften Actes im „Kaufmann von Venedig“, deren auch Minor gedenkt. Die Worte Genovevas: „Wie still die Nacht des Tages Hitze kühlt, Wie sanft der Mondschein auf dem Grase spielt, Wie süß das Herz sich nun beruhigt fühlt,“ athmen dieselbe Stimmung, wie Lorenzos vielcitierte Worte: „Wie süß das Mondlicht auf dem Hügel schläft...“[335] Die traumhaft weiche Sommernachtstimmung und der süße Zauber, der das lyrische Intermezzo im „Kaufmann von Venedig“ erfüllt, gehören zu dem, was Tieck und die Romantiker am meisten lieben und was auch jene Nachtscene der „Genoveva“ beherrscht. Es konnten sich hier sehr leicht einzelne Klänge, welche Tiecks eigenen Stimmungen verwandt sind, aus dem „Kaufmann von Venedig“ hereinstehlen, ohne dass der Dichter selbst es merkte und ohne dass er viel am Entlehnten hätte umbilden müssen. Zur Sterbescene des alten Wolf merkt Minor an, sie sei „deutlich der Scene mit dem sterbenden Gaunt in Richard II. nachgebildet“. Minor behält damit gewiss Recht. Jedesmal ist es ein alter Mann, das einemal Golos Pflegevater, das anderemal der treue Rathgeber König Richards, der einem jungen, auf schiefe Bahnen gerathenen Menschen vom Sterbebette aus ernste Mahnungen und Warnungen ertheilt. Weder das Volksbuch noch Müller gibt für diese Scene einen Anknüpfungspunkt. Es ist darum kein Zweifel, dass die große Scene in „König Richard II.“[336] für Tieck das Vorbild war. Im Inhalt und Ton des Ganzen geht Tieck freilich wieder seinen eigenen Weg. Religion und Gemüthsweichheit herrschen hier, Gaunts wild donnernder Zorn ist verschwunden. Wolf bittet und fleht und sucht durch religiöse Ermahnungen seinem entrathenen Sohne beizukommen. Den ausgesprochenen Fluch widerruft er sofort und stirbt unter sentimentalen Bitten. Gaunt ist zwar auch ein geduldiger und treuer Unterthan seines Königs, aber neben Wolf gehalten, redet aus ihm eine ernste, mächtige, derbe, reckenhafte Männlichkeit. Gaunt widerruft kein Wort, das er einmal gesprochen.[337] Die lieblos rohe Antwort Golos auf Wolfs Ermahnungen: „Eu’r Fabeln rührt vom großen Alter her, Ihr wißt nicht, was Ihr sprecht, drum sei’s verziehn. Auf meinen Kopf, was ich verfehlen mag,“ stammt von der noch roheren Richards her: „Du, ein seichter und mondsücht’ger Narr, Auf eines Fiebers Vorrecht dich verlassend, Darfst uns mit deinen frost’gen Warnungen Die Wangen bleichen, unser fürstlich Blut Vor Zorn aus seinem Aufenthalt verjagen?“ u. s. w. Die ungewöhnliche Ausdehnung der Reden fällt in beiden Scenen auf. Tiecks Hexenscene soll nach Minor charakteristischer Weise den Einfluss Shakespeares (Macbeth und die Hexen) mit dem Goethes (Hexenscene im „Faust“) vereinigen. Allein schon der Vergleich mit dem Volksbuche lehrt, dass in dieser Anmerkung sicherlich zu viel gesagt ist; denn das Wesentliche und Thatsächliche, was sich in der Scene begibt, fand Tieck im Volksbuch vor. In den wirren Sprüchen und Formeln der Hexe zeigen sich Spuren verschiedener Gedanken aus Jakob Böhmes „Morgenröthe“. Es bleiben dann nur noch einige Äußerlichkeiten, die sich als Entlehnungen aus den genannten literarischen Vorbildern, Goethe und Shakespeare, erweisen lassen. In einem Punkte wenigstens thut Tieck, was Goethe und Shakespeare thaten. Diese Dichter beschränken sich in ihren Hexenscenen nicht ökonomisch auf das Nothwendigste, sondern sie schmücken jeder in seiner Weise das Treiben der unheimlichen Menschen malerisch aus. Es wird Verschiedenes vorgeführt, was nicht unmittelbar dem Zwecke der Scene dient. Malerisch und stimmungsvoll in diesem Sinne ist der Eingangsmonolog bei Tieck,[338] der die Zurüstungen Winfredas und die nächtliche Scenerie malt. Bei diesem Monologe denkt man aber nicht zuerst an „Macbeth“, sondern lieber an die Verse, mit denen Bolingbroke in „Heinrich VI.“[339] eine Geisterbeschwörung einleitet. Dieser, ein Theilnehmer am nächtlichen Werke, entwirft selbst, wie hier Winfreda, das düstere Nachtbild, nur dass es nicht monologisch geschieht. „Geduld nur! Zaub’rer wissen ihre Zeit. Die tiefe, finst’re Nacht, das Grau’n der Nacht; Die Zeit, da Troja ward in Brand gesteckt; Die Zeit, wo Eulen schrei’n und Hunde heulen, Wo Geister geh’n, ihr Grab Gespenster sprengen: Die ziemt sich für das Werk, womit wir umgeh’n.“ ~Siegfried~: „So komm, vom Himmel zeigt sich schon die Nacht, Jetzt hat das Reich der Geister seine Macht.“ -- -- ~Winfreda~: „An seinem Orte hängt der magische Spiegel, Schon weht die Nacht herauf mit schwarzem Flügel, Wolken zieh’n und flieh’n vor des Mondes Scheibe, Auf Kirchhöfen steh’n die Leichen mit blassem Leibe, In unterird’schen Grüften ein wühlendes Regen, In oberird’schen Lüften ein spielendes Bewegen, Geister schauern hernieder, Und geh’n und kommen wieder Auf der schwarzen Leiter der Nacht,...“ Der Inhalt dieser Hexenworte berührt sich theilweise ziemlich deutlich mit der Bolingbroke’schen Schilderung. In „Macbeth“ und „Faust“ wird auch alles, was der Stimmungsmalerei dient, in Handlung umgesetzt, während Bolingbroke und Winfreda die Situation mit Worten schildern. Das Colorit der Tieck’schen Hexenscene ist zwar düster, aber es herrscht in dieser Hexenwohnung doch eine ganz andere Luft, als auf der gewitterdurchstürmten schottischen Heide. Goethes Hexenscene musste Tieck wegen ihres humoristischen Charakters (Humor ist in der „Genoveva“ grundsätzlich ausgeschlossen) ferne liegen. Ebensowenig durchgreifend erscheint Shakespeares Einfluss in der Episode, wo Gertrud bei Golo die Anwaltschaft für die gefangene Genoveva und ihr Kind übernimmt. Der Inhalt dieser Scene war Tieck bis ins einzelne herab durch die Legende geboten. Es ist ein merkwürdiger Zufall, dass der Inhalt der dritten Scene im zweiten Acte des „Wintermärchens“, das Minor im Auge hat, jener Stelle des Volksbuches so auffallend ähnelt. Jedesmal erscheint nämlich eine Frau als Fürbitterin für eine Gefangene und ihr Kind. Wenn Tieck nach dem Volksbuche das nämliche Motiv dichterisch behandelt, das schon vorher sein bewunderter Meister Shakespeare behandelte, so ist allerdings zu vermuthen, dass ihm dabei Shakespeare leicht ein wenig in die Phantasie hineinspielen konnte. Allein dies kann hier nur Einzelheiten betreffen. Golo und Leontes erblicken wir im Anfange der Scene in tiefer Gemüthsunruhe. Beide geben den Befehl, jeden störenden Besuch ferne zu halten und beide wollen die Frau, die sich stürmischerweise den Zutritt doch verschafft, energisch aus dem Hause weisen. In der Einleitung schließt sich also Tiecks Scene ohne Zweifel Shakespeare an, aber eine weitere und tiefer greifende Abhängigkeit wird sich schwerlich nachweisen lassen. Ebenso verhält es sich noch mit einer anderen Scene, nämlich mit dem Gerichte über Golo, das ein wenig nach Shakespeare stilisiert erscheint, und zwar nach dem Gerichte, das in „Richard II.“[340] Bolingbroke über Green und Bushy hält. Zuerst ein Befehl, die Delinquenten vorzuführen. ~Bolingbroke~: „Führt diese Männer vor.“ ~Matthias~: „Jetzt lasst den Bösewicht herein...“ Darauf hält der Vorsitzende des Gerichtes, Bolingbroke bei Shakespeare, bei Tieck Siegfried, den Schuldigen die begangenen Übelthaten vor. Der Inhalt dieser Anklagerede, Golos aufgezählte Frevel, stehen auch wieder im Volksbuch, nur für das äußere Arrangement der Scene kommt Shakespeare ein wenig in Rechnung.[341] Wir mussten bereits andeuten, dass Tieck, von Maler Müller geleitet, für die breitausgedehnten Schlachtscenen und ihr ritterliches Costüm manches aus Shakespeare entnahm. Dass es für Tieck nichts Gewagtes schien, bei Shakespeare in Sachen des ritterlichen Costüms zu lernen, beweisen seine eigenen Worte: „Shakespeares Zeitalter war gerade dasjenige, in welchem noch die letzten Spuren des kräftigen Mittelalters, des Geistes der Liebe, des Wunderglaubens und der Heldenthaten wie in einer neuen Herbstblüte zwar schwach aber doch erquicklich, da standen.“[342] Es finden sich vorzüglich in den „Historien“ Motive, die für Tieck anregend wirken konnten. Da begegnen uns die Gesandtschaft, die Beobachtung der Naturstimmung vor der Schlacht, das wechselnde Kriegsglück, der Zweikampf, der Aufruhr im eigenen Lande, während das Heer im Felde steht, Stadtbelagerung, nächtlicher Überfall, nächtliches Lagerbild, Verwirrung und Bedrängnis im nächtlichen Kampfe, der sterbende Krieger. Es lässt sich ja nicht leugnen, dass solche Motive in den Schlachtschilderungen fast aller Zeiten wiederkehren. Wenn wir aber bemerken, dass Tieck mit manchen anderen Zügen sich ziemlich enge an Shakespeare anlehnt, so liegt es nahe, auch hier gerade an die Vorbildlichkeit Shakespeares zu glauben. Wie der kämpfende Abdorrhaman an Macbeth in der Schlacht gemahnt, wurde schon in anderem Zusammenhange gezeigt. Die Gesandten entwickeln bei Shakespeare mitunter in ihren Forderungen dieselbe naive Unverfrorenheit wie Tiecks saracenische Botschafter. Sie benehmen sich, als ob sich der Gegner schon lange ohne Schwertstreich auf Gnade und Ungnade ergeben hätte.[343] In „Heinrich V.“ fordert Exeter schlankweg Übergabe, sonst gebe es blutigen Kampf. Die Franzosen möchten doch selbst ihre Leute schonen.[344] Gerade so redet Derar vor Karl Martell und nicht weniger verächtlich spricht Albanakt im „Locrine“ von seinen Gegnern. (Hornvilla im „Octavian“.) -- Der Schlachtplan, den Malcolm entwirft,[345] ist im wesentlichen derselbe wie jener, den der saracenische Kriegsrath bei Tieck zustande bringt. -- Wenn Otho, auf dem Schlachtfelde sterbend, über das Kriegerleben, sein Aufblühen und Hinschwinden meditiert, so hören wir auch den sterbenden Warwick[346] seine ähnlichen Betrachtungen über die Vergänglichkeit der irdischen Herrlichkeit halten. -- Shakespeare, der „seine Göttin“ Natur nie vergessen mag, lauscht sogar auf dem Schlachtfelde dem Tone ihrer Stimmung. ~König Heinrich~: „Wie blutig über jenen busch’gen Hügel Die Sonne blickt hervor! Der Tag sieht bleich Ob ihrem kranken Schein.“ ~Prinz Heinrich~: „Der Wind aus Süden Thut, was sie vorhat, als Trompeter kund, Und sagt, durch hohles Pfeifen in den Blättern, Uns Sturm vorher und einen rauhen Tag.“ ~König Heinrich~: „So stimm’ er denn in der Verlierer Sinn, Denn nichts scheint denen trübe, die gewinnen.“[347] So fühlt sich auch Karl Martell von der Morgenstimmung vor der Schlacht ernst ergriffen. ~Karl Martell~: „Mit Purpur angethan zeucht Morgenröte Herauf und schreitet durch das Himmelblau, Es flammt die Glorie der frühen Röte Herab und spielet auf die grüne Au, Der Tod schaut nieder, welchen er ertöte, Weiß jener nur, jenseit des Himmelsblau.“ Der ernsten Betrachtung contrastiert auch Tieck die zuversichtliche Empfindung des Jünglings Aquitanien: „Seht, fröhlich hat der Tag sich angethan, Er glänzt daher im festlichen Gewand...“[348] Einen Schritt weiter als dieses poetische Einfühlen in die Natur geht die astrologische oder die gewöhnliche abergläubische Deutung ungewöhnlicher Naturvorgänge, wie sie Tieck in der Unterredung zwischen Golo und Wolf verwertet.[349] Der uralte Volksglaube, dass ungewöhnliche Himmelserscheinungen und seltene atmosphärische Vorgänge Begleiterscheinungen ungewöhnlicher Vorgänge auf Erden seien, wird von Shakespeare nicht selten in wirkungsvoller Weise für ein Stimmungsbild ausgenützt oder in ein solches verwoben. Außerdem liegt für den Leser und Zuschauer in solchen Vorgängen eine ahnungweckende Vordeutung über künftige Ereignisse. In „Richard III.“[350] will ein Hauptmann aus verschiedenen düsteren Zeichen (darunter: „der blasse Mond scheint blutig auf die Erde“) auf den Tod des Königs schließen.[351] Im „Hamlet“[352] spricht Horatio von den unheimlichen Zeichen am Himmel und auf der Erde, die Cäsars Tod verkündeten „als Boten, die dem Schicksal stets vorangehn und Vorspiel der Entscheidung, die sich naht“. Ein andermal steht dem zeichengläubigen alten Gloster der junge Edmund gegenüber, der mit rationalistischer Skepsis den Glauben an diese Vorzeichen als „ausbündige Narrheit“ erklärt.[353] Von Shakespeare übernahm diese Mittel der unheimlichen Stimmung und Vorahnung Goethe in den „Götz“.[354] Bei Maler Müller erscheint mit einer neuen Nuance die verwandte Vorstellung, dass durch solche Zeichen verborgene Blutschuld offenbar wurde. Doch Golo fürchtet sich nicht davor. „Ich lache zu allem! Wenn auch gleich Sonnenfinsternis würde, Sterne blutig über mein Haupt herabwinkten und durch eine angedeutete Zuchtrute der Himmel mich bedräuen ließe: was liegt mir daran?“ Tieck hatte schon vor seiner „Genoveva“ gerne das unheimliche, unbestimmte Grauen vor Natur- und Schicksalsmächten in seine Dichtungen hereingebracht. („William Lovell“, „Blaubart“, „Der blonde Eckbert“, „Sternbald“, „Tannenhäuser“ und „Runenberg“.) Der eigenthümliche Zug seiner Phantasie musste durch die literarischen Vorbilder nur gesteigert werden. Diese sowie die eigentlich astrologischen Vorstellungen wurden auch noch durch Jakob Böhme und Schillers „Wallenstein“, den Tieck gewiss auf dem Berliner Theater gesehen hat, genährt. Aus dieser düster dämmernden Sphäre stammt die Scene mit dem alten Wolf und Golo. Welches von den verschiedenen Vorbildern den ersten Anstoß gab, wage ich nicht zu entscheiden, weil sich bei Tieck verschiedene Anschauungen kreuzen. Das Meer von Blut um den Mond erinnert an den blutig scheinenden Mond in „Richard III“. Daneben wird die unheimliche Erscheinung am Himmel von Wolf als Vordeutung über den Ausgang der Saracenenschlacht erklärt („Hamlet“, „Julius Cäsar“, „Locrine“), und wie Edmund Gloster seinem gläubigen Vater gegenüber, weist auch Golo eine solche Deutung zurück, nicht mit gleicher Schärfe, sondern mit dem milderen Hinweis auf die astrologischen Betrüger und auf den Widerstreit mit Vernunft und Religion. (Ungläubig verhält sich Golo hier und bei Müller solchen Warnungszeichen gegenüber.) Das an sich nebensächliche Motiv wird dadurch lehrreich, dass man sieht wie innerlich verschieden nuancierte und äußerlich ziemlich weit auseinanderliegende Vorstellungen in Tiecks Phantasie zu einem neuen Gebilde zusammenwachsen. Es wäre also hier ein ähnliches Vereinigen verschiedener Splitterchen zu einem neuen Mosaik, wie in den Schlachtscenen zu beobachten. Bezeichnend ist es wieder für den Romantiker, dass er Gelegenheit sucht, gerade jene Elemente des Aberglaubens, die einen dunklen Gemüthsschauer erwecken, in der Dichtung zu verwerten. A.W. Schlegel steht, wie wir hörten, für das Poetische der Astrologie ein und auch Jean Paul widmet bei Besprechung des Romantischen in seiner „Vorschule der Ästhetik“ der „Poesie des Aberglaubens“ einen eigenen Paragraphen. Auch das mystisch-sinnige Motiv alter Volkslieder, dass aus dem Grabe der Geliebten Blumen aufsprießen, wird wahrscheinlich aus Shakespeare und den Volksliedern zu Müller,[355] aus Müller und Shakespeare zu Tieck gewandert sein. Am nächsten verwandt sind Golos Worte am vermeintlichen Grabe Genovevas[356] mit jenen des Laertes an Opheliens Grabe.[357] Schwerer als inhaltliche Übereinstimmungen lassen sich formelle und stilistische Anlehnungen an ein Vorbild sicher feststellen. Allein manche sprachliche Eigenthümlichkeiten der „Genoveva“ weisen ziemlich fühlbar auf das Muster des großen Briten zurück. Dass Tieck im Wechsel von Vers und Prosa den Wegen Shakespeares folgt, hat schon Minor betont. Dazu käme noch der Wechsel gereimter und reimloser fünfhebiger Verse und die Verwendung von Strophen des Schemas _~ab ab cc~_, die sich z. B. in „Romeo und Julia“ finden. Der Gesang der erscheinenden Engel in der Wüste erinnert mit seinen ei-Reimen an jenen Spruch, den sich im „Kaufmann von Venedig“ der Prinz von Marokko aus dem Kästchen holt.[358] Allerdings nur in Schlegels Übersetzung stehen die ei-Reime, nicht im englischen Text. Wir dürfen eben nicht vergessen, dass neben dem englischen Original auch Schlegels Shakespeare-Übersetzung auf Tieck großen Eindruck machte und Einfluss gewann. Er sagt uns selbst, mit welchem Interesse er Schlegels Arbeit aufnahm, und zwar gerade in den zwei Jahren, die dem Entstehen der „Genoveva“ vorausgehen.[359] -- Das Spielen mit dem eigenen Namen oder das Drehen und Wenden der Worte nach verschiedenen Seiten ihrer Bedeutung, das sich Shakespeare nicht selten gestattet, ahmt Tieck nach. In den seltsamen Worten Wolfs: „Wie rollt dir denn die Zung’ im Kopf so wild“ ist man im ersten Augenblick geneigt, einen Druckfehler zu verbessern und statt „die Zung’“, „das Aug’“ einzusetzen und doch wäre es gegen Tiecks Absicht, der sich durch den Shakespeare’schen Vers:[360] „die Zunge, die so wild im Kopf dir wirbelt“ zu der wunderlichen Wendung bestimmen ließ. Das „Morgenröte regnen“ in der „Genoveva“ fällt weniger auf, wenn man sich an Shakespeares „Rache regnen“,[361] „Freude regnen“,[362] „Düfte regnen“[363] erinnert. Die beliebte Benennung des Fürsten mit dem Namen seines Landes, z. B. „tapferer Österreich“,[364] treffen wir bei Tieck („Tapf’rer Aquitanien“) so gut, wie in Schlegels „Shakespeare“. Hätten sich Tiecks einstige Gegner die Mühe genommen, diese verschiedenen größeren und kleineren Stückchen aus Shakespeare zu sammeln, so hätten sie mit einigem bösen Willen auch hier Plagiator! rufen können. Aber auch hier wie bei den Entlehnungen aus Müller mit geringem Rechte. Wir sahen auch hier in den verschiedensten Fällen, wie die fremden Bestandtheile den Geist der Romantik oder die poetische Neigung Tiecks entweder verwandt ansprachen oder für ihre neue Bestimmung umgebildet wurden. Das maßgebendste Vorbild für die „Genoveva“, und zwar in formeller Richtung, war entschieden „Perikles“, der so merkwürdig dem Wunsche nach einer alle Gattungen verschmelzenden Universalpoesie entgegenzukommen schien. Weil dies die bedeutendste von Shakespeare ausgehende Anregung war, so spricht Tieck Solger gegenüber auch nur von dieser. Was Tieck sonst aus Shakespeare herübernahm, waren nur einzelne Charakterzüge, einzelne Linien für einen und den anderen Scenengrundriss, einzelne Gedanken und Stimmungselemente, die sich organisch in das neue Werk hineinverschmelzen ließen und so zum Eigenthum des von Shakespeare abhängigen Dichters wurden. Sie reichen auch alle mitsammen nicht hin, die Gesammtauffassung und das „Klima“ der romantischen Dichtung, die Tieck selbst als das Wertvollste daran erschien, irgendwie wesentlich zu bestimmen, während Müllers Auffassung des Golo und die Einkleidung in ritterliches Costüm immerhin bedeutender auf Tieck wirkten. Darum ist es auch kein schwerer Frevel, wenn er gar nicht weiter vom Verhältnis seiner Dichtung zu Shakespeare spricht. Dass der Dichter aber im „Vorberichte“ zu seinen Schriften von Shakespeares Einfluss überhaupt schweigt, während er ihn Iffland und Solger gegenüber stark betont, bleibt einigermaßen seltsam. War es nur Flüchtigkeit, wie in anderen Fällen auch? War es doch Berechnung? Tieck vertheidigt sich eben im nämlichen „Vorberichte“ gegen den Vorwurf des Plagiates an Müller. Da mochte er vielleicht dunkel oder deutlich fühlen, dass jedes vermeidbare Zugeständnis von Abhängigkeit irgendwelcher Art am besten vermieden werde; denn es konnte für missgünstige Kritiker vom Schlage Merkels eine Gelegenheit zu neuen Angriffen bieten. Freilich wäre dies nur eine halbkluge Maßregel für den Augenblick gewesen, weil Tieck dabei an seinen Brief an Solger nicht dachte, der schon zehn Jahre zuvor veröffentlicht worden war. Allein wie immer, ob Berechnung, ob Flüchtigkeit: Tieck hätte das offene Eingeständnis in den Augen einsichtiger Beurtheiler so wenig geschadet, als in den Augen seines Freundes Solger. Des Dichters verschiedene Äußerungen ergänzen sich und geben, zusammengenommen, den vollständigen Sachverhalt wieder. Sie sprechen kurz und gedrängt das Endergebnis dieser Untersuchungen aus und bestätigen das Resultat derselben. 3. Tieck und Calderon. Neben dem größten englischen half auch der berühmteste spanische Dramatiker ein wenig an Tiecks „Genoveva“ mitschaffen, und noch bevor A.W. Schlegel Shakespeare und Calderon als die größten Vertreter der romantischen Dramatik proclamierte, hatte sie Tieck durch seine Praxis nebeneinander gestellt und ihnen gemeinsam gehuldigt, indem er von beiden für sein romantisches Trauerspiel zu lernen strebte. Tieck thut es mit vollem Bewusstsein, wie es seine Äußerung gegen Iffland genugsam bezeugt. Wie mit den Engländern, so beschäftigte sich Tieck auch schon frühzeitig mit den Spaniern und er gibt darüber in den „Vorberichten“ Auskunft.[365] In Göttingen begann er 1793 seine spanischen Studien. Mit größerer Energie nahm er sie 1797 wieder auf, dem Wunsche A.W. Schlegels nach einer Übersetzung des „Don Quixote“ und einer buchhändlerischen Aufforderung dazu folgend. Auf Cervantes concentrierte sich das Hauptinteresse. Wie nun Tieck Shakespeare erst durch die Betrachtung seiner Stellung unter den Zeitgenossen, Vorläufern und Nachfolgern recht kennen lernen wollte, ebenso suchte er auch Cervantes in seiner literar-historischen Umgebung zu fassen und dies führte ihn zu den spanischen Dramatikern und Lyrikern. Wie wohl sich Tieck nach jenen Aussagen, die wir kennen lernten, bereits mit Leib und Seele Shakespeare verschrieben hatte, so erlaubte er sich doch, nach Entdeckung der Spanier, diese Götter neben jenem zu haben; denn er war, wie die Romantiker alle, nicht engherzig, er nahm das Poetische überall gerne auf, mochte es aus dieser oder jener Himmelsgegend stammen, in dieser oder jener Gestalt und Einkleidung ihm begegnen. Tieck war „von der reichen Aussicht in diese Poesie hinein entzückt“, er schwelgt im Reichthum, der ihm in den „entzückenden Träumen des Calderon und den wundersamen Bildern der spanischen Poeten“ entgegentritt.[366] Calderon wurde, wie schon bemerkt, auch ein wichtiges „Incitament“ jener religiösen Strömung unter den Romantikern, die Tiecks ganze Seele ergriff und mit sich fortriss; denn in Calderon vereinigten sich eine bedeutende poetische Energie und gläubige Frömmigkeit in seltenem Grade. Was A.W. Schlegel in seinen späteren „Vorlesungen“[367] aussprach, mochte auch Tieck, von dem die Calderonverehrung erst auf seinen Freund August Wilhelm übergieng, mehr oder weniger deutlich schon empfunden haben. „Sein (Calderons) Gemüth aber spricht sich am meisten in der Behandlung der religiösen Gegenstände aus. Die Liebe schildert er nur mit allgemeinen Zügen, er redet ihre dichterische Kunstsprache. Die Religion ist seine eigentliche Liebe, das Herz seines Herzens.“[368] Unter demjenigen, was Tieck für seine „Genoveva“ aus der Kenntnis der Spanier gewann, nennt er an erster Stelle die ihm „neue Art“, künstliche Versmaße in das Drama einzuführen.[369] Tieck und seine Genossen hatten ein unendlich feines und empfängliches Ohr für das Künstlerische und Musikalische in Sprache, Vers und Reim. In den prächtigen, klangvollen, südländischen Formen mit dem reichen Reimspiel fanden sie ein willkommenes Instrument, um damit ihre ahnungsvollen Gemüthsstimmungen in allen Tonarten erklingen zu machen. Aus den Briefen der Jenaer Zeit ersieht man, wie sie sich vor Freude über die neuentdeckten romanischen Formen kaum zu fassen vermögen und wie diese bald zu den romantischen Formen κατ’ ἐξοχήν werden. In Tiecks „Zerbino“ treten die südlichen Formen noch schüchtern auf, in der „Genoveva“ ziemlich reichlich, im „Octavian“ überwuchern sie die Dichtung in endloser, üppiger Fülle. Den metrischen Grundton im spanischen Drama bestimmt die alte nationale Romanze mit ihrer durchgehenden Assonanz. Im „Octavian“ macht Tieck in der That von dieser Form ausgiebigen Gebrauch, in der „Genoveva“ findet sich die eigentliche Romanze mit Assonanz noch nicht, wohl aber die aus den vierhebigen, auftaktlosen Romanzenversen gebildete Strophe mit den Reimen _~abba~_, die Redondille. Diese Strophe ist bei Lope die gewöhnliche Form für den dramatischen Dialog und auch bei Calderon begegnet sie uns nicht selten, besonders in reflectierenden und zärtlichen Partien sowie in Antithesenspielen.[370] Diese nämliche Form sehen wir in der Balkonscene der „Genoveva“ verwendet. In Zulmas Gesängen und Gebeten verbindet Tieck zwei- und dreihebige Verse nach dem Schema der Redondille. Diese Strophe ist überhaupt eine Lieblingsstrophe Tiecks, die er schon in den Liedern des „Sternbald“, der „Magelone“ und später noch unzähligemale gebraucht. Von den Spaniern wurden die ottave rime aus Italien importiert und vielfach im Drama verwendet. In pomphaften, getragenen Erzählungen, in würdevoller Rede,[371] in monologischen Beschreibungen und Betrachtungen,[372] im feierlichen Gebete[373] liebt sie Calderon. In ähnlichem Sinne gebraucht sie manchmal Tieck in seiner „Genoveva“. Vision, Gebet und feierliche Rede sehen wir auch hier im weihe- und würdevollen Gange der Octave einherschreiten. Die ganze Beschaffenheit der deutschen Stanze macht sie ja für solchen Inhalt besonders geeignet. Dass aber Tieck keineswegs überall gerade für einen gewissen Inhalt eine bestimmte Form nach Calderons Muster wählt, zeigt ein Blick auf die Erzählung des heil. Bonifacius. Bei Calderon würde dieser Abschnitt immer in Romanzenform erscheinen. Auch noch der Unterschied besteht zwischen Tieck und Calderon, dass letzterer weit ökonomischer vorgeht und die Stanze selten öfter als einmal im nämlichen Drama einführt, während sie Tieck an vielen Stellen bringt. Wo Calderon sie aber verwendet, da wird dann meist die ganze Scene, Monolog wie Dialog, in Stanzen durchgeführt.[374] Solche Stanzendialoge mochten den Formkünstler Tieck zur Nachahmung reizen. Dieses für einen deutschen Poeten sicher höchst schwierige Kunststück scheut denn auch Tieck durchaus nicht; auch er kleidet ganze Dialoge in Stanzen, er will als Formvirtuose hinter seinem spanischen Meister nicht zurückbleiben. Wie Tieck in der Verwendung der entlehnten Maße gewöhnlich seine eigenen Wege geht, bestätigen ferner die Sonette in der „Genoveva“. Sonette im Drama sind wieder eine Besonderheit der Spanier. Bei Calderon finden sie sich hin und wieder, aber nicht allzuhäufig.[375] Es wird z. B. ein heißer Erguss religiöser Andacht in Sonettform gebracht („Die Jungfrau des Heiligthums“), es werden lyrisch-didaktisch die Erdenfreuden den schnell welkenden Blumen und das flüchtige Glück den schnell verlöschenden Sternen verglichen („Der standhafte Prinz“). Diese letztere Verwendung berührt sich noch am nächsten mit einigen Sonetten Tiecks. Aber es ist dabei zu erwägen, dass das Sonett mit lyrisch-didaktischem Inhalt gerade um 1800 für die Romantiker eine Mode ist, wie etwa das Distichon für Goethe und Schiller. Ob an dieser Verwendung der italienischen Form in der „Genoveva“ Calderon einen besonderen Antheil hat, scheint mir daher schwer erweisbar. Calderonisch ist es nur, dass Sonette überhaupt in das Drama hereingebracht werden. Wie bei Verwendung der Octaven geht Tieck auch hier über die sparsame Art Calderons hinaus und zerfasert das Sonett gelegentlich im Dialoge. Endlich lernt Tieck noch von den Spaniern, die Terzine für sein Drama nutzbar zu machen, eine Strophe, die Lope oft für den getragenen und ernsten Dialog verwendet,[376] die aber seltener bei Calderon erscheint.[377] Tieck führt sie zweimal in die „Genoveva“ ein, in der Prophezeiung des „Unbekannten“ und im Dialoge zwischen Siegfried und Othos Geist. Hatte Tieck von Shakespeare den Wechsel zwischen Prosa und fünfhebigem Jambus sich angeeignet, so wird die formelle Ausstattung seiner Dichtung durch das Hereinnehmen der italienisch-spanischen Strophenformen noch um vieles bunter und reicher; es wird dadurch seine Poesie noch um eine Stufe höher über die gewöhnliche Prosa oder über die gleichmäßige metrische Form emporgehoben. Neben den spanischen Maßen führt Tieck die „lyrischen Ergüsse“ an, zu deren Einführung in sein Drama ihn die spanischen Vorbilder bewogen hätten.[378] Man denkt da zu allererst an die Lyrik der Balkonscene und Zulmas, die auch durch die metrische Form auf spanische Muster hinweist. Es lässt sich aber hier für die Vergleichung mit bestimmten Vorbildern kein sicherer Boden gewinnen. Wohl nimmt das lyrische Element in Calderons Dramen einen breiten Raum ein. Stücke, wie „die Andacht zum Kreuz“, „Die Brücke von Mantible“, „Der Schultheiß von Zalamea“ u. a. sind reich an lyrischen Partien im Dialoge. Aber an solchen lyrischen Stellen ist eigentlich auch bei Shakespeare kein Mangel. Man denke nur an „Romeo und Julia“, „Kaufmann von Venedig“, an den vierten Act des „Wintermärchens“. Es scheint, dass Tieck mit dem unbestimmten Ausdruck „lyrische Ergüsse“ nach spanischem Muster auch hier nichts anderes meint, als lyrische Ergüsse in südländischen Strophenformen. In der Einleitung zu Lenz wenigstens heißt es:[379] „Welche lyrische Ausbrüche der Leidenschaft, der Liebe, der Andacht in seinen (Calderons) Romanzen und canzonenartigen Versen. Welche Malerei, welches Feuer der Erzählung in eben diesen Lyren, Romanzen und Ottaven. Kein Schauspiel, fast kein Act ist ohne solche Prachtstücke, diese gehören recht eigentlich zum Wesen des spanischen Dramas, nur freilich sind sie eben auch mitunter nur kalte, hie und da schwülstige Prachtstücke, die sich zuweilen mit Bewusstsein, doch ein anderesmal, wohl auch ohne Absicht, selbst parodieren.“ Der letztere Satz ist auf Rechnung des kühleren Verhältnisses zu schreiben, das der ältere Tieck zu den Spaniern einnimmt. Das Vorhergehende gibt uns aber eine Andeutung, welche lyrischen Ergüsse in der „Genoveva“ Tieck etwa auf spanische Anregungen zurückführen mochte. Deutlicher spürt man Calderons Vorbildlichkeit wieder in der Einführung der allegorischen Gestalt des Todes. Tieck war nämlich von Haus aus ein Feind der Allegorie in der Dichtung. Er schreibt z. B. an Wackenroder:[380] „Mir scheint, als ob die ausgeführte Allegorie mehr in den zeichnenden und bildenden Künsten als in der Dichtkunst an ihrer Stelle wäre.“ Er spricht ein andermal der Allegorie jede täuschende Kraft ab.[381] Anders wurde es, als Tieck mit den Gedanken Friedrich Schlegels Bekanntschaft machte (1797), der die Allegorie für jede poetische Darstellung verlangt. Schlegel meint aber unter der Allegorie nur ungefähr das, was wir heute symbolisch nennen. Jedes wahre Dichtwerk muss hinter der sichtbaren Welt, die es veranschaulicht, eine unsichtbare, geistige, höhere Welt, in der Einzelerscheinung das All und Eins ahnen lassen. In dieser Auffassung vertritt auch Tieck nunmehr die Allegorie im „Sternbald“ und in den „Phantasien“. An der Hand Calderons endlich thut er den letzten Schritt zur eigentlichen Allegorie. „Vom Calderon für die allegorische Poesie begeistert,“[382] versuchte er im „Octavian“ seine Ansicht von der romantischen Poesie allegorisch, lyrisch und dramatisch niederzulegen. Mit der Einführung einer bunten allegorischen Gesellschaft in dieses Stück thut nun Tieck gerade das, was er vor wenigen Jahren noch als ein „Unding“ von sich wies. Diese Bekehrung zur Allegorie hatte Calderon zustande gebracht. Auch in den „Briefen über Shakespeare“, die in den letzten neunziger Jahren entstanden, spricht Tieck günstig von der Allegorie und wird diese überhaupt nimmer los,[383] obschon er später gegen Calderon selbst wieder kühler wird.[384] In der „Genoveva“ sehen wir im Auftreten des Todes nur erst ein ganz kleines Vorspiel des überschwänglichen Allegorisierens, das sich bald im „Octavian“ breit machen und „ins Blaue verschwimmen“ sollte. Dass hier gerade der spanische Einfluss dahinter steckt, darüber kann man nach dem Vorausgehenden kaum zweifelhaft sein. Mit den metrischen Formen, den „lyrischen Ergüssen“ und der Allegorie ist aber auch der spanische Einfluss, der sich in der „Genoveva“ sicher als solcher erkennen lässt, erschöpft. Andere Calderon’sche Nachklänge lassen sich höchstens nur vermuthen. Das Hereingreifen des Übersinnlichen in die irdische Welt und in die Geschicke des Menschen, Wunder und Visionen, fallen dem protestantischen Nordländer in Calderons Poesien immer ganz besonders auf.[385] Als Tieck in den letzten neunziger Jahren Calderon eifrig las, hatte sich eben in seinem Gemüthe auch sonst schon jene Reaction gegen den kalten, flachen, phantasie- und gemüthscheuen Rationalismus energisch geltend gemacht. Die extremsten Gegensätze des Aufklärerthums waren ihm die liebsten. Seine Neigung zum Wunderbaren und Geheimnisvollen hätte außer Jakob Böhmes Theosophie kaum eine erwünschtere Lectüre finden können, als die spanischen Dramen, in denen Glaube und Wunder im Glanze einer prächtigen Poesie verklärt erscheinen. Ein Versenken in diese Poesie war daher so gut wie das Genoveva-Büchlein, Schleiermachers „Reden“ oder Böhmes „Morgenröthe“ im höchsten Grade dazu angethan, Tiecks religiöse Stimmungen und seine poetische Vorliebe für katholische Kunst und Poesie zum Enthusiasmus zu steigern.[386] Liest man ein wenig in den Dramen Calderons, die Tieck sicher kannte, bevor er die „Genoveva“ schrieb, so stößt man bald dort, bald da auf ein Motiv, bei dem man sich sagt: das könnte in der „Genoveva“ nachgewirkt haben. Der „standhafte Prinz“ z. B. ersteht vom Tode und vollendet, was er im Leben nicht mehr vollbringen konnte: Othos Geist thut wenigstens zum Theile dasselbe. Calderons „Jungfrau des Heiligthums“ ist eine dramatisierte Legende, die vom Anfang bis zum Ende mit Wundern und Visionen reich durchwoben ist. Man ist fast zur Annahme genöthigt, dass Tieck dieses Stück kannte, wenn auch keine positive Nachricht darüber vorliegt. Denn im zweiten Acte desselben wird die Begebenheit erzählt, auf die Siegfrieds Worte:[387] „So ist Hispania durch ein Weib verdorben, die schuld war, dass die Mohren sind gekommen...“ anspielen. Der Saracenenkrieg wird dort auch als Strafe Gottes betrachtet, wie von Karl Martell.[388] Dem Saracenenfeldherrn Tarif folgt Luna, seine Braut, in den Krieg, wie Zulma ihrem Geliebten.[389] Weiter heißt es einmal in der Erzählung des Mohren Selim: „Heute, da dein Schwur gebrochen, Kann man sagen, treuer hielten Damals ja ihr Wort die Mohren, Als die Christen jetzt; denn Alles Hielten sie, was sie versprochen, Und du hieltest nichts von Allem.“ Ist es die Erinnerung an diese Worte, welche Tiecks Karl Martell veranlasst, die sonst ganz unmotivierte Äußerung zu thun, das Recht der Gesandten sei den Heiden heiliger als den Christen? Kannte Tieck dieses Stück Calderons, so fand er hier auch Vorbilder für die Schilderung seiner Visionen. Jedoch allzuviel Gewicht soll auf diesen letzteren Punkt nicht gelegt werden. Wenngleich die Visionen bei beiden Dichtern ähnlich dargestellt werden, so kann daraus noch nicht auf eine besondere Abhängigkeit geschlossen werden, da Dichter und Maler oft und oft Visionen mit ähnlichen Zügen ausstatten, die wir in der „Genoveva“ finden, und Tieck und Wackenroder standen vor manchem Gemälde, das eine himmlische Vision, eine Madonna in Licht und Glorie, von Engeln umgeben, vorführt. -- Auf eine Kleinigkeit mag noch hingewiesen werden. Wenn Tieck die „Andacht zum Kreuz“ las, so musste ihm auffallen, dass hier zu verschiedenenmalen mit so großem Nachdruck auf die Wichtigkeit der Beichte vor dem Tode hingewiesen wird und durch ein Wunder wird Eusebios letzter Wunsch nach der Beichte erfüllt. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Tieck so durch Calderon auf jene sonderbare Unterredung Othos mit Siegfried über das Thema, ob der gefallene Krieger wohl ohne „Sacrament und Ölung“ selig werden könne, gekommen ist. Ob Tieck noch ein paar solche kleine Züge mehr oder weniger von Calderon nahm, macht keinen großen Unterschied. Die bemerkenswerteste Neuerung, die Tieck, von den Spaniern geleitet, unternahm, ist entschieden die Einführung der verschiedenen südländischen Strophenformen in sein Drama. Tieck entlehnt die Formen, behält sich aber über die Verwendung derselben im einzelnen Falle meist seine eigene Entscheidung vor. Die Allegorie tritt in der „Genoveva“ nur im bescheidensten Maße auf. Höher anzuschlagen ist jedenfalls der mächtige Gesammteindruck dieser eigenartigen, von den Ideen der Ehre, Liebe und Religion beherrschten spanischen Poesie auf Tieck sowie der musikalischen Formenfülle und großen Künstlichkeit, die trotz aller Mannigfaltigkeit und Buntheit in diesen Dichtungen herrscht.[390] Dieser Eindruck lässt sich aber nicht wägen und nicht deutlich fassen. Er kann nur aus Tiecks eigenen Worten, die seine hohe Freude an dieser Poesie ausdrücken, erschlossen werden und eine Bestätigung ist noch Köpkes Bericht:[391] „Diese Gedichte passten ganz zu den religiösen Bewegungen, welche den Dichter mehr als je ergriffen hatten.“ Trotz aller Schwärmerei für Calderon gelang es Tieck aber nicht, von diesem Meister das Geheimnis zu erlauschen, wie der religiöse Dichter einen wirklich religiösen Charakter, etwa einen tiefgläubigen „standhaften Prinzen“, überzeugend schildert. Vielleicht war dies niemals Tiecks Absicht und vielleicht ist Tiecks poetische Art gar nicht auf strenge und klare Charakterzeichnung gerichtet. Beachtung verdient Tiecks Anlehnung an die Spanier schon deshalb, weil gerade er wieder mit seinem Beispiele in unserer Literatur vorangeht, wo es gilt, eine Periode spanischen Einflusses auf unser deutsches Drama einzuleiten, eines Einflusses, der unserer dramatischen Dichtung nicht durchwegs zum Heile gereichen sollte. 4. Tieck und Jakob Böhme. In der Maurer’schen Buchhandlung in Berlin fand Tieck (um 1798) das alte Büchlein eines Mannes, der den Aufklärern als ein Urbild alberner Schwärmerei, als der Inbegriff von Abgeschmacktheit, Barbarei und Aberwitz erschien. Das Büchlein war Jakob Böhmes „Morgenröthe“. Tieck hatte noch nichts von dem merkwürdigen Manne gesehen und glaubte (diesmal dem allgemeinen Urtheile der Welt folgend) einen neuen Gegenstand für seinen übermüthigen Witz gefunden zu haben. Beim Lesen aber begegnete ihm das Seltsame, dass der philosophische Schuster von Görlitz den übelgesinnten Leser derart überraschte und gefangen nahm, dass dieser nimmer von ihm loskommen konnte und bald aus einem Spötter ein eifriger Bewunderer der geheimen Offenbarungen J. Böhmes wurde. Zu den übrigen religiösen Antrieben, die auf Tieck wirkten, gesellte sich nun noch dieses unscheinbare alte Büchlein, in dem Tieck am wenigsten eine so siegreiche Macht vermuthet hätte.[392] Nach Köpkes Erzählung scheint es, als ob Tiecks geistiges Wesen bereits vor der Abfassung von „Genoveva“ und „Octavian“ ganz und gar in der Mystik Böhmes aufgegangen sei, und auch Haym[393] spricht von Tiecks Böhmestudium vor der Entstehung der „Genoveva“ so, dass man weit mehr von dem mystischen Geiste des „philosophus teutonicus“ in dieser romantischen Dichtung suchen möchte, als sich darin thatsächlich findet. Die Sache klärt sich einigermaßen auf, wenn man die Briefe an Solger, in welchen Tieck sein Verhältnis zur Mystik selbst darlegt, zurathe zieht. Etwa um 1798 muss Tieck die „Morgenröthe“ aufgefunden haben. Über den Eindruck schreibt er später an Solger:[394] „Weil ich keinen dialogischen Philosophen bis dahin gefunden hatte, und mich die verschiedenen Systeme nicht befriedigten, besonders allen meinen Instinct zur Religion verletzten, so glaubte ich oft gar nicht für Speculation Sinn zu haben: meine Liebe zur Poesie, zum Sonderbaren und Alten führte mich anfangs fast mit frevlem Leichtsinn zu den Mystikern, vorzüglich zu J. Böhme, der sich binnen kurzem aller meiner Lebenskräfte bemächtigte: der Zauber dieses wundersamsten Tiefsinns und dieser lebendigsten Poesie beherrschte mich nach zwei Jahren so, dass ich von hier aus nur das Christenthum verstehen wollte, das lebendigste Wort im Abbild der ringenden und sich verklärenden Naturkräfte...“ Von hier aus betrachtete Tieck Fichte und Schelling, mit unheimlicher Leidenschaft überließ er sich seinem Triebe zur Mystik, leidenschaftliche Zustände und unerwartete Erfahrungen, über die er uns nichts weiter verräth, gesellten sich dazu, sein ganzer Geist ward so verschattet und verdunkelt, dass ihm die Lust zur Poesie und an Bildern als etwas Verwerfliches, Verfehltes erschien; „... so gab es nun viele Stunden, wo ich mich in die Abgeschiedenheit eines Klosters wünschte, um ganz meinem Böhme und Tauler und den Wundern meines Gemüths leben zu können. Dies hatte sich schon im Zerbino leicht poetisch, in der Genoveva dunkler und im Octavian verwirrter geregt. Meine Productionskraft, mein poetisches Talent schien mir auf immer zerbrochen. Ich kämpfte schmerzhaft, da sich mir die heitere Welt und mein Gemüth so mit Finsternis bedeckte, die mir anfangs im helleren Glanze geschienen hatten.“ Diese Selbstschilderung lässt einen Einblick thun in den merkwürdigen Aufruhr, den Jakob Böhme (mit diesem beschäftigt sich Tieck zuerst und am eifrigsten) in der Seele des Dichters allmählich heraufbeschwor. Nach und nach geräth sein Geist immer mehr in die mystischen Dinge hinein. Das allmähliche Hereinbrechen der Dunkelheit im Gemüthe des Dichters tritt aus dessen Erzählung nicht ganz scharf hervor, muss aber doch erschlossen werden. Erstlich bemächtigen sich die Mystiker und Jakob Böhme „binnen kurzem“ aller Lebenskräfte Tiecks und ein paar Zeilen danach dauert es wieder zwei Jahre, bis er so von Böhme beherrscht wird, dass er das Christenthum nur von Böhme aus verstehen wollte. Die erste Wendung darf darum nicht allzu wörtlich genommen und nur als ein sehr reges und lebendiges Interesse am neuentdeckten Mystiker verstanden werden; die Poesie Tiecks in „Zerbino“, „Genoveva“ und „Octavian“ und in den gleichzeiligen kleineren Dichtungen ist keineswegs so energisch von Jakob Böhme beherrscht; von einer Modifikation des Christenthums im Geiste Jakob Böhmes ist in „Genoveva“ und „Octavian“ nur wenig, in „Zerbino“ nichts zu spüren. Dass diese Betrachtungsweise des Christenthums auch in seine Poesie übergegangen sei, behauptet Tieck eigentlich auch nirgends ausdrücklich. Am liebsten verknüpft er an gewissen Stellen naturphilosophische Gedanken mit denen Jakob Böhmes. Dies alles ließe sich mit einem völligen Untergehen aller Lebenskräfte in der Mystik unmöglich vereinbaren. Das Zusammenbrechen der poetischen Productionskraft unter dem Drucke mystischer Speculation, das Tieck wie eine unmittelbare Folge seiner Lectüre noch in die Zeit vor der Vollendung des „Octavian“ zu rücken scheint, kann vor dem Abschluss dieser Dichtung, dem dann allerdings viele fast unfruchtbare Jahre folgen, nicht gut angenommen werden. Im weiteren Verlaufe des Briefes spricht Tieck ohnehin wieder so, als ob die verdüsterten Stunden in den ersten Jahren nur sich zeitweise einstellten und nicht gleich eine dauernde Gemüthsverdüsterung herbeiführten. Dazu stimmt auch eine spätere Äußerung an Solger, nach welcher die düstersten und gedrücktesten Zeiten für Tieck in die Jahre 1801-1802 fallen, als er bereits in Dresden lebte. Erinnern wir uns auch noch der schönen Freundschaft, die ihn vor dieser Zeit mit Novalis verband, so haben wir einen Grund mehr, diese dunkeln Gemüthszustände nicht vor das Jahr 1801 zurückzuverlegen. Und hätte vorher Jakob Böhme Tiecks Stimmungen verdüstert, so könnte der „Altfrank“ im „Autor“ (1800) kaum sagen: „So gab ich dir noch außer Göthe, Auroram, jene Morgenröthe, Von dem Propheten, den sie schelten, Dem aufgeschlossen alle Welten, Des heilger unentweihter Mund Der Gottheit Tiefe hat verkundt, Den großen deutschen Jakob Böhme, Daß er von dir die Schwermuth nähme, Jedwedes Wort in ihm dir lacht, Und all umzogen mit Glanz und Pracht, Er hat durchaus sich gesponnen ein In eitel Glori und Heiligenschein. --“[395] Wir müssen also annehmen, dass Tieck erst Schritt für Schritt in die Regionen der Mystik, in das „herrliche und furchtbare Gebirge“ vordrang, nach dem „Octavian“ (1802) aber sich auf einige Jahre ganz in den dunklen Bezirken verlor. Tiecks Ausdrücke sind und bleiben dunkel und unpräcis. Nach siebzehn Jahren mochte sich ihm seine mystische Periode leicht ein wenig perspectivisch verengen und verschieben und wohl als Erlebnis im ganzen, nicht aber chronologisch klar und scharf gesondert nach allen Stadien in Erinnerung sein. Welches Gedächtnis wäre auch für solche vor längerer Zeit durchlebte Gemüthszustände absolut verlässlich? Der Betrachter des geistigen Entwickelungsganges Tiecks muss sich außer dessen „Instinkt zur Religion“ vor allem wieder den Wackenroder’schen Einfluss und die religiösen Eindrücke der Erlanger Zeit lebendig vor Augen halten, um zu begreifen, dass der „Meister Klügling“, der mit ironischen Absichten die „Morgenröthe“ zur Hand nimmt, so schnell ein ehrfürchtiger Verehrer des mystischen Buches werden konnte. Vom Dichter der Straußfederngeschichten und des „Gestiefelten Katers“ bis zum mystischen Grübler scheint es ein gar weiter Weg zu sein. Tiecks Briefwechsel mit Solger erklärt es jedoch ziemlich genügend, wie gerade die Art von Jakob Böhmes Denken seinem inneren Wesen entgegenkam. Zum Theile sagten uns schon die früher angeführten Worte, was Tieck in Böhmes Büchlein Bewundernswertes vorfand. Mit Jacobi und Fichte hatte sich unser Dichter nicht verständigen können.[396] Der Mann, dessen Geist fast ganz und beständig von Phantasie und Gemüthsstimmung gelenkt erscheint, verlangte von jeher ein philosophisches Denken, das auf Anschauung gegründet ist und wieder zur Anschauung zurückkehrt. Philosophie und Religion müssen ineinander fallen. Alles wahre Erkennen kann nur ein intuitives Erkennen sein, ein Erkennen durch Offenbarung und Begeisterung, das in allen Dingen die lebendige Gegenwart Gottes (= des Unendlichen) schaut. Dieses schauende Eindringen in das Wesen der Dinge ist aber der poetischen Begeisterung und religiösen Hingabe nach Solger sehr nahe verwandt und damit erräth Solger so recht die längstgehegten, intimen Gedanken Tiecks, der ihm darauf hocherfreut erwidert: „Längst war ich mit Ihrer Inspiration der Philosophie, mit der nahen Verwandtschaft derselben, ja Blutsfreundschaft und Selbstheit mit der Religion einverstanden, was mich nur einen kurzen Kampf kostete: denn die poetische Begeisterung erklärte mir ja das Factum hinlänglich, und dass ich es mehr wie einmal an mir selbst erlebt hatte, machte mir ja eben immer mein Sprechen mit den Philosophen von der Schule unmöglich.“[397] Dieser horror des Tieck’schen Geistes vor allem abstracten und formalistischen und systematischen Denken ist sicher der letzte und tiefste psychologische Grund, warum sein ganzes Wesen, das den eigentlichen großen Philosophen bisher beharrlich fern geblieben war, sich so widerstandslos gerade von Jakob Böhme fesseln ließ. Bei Böhme fließen wirklich religiöse Hingabe, dichterische Anschauung und philosophische Speculation in wunderlichster Weise ineinander. Es gibt bei ihm kein abstractes Grübeln, sondern Phantasie und Gemüth greifen immer auch werkthätig mit ein und L. Feuerbach trifft in den Kern der Sache, wenn er sagt:[398] „Die Grundlagen und Anhaltspunkte seiner (Böhmes) Gedanken sind die das reine Himmelslicht des Denkens an dem dunkeln Wolkengrunde des Gemüthes in die Regenbogenfarben der Phantasie zerstreuenden, theologischen Vorstellungen der früheren Zeit...“ Der phantastische Theosoph konnte für Tieck, als er sich hernach mit Schleiermachers „Reden“ befasste, eine Art Ergänzung des abstracten Theologen abgeben. Die Art und Weise, wie Böhme die Religionsgeschichte unter dem Bilde des mächtigen Fruchtbaumes skizziert,[399] zeigt, dass seiner barocken Phantasie ein großer Zug nicht fremd ist und die Schilderung der Geister und Geisterlein, die im einfachen Halme wirken und schaffen und das Gewächs in all seinen Theilen formieren, ist wieder von einer naiven Lieblichkeit, die in ihrem kindlich herzlichen Tone fast an wirkliche Märchendichtungen gemahnt. Die Art des Anschauens der Natur ist im Grunde bei Böhme und beim Märchendichter dieselbe, nur dass es Böhme nicht um die Poetenfreude am Märchenhaften zu thun ist, sondern ihm ist das Beleben, Beseelen und Verbildlichen der Naturvorgänge zugleich eine Entschleierung ihres innersten Wesens, ein metaphysisches Erkennen. Hier findet also Tieck jeden Gedanken über Natur und Welt und Gott bildlich, poetisch eingekleidet. Hier konnte er sein philosophisches Bedürfnis nach seiner Weise befriedigen. Wie Tieck der Sinn für Geschichte durch die Poesie aufgeht,[400] so nähert sich ihm das Religiöse und die Philosophie auch zumeist durch Kunst und Poesie oder in Form von Poesie. Was Tieck an den Volksbüchern entzückte, der schlichte, fromme, rührende Ton der Darstellung: das fand er auch in den theosophischen Phantasien Böhmes wieder. Böhme musste in jeder Weise der Liebe Tiecks zur Poesie, zum Sonderbaren und Alten entsprechen. Im „Autor“ ist es wieder der „Altfrank“, die verkörperte Liebe zum Alten, Sonderbaren und Poetischen, der den „großen deutschen Jakob Böhme“ preist.[401] Das Mitleid mit den alten, verkannten, missachteten Volksbüchlein wurde daher auch hier lebendig und zog ihn mit inniger Gewalt zum ungerecht verkannten armen Philosophen in der Handwerkerstube. Dieser Ton des Mitleids spricht auch aus dem Gedichte Hardenbergs „An Tieck“.[402] Hier redet nämlich Böhmes Geist zu Tieck: „Ich habe treulich aufgeschrieben, Was innre Lust mir offenbart, Und bin verkannt und arm geblieben, Bis ich zu Gott gerufen ward.“ „Verkündiger der Morgenröthe, des Friedens Bote sollst du seyn“, ruft Novalis seinem Freunde zu und diese „Morgenröthe“ Böhmes ist es, von der einzelne ungewisse Strahlen in Tiecks „Genoveva“ hineinspielen.[403] Die „Morgenröthe“[404] (1612) ist Böhmes erstes Werk und behandelt, wenn auch noch weit unklarer als die folgenden Schriften, die Grundzüge seiner ganzen Weltanschauung und nennt sich „die Wurtzel oder Mutter der Philosophiae, Astrologiae und Theologiae, Aus rechtem Grunde“. In der „Philosophia“ soll Gottes Wesen erschlossen werden, die Beschaffenheit aller Dinge in Gott und ihr Ursprung aus Gott, sowie die Herrschaft der beiden „Qualitäten Gut und Bös“ in der Natur. Die „Astrologia“ handelt von den Kräften der Natur, den Sternen und Elementen, wie daraus alle Creaturen herausgekommen sind, also von der Entstehung und Bildung der Welt. Die „Theologia“ enthüllt das Reich Christi und der Hölle, die sich bekämpfen und spricht davon, wie sich die Menschen zu beiden Reichen verhalten und verhalten sollen. Die Gedanken Böhmes hier weiter zu verfolgen oder in Form eines Systemes (wenn es überhaupt möglich ist) zu skizzieren, ist unnöthig, weil Böhmes Anschauungen für Tiecks „Genoveva“ als System nicht in Betracht kommen.[405] Die Vorstellungen Böhmes, die Tieck in seine Dichtung einstreut, sind nur losgerissene Splitter, die keineswegs unter einheitlichem Gesichtspunkte erscheinen. Die ersten Spuren von Böhmes Gedanken in der „Genoveva“ begegnen uns in der prophetischen Rede des „Unbekannten“.[406] Das geheime Wissen, das er vorträgt, bevor er seine Weissagung über Karls Zukunft beginnt, lässt den Gedanken der damaligen Naturphilosophie durchblicken, dass das Universum ein zusammenhängender Organismus sei, in dem durch alle Gebiete hin sich dieselben Kräfte in sicherer Gesetzmäßigkeit bethätigen. Diese Vorstellung hatte bereits Schelling entwickelt und Tieck fand sie in Schleiermachers „Reden“ wieder; sie wurde überhaupt bald Gemeingut aller Literaturkundigen. Mit der Naturphilosophie gewann Tieck auch durch seinen Verkehr mit Steffens, dem Schellingjünger, einige Fühlung.[407] Der Gedanke der geschlossenen Natureinheit, der in der Rede des „Unbekannten“ wiederholt durchbricht, begegnet uns auch schon bei J. Böhme, wenn auch ohne die präcise Formulierung, die er bei Schelling fand. So war für Tieck die Möglichkeit gegeben, moderne naturphilosophische Ideen mit Anschauungen Böhmes zu verschmelzen. „Und was ich sag’ sollst du wahrhaftig finden, Denn Sterne können niemals Lüge sprechen, Wer sie verhöhnt, belastet sich mit Sünden: An dem wird sich Natur und Himmel rächen, Der furchtlos dies Gemüte in sich heget, Denn um ihn wird das Glück zusammenbrechen.“ Wenn hier der Prophet die Wahrheit seiner geheimen „Weisheit“ („Kunst“) betheuert und die Spötter strenge verurtheilt, so fühlt man sich schon an Böhme erinnert, der sich nicht selten energisch gegen die Verächter seiner Offenbarungen wendet. „Darumb schawe zu und spiele nicht zu hönisch an diesem orthe / oder Du wirst für GOTT ein spötter erfunden werden / und darf Dir wohl gehen / wie dem König Lucifer.“[408] Während Böhme nur mit der Rache Gottes („des Himmels“) droht, gibt Tieck noch die „Natur“ als zweite Rächerin bei. „Was in den Himmelskreisen sich bewegt, Das muß auch bildlich auf der Erden walten, Das wird auch in des Menschen Brust erregt,...“ J. Böhme legt auf den Zusammenhang zwischen Sternenlauf und Menschenschicksal wiederholt Gewicht. „Dan der Planeten und Sternen anfang / instehen / lauff und wesen ist anders nicht als der anfang und trieb oder das Regiment im Menschen. Wie nun das Menschliche Leben auffgehet / also ist auch die geburth der 7 Planeten und Sternen auffgangen / und ist in diesem gar kein unterscheidt.“[409] Ein andermal kehrt der nämliche Gedanke in pantheistischer Färbung wieder.[410] Der Lauf und die Beschaffenheit der Gestirne ist ein Abbild des Menschendaseins, was in den Himmelskreisen vorgeht, waltet also auch bei Böhme „bildlich“ auf Erden. -- „Das wird auch in des Menschen Brust erregt.“ Nicht bloß die äußeren Schicksale der Erdbewohner gleichen den Schicksalen der Gestirne: das Innenleben des Menschen wird sogar durch die Sterne regiert. Der Mensch ist nach Böhme ein Abbild des Weltalls,[411] ein Mikrokosmos. Die Sterne wirken in seinen Adern und Eingeweiden. „Die Adern bedeuten die krafft-gänge der sternen / und seind auch die krafft-gänge der sternen / dan die sternen mit ihrer krafft herrschen in den Adern / und treiben den Menschen in ihre gestalt. Das eingeweide oder därmer bedeut der sternen wurckung oder verzehrung / alles was aus ihrer krafft worden ist / was sie selber gemacht haben / das verzehren sie selber wieder / und bleibet in jhrer krafft: und die därmer seind auch die verzehrung alles des / was der Mensch in seine därmer scheubet / alles was aus der sternen krafft gewachsen ist.“[412] Ein andermal „qualifizieren“ die Sterne und Elemente in den fünf Sinnen des Menschen.[413] Der Einfluss der Gestirne auf den Menschen, der in J. Böhmes Vorstellung in erster Linie als ein physiologischer erscheint, konnte in dieser rohen Form den neueren Dichter nimmer ansprechen. Tieck lässt darum lieber die Kräfte „in des Menschen Brust“ durch das nämliche geheime Etwas erregt werden, das in den Sternen wirkt, und überträgt so den astrologischen Gedanken vom physiologischen auf das psychologische Gebiet. Das konnte er nicht mehr gut anders und besser einrichten, da, wie wir bemerkt haben, schon Shakespeare,[414] Calderon und Schiller durch ähnliche dichterische Vorstellungen für ihn eine gewisse ehrwürdige Tradition geschaffen hatten,[415] und „die Astrologie ist für die Poesie eine unentbehrliche Idee“, wie A.W. Schlegel behauptet. „Natur kann nichts in engen Grenzen halten, Ein Blitz, der aufwärts aus dem Centro dringet, Er spiegelt sich in jeglichen Gestalten, Und sich Gestirn und Mensch und Erde schwinget Gleichmäßig fort und eins des andern Spiegel, Der Ton durch alle Kreaturen dringet.“ Wahrscheinlich will der Dichter sagen, dass ein wirkendes Princip in der Natur nicht auf ein Gebiet beschränkt bleibt, sondern in wechselnder Form im ganzen Universum wirkt. Die räthselhaften Zeilen lassen sich kaum klar durchblicken. Die Phrase vom „Blitz aus dem Centro“ stammt jedenfalls aus J. Böhme. Der Blitz, d. i. der Lichtschein, der vom Feuer ausgeht, kann bei Böhme verschiedenes bedeuten. In der Trinität heißt der heilige Geist der „Blitz“, der vom Herzen der Gottheit, vom Sohne ausgeht und die ganze Gottheit durchstrahlt.[416] Im Universum ist die Sonne ein Centrum, von dem aus der „Blitz“ die ganze Welt erleuchtet. Der „Blitz“ und der „Ton“ wirken auch mit bei der Bildung der irdischen Creaturen und da heißt es einmal:[417] „Der klangk aber oder stimme steiget im mittlern Centro auff in dem plitze / wo das liecht aus der hitze gebohren wird / da der plitz des lebens auffgehet.“ Hier haben wir „Blitz“ und „Ton“ verbunden, die uns auch bei Tieck nebeneinander begegnen. Der „Blitz“ erscheint endlich im Geistesleben des Menschen als eine psychologische Kraft und in erster Linie meint Böhme damit das intuitive mystische Erkennen.[418] Böhme gebraucht dabei auch wieder die Wendung vom „plitz, der im Centro auffgehet.“[419] Es ist nicht recht herauszubekommen, welche Wirksamkeit Tieck dem „Blitze“ eigentlich zudenkt. Es muss vor allem das eindringliche Bild und der höchst mystische Sinn, den J. Böhme damit verbindet, Tiecks Phantasie gefesselt haben. -- Die Vorstellung, dass „sich Gestirn und Mensch und Erde schwinget gleichmäßig fort und eins des andern Spiegel“ stammt wohl aus Schleiermacher, der von Spinoza sagt:[420] „Ihn durchdrang der hohe Weltgeist, das Unendliche war sein Anfang und Ende, das Universum seine einzige und ewige Liebe, in heiliger Unschuld und tiefer Demuth spiegelte er sich in der ewigen Welt, und sah, wie auch Er ihr liebenswürdigster Spiegel war.“ Daran reiht sich wieder die Böhme’sche Vorstellung vom „Ton“ in den Creaturen, der für Tieck wahrscheinlich noch den Sinn von der Harmonie des Weltalls in sich schließt. Von Jakob Böhme wird der „Ton“, der uns schon in Verbindung mit dem „Blitze“ begegnete, als schaffendes Princip für alles Tönende in der Welt (Gold, Silber, Kupfer u. s. w.) geschildert und einmal heißt es:[421] „auch so ist derselbe Schall in allen creaturen auf Erden / sonst were alles stille.“ Das deckt sich dem Wortlaute nach mit dem Verse Tiecks, nur dass bei diesem der Sinn in eine höhere Sphäre gerückt worden ist. „Drum wer die Weisheit kennt, kennt keine Zügel. Er sieht die ganze Welt in jedem Zeichen, Zur Sternenwelt trägt ihn der kühne Flügel.“ Hier stehen wir wieder auf modernem romantischen Boden. Die Naturphilosophie lehrt, dass jede Idee unendlich ist. Unter diesem Gesichtswinkel schaut der Weise die Welt in jedem Zeichen. „Eine jede Idee ist als ein Unendlich-Endliches ein Abbild des ganzen Universums, und das Universum spiegelt sich in ihrer Form ganz, so dass nichts als ein abgesonderter Theil außer ihr gesucht werden darf.“[422] So Steffens. Ähnlich heißt es bei Schleiermacher:[423] „... und so alles Einzelne als einen Theil des Ganzen, alles Beschränkte als eine Darstellung des Unendlichen hinnehmen, das ist Religion.“ „Nur von der Gottheit muß er niemals weichen, Sonst sinkt er aus der Kunst in irdisch Bangen Und Satans Kraft mag ihn alsdann erreichen.“ Hier schwenkt Tiecks Phantasie wieder zum eigentlich Religiösen zurück. Nur der mit Gott verbundene Mensch erkennt jene überweltliche Weisheit; löst er seine Verbindung, dann bleibt er an der Scholle kleben und verfällt sammt seiner Weisheit dem Teufel. Das ist wieder aus Böhmes Anschauung heraus gesprochen, der seine Erkenntnis zunächst auf directe Erleuchtung durch das Licht Gottes zurückführt. „... nur so lange als der geist in mir beharret / weiter erkenne ich nichts / als nur von elementischen und irdischen Dingen dieser Welt / aber der geist sihet biß in die tieffe der Gottheit.“[424] „Solches (sc. die Gewächse und Figuren des himmlischen Lustgartens) ist meinem Leibe auch ganz verborgen / aber meinem animalischen (Seelischen) Geiste nicht / so lange er mit Gott inqualieret, so begreift ers / wan er aber in Sünden fället / so wird ihm die Thür verriegelt / welche ihm der Teuffel zuriegelt / die muß durch grosse Arbeit des Geistes wieder auffgemacht werden.“[425] Diese Sätze der „Morgenröthe“ enthalten genau den Sinn der Tieck’schen Terzine. Das pietistisch gefärbte „irdisch Bangen“ scheint Tiecks eigenster Seelenstimmung anzugehören.[426] „Doch mich trieb nie ein eiteles Verlangen, Die reine Brust erhob ich zu den Sphären Und reinen Sinns küßt’ ich des Himmels Wangen.“ Wie der „Unbekannte“ nicht aus eitlem Verlangen nach den tiefen Geheimnissen forschte, so betont auch Jakob Böhme stets seine Demuth und reine Absicht und sieht in dieser Demuth alle Erkenntnis nur als Gnade Gottes an. „Den allen (Spöttern und Verächtern nämlich) gebe ich zur antwort / daß ich nicht in die Gottheit bin gestiegen / dann mir / als einem geringen Menschen / solches auch nicht müglich wäre zu thun / sondern die Gottheit ist in mich gestiegen / und ist mir solches auß seiner Liebe offenbahr welches ich in meiner halbtodten fleischlichen Geburth sonst wol würde müssen lassen bleiben.“[427] Ähnlich redet er in der „Vorrede“. Die geschraubten Wendungen „die Brust zu den Sphären erheben“, „des Himmels Wangen küssen“ sowie das vorausgehende: „Zur Sternenwelt trägt ihn der kühne Flügel“, mit denen Tieck den Aufschwung des betrachtenden Geistes umschreibt, erinnern an die weltenüberfliegenden Bilder des jungen Schiller. Die Wendung vom „Ton“ und „Blitz“, der das Innere „durchblickt“, nimmt Karl Martell in seiner Antwort[428] wieder auf, jedoch in einem gewöhnlichen, verständlichen poetischen Sinne. Der Grundcharakter des „Unbekannten“ ist das Geheimnisvolle. Schon sein Erscheinen als Unbekannter, von dem niemand weiß, woher er kommt und wohin er geht, sein Prophetenthum, seine feierliche Rede in den langhinhallenden Terzinen (die für Tieck noch eigens den Eindruck des Alterthümlichen erwecken[429]), erhöhen die Stimmung des Geheimnisvollen. Gerade diesem Zwecke scheint auch die Verbindung moderner naturphilosophischer Vorstellungen mit den alten theosophischen Gedanken Jakob Böhmes zu dienen. Die naturphilosophischen Ideen erscheinen zunächst verständlich, ihre Formulierung mit Hilfe Böhme’scher Worte und Wendungen macht sie zugleich mystisch und dunkel und so oscilliert der Geist des Lesers bei diesen Strophen immer zwischen Verstehen und Nichtverstehen hin und her. So versetzt Tieck den Leser in jenes Dämmerlicht des Halbbewussten, Unbestimmten, das in der romantischen Dichtung so beliebt ist.[430] Nach langem finden wir Jakob Böhmes Weisheit wieder in den Reden der Straßburger Hexe.[431] Wenn Winfreda Golo erklärt: „Ihr könnt nicht anders, so sind die Gewalten, Die Sternenkräfte, die sich nur entfalten, Ein solcher Mensch ist nur ein Samenkorn, In welchem wächst und reift des Schicksals Zorn, Die andern traf ein lichter Sternenblick, In ihnen sproßt das Firmanentenglück, Trägt jeder um sich ein siderisch Haus Und kann aus seiner Heimat nicht heraus,“ so hat sie diese Wahrheiten aus Böhmes „Morgenröthe“ geschöpft. Denn hier lesen wir:[432] „Das haupt (des Menschen) hat in sich die 5 sinnen / als sehen / hören / riechen / schmäcken und fühlen / darinnen qualificieren die sternen und elementa, und entstehet darinnen der Siderische / Sternen- und Natur-geist in Menschen und Thieren / in diesen quillet böses und gutes / dann es ist ein hauß der sternen. Solche krafft nehmen die sternen vom himmel / dass sie im fleisch können einen lebendigen und bewegenden geist machen in Menschen und Thieren.“ Der Einfluss der Sterne auf die Menschen zum Guten und Bösen sowie die Vorstellung, dass jeder ein „siderisch Haus“ ist, finden wir hier und bei Tieck ganz ähnlich ausgesprochen. Mit seiner Neigung zum Fatalistischen weicht Tieck wieder von J. Böhme ab. Böses und Gutes in den Creaturen rührt nach Böhme[433] aus den Sternen her. Allein nur Engel und Teufel sind in entschiedener guter und böser Qualität. Für diese Geschöpfe gibt es kein Schwanken mehr. Im Menschen und in den anderen Creaturen kämpfen beide Qualitäten und der Mensch kann sich selbst dem Guten oder Bösen zuwenden. Während Böhme entschieden die freie Selbstbestimmung des Menschen aufrecht erhält, macht Tieck den Menschen zum „Samenkorn, in dem des Schicksals Zorn reift“.[434] Winfreda sagt zu ihren Besuchern:[435] „Ich bin so sündig wie die andern Menschen, Doch wurde mir seltsamer Weis’ verliehn, In innre Tiefe der Natur zu schauen. Da seh’ ich, was getrennt, zusammenhängen, Und was dem blöden Auge einig scheint, In ferne Grenzen auseinander fliehn,...“ Die Hexe benimmt sich hier demüthig wie Jakob Böhme. Auch er erzählt, wie er, obwohl ein sündhafter Mensch, die Geheimnisse der Welt durch göttliche Erleuchtung durchschauen durfte.[436] „In diesem Liechte hat mein geist alsbald durch alles gesehen / und an allen Creaturen / sowohl an kraut und graß Gott erkennt / wer der sey / und wie der sey / und waß sein willen sey: Auch so ist alsbald in diesem liechte mein willen gewachsen mit grossem trieb / das Wesen Gottes zu beschreiben.“ Von seiner Sündhaftigkeit spricht Böhme besonders auch in der „Vorrede“ zur „Morgenröthe“. Auch hier verquickt Tieck wiederum Naturphilosophie mit Jakob Böhme. Schleiermachers folgende Worte bezeugen es:[437] „Eine größere Ausbeute gewährt sie (die Natur) freilich uns, denen ein reicheres Zeitalter tiefer in ihr Innerstes zu dringen vergönnt hat; ihre chemischen Kräfte, die ewigen Gesetze, nach denen die Körper selbst gebildet und zerstört werden, diese sind es, in denen wir am klarsten und heiligsten das Universum anschauen. Sehet wie Neigung und Widerstreben alles bestimmt und überall ununterbrochen thätig ist; wie alle Verschiedenheit und alle Entgegensetzung nur scheinbar und relativ ist und alle Individualität nur ein leerer Name...“ Während Jakob Böhme christlich-religiös denkend alles von dem nämlichen Geiste Gottes formieren, erhalten und tragen lässt, schiebt Tieck hier die naturphilosophische Anschauung des Universums ein,[438] führt aber den Gedanken gleich wieder in Böhmes Vorstellungsweise weiter. „Wie Stern’ im Abgrund die Metalle formen...“ „Also auch die Erde brächte keine Frucht / auch so wüchse darinnen kein Metall / weder gold / silber / kupfer / eißen noch stein / so die sternen nicht darinnen würketen / es wuchse auch kein gräselein daraus ohn würkung der sternen.“[439] „Wie Geister die Gewächse figurieren...“ Jakob Böhme erklärt das Wachsthum des Baumes und sagt unter anderm:[440] „... alsbald aber der Frühling kompt / daß die Sonne mit ihren strahlen die Erde erreichet und erwärmet die / so wird der Geist in der hitze / in dem baume lebendig / und heben die geister des baumes an zu grünen / wachsen und blühen: dan der geist gehet in der hitze auff / und alle geister freuen sich darinnen / und ist eine hertzliche liebe zwischen ihnen.“ Ein andermal[441] schildert Jakob Böhme das merkwürdige Wesen, das die Qualitäten (d. i. die formierenden Geister) in den Gewächsen treiben, wie sie Halme, Knoten, Blätter, Blüten und Früchte bilden. „Alsdan wächst aus allen qualitäten / die in dem corpus seind / eine kolbe oder kopff / und wird ein newer leib in der kolben oder kopfe / und wird figuriret gleich wie erstlich die wurtzel in der Erden / allein daß es nun eine andere subtilere form krieget.“ Hier fand also Tieck auch sein alterthümliches Reimwort, das sich auch sonst ebenso wie der Terminus: „corporieren“ oft in der „Morgenröthe“ einstellt. Wenn letzterer auch nicht gerade in Verbindung mit „Gedank’ und Wille“ erscheint, so ist doch die Art, wie Gedanke und Wille entstehen, bei Böhme erörtert. Wenn die Hitze das Licht gebiert, so „entstehen die sinnen und gedanken, das eine qualität die andere / die auch in ihr und mit ihr selber temperiret ist, siehet und mit ihrer schärffe approbiret / daß es ein wille wird / der in dem corpus auffsteiget in dem ersten quellbrunn in die herbe qualität.“[442] „Wie Phantasie zum Kern der Dinge dringt. Durch Einbildung Unmögliches gelingt...“ Das intuitive Erkennen durch die Phantasie ist es, auf das auch Jakob Böhme immer wieder zurückkommt; „thue die augen deines geistes auff“,[443] „thue die Augen deines gemutes auf“,[444] ruft er gerne dem Leser zu. Das Erkennen und Sehen „im geiste / im trieb und wallen GOttes“ ist ihm neben der Bibel eine Quelle von Offenbarungen;[445] wenn er sich an Gottes Trieb und Wallen hingibt, so werden ihm „alle große geheimnusse offenbar“.[446] Die Phantasie lässt ihn Unergründliches erkennen, also Unmögliches gelingen. (Romantische Hochschätzung der Phantasie.) Der Vers „Alle Dinge nur sind der Geisterwelt ein Kleid“ scheint ein Compromiss der Worte des Erdgeistes im „Faust“: „... und wirke der Gottheit lebendiges Kleid“ mit Böhmes Anschauung, dass „die gantze Natur der gantze leib GOttes“ sei.[447] Gott und Geisterwelt sind nach manchen Äußerungen Böhmes auch identisch. Im weiteren Verlaufe der Hexenscene gilt es, für Siegfried Phantome zu schaffen. Diese Schöpfung, die Winfreda vollbringt, könnte man als „frei nach Jakob Böhme“ bezeichnen. Jakob Böhme abstrahiert aus der Anschauung der Natur verschiedene Qualitäten von dieser und macht diese Qualitäten wieder zu genetischen Principien, welche die Dinge in der Natur schaffen und einmal „Qualitäten“, das anderemal „Quellgeister“ oder „Geister“ allein genannt werden. Winfreda will Phantome schaffen. Dazu braucht sie nicht so viele „Qualitäten“ aufzubieten, als zur Schöpfung wirklicher Dinge nöthig wären, sie braucht nur drei: Gestalt, Farbe und Leben. Diese drei Dinge werden zusammengebraut und auf den Ruf der Zauberin erscheinen die gewünschten Gebilde. Für die Einführung des ersten constitutiven Elementes, der Linien nämlich, welche die Gestalt der Phantome umschreiben müssen, ließe sich eine Anregung durch die „Morgenröthe“ vermuthen. Der „animalische Geist“, heißt es daselbst, der von den 7 Quellgeistern ausgeht, muss diesen, wenn ein Ding geschaffen werden soll, zuerst die Form weisen. Denn gerade wie der Zimmermann, der ein künstliches Haus baut oder der Handwerker, der ein künstliches Werk macht, nicht zuerst mit den Händen zugreift, sondern sich im Geiste die Form vorstellt, so „weiset der animalische Geist den 7 Geistern die Form. Alsdann bilden es die 7 Geister und machen es begreiflich / alsdan arbeiten erst die Hände nach dem Bilde / dann must ein Werk vorhin erst in sinn bringen / wilstu es machen.“[448] Es ist hier nicht nur vom Linienumriss, sondern vom „model“ überhaupt die Rede. Eine gewisse Ähnlichkeit des Vorgehens dieser Geister und der Hexe ist immerhin vorhanden. Die Farben werden als zweites bildendes Princip von der Hexe gebraucht. Das Linienschema, der Umriss wird durch sie erst lebendig. Die seltsame Vorstellung von erstorbenen Geistern scheint Tieck aus Böhme genommen zu haben, welcher schreibt:[449] „Wan der zornige Feuer-Plitz die Geister der Natur / welche in der Erden im Tode stehen / mit seinem grimmen schrack auffwecket / und beweglich macht / so fangen die Geister an nach ihrem eigenthumblichen Göttlichen Rechte sich zu gebähren / wie sie von der Ewigkeit gethan haben / und figurieren einen Leib zusammen nach desselben Orths instehenden qualitäten.“ Gleichnisweise wird an anderer Stelle von einem „todten Geiste“ gesprochen. Die Verse, die von den „Unsichtbaren“ sprechen, die vom Nichtsein in den Lichtschein kommen, scheinen auch noch von der Vorstellung der „erstorbenen Geister“ auszugehen.[450] Im dritten Zauberspruche Winfredas wird das Feuer als belebendes Princip angesprochen, das den aus Linien und Farben geschaffenen Gebilden „Atem, Seele, die Natur“ gibt. Verwandt ist damit, was Jakob Böhme über die Hitze sagt.[451] Der Grundstoff zu einem Lebewesen wird von der herben, sauren und süßen Qualität zusammengefügt, muss aber erst durch die Hitze zum organischen Leben erweckt werden... „und die hitze ist der geist / oder die anzündung des Lebens / davon der geist im corpus entstehet / der in den ganzen corpus quallet / und außer dem corpus leuchtet / und macht die lebendige Bewegung in allen qualitäten des corpus.“ Hier ist die Anlehnung an Böhme wieder deutlicher. Ein klein wenig Licht fällt auch noch auf diese hypermystische Hexenkunst, wenn man den Abschnitt „die Farben“ aus den „Phantasieen über die Kunst“,[452] in denen sich auch schon Böhmes Einfluss zeigt, heranzieht. Formen, Farben und Töne in ihrem schönen Zusammenwirken entzücken (so phantasiert Tieck unter anderem) den sinnigen Naturbeobachter. Die menschliche Kunst trennt Sculptur, Malerei und Musik und jede dieser Künste wandelt ihren eigenen Weg. Aber wie schön müsste auch in der Kunst eine Vereinigung sein, wenn sich z. B. zu einem Gemälde das verbrüderte Tonstück fände und es belebte. Da wäre dann die Kunst die höchst verschönerte Natur. Wenn Tieck Umriss Farbe und Töne zu einem belebten Kunstwerke zusammenwirken sehen will, so ist es klar, dass er hier die Schlegel’sche Universalpoesie zu einer Art Universalkunst potenzieren möchte. Die Hexe belebt die Gebilde, die aus Umriss und Farbe sich entwickeln, durch die geheime Kraft des Feuers und ruft sie mit Hilfe der Töne vollends ins Dasein. Wie diese Geister, welche die Hexe ruft, so schweben auch die Urbilder der Kunstwerke irgendwo „körperlos in den schönsten Formen“. Wie das magische Liniennetz die Farben einfängt, so „spreitet die ganze Natur dem Sonnenglanze ihre Netze entgegen, um die funkelnden Schimmer festzuhalten und aufzufangen“. Es scheint also, dass das Thun der Hexe auch ein Zerrbild vom Schaffen des romantischen Idealkünstlers sein soll, und wie früher die Naturphilosophie wird hier noch zugleich eine ästhetische Gedankenreihe der Romantiker mit Gedanken Jakob Böhmes verquickt. In den Versen[453] „das muss das Leben in sie führen u. s. w.“ arbeitet Winfreda mit den nämlichen Vorstellungen und der „schwangere Drang“ stammt auch wahrscheinlich aus Böhme; denn der Vergleich mit dem schwangeren Weibe ist bei ihm beliebt.[454] Die Worte: „So gewiss mein Hirn Bedeutet Gestirn...“ im Fluche der Hexe gehen wahrscheinlich auf einen Vergleich Böhmes zurück.[455] „Und gleich wie der himmel einen schluß oder festung hat ober den sternen / und gehen doch alle kräfte aus dem himmel in die sternen: also hat das hirn einen schluß oder festung für dem leibe / nur gehen doch alle kräfte auß dem hirn in leib und in den gantzen Menschen.“ Winfredas Worte: „Aus dem Licht kam Luft und Meer, Und die Erd’ mit Steinen schwer Und der Tier’ und Vögel Heer,“ scheinen sich aus jenen Äußerungen Jakob Böhmes herzuleiten, in denen alles in der Schöpfung auf Sonne und Sterne zurückgeführt wird. „Erstlich schawe an die Sonne / die ist das Hertze oder der König aller sternen / und gibt allen sternen liecht vom auffgang zum niedergang... So du aber nicht glauben wilst / das in dieser Welt alles von den sternen herrühre, so wil ich dirs beweisen so du aber nicht ein klotz bist.“[456] „So man das gantze curriculum oder den gantzen umbcirck der Sternen betrachtet / so findet sichs bald / daß dasselbe sey die Mutter aller Dinge oder die Natur / daraus alle dinge worden seind und darinnen alle Dinge stehen und leben / und dadurch sich alles beweget / und alle dinge seind auß denselben cräfften gemacht / und bleiben darinne ewiglich.“[457] Nun hätten wir endlich noch ein paar Nachklänge aus Jakob Böhme anzuführen, in denen seine mystische Offenbarung mit theologischen Lehren des Christenthums sich vereinigt und das ist auch die einzige Stelle in der „Genoveva“, an der man etwas von jener Betrachtung des Christenthums im Lichte Jakob Böhmes spürt. Es ist dies die Sterbevision der heil. Genoveva,[458] in der schon Friesen Böhmes Einfluss wahrnahm.[459] Genoveva sieht in der Ekstase die himmlische Herrlichkeit. „Wohin ich blickte, sah ich Blüten prangen, Aus Strahlen wuchsen Himmelsblumen auf...“ Über diese himmlischen Blumen und Blüten handelt auch Böhme...[460] „auch so gehen in diesen (himmlischen) cräfften auff allerley blumen mit schönen himlischen farben und geruch“. In der Strophe über die Trinität schließt sich Tieck recht deutlich an Böhme an, dessen Ausdeutung des Trinitätsmysteriums sich von der kirchlich-theologischen auffallend unterscheidet. „Der Sohn war recht des Vaters Herz und Liebe, Der Vater schaffende Allgegenwart, Der Geist im unerforschlichen Getriebe, Das ew’ge Wort, das immer fort beharrt; Und alles wechselnd, nichts im Tode bliebe, Indes der Vater wirkt die Form und Art. So Lieb’ und Kraft und Wort in eins verschlungen, In ew’ger Liebesglut von sich durchdrungen.“ „Also ist ein Gott / und 3 unterschiedliche Persohnen in einander / und kan keine die andere fassen oder aufhalten / oder der andern Vhrsprung ergründen / sondern der Vater gebähret den Sohn / und der Sohn ist des Vaters Hertze / und seine Liebe und sein Licht / und ist ein Ursprung der Freuden / und alles Lebens anfang. Und der Heilige Geist / ist des Lebens Geist / und ein Formirer und Schöpffer aller dinge / und ein Verrichter des Willens in GOtt / der hat formiret und geschaffen auß dem Leibe und in dem Leibe des Vaters alle Engel und Creaturen / und hält und formiret noch täglich alles / und ist die schärffe und der lebendige Geist Gottes: Wie der Vater das Wort auß seinen Kräfften spricht / so formts der Geist.“[461] Tieck zupft aus diesem confusen Gewebe einzelne Fädchen heraus und webt sie aufs neue in seiner Stanze zusammen. Welcher es dem andern an geheimnisvoller Dunkelheit zuvorthut, ist schwer zu entscheiden. -- In der letzten Strophe der Vision heißt es: „Wie Strahlen giengen Engel aus und ein, Entzückt in der Dreieinigkeit zu spielen...“ Dieses Spiel der Engel in Gott erwähnt auch die „Morgenröthe“ öfters. Bei Schilderung der Freude der Engel liest man:[462] „es war alles ein herztlich Liebe-spiel in GOtt...“ Wie Gott in seiner Veränderung unbegreiflich ist und in seinem Liebespiel, „Also sollten auch die Geisterlein oder die Liechterlein der Engel / welche seind wie der Sohn GOTTES / für dem Hertzen GOTTES in dem grossen Liechte fein sanft spielen / darmit die Freude im Hertzen Gottes möchte vermehret werden / und möchte also in GOtt ein Heiliges Spiel seyn.“[463] Hie und da trifft man noch eine Wendung in der „Genoveva“, der Vorstellungen aus Jakob Böhme zugrunde liegen. Böhmes Vorstellung von den verschiedenen Geistern, die im Menschen thätig sind, z. B. steckt in Phrasen, wie „alle Geister (sc. der Gebärenden) nach Hilfe schreien“[464] und „wenn sich die innern Geister alle lösen“ (beim Sterbenden).[465] Auch das „himmlisch Freudenreich“[466] wäre zu nennen. Die angestellte Beobachtung zeigt, dass man Böhmes Einfluss auf die „Genoveva“ nicht überschätzen darf. Am nächsten kommt dem Sachverhalte Tiecks Äußerung bei Förster:[467] „als ich die Genovefa schrieb, habe ich allerdings Jakob Böhme’s Schriften mit großem Interesse gelesen und so ist vielleicht Manches aus ihnen, mir bewußtlos, in mein Stück übergegangen“. Jakob Böhmes Theosophie verwebt Tieck fast nur an jenen Stellen in seine „Genoveva“, wo das Geheimnisvolle in Ton und Inhalt herrschen soll. Das Mysteriöse ist die Sphäre des „Unbekannten“, der ekstatisch verzückten Heldin und von der Hexe wird es zu schlechtem Zwecke missbraucht. Fast nirgends werden aber Böhmes Gedanken genau in ihrem ursprünglichen Sinne und in unvermischter Reinheit übernommen, sondern Tieck sucht jedesmal Alterthümliches und Modernes zu verschmelzen. Es leitete ihn dabei gewiss ein feiner künstlerischer Sinn. Die „Genoveva“ will alte Poesie auffrischen und in neues Gewand kleiden, sie will alterthümlich und modern zugleich sein. Da war denn Tieck nur consequent, wenn er Böhmes Mystik nicht in ihrer echten und ursprünglichen Gestalt seinem Gedichte aufklebte, sondern sie so gut wie möglich mit modernen Anschauungen zu amalgamieren trachtete und sie in moderner Einkleidung vortrug. Für den Anfang scheint es seltsam, dass die Worte hoher, heiliger „Weisheit“, die der fromme „Unbekannte“ und die heilige Heldin sprechen, auch die böse, betrügerische Hexe sich anmaßen darf. Wenn auch nicht deutlich ausgesprochen, gemeint ist aber jedenfalls, dass die Hexe das Heilige für ihre schnöden Zwecke missbraucht. Diese Auffassung deutet auch Bernhardi in seiner Recension an. Dass in den Hexensprüchen zugleich ein Nachäffen romantischen Kunstschaffens verborgen ist, reimt sich damit ganz gut zusammen. Für den heutigen Leser ist wohl das meiste von der Jakob Böhme’schen Mystik in der „Genoveva“ ganz unverständlich geworden. Wer kümmert sich heute um diese mystische Philosophie? Tieck dichtete aber zunächst für den engeren Kreis seiner Freunde, denen Jakob Böhme „Bibel“ geworden. Hier kannte man den Schlüssel zu den geheimnisvollen Worten des „Unbekannten“ wie der Hexe. Die Romantiker waren um 1800 fast allesammt Adepten Jakob Böhmes und hätten gerne die mystische frohe Botschaft des Görlitzer Schusters aller Welt verkündet.[468] Tieck erneuert Böhmes Gedanken, soweit er sie seiner Dichtung einverleiben kann, ähnlich, wie er die Poesie der alten Volksbücher auffrischt und damit war allerdings schon ein Anfang mit der Popularisierung des verschollenen Mystikers gemacht. Außer Tieck und Novalis las diesen besonders F. Schlegel eifrig. Auch Ritter, Hülsen, sogar Schelling schlossen sich den Bewunderern an. Was die Romantiker in ihrem ersten Enthusiasmus mit dem „philosophus teutonicus“ vorhatten, sagen neben andern merkwürdigen Orakelsprüchen am besten F. Schlegels Worte, Worte eines Böhmeschwärmers, dem Tiecks Bemühungen noch viel zu geringwertig erschienen. Er schreibt an Schleiermacher:[469] „Fast möchte ich Dir zur Pflicht machen, den Jakob Böhme zu studieren. Es muss noch viel von ihm die Rede (sein), weil in ihm gerade das Christenthum mit 2 Sphären in Berührung steht, wo jetzt der revolutionäre Geist am schönsten wirkt -- Physik und Poesie. Ritter hat ihn sehr studiert und will auch über seine Physik schreiben; das ist aber nur eine Seite. Tieck legt sich gewaltig auf ihn und wird ihn hinlänglich tieckisieren; denn in einen andern Geist einzudringen, das ist diesem Menschen nicht gegeben. Also wird Böhme für den Tieck etwas thun, Tieck für den Böhme aber gewiss sehr wenig. Noch ein Grund, warum ich es besonders schicklich finde, den Böhme zu predigen, ist, dass sein Name schon den größten Anstoß bei den Philistern erregt; kein anderer kann mehr polemische Energie haben.“ Dass Tieck seinen Böhme „tieckisiert,“ hat Schlegel richtig getroffen. Dasselbe that Tieck ohnehin auch mit seinen übrigen Vorbildern und er hatte als Dichter sein gutes Recht dazu. Er war aber dabei ein recht eifriger „Verkündiger der Morgenröthe“, persönlich unter seinen Freunden und in seiner Dichtung. Im „Zerbino“ hatte er Böhme in den „Garten der Poesie“ versetzt, in den „Phantasieen“ merkt man schon die Spuren von Böhmes Ideen, im Fastnachtschwanke vom „Neuen Hercules“ („Der Autor“) wird er mit reichstem Lobe bedacht, in „Octavian“ und „Melusine“, in verschiedene kleine Gedichte werden Böhmes Gedanken eingestreut, wie in die „Genoveva“. Eine Wiedergeburt der Böhme’schen Mystik im größeren Stile erfolgte freilich erst später in Baaders Philosophie. * * * Ob mit dieser Untersuchung der persönlichen Einflüsse und Anregungen, der Quelle und der literarischen Vorbilder, die in Tiecks „Genoveva“ nachwirkten, das ganze Erdreich genügend bloß gelegt ist, aus dem diese seltsame, vielgerühmte und vielgetadelte romantische Blüte hervorwuchs, wage ich nicht zu behaupten. Briefe und andere Aufzeichnungen können noch einmal neues und volleres Licht über manchen Punkt bringen. Ein ziemlich deutliches Gesammtbild der Bedingungen, welchen dieses romantische Werk sein Dasein verdankt, stellt sich aber immerhin aus der Betrachtung des zugänglichen Materiales her. Das Volksbuch, die altehrwürdige Legende, der Tieck mit tiefer Ehrfurcht naht, gibt den stofflichen Grundstock des ganzen Buches. Die Ehrfurcht vor dem Alten bewog den Romantiker, auch von der Anordnung des Stoffes, wie sie das Volksbuch bietet, nur dann abzugehen, wenn es gewichtige Gründe forderten. Shakespeares „Perikles“ und Maler Müller wiesen auf die dramatische Form, „Perikles“ gab noch insbesondere das Vorbild für die epischen Einlagen, während Calderon das Lyrische und die metrische Gestaltung vielfach beeinflusste. Müller, Shakespeare und Goethe bestimmten dort und da einige Linien eines Charakterbildes. Müller’sche und Shakespeare’sche Stimmungen, welche Tieck besonders verwandt ansprachen, giengen in seine Dichtung über. Müller, Goethe und Shakespeare haben auch ihren Antheil am Aufbau einzelner Scenen wie an der ritterlichen Costümierung. Jakob Böhmes alterthümliche und dunkle Mystik mit ihrer fremdartigen Terminologie half gewisse Scenen auf einen seltsam alterthümlichen und geheimnisvollen Ton stimmen. Aber jeder nach fremdem Vorbilde geführte Pinselstrich verräth doch auch immer Tiecks eigene Hand, die stets in selbständiger Weise das Fremde dem eigenen Zwecke dienstbar macht. Tiecks erwachte Abneigung gegen die saft- und kraftlose Nicolaitische Aufklärungssucht, die Erlanger Eindrücke sowie Wackenroders zart-frommer Sinn und Alterthums-Enthusiasmus, die mächtige religiöse Erregung, die durch Schleiermacher, Novalis und Friedr. Schlegel in den romantischen Kreis getragen wurde, religiöse Stimmungen, welche die Calderon- und Böhme-Lectüre weckte: alles vereinigte sich, um Tiecks Gemüth mit jenen innigen, alterthümlich-religiösen Kunststimmungen zu erfüllen, die das charakteristische, beherrschende Licht über sein romantisches Drama verbreiten und dieses trotz aller Entlehnungen zu einer durchaus selbstständigen Kunstschöpfung machen, wie sie eben nur aus dem romantischen Geiste, der sich vor hundert Jahren in unserer Dichtung entfaltete, erwachsen konnte. IV. Charakteristik der „Genoveva“. 1. Das romantische Drama. -- Composition. Im Stofflichen, das Tieck in seiner „Genoveva“ verarbeitet, fanden wir allenthalben Entlehnungen und Anlehnungen. Die Geschichte und die Folge ihrer Entwickelung, gar manches in den Charakteren wie in den Motiven, die Verwendung von Vers und Prosa: all dies ist nicht neue Erfindung, sondern von anderen übernommen. Vollständig neu fanden wir eigentlich nur die Auffassung, welche diese Dichtung beherrscht, jene Auffassung, die aus gewissen zeitgenössischen Strömungen und persönlichen Eindrücken erwuchs. Dies ist nicht Zufall und nicht Armut an Erfindungskraft. Tieck legt eben keinen besonderen Wert auf das Neuerfinden des Stofflichen, wie uns eine bezeichnende Stelle des „Phantasus“ bestätigt.[470] Clara möchte nämlich „lieber“ eine Scene in „Was ihr wollt“ geschrieben haben, als die Novelle erfunden, aus welcher das Lustspiel entsprungen ist. Nicht wesentlich anders dachten die romantischen Collegen in Jena bereits vor der Entstehung der „Genoveva“. Nach A.W. Schlegel[471] setzt sogar Shakespeare das Wesen seines dichterischen Geschäftes nicht in die stoffliche Erfindung, sondern er wendet die ganze Macht seines Genius auf die Gestaltung eines vorgegebenen Stoffes. Tieck, der Schüler, will nicht über dem Meister sein. Er begnügt sich auch, seine ganze Kunst in der „Organisation“ und Darstellung des Stoffes zu zeigen. Tieck möchte in seiner „Genoveva“ ein „romantisches“ Kunstwerk schaffen, in dem sich Dramatisches mit Epischem und Lyrischem verschmelzen soll; denn es ist die Aufgabe der romantischen Poesie „alle getrennte Gattungen der Poesie wieder zu vereinigen“.[472] Ohne Zweifel kann der echte Dichter das Poetische in jeder Form aussprechen. Warum sollte er es nicht auch in verschiedenen Formen können, die gleichzeitig nebeneinander stehen, die sich gegenseitig durchdringen und die organisch ineinander wachsen? Solange der Dichter das Poetische an sich, seinem inneren Wesen nach im Auge hat, braucht es keine Scheidung nach diesen oder jenen Kategorien der künstlerischen Erscheinung. Anders wird es, wenn er eine Wirkung nach außen anstrebt. Da ist vor allem der Dichter, der sich die bestimmte dramatische Gattungsform wählt, auch an die Gesetze dieser künstlerischen Gattung unwiderruflich gebunden. Theoretisch lässt sich gegen die Möglichkeit, verschiedene Gattungsformen in einem poetischen Werke zu verschmelzen nichts einwenden, die Schwierigkeiten aber, die sich von der künstlerischen Seite her erheben, sind so große, dass ein gutes Gelingen eines solchen romantischen Universalgedichtes wenig wahrscheinlich ist. Es muss dem Dichter bei solchem Vermengen der Gattungen recht schwer werden, dem Kunstwerk die unentbehrliche Einheit und Geschlossenheit der Erscheinung zu geben. Denn es haben die einzelnen Gattungen ihre eigenen stilistischen Gesetze und die Gesammtform jeder Dichtung bestimmt bis in die Glieder herab die Formgebung in eigenthümlicher Weise. Es müsste wohl ein Ingenium von höchster künstlerischer Begabung erstehen, das alle Hindernisse glücklich unter sich brächte und in das Mosaik verschieden gearteter Theile ohne ein Zuviel hier und ein Zuwenig dort Harmonie und künstlerisches Gleichgewicht zu zaubern und die Gewöhnung des Lesers an bestimmte Unterschiede der künstlerischen Erscheinung glücklich und ohne Störung zu täuschen vermöchte. In der „Genoveva“ überwiegt das Dramatische oder richtiger das Dialogische weitaus den epischen Theil, es bildet „die Basis“ der künstlerischen Gestalt. Dabei muss freilich bemerkt werden, dass sich auch schon in den Dialog verschiedene epische und lyrische Stücke einordnen. So z. B. die Erzählung Wolfs von seiner astrologischen Himmelsbeobachtung, die Erzählungen von Golos und Genovevas Jugend, die Prophezeiung des „Unbekannten“, die Schilderung der Sterbevision Genovevas u. a. Auch Lieder und lyrische Ergüsse sind in den Dialog verwoben oder als Monologe einem Dialoge voran- oder nachgestellt. So versucht es Tieck, in das Drama „Lyrik hineinzuwerfen“, wie er es schon vorher im „Zerbino“, in den Märchen und im „Sternbald“ that und wie er es bald reichlich im „Octavian“ thun sollte. Der Dichter versucht hier wirklich ein Verschmelzen der verschiedenen Gattungen. Aber man spürt auch schon dabei, wie sich manches Epische und Lyrische nur mit Widerstreben in das dramatische Gerüste zwingen lässt. Ein Beispiel dafür ist die Weissagung des „Unbekannten“. In einem Drama müsste diese Prophezeiung eigentlich bei strengster, aber allerdings häufig verletzter Consequenz im Gattungsstil auf der Bühne in Erfüllung gehen, soll die erregte Erwartung nicht getäuscht werden.[473] Ebenso müssten wir die heil. Genoveva in ihrer himmlischen Verklärung sehen und nicht bloß den Bericht des heil. Bonifacius über ihren Eingang in die Seligkeit zu hören bekommen; denn nur so wäre in beiden Fällen der Abschluss in dramatischer Form erreicht. Nachdem diese die Dichtung im Ganzen beherrscht, regt sich das Bedürfnis nach solchem Abschluss unwillkürlich. Das Epos, das weite Zeiträume in sich fasst und das unbegrenzte Reich der Phantasie ohne Einschränkung durchwandert, begnügt sich schon mit einem bloßen Ausblick in die Zukunft. Tieck denkt also manchmal trotz der äußerlich dramatischen Form episch; er denkt eben an ein gelesenes Gedicht, nicht an ein dargestelltes Theaterstück und unter dieser Voraussetzung unternimmt er es, die Phantasie in so weite Zukunftsfernen und selbst in die Ewigkeit zu führen. Allein der eigenthümliche innere Widerspruch zwischen dem epischen Charakter des Inhaltes und der äußeren dramatischen Gestalt wird auch unter dem Gesichtpunkte des Lesedramas nicht ohne Rest ausgeglichen. Griffe ein echter Dramatiker das Volksbuch auf, so würde dieser mit strenger planvoller Ökonomie eben das aus seiner Quelle entnehmen, was für sein Thema wesentlich und nothwendig ist und was hinreichte, dieses sein Thema künstlerisch zu verlebendigen und zu erschöpfen. Um die ungerecht bedrängte und wieder erkannte Unschuld, das dichterische Problem der Genoveva-Legende, darzustellen, genügen einem Dramatiker als Personen Genoveva (mit Schmerzenreich), Golo, Siegfried, Drago, die Hexe, Benno und Grimoald, Gertrud. An den Schicksalen dieser Personen könnte sich das ganze Problem entwickeln. Der ganze übrige reiche Aufwand von Nebenpersonen, die Tieck einführt, könnte fortfallen und damit entfielen auch die Scenen, die mit dem Hauptgedanken und dem Fortgange des Stückes in gar keiner innerlich nothwendigen oder nur in einer sehr losen Beziehung stehen wie die breiten Lager- und Kriegsgemälde, die Hirtenscenen, der heil. Bonifacius. So dächte ein Dramatiker, der mit der Bühne rechnet. Allein der romantische Poet denkt anders, er geht wieder, wenn auch in dramatischer Verkleidung, die Wege des Epikers. Die umfassende Fülle der romantischen Poesie muss nothwendig den straffen dramatischen Rahmen sprengen. Die Romantik drängt überhaupt zum Epischen hin.[474] Der Roman „tingiert“ ja die ganze moderne Poesie.[475] Tieck will „Leben und Tod der heil. Genoveva“ schildern und er will auch in seiner Ehrfurcht vor dem Alten das ganze Volksbuch, selbst seine unwesentlichen Bestandstücke, die nur der Stimmungsmalerei oder der Maskierung von Vorgängen hinter der Scene dienen können, beibehalten und in neuer Schönheit aufgefrischt erstehen lassen. Was das Volksbuch enthält, ist, wie uns die Romantiker schon belehrten, ein altehrwürdiges, heiliges Gut, von dem kein Gran verloren gehen darf. Auch diese Tendenz der Romantik hindert ein dramatisches Concentrieren. Sie begegnet sich aber in unserem Falle mit der Idee von der romantischen Universalpoesie. Der alte poetische Schatz darf durch neue Motive bereichert werden, wenn es dem Dichter gelingt, solche herbeizuschaffen, die neben dem Alten nicht unwürdig erscheinen. Poetisch oder nicht poetisch? Das ist die einzige Frage, nicht aber innere Nothwendigkeit, künstlerische Straffheit der Composition in Lessings Sinne. Die romantische Poesie „umfasst alles, was nur poetisch ist“.[476] „Poetisch“ und „romantisch“ fließen für Schlegel und Tieck allmählich ineinander. Das bunte, bewegte Bild eines Krieges, der dazu einem idealen Zwecke dient (Kreuzzug), eines Krieges im fernen Mittelalter, wo Morgenland und Abendland feindlich zusammentreffen, wo Schlachtenlärm und Liebesseufzer sich vermengen: in einem solchen Bilde ist alles außergewöhnlich, nichts platt und alltäglich, alles ist romantisch, poetisch.[477] Scenen, in denen Naturburschen, wie Schäfer und Köhler (Tiecks alte Vorliebe)[478] erscheinen, Menschen, deren Dasein so innig mit der Natur verwachsen ist, bieten eine andere Seite des Poetischen. Nur den sublimierten, poetischen Duft dieser Gestalten sucht Tieck festzuhalten. Darum streift er sorgsam alles alltäglich Schwere und Prosaische von ihnen ab. Fast nur der singende und der liebende Schäfer, der Schäfer voll Naturfreude darf hier wie im „Octavian“ in die Dichtung eintreten. Der „Unbekannte“, die Hexe, Tod und Engel, der Geisterpilgrim, Wesen, die mit der geheimnisvollen, überirdischen Welt verbunden sind oder aus derselben in unsere irdische Alltagswelt hereinkommen, all diese Gestalten gehören auch dem Reiche des Poetischen, des Romantischen an. Religion und Poesie gehören für den Romantiker ohneweiters zusammen. „Bist du in alter Blindheit ein Bewohner Von Religion und Poesie verstoßen?“ sagt Dante zu Nestor-Nicolai im „Zerbino“. Die Figuren, die dem Gebiete des Glaubens angehören, gewähren der Phantasie durch ihr Erscheinen einen „bedeutenden Ausblick in die Ferne“, in eine geheimnisreiche Ferne, in die auch Wunder und Visionen und Träume den ahnenden Blick lenken. Solche „Ausblicke“ sind nach A.W. Schlegel ein Charakteristicum des Romantischen.[479] Die Natur in ihren geheimen Wechselbeziehungen mit dem Menschengemüthe, die das Volksbuch noch nicht kennt, ist eine poetische Macht, vor der sich selbst der gemüthsdürre Merkel beugt. Mit den Liedern und lyrischen Ergüssen, welche die Welt des Gemüthes selbst entschleiern, mit Ahnung und Erinnerung und Sehnsucht gelangen wir ins Centrum alles Poetischen, zur seelischen Empfindung.[480] All das darf in Tiecks romantisches Trauerspiel aufgenommen werden; denn nichts Poetisches ist von der romantischen Universalpoesie ausgeschlossen. Die unendliche Mannigfaltigkeit all dieser Motive ist dabei nicht etwa ein Product zügelloser Phantasie. Eine solche gibt es für den Romantiker gar nicht.[481] Das Mannigfaltige und Bunte ist ihm an sich poetisch. Shakespeare ist „um so poetischer (als die Spanier) als er mehr Mannigfaltigkeit entwickelt“.[482] Was Tieck für poetisch ansieht, erfahren wir ungefähr aus „Zerbino“ und „Octavian“. Die Scene, mit welcher der „Prolog“ des letzteren Dramas schließt, vereinigt in der Bühnenanweisung wie in einem Inhaltsverzeichnis die Elemente des Poetischen. „Musik. Mit Trompeten kommen die Krieger auf der einen, die Schäfer mit Flöten auf der andern Seite zurück. In der Mitte stehen Glaube und Liebe, zur Seite des Glaubens Tapferkeit, zwischen ihnen der Liebende und die Pilgerin, neben der Liebe der Scherz, zwischen diesen der Ritter und das Hirtenmädchen, im Vorgrunde der Dichter und die Romanze.“ Naturfreude, Lust an Farben und Tönen, Sehnsucht, Reiselust, Ahnung und Erinnerung begegnen uns im „Aufzug der Romanze“ wie im Garten der Poesie als Töne, die sich zum großen romantischen Accord vereinen. Der Garten der Poesie ist überdies eine blühende Wildnis. Große, seltsame Wunderblumen, wie sie der alte vernünftige Nestor nie in seinem Leben sah, blühen darin, alles im üppigen, phantastischen Überfluss und alles glänzt und tönt und singt und plaudert und spricht wundersame Geheimnisse aus, die als Ahnungen und Stimmungen ans Dichtergemüth klingen. Fast all diese poetischen Dinge treffen wir auch in der „Genoveva“, nur der Scherz und die contrastierende derbe Prosa fehlen, weil sie nach des Dichters Meinung den Legendenton der Dichtung stören würden. Es war gewiss ungerecht, wenn man in blinder, parteiischer Voreingenommenheit und in ödem Verständigkeitsfanatismus die diesen Motiven und Stimmungen immanente poetische Kraft hartnäckig übersah, wie es die rationalistischen Feinde der Romantik in ihren Recensionen thaten, die Nicolai und Merkel, die nur borniert witzelnd auf „die abgeschmackte Legende, zu der Tieck noch lächerliche Abenteuerlichkeiten hinzusetzte,“ von oben herabblickten.[483] Sie konnten allerdings nicht anders. „Trägt jeder um sich ein siderisch’ Haus, kann aus seiner Heimat nicht heraus.“ Soll aber die Freude des Genießenden am Kunstwerk rein und voll sein, dann darf das Poetische, das Phantasie und Gemüth erweckt und fesselt, nicht als chaotische, unüberschaubare Masse vor uns erscheinen, sondern Einheit und Geschlossenheit kommen einem anderen, dem eigentlich künstlerischen Bedürfnisse unseres Geistes, entgegen. A.W. Schlegel übersah diesen Sachverhalt nicht. Er findet im Verhältnis von Tag und Nacht ein zutreffendes Bild unseres geistigen Daseins. „Einige Dichter haben den gestirnten Himmel so vorgestellt, als ob die Sonne nach Endigung ihrer Laufbahn in alle jene unzähligen leuchtenden Funken zerstöbe: dieß ist ein vortreffliches Bild für das Verhältnis der Vernunft und Fantasie: in den verlorensten Ahndungen dieser ist noch Vernunft; beyde sind gleich schaffend und allmächtig, und ob sie sich wohl unendlich entgegengesetzt scheinen, indem die Vernunft unbedingt auf Einheit dringt, die Fantasie in grenzenloser Mannigfaltigkeit ihr Spiel treibt, sind sie doch die gemeinschaftliche Grundkraft unseres Wesens.“[484] Ein Centrum im Kunstwerke ist nöthig, in dem alle Linien zusammenlaufen.[485] Ein Hauptcharakter, eine Haupthandlung muss so in der Dichtung herrschen, dass nicht das Nebenwerk mit seiner Fülle das Ganze überwuchert. Die Empfindung dieser geschlossenen, gerundeten Einheit wirkt mit wohlthätiger Befriedigung auf den Geist des Genießenden. Wie sieht es aber in der „Genoveva“ aus? Bis in die Mitte des Stückes laufen nicht weniger als drei Handlungen nebeneinander her. Golos Liebeswerben, die Liebe zwischen Heinrich und Else und die Lagerscenen, die sich ihrerseits wieder als christliches und saracenisches Lager in zwei selbständigen Reihen entwickeln. Von der Eroberung Avignons bis zu Genovevas Verstoßung begleiten sich allerdings nur die Vorgänge auf dem Schlosse und in Straßburg. Im weiteren Verlaufe bis zur Auffindung der Verstoßenen haben wir aber wieder drei Fäden zu verfolgen: die Ereignisse auf Siegfrieds Schloss, Genoveva in der Wüste, Golo im Walde. Erst am Ende vereinigt sich wieder alles auf dem Schlosse, von dem die ganze Handlung ausgegangen war. Diese verschiedenen Reihen durchschneiden sich und kreuzen sich im bunten Wechsel, wie die Bilder eines Kaleidoskopes. Es gibt ein verwirrendes, traumhaftes Hin und Her. Das ist auch nicht verwunderlich, da Tieck selbst im Traumleben allen Ernstes das wahre Vorbild für das dichterische Schaffen sehen will.[486] Ein Lieblingsgedanke, auf den er immer wieder zurückkommt. Auch keine Persönlichkeit steht derart beherrschend in der Mitte, dass wir den Eindruck einer sicheren Einheit bekämen. Das erste Viertel der Dichtung beherrschen die Kriegsscenen mit Karl Martell an erster Stelle. Dann treten Golo und Genoveva in den Vordergrund. In der zweiten Hälfte fällt das meiste Licht auf die verbannte Dulderin. Also weder eine sicher geführte Haupthandlung noch eine das Ganze beherrschende Persönlichkeit gibt der Dichtung einen festen Halt. An ein symmetrisches Abwägen der einander entgegenstehenden Personengruppen nach Zahl und innerer Bedeutung, wie wir es an manchen Goethe’schen Dramen beobachten („Iphigenie“), wie es in hohen Kunstzeiten die bildende Kunst uns zeigt (Griechische Kunst, Frührenaissance), denkt Tieck in seinem romantischen Gedichte nicht. Es würde die Mannigfaltigkeit darunter leiden. Wenn auch niemand vom romantischen, episch denkenden Dramatiker jene „strenge gerade Linie“ verlangt, nach welcher einem Schiller’schen Worte gemäß der tragische Poet fortschreiten muss, so möchte man doch erwarten, dass ersterer sich wenigstens auf einer Hauptrichtung halten müsse, und zwar so, dass diese Hauptrichtung dem Leser nie ganz aus dem Gesichtskreise schwinde. Tieck mit seiner ästhetischen Traumtheorie und Fr. Schlegel, der romantische Gesetzgeber, denken aber einmal anders in diesen Dingen. Das Hervortreten und Zurückweichen der einzelnen Figuren in der „Genoveva“ lässt den Leser unwillkürlich an jenes Schlegel’sche Fragment denken, das vom Romanhelden sagt:[487] „Es ist nicht einmal ein feiner, sondern eigentlich ein recht grober Kitzel des Egoismus, wenn alle Personen in einem Roman sich um Einen bewegen wie Planeten um die Sonne, der dann gewöhnlich des Verfassers unartiges Schoßkind ist, und der Spiegel und Schmeichler des entzückten Lesers wird. Wie ein gebildeter Mensch nicht bloß Zweck sondern auch Mittel ist für sich und für andere, so sollten auch im gebildeten Gedicht alle zugleich Zweck und Mittel seyn. Die Verfassung sey republikanisch, wobey immer erlaubt bleibt, dass einige Theile activ andere passiv seyn.“ Es erscheint die „Genoveva“ beim ersten Lesen „wie ein Traumbild ohne Zusammenhang, ein Ensemble wunderbarer Dinge und Begebenheiten“. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass es erstes Gesetz der romantischen Poesie ist, „dass die Willkür des Dichters kein Gesetz über sich leide“ und auch im „Zerbino“ hebt und senkt sich der Vorhang sechsmal und nicht öfter „ohn’ alle Ursach’, wenn Willkür nicht hinreichend Ursach ist“.[488] Der bunten Mannigfaltigkeit und dem Reichthum an Handlung entspringt der schrankenlos willkürliche Wechsel des Schauplatzes. Die Scene wechselt in der „Genoveva“ einundsechzigmal. Man zählt achtundzwanzig voneinander verschiedene Örtlichkeiten. Und wie die Schranken des Raumes, so fallen für die souveräne romantische Phantasie auch jene der Zeit. Das Stück umschließt ungefähr einen Zeitraum von acht Jahren. Allerdings an eine festgefügte Chronologie im Stücke denkt der Dichter nicht; nur so nebenher bekommen wir die eine und andere Zeitangabe, wobei der Dichter aber nicht auf chronologische Klarheit abzielt. Es erscheinen bei Tieck die Tages- und Jahreszeiten gerade so wie die Örtlichkeiten fast nur als stimmungsvoller Hintergrund für die Vorgänge. Dieser Stimmungswert der Zeitmomente und Raumverhältnisse ist ihm das Wichtigste. Wie weit er dabei zu gehen vermag, sieht man aus der Aufeinanderfolge der Scenen „Gefängnis“ und „Dorf“.[489] Für die gefangene Mutter im Thurme braucht der Dichter die rauhe Jahreszeit, für die Schäferhochzeit den Frühling. Dass dem Stimmungsgehalt von Ort und Zeit ein weit höherer Wert beigelegt wird, als einer deutlichen chronologischen Folge innerhalb der Dichtung, entspricht der romantischen Hochschätzung der Stimmungen, die „allein glücklich machen“. „Der Wechsel der Zeiten und Örter, vorausgesetzt, daß sein Einfluß auf die Gemüther mitgeschildert ist,“ gehört nach A.W. Schlegel[490] zu den „wahren Schönheiten“ der romantischen Poesie. Wir hören wohl einmal, dass Siegfried drei Monate verheiratet sei, als er in den Krieg zieht. Das zehnmonatliche Fernsein wird erwähnt, um Genovevas Untreue zu begründen. Zwei Monate darauf ist Siegfried in Straßburg. Von da an ungefähr gerechnet, sieht Genoveva „sieben Frühlinge“ in der Wüste. Diese Angaben des Volksbuches beizubehalten verlangte schon die „Heiligkeit der Tradition“. Größere Zeiträume sind also beiläufig markiert; aber innerhalb derselben überlässt der Dichter alles weitere dem Leser oder er wählt die Zeit nur, um sie der Stimmung der Scene dienstbar zu machen. Was noch nach der Wiederauffindung Genovevas folgt, verschwimmt zeitlich ganz ins Unbestimmte. Es heißt nur, dass Genoveva noch kurze Zeit lebte. Wohl mit Absicht wird hier jede bestimmte Zeitangabe vermieden. Durch die unbestimmte Zeit führt der Dichter die Phantasie des Lesers am besten dem Punkte entgegen, wo Zeit und Ewigkeit ineinanderfließen und wo Genoveva erst visionär, dann wirklich in ein Reich eintritt, wo Zeitliches und Irdisches aufhören.[491] So will es wieder die romantische Phantasie, welche „bedeutende Ausblicke in die Ferne“ liebt. Der Prophetenblick des „Unbekannten“ schaute früher „weit hinab“ in irdische Zeitfernen, am Schlusse verliert sich der Blick über Raum und Zeit hinaus in die unbegrenzten Fernen der Ewigkeit. Auch nach rückwärts in die Vergangenheit ist die Zeit gewissermaßen schrankenlos: Bonifacius ersteht von den Todten und kommt aus ferner Zeit in die Gegenwart her, wenn er auch ein anderesmal als mitlebender Zeitgenosse auftritt. Nirgendwo sehen wir Tieck aus den Bedingungen der theatralischen Kunst heraus im größeren Umfange arbeiten, obschon er die dramatische Form zumeist in seiner Dichtung äußerlich festhält, sondern er erbaut sich in der Phantasie eine Bühne für die Phantasie[492] und auf dieser Bühne ziehen all diese Wunder vorüber. Das Ganze scheint, wie oben bemerkt wurde, beim ersten Anblick nur ein traumhaft bewegtes, phantastisch durcheinanderwirbelndes Chaos und alles künstlerisch Gesetzmäßige scheint grundsätzlich ausgeschaltet zu sein. Aber doch nur scheinbar. Wenn auch kein innerlich begründetes Maß und Gesetz die vorüberschwebenden Phantasien in schönem Gleichmaß belebend abtheilt, so sucht der Dichter den Leser in anderer Weise dafür zu entschädigen, indem er einmal eine äußerliche Symmetrie in die Disposition bringt. Der Höhepunkt der Verwickelung, die endgiltige Abweisung der Anträge Golos und der Umschlag seiner Liebe in Hass und Rachsucht fällt fast ganz genau in die Mitte des ganzen Werkes und dies fügt sich eben dadurch so merkwürdig, dass der Dichter die Kriegsscenen so außerordentlich ausdehnt. Der Hauptkörper der Dichtung, das „eigentliche Trauerspiel“, der Conflict zwischen Genoveva und Golo, wird symmetrisch flankiert von einer „Ouvertüre“ zum Ganzen und jenem Theile, in dem die tragischen Empfindungen beruhigend ausklingen, und die drei Theile sind durch epische Zwischenglieder getrennt.[493] Die Zumuthung einer so rein äußerlichen Gliederung scheint ja bei dem besprochenen Gesammtcharakter der Dichtung erst überraschend und pedantisch. Weniger unglaubhaft wird die Sache schon, wenn man Tieck im „Phantasus“ über Proportion und Symmetrie im Drama spintisieren hört.[494] Es war auch für den Romantiker das intellectuelle und ästhetische Bedürfnis einer gewissen Proportion der Theile vorhanden. Und dass man ihm derartiges zutrauen darf, dazu geben noch andere Künsteleien in der „Genoveva“, besonders das Spiel mit den schier zahllosen Contrasten, das sich durch das Stück zieht, ein Recht. Dieses contrastierende Beziehen der Vorgänge aufeinander soll offenbar auch die bunte, unharmonische Menge belebend abtheilen helfen. Der Contrast wird zwar von vielen anderen Dichtern auch als Compositionsmittel verwendet. Aber die Gegensätze wachsen z. B. in Schillers Dichtung natürlich und zwanglos aus dem Wesen des Inhaltes heraus: Tieck trägt sie meist willkürlich von außen hinein. Auf die Contraste im großen, die Contraste der Natur und Religion mit der Leidenschaft, des Wunderbaren mit dem Alltäglichen, dem allen zusammen wiederum der Krieg gegenübersteht, weist Tieck selbst hin.[495] Er thut aber in der Dichtung noch mehr, er führt die Contraste bis in kleine Einzelheiten herab durch. Schon in den Abschiedsscenen begegnet eine ganze Reihe von Gegensätzen. Geistliche Unterredung der Diener -- feierliche Ansprache des Capellans. Scene im Schloss -- Hirtenscene im Freien. Der Ritter und die Hirten. Das traurige Lied und das heitere Lied. Genoveva ist tiefbetrübt über den Abschied -- der Hirte Heinrich freut sich, dass es bald schöne Nachrichten gibt. Von der Hirtenscene geht es ins Kriegslager. Hier stehen sich Christen und Saracenen gegenüber, Karl der bedächtige Feldherr und Aquitanien der feurige Jüngling, Kriegslärm und romantische Liebe. Auf Siegfrieds Schloss sehen wir indessen Golo und Benno im weltlichen Gespräch -- Genoveva bei geistlicher Betrachtung. Vom Kriegsschauplatz versetzt uns der Dichter in den Garten und in die träumerisch weiche Sommernacht. Heitere Mahlzeit -- Intrigantenscene. Im weiteren begleiten die Kriegsscenen im parallelen Widerspiele die Liebesscenen zwischen Golo und Genoveva. Die Franken möchten die Stadt erobern -- Golo möchte Genovevas Gunst erringen. Die Mohren planen einen Überfall -- Golo und Gertrud berathen den Angriff auf Genovevas Ehre. Der Überfall im Lager ist in die Mitte gestellt zwischen Golos Überfall im Garten und den Überfall auf Genovevas Zimmer. Siegfried wird verwundet, Otho getödtet, aber das christliche Heer bleibt siegreich -- Genoveva und Drago werden eingekerkert, sie sind aber die moralischen Sieger. Golo beschenkt Heinrich, der dann mit Elsen voll Glück und Jubel ist -- Golo selbst ist voll finsterm Trübsinn und lässt der unschuldig Gefangenen kaum das Nothdürftigste gewähren. Genoveva klagt im Thurme -- draußen jubelt die Hochzeit. Zwei Diener lassen sich als Mörder Genovevas dingen -- Else erweist sich Genoveva dienstbar und beklagt mit Wendelin das Schicksal der Herrin. Genovevas Klage in der Wüste -- Siegfrieds Trauer auf dem Schlosse. Lärmende Jagdlust -- Golos Trauer um Genoveva. Auch im letzten Abschnitte der „Genoveva“ setzen sich die Contraste fort. Tod der Hexe -- erste Sterbescene Genovevas. Der unglückliche Golo beim glücklichen Schäfer Heinrich. Golo will jagen und fühlt sich selbst als gehetztes Wild. Endlich Golos trauriger Tod -- Genovevas verklärtes Hinscheiden. Was erst noch als chaotisches, phantastisches Gewühl durcheinander wogte, bekommt beim Verfolgen dieser contrastierenden Beziehungen auf einmal eine ganz andere Gestalt; das scheinbar Kunstlose, Wildwüchsige zeigt uns hier ein verstandesmäßiges, klügelndes zweites Gesicht. Wie den Scherz eines Vexierbildes muss man diese Künstlichkeit durch genaues Zusehen entdecken. Bernhardi verfolgt in der Besprechung, die er der Dichtung seines Freundes widmet,[496] mit sichtlichem Vergnügen dieses Aneinanderreihen von Contrasten und spendet dem Autor dafür reiches Lob. Mit Recht, soweit sich diese Gegenüberstellungen ungezwungen aus dem Inhalte ergeben. Tieck begnügt sich aber nicht mit diesen, er trägt allerhand Contraste allzuklügelnd hinein, versteckt und häuft sie vor allem zu sehr, so dass hier Merkel auch nicht ganz Unrecht hat, wenn er das Spiel mit den Gegensätzen „gemacht“ findet. Einen feineren und sinnreicheren Rapport stellen gewisse geheime, leise Fäden her, die einzelne Momente, Scenen und Schicksale leicht andeutend verknüpfen und mit diesen Andeutungen unbestimmte Ahnungen im Gemüthe des Lesers aufkeimen lassen. Die Kapelle mit der Morgenbeleuchtung am Anfange und Schlusse des Stückes. Golos Pferd stürzt beim ersten Erscheinen des Ritters im Drama, das traurige Lied ergreift ihn ganz räthselhaft -- sein Pferd stürzt wieder, als er Genoveva retten möchte und das Lied hat ihm prophetisch für sein Geschick geklungen. Den Schäfer Heinrich aber ficht das traurige Lied nicht an, er freut sich an seinem heiteren: auch dies ist ein ahnungsvolles Präludium für sein späteres Schicksal. Otho und Siegfried begrüßen sich anfangs freudig im Lager, nehmen nach der letzten Schlacht wehmüthig Abschied für immer, am Ende des Stückes kommt Othos Geist als Tröster zum trauernden Grafen. Gerade Siegfried macht eine thöricht herablassende Bemerkung über Zulmas Treue und gerade er muss dafür büßen; denn Zulma wird für ihn ein Beispiel unerschütterlicher Treue gegenüber der vermeintlichen Untreue Genovevas. Die Hexe gibt den letzten Anstoß für Genovevas Verurtheilung und ihr Bekenntnis bringt die Unschuld der Verstoßenen endgiltig ans Licht. Golo möchte Genoveva im „stillen Thale“ verscharren lassen, ihm selbst wird dies Los zutheil. Auch Genovevas und Siegfrieds Ahnungen, die sich ganz oder theilweise erfüllen, müssen hieher gezählt werden. Es lässt sich an einzelnen dieser Fälle auch unschwer beobachten, wie Tieck diesen Beziehungen einen Anflug von tragischer Ironie gibt. Die Hauptsache aber bleibt ein ahnungerregendes Verbinden verschiedener Momente überhaupt. Das scheinbar Verworrene entfaltet sich so nach geheimen höheren Gesetzen. Es wird ein „vernünftiges Chaos“, eine „künstlerisch geordnete Verwirrung“, eine „reizende Verwirrung“, wie die romantischen Schlagworte lauten. Bernhardi findet dies ganz besonders herrlich und es entschädigt ihn für jede fehlende organische Gliederung des Stoffes. „Mit einem Worte, in diesem einzigen Punkte ist eine so lieblich verwirrende Perspective; ein so reizender, optischer Betrug und eine so leise Allegorie, dass man wirklich nicht weiß, wie man die Kunst, welche sich durch diese, in sich unendliche Künstlichkeit offenbart, genug bewundern soll.“[497] Durch dieses überkünstliche Schalten mit Contrasten, Parallelen und verborgenen Beziehungen, die wie ein Netz die ganze Dichtung überziehen, wird unser künstlerisches Bedürfnis noch nicht vollauf befriedigt, weil diese Dinge theils zu versteckt sind und theils zu äußerlich und spielerisch hineingetragen erscheinen und so nie imstande sind, eine klare Disposition und einheitliche Führung der Handlung zu ersetzen. Allein Tieck begnügt sich nun einmal mit dieser Art zu gliedern und zu verbinden. In der Zeit, als unsere Dichtung entstand, war von den Romantikern eben die freie, spielerische Willkür der dichterischen Phantasie in ihre Herrschaft eingesetzt worden. Wenige Jahre nachher tadelt es A.W. Schlegel bereits, dass man in dieser Periode die bloß spielende, müßige, träumerische Phantasie allzusehr zum herrschenden Bestandtheil der Dichtung gemacht habe. Tieck selbst hält länger an seiner Neigung fest. Noch im „Phantasus“ versteht Lothar unter „dramatisieren“ nicht mehr als „Sinn und Zusammenhang“ in die Dinge bringen. Auch über die Nothwendigkeit eines inneren Mittelpunktes der Dichtung stellt Tieck noch 1828 ziemlich bescheidene Forderungen auf. Der „Paradoxe“ sagt einmal über die Lenzischen Werke: „Kann nicht, wie bei einem echten Kunstwerk, der regierende Geist aus dem inneren Mittelpunkte alle Theile, bis zu dem entferntesten durchdringen, so muß wenigstens von außen eine fast gewaltsame Regel die widerspenstigen Elemente in Ordnung halten, wenn sie diese natürlich auch nicht ganz bezwingen kann.“[498] Man möchte meinen, der „Paradoxe“ habe dabei auch ein wenig an Tiecks „Genoveva“ gedacht, in der sich uns recht eigentlich „ein sentimentaler Stoff in einer phantastischen Form darstellt“.[499] 2. Das Religiöse. Über den religiösen Grundzug, den die Auffassung der Genoveva-Legende in Tiecks Bearbeitung zum Unterschiede von den unmittelbaren Vorgängern und Nachfolgern, die den nämlichen Stoff behandelten, aufweist, war die Kritik im allgemeinen immer einig. Das hinderte aber nicht, dass die einzelnen religiösen Anschauungen, die Tieck in seinem Werke in reichlicher Menge vorträgt, sowie die Art ihrer Verwendung recht verschiedene Urtheile hervorriefen. Die religiöse Seite der „Genoveva“ ist für den Geist der Romantik von 1800 ganz besonders bedeutsam und kennzeichnend. Eine eingehende Prüfung dieses religiösen Gehaltes und seiner Verwertung lässt sich daher in einer Charakteristik der „Genoveva“ nicht umgehen. Schon bei der Frage nach dem Einflusse Calderons musste die Bemerkung fallen, dass Tieck keinen Charakter schafft, dessen Denken und Thun so recht eigentlich aus religiösem Grund und Boden emporwächst, der in seiner ganzen Existenz klar und einfach von bestimmten religiösen Anschauungen beherrscht wird. Zum großen Theile gelingt ihm dies noch bei der Heldin Genoveva, wenn er das Leiden und Dulden der unschuldig Verstoßenen und ihre weichen frommen Stimmungen schildert. Nur ist hier das Verdienst des Dichters nicht allzugroß, weil ihm schon das Volksbuch das Beste, was seine Genoveva an wirklicher Religion besitzt, an die Hand gegeben hatte. Fehlt also dem Werke Tiecks in vielen Partien ein fester innerer religiöser Kern, ein ernst und tief empfundenes religiöses Leben, so klebt der Dichter umsomehr äußere Decoration an allen Ecken und Enden auf, um dem Ganzen eine religiöse, fast katholisch-kirchliche Färbung und Stimmung zu geben. Es wird in Tiecks Dichtung besonders viel von religiösen Dingen und Anschauungen geredet, bald ausführlich, bald im flüchtigen Vorübergehen. Wir hören da von Gott und der Dreieinigkeit.[500] Gott heißt der Erhalter der Welt,[501] er erscheint als der Spender alles Guten[502] und als Lenker aller Dinge,[503] zu dem man in Freude und Leid vertrauend aufblicken darf.[504] Zu ihm wird gebetet,[505] er wird als Zeuge für die Wahrheit im Schwure angerufen[506] und auch seine Heiligen erscheinen als Fürbitter für die Menschen.[507] Gott ist der Richter aller Menschen; darum ergreift den Sünder die Gewissensqual, der Reuige darf aber vom barmherzigen Gotte Verzeihung hoffen.[508] Gott greift ferner durch Wunder und Visionen hie und da in die Geschicke der Menschen ein[509] und das Eingreifen Gottes im größten Umfange zu Gunsten der Menschheit, die Erlösung durch Jesus Christus wird in einer Dichtung, wie die „Genoveva“ selbstverständlich nicht übergangen.[510] Es wird auch erörtert, wie die Christenheit das Werk des Erlösers fortzuführen und seinen heiligen Kampf gegen alle Widersacher des Guten zu kämpfen hat.[511] Hierarchie und christliches Kaiserthum, die beiden gewaltigsten Weltmächte des christlichen Mittelalters, werden im schwachen Umrisse angedeutet.[512] Es wird gelegentlich auch gezeigt, wie der einzelne Mensch durch den Unterricht in der Heilslehre[513] zu seiner christlichen Gesinnung kommt, wie er sich vervollkommnet und im Glauben erhält durch eifriges Lesen von Bibel und Legende,[514] durch Gebet und Theilnahme am Gottesdienst[515] und wie ihm Gottes Gnade in seinem geistlichen Leben zuhilfe kommen muss, die ihm besonders durch die Sacramente vermittelt wird.[516] Durch die Betrachtung des Beispieles Christi und der Heiligen lernt die heil. Genoveva Geduld, Verzeihen und Feindesliebe.[517] Sie löst sich immer mehr von der Erde los und blickt mit immer tieferem Sehnen nach der Ewigkeit hinüber, nach der das ganze Leben nur eine Wallfahrt ist.[518] Alle Erdengüter erscheinen als eitel und nichtig.[519] Dem heiligen Leben folgt endlich die himmlische Verklärung.[520] Die heilige Musik religiöser Gefühle soll, wie Schleiermacher wünscht, nie im Menschen verstummen. Darum führen die Figuren in der „Genoveva“ bei jeder Gelegenheit religiöse Ausrufe und Redensarten im Munde. Diese wird man allerdings nur bei jenen ernst nehmen, deren fromme Gesinnung schon aus ihrem übrigen Gebaren deutlich ist; sonst hat ein „Gott Lob!“, „Wollte Gott!“ u. dgl. nicht viel zu sagen. Denn es treten, das Bild zu vervollständigen und durch Schatten zu erhöhen, der reinen Form des Christenthums noch verschiedene trübe Äußerungen des religiösen Triebes an die Seite: Sternencult und Schicksalsglaube,[521] Hexenwahn[522] und muhamedanisches Heidenthum.[523] Magie und Sternkunde, die mit Vorstellungen Jakob Böhmes und der Naturphilosophen versetzt sind, boten für Tieck kaum nach der religiösen Seite viel Anstößiges, da nach romantischer Auffassung alles Religiöse ja nur ein Zweig des einen Urreligiösen ist. Das Geheimnisvolle und zum Gemüthe Sprechende in der Religion ist immer poetisch und daher auch andererseits ein Bestandtheil der einen universalen, von den Romantikern gesuchten Urpoesie. Erst durch die Absicht, welche die Hexe mit der Magie verbindet, wird diese Kunst ethisch unterwertig. An sich hat die Magie für den Romantiker ihren hohen poetischen Wert. Soviel läßt sich von religiösen Anschauungen verschiedenster Art aus der „Genoveva“ herauslesen und diese reichliche Fülle, die so vielerlei aus der christlichen Glaubenslehre berührt, über die ganze Dichtung ausgebreitet, reicht ohne Zweifel aus, ein lebhaftes religiöses Colorit zu erzielen. Für das künstlerische Moment ist es nun von großer Wichtigkeit, daß sich diese Anschauungen in schönem Wechsel auf einzelne Träger vertheilen. In der Dichtung, die ein ideales Nachbild des Lebens ist, können ja naturgemäß nicht alle Leute gleich fromme Christen oder Vertreter derselben religiösen Anschauungsweise sein, da sie es im Leben auch nicht sind. Den reichsten Glanz religiöser Verklärung läßt Tieck auf die Titelheldin seines Werkes ausströmen, auf die „heilige Genoveva“. Bis auf geringe Schwankungen des Gemüthes erscheint ihr Denken, Reden und Handeln immer wenigstens in religiöser Beleuchtung. Wir blicken zurück bis in die Tage ihrer klösterlichen Erziehung, in denen sie sich durch eine himmlische Vision als außerordentliches Wesen ankündigt. Alle Arten frommer Übungen und strenge religiöse Pflichterfüllung sind der Hauptinhalt ihres Lebens. Gottvertrauen, Geduld und Ergebung, feste Gattentreue, die wenigstens theilweise religiös motiviert erscheint, fromme Muttersorgfalt, Feindesliebe, Weltentsagung sind ihre Tugenden. Der Himmel begnadet sie öfters in ihrem Leben mit Wundern und Visionen und als sie in die Seligkeit eingegangen ist, verehrt die Christenheit ihr wunderthätiges Bild auf den Altären. Tieck will eine Heilige des katholischen Mittelalters schildern, eine „Kirchenheilige“, so gut er es vermag. Die Ergebung, Aufopferung und das fromme Dulden ist ihm dabei die Hauptsache an seiner Heiligen, wie wenigstens des Dichters Freund Bernhardi versichert.[524] Unsicheres Schwanken ihres religiösen Sinnes zeigt Genovevas Verhalten gegen Golos Anträge, das eine leise Neigung für den Versucher in einem ganz versteckten Winkel ihres Herzens ahnen lässt.[525] Vielleicht hatte Tieck auch das Bedürfnis, dem langen Leiden wenigstens eine kleine Schuld vorangehen zu lassen, um so seine Heilige auch wieder ein wenig aus ihrer Höhe in die Sphäre allgemein menschlichen und des traditionellen tragischen Empfindens herabzurücken. Eine Beziehung zwischen dieser Verschuldung und dem späteren Leiden wird aber nicht angedeutet. Diese Neigung selbst erscheint Genoveva als große Sünde. Eine schiefe Auffassung; nicht diese Empfindung selbst kann sündhaft sein, sondern Genovevas Benehmen gegen Golo wäre es, wenn es nicht zu „naiv“ wäre. Möglich, dass Tieck seiner Heiligen die vom Evangelium verlangte Taubeneinfalt geben zu müssen glaubte. Die angestrebte unschuldige Einfalt wird dem Dichter aber unter den Händen zur peinlichen Einfalt. Die Meinung, dass eine Frau in der Ehe für „die Liebe Christi“ verloren sein müsse, das Seltsame, dass die fromme Klosterschülerin sich erst von Drago die Bedeutung der irdischen Leiden erklären lässt, eine gelegentliche fatalistische Äußerung, eine Bemerkung des heil. Bonifacius, die auf ein üppig behagliches Leben der Heiligen vor der Verbannung schließen lässt: all das sind Dinge, die den Leser zwar stören, die man aber Tieck bei seiner idealisierenden, nur auf die Gesammtstimmung, auf das „Totale“ abzielenden Dichtungsweise nicht mit allzu eiserner Logik nachrechnen darf. Zum guten Theile muss man solche Unebenheiten wohl auch der leidigen Gewohnheit des Dichters „alla prima zu malen“[526] zuschreiben. Um Genoveva gruppiert sich eine Reihe von Menschen, über welche die religiösen Lichter in mancherlei Abstufungen bald reicher, bald sparsamer hinspielen: Schmerzenreich und Siegfried, Wolf, der Kapellan und Drago, Wendelin und Else, Grimoald und Heinrich. Der frommen Mutter am nächsten zur Seite steht ihr Söhnchen Schmerzenreich, in dem der Dichter das kindliche Abbild der Mutter zu zeichnen sucht. Unter Gebeten, religiösen Gesprächen und Belehrungen wächst der Knabe in stiller Waldeinsamkeit auf. Er ist der selbstverständliche Theilnehmer an den Wundern und Visionen. Von allem irdisch sündhaften Wesen unberührt, wird die Himmelssehnsucht in der kindlichen Seele schon so mächtig, dass der unmündige Knabe auf das väterliche Erbe verzichtet, und die Mutter, sein Liebstes, ohne Schmerzgefühl sterben, d. i. zu Gott wandern sieht, womit der Dichter seinem kaum mehr als siebenjährigen Schmerzenreich und selbst dem frömmsten Leser ein wenig zu viel zumuthet. Schmerzenreich ist so das unvermischte, fleischgewordene religiöse Empfinden, wie Tieck es auffasst. Neben der heiligen Mutter und dem heiligen Kinde sehen wir im Vater Siegfried einen guten Christen, der seine religiösen Pflichten zu Hause erfüllt, der vor dem Auszuge die Sacramente empfängt und sich als biederer, frommer Rittersmann im Mohrenkriege für die christliche Sache bewährt. Einen schlimmen Fehltritt begeht er aber in seinem Verfahren gegen die unschuldige Gattin und schlecht lässt ihm auch sein Glaube an die Zauberei, gegen die er zuerst Bedenken hat, bis sie ihm als erlaubt bezeichnet wird. Er sühnt aber seine Sünden durch aufrichtige Reue, durch strenge Weltentsagung und Buße am Ende. Was Siegfried jetzt noch ist, das war der alte Wolf ehedem. Er kann nur mehr im Geiste am heiligen Kriege theilnehmen, sich über den Sieg der Christen freuen und über den Unglauben der Heiden verdrießlich sein. Wenn Siegfried sich durch die Zauberin bethören lässt, so hält es Wolf mit den Astrologen. Wie Siegfrieds Frömmigkeit am Ende der Dichtung in besonders hohem Grade zum Vorschein kommt, so auch die Wolfs in der letzten Mahnrede an Golo. Auf Siegfrieds Burg darf selbstverständlich ein Burgkapellan nicht fehlen, ein alter, frommer Lehrer und Rathgeber in allen religiösen Anliegen. Diese Rolle übernehmen bei Tieck zwei Personen, der Kapellan und Drago. Der erstere ist nur eine matte Randfigur, die nach einer Ansprache an die ausziehenden Kreuzfahrer und einer Erbauungsrede in Sonettform aus dem Stücke verschwindet, um Drago die Leitung der häuslichen Andachtsübungen zu überlassen. Damit ist das religiöse Thun beider erschöpft. Ein Jünger Dragos ist Wendelin, den Benno einen „halben Pfaffen“ schilt. Er liest mit Drago fromme Erbauungsbücher, geht mit ihm gemeinsam zur Kirche und wie Drago bei Genoveva, möchte er gerne bei der Dienerschaft Prediger und Gewissensrath sein, findet aber nicht die beste Aufnahme. Das Kennzeichen von Wendelins Frömmigkeit ist eine gewisse naive Einfalt.[527] Unerklärt bleibt aber sein scrupelloses Lügen, durch das er Golo zu Siegfried lockt. Dass er der Gerechtigkeit mit einem übeln Mittel Vorschub leisten will, kann man vermuthen. Der Dichter lässt uns darüber im Unklaren. In der frommen Naivetät und Einfalt ist Else Wendelins weibliches Gegenbild, die wie er auf der Stelle ein Wunder vom Himmel zur Bestrafung der Bösewichter verlangt und die wie ihr Gatte Wendelin ihr frommes Gemüth gerade am Gebaren der wunderbaren Hirschkuh letzt. Als dritter im Bunde tritt zu beiden ein alter Vertreter frommer Einfalt, der Köhler Grimoald, der auch ein wunderbares Eingreifen Gottes für die verfolgten Gerechten fordert und im Mitlaufen des Windspiels zu Genovevas Richtstätte ein Wunder sieht. Mit einfältigem Unwillen wehrt er sich gegen die Brüderschaft mit dem Teufel, die ihm Benno scherzend zumuthet. Mehr als sein von ihm selbst betontes Gottvertrauen und seine Empfänglichkeit für die Morgenstimmung in der Kapelle erhärtet seinen religiösen Sinn die Furcht vor Sünde und Verantwortung, die ihn von der Ermordung Genovevas zurückschreckt. Alle diese Nebenpersonen gebrauchen gerne fromme Interjectionen, „Bei Gott!“ „Dass Gott erbarm!“ „O Gott!“ „Da solle einen Gott der Herr bewahren!“ u. s. w. und das erinnert uns stets, dass wir uns in christlicher Gesellschaft befinden. Diese eingestreuten religiösen Redewendungen sorgen dafür, dass die „heilige Musik“ in der Dichtung nie ganz verklinge. Das Christenthum des Schäfers Heinrich beschränkt sich ziemlich ganz auf diese frommen Ausrufe und für seinen Freund Dietrich fällt nicht einmal mehr ein solcher Ausruf ab. An der Grenze, wo sich die Bezirke der ehrlich gesinnten Christenmenschen und der gottlosen Leute scheiden, bewegt sich die Amme Gertrud. Sie bedient sich hin und wieder christlicher Alltagsphrasen und sieht dann wieder im Laufe des menschlichen Daseins nur Schicksalsfügung und Notwendigkeit. Tieck hält mit dieser unbestimmten religiösen Stellung die Amme ganz richtig auf einer unsicheren Grenzlinie, weil dies ihrer sonstigen Stellung zwischen den Parteien gut entspricht. Wie sie in der Liebesverwickelung zwischen Genoveva und Golo vermittelt, so führt uns ihr Schicksalsglaube auch hier zu Genovevas Gegenspieler Golo. Dieser scheint nicht viel von christlicher Religion nöthig zu haben. Seine Liebe und sein ritterliches Thun und Treiben füllen seine ganze Seele aus. Er sehnt sich nach keinem Jenseits und mit dem Diesseits findet er sich in der Regel mit Hilfe fatalistischer Gedanken ab,[528] einmal auch durch pantheistisches Versenken in die Natur. Einmal in seinem Leben, vor dem Tode nämlich, versucht er christlich zu beten; es gelingt aber nicht. Ein staunender Ausruf, wie etwa „Herr Jesu Christ!“ kommt bei ihm nicht sonderlich in Betracht. Fromme Leute (Genoveva, Wolf) sind ihm ehrwürdig, so lange sie seinen Gedanken und seiner Leidenschaft nicht ernstlich in die Quere kommen; geschieht aber dies letztere, so sind sie ihm verhasst. Über die astrologische Geheimkunde denkt der freisinnige Ritter auch nicht immer gleich. Einmal ruft er dagegen Vernunft und Religion an, das anderemal nimmt er die dunkle Kunst allen Ernstes für sich selbst zuhilfe. Nach den begangenen Frevelthaten wandelt ihn Gespensterfurcht an. Es ist ein beständiges irrlichtelierendes Hin und Her in seinen Empfindungen, wenn sie das religiöse Gebiet streifen. Am ernstesten scheint er es noch mit dem Schicksalsglauben zu meinen. Christliche Wendungen und Bilder gebraucht er gerne im profanen Sinne zum kräftigen Ausdrucke seiner Leidenschaft. Tieck führt uns in seinem religiösen Stücke den Bösewicht als unchristlichen Menschen vor, als wollte er negativ und indirect den Wert und die Erhabenheit frommer christlicher Gesinnung zeigen. Golo erscheint das einemal als eine Art Aufklärer, der den Aberglauben verwirft, aber auch der Aufgeklärte muss sich wieder der Religion gefangen geben, wenn sie auch nur als Gespensterfurcht oder als pantheistische Stimmung über seine Seele kommt. So könnte man etwa die Gegensätze zusammenreimen, über die uns der Dichter nicht aufklärt. Wer das unbesiegbare Hervortreten des religiösen Bedürfnisses an Golo, daneben ein wenig Aufklärerthum und den raschen Stimmungswechsel beachtet, denkt wie von selbst an den Schöpfer dieser Gestalt, in dessen Gemüth ebenso verschiedene und einander feindliche Geister heimisch waren. Golos gefügiges Werkzeug, Benno, ist auch in religiösen Dingen das vergröberte Abbild seines Herrn im kleinen. Er ist gleichgiltig und zweifelsüchtig, er ärgert sich über den frommen „Tuckmäuser“ Wendelin und von Else wird er ein „gottloser Mensch“ genannt. Er lässt sich gerne von Golo als lügenhafter Bote und Mordgeselle dingen. Die zweite Seite des religiösen Lebens in der romantischen Ritterzeit, die gewissermaßen als ein thätiges, religiöses Leben dem beschaulichen auf Siegfrieds Schlosse sich zugesellt, den Kampf gegen den Erbfeind des christlichen Namens, enthüllen die breiten Kriegsscenen, die nur durch Siegfrieds Theilnahme am Kampfe und durch die verschiedenen Contrastbeziehungen lose an die Haupthandlung geknüpft sind. Als Ideal des christlichen Helden steht hier Karl Martell in der Mitte. „Für Gott und Christum“ lautet seine Parole. Vor der Feldschlacht muss Karl noch den härteren Kampf mit seinen eigenen ehrgeizigen Gedanken auskämpfen, und nachdem er diesen Kampf, von religiösen Motiven unterstützt, glücklich bestanden, schenkt ihm der Himmel auch Sieg und Ruhm auf dem blutigen Felde. Das Gebot der christlichen Selbstbeherrschung wird stark betont, auch vom unbekannten Weisen, der Karls große Zukunft prophezeit. Karl Martell ist der christliche Feldherr. Den Typus des biederen christlichen Kriegsmannes, dessen bedeutendster Lebenszweck der Kampf für seine Religion ist, stellt Otho dar. Recht drastisch muss dieser Haudegen seine fromme Gesinnung noch damit zeigen, dass er sterbend auf dem Schlachtfelde seine Besorgnis äußert, ob er wohl „ohne Sacrament und Ölung“ selig werden könne und seine Sünden, die ihm im Leben nicht einmal bewusst waren (!), muss sein wallfahrender Geist bereuen und büßen. Eine dunkle Vorstellung vom Fegefeuer und Calderon’sche Anregungen dürften darin zu suchen sein. Siegfried und der noch farbloser gehaltene Günther sind Othos gleichgesinnte Waffengefährten. Zum Feldherrn und einfachen Kriegsmann tritt der vornehme feurige Jüngling Aquitanien, der sich nicht beherrschen und überwinden kann, ein kleines Gegenstück zu Golo, ein Held, dessen ganzes Denken dem hohen künftigen Kriegsruhme gehört, so dass bei ihm für die Religion nicht mehr übrig bleibt als ein paar Redensarten. Das sonstige Kriegsvolk ist eine nicht weiter individualisierte Masse. Als Feinde stehen dem Christenheere die Saracenen gegenüber, die ihrerseits den Krieg auch als einen „heiligen Krieg“ im Dienste Allahs und seines Propheten betrachten, zu dem sie beten, den sie in der Schlacht anrufen, dem Abdorrhaman Vorwürfe macht, wenn er nicht hilft.[529] Andeutungen eines Sternencultes und der Schicksalsbestimmung durch die Sterne sind bei den Orientalen in der Poesie immerhin am Platze. Diese Vorstellungen begegnen uns ziemlich gleichmäßig vertheilt an Abdorrhaman, Derar, Ali, Zulma. Hier unterlässt der Dichter ein mannigfaltigeres Abstufen des religiösen Charakters der einzelnen Gestalten. Wie in der Rede des „Unbekannten“ und in den Sprüchen der Hexe Jakob Böhmes Gedanken mit naturphilosophischen Ideen sich mischen, braucht hier nicht mehr wiederholt, sondern nur erwähnt zu werden. Dass Tieck besonders das poetisch Stimmungsvolle an diesen Geheimnissen interessierte, wurde auch bereits betont. Ob Tieck Bernhardis Ansicht[530] theilte, dass Hexenglaube und Hexenverfolgung in der „Genoveva“ zur Vervollständigung des katholischen Bildes nöthig waren (!?), wage ich nicht zu entscheiden. Unmöglich ist es gerade nicht, da er die Hexe bereits im Volksbuch fand, das für Tieck mittelalterlich und katholisch war. Die Vertheilung des religiösen Denkens und Fühlens in verschiedenen Graden auf eine Reihe von Figuren, die Stufenleiter, auf der so verschiedene Schattierungen von der hohen Heiligkeit angefangen bis zur bitteren Feindschaft gegen den christlichen Namen begegnen, zeugt entschieden für Tiecks künstlerisches Gefühl in der Vertheilung von Licht und Schatten. Er versteht es, die Farben in glücklicher Abwechselung und belebender Mannigfaltigkeit anzuordnen. Auch die Zusammenstellung bestimmter Gruppen, die einer gemeinsamen religiösen Richtung angehören, verdient ein kleines Lob. Um Genoveva bildet sich ein Kreis von Gleichgesinnten, dem Golo mit seinem Anhange gegenübersteht. Den zwei Gruppen auf dem Schlosse entsprechen die beiden Kriegslager, das christliche und das saracenische. Bunte Mannigfaltigkeit, künstlich gegliedert und zu einem Ganzen sich zusammenschließend: der bekannte romantische Lieblingsgedanke steht hier wieder vor uns. Nicht so ganz gelingt es Tieck nach unserem heutigen Gefühle mit dem Festhalten des religiösen „Tones“ im Stücke, den er selbst für sehr wichtig und wertvoll erklärt. „Die Religion nun, die Wüste, die Erscheinungen sind mir der Ton des Gemäldes, der alles zusammenhält, und diesen möchte ich nur vertheidigen und ihn nicht gerne unwahr, manieriert, einen der die Localfarben stört und auslöscht, nennen lassen.“[531] Manche Scenen nehmen aber an diesem religiösen Grundtone zu wenig theil. In den Schäferscenen spürt man z. B. gar nicht viel davon. In den Liebesscenen wird das Religiöse ziemlich von Golos Leidenschaft übertäubt oder durch Gertruds intrigante Reden aus dem Gesichtsfelde gerückt. Hier treten „die Localfarben“ als alleinherrschend aus dem Bilde heraus. In der Darstellung des Krieges und im ganzen zweiten Theile der Dichtung erreicht aber Tieck ohne Zweifel, was er anstrebt; hier herrscht der religiöse Ton bis in die letzten Fugen des Werkes hinein und das Anwachsen der frommen Stimmung gegen das Ende zu ist ebenfalls gut berechnet und wird schon von Bernhardi hervorgehoben.[532] Es wird freilich nicht jeder Leser von dem leicht hingehauchten religiösen Colorit voll befriedigt sein, obschon dieses in gewissen Scenen eine prunkende Leuchtkraft entwickelt. Es bleibt eben doch zumeist an der Oberfläche und dringt nicht in die Tiefe der Charaktere, um als treibende Kraft diese von innen heraus zu beleben. Auch die Widersprüche, die uns sofort auffallen, störten den romantischen Leser von 1800 nicht. Die Religion ergreift den Menschen, der es mit ihr ernst nimmt, viel zu sehr in der Tiefe seines Wesens, als dass es in der religiösen Poesie mit einer bloßen Stimmung des Gesammttones gethan wäre, wie ja Tieck eigentlich auch bei Schleiermacher hätte erfahren können, und schon Solger, der intime Freund des Dichters, macht gegen das Religiöse in der „Genoveva“ seine Bedenken geltend. Er vermisst darin das „unmittelbar Gegenwärtige“. Hettner und Haym[533] führen nach Solger aus, dass man an der Art, wie die Heilige sich in Wackenroder-Tiecks Manier in die alte fromme Zeit der Legenden zurücksehnt, nicht merkend, dass sie selbst in dieser Zeit lebt, keine rechte Freude gewinnen könne. Der Widerspruch zwischen Genovevas Frömmigkeit und der himmlischen Hilfe, die ihr zutheil wird, einerseits und dem Naturfatalismus Golos andererseits, ist am Ende nicht so verfänglich, als Hettner meint.[534] Warum sollten nicht an zwei so entgegengesetzten Naturen auch entgegengesetzte religiöse Anschauungen zutage treten? Das äußerlich angeflogene Mittelalter in der „Genoveva“ ist gerade auch kein Hindernis, solche Anschauungen nebeneinanderzustellen. Nur würde man erwarten, dass diese religiösen Gegensätze als solche in eine bestimmtere innere Beziehung gesetzt wären. Das Unbefriedigende für den Leser, der auch in der dichterischen Darstellung der Religion mehr als vage Stimmungen erwartet, liegt vielmehr darin, dass sich verschiedene Menschen Tiecks ohne ersichtlichen künstlerischen Grund und ohne dass wir vom Dichter einen rechten Aufschluss über das Warum erhalten, in ihrem eigenen Gedankenkreise unsicher fühlen und dass so Verschiedenartiges im nämlichen Charakter friedlich nebeneinander liegt. So, wenn Golo einmal gegen den astrologischen Aberglauben Stellung nimmt und ihn ein andermal selbst allen Ernstes zurathe zieht, wenn er meist fatalistisch denkt und dann plötzlich christlich betet; wenn Jakob Böhmes Lehre einmal mit Ehrfurcht behandelt wird und dann von einer Hexe missbraucht werden darf, ohne dass der Missbrauch als solcher deutlich genug gekennzeichnet wird. Oder Genoveva, die sonst immer als die fromme Christin des Volksbuches erscheint, überrascht den Leser mit einer fatalistischen Redensart oder einer Schleiermacher’schen pantheistischen Vorstellung. Wir wissen nicht, wie Wolf dazu kommt, solchen Luxus mit religiösen Ermahnungen Golo gegenüber zu treiben, nachdem wir vorher wenig Religiosität an ihm und noch weniger an Golo bemerkten. Seine ganzen Ermahnungen verfliegen auch wieder in Nichts. Tieck will, wie es scheint, einen gewissen Umschwung im Ganzen seiner Dichtung kommen lassen. Gegen Ende zu soll sich alles zu einer herrschenden frommen Gesammtstimmung vereinigen. Es muss darum möglichst viel Religion in die Dichtung geschafft werden. Diesem Gesammtzuge des Ganzen müssen dann mitunter Charaktere und Schicksale nachgeben. Die Gesammtstimmung ist der Romantik wichtiger als das klare, in reinen Umrissen erschaute und mit sicheren Strichen gezeichnete Charakterbild. Wir wissen auch nicht, ob Wendelin ehrlich fromm ist oder ein Heuchler, da wir für seine grobe Lüge im Stücke keine Erklärung bekommen. Der Kreuzzug, dessen Unternehmer aus ihrem christlichen Heldenthume so viel Wesens machen, ist, bei Lichte besehen, eigentlich gar kein Kreuzzug, sondern nur ein nothgedrungener Vertheidigungskrieg und nur durch eine stilistische pia fraus, durch immerwährendes Betonen des Kreuzzugscharakters dieses Krieges macht der Dichter schließlich den gutwilligen Leser an den „heiligen Krieg“ glauben. Daneben schiebt sich noch unvermittelt das Motiv vom „deutschen Denken“ und der „deutschen Sache“ ein.[535] Bernhardi begnügt sich mit diesem äußeren Anstrich, er findet den Religionskrieg „sehr gut“. Von all den verschiedenen religiösen Anschauungen wird in der „Genoveva“ nur das saracenische Heidenthum deutlich abgelehnt; alles übrige fließt zu einem wunderlichen Synkretismus ineinander, der dem unparteiischen Betrachter klärlich zeigt, dass Tiecks „Genoveva“ nicht so katholisch ist, als Eichendorff meint und nicht so protestantisch wie Friesen will. Tieck war damals kein orthodoxer Gläubiger irgendeiner Kirche, er hatte zu keiner ein Verhältnis, das ihn ganz ergriffen hätte; daher kann er kirchliches und confessionelles Leben nicht rein und überzeugend darstellen. Er will es auch nicht, er möchte nur seine ganze Dichtung in eine möglichst starke allgemein religiöse Beleuchtung stellen und man wird seiner Absicht, die Religion „als Ton des Gemäldes“ durch das Werk klingen zu lassen und dem wirklichen Sachverhalte am ehesten gerecht, wenn man den Charakter dieses poetischen religiösen Synkretismus, der nur der Gesammtstimmung zu dienen hat, als romantisch-religiös bezeichnet. Tieck steht nicht allein. Der revolutionäre Sturm und Drang, der die übrigen ästhetischen und socialen Anschauungen der jungen Generation in gährenden Aufruhr bringt, schont auch die religiösen Gedanken nicht. Neuplatonismus, Jakob Böhme, Hemsterhuys, Spinozismus und Christenthum flattern auch bei Fr. Schlegel und Novalis im lustigen Wirbel durcheinander. Und noch mehr. Sogar im Leben versuchten es andere mit dieser Religionsmischung. Christian Mayr, der wunderliche Freund Zach. Werners, „hörte oft an einem Tage des Morgens Messe auf seinem Angesicht liegend, predigte dann in der protestantischen Kirche und ertheilte die Kommunion und endete den Tag mit Besuch der Mennoniten, der Herrnhutergemeinde, der Synagoge und der Freimaurerloge.“[536] Und Z. Werner selbst sucht in einer gewissen Periode seines Lebens Herrnhuter und Freimaurer wie die katholischen Kirchen auf und genießt überall durch, was er an religiösen Stimmungen findet.[537] Einige poetische Reflexe dieser religiösen „Universalität“ lassen sich eben auch in der „Genoveva“ nicht verkennen. Bei allem Überwiegen des Christlichen thut Tieck in seiner stimmungmalenden Art dem Principe nach das Nämliche, was Adam Müller noch 1807 (also nach seiner Conversion) an Kleists „Amphitryon“ rühmt: „So ist er (Amphitryon) gerade aus der hohen Zeit entsprungen, in der sich endlich die Einheit alles Glaubens, die echte Gemeinschaft aller Religionen aufgethan.“[538] 3. Das Costüm. Großen Fleiß verwendet Tieck darauf, recht viel religiöse Stimmung über seine Dichtung zu verbreiten; lange nicht so eifrig ist sein Bemühen, den Leser in die „alte deutsche Zeit“ zurückzuführen. Will man aber Tieck nicht unrecht thun, so darf man nicht die Forderungen an die Costümtreue aus unserer heutigen Zeit der culturhistorischen Romane für die Zeit vor hundert Jahren geltend machen, sondern es gilt auch hier, zuerst zu erfahren, wie Tieck über das Costüm denkt und wie er seine künstlerischen Anforderungen in diesem Punkte erfüllt. Tieck meint, wenn ein Dichter einen alten Stoff behandle, so müsse die Hauptsache sein, dass alle Welt mit ihren nur möglichen Mannigfaltigkeiten schon früher dunkel im Poeten liege, sonst werde er nie etwas ordentlich begreifen. Der Dichter hat Stoff und Motiv aus der alten Zeit von seinem eigenen Standpunkte aus mit jenem Maße zu messen, das er für das allgemein menschliche hält. Das ist das Wesentliche und so that Shakespeare. Einen schwerfälligen und umständlichen Weg, ein fernes Zeitalter zu begreifen, schlagen dagegen jene ein, die sich mit „Kenntnissen und Costüm, Sitten und Lebensweise“ ausrüsten, die sie mühsam aus hundert Büchern zusammengetragen haben.[539] So meint auch Albrecht Dürer im „Sternbald“ bündig:[540] „Ich will ja den, der meine „Bilder“ ansieht, nicht mit längstvergessenen Kleidungsstücken bekannt machen, sondern er soll die dargestellte Geschichte empfinden.“ Nicht viel anders hält es Tieck in der „Genoveva“. Er thut für das Costüm der alten Ritterzeit so viel, als sich gerade bequem thun lässt und gerade so viel, als hinreicht, um eine Vorstellung und leichte Stimmung des Alterthümlichen zu erwecken. Bonifacius fordert im Prologe den Leser direct auf, in die alte Zeit zu folgen, da Christen und Saracenen im Kampfe lagen. Der Krieg wird in Frankreich localisiert, der Saracenenführer heißt Abdorrhaman, ist also jener geschichtliche Abderrhaman, der bei Tours mit Karl Martell kämpfte. Der Krieg wird anachronistisch und innerlich unsachgemäß zu einem Kreuzzug gestempelt, in dem das Christenheer unter einer Fahne mit rothem Kreuze kämpft. Ein paar Andeutungen weisen auf Hierarchie und Kaiserthum des Mittelalters hin. Das Alterthümliche der Ritterschlacht wird uns gegenwärtig, wenn wir von der ritterlichen Ausrüstung mit Harnisch, Schwert und Schild erfahren[541] und weiter hören, dass mit Äxten, Lanzen und Hellebarten gekämpft und Siegfried durch einen Pfeilschuss verwundet wird.[542] Golo wird später mit Spießen todtgestochen.[543] Auch über das Thun der Ritter zu Hause im Frieden erfahren wir einiges. Ziemlich allgemein und unbestimmt heißt es, dass Golo „in den Waffenkünsten unterrichtet wurde“[544] und dass er „Waffenwerk treibt“.[545] Etwas minnesingerisch klingt es, wenn er „alte Liebesreime singt“[546] und ein andermal zu einem Liede selbst „Wort und Weise findet“.[547] Die Pfalzgräfin Genoveva liest als vornehme Rittersfrau ein Buch, das ein Mönch geschrieben hat[548] und wie Drago wird sie von Golo, der zum Vogt über das Schloss bestellt worden war,[549] in das Burggefängnis, in den „Thurn“ geführt.[550] Wenn nicht Krieg ist, sollten die Ritter das Weidwerk treiben, meint Matthias.[551] Siegfried, der Lehensmann Karl Martells[552] ist Pfalzgraf, also eine echt mittelalterliche Amtsperson.[553] Er ist Richter in seinem Sprengel (den er einmal unversehens „Staat“ nennt) und übt die Gerichtsbarkeit, die „Pfalz“, in wichtigen Fällen im Verein mit seinen Verwandten aus.[554] Als ein selbstverständlicher Fall in seiner Praxis erscheint der Hexenprocess, wobei der Dichter noch mehr Jahrhunderte, als bei der Einführung des Kreuzzuges überspringt. Auch die Astrologie erweckt den Eindruck des Alterthümlichen, wenigstens im allgemeinen. Wie Tieck Thatsachen verschiedener Jahrhunderte in einander arbeitet (zum Theil auf Veranlassung des Volksbuches hin), so ist er auch in anderen Einzelheiten der Costümbehandlung nicht ängstlich. Seine Schäfer tragen nichts Alterthümliches an sich. Es ist von Genovevas „Zimmer“ die Rede.[555] Das Wort „Pfaffe“ ist bereits Schimpfwort, der naturphilosophische „Weltgeist“ spuckt schon im achten Jahrhundert u. s. w. Man sieht, Tieck ist in Sachen der Costümtreue nicht bedenklich, wie er es auch von anderen nicht verlangt; er nimmt mit sorglosem Griffe verschiedene Dinge zusammen, wenn sie nur einer vergangenen Zeit angehören und mögen sie in der Vergangenheit selbst auch wieder durch Jahrhunderte getrennt sein. Es genügt ihm, wenn das Ganze nur so einen leichten, alterthümelnden Hauch bekommt und der Leser das Gefühl nicht verliert, dass er sich in einer idealen, mittelalterlichen Vergangenheit bewegt. So viel erreicht Tieck auch durch die gegebenen Anhaltspunkte und mit diesem mäßigen Colorit ist er zufrieden. Wenn uns heute seine weitgehende Freiheit in der Costümbehandlung auch nimmer erträglich wäre, so behält Tieck noch immer wenigstens mit der Ansicht Recht, dass das Costüm in einer Dichtung nicht Hauptsache, sondern untergeordnete Nebensache sei. Die Freude am alterthümlichen Costüm gehört ebenso wie die Freude am alterthümlichen Stoffe zu den eigentlich romantischen Gefühlsrichtungen, die sich vorzugsweise seit Wackenroder in der deutschen Literatur geltend machen. Tieck hatte außerdem durch Hans Sachs und Goethe seine Freude am Altdeutschen genährt. Wenn auch für uns nimmer so lebhaft nachfühlbar, war es doch für die Romantiker vor hundert Jahren, wie uns ihre vielen Bekenntnisse bezeugen, eine wirkliche, innige poetische Freude, solche alterthümliche Stimmungen nachzuerleben und nachzuschaffen, eine Freude, ebenso ehrlich, wie das Entzücken an der Poesie des Religiösen. Das Wiederauffinden und Wiedererkennen des poetisch Vortrefflichen, das ungerecht verkannt und missachtet wurde, erweckte ihre enthusiastische Freude. Diese aufrichtige, ehrliche Freude müssen wir uns auch stets in Erinnerung rufen, wenn Tieck seine „Genoveva“ ein Erlebnis nennt. * * * Der Dichter denkt nicht an eine Darstellung seines Dramas[556] auf der Bühne, die seine Figuren dem leiblichen Auge des Zuschauers lebendig machen könnte, er rechnet nur auf das innere Auge des Lesers oder Hörers. Es liegt daher die Frage nahe, wie der Dichter diesen seinen Menschen, die er in eine alte Zeit und in mittelalterliche Verhältnisse versetzt, für die Phantasie Gestalt und zwar zunächst äußere Gestalt, sinnliche Farbe gibt. Von den Hauptpersonen bekommt der Leser zuerst ~Golo~ zu Gesicht. Wie sieht ~Golo~ aus? Von ihm wird berichtet, dass er schon als Kind schön gewesen sei, „wie ein Engel“. Als Genoveva auf das Schloss zog, kam er ihr entgegen als „ein Jüngling von bunter Tracht und adeligem Wesen und voll Demuth“, mit einem glänzenden Gesicht, so dass er sie an die Erscheinung Christi in der Vision erinnerte. Im Drama selbst sieht man ihn als schönen, edlen Herrn und Junker auftreten. Er hat ein „wackeres“ Aussehen. Er zeigt sich eingangs als ein stolzer Reiter auf stolzem, weißem Rosse (ein schönes, glänzendes Ross heißt es später). „Locken, Augen und Lächeln“ fallen Genoveva bei der ersten Begegnung auf. Weit mehr Aufmerksamkeit als allen anderen äußeren Eigenthümlichkeiten, die eigentlich recht verschwommen sind, schenkt der Dichter dem Auge, auf das wir oft und oft mit besonderem Nachdruck hingewiesen werden; denn das Auge scheint „dem Gedanken verwandter“ als die anderen Sinne.[557] Schon als Kind hatte Golo „etwas im Auge, so lieb und gut, so freudenreich und hell“, dass er jedermann anziehend erschien. Jugend und Freude sehen ihm aus den Augen. Sein „helles Auge“ muss jedes Herz erfrischen. Gertrud sagt dem Traurigen: „Wäre ich ein junger, wack’rer Herr mit Augen, wie Ihr...“ Von sich selbst sagt Golo: „Gern wollte ich die trüben Blicke lassen und wieder aus den muntern Augen seh’n“ u. s. f. Solange Golo gute Wege geht, erscheint er auch äußerlich herrlich. Als er zum Verbrecher wird, verwandelt sich sein Äußeres. „O seht die Tücke, wie sie sich in den stieren Augen malt, seht das verruchte, missgestalte Antlitz.“ Öfters lesen wir ganz allgemein nur von der „Gestalt“, vom „Antlitz“. Häufiger ist von der äußeren Erscheinung Genovevas, der Gegenspielerin Golos die Rede. Gleich anfangs ist sie die „schöne Gräfin“. Dann hören wir von der „hohen Gestalt“, der „herrlichen Gestalt“, von ihrem „hohen Gange“. Sie ist die „Holdeste“, „das holdsel’ge Bild“, „das schönste Kind“, „blühend, ein Wunder anzuschauen“. Sie besitzt „reine Züge und Schönheit“. Dass diese allgemeine Schönheit ein wenig mehr individualisiert wird, kommt daher, weil Golo sie mit sinnlichen Augen ansieht und weil es auch in der Natur der Sache zu liegen scheint, dass der Dichter sich um die äußere Erscheinung der Frauen mehr als um die der Männer kümmert. (Vgl. „Hermann und Dorothea“.) Auf Golo wirken die rothen Lippen, „deren Röte aus dem Herzen wegtrinkt mein rotes Blut“. Auch bei Genoveva steht wieder das Auge im Mittelpunkt des Interesses. Der „helle Bronn des Auges“ erweckt Golos Sinnlichkeit. An ihren „jungen Augen“ will Gertrud Liebe zu Golo lesen. Genoveva hat „den Himmel im Auge“, sie sieht Golo mit Augen an, „deren Glanz das Mark mir aussaugt“. Der Gräfin Augen sind „herzbannende Augen“, „holde Augen“, „helle Kreise“ und sie sehen durch den Schleier „so wie die Sonne hinter Wolken scheint“. Als der Kummer Genoveva schon „geältert“ hat, sind „noch die Augen schön und lebhaft“. Ja selbst sterbend „lacht ihr helles Auge“. Golos sinnlicher Blick begnügt sich nicht mit Augen, Wangen und Lippen, er verfolgt „den Bau der schönen Glieder von der Brust zu den vollen Hüften nieder“. Er stellt sich Genoveva tanzend vor im schönen Gewande, „das eng und enger an die Glieder fliegt“. Der „holde Leib“ hat ihn berückt. Auch der Zauberspiegel bei der Hexe gibt von der Heldin ein Bild. Siegfried sieht darin seine Genoveva „in all ihrer Schönheit, im schwarzen Kleide mit goldenem Geschmeide“. In der Noth wird sie zum „Todtengerippe“, „Scheusal“ und „Gespenst“, wie Golo sie höhnend nennt. Unter den übrigen Personen wird Zulma noch fast am deutlichsten sichtbar. „Sieh mein Fürst, die Fülle der schwarzen Locken und die Mädchenwangen, den zartgeschlossnen Mund wie Rosenknospe, o Himmel, sieh den schönsten Busen...“ Sie hat „schöne, große Augen“. Mag sein, daß ihr der Dichter als einem Gegenbilde Genovevas ein größeres Interesse schenkt. Nur würde man dann auch ein deutliches Contrastieren der äußeren Erscheinung erwarten. Die anderen Gestalten sind für unsere Phantasie recht blass und noch schattenhafter als die Hauptperson. Schmerzenreich ist ein „schönes Kind“, ein „liebes Kind“. Seine „Augen“ und seine „Blicke“ sind Genovevas Freude. Drago ist „weder jung noch schön“. Siegfried ist alt. „Was soll das Bild doch sein“ ruft Schmerzenreich, als er ihn sieht. Das ist alles, was wir von seiner Erscheinung hören. Ein wenig deutlicher heißt Karl Martell „ein herrlicher, stattlicher Mann“ mit der „Miene voll Zorn“. Zulma preist des jungen Feldherrn Abdorrhaman „Schönheit und liebevollen Blick“; seine Augen sind „zwei Sonnen“. Aquitanien ist „ein Jüngling“. Wesen, Gestalt und das kühne Auge lassen die Hexe in Siegfrieds Augen als überirdisch erscheinen. Von einer plastischen, gegenständlichen Deutlichkeit kann nirgends die Rede sein. Es ist hier dieselbe idealisierende und leicht andeutende, unbestimmt gehaltene Darstellungsweise, wie sonst bei Tieck. Der schöne Golo mit den schönen Augen, die schöne Genoveva mit den schönen Augen, das ist ziemlich alles, was die Phantasie aus den verschiedenen allgemeinen Andeutungen entnehmen kann. Das Betonen des sinnlichen Reizes an Genoveva, sowie die Vorstellung von der tanzenden Heiligen und die derbrealistischen Ausdrücke wie „Scheusal“ u. s. w., die sich zwar an sich in Golos Munde nicht unzutreffend ausnehmen, bringen aber in das Gesammtbild der Legende etwas Fremdes, das sich zu ihrem übrigen Wesen so wenig schicken will, wie die ziemlich frivolen Badescenen zu der frommen Kunststimmung im „Sternbald“.[558] Eine Eigenthümlichkeit in Tiecks Personenschilderung ist die Vorliebe für das Auge. Der am meisten seelische Sinn ist für den Dichter auch der dankbarste und echt dichterisch und fein handelt Tieck, wenn er die lebhafte sinnliche Erscheinung mit einem psychologischen Vorgang geschickt verbindet, wie etwa: „es lacht ihr helles Auge“. Nicht immer wird dies in solcher Weise ausgenützt. Wie geläufig und wichtig Tieck die Vorstellung vom Auge wurde, sieht man erst, wenn man beachtet, wie sogar an der Hirschin die „lieben treuen Augen“ besonders erwähnt werden, wie auch Wald und Busch Golo „mit grimmen Augen“ ansehen, die goldene Nacht mit „tausend Augen“ sieht und in den Buchengang „hineinäugelt“. 4. Das Naturgefühl. Ganz aus der alten Zeit heraustretend, als moderner Poet steht Tieck vor uns, wenn er von den Geheimnissen redet, die er mit seinem empfänglichen Dichtergemüthe der Natur abgelauscht hat. Hier konnte Tieck nichts aus dem Volksbuche nehmen und das Vorbild Müllers, der mit dem Blicke des Malers und mit realistischem Auge die Natur betrachtet, konnte dem zum Musikalischen neigenden Stimmungspoeten auch nicht allzuviel nützen. Hier mußte der Romantiker ganz er selbst sein. Tiecks Biographen betonen öfter, wie innig er die Natur liebte. In den schwersten Augenblicken bot sie ihm heilende Kraft.[559] Mit süßer Trunkenheit gibt er sich ihrer stillen Gewalt hin. Die Umgebung von Halle war für den jungen Sohn der märkischen Sandwüste ein kleines Paradies.[560] Der Sonnenuntergang, die magische Herrlichkeit des Mondglanzes, der Zauberhauch der Sommernacht, ein Licht, das durch die Nacht blitzte, ein ferner Laut erregten wunderbar sein Gefühl.[561] Abenteuerliche nächtliche Wanderungen mit halsbrecherischen Zwischenfällen unternahm Tieck gerne trotz des Scheltens seiner Freunde. Auf einer Harzreise blickt er mit hohem Entzücken der aufgehenden Sonne entgegen, die ihm „Gottes Erscheinung“ zeigt.[562] „Ich mußte stille stehen, um diese Vision ganz zu erleben...“[563] Von Erlangen aus wandert er mit Wackenroder ins Fichtelgebirge, wo er, verirrt in tannendunkeln Klüften, alle Wunder und Schauer der Waldeinsamkeit durchkostete. Aus der späten Herberge blickte er wieder in die mondbeglänzte Nacht hinaus, die träumerisch auf den einsamen Höhen lag, er lauschte den milden schwebenden Tönen eines Waldhorns und war unendlich glücklich.[564] Nach Jahren lebt im „Phantasus“ noch das Glück dieser Erlanger Zeit sowie die poetischen Nachtwanderungen, die Tieck in Jena mit Novalis unternahm, wehmüthig beseligend wieder auf.[565] Ein inniger, gefühlsreicher, poetischer Verkehr mit der Natur gehört so zu Tiecks eigenstem, intimstem Lebensgehalt.[566] Seit Goethe das ganze weite Reich der Natur für Poesie und Gemüth eroberte, versäumt es überhaupt kein Dichter mehr, sich von diesem ewig herrlichen Reiche wenigstens irgendeine Provinz zu eigen zu machen. Auch Tieck bleibt nicht zurück. Über die Beziehungen zwischen Natur und Dichter spricht er selbst die bemerkenswerten Worte:[567] „Können wir denn die Natur wirklich so schildern, wie sie ist? Jedes Auge muß sie in einem gewissen Zusammenhange mit dem Herzen sehen, oder es sieht nichts, was uns, in Versen wieder aufgezählt, gefallen könnte. Wird nicht jeder poetische Mensch in eine Stimmung versetzt, in der ihm Bäume und Blumen wie belebte und befreundete Wesen erscheinen, und ist dies nicht das Interesse, das wir an der Natur nehmen? Nicht die grünen Stauden und Gewächse entzücken uns, sondern die geheimen Ahndungen, die aus ihnen gleichsam herauf steigen und uns begrüßen. Dann entdeckt der Mensch neue und wunderbare Beziehungen zwischen sich und der Natur; sie ist Theilnehmerin seines Schmerzes oder seiner Leiden; er fühlt gegen die leblosen Gegenstände eine freundschaftliche Zuneigung, und dann bedarf es wahrlich keiner Verschönerungen, keiner erlogenen Zusätze, um schöne und entzückende Gedichte niederzuschreiben.“ Hier schildert Tieck die höchst entwickelte Stufe des poetischen Naturgefühles, das innige Erfassen der Natur mit dem Gemüthe, jenen merkwürdigen Vorgang in der Dichterseele, der gewöhnlich als poetische Naturbeseelung oder als poetisches Einfühlen in die Natur bezeichnet wird. Charakteristisch für den Romantiker und sein Verhältnis zur Natur sind dabei die Ausdrücke: „Stimmungen“, „geheime Ahndungen“ und „neue und wunderbare Beziehungen“. Von den untergeordneten Beziehungen des Dichters zur Natur schweigt hier Tieck zwar, er verwendet sie aber ausgiebig in seiner eigenen Dichtung. Die Natur tritt nämlich auch als selbständige Macht auf, die auf das Menschengemüth stimmungerregend einwirkt, sie wird stimmungerweckender Hintergrund für äußere und innere Vorgänge oder Contrast zu diesen Vorgängen. Auch Gleichnisse und Metaphern, aus dem Naturleben entnommen, dürfen nicht unterschätzt werden; denn ihre Art und Häufigkeit bildet auch einen Maßstab für das Naturgefühl des Poeten. Vor allem gibt Tieck den Hauptpersonen seiner „Genoveva“ ein feinfühlendes, für die Natur höchst empfängliches Gemüth. Sie leben mit ihr in beständigem, seelischem Contact. In ihren lyrischen Ergüssen herrscht „eine geheimnisvolle Innigkeit, ein sonderbares Einverständnis mit der Natur“. (Heine.) Golo, in dessen Herzen sich die ersten Keime einer heißen Liebe regen, fühlt die Lebensregungen des jungen Frühlings innig mit und er zeigt der traurigen Genoveva, wie „im Laube neues Leben spielet“, wie „hold“ die Bäume prangen, der Vogel „sich vergnüglich fühlet“, wie die ganze Welt „ein muntres Regen spürt“ und sich dem Frühlingsglanz entgegendrängt.[568] Personificierende Ausdrücke und Worte seelischen Inhaltes deuten hier und im weiteren Verlaufe die zarten Fäden an, die Natur und Gemüth verbinden. Die erwachende Liebe lässt ihre Reflexe über die Natur hinspielen. -- Der Frühling macht dem Sommer Platz. Genovevas weiche Seele versenkt sich in der Balkonscene mit Wonne in das träumerische Leben der Sommernacht, da „der Mondschein auf dem Grase spielet“, im Mondglanze die Töne sich entzünden, die Quellen „leiser, lieblicher fließen“, „stille Blumen“ am Spiegel ihrer Wellen sprießen, die Winde frohe Kunde bringen und die Bäume Lieder sumsen. Mit den märchenhaften Klängen dieser leise tönenden Nachtmusik verwirren sich wiederum die Klänge des Herzens. Dieses heimliche Leben und Klingen der Sommernacht, an dem sich Genoveva höchst unschuldig freut, spricht ganz anders den liebeskranken Ritter an. Ihm erscheint alles in der Beleuchtung seiner nun gesteigerten Liebessehnsucht. „Ernst und groß“ wie das warnende Gewissen schauen ihn zwar „der hohen Bäume heil’ge dunkle Gänge“ an. Dazwischen aber singt „die liebesbrünst’ge Nachtigall“ ihr Sirenenlied und lockt ihn ins Verderben.[569] Der Mondschein „saugt“ am Herzen des Sehnsüchtigen, die Sterne „zielen nach ihm mit Liebespfeilen“. Wenn aber dann Genoveva spricht, so verstummen Bächlein, Nachtigall und Bäume, weil alle ihr nur lauschen, weil alle Creaturen an ihr sich gerne freuen.[570] Eigenthümlich ist es, dass hier Tieck in die Naturbetrachtung die Sirene, die Hyder, antike Vorstellungen mengt, die uns sonst überhaupt selten in der „Genoveva“ oder in seinen anderen Dichtungen begegnen. Diese Vorstellungen ordnen sich aber gut und wirksam in das Erregte, beängstigend Leidenschaftliche ein, das in seinen Worten zittert.[571] -- Am reichsten entströmt die sympathetische Naturempfindung Golos Herzen in der nächtlichen Scene, in welcher er Genoveva seinen entscheidenden Liebesantrag macht.[572] Den Sternen klagt er zuerst sein Leid, bei ihnen schwört er, sie fragt er um Kunde von der Geliebten, von ihnen erfleht er sein Glück. Mit dem sehnsüchtig Harrenden wartet auch die ganze Schöpfung. Genoveva erscheint und freut sich ihrerseits in derselben harmlosen Art wie in der Balkonscene an den träumenden, flüsternden Blumen, am düsteren Walde, an der Nacht, die in den Buchengang „hineinäugelt“. Wie in jener Scene bezieht Golo auch hier in trunkenem Entzücken die ganze Naturherrlichkeit auf seine Geliebte, die ihm ein märchenhaftes Leben in die nächtliche Natur hineinzuzaubern scheint. Er spricht die charakteristischen Verse: „Ihr schreitet her und weckt aus verborgenen Tiefen Die hohen Wunder auf, die unten schliefen, Schaut um Euch, Holde, wo Ihr geht Ein dichtgedrängter Blumengarten steht, Die Bäume ziehn Euch nach, unter Euren Füßen Dringt kindisch grünes Gras hervor, den Fuß zu küssen, Die Blumen erwachen Vom tiefen Schlaf und lachen, Und röter wird der Rosen Mund, Die Wiese wird von Pflanzen bunt, Sommerlüftchen spielen aus den Zweigen, Sich häuslich ems’ge Bienen zeigen Die goldensten Mondstrahlen schmeichelnd niedersteigen, Um Euer holdes Haupt die Glorie zu flechten, Euch dient Natur mit allen ihren Mächten.“ Am Schlusse der Scene aber, mit dem endgültigen Scheitern der Liebeshoffnung hat sich für Golo sogleich auch die Natur verändert, die düstere Schicksalsstimme spricht aus derselben zu ihm: „Hört, da singt’s in Wolken, aus Wassern, aus dem tiefen Thal herauf: Wo die stillen Bächlein gehn --“ Als Genoveva unschuldig zum Tode gehen soll, ist es ein „trüber Tag, dicke Nebel liegen auf den Bergen und Wäldern“.[573] Grimoald, dem das Mordhandwerk nicht recht vom Herzen gehen will, „zittert vor der Morgenluft“, die schwarzen Weiden im Thale rauschen, als wenn sie in die Klage der Mutter einstimmten und ihren Bitten Gehör gäben. Da ruft Genoveva den Mördern zu: „O seht, die Sonne will nicht niederscheinen Auf solche That, es will das Aug’ der Welt Nicht sehn, was euch auf immer nagen würde...“ Ob die Seele in junger Liebeshoffnung träumt, ob sie in schwüler Leidenschaft erzittert, ob sie voll stiller Unschuld in die Schöpfung hineintritt oder in Todesangst erschauert: immer spiegelt sie nach demselben geheimnisvollen Gesetze ihre Empfindung in die umgebende Natur hinein und die verschiedenartigen Reflexe der Gemüthsstimmung ruhen auf Baum und Blume, leben in Luft und Wellen und scheinen den Menschen als „geheime Ahndungen“, die aus der Natur heraufsteigen, zu grüßen. Es wurden hier nur die besonders charakteristischen Stellen der „Genoveva“ hervorgehoben. An zahlreiche andere soll nur erinnert werden. So an Golos Morgenlied, an Zulmas Morgengebet und Todtenklage, an Karls und Aquitaniens Morgenbetrachtung vor der Schlacht, an Golos Lied „Sieh’ Laute, sieh’, so reiß’ ich dich in Stücke“ und dessen Monolog nach der Gemäldescene sowie am vermeintlichen Grabe der Augen und der Zunge Genovevas. Genovevas Hilferuf an die Natur gehört ganz, Wolfs mystische Abendbetrachtung theilweise hieher und von einer innigen freundschaftlichen Vertraulichkeit mit der Natur zeugt es, wenn Golo und Grimoald dem Walde und der Gegend, aus der sie fortgehen, wie alten mitfühlenden Freunden Lebewohl sagen, wie es nachher Schillers Johanna thut. Auch in der Ferne ist Golos Herz erfüllt von Heimweh nach den bekannten, liebgewordenen Stätten. Selbst Dinge, die nicht mehr gerade der ursprünglichen Natur angehören, aber mit dem menschlichen Gemüthsleben intim und enge verbunden sind, werden in derselben Weise, wie die Natur selbst, beseelt. Es schauen die Mauern auf Genoveva mit grimmigen Zügen. Nach ihrer beglückenden Vision aber lacht das Gebäu. Einsam und wüst sind die Mauern des Schlosses dem vereinsamten Siegfried. Das Kreuzbild scheint mit Genoveva zu sprechen und von ihrem Trauringe nimmt die Verstoßene wehmüthigen Abschied. Eine merkwürdige Tändelei, die aber dem eigentlichen romantischen Naturgefühle wieder näher steht, ist jener Baum, den der Köhler als Sinnbild und Erinnerungszeichen für seinen gefallenen Sohn im Walde pflanzt und mit dem er plaudern will. Abergläubisch färbt sich das Verhältnis zur Natur beim alten Wolf, naturphilosophisch und mystisch beim „Unbekannten“ und der Hexe. Zuweilen spielen die Anschauungen selbst ein wenig in den mythologischen Volksglauben hinüber, wie die „dämmernde Geisterwelt in sichtlicher Natur“[574] oder die Geister, die in Felsen oder auf Bergen hausen.[575] In Golos Naturanschauung bricht manchmal etwas ganz Fremdartiges hervor, das nicht mehr bloß ein einfühlendes, poetisches Versenken in die Natur ist, sondern Angst und Grauen vor den Naturmächten, die mit schicksalsmäßigem Zwang den Menschen beherrschen, ihn zum Wahnsinn treiben und zugrunde richten.[576] Es sind dies, wenn auch gedämpft, dieselben unheimlichen, gemüthbelastenden Stimmungen, die besonders im „Abdallah“, „Lovell“, „Eckbert“ und in den mit der „Genoveva“ fast gleichzeitigen Dichtungen „Tannenhäuser“ und „Runenberg“ herrschen, in den Werken aber, über denen Wackenroders Geist schützend schwebt, zum größten Theile verschwinden. So bricht auch in der „Genoveva“ nur ein und das anderemal dieses sonderbare, unbestimmte Grauen vor den Naturmächten hervor, die den Menschen wie ein tückisches Schicksal bedreuen, eine Stimmung, die aus Tiecks innerstem Seelengrunde emporwächst. Das freundliche Gegenstück zu dieser düsteren Seite der Natur ist der märchenhafte, herzliche Verkehr des kleinen Schmerzenreich mit den Thierlein des Waldes und die freundliche hilfreiche Natur, die gerne der unschuldig Verfolgten ihren Beistand leiht. Einen ganz kleinen Raum nur gewährte der Dichter jener eigentlich religiösen Naturbetrachtung, die im weiten Reich der Natur das Walten ihres Schöpfers spürt,[577] das Loblied der Natur auf Gott vernimmt[578] und so die Menschenseele zu frommer Gottesverehrung stimmt.[579] Bei dieser gemüthswarmen Naturandacht geht immer die charakteristische Beleuchtung, in welcher die Naturumgebung erscheint, von der Stimmung des Betrachters aus; es ist ein lebendiges Hineinwachsen und Hineinleben des Gemüthes in die Natur. Die Töne der Natur aber sind, wie Novalis sagt, auch wieder „Tasten höherer Saiten in uns“.[580] Werden die Tasten angeschlagen, so erklingen die Saiten unseres Gemüthes. Es wirkt die Natur auf den Menschen stimmungerregend ein. Auch diese Auffassung finden wir in Tiecks Dichtung. Die weiche Sommernacht z. B. senkt sich beruhigend auf Genovevas Seele.[581] In anderen Fällen erscheint wieder die Nacht recht als Feindin des Menschen; sie bethaut den Sinn mit Schwärmereien,[582] sie macht den Geist schlaff und trunken und verführt ihn geradezu zur Sünde,[583] sie entfesselt die Liebesleidenschaft, die der Tag neidisch „mit seinem leuchtenden Mantel“ verhüllte.[584] Der Glanz des Tages zeigt dem Gewissen die Sündhaftigkeit der nächtlichen Gedanken.[585] Die einsame, große nächtliche Gebirgswelt gibt dem innerlich Verstörten Freude und Sicherheit, freilich nur für einen Augenblick; denn sofort wacht der innere Dämon wieder auf und treibt Golo zu sinnloser Gewaltthat an seinem Diener, so dass dieser ruft: „... es macht die Nacht Euch toll.“[586] Wir sehen eine Art passives Gegenstück zum sympathetischen Naturgefühl. Bei diesem überschüttet der Mensch die Außenwelt mit seinem inneren Stimmungsreichthum. Dort lässt sich das Gemüth vom äußeren Eindruck beherrschen und leiten. Tieck liebt es sehr, die Natur als harmonisch gestimmten Hintergrund einem Vorgange, einer Seelenstimmung beizugeben. Wie Frühling, Sommer und der trübe Herbst die Hauptmomente in Golos und Genovevas Geschick begleiten, hat bereits Hettner ausgeführt. (Nur spricht er irrthümlich auch vom Winter.) Wir mussten die einzelnen Fälle bereits als Beispiele für das synthetische Naturgefühl heranziehen. Zweimal erscheint die Jahreszeit noch flüchtig. Frühling und Lust schwinden für Golo zugleich dahin[587] und während Genoveva im Thurme klagt, ist es auch draußen stürmische Zeit.[588] Von den Tageszeiten wirken außer dem Sommerabend und der Sommernacht noch Morgen und Nacht als begleitender Stimmungshintergrund. Mit dem Morgen, der bei Tieck gerne als Zeit der Abreise genommen wird („Magelone“, „Sternbald“), beginnt die „Genoveva“. Die frische Morgenfrühe taugt ja trefflich zur frohgemuthen Stimmung, mit der die Kreuzfahrer ausziehen; sie passt aber auch zur idyllischen Schäferscene und zu Golos munterem Ritte. Ernst und weihevoll wird aber das nämliche Morgenlicht, wenn es hier wie am Ende der Dichtung durch die gemalten Fenster der Kapelle hereinschaut.[589] Der helle Morgen beglänzt im Anfange eine kirchliche und allerhand bunte weltliche Scenen. Den Schluss bildet die morgenhelle Kapellenscene allein und wie ein sinnbildlicher Hintergrund, wie eine „leise Allegorie“ erscheint hier der helle Morgenglanz im Heiligthum; denn jetzt bricht für die heilige Heldin der ewige Lebenstag himmlischer Verklärung an. -- Die finstere Nacht ist die Zeit der Geister.[590] Ein grotesk phantastisches Nachtbild leitet daher die Hexenscene ein,[591] und der gespenstische Pilgrim wandert in finsterer Nacht.[592] Schon mit den Schlagworten der Scenenüberschriften markiert der Dichter manchmal eine gewisse Naturstimmung. „Freies Feld“, „Waldgebirge“, „Felsenthal“, „Garten. Mondschein“, „Wohnung der Zauberin. Nacht“, „Waldgebirge. Nacht. Mondschein“, „Kapelle. Schwach erleuchtet“ u. s. w. Das traurige Lied und der heitere Schäfergesang sind jedes in seinen entsprechenden Naturrahmen gefasst. Ebenso das Lied „Da irr’ ich unter Steinen“[593] und die dritte Strophe des Hochzeitbitters.[594] Im Hintergrunde erlischt die Flamme der brennenden Stadt, im Vordergrunde das Leben des gefallenen Kriegers.[595] Auch sogar in jenem Scheinbilde, das die Hexe Siegfried im Zauberspiegel sehen lässt,[596] fehlt die Naturumgebung nicht. Im zweiten Theile des Stückes, wo Genoveva in der Wüste betet und duldet und Schmerzenreich seine Kindheitsidylle durchlebt, rückt uns der Dichter in immer neuen Wendungen die Waldeinsamkeit ins Bewusstsein. Es ist dies aber eine freundliche Einsamkeit im Gegensatz zu jenem zerklüfteten Felsgebirge, in dessen öder Höhe Golo vergeblich Frieden für seine zerrissene Seele sucht, von wo er seinen Diener Benno bei Nacht in den brausenden Waldstrom hinabstürzt.[597] Sogar die himmlische Seligkeit entbehrt bei Tieck nicht der Naturfreude; denn auch im Paradiese der Heiligen prangen himmlische Blumen und Blüten und die verklärten Geister dürfen alle Herrlichkeiten des Weltalls von den Sternen bis in den Abyssus hinab überschauen.[598] Gewiss bezeichnend, dass der Romantiker den himmlischen Freuden auch die poetische Naturfreude zuzählt. Contrastierend erscheint die Natur selten, z. B. im Wettstreite mit der menschlichen Schönheit;[599] oder sie höhnt ein andermal den unglücklich Liebenden; sie erhört auch Genovevas Bitten nicht. Tiecks Dichtung glänzt und schimmert an vielen Stellen noch überdies im Flitterschmucke der Gleichnisse, Metaphern und Beiwörter, die aus dem Naturleben stammen. Sie glänzt und schimmert im wörtlichen Sinne; denn gerade Licht und Glanz sind hier sehr beliebte Vorstellungen. Licht und Glorie sind vor allem nöthig in der Vision. Daher die entsprechenden Gleichnisse. Eine Lichterglorie wallt in die Kirche nieder „... wie aus des Morgens purpurroten Thoren Der glanzgekrönte Ost dem Blick sich beut,..“ Das Wunder zeigte sich „Wie wenn nach harten düstern Wintertagen Der Frühling durch die Finsternis will brechen, Und in dem Frühling Frühling sich entzündet, Aus Blumen sich noch eine Blüte windet.“ Auch die Blume muss sich dem Glanze assimilieren; denn der Dichter setzt das Gleichnis fort: „Wie wenn das Morgenrot die Knospe wäre,...“[600] In der Sterbevision heißt es: „Wie Strahlen giengen Engel aus und ein...“[601] Das Liebliche in der menschlichen Erscheinung wird gerne mit lebhaften Lichterscheinungen verglichen. Genoveva schimmert „wie ein neuer Sternenhimmel, ein neuer Mond ist sie emporgestiegen.[602] Golos Antlitz war wie Morgenrot, die Augen wie junge Sterne“.[603] Genovevas Augen sieht man hinter dem Schleier „so wie die Sonne hinter Wolken scheint“;[604] auch ihre Worte sind wie die rothen Edelsteine, die durch Nacht und Dämmerung funkeln.[605] Eine bestimmte Nüancierung der Gleichnisse etwa nach dem Charakter der beiden Gegenspieler ist nicht zu bemerken. Mit dem Scheine des Feuers, das selbst wieder dem Morgenrothe gleicht, mit dem Feuer, das herrlich durch die Nacht strahlt und bald erlischt, wird das Kriegerleben verglichen. Aber auch die Wunden brennen wie Feuer. Wie nach der Nacht der Morgen, folgen die heiteren Lebenstage den traurigen.[606] Mit der Erhabenheit der Sterne über der Erde vergleicht Golo den Abstand seiner Liebe von gemeinem Sinne.[607] -- Als Christus vom Kreuze zu Genoveva redete, „da kam’s wie Blumen um sie her entsprossen“. Einzelne Vergleiche nimmt Tieck aus der großen Natur. „Wie ein Meer“ braust es während der Vision um Genovevas Ohren.[608] Ohne Zweifel ein biblischer Nachklang. Dem Meeresbrausen gleicht der Lärm im überfallenen Lager.[609] Wie Gottes Gewitter muss die Jagd hingehen:[610] Daneben ein paar Vergleiche von derber realistischer Art. „Anfallen wie ein grimmig Tier.“[611] „Wie von wilden Pferden fühl’ ich mich fortgerissen...“[612] Karl „tobt wie ein wütend Tier“;[613] ebenso Golo.[614] Mahoms Reich wütet gleich giftigen Gewürmen.[615] Ist das wilde Thier ein Bild entfesselter Leidenschaft, so nisten die unthätigen Krieger wiederum „wie träge Tiere“.[616] Vereinzelt steht der sprichwörtliche Vergleich „kalt und taub wie Erz und Stein“.[617] Der „Drache“ in Siegfrieds Traum ist ein Nachklang der Heldensage, durch das Volksbuch vermittelt. In ein Märchenland versetzt uns der Vergleich:[618] „Ist’s nicht so gut, als ob uns einer sagte, Daß über unsern Häuptern Länder hingen Mit wundervollen Bergen, Wald und Flüssen...“ Ziemlich in die nämlichen Naturgebiete, denen die meisten Gleichnisse entstammen, weisen auch Tiecks Metaphern, Beiwörter, Composita. Erstlich wiederum Licht und Glanz. Der „Glanz“ des christlichen Glaubens, die „Feuerfunken“ in den Christenherzen, der „Blitz Gottes“ Karl Martell, „die Schaaren all’ in wilder Wut entbrannt“, „das Feuer des Auges“, „die Augen zwei Sonnen“, „der Glanz des Thrones“, die Empörung „ein unzeit’ges Feuer flammt von der ein zur andern Grenze“, „liebesbrünst’ge Nachtigall“, „der Brand im Innern“, Genoveva ist für Golo eine „Hölle“, die seine Seele peinigt „mit ew’gen Flammen, mit rastlosen Flammen“ und noch zahlreiche ähnliche Fälle. Von geringerer Leuchtkraft sind Bilder wie der „Frühling“ des Lächelns, der „Himmel“ im Auge, der „Frühling, der durch den Winter scheint“, der „künft’ge Morgen“ u. s. w. Auch die Blumen finden sich unter den Metaphern wieder. „Zarte Knospen“, „Rosenknospe“ (Mund), „sprießende“ Reue, „sprießende“ Engel, „es sprießt ein neuer Sinn“. Einmal „thürmen sich die Wetter“. Das Lamm verdeutlicht die sanfte Gemüthsart, die arge Böswilligkeit der „hartherzige Hund“. Dasselbe wiederholt sich noch einmal, wenn wir die Composita und Beiwörter ansehen, die aus der Natur entlehnt sind. „Frühlingsschein“, „Strahlenaugen“, „Zauberschein“, „Sterngegenwart“, „Sternenkräfte“, „Sternenblick“, „Himmelsglanz“, „Himmelslicht“, „Lichtstrom“, „Freudenschein“, „Lebensschein“, „Feuerzorn“ u. s. w. Dazu gehören „glorreich Licht“ der Liebe, Glorie (= Himmelslicht), „glorreich“ scheinende Sonne, die „goldensten“ Mondstrahlen, „gold’ner Schein“, „gold’ne Nacht“, „blendende Flammen“, „funkelndes Feuer“, „schimmervolle Kronen“. Die Blumen fehlen auch hier nicht ganz. „Blumenhöh’n“, „dichtgedrängter Blumengarten“, „blühende Lust“. Auch der Gegensatz des Lichtes tritt hie und da hervor. „Schwarze Nacht“, „dunkle Wüste“, „dämmernde Erinnerung“, „dämmernde Geisterwelt“. Von Anfang bis zum Ende durchathmet ein warm pulsierendes, träumerisches Naturgefühl Tiecks romantische Dichtung. Des Dichters Naturempfinden ist reich und mannigfaltig. Die Natur ist ihm aber nicht um ihrer selbst willen da, sondern meist als stimmunggebender Hintergrund. Auf das sympathetische Zusammenklingen von Natur und Gemüth wendet Tieck seinen besonderen Fleiß, wie seine eigenen Worte über die dichterische Naturauffassung vermuthen ließen. Er folgt hier den Wegen Goethes. Von Werthers Naturauffassung fühlte sich Tieck ja lebhaft ergriffen, wie er selbst sagt.[619] Wie Goethe im „Werther“ will Tieck die Tages- und Jahreszeiten wie die räumliche Umgebung auf einen Ton mit der Empfindung seiner Menschen stimmen. Der Naturhintergrund, der das menschliche Erlebnis in der Dichtung umrahmt, der Gedanken und Empfindungen verstärkt, seltener Stimmungen erweckt oder in Contrast zu ihnen tritt, spielt bei Tieck eine so wichtige Rolle, dass die Stimmung es meist über die Chronologie davonträgt. Die Jahreszeiten begleiten die Hauptereignisse, es kommt aber damit keineswegs zugleich ein festes chronologisches Gerüste für die Ereignisse der Dichtung zustande, wie man erwarten möchte. Klar begrenzte Zeiträume widersprechen der ins Unendliche strebenden romantischen Stimmungspoesie und dieser hat alles zu dienen. Wie gewaltsam Tieck gegen die Chronologie vorgehen kann, zeigt die Aufeinanderfolge der Thurmscene, in der Genoveva das Wiegenlied singt,[620] und der Schäferhochzeit. Bei genauerem Nachrechnen ergibt sich, dass es in der ersteren Scene Herbst oder Winter sein muss, was auch die Verse: „Draußen geht der Wind, Die dicken Mauern Beschützer sind“ verrathen. In der nächsten Scene, die noch auf der gleichen Seite beginnt, ist es schon herrlicher Frühling, weil es die Hochzeitstimmung verlangt. Bei den Tageszeiten lässt sich, mit geringen Ausnahmen, ebenfalls kein chronologisches Moment beobachten, sondern auch hier ist es wieder nur der Stimmungswert der Zeit, den der Dichter berücksichtigt und dem sich die Chronologie zu fügen hat. Die äußere Natur bleibt immer dem Seelischen untergeordnet. Morgen, Abend und Nacht kehren in der „Genoveva“ wieder. Nur diesen Zeiten schenkt Tieck seine besondere dichterische Aufmerksamkeit wie die übrigen Romantiker auch. Die ahnungsvolle Dämmerung, das geheimnisreiche Dunkel und die belebende, gemütherfrischende, „in der Zukunft weisende“ Morgenstunde: das sind vor allem „poetische Zeiten“. Der Sommernacht wendet Tieck in zwei Scenen der „Genoveva“ seine besondere Liebe zu. Im weichen Geisterlichte des Mondes wächst die Sehnsucht im Herzen, in stiller Nacht breitet Phantasus seinen Mantel auseinander und zeigt seinen bunten Reichthum und seine Traumherrlichkeit. Nacht und dämmerndes Zwielicht sind das sichtbare Widerspiel der unbestimmten, in die dunkelsten Seelentiefen sich verlierenden Stimmungen, die „allein glücklich machen“. (Novalis.) „Die plastische Sonne leuchtet einförmig wie das Wachen, der romantische Mond schimmert veränderlich wie das Träumen“, sagt Jean Paul.[621] Ein anderes kommt bei Darstellung der Visionen in Betracht. Hier wird Licht und Glanz in üppiger Fülle aufgeboten, um das Außerordentliche, überirdisch Heilige würdig einzukleiden, wie mit einem Goldgrund, der die Heiligen auf altdeutschen Gemälden mit schimmernder Glorie umgibt. Wenn Tieck auch Glanz und Schimmer verschwendet, so wird er dabei seiner unplastischen Weise keineswegs untreu; denn er zeigt uns nie hellbeglänzte Dinge im scharfen Umrisse, sondern Glanz und Schein selber und damit sind wir sofort wieder in unbegrenzter Unendlichkeit. Klare, deutliche Conturen in der Naturschilderung sind Tiecks Sache ganz und gar nicht. Ein organisch sich aufbauendes Naturbild sucht man in der „Genoveva“ vergebens. Alles erscheint in auflösender Beleuchtung. Tieck gibt hie und da ruhende Bilder und begnügt sich, sie mit einem leisen, seelischen Anhauche zu beleben. Am liebsten hätte er in dieser hochromantischen Periode in Tönen gedichtet, Worte nach ihrem Klangwerte rein musikalisch verbunden und am liebsten belauscht er auch die geheimen Töne der Natur oder richtiger, er hört aus der Natur geheime Töne heraus und sucht ihren nur dem Gemüth und der Phantasie vernehmbaren Klang in Worte zu fassen. Dieses eigenthümliche musikalische Auffassen der Natur weckt dann „geheime Ahndungen“ und „Stimmungen“. „Die Musik ist romantische Poesie durch das Ohr.“ (Jean Paul.) Im zweiten Theile unserer Dichtung herrscht außer dem fröstelnden Herbste bei der Verstoßung Genovevas in erster Linie die Stille der Waldeinsamkeit. Tieck liebt die Waldeinsamkeit. Er hat dieses poetische Wort gebildet. In den „blonden Eckbert“ dichtete er ihren ganzen Reiz hinein. Dass gerade das Motiv des waldeinsamen Lebens, das er im Volksbuch fand, seine Phantasie lebhaft anregte, erzählt er uns. Wie in der nächtlichen Stille, hebt hier in der Stille des Waldes die Sehnsucht im Gemüthe zu tönen an, die Sehnsucht nach dem Himmel in Genovevas Seele, in Schmerzenreich die Sehnsucht nach den fernen Menschen, die hinter’m Walde wohnen, „der ganz weitab im Scheine glänzt daher“. Der Romantiker sucht auch hier ahnungsreiche Ausblicke in weite, verschwimmende Fernen. Im ganzen überwiegt die freundliche und liebliche Seite der Natur in der „Genoveva“. Tieck, dessen Gefühle durch Wackenroder „verfeinert“ wurden, der im heiteren Genuss von Kunst und Poesie, in glücklicher Freundschaft und in anregender Geselligkeit lebt, ist nun selbst mehr auf das Zarte, Milde, Weiche und Heitere gestimmt. Seine Vorliebe für die freundlichen Blumen fällt Novalis auf.[622] Nur dort und da schleichen die Dämonen des Venusberges und des Runenberges heimlich heran und grinsen verstohlen durch das Kirchenfenster in Genovevas Heiligthum herein. Es sind die Nachwehen der Abdallah- und Lovellstimmung, die im „Tannenhäuser“ und „Runenberg“ wieder ihre alte Macht gewinnt. Eines muss dem Betrachter der „Genoveva“ immerhin auffällig sein. Man sollte nämlich erwarten, dass der Dichter der „heiligen Genoveva“ die Natur soviel als möglich mit dem religiösen Sinne der geistlichen Poesie anschaute, „wo das fromme Gemüth aus der ganzen belebten und unbelebten Natur einen großen Lobgesang auf die Herrlichkeit ihres Schöpfers und Erhalters herauszuhören meint.“[623] Man möchte dies umsomehr erwarten, als die Natur in den „Herzensergießungen“ eine wunderbare Sprache Gottes ist, als Tieck im „Zerbino“ den Waldbruder das fromme Lied: „Wann das Abendroth im Haine“[624] singen lässt und in der ersten Ausgabe auch das alte „Komm’ Trost der Welt, Frau Nachtigall“ eingeschaltet hatte. Im „Sternbald“ wie in den „Phantasien“ bricht das eigentlich religiöse Naturempfinden öfters recht auffallend durch. Dem Dichter war also eine solche Auffassung der Natur nicht fremd. Und in der „Genoveva“ ist dieselbe seltsamerweise bis auf geringe Reste verschwunden. Im Verkehre mit der Natur lässt sich Tieck hier weder vom „Klosterbruder“ noch von Jakob Böhme ernstlich beinflussen. Wenn auch seine Gemüthsverfassung mehr Heiterkeit und Ruhe zeigt als sonst, die Art des Empfindens bleibt seine eigene. Was die Biographen als Lieblingstimmungen des naturandächtigen Poeten erwähnen, findet sich in der That fast alles in irgend einer Form in der „Genoveva“ wieder und dass diese Naturstimmungen Tieck aus der Seele strömten, beweisen auch seine späteren Worte an Solger.[625] Mit Verschiedenem ist er nicht mehr zufrieden, aber „dies Klima (wie ich es nennen möchte), dieser Duft des Sommerabends, der Waldgeruch und spätere Herbstnebel ist mir noch ganz recht...“ -- Die Religion, die das Menschengemüth vielseitig berührt oder den Geist zum Wunderbaren und Geheimnisvollen und Unendlichen hinführt, das Alterthümliche, das, der nüchternen Alltäglichkeit entrückt, in der Phantasie eine idealisierende Weihe empfangt und die innige, liebevolle Hingabe an die Stimmung der Natur, das ist der echt romantische Dreiklang, der bald leise tönend bald mächtiger anschwellend Tiecks „Genoveva“ durchzieht und die auseinander fallenden Theile der Composition durch einen durchgehenden Accord eint. 5. Die Charaktere. Die vorausgehenden Beobachtungen versuchten dem „Klima“ in der „Genoveva“ näherzutreten, dem religiösfrommen wie dem altdeutschen Tone, die das Stück beherrschen und dem Naturstimmungsdufte, der das Ganze fühlbar durchzieht. Nur nebenbei wurde der Menschen selbst gedacht, die in diesem Klima leben. Der Dichter legt uns dieses Vorgehen nahe. Denn später, bei kühlerer Betrachtung seines Werkes misst er dem „Klima“ in demselben mehr Wert bei, als den meisten Personen, die in der Dichtung auftreten. Diesen soll nun auch einige Aufmerksamkeit geschenkt werden. Unser erstes Interesse bei Untersuchung der Charakterisierungsweise Tiecks richtet sich naturgemäß auf die Hauptpersonen Genoveva und Golo. Genovevas Charakter, der sich fast ganz mit ihrem Verhältnis zur Religion und Natur erschöpft, wird direct und indirect geschildert. Wir erhalten durch die Mitspieler (Bonifacius mit eingerechnet) verschiedene Auskünfte über ihre Charakterzüge.[626] Ein wichtiger Wink für die Auffassung ihres Wesens ist die Äußerung Golos:[627] „Sie weiß um ihre Schönheit nichts, und nichts Um ihre Lieblichkeit, sie hat den Himmel In ihrem Auge und verschönt die Erde.“ Das unbewusst Naive an ihr soll hier als bedeutsamer Zug hervorgehoben und damit ihr sonst unbegreifliches Benehmen, ihre Taubeneinfalt bei Golos Liebesanträgen[628] erklärt werden. Ganz dürfte es aber dem Dichter trotz dieses Hinweises nicht gelungen sein, uns diese Seite seiner Heldin verständlich zu machen; denn ihr Benehmen geht über das Maß von Naivetät, das man nach Golos Worten erwartet, hinaus. Zudem ist die Gemäldescene ein directer Widerspruch gegen Golos Worte: „Sie weiß um ihre Schönheit nichts...“ Wir hören weiter noch von ihrer Frömmigkeit und Gattentreue und das soll wieder indirect bestätigt werden, wenn wir Genoveva Legenden lesen, fromme Belehrungen anhören und lieber die größte Schmach und Erniedrigung leiden, als ihrem Gewissen und ihrem Gatten untreu werden sehen. Die Abweisung Golos ist die einzige für den Fortgang des Stückes bedeutsame Handlung der Heiligen. Ihr inneres Leben spricht sich vorzugsweise in Monologen, Gebeten, Erzählungen aus, die einem Dialoge eingeordnet sind oder im frommen Zwiegespräche über ein geistliches Thema.[629] Sie bleibt bis auf kleine Trübungen von Anfang bis zum Ende dieselbe. Die Einführung der Titelheldin in das Stück ist auffallend knapp und dürftig. Als „schöne Gräfin“ und „edle Gräfin“ wird sie uns zuerst genannt. Daneben erscheint die Einführung Golos, ihres Gegenspielers, ungemein breit. In geschicktem Anschlusse an sein Auftreten wird der Leser über des Ritters äußere Erscheinung und vielfältige Charaktervorzüge unterrichtet. Der schöne Reiter ist ein wahres ritterliches Musterbild, wie es ein Romantiker ersinnen mochte. Er ist Sänger, Musiker, Maler, ein gewandter Tänzer und Dichter, eine Art romantischer Universalkünstler,[630] eine sensitive Natur, die von einem Liede räthselhaft überwältigt wird. Er ist herablassend, freigebig, geliebt von den einfachen Leuten wie von seinem Herrn. Später hören wir wieder von seinem bezaubernden Eindruck auf die Umgebung und selbst auf Genoveva. Bis auf Tanz und Malerei übt auch Golo hie und da die Künste, die ihm in der Exposition nachgerühmt werden. Diese Charaktervorzüge entsprechen der herrlichen äußeren Erscheinung des Reiters auf dem weißen Pferde. Er erscheint zuerst in lauter Licht und Glanz. Es soll die Möglichkeit in unseren Gesichtskreis gerückt werden, er sei eine Gefahr für Genoveva.[631] Andeutungen dazu fehlen auch im weiteren Verlaufe nicht. Jene ausführliche directe Schilderung Golos am Anfange ist aber für unser Gefühl schon darum entschieden zu breit gerathen, weil wir in der Erzählung seiner Amme noch einmal in Form einer Jugendgeschichte fast dasselbe erfahren, was hier in einfacher Aufzählung gegeben wird. Daran stieß sich der romantische Geschmack keineswegs. Wenn im echten Roman „alles Episode ist oder gar nichts“, warum sollte es im echten romantischen Drama anders sein. Neu im Berichte der Amme ist die Betonung des Wunderbaren in Golos Wesen. Nur seine Abkunft wird noch im Dunkeln gelassen. Die Abstammung des Ritters, sowie die Ursache der wildaufflammenden Leidenschaftlichkeit, die der Leser indessen bereits kennen gelernt hat, wird von der Hexe in astrologischer Sprache, fast in der Art der modernen Vererbungstheorie erklärt. Außer den Mittheilungen der Hexe wird im zweiten Theile wenig über Golo geredet, hier herrscht die indirecte Darstellung durch sein Benehmen und Handeln vor. Aber als Rückblick und Abschluss gibt Siegfried in der Gerichtsscene eine Zusammenfassung der üblen Seiten, die Golo besonders in der zweiten Hälfte des Stückes hervorgekehrt hat. Das Gegenstück zur lobpreisenden Exposition. An dieser Gestalt versucht Tieck auch eine Darstellung fortschreitender Charakterentfaltung. Der psychologische Hauptinhalt der Figur ist die tragische Liebe, welche Tieck sorgfältig in ihrem allmählichen Emporwachsen zeichnet. Golos Frage nach der „schönen Gräfin“ ist die erste Andeutung. Das Bemühen, an Genovevas Seite zu bleiben und die Frage „wo ist die Gräfin“ als Anfangsworte einer Scene sind ein kleiner Schritt nach vorwärts. Über die weitere Entwickelung des seelischen Processes unterrichten den Leser hauptsächlich Monologe, daneben der Dialog mit Gertrud und eingeschaltete Lieder. Golo möchte sich anfangs gegen die Wandlung in seinem Inneren noch wehren. Er verehrt Genoveva nur erst „mit stummer Inbrunst und aus frommer Ferne“. Genoveva versteht ihn nicht und Golo wird traurig. Ein Monolog sagt dem Leser wieder, dass bereits das ganze Innere Golos in leidenschaftlichem Aufruhr tobt, und dass es für ihn kein Zurück mehr gibt. In Liedern und andeutenden Worten sucht der Schmachtende sich seiner Herrin verständlich zu machen. Allein sie versteht ihn wieder nicht. In der Gemäldescene erklärt er zunächst in versteckter Umschreibung und endlich offen seine Liebe und wird abgewiesen. Bestürzung. Bald tritt auch das sinnliche Moment, das sich bisher nur schüchtern zeigte, deutlicher hervor und im langen Monologe der Gartenscene überströmt es schrankenlos die höhere, seelische Empfindung. Bis hieher lässt sich ein sorgfältig abgewogenes Crescendo der allmählich um sich greifenden Leidenschaft beobachten. Vor der Peripetie erleidet die Darstellung einen kleinen Stoß. Der kurze Zornesausruf gegen das „Heuchelbild“ (Genoveva)[632] und gegen den „Heuchler“ Drago[633] ist eine gewisse Vorbereitung für das Kommende. Aber nach meiner Empfindung hat Tieck diese vorbereitenden Momente zu flüchtig behandelt. Die Liebe Golos, die neben seiner Rachsucht noch fortdauert und ihn zwei weitere vergebliche Anträge im Gefängnis versuchen lässt, vermag den plötzlichen Umschlag in Golos Gesinnung auch nicht überzeugend auszugleichen. Eine Häufung des gleichen Motives ist die weitere Folge. Fünf Liebesanträge zwischen den zwei nämlichen Personen! Das Volksbuch ist dabei keine Rechtfertigung. Es ist es höchstens für den Romantiker. Auch das widerliche Benehmen des Ritters gegen eine hochschwangere Frau, an dem sich vielleicht die Holzschnittmanier des Volksbuches nicht stößt, wäre in der modernisierten Darstellung besser weggeblieben. Von diesem Punkte der Dichtung an wird Golo eine Zeitlang äußerlich activ und charakterisiert sich so indirect. Bei der Gefangennahme, bei der lügnerischen Botschaft an Siegfried, beim Betrug durch die Hexe und bei Vollstreckung des Urtheils greift Golo überall kräftig und leitend ein. Er benimmt sich dabei noch mürrisch gegen seine Umgebung. Nach Genovevas Verstoßung kommt wieder das Lyrische mehr zum Vorschein, Reue und Sehnsucht nach dem Zerstörten. Solange also Golo ein seelisches Ziel vor sich hat oder sein Sehnen an einem entschwundenen Glücke haftet, waltet das Lyrische vor; als ihm dieses Ziel eine Zeitlang aus den Augen schwindet, wird er von den Ereignissen ergriffen und muss sich selbst äußerlich activ zeigen. Trotz einiger Widersprüche und der überflüssigen Häufung directer und indirecter Charakteristik, was sich eben alles aus den romantischen Anschauungen heraus erklären lässt, ist die Gestalt Golos und besonders die Schilderung seiner Liebe eine bedeutende Leistung. Schon im „Blaubart“ hatte es Tieck ähnlich versucht, die Neugier der Agnes „von der leisesten Anregung allmählich zu einer unwiderstehlichen Gewalt“ sich steigern zu lassen, wie A.W. Schlegel rühmend anmerkte.[634] In verwandter Weise wechseln directe und indirecte Charakteristik bei den Nebenfiguren. Das Thun des „wackeren“ Grafen Siegfried gibt dem harten Urtheile der Amme, er sei „wenig behend und sinnreich“, vielmehr „blöden Sinnes“ zum Theile Recht. Das Kind Schmerzenreich will Tieck nicht recht gelingen. Neben einzelnen herzlichen und kindlichen Worten spricht der unschuldige Sohn des einsamen Waldes wieder viel zu unterrichtet und zu altklug von der bösen Welt und vor lauter Frömmigkeit vergisst er den natürlichsten und unschuldigsten Antheil am Tode seiner Mutter. Die Amme trägt ein paar deutliche markante Züge, sie ist geschwätzig und eine lügnerische Kupplerin. Aus Liebe zu Golo geht sie von Genoveva zu ihm über und hilft, ihre Herrin verderben. Das Motiv der Liebe zu ihrem Pflegesohne tritt aber an entscheidenden Stellen viel zu wenig hervor. Daher fehlt auch ihrer Gestalt das Gerundete, und wir sind unbefriedigt. Die übrigen Menschen zeigen immer nur den einen oder anderen Zug. Soweit sie Träger verschieden abgestufter Religiosität sind, wurden sie schon charakterisiert. Sie sind alle mitsammen ziemlich blasse nebelhafte Schemen. Bei der Würdigung von Tiecks Charakterisierungskunst kommen also eigentlich nur Genoveva und Golo vornehmlich in Rechnung. Sie sind in ihrer äußeren Erscheinung zwar einheitlich, aber für ein Drama, das nur auf einer Phantasiebühne spielt, vielleicht nicht deutlich und scharf genug gezeichnet. Nicht ganz consequent durchdacht ist ihr inneres Wesen. Man freut sich aber, dass wenigstens ein positives und sogar ein reiches innerliches Leben da ist, das vielen anderen Figuren mangelt, bei Genoveva religiöses Empfinden, bei Golo leidenschaftliche Liebe. Die directe Charakteristik wird reichlicher verwendet, als nöthig wäre. Genoveva ist fast ganz ein ruhendes, beharrendes Charakterbild. Golo ist zwar beim ersten Erscheinen auch zur Hälfte fertig gezeichnet, jedoch das Wachsen seiner Liebe, das Misslingen seiner Absichten und die Folgen davon bringen Bewegung und Fortschritt in sein Dasein. Er ist gewissermaßen der unstäte, veränderliche Mensch neben Genoveva, die als geborene Heilige fast wandellos über dem Irdischen steht, wie ein Heiligenbild in der Kirche, das heute in demselben Gold- und Farbenglanze erscheint, wie längst und ehedem. Siegfried, Gertrud und die anderen untergeordneten Personen zeigen nur die eine oder andere Willensregung und bleiben, was sie im Anfang sind. Für diese Nebenfiguren ist Merkels Spöttelei nicht ganz grundlos. Er schreibt nämlich:[635] „Haben seine (Tiecks) Personen uns gesagt: ‚ich bin das!< und sie kommen nach einer Reihe von Jahren wieder, so wissen sie nichts zu sagen, als: ‚ich bin es noch!‘“ Übrigens redet später Tieck selbst Solger gegenüber mit großer Objectivität von seinen Geschöpfen.[636] Mit Golo und Genoveva ist er noch zufrieden. „Nicht wahr, Golo ist fast durchaus, was man in der Malerei im edelen, großen Styl nennt? So das Meiste in Genoveva.“ „Im großen Styl“ nennt sonst Tieck Menschen voll mächtiger Leidenschaft im Gegensatz zu den kleinen, sanften, idyllischen Erscheinungen. Bei Genoveva kann er nur an das pompöse religiöse Pathos denken, wenn er vom „großen Styl“ spricht. „Otto, Karl Martell, Aquitanien, die Saracenen sind vielleicht gut gedacht als Gegensatz, aber ihre Großartigkeit ist manieriert; die Dienerschaft, Drago, selbst Wolf, Heinrich sind dem zu Ausgemalten gegenüber gleichsam nur in Umrissen.“ Wie in der Composition, so stellen sich auch in der Stilisierung hie und da jene künstlichen Parallelen und Contraste ein, die Tieck so gerne einflicht. Golo wird als überaus herrlicher Junker in breiter Exposition eingeführt und stirbt schließlich als Verbrecher. Genoveva tritt daneben recht bescheiden in kurzer Erwähnung ein, am Ende ist die Schilderung der Heiligen lauter Glanz und Herrlichkeit. Andererseits werden beide auch anfangs mit heimlicher Andeutung nebeneinandergestellt als „edler Herr“ und „edle Gräfin“, am Ende sind sie weltweit voneinander getrennt. Wenn der Schäfer aufzählend, Gertrud erzählend an der Hand der Jugendgeschichte Golos gute Eigenschaften entwickeln, so rundet es sich wie eine Art Chiasmus ab, wenn in der zweiten Hälfte zuerst die Hexe durch die Erzählung von Golos Herkunft und Siegfried wiederum aufzählend in der Anklagerede die Schattenseiten seines Charakters vorführen. Das „Zurückbeleuchten aller früheren Gedanken“ lobt Tieck einmal auch an Solgers Darstellungsweise. Golo und Genoveva theilen mit ihrer äußeren Erscheinung dasselbe Schicksal, die körperliche Schönheit beider wird zur Hässlichkeit: Golo jedoch ist auch innerlich hässlich geworden, Genoveva wurde (oder blieb) eine Heilige. Es scheint zu Tiecks eigenstem künstlerischen Wesen zu gehören, dass sich ihm leicht und von selbst solche leise, unter der Oberfläche halb versteckte Beziehungen und Zusammenhänge anspinnen. Diese Neigung und eine idealisierende Allgemeinheit müssen wir als kennzeichnende Seite seiner Charakterschilderung festhalten. Über allerlei Widersprüche innerhalb der Charaktere gleitet der Blick des romantischen Dichters sorglos hinweg und der Meister der lyrischen Stimmung ist zufrieden, wenn die einzelne Scene ihren richtigen „Ton“ erhält, wenn die Scenen bunt und mannigfaltig wechseln und erst das Ganze sich wieder zu einer gewissen Einheit zusammenschließt. „Vernünftiges Chaos.“ 6. Der Stil. Vom Charakter des romantischen Stiles, wie er sich in der Blütezeit der Schule (1797-1801) entfaltet, gibt Petrichs kleine Schrift „Drei Kapitel vom romantischen Stil“,[637] ein sehr lehrreiches Bild. L. Tieck steht theilweise im Mittelpunkte dieser Untersuchungen und auch auf seine „Genoveva“ wird in manchen Punkten Rücksicht genommen. Da Petrich aber eine zusammenfassende übersichtliche Darstellung im Auge hatte, so konnte eine einzelne Dichtung nach ihrer sprachlichen Seite naturgemäß nicht erschöpfend betrachtet werden. Indem ich dankbar annehme, was der Vorgänger bietet, versuche ich, die Untersuchung der einen Dichtung Tiecks zu vervollständigen. Im Sprachstile müssen wir immer den künstlerisch-sprachlichen Ausdruck dessen suchen, was die dichterische Einbildungskraft innerlich im Geiste sich formte, und Hauptaugenmerk der stilistischen Untersuchung muss es sein, die Wechselbeziehungen zwischen Inhalt und Ausdruck soweit als möglich zu verfolgen. Tiecks „Genoveva“, die inhaltlich eine romantische Universalpoesie im kleinen sein möchte, bildet ein sehr buntes Conglomerat von Motiven und Stimmungen. Man darf da im vorhinein nicht allzuviel von einem einheitlichen Stilcharakter erwarten. Ein solcher war vielleicht nicht einmal vom Dichter beabsichtigt. Da es den vorhergehenden Beobachtungen wenigstens gelang, drei wichtige Elemente zu greifen, welche die Dichtung zumeist beherrschen und ihre Physiognomie wesentlich bestimmen, das Religiöse, das Alterthümliche und ein eigenartiges Naturgefühl, so liegt es auch nahe, diese Grundströmungen in der Stilisierung zu verfolgen; denn diese eigenartigen Stimmungen müssen sich in angemessenen, eigenartigen Worten und Bildern äußern, um dem Gemüthe des Lesers wiederum ähnliche Stimmungen zu suggerieren. Die von der Naturphilosophie vielfach befruchtete Weltanschauung der meisten Romantiker ahnt und sucht hinter der sichtbaren Welt eine höhere, unsichtbare, geistige, und bemüht sich ohne Aufhören mit verlangendem Seherblick in dieses unbekannte Jenseits einzudringen. Das gibt auch ihrer Stilistik ein eigenartiges Gepräge.[638] Tiecks „Genoveva“, die nur an einzelnen Stellen von der Naturphilosophie berührt wird, ist überwiegend von der christlich religiösen Auffassung beherrscht. Die transscendentale Welt und was sonst zur Religion gehört, ist darum hier zum größten Theile identisch mit den christlichen Anschauungen von Leben und Jenseits und wird nur in geringerem Maße von Naturphilosophie und Böhmes Theosophie bestimmt. Die Stilmystik -- ein von Petrich geprägter Terminus -- in der die Beziehungen zwischen Welt und Überwelt sich spiegeln, wird darum hier eine vorwiegend christliche Färbung annehmen, die „Gefühle der Andacht“, „die Wunder der Legende“, das „Unglaubliche“ werden in erster Linie eine christliche Sprache reden. In ziemlicher Anzahl verwendet Tieck in der That religiöse Ausdrücke und Wendungen, wie sie in Gebet und Predigt und in Erbauungsbüchern einen ständigen Wortschatz bilden, z. B. „erbauen“, „frommes Herz“, „liebe treue Seele“, „unsere heilige Religion“, „Inbrunst“, das Schlusswort „Amen“, die fromme Grußformel: „Es segne Euch der Herr, behüte Euch, er sei mit Euch auf allen Euren Wegen“ oder „Nun gute Nacht, der Herr mag Euch bewahren mit seinen auserwählten Engelschaaren“ oder „Schön warmer Tag. Gelobt sei Jesus Christ“. Karl Martell citiert betend die Psalmworte: „Gedenk’ nicht meiner Sünde! Geh’, o Herr, nicht mit mir in’s Gericht!“ Biblische Worte werden verwendet in der Schilderung der Visionen,[639] in Dragos Erbauungsrede[640] und vereinzelt noch öfter. Genoveva gebraucht ein paarmal die Worte des Vaterunser.[641] -- Mit religiösen Gewohnheitsphrasen, wie „was Gott mir beschieden“, „mit Gottes Hilfe“, „wollte Gott“, „bewahre“, „Gott lass es ihm wohl geh’n“, „Gott helf’ mir meiner Sünde“, „Gottlob“, „Herr Gott“, „heiliger Gott“, „Gotteswelt“ u. dgl. ist Tiecks Stück reichlich bedacht und diese verschiedenen Ausrufe und Anrufe werden hier ohne Unterschied von guten und schlechten Christen gebraucht. Die Gefühle der Andacht entfalten sich im Gebete und in der frommen Betrachtung. Das Gebet erscheint in der „Genoveva“ gewöhnlich in der Form des feierlichen Anrufes. „O Auge Gottes, das vom Himmel schauet, nimm Du ihn gern in Deinen großen Schutz“...[642] Ein wenig lahm klingt daneben Karl Martells Aufforderung zum Preise Gottes an die Umgebung:[643] „Der Herr hat wundervoll für uns gestritten, man preise ihn durch laute Freudenlieder, man bring’ ihm Dank und lasst uns kindlich bitten.“ Die religiöse Belehrung und Ermahnung kleidet sich gern in die Form der Anrede. „So wird Euch Gott mit seinem Schirm geleiten...“[644] Wir finden auch die allgemeine Form des betrachtenden Vortrags, der nur lose in den Dialog eingehängt erscheint. Hieher gehört die Rede des Kapellans an Genoveva,[645] sowie die Betrachtung Dragos über die irdischen Leiden.[646] Da diese an die Lesung der Legende anknüpft, so gemahnt sie schon an jene Art von Predigten, die Novalis schreiben wollte. Noch mehr ist dies der Fall, wenn sich eine solche Rede an eine kleine Gemeinde richtet, wie Wendelins Erklärung der Heiligenbilder.[647] Um den Krieg Karl Martells als Kreuzzug erscheinen zu lassen und den Enthusiasmus des frommen ritterlichen Kämpfers zum Ausdruck zu bringen, nimmt der Dichter eine Reihe stilistischer Mittel zuhilfe. Mit Wendungen, wie „heiliger Krieg“, „für Christum fechten“, „in Christ bestehen“ und verwandten Phrasen wird nicht gespart. Es wird immer an Stellen, wo man hin und wieder auch „die Feinde“, „die Unseren“ erwarten möchte, consequent „die Heiden“, „die Saracenen“, „der Muselmann“, „die Ungetauften“ und auf der anderen Seite „die Christen“ eingesetzt. Die Mohren rufen: „Mahom!“ „Allah!“ „Beim Allah!“ die Christen: „in Gottes Namen denn!“ „Herr Christ, magst mir im Streit beisteh’n!“ u. s. f. Gegen Ende der Dichtung sehnt sich alles nach der Ewigkeit und diese Sehnsucht spricht auch aus manchem eigenthümlichen Worte heraus. Genoveva blickt aus der Wüste aus „in das schöne Land“.[648] „Schon schlaf’ ich ein, schon zieht mein Geist von hinnen.“[649] „O lass sie zieh’n, denn das ist ihr Verlangen, nach Himmelslichte steht ihr frommer Sinn.“[650] „Sie geht voraus, wir kommen nach in unsers Vaters Haus.“[651] „Ach Gott, magst... uns auch ein feines, sel’ges Ende geben.“[652] „Siegfried hofft in Gottes Licht zu funkeln.“[653] Das Leben ist eine „Wallfahrt“ nach dem Himmel. In all diesen Worten der Himmelssehnsucht liegt wegen ihrer schlichten Einfachheit eine große Kraft und immer erwecken sie die Vorstellung vom Hinwegsehnen und Hinausblicken aus dieser Welt nach einem fernen, schönen, seligen Lande. Dies gibt den letzten Theilen der „Genoveva“ einen sanften, wehmüthig-frohen Anhauch, der sich recht glücklich mit der großen Stille und Einsamkeit zu poetischer Wirkung eint. Wie wir früher die Poesie des Fernen in die Naturstimmung hereinklingen hörten, so mengt sich hier mit anderen religiösen Empfindungen dieser echt romantische Sehnsuchtsklang, den wir noch in Eichendorffs „Ewig träumen von den Fernen“ deutlich vernehmen. Ein Lieblingswort Tiecks und der Romantiker ist das Wörtlein „wunderbar“[654] und daran reihen sich verschiedene Synonyma. Nicht bloß das eigentlich Wunderbare wird bei Tieck als solches bezeichnet, sondern „wunderbar“, „wundervoll“ u. s. w. begegnen uns auch dort gerne, wo es sich nur um etwas Außerordentliches im gewöhnlichen Sinne handelt. Wir hören von Golos „wunderbarer Tugend“. Zulmas Thun ist „wundervoll“, sie ist ein „wunderbares, unglückselig Weib“. Die Saracenenschlacht ist „wundervoll“ und „wundersam“. Genoveva ist für Golo ein „Wunder“, sie „weckt die hohen Wunder auf aus verborgenen Tiefen“. „Wunder über Wunder“ ruft auch Gertrud bei Genovevas Einkerkerung. Dann begegnen uns wieder „Wunderschein“, „wunderthätig“, „wunderlich“, „Zauber“, „Zauberschein“ neben häufigem „seltsam“, „seltsamlich“. Solche Wörtchen sind allerdings einzeln genommen fast gewichtlose Atome, in Masse aber die Sprache erfüllend, sind sie imstande, selbst jenen Theilen der Dichtung, die nicht gerade Sammelpunkte religiösen Empfindens sind, eine Art religiöser Färbung zu verleihen und in uns beständig das Gefühl des Außerordentlichen anklingen zu lassen. In einer Dichtung, die das Unglaubliche in Verbindung mit der nächsten, überzeugenden Gegenwart zeigt, muss auch das Irdische dem Wunderbaren etwas näher gerückt werden, damit sich für unsere Phantasie nicht eine zu unübersteigliche Kluft zwischen beiden Welten aufthut. Das Wunderbare entfaltet aber seine besonders blendende Leuchtkraft in den Wundern und Visionen, die der Dichter jedesfalls selbst als die Gipfelpunkte des Religiösen in der „Genoveva“ ansah. Beide werden fast immer in Erzählungsform vorgeführt. Genoveva erzählt jedesmal selbst ihre Vision in einer feierlichen Rede, die von Vergleichen und Bildern förmlich überströmt. Alles, was Bilder von Licht und Glanz, von Gesang und himmlischem Klang in unserer Phantasie erwecken kann, wird zuhilfe gerufen, um den Eindruck der übernatürlichen Herrlichkeit zu erwecken. Dasselbe gilt auch von den Wundern in der Wüste, soweit sie mit himmlischen Dingen in Verbindung stehen. Die epische Erzählung wird gelegentlich mit Lyrik durchwoben. Der Dichter lässt die Erzählerin das einemal direct sagen, wie ihr zumuthe war. „Da fühlt’ ich erst die Kraft der Religion...“[655] „Mir war, als schaut’ ich schon den höchsten Thron...“[656] Ein andermal wieder erzählt der Dichter selbst: „Das kam wie Blumen um sie her entsprossen...“[657] Die überirdischen Dinge, die hier der Dichter schildern soll, sind Vorstellungen, die jede deutliche Darstellung, alle scharfen Contouren ausschließen, und Tieck wie seine Genossen lieben das Unbestimmte, Verschwimmende, weil es die Stimmung des Unendlichen erweckt. Darum die unbestimmten Vergleiche und hypothetischen Wendungen. Das Unbestimmte wird denn auch manchmal direct betont. „Wie er gestaltet, kann ich niemand sagen, was ich gefühlt, kann keine Zunge sprechen.“[658] Hypothetisch heißt es: „Wie wenn das Morgenroth die Knospe wäre...“[659] „Mir war, als schaut’ ich...“[660] „Ich war in Angst, ich möchte...“[661] In der Schilderung der letzten Vision fallen aber die unbestimmten syntaktischen Fügungen weg. Es soll auch durch die Sprechweise der Eindruck erzielt werden, dass Genoveva, in die himmlischen Mysterien bereits eingeweiht, sich schon sicherer in diesen erhabenen Sphären fühlt. In der Darstellung dieser hohen Dinge herrschen die langen Perioden vor. Der großartige Inhalt und die Stanze fordern eine breitausmalende, reich hinflutende Sprache. Für die mehr märchenhaften und rührenden als eigentlich hohen Wunder von der Hirschin und den zutraulichen Thierlein der Wildnis sucht der Dichter auch seiner Sprache einen mehr naiv herzlichen Ton zu geben. „Komm, fromme Hirschin, du mir zugesandt, du blickst mich an mit treuen, lieben Augen.“[662] Besonders müssen hier die Deminutiva mithelfen.[663] „Die Vöglein sich auf Hand und Häuptlein schwungen...“ „Gieng’s Kindlein aus... so liefen auch die frommen Tierlein mit.“ „Die Tierlein kommen schon... die Vögelein sind dort...“ Die kindliche Sprache, die von den „Händen“ der Thierlein, eine Sprache, wo der Sprecher von sich in der dritten Person redet, ahmen die Worte Schmerzenreichs nach:[664] „Wo Kräuter sind, da setzen sie die Hände, Dass Schmerzenreich sie desto bälder fände.“ Das Unheimliche, Ungreifbare der düsteren Geistererscheinung fordert wieder andere sprachliche Mittel. Unbestimmte Ausdrücke und Vorstellungen, die aber alle auf Grauen und Schrecken, auf Unheimliches hinzielen, wirken hier zusammen.[665] Situation: „In einer Nacht...“ Siegfried „dünkt es“, dass ein „Wesen“ (also ganz unbestimmt, welcher Art) in seine Kammer trete. Das Wesen aber hebt „die kalte Hand“, sein „todter Blick verkündigt Pein und Jammer“. Es wächst das Gespenst so halbdeutlich aus dem Dunkel heraus. Es wälzt sich ins Bett, beim Hilferuf verschlingen es die Wände, es ist ein „Geist“. Das „Gespenst“ erscheint wieder, es verwirrt Siegfried „Sinn und Glauben“, es macht ihn kalt erschaudern, es starrt mit todten Blicken. Als sich Siegfried hilfbereit erklärt, erhebt es die weißen Finger und winkend fängt es an hinwegzuschleichen. All diese Merkmale und Handlungen des Gespenstes in den angeführten charakteristischen Wendungen wirken sehr gut zum einheitlichen Eindruck des Unheimlichen zusammen. Wunder und Visionen werden vom Dichter meist und zwar in bewusster Absicht episch dargestellt und dieser Umstand verdient auch Beachtung. Der Epiker hat nach Tiecks Ansicht dem Wunderbaren gegenüber eine leichtere Stellung als der Dramatiker. Denn in der Erzählung wird das Wunderbare nicht so lebhaft vor das kritische Auge geführt als auf der Bühne und der Leser sieht es nur durch das Auge des Dichters. Die wunderbare Hirschin, Tod und Engel treten aber nichtsdestoweniger in der „Genoveva“ auf die Bühne. Um für ein solches Wunder Glauben zu erlangen, gilt es, dasselbe gehörig vorzubereiten, damit wir es als glaublich hinnehmen. Das thut Tieck auch. Wir leben bei ihm in einer wunderbaren Welt von Anfang an. Als dichterischer Traum ist das Ganze gedacht. Eine verwirrende Mannigfaltigkeit lässt den Geist nie so lange auf einer Erscheinung haften, dass diese allzu reale Existenz gewänne. Das katholische Mittelalter und das Gebiet der Legende ist für Tieck ein wunderbarer Boden, auf dem nichts Unglaubliches und Wunderbares überraschen kann. Der religiöse Ton der Sprache hält uns ziemlich das ganze Stück hindurch in der religiösen Sphäre fest. Die „wunderbare“ Schlacht, der „Unbekannte“, die Erzählung der ersten Vision, Astrologie und Hexenkunst, die Rettung aus Mörderhand gehen voraus. Dann folgt das geringere Wunder mit der Hirschin, darauf die Erzählung der großen Wunder in der Wüste, und nun ist „der richtende Verstand soweit eingeschläfert“ und die Phantasie an das Wunderbare gewöhnt, dass selbst eine leibhaftige Engelserscheinung die künstlerische Illusion nicht mehr zerstören kann. Zu diesen Erwägungen gelangt man zwanglos, wenn man Tiecks Gedanken über das Wunderbare bei Shakespeare sich in Erinnerung ruft.[666] An einzelnen Stellen tritt in der Genoveva eine mystische Naturphilosophie auf, die sich mit Jakob Böhmes theosophischen Phantasien gerne vermengt. Wie dabei auch sprachlich ein Gemisch aus Altem und Modernem entsteht, zeigte uns die Betrachtung des Jakob Böhme’schen Einflusses auf die „Genoveva“. Auch der einzelnen pantheistischen Wendungen wurde schon gedacht. In die fromme Legende spricht zuweilen das Schicksal oder die unheimliche Natur ein düsteres Wort hinein. „Das Schicksal hat es so gefügt“, „die Fäden des Schicksals verlaufen“, ein geheimnisvolles „muß“ oder die unbestimmte Wendung „uns selber nicht gehört das ird’sche Leben“ sagen, dass ein unerklärtes und nur dem ahnenden und schauernden Gemüthe fühlbares Etwas den Menschen treibt und lenkt. Das Schicksal ist eine „wilde Macht, vom Himmel heruntersiegend“. „Oben das böse Verhängnis lacht.“ „Himmel und Erd’ in ihrer Gewalt uns hegen, Die Sternenkreis’ um uns Gewinde legen, Allseitig in Ketten der hohen Natur geschlagen, Welche Kraft will sich durch all’ diese Netze wagen.“[667] Ähnlich sagt Golo von seiner Leidenschaft: „Hält mich ein Zauber doch in ehernen Netzen...“ Das ist die Sprache des Tieck’schen Naturfatalismus. Jedes Wort und jede Wendung soll ein Ausdruck des unheimlichen und unfassbaren Bangens und Schauerns vor dem eisernen Schicksalszwange sein und diese fatalistische Stimmung auch dem Leser mittheilen. * * * Mit der Vorliebe Tiecks für das Poetische an den „alten Urkunden“ deutscher Poesie wuchs in ihm zugleich die Vorliebe für den archaistischen Stil.[668] Die Vorliebe führte zur Nachahmung und so tragen besonders jene Schriften, die in den Jahren der Freundschaft mit Wackenroder oder aus den Anregungen dieser Jahre entstanden, das alterthümliche Stilkleid in wenig verändertem Zuschnitte an sich.[669] A.W. Schlegel[670] betrachtet es 1801 als ein gutes Zeichen an der romantischen Dichtergeneration, dass sie auf die ältere, poetischere Sprache zurückgreift. Er meint, die Dichter seien berechtigt, nicht nur bis ins 17. Jahrhundert, „sondern bis zu den ältesten Denkmälern unserer Sprache zurückzukehren, um das brauchbare Veraltete, das noch verständlich sein kann, zu erneuern; wobei es sich zeigen wird, dass wir reicher an einheimischen Schätzen sind, als wir wissen“.[671] Nur ist es heute nicht mehr ganz leicht, den archaisierenden Charakter der romantischen Werke richtig abzuschätzen und auf die Bestrebungen dieser Dichter einzugehen; es liegt die Sache hier ähnlich, wie beim Costüm. Der Leser, der an Freytag und Scheffel sich seine Vorstellungen vom archaisierenden Stile bildete, bringt andere Forderungen und Vorstellungen mit, als der Leser, der vor hundert Jahren von den Werken der Classicisten kam. Wielands „Geron“ und Goethes „Faust“ waren nur vereinzelte Erscheinungen mit ähnlicher archaisierender Sprache. Vollends fremdartig erscheint uns, was Tieck selbst in der Zeit seiner alterthümelnden Schwärmerei eigentlich alles als Archaismus und somit als sprachlichen Vorzug einer Dichtung gelten ließ. Dies seine eigene Erklärung:[672] „... das Zufällige, Entstellte, die Abkürzungen, die oft die Sache dunkel und unverständlich machen, die Ungeschicklichkeit der Abschreiber und Umarbeiter, ja Schreib- und Druckfehler können am Ende, wenn die Vorliebe schon bis zum Phantastischen gesteigert ist, diesen Dingen (Volksbüchern) einen Wert geben, der natürlich bei abgekühlter Überlegung wieder verschwindet“. Diese seltsame Vernarrtheit in alles, was mit den alten „Schartecken“ zusammenhieng, lässt vielleicht manches in Tiecks eigener alterthümelnder Sprachweise als absichtlich und gewollt erscheinen, was man gerne im ersten Augenblicke als Druckfehler und Schleuderhaftigkeit ansehen möchte.[673] Denn nach seiner angeführten Erklärung kann eigentlich alles, was den Regeln der gewöhnlichen Schriftsprache laut oder leise Hohn spricht, als Archaismus sein Dasein rechtfertigen. Zu so argen Consequenzen kam er übrigens in seiner dichterischen Praxis glücklicherweise nicht. Aber manches wird nur vom Gesichtspunkte jener Äußerungen aus verständlich. Nicht alle in der „Genoveva“ eingestreuten Archaismen wirken gleich mächtig auf die Phantasie des Lesers. Am sichersten und kräftigsten wird diese von jenen Worten und Wendungen in die alte Zeit zurückgelenkt, die wirkliche Thatbestände einer vergangenen Culturperiode ausdrücken. Wenn Siegfried „seinem Lehensherrn“ Karl Martell als „wackrer Grafe“ dient, wenn er den „Knaben“ Golo zum „Vogt“ seines Schlosses bestellt, wenn von „Freien und Vasallen“ die Rede ist, wenn Golo mit der „Armbrust“ auf der Jagd erscheint, so haben wir Worte vor uns, von denen jedes uns direct ins Mittelalter, oder wenigstens in eine ältere Zeitperiode (die Romantiker rechnen auch das 16. Jahrhundert noch zum Mittelalter) hineinführt. Mit dem bloßen Worte wird ein Complex von Vorstellungen älterer Culturzustände und Thatsachen vor unserer Phantasie sichtbar. Auch der „Sternengucker“ und die Hexe mit ihrem mystischen Welsch aus Jakob Böhme vom „Figurieren“ und „Korporieren“ etc. versetzen uns in eine ältere Zeit zurück. Solche Archaismen ersten Ranges, wie sie wohl heißen könnten, sind in der „Genoveva“ nicht sehr häufig. Umso zahlreicher begegnen uns archaistische Worte, Wortformen, Wendungen und syntaktische Fügungen, die, über die Diction reichlich hingestreut, mehr äußerlich das alterthümliche Colorit verstärken helfen. Auch hier kommt nicht die Herkunft der Worte aus einer bestimmten älteren Periode, sondern aus einer älteren Zeit überhaupt in Betracht. Das ehrende Epitheton trefflicher Leute ist „wacker“. Wir lesen weiters „empfahen“, „Mauren“, „doppel“, „gläuben“, „fleug“, „zeucht“, „verbeut“, „beut“, „geneust“, „dann“ und „wann“ für „denn“ und „wenn“, „anjetzt“, „hernacher“, „heraußer“, „annoch“, „zumal“, „alleweil“, „allhie“, „allhier“, „letzt“ = jüngst, „was“ als Conjunction für „wie“, „mit erstem“ = bei nächster Gelegenheit, „weil“ = während, „inskünftige“, „Urtel“, „Trutz“, „Schalk“ in der alten Bedeutung, „dick“ = dicht, „fein“ (ein „feines sel’ges Ende“), „frei“ als hervorhebendes Adverb, „spat“. -- Es finden sich vollere Formen aus der älteren Zeit. Die Anredeform „Lieben“, „lieben Brüder“, „lieben Freunde“. Dann „Grafe“, „Glücke“, „Herre“, „Gotte“, „Herze“, „Hofemeister“, „Siegefried“, „zurücke“, „drinne“, „leichte“, „edele“ etc. Nach Analogie dieser volleren Formen scheinen „deine“ = dein und „im Maie“ gebildet zu sein. Alterthümlich gemeint sind auch verkürzte Formen, wie „(ge)kommen“, häufiges „all“ = alles, „mal“ = einmal, „Wohlgefall“, „Kriegsmann(en)“, „schlug“ = erschlug, „ließest“ = verließest, „schüchtern“ = einschüchtern, „barmte“, „bost“, „rückkehren“, „mein(e) Genoveva“, „vorteilen“ = übervortheilen, „(er)kennen“, „(be)gründen“, „schweigen“ = schweigen machen, „du willt“ = du willst, Präteritalformen, wie „schwungen“, „sungen“, „erklungen“, „gepreist“, „rennte“, „sie hätte mir bekennt“. Tieck verwendet Ausdrücke, die der gewöhnlichen neueren poetischen Sprache fremd sind. „Den Tod den Sündern geben“ = von der Hand der Sünder sterben, „er wäre besser (tauglicher), bei der Meß’ zu dienen“, „kann ich in’s Lager ein Gespötte bringen?“ „die Zunge rollt im Kopfe“, „als Bote stehen“ = das Botenamt versehen, „ein wachsam Auge führen“, „Rede geben“, „verkehren“ = moralisch schlecht machen, „die Töne thaten zu mir“, „die Erde muss geöffnet sein“ (werden), „damit es ein frommes Christenkind erfunden wäre“ (würde). -- Bei zusammengesetzten Ausdrücken fällt mitunter ein Bestandtheil weg. „Es geht (mit) uns schief“, „ich halte Euch (für) krank“, „denk (an) des Geduld, der dorten hängt am Kreuz“, „schon (ist es) Glück genug“, „(es) mag wohl (sein)“. Auch allerhand syntaktische Kühnheiten und Unebenheiten müssen nach Tiecks Auffassung zum Archaistischen gerechnet werden. Es wird z. B. der Satz ohne vorausgehendem Comparativ mit „als“ fortgesetzt. „Betet... kreuzigt die Brust, als dass Ihr so die heil’ge Kirchenstille stört“, „es ist Pflicht, man lässt sie nicht allein“, dass die Berge „von dem Hall geschlagener Waffen, Schilderklang ertönen“, „er sei der Dein’ im Tode oder Leben“, „(es) schwung sich (etwas) über meinem Haupte, wie ein Singen“, „wie (sie) Leib und Blut an Christi Tisch genossen, so mussten sie zum Dank ihm beides bringen“, „Ihr glaubt doch nun, was Ihr geseh’n, ihn Sünde mit der gnädigen Frau begehen“, „zu spät umzukehren (= da es zu spät ist, dass ich umkehre), muss der Frevel ewig währen“, „(ich) fürcht’ mich“, „es ist in wilder Wüst’ all’ ihre Lust, und (sie) fürchtet...“. Die Zaubersprüche der Hexe, welche den Zweck haben, Siegfrieds Sinn zu verwirren, sind darum auch selbst syntaktisch verworren. Auch die Stanzen des heil. Bonifacius sind im Satzgefüge oft recht bequem gehalten. Z. B. „ihr war, als muß (müßte)“, „sie vernimmt im leisen Chore singen...“, „Das Bild streckt seinen Arm in während Klingen“. Zu den Eigenthümlichkeiten aus älterer Zeit gehört noch der Gebrauch des adversativen „und“. „Hoffend, und ich ward verstoßen“, „Eine Schlacht! Und bedenkt Ihr denn nicht...“, „Unschuldig ach! Und keiner steht mir bei“. Wir finden die Construction mit „thun“. „Sense thut schon blinken“, „Kein Gedanke mich hier erreichen thut“. Das Perfectum statt des Präteritums: „hat sie dann gesprochen“, „und wenn’s vor Kälte zittern dann gemußt“. In manchen Fügungen hört sich auch die Nachstellung des Attributes ein wenig alterthümlich an. „Es schändet Dich als einen Christen rein, verbunden mit dem Mohrenweibe sein“, „ein Ritter bieder“, „o Crucifix, o Jesu Christe bieder“, „dieser Knabe fein“. Entschieden archaisierend ist wiederum der Gebrauch lateinischer oder lateinisch flectierter Worte oder halblateinischer Wortformen. „Italia“, „Hispania“, „Carol“, „Carol Magnus“, „Karl Martellus“, „geistlich Regiment“, „Glorie“, „glorreich“, „vom St. Laurentio und Sebastian“, „Abatissin“, „Genovevam“, „Gebete rezitieren“, „das Paternoster nehmen“, „Ora pro nobis sancta Genoveva“. Tieck unterlässt es auch nicht, jenen auftretenden Personen, die er unabhängig vom Volksbuche einführt, gut altdeutsch klingende Namen zu geben, wie Kunz, Wolf, Otho, Günther, Gertrud, Else, Grimoald, Winfreda. „Ich bin der wackre Bonifacius“, „... seid aufmerksam und laßt Euch gern in alte deutsche Zeit zurückeführen“, „vernehmet die denkwürdige Geschicht’ von uns’rer Genoveva heil’gem Leben...“, der belehrende Zuruf an die Leser „o laßt uns alle diesen Wandel führen, daß wir die Tugendkron’ erlangen...“, diese Anreden und Ermahnungen an das Publicum, die altfränkische, naive Art, wie sich der heil. Bonifacius einführt, werden mit Bewusstsein von Tieck angewendet, um den rührenden Ton des alten Volksbüchleins nachzuahmen; denn gerade dieser hatte ihn auch besonders entzückt. In dieser Zeit hält Tieck technische Unbehilflichkeit noch für liebenswürdig.[674] Auf altväterische Herzlichkeit zielen jedesfalls auch die Verbindungen der Adjectiva mit einem „wohl“, „hoch“, „recht“, „aller“ u. dgl. ab. „Liebwerthestes Gemahl“, „dreimal edler Jüngling“, „vor dem allerteuersten Marienbilde“, „recht dunkelrotes Blut“, „allerliebster Golo“, „wohledele Frau Gräfin“, „das allerschönste Glück“, „das allerliebste Wohlgefallen“, „ein einzig armes Mal“, „allerreinste Tugend“. Eine alte Färbung der Sprache unterstützen die Adjectivbildungen auf „-lich“ und besonders die auf „-iglich“. „Bedächtiglich“, „bescheidentlich“, „böslich“, „festiglich“, „fröhlichlich“, „leichtiglich“, „wonniglich“, „sänftlich“, „sündlich“, „seltsamlich“. Erwähnt sei noch die doppelte Negation. „Auch ziemt sich Stolz für keinen Christen nicht“, „nie keine Unthat“, „nimmer keine Lust“... Manche von diesen Proben ließen sich vermehren, ohne jedoch dadurch etwas Neues dem bisherigen Materiale beizufügen, das uns bereits einen Einblick in Art und Weise gewährt, wie Tieck seine „Genoveva“ mit einer künstlichen, archaistischen Patina überzieht. Künstliche „Schreib- und Druckfehler“ zu machen unterlässt er zwar, aber eine gewisse Nachlässigkeit in der Schreibweise, ein absichtliches Abweichen vom Correcten, also eine Tendenz nach jener Schreibart hin, die er an den alten Volksbüchern abgöttisch bewunderte, lässt sich nicht verkennen. Der Reiz des Alterthümlichen und Seltsamen steht dem Romantiker höher als die frostige Correctheit, die man gerne den Rationalisten überlässt. Diese mochten sich aufs neue ärgern, wie sie sich einst über den Stil des „Götz“ geärgert hatten.[675] Wie bei der Behandlung des Costüms geht der Dichter auch hier nicht mit ängstlicher Consequenz zuwerke, er holt sich seine Archaismen nicht gerade aus einer bestimmten älteren Periode unserer Sprache her. Er wechselt manchmal zwischen altem und neuerem Ausdruck ohne ersichtlichen Grund und schreibt einmal „Thurn“, das anderemal „Thurm“, einmal „Grafe“, ein andermal „Graf“; er flectiert die Eigennamen „Christus“, „Genoveva“ bald deutsch, bald lateinisch. Rhythmus und Reim sprechen selbstverständlich in vielen Fällen ein Wörtlein mit, wie sich leicht beobachten lässt. So entscheidet der Rhythmus, ob „Herr“ oder „Herre“, „Siegfried“ oder „Siegefried“, „Hofmeister“ oder „Hofemeister“, „Karl“ oder „Karol“ gesetzt wird. Daher schreibt sich wohl zumeist diese durchgehende Abwechslung in den Formen. Dass Tieck sich auch in der Sprache keinen Zwang in consequenter Anwendung der Archaismen auferlegt, kommt dem Gesammteindrucke nur zugute. Allzu große Ängstlichkeit hierin würde das Alterthümliche nur gezwungener, steifer und verkünstelter erscheinen lassen, als diese leicht aufgetragene Färbung. Trotz der schweren Menge von Archaismen lässt sich andererseits bei einer so ausgedehnten Dichtung, wie es die „Genoveva“ ist, eigentlich nicht von einem Überflusse sprechen und Solgers Urtheil,[676] es sei in diesem Punkte „mehr als räthlich“ geschehen, ist nicht recht verständlich. Wahrscheinlich meint Solger, der jenen extrem romantischen Grundsatz, nach welchem selbst sprachliche Unebenheiten zu archaistischen Schönheiten werden, kaum je anerkannte, dass Tieck seine alterthümliche Sprachfärbung zu oft auf Kosten des neuhochdeutschen Sprachgefühles anstrebte und so kann man das „mehr als räthlich“ in der That auch heute unterschreiben. * * * In der sprachlichen Darstellung des Naturgefühles, das in der „Genoveva“ eine so bedeutende Rolle spielt, zeigt Tieck wieder recht seine Fähigkeit als Stimmungspoet. Die stilistische Behandlung ist hier nicht immer ganz gleichwertig. Dem Romantiker ist es beim Landschaftsbilde weniger um einen bestimmten Inhalt, als um die Seele, um den Stimmungshauch, der über der Naturscenerie schwebt, zu thun, wie uns die Kunstgespräche im „Sternbald“ belehren. Das hier von gemalten Landschaften Gesagte gilt natürlich auch vom dichterischen Landschaftsbild und Novalis kann sich wie Tieck Gedichte denken, „die bloß wohlklingend und voll schöner Worte sind, ohne allen Sinn und Zusammenhang, höchstens einzelne Strophen verständlich, wie Bruchstücke aus den verschiedenartigsten Dingen“. Tiecks Naturstimmungsbilder zeigen nicht selten dieses Zusammenhanglose und Verschwimmende. Davon schreibt sich ihre eigenthümliche Stilisierung her. Bezeichnend ist das Lied des Schäfers „Himmelblau, hellbegrünte Frühlingsau...“, das nur als musikalische Phantasie gedacht ist und im „Sternbald“ die Überschrift „Schalmeyklang“ trägt. In Golos Frühlingsschilderung[677] werden junges Laub, blühende Bäume, Vögel, Blumen, silberne Bächlein ohne rechten organischen Zusammenhang nebeneinander gestellt. Wir bekommen kein deutliches landschaftliches Bild. Der Leser hat die ersten Züge vergessen, wenn er bei den letzten anlangt. Strahlen, Farben und Töne im Verein mit Worten seelischen Inhaltes wirken zusammen, um eine allgemeine Frühlingsstimmung im Gemüthe des Lesers wachzurufen. Ein landschaftliches Bild bekommen wir nur einmal in der „Genoveva“ zu sehen und auch dieses ist ein dämmeriges Nachtbild.[678] Scenerie: Waldgebirge, Nacht, Mondschein. Mit Golo schauen wir von der Bergspitze in die Tiefe und hören zuerst den Waldstrom, erkennen dann die Wipfel im Mondlicht, darunter im Scheine „flimmende“ Fichten. Um uns Gebirge mit gespaltenen Klippen, Wälder, die sich rauschend neigen. Wieder ein Blick abwärts: schweigende Thäler, aufsteigende Nebelwolken. Ein Blick aufwärts: die Sterne und schwimmende Wolken und in diesem Raume, den das Auge durchmessen, hochaufgerichtet die Nacht. Es ist das Bild einer Gegend, aber es ist ein ruhendes Gemälde, ein Nebeneinander. Leben gewinnt es dadurch, dass wir einmal mit Golo den Blick über die Theile der Scenerie schweifen lassen und diese selbst verräth ein gewisses Leben durch das Brausen, Schäumen, Flimmen, Rauschend-Neigen, Nebelwolkensteigen und das Geh’n der schwimmenden Wolken. Sonst muss der Leser in den meisten Fällen die Naturscenerie sich aus den Scenenüberschriften zurechtlegen. Der Dichter sagt nur „Garten, Mondschein“, „Garten“, „die Wüste“. Die auftretenden Menschen sagen, was sie in dieser Umgebung empfinden und ihre Empfindung theilt sich dem Leser mit. Die Empfindung löst sich dabei mit Vorliebe in Ton und Schimmer auf, die ineinander strömen und sich durchdringen. Das classische Beispiel dafür ist die Balkonscene.[679] Da lässt die „Sirene“ Nachtigall ihre Lieder schallen, die süßen Klänge dringen in Golos Herz, der Klang lockt ihn zum Verderben hin. Dabei sind goldener Mondschein und flimmernde Sterne der Contrast zu seiner dunkeln Leidenschaft. Wenn diese höher auflodert, dann beglänzt sie auch die Natur unheimlicher, dann „saugt der Mondschein“ am Herzen, die Sterne „zielen mit Liebespfeilen“. Dazwischen wieder der freundliche Contrast: das „Spielen“ der Abendwinde, der „murmelnde Gang“ der Bäche. Glanz und sanfte Töne durchziehen die lyrische Scene und daraufhin sind die Ausdrücke gewählt. Die Quellen „leiser, lieblicher fließen“, „kleine, stille Blumen sprießen“, „Winde bringen Kunde“, „Bäume sumsen Lieder“, „Alles singt“, „In dem Herzen klingen Töne, Die sich mit der Nacht verwirren, Rieselnd durcheinander irren, All’ in Harmonie und Schöne.“ Schöne, wohlklingende Worte, die rasch vorüberschwebende Phantasiebilder erwecken, helfen zusammen, das träumerische Stimmenspiel der Sommernacht zu malen. Die unbestimmten, klangreichen Worte haben eine „indirecte Wirkung wie die Musik“. (Novalis.) In Golos Anrede an Genoveva: „Ihr schreitet her und weckt...“[680] ist die Stimmung der geheimen Magie, mit der die Geliebte die ganze Natur beherrscht, auch in der Sprache glücklich festgehalten. Unheimlich gespensterhaft wird das Nachtbild vor der Hexenscene gemalt.[681] Es „weht die Nacht herauf mit schwarzem Flügel“, die Wolken „zieh’n und flieh’n“, Geister kommen und geh’n „auf der schwarzen Leiter der Nacht...“. Ähnliche Worte unheimlichen Grauens findet Wolf für die unheilkündenden Himmelszeichen. Während Genoveva nur die sanften Laute der Natur vernimmt, ist es der leidenschaftliche Golo, der wenigstens manchmal auch einen Blick auf die große, wildromantische Natur wirft und dafür das entsprechende Wort findet: „Hinaus! dem Winde sei ein Spiel, den Regenwolken, dem Blitz ein Ziel.“ „Der ferne Strom erklingt in seiner Macht.“ „So sollte unter uns die Welt verschwinden... es sollte alles mir gelingen, indess Naturen unter uns vergiengen.“ „Der Waldstrom braust und schäumt...“ Im ganzen überwiegen aber in der Dichtung die sanften Naturklänge und das freundliche Schimmern von Mond und Sternen. Das nämliche stilistische Mittel, mit dem der Dichter den Leser beständig in der alten Zeit wie in der religiösen Sphäre festzuhalten sucht, wendet er an, um im zweiten Theile neben der religiösen und alterthümlichen Stimmung in uns auch das Gefühl der Waldeinsamkeit rege zu erhalten. Immer neue Wendungen lassen den Leser nicht vergessen, dass er im tiefen Walde ist. „Wie schauerlich und einsam ist der Platz.“ „Auch wüßt’ ich nicht den Weg zu finden aus diesen verworrenen wüsten Felsen.“ „Die Wüstenei.“ „Hier tief im Berge.“ „Hinter jenem Walde, der ganz weitab im Scheine glänzt daher.“ „Daß wir allhier, der Einsamkeit ergeben...“ u. s. w. Die Beispiele für die Gleichnisse, Metaphern, Composita, die Glanz und Licht und Blumen bevorzugen, wurden bereits bei Besprechung des Naturgefühles zusammengestellt. Das Eigenthümliche in Tiecks Art, das Naturgefühl auszudrücken, ist, dass der Dichter nie auf die Zeichnung deutlicher, scharf und rein gesehener Umrisse ausgeht. Schon das Beseelte und Bewegte in seinen Naturbildern hindert einen scharfen Contour. Aber auch kein organisch in zusammenhängender Folge sich entwickelnder Naturvorgang wird vorgeführt, wobei der Leser activ mitschaffend theilnehmen könnte, sondern Tieck geht auf Stimmungen, höchstens auf ein malerisches Stimmungsbild aus. Eine Vorstellung wird in der Phantasie angeregt; bevor sie einen festen Umriss gewinnt, drängt schon eine zweite verwandte oder wenigstens aus derselben Sphäre entnommene nach, die aber nicht die vorausgehende deutlich fortsetzt und abrundet, sondern verändert und theilweise verwischt. Die Bilder und Vorstellungen, aus denen sich ein Landschaftsbild zusammensetzen könnte, werden in bunter Verwirrung durcheinander geworfen. Bei einem solchen Kommen und Gehen und leisen Durcheinanderfließen der Phantasiebilder, unterstützt durch den sinnlichen Klang von Wort und Reim, bildet sich jener unbestimmte, zart-schwebende Ton im Gemüthe, den wir Stimmung nennen. Der Leser ist nie gezwungen zum energischen Nachbilden der dichterischen Anschauungen, er wird auch nicht in ein bestimmtes Gefühl hineingezogen, sondern er gibt sich rein passiv wie bei der Musik dem wohligen Spiele der vorüberschwebenden Bilder und Klänge, die nur von unklaren Vorstellungen begleitet sind, hin. Diese leicht über Dinge hinschwebende Sprache, die der Seele des Lesers nur einen flüchtigen Stimmungshauch suggeriert, gefiel den Romantikern außerordentlich. Es war ihnen die richtige Sprache der rein künstlerischen Stimmung. A.W. Schlegel schreibt z. B. über die Lieder in der „Magelone“, die verwandten Charakter zeigen: „Die Sprache hat sich alles Körperlichen begeben und löst sich in einen geistigen Hauch auf. Die Worte scheinen kaum ausgesprochen zu werden, so dass es fast noch zarter wie Gesang lautet.“ Novalis nennt die bestimmten Gedanken und Empfindungen die Consonanten, die unbestimmten Stimmungen die Vocale und Töne im Seelenleben. Diesen Anschauungen entspricht die romantische Stilisierungsart. * * * Unsere bisher geführte Untersuchung wollte einige Eigenthümlichkeiten in Tiecks Stilistik feststellen, die sich ziemlich gleichmäßig über die ganze Dichtung hin verfolgen lassen. Es erübrigt noch, einige Beobachtungen zu versuchen, die sich mehr auf einzelne Bestandtheile des bunten, vielgestaltigen Werkes richten. Einzelne von den längeren lyrischen Monologen verdienen unsere Aufmerksamkeit. Der ausgedehnteste darunter ist jene Einleitung zu Golos letztem Liebesantrag. Situation: Garten. Hereinbrechender Sommerabend. Golo schaut in sein Inneres hinein, das im allgemeinen Aufruhr begriffen ist. Aus dem Gewirre drängt sich der Gedanke an die nahende Geliebte hervor. Mit dem Gedanken verbindet sich der Wunsch, sie zu umarmen. Dem Wunsche folgt das Phantasiebild von der Erfüllung des Wunsches. Aber der Träumer merkt, dass es nur Phantasie ist und bittet die Sterne um Verwirklichung des erträumten Glückes. Recitativisch, in freien Rhythmen, voll rhetorischer Figuren stürmen diese Wünsche dahin. Feine und allmähliche Übergänge fehlen. -- In ein erhabeneres Bild eingekleidet, das Sinnliche weniger offen hervorkehrend, in feierlichen Stanzen gewinnt der nämliche innere Vorgang folgende Gestalt: Die ganze Natur erwartet Genoveva; die ganze Natur mag unter Golo in Trümmer stürzen, wenn er nur die Geliebte in den Armen halten könnte. -- Anknüpfend an Genovevas Kleid, an ihren Gang und Tanz schwelgt hierauf wieder Golo in wilderen, sinnlichen Phantasien und wieder freirhythmisch wie das erstemal. -- Nach diesem Aufwallen ebbt die Gefühlswelle wieder in eine ruhige Bahn zurück. In einem weichen, wehmüthigen Anruf an die Sehnsucht verlangt Golo, wenigstens in seinem letzten Augenblicke von einem Wahnbilde Genovevas beglückt zu werden. Diese ernste, wehmüthige Bitte an die Sehnsucht erscheint wieder in Stanzenform. Im „Getreuen Eckart“[682] sagt der Dichter einmal: „Eckart schaute seinen inneren Gedanken zu.“ Das nämliche thut hier Golo monologisch. Er schaut zu und schildert zugleich, wie in seinem Gemüthe die Leidenschaft bald wild aufschäumt, bald ruhiger und gemessener hinströmt, und danach wechselt die stilistische und metrische Einkleidung. Ein ähnliches Variieren lässt sich beobachten in Golos Monolog: „Ihr hohen Bäume, heilge, dunkle Gänge“,[683] deutlich in Karls Betrachtungen über den Ehrgeiz,[684] nicht mehr so deutlich in Zulmas Monolog vor dem Zelte ihres Geliebten.[685] Diese Gefühlsergüsse erscheinen wie romantische Poesien im kleineren Maßstabe, wie „einfache, poetische Systeme“. Eine Gesammtstimmung beherrscht das Ganze. Innerhalb dieser Atmosphäre wogt es bunt und mannigfaltig durcheinander. Wie es Novalis von den Theilen des Romanes verlangt, wird auch hier das lyrische Stück „ein eigenes Ganzes“. Ähnliches lässt sich an den lyrischen Theilen des „Zerbino“ und „Octavian“ beobachten. Eine sonderbare Art, die gegenwärtige Gemüthsverfassung auszudrücken, ist es, wenn Tiecks Personen dieselbe mit vergangenen Gemüthszuständen vergleichen. Hieher gehört Golos Monolog: „Was willst Du hier?“[686] Genovevas Sonett in der Balkonscene[687] und Golos Lieder: „Da irr’ ich unter Steinen“[688] und „Sieh’ Laute, sieh’, so reiß ich dich in Splitter“.[689] Ebenso die lange Rede Golos im Dialog mit Gertrud: „Nur einmal ihren Busen an den Mund“[690] und die Klagen und Mahnreden des sterbenden Wolf.[691] Durch solch künstelndes Parallelisieren, durch das spielende Schweben über der Empfindung wird der kräftige Eindruck des unmittelbar Gegenwärtigen verhindert, das Ganze verflüchtigt. Eine einfachere, aus dem Gemüthe kommende Sprache führt das Lied „Dicht von Felsen eingeschlossen“, „Deine Worte sind im Dunkeln“ und die klagende Genoveva in der Wüste. Auch im religiösen Empfinden vermisste Solger das „unmittelbar Gegenwärtige“ und er dachte dabei gewiss an jene Stellen, wo Genoveva sagt, dass sie „nicht so Andacht“ als „die Liebe zu den alten Zeiten“ am Legendenbuche erfreue. Die Menschen in der „Genoveva“ sehen auf die Vergangenheit mit gleicher Ehrfurcht zurück, wie die Romantiker, und aus dem Gefühle der Ehrfurcht und Hochschätzung der frommen Vorzeit heraus spricht man von „frühern Zeiten“, „alten Zeiten“, „fabelhaften Zeiten“, „der alten, deutschen Zeit“, „den vor’gen Helden“, „dem alten Liede“, „den alten Liebesreimen“. Wolf ist ein „Abbild der verfloss’nen, treuen Zeit“. Es ist die Rede von „alt verlaufenen Geschichten“, von „Fabel und Gedicht aus ferner Zeit“, „von alten Mären“ wie in den Schriften Wackenroders oder im „Sternbald“. Im „Octavian“ spricht man dann von „alten, edlen Liedern“ und Florens setzt sich wie Don Quixote durch das Lesen von Ritterbüchern und Liedern allerhand Hirngespinste in den Kopf. Tieck hat seine Freude am Alten und seine Sehnsucht danach „zu körperlich und zu buchstäblich“ in seine Dichtungen hineingebracht und dies empfand Solger als „manieriert“. Neben den Ausblicken in die ferne Vorzeit finden wir auch die Perspectiven in räumliche Fernen und für diese Ausblicke findet Tieck seine eigenen ahnungsreichen Worte. „Wo bist du Glück in Himmelsbahnen, wo schwingst du in Räumen die hochrothen Fahnen?“ „Der Wald, der ganz weitab im Scheine glänzt daher“, „jene Weiten“, „dort hinterm fernsten Walde liegt ein Schloß“. „Jenseit des Himmelsblau.“ Erinnern wir uns jener Ausblicke in die ferne Zukunft („Weit hinab schaut des Propheten Blick“) und in die Ewigkeit, so haben wir eine Reihe von Worten und Wendungen beisammen, aus denen der Eindruck des Ahnungsvollen, in der Ferne Verschwimmenden, des Unendlichen resultiert. In der Entfernung wird alles Poesie. Wendungen und Worte, die den inneren Sinn in Zeit- und Raumfernen lenken, lassen die Ahnung des Unendlichen anklingen, sie leihen „der Aussicht eine Seele“.[692] „Die Bilder der Romantik sollten mehr erwecken als bezeichnen“, sagt Heine. In der Freundschaft mit Wackenroder lernte Tieck den Wert positiven, innigen Empfindens schätzen, in Novalis fand er einen Freund, der selbst die „herzliche Phantasie“ einen Grundzug seines Wesens nannte. Dabei lernte Tieck selbst Innerlichkeit und Empfindungen, die ganz und voll die Seele füllen, schätzen. Das merkt man auch seiner Sprache an. Das Betonen des Innigen und Herzlichen in der Darstellung der religiösen Gefühle und reinen Liebesempfindungen fällt dem Leser der „Genoveva“ und der ihr zeitlich nahestehenden Dichtungen unwillkürlich auf. Eine Reihe bezeichnender Wendungen bewegt sich in dieser Richtung. Von Bonifacius sprach das Alter, dachte die Jugend „mit des Herzens Innigkeit“, „so spricht mein armes Herz“, „des Herz mir so vom Herzen ist ergeben“, „so dass sie (die Weise) mich bis in mein Herz bewegte“, „da ihr’s so schlicht und herzlich singt“, „wenn ich Euch liebe und mit treu’stem Herzen in dieser Liebe Leben, Herz verzehre“, „der Ton ist mir in’s tiefste Herz gedrungen“, „herzlich sei im Herzen der verflucht, der mich...“, „inniglich so Geist wie Herz bewegen“, „das innere Weh der Trennung“, „da ward mir recht im innern Herzen bange“, „innig lieben“, „herzinnig bereuen“, „innig überzeugt sein“, „vom Herzen und mit ganzer Seele“, „im Gemüthe erwägen“, „Wie ich noch tief im Seelenfleh’n befangen“, „Ich war im tiefsten Beten noch verloren“, „sich in tiefes Sinnen versenken“, „ich bin mit meinem Gram allein“, „mit der Seele nach dem Himmel streben“, „ich will in mein Gemüth zurücke geh’n“, „Laß’ sie mich martern, wenn sie nur das Herz mir lassen, denk’ ich Dein im Tode noch“, „Ihr seid zu finster in Euch selbst verschlossen“, „ein seelerfreuter Mann“, „mit inbrünst’gem Herzen“, „inbrünstige Angst“. Innig hört sich auch das Beiwort „lieb“ an, das Tieck mit beseelten und unbeseelten Dingen verbindet. „Liebe Berge“, „das liebe Lamm“, „liebe treue Augen“, „lieber, heller Morgen“ u. s. w. Es macht fast den Eindruck, als ob Tieck diese poetisch schönen, gemüthreichen Wendungen durch zu häufigen Gebrauch und besonders durch die wortspielerische Art, die er nicht lassen mag, in ihrer Kraft beeinträchtige. Wie für die edlen Empfindungen, so hat Tieck auch für die entfesselte wilde Leidenschaft seine wiederkehrenden Lieblingsworte. Solche sind „rasen“, „toben“, „toll“, „wild“ u. dgl. „Tolle Worte“, „die Nacht macht Euch toll“, „der wilde Sinn“, „die wilde Macht“, „habe fast die Wildheit Euch verzieh’n“, „o schafft mir Gnade vor den wilden Freunden“, „so wild, so rasend“, „die große Raserei dem Pöbel predigen“, „rasende Sinnen“, „Ihr könnt mein Rasen seh’n?“, „was ras’ ich denn?“, „es rasen Freund’ und Feinde durcheinander“, „die Wuth macht Euch stammeln“, „o Wuth -- o Feuerflamme...“ Golo „rast und tobt wie ein wildes Tier“, „es ist nicht die Rede, herzurasen wie ein wildes Tier“, Karl Martell „tobt wie ein wütend’ Tier“, Golo „wütet, rast...“ Daneben begegnen noch „verrückt“, „unsinnig“, „Gefühl und Wunsch und Wahnsinn durcheinanderirren“. Mit diesen und ähnlichen starken Bildern wirken die Vergleiche mit dem Feuer, dem wilden Tiere zusammen und dazu kommen an besonders erregten Stellen abgerissene, kurze, gestammelte Sätze. Diese erregte, ans Excentrische und Überreizte streifende Diction ist die passende Sprache der Leidenschaft für Golo. Auch dort, wo es sich nicht um eine hochgespannte leidenschaftliche Erregung handelt, spürt man die Neigung zum Ungewöhnlichen, zum Heraustreten aus der Sprache der gewöhnlichen Alltäglichkeit. Es ist dies das selbstverständliche Vorrecht jeder poetischen Sprache; nur nimmt der Vorgang beim Romantiker gelegentlich seine ganz eigene Gestalt an. A.W. Schlegel meint:[693] „Es ist ein erhabener Geschmack, die Dinge immer in der zweiten Potenz vorzuziehen.“ Damit macht Tieck in seiner Sprache nicht selten Ernst und bringt damit etwas Ungewöhnliches, Nachdrückliches und Überschwängliches in dieselbe. Es verstärken sich wiederholte Worte. „Ich suche Schutz und finde keinen, keinen als in Euch“, „ein leises, leises Rauschen“, „der süße, süße Name König“, „dass es endlich, endlich dem schlagenden Herzen genügt“ u. s. w. Beliebt ist die Verstärkung eines Begriffes durch sich selbst oder durch ein Attribut aus gleichem Stamme. „Des Herz mir so vom Herzen ist ergeben“, „auf Dein eignes Glück Dein Glück zu wagen“, „in dem Frühling Frühling sich entzündet, aus Blumen sich noch eine Blüte windet“, „das heil’ge Feuer... das den Glanz beglänzt und Licht der Sonne leiht“. Tieck ist imstande, einen psychologischen Vorgang in einen zweiten einzuschachteln: in ihrer Erzählung von der eigenen Jugend erinnert sich Genoveva ihrer Erinnerungen.[694] Bei solchen Kunststücken fällt einem Fr. Schlegels Wort über die reflectierende romantische Poesie ein, die ihre Reflexion „immer wieder potenzieren und wie in einer endlosen Reihe von Spiegeln verfielfältigen“ kann.[695] Diese Sprache strebt ins Außergewöhnliche, aber sie verwischt zugleich die klaren Umrisse. Jene Merkmale, aus denen Petrich die allgemeine Unklarheit des romantischen Stiles herleitet, lassen sich natürlich auch in der „Genoveva“ beobachten und die Beispiele, die Petrich anführt, könnten durch verwandte aus dieser Dichtung bereichert werden. Für Bilder und Gleichnisse werden auch hier Traum und Schlaf,[696] sogar das Gefühl des auferstehenden Todten[697] verwendet! Das Gebiet des Gehörsinns und die undeutlicheren Wahrnehmungen des Gesichtssinnes liefern für Bild und Gleichnis auch manchen Beitrag und die bekannte romantische „Gütergemeinschaft der Sinne“ besteht in der „Genoveva“ gleichfalls zu Recht. Nur möchte ich nicht, wie Petrich, in diesem Vermengen der Vorstellungen „ein Mittel andeutender Unbestimmtheit des Ausdruckes“ sehen, sondern es ist (abgesehen von Tiecks natürlicher Neigung zur Stimmungspoesie) nur ein Versuch, auch in der Sprache so viele Anschauungsgebiete als möglich, auf einmal zu umfassen. Die „Phantasieen über Kunst“ geben darüber deutliche Auskunft. Es ist der nämliche Zug nach Universalität auch im dichterischen Worte, den die Romantik überall bethätigt, sei es, dass sie „der Bildung Strahlen all in Eins zu fassen“, sei es, dass sie die künstlerischen Gattungen oder die verschiedenen Religionen in Eins zu mischen strebt. Manche Äußerungen Fr. Schlegels scheinen auf eine absichtliche Unklarheit abzuzielen, bei Tieck ist diese sicher nicht Zweck, sondern nur die Folge des Bemühens, zu Verschiedenartiges auf einmal im Worte zu greifen, die Folge seiner ganzen dichterischen Wesensart. Die Häufung verschiedener Bilder finden wir in der „Genoveva“ ebenso wieder,[698] wie die Unklarheit im Ausdrucke der Bilder selbst.[699] Beabsichtigt kann die Unklarheit nur in den Reden des „Unbekannten“ und in den Sprüchen der Hexe sein. -- Das Fehlen des Artikels, fehlende Copula, fehlendes „zu“ beim Infinitiv, der freiere Gebrauch der Präpositionen, sowie die Limitation des Urtheiles durch ein „vielleicht“, „ist es nicht, als wenn...“, „mir ist, als ob...“ lassen sich in der „Genoveva“ in gleichem Maße verfolgen, wie es Petrich bei den Romantikern im allgemeinen thut. Nehmen wir noch dazu das Wörtchen „abwärts“ mit den verwandten Vorstellungen, die uns in der „Genoveva“, im „Sternbald“ wie in den übrigen gleichzeitigen Dichtungen in Menge begegnen, so haben wir die wichtigsten, fassbaren stilistischen Merkmale in der „Genoveva“ ziemlich erschöpfend verzeichnet. Von der alltäglichen Sprache entfernen sich auch die Tropen und Figuren. Tropischer Ausdruck ist in der „Genoveva“ häufig verwertet. Allein bezeichnend für die Stilfarbe sind nur jene bereits erwähnten Vorstellungen, die aus der Sphäre von Glanz, Feuer, Klang und Blumen entnommen sind. Andere, wie „süßer Odem“, „einsamer Wald“, „trüber Blick“... sind ziemlich jeder poetischen Diction eigen. Als Eigenthümlichkeiten, die gerade bei Tieck gerne wiederkehren, seien noch genannt: Der Vergleich mit dem Netze,[700] das Wort „spielen“ in verschiedenster Verwendung,[701] „regieren“ vom Beherrschen seelischer Vorgänge durch den Willen.[702] Letzteres hängt vielleicht mit der astrologischen Vorstellung von den „regierenden“ Gestirnen zusammen. Noch häufiger als der tropische Ausdruck sind in der „Genoveva“ die rhetorischen Figuren. Es herrschen besonders die Anaphora, die rhetorische Frage, Ausruf und Anruf, die noch gerne mit „O“ und „Ja“ verstärkt werden. Die scharfe rhetorische Inversion mit „nein“ sowie die Klimax fehlen nicht. Die Figuren trennen und verbinden syntaktische Glieder. Sie sind ein Gerüste, das eine Masse gliedern, belebend abtheilen hilft und auch eine äußerliche Hilfe, um Unverbundenes zu verbinden. Wie Tieck für die Gesammtcomposition äußerliche Mittel reichlich verwendet, so verschmäht er sie auch im einzelnen nicht. Wie dort in der Composition, begegnet uns auch hier in der Sprache der Contrast. Wir finden ihn in einzelnen Versen, ja selbst in einzelnen Begriffen. „Es stellt den heiligen Laurentius vor, Der in des Feuers Schmach den Leib verzehrte, Die Heiden legten ihn in Feuerbrunst, Die Seele stand in lichter Himmelbrunst, Wie sich Elias hob im Himmelsfeuer, Ward er erhoben durch ein irdisch Feuer, Sie wollten ihm die härt’ste Qual bereiten Und gaben ihm des Himmels Seeligkeiten.“[703] Ein solches Fangballspielen mit Contrasten ist gar nichts Seltenes in der „Genoveva“.[704] Auch ein einzelner Vers kann in künstlicher Zuspitzung den Gegensatz in sich schließen. „Die Christen färben rot die grüne Flur“, „ein Mann und Thränen?“, „an Worten arm, an Thaten sollt Ihr kennen den treuen Knecht...“, „ich schlug den Gatten, du hast mich erschlagen“, „daß es (das Bild) nicht leben kann, das ist mein Tod“, „nur das Grab kann kühl die Flamme mir ersticken“ u. s. f. Bis in den einzelnen Begriff drängt sich der Contrast hinein und formt sich zum Oxymoron. „Sei gütig böser, holder, liebster Satan“, „das Mögliche, das doch unmöglich ist“, „Tod ein blütenvolles Leben“... Die contrastierenden Verse erscheinen öfter wieder im syntaktischen Parallelismus; es treten sich gleichgebaute Sätze gegenüber.[705] Auch Gruppen von Sätzen[706] oder Strophen des Sonettes[707] werden contrastiert. Die Anaphora führt ihrer Natur nach zum syntaktischen Parallelisieren.[708] Tieck vermeidet aber doch wieder dabei eine allzugenaue Symmetrie, die eintönig werden müsste. Auf den syntaktischen Bau übt daneben besonders die Strophenform der Octave einen bedeutenden Einfluss. Sechsundfünfzigmal (von 122), also beiläufig in der Hälfte der Octaven versucht es der Dichter, die ganze groß aufgebaute Strophe mit einer einzigen Periode zu füllen. Die Form dieser Strophe ist deutlich auf Zweitheiligkeit (6+2) berechnet. Mit diesem Schema rechnet dann auch der Bau der Periode. Es enthalten das einemal die zwei letzten Verse die Spitze der Gedankenreihe, die sich in den sechs vorausgehenden Zeilen entwickelte oder ein andermal einen Contrast, ein drittesmal die Folgerung aus dem Vorausgehenden. Im einzelnen ist der Satzbau innerhalb der Stanze ein sehr verschiedenartiger, dem romantischen Gesetze von der „reizenden Ordnung in der Verwirrung“ folgend.[709] Die vielen rhetorischen Mittel, Anaphora, Frage, Ausruf u. s. w., Mittel, die für das gesprochene Wort von großem Werte sind, gehören auch vor allem der Sprache des Theaters an. Ihr häufiger Gebrauch erweckt den Anschein, als ob Tieck trotz seiner Abwendung vom Theater doch wieder heimlich ein theatralisch gesprochener, wenigstens ein laut gelesener Dialog vorgeschwebt hätte. Wozu sonst auch die dem theatralischen Drama eigene Stichomythie, die wenigstens in kleineren Ansätzen auch in der „Genoveva“ vorkommt?[710] Wozu das Auffangen der Worte des einen Sprechers durch seinen Partner, das uns ziemlich oft begegnet? Hin und wieder finden sich auch jene der theatralischen Sprache natürlichen scheinbar subject- oder prädicatlosen Sätze, wie: „Seht her!“, „seht“, „auf ihn, auf ihn!“, „So nackt?“, „in dieser Haut?“, „wie, Genoveva?“... Geberde und Geste des Schauspielers müssen hier die Sprache ergänzen, damit die Verbindung der Worte eine sinnvolle, ein vollendeter Satz wird. -- Wenn in der „Genoveva“ die Sprache auf sinnliche Dinge der Außenwelt kommt, so wird der Leser, der für das dichterische Phantasiebild eine gewisses Maß von Deutlichkeit verlangt, in seinen Ansprüchen zuweilen verkürzt, weil er alles nur durch das Medium der unplastisch sehenden Sprecher schauen darf. Schon die Naturstimmungen zerfließen manchmal in einen sehr dünnen Äther, doch bei ihnen lässt sich die flüchtige Stimmung noch empfinden. Schlecht befriedigt es aber den Leser, wenn Wendelin das ganze Laurentiusbild in lauter Betrachtung über das Bild auflöst. Wem nicht die eigene Erinnerung gleich ein Laurentiusbild vor die Phantasie führt, kann nicht errathen, wie das von Wendelin erklärte Gemälde aussehen mag. So darf der Dramatiker vorgehen, der an die Bühne denkt, auf der das Gemälde sichtbar vor uns hängt. Tieck überspringt auch ein Zwischenglied, das der Regisseur ergänzen müsste. Im „Saale auf dem Schlosse“ beginnt Golo ohneweiters: „Schaut um Euch, wie der Frühling aufgegangen...“ Auf der Bühne müsste Golo wenigstens ans Fenster treten und der Epiker würde mit einer Andeutung nachhelfen. In der „Genoveva“ ist der Leser genöthigt, sich selbst zu helfen, wie er kann. Er muss sich zuweilen wie der Leser eines Bühnendramas sich die Bühne vorstellen. Spricht das Bisherige dafür, dass sich Tiecks Phantasie nicht in allen Fällen von der realen Bühne fernzuhalten vermochte, dass er unwillkürlich dort und da an das Theater dachte, so muss umgekehrt das Hineinweben jener geheimen Fäden, die Ahnung und Erfüllung und allerhand bedeutsame Parallelen verbinden, als untheatralisch, ja als undankbar selbst für das gelesene Drama gelten. Denn der Epiker hat seine bequemen Mittel und Fingerzeige, um die Verbindung zwischen Ahnung und Erfüllung nicht aus dem Gesichtskreise entschwinden zu lassen: in der „Genoveva“ muss sie der Leser erst mühsam klügelnd entziffern. Tiecks Dialog zeigt selten einen halbwegs energischen, auf ein bestimmtes Ziel lossteuernden Fortgang, so dass die Scene mit einem bestimmten Resultate schließen könnte. Wenn sich solche Scenen finden, so sind es Ausnahmen, wie die Gesandtenscene, die Eroberung von Avignon, die Gefangennahme Genovevas, die Botschaft an Siegfried. In den meisten Fällen unterreden sich auch nur zwei Personen. Ein paarmal lässt sich der eine Unterredner überaus schnell überzeugen und seine Antwort schließt sich wie ein Refrain an die Rede des Partners an.[711] Meist begnügt sich der Dialog mit dem behaglichen Besprechen eines oder mehrerer Themen und mit dem Ausmalen der Situation. Die Scenen, die sich um den Abschied gruppieren, die Scene auf „Siegfrieds Schloss“,[712] die musikalische Balkonscene, die längeren Gartenscenen,[713] die lange Scene mit dem sterbenden Wolf, die ohne Effect verläuft, seien als Beispiele genannt. Wiederholte lange Reden, Erzählungen, Lieder und lyrische Ergüsse werden sich schwerlich ohne Widerspruch in den Dialog fügen; denn ein Fortschritt auf ein bestimmtes Ziel gehört zum Wesen eines künstlerischen Dialoges, der nicht langweilig werden soll. Das Bemühen der Romantiker, die künstlerischen Gattungen in eins zu verweben, musste zu den breiten, zerfließenden Dialogen führen. Der heutige Leser der „Genoveva“ hat das deutliche Gefühl, dass es Tieck auch stilistisch nicht gelang, die Gegensätze der künstlerischen Gattungen allerwärts auszugleichen. Auch Tieck selbst sagt später:[714] „Dagegen ist mir vieles in Genoveva (z. B. die Amme zu ihrem Schmerzenreich, die Gemälde im Anfang und so vieles einzelne) wie zu emsig, fleißig und altdeutsch ausgemalt.“ Eine Rückschau auf diese Untersuchung von Stil und Sprache zeigt, wie Tieck auch auf diesem Gebiete seiner dichterischen Art zumeist treu geblieben ist. Sein Vergleich des dichterischen Schaffens mit dem Traume fällt dem Leser unwillkürlich auch hier wieder ein und daneben seine Ironisierung des Bestimmten und Klaren,[715] das für ihn das Nüchterne bedeutet. Er denkt wie Novalis:[716] „Stimmungen, unbestimmte Empfindungen, nicht bestimmte Empfindungen und Gefühle machen glücklich.“ Nicht ein plastisches, deutliches Darstellen, sondern ein dämmerndes Helldunkel, ein leichtes, fast spielendes Berühren der Dinge ist daher das Ziel seiner Sprache und Tiecks Sprache thut diese Wirkung, sie beleuchtet ahnungsvoll, aber sie formt und bildet nicht. Du „breitest Dich leicht wie ein Duft gleich über alle Gegenstände“ schreibt einmal Novalis an unseren Dichter. Entsprechend der frommen und alterthümelnden Auffassung des Stoffes nimmt die Sprache eine religiöse und alterthümelnde Färbung an. Die Naturstimmung klingt in einer musikalisch wirkenden, bloß stimmungerregenden Sprache wieder. Die idealisierende Tendenz zeigt sich auch in der allgemein und undeutlich gehaltenen äußeren Zeichnung der Figuren und Scenerien, und das Innenleben, die Leidenschaft, die hie und da sich in stärkeren, energischeren Worten entladet, ist ihrem Wesen nach immer mehr oder weniger unbestimmt und unplastisch, so dass der Dichter auch hier seine Art nicht verlässt. „Die Poesie ist Musik für das innere Ohr und Malerei für das innere Auge: aber gedämpfte Musik, verschwebende Malerei.“[717] Neben dem Unbestimmten, Stimmungsidealistischen ist die zweite Seite von Tiecks Darstellungsart, das Künsteln und Überkünsteln auch in Stil und Sprache wieder anzutreffen. Der Berliner Verstand folgt wie ein unzertrennlicher Schatten dem romantischen, träumenden Phantasus. Tieck hatte sich sprachlich an den größten Mustern unserer Literatur schulen können. Darum im allgemeinen das Glatte, Sichere und Abgerundete im Satz- und Periodenbau, darum das Anpassen der Sprache an die Versform, darum das Streben nach leichter, künstlerischer Nüancierung in seiner Darstellung. „Die Begeisterung des Kriegers, die Leidenschaft des Liebenden, die Vision und das Wunder sollte jedes in einem ihm geziemenden Tone vorgetragen... werden.“[718] So fanden wir es auch. In inhaltlich verschiedenen Partien herrschte in Sprache und Stil ein verschieden nüancierter Ton und das Verschiedenartige im sprachlichen Stil soll wieder durch die Trias Religion, Alterthum und Natur zusammengefasst werden. „Sollte der Roman alle Gattungen des Styls in einer durch den gemeinsamen Geist verschiedentlich gebundenen Folge begreifen?“ lautet ein Hardenberg’scher Einfall. Obschon nun im ganzen ein idealisierender Stil, eine alterthümliche und religiöse Färbung die Dichtung durchziehen, so ist dieser Stilcharakter doch nicht überall so ebenmäßig und harmonisch gerathen, so fühlbar herrschend, dass nicht Tieck selbst Solger gegenüber hätte zugeben müssen:[719] „... was eigentliche Zeichnung, Färbung, Styl betrifft, da bin ich unzufrieden und finde die Disharmonie.“ 7. Prosa und Metrik. Nicht so eingehend wie der Sprachstil soll hier die metrische Kunst Tiecks im einzelnen untersucht werden. Eine solche Untersuchung könnte nur bei Beobachtung einer großen Entwickelungsreihe zu befriedigenden Ergebnissen führen. Die eingehende und weitläufige Untersuchung der romantischen Metrik liegt außerhalb des Rahmens vorliegender Arbeit. Hier kann es sich nur darum handeln, den Stilwert der prosaischen und verschiedenen metrischen Theile im allgemeinen zu erklären. A.W. Schlegel vertheidigt in seinem Horenaufsatz „Etwas über William Shakespeare bei Gelegenheit Wilhelm Meisters“[720] die Rhythmisierung neben der Prosa in Shakespeares Dramen und zeigt, wie die gebundene Rede ganz besonders den sinnlichen Schein einer höheren Wahrheit und Natürlichkeit erzeugt und wie bei Shakespeare immer einem bestimmten Inhalte die entsprechende rhythmische beziehungsweise prosaische Form gegeben wird. Diesen Gedanken holt auch Tieck in seiner Recension der Musenalmanache von 1798 wieder hervor und betont mit großer Emphase den unberufenen Versemachern gegenüber, dass die Versart eines Gedichtes nicht bloß vom Zufall und von der Gewohnheit abhängen dürfe. „Der Wechsel der Reime und die Länge der Verse, die Composition der Strophe müssen von einer leisen Regel regiert werden, damit das Silbenmaß als eine feine Musik das Gedicht begleite.“ Inhalt und metrische Form müssen in unzertrennlicher Verbindung ineinander wachsen. Dies wäre nicht der Fall, wenn ein Dichter gewaltsam ein beliebiges Versmaß einem Inhalte aufdrängte. Freundlich, wie von selbst müsse sich der Gedanke an das Silbenmaß schmiegen.[721] In der „Genoveva“ entfaltet Tieck eine bunte Menge verschiedener Bilder und Stimmungen, bunt und vielgestaltig, wie die romantische Poesie eben sein soll. Da ist es dann auch nicht anders möglich, als dass jene begleitende „feine Musik“ sich in immer neuer Tonart mit dem jeweiligen Inhalte vereine und, wenn es dieser Inhalt verlangt, auch der prosaischen Rede Platz mache. Wenn Tieck gerade ein Jahr vor der Abfassung seiner „Genoveva“ mit so strengen metrischen Forderungen an seine dichterischen Zeitgenossen herantrat, so muss man selbstredend annehmen, dass er bei der Schöpfung seines eigenen Gedichtes auch sich selbst nicht von diesen künstlerischen Forderungen freisprechen, und dass der Gebrauch der verschiedenen Maße und Strophen sowie das Unterlassen des Rhythmisierens nicht einem bloßen Spiele der Willkür entstammen konnte. Geht man die prosaischen Theile der „Genoveva“ durch, so drängt sich deutlich als erste Thatsache auf, dass besonders die „niedrigen“ Leute in Prosa reden, aber auch diese nur dann, wenn der Inhalt des Gespräches einen mehr gewöhnlichen, vertraulichen und behaglichen Ton verlangt. Das lässt sich an den Dienerscenen gut beobachten. Auch wenn einmal eine höhere Persönlichkeit sich zu den Untergeordneten herablässt, so drückt sich diese Herablassung gleichfalls in der prosaischen Form der Rede aus, in der sie mit dem tiefer Stehenden spricht. In verschiedenen Fällen bemerkt man, wie mit dem höher gestimmten Inhalt auch sogleich die Prosa in Rhythmus übergeht. Es plaudern Grimoald und Benno in der Kapelle zunächst prosaisch von ihren Privatangelegenheiten. Wendelin mahnt sie in Versen zum Gebete, richtet in Versen seine religiösen Anreden an sie und auch die Angeredeten antworten nun in Versen.[722] Der Disput, den Otho, Günther und andere Kriegsleute über Gehorsam und eigenes Denken in Prosa unter sich führen, endigt, als Karl Martell erscheint und mit seiner Umgebung und den Gesandten über den Krieg verhandelt. Wenn sich jetzt Otho, der zuvor prosaisch sprach, in die höher gestimmte Rede mischt, so muss es rhythmisch geschehen.[723] Solange Golo mit Benno in alltäglicher Rede sich bespricht, geschieht es in Prosa. Daran schließt sich seine monologische Selbstbetrachtung und diese greift sofort zum Rhythmus.[724] Die schmausenden Diener unterhalten sich in Prosa. Drago, vom Gottesdienste kommend und daher noch voll andächtiger Stimmung, mahnt sie zu gottgefälligem Anstande und seine Mahnworte sind rhythmisch.[725] Wendelin redet prosaisch mit dem Schergen; nachdem sich dieser entfernt hat, drückt Wendelin seine Empfindung und Klage über das Erfahrene im rhythmischen Monologe aus.[726] Nicht ganz verständlich ist die Prosa einer Scene auf Siegfrieds Schloss,[727] in der man wenigstens für die erste Hälfte, die Golos trübe Ahnungen und die feierlichen Sätze: „Wird es nicht alle Tage Abend...“ enthält, eine rhythmische Einkleidung erwarten möchte. Nicht ganz leicht zu erklären sind auch die beiden Prosaabschnitte in der letzten Kerkerscene.[728] Diese stürmische Leidenschaft würde man sich nach allen vorausgehenden Beispielen eher in freien Rhythmen denken, die auch sogar in der nämlichen Scene verwendet werden. Vielleicht gibt uns der trotzige, niedrig höhnende Ton, der sich der leidenschaftlichen Rede beimischt, einen Wink für die Ursache der Prosa an dieser Stelle. Es könnte Tieck daneben beabsichtigt haben, einen sehr schroffen Contrast zwischen beiden Sprechern auch in der Form zu betonen. Genoveva spricht in feierlichen Stanzen ihre entschiedene Abweisung aus und richtet das zweitemal eine milde Ermahnung in gereimten Blankversen an ihren Versucher. Der Gegensatz zwischen dem tief erniedrigten Ritter und der heiligen Dulderin tritt so auch im Gegensatze von rhythmischer und prosaischer Rede hervor. Es empfiehlt sich, nach der Prosa zunächst ihren Gegenpol, die künstlichen Strophen anzusehen; denn an den Extremen lässt sich hier leichter ein Resultat finden, als an den Übergangsstufen zwischen Prosa und höherer Kunstform. Stanzen, Sonette und Terzinen kommen hier zuerst in Frage. Hätten wir gar keine Nachricht von Tiecks Beschäftigung mit den spanischen Dramatikern, die neben der Romanze gerade diese Formen gerne verwenden und die für Tieck hierin das maßgebendste Vorbild waren, so würde es doch nicht allzusehr wundernehmen, wenn wir diese Formen voll Klangreichthum und Wohllaut in seiner „Genoveva“ träfen. Diese südländischen Maße waren die officielle Sprachform am romantischen Musenhofe von Jena. Dorothea Veith schreibt sich das Verdienst zu, „die Stanzenwuth“ in ihrem Kreise entfesselt zu haben. Ihr „Florentin“ muss in Stanzen improvisieren. Friedrich Schlegel verdunkelt durch seinen Glanz alles in diesem Genre.[729] Selbst Schelling wird angesteckt.[730] „Wir dichten in italienischen und spanischen Weisen.“[731] A.W. Schlegel verkündet 1799, dass die Stanze bei Ariost „das schöne Gleichgewicht zwischen phantastischer Willkür und heiterer Besonnenheit“ bewirke, welches die Darstellung des Italieners so reizend charakterisiert.[732] Die weiblichen Reime hält Wilhelm zwar für die schönsten,[733] er empfiehlt aber doch den Wechsel zwischen männlichen und weiblichen.[734] Zur Lectüre der Spanier gesellt sich also für Tieck noch das Beispiel der Genossen und A.W. Schlegels theoretische Anregungen. Umtönt von einer förmlichen Sonetten- und Stanzenmusik dichtet Tieck den größten Theil seiner „Genoveva“. Was im „Zerbino“ und in den „Phantasien“ sich nur vereinzelt ankündigte, entfaltet sich daher auch hier zu reicher Fülle, um im „Octavian“ zum überschwänglichen, luxuriösen Reichthum zu werden. Die Erfahrung, dass die Octave der Italiener im Deutschen „lyrischen Ton athmet“, bezeugt Platen, der in rhythmischen Dingen feinhörig war wie kaum einer. Die dreimalige Wiederkehr gleichgeordneter Reime ist für den deutschen Dichter, dem lange nicht die unerschöpfliche Reimfülle der italienischen und spanischen Sprache zuströmt, eine schwierige Aufgabe. (Wieland hielt eine genau und streng gebaute Stanze im Deutschen für unmöglich.) Eine reiche Bilderfülle sowie synonyme Erweiterungen müssen oft das Maß bis zum Rande füllen helfen. Diese Nothwendigkeit und die langen Verse selbst in ihrer gleichmäßigen Wiederkehr geben der Strophe eine pompöse Pracht und feierliche Würde. Es ist daher gar nicht überraschend, wenn sich in der „Genoveva“ gerade Gebete und feierliche, getragene Reden mit Vorliebe in Octaven ergießen.[735] Daran reihen sich die prunkvollen Schilderungen der himmlischen Visionen,[736] die feierliche Betheuerung,[737] der Ausdruck besonders gehobener Seelenstimmung überhaupt, wie sie z. B. Karl Martell beherrscht, nachdem er die Prophezeiung seiner großen Zukunft vernommen.[738] Liebessehnsucht, in der mehr die hochgespannte seelische Stimmung als die sinnliche Leidenschaft vorwaltet,[739] und das breite malerische Frühlingsgemälde[740] bedienen sich gleichfalls der Octave. Weniger klar ist der Grund ihrer Verwendung für Genovevas trübe Ahnungen.[741] Der umfangreichste Abschnitt in Stanzen aber ist die Erzählung des heil. Bonifacius.[742] Der Erzähler versucht anfangs in einem einfachen, naiven Tone zu reden, der zugleich archaistisch gefärbt erscheint. Verwandt damit ist der Schluss, der von Schmerzenreich handelt. Dazwischen steht die prächtig geschmückte Schilderung der Wunder. Hier ist die mächtig tönende Octave nichts Fremdes; allein wie passt die stolze Prachtstrophe zum einfach und alterthümlich sein wollenden Vortrag der übrigen Erzählung? Hier muss uns wohl Tiecks Bekenntnis über die Stanzen in der fast gleichzeitigen „Melusine“ aushelfen.[743] „Es reizte mich, die Stanze auch einmal so treuherzig, wie alte Prosa erklingen zu lassen, ein Ton, der schon viele Stellen des Morgante so wunderbar anziehend macht, indem das Possierliche und Edle sich in diesem merkwürdigen Gedichte mit dem alterthümlich Ehrbaren so wunderbar verbinden.“ Wir gehen kaum irre, wenn wir annehmen, dass Tieck das nämliche Experiment, das er für die zeitlich ganz nahestehende Dichtung einbekennt, auch schon theilweise in den Bonifacius-Stanzen versuchte. Diese und die Melusine-Strophen hintereinander gelesen, lassen den verwandten Ton auch gar nicht undeutlich spüren. Der Versuch, die reichklingende Strophe für eine einfache treuherzige Erzählung zu wählen ist schon die Anwendung der bald auftauchenden hyperromantischen Meinung, dass sich gerade in den südländischen Formen alles Poetische am besten sagen lasse. „Besser als in sapphischen Strophen kann das, was man damit wollen kann, durch romantische Formen erreicht werden“, schreibt bald darauf Schleiermacher.[744] Nach Calderons Vorbild lässt Tieck seine Menschen hie und da sogar einen Dialog in Stanzen führen. Das ist dort noch erträglicher, wo zumeist ganze Strophen auf einen Sprecher kommen;[745] es wird aber zum verkünstelten Kunststück, wenn die Strophe in kleine Stücke[746] oder gar in kleine Splitter[747] zerschlagen wird. Neben der häufig verwerteten Stanze begegnen wir in der Genoveva achtmal dem Sonette. Der Charakter der einheitlich geschlossenen Form mochte Tieck passend erscheinen, die Rede des Kapellan, welche die Novalis-Schleiermacher’sche Religionsauffassung in nuce vorträgt, den Abschied Genovevas von ihrem Kinde, den Abschied vom Gatten (Reinigungsbrief) und endlich die Verkündigung von ihrer Aufnahme in die Seligkeit in je einem Sonette wiederzugeben. In der Balkonscene spricht Genoveva die Erinnerung an eine vergangene Nachtstimmung, die sie mit der gegenwärtigen vergleicht, in einem Sonette aus. Das Sonett, das Golos Versuchung zur Sünde ausdrückt, will ähnlich wie Karl Martells Lobrede auf den Ehrgeiz nur das Thema des Monologes in etwas veränderter Auffassung variieren, wie die Stanzen die Liebessehnsucht in der Gartenscene. Die Auftheilung eines Sonettes in den Dialog[748] ist wieder nicht mehr als ein Virtuosenscherz, zu dem sich der Formkünstler Tieck eben „gereizt“ fühlte, wie zu den treuherzig alterthümelnden Stanzen. Sonette in das Drama einzuflechten, lernte Tieck gleichfalls bei Calderon. In der Art der Verwendung dieser Form geht er die Wege A.W. Schlegels. Das Sonett mit seinem reichen Reimklange, mit seiner bestimmten Gliederung und „organisch articulierten Form“, die nach Schlegel ein Gefäß für Lyrik und Didaktik, die sogar dramatisch werden kann, die eine so „große Universalität“ zeigt, wurde zur romantischen Lieblingsform. Seit 1798 verwendet sie Schlegel besonders zu lyrisch-didaktischen Zwecken Gemäldesonette. Er strebt der italienischen Idealform nach, die fünfhebige Verse mit Auftakt, Quartette mit umschließenden Reimen und weibliche Reime verlangt. Letztere gehören, wie Schlegel meint, zum „großen Styl“ des Sonettes. Tieck thut in der Verwendung und im Baue dieser Form in seinem Drama ziemlich das gleiche wie A.W. Schlegel in seiner Sonettendichtung. Lyrische, traumhafte Verschwommenheit an einzelnen Stellen (Balkonscene), das Zerreißen des Sonettes im Dialoge sind Tiecks Besonderheit.[749] Die Terzine verwendet Tieck für die Prophezeiung des „Unbekannten“ und für den Dialog zwischen dem trauernden Siegfried und Othos pilgerndem Geiste. Diese Strophe mit ihrer fortlaufenden Reimverkettung ist die naturgemäße Form für eine fortschreitende Erzählung und das ist auch die Prophezeiung. Die einförmige Wiederholung derselben langen Verse gibt dem Maße eine „feierliche Stimmung“[750] und das entspricht jeder der beiden Situationen, in denen sie Tieck verwertet. Dem Dialoge widerstrebt die Form gewiss dann, wenn sie in so kleine Stücke zerhackt wird, wie es am Anfange der zweiten Stelle in der „Genoveva“ geschieht, so dass man den Eindruck der Strophe nicht mehr gewinnt. Tieck sagt uns noch obendrein, dass ihm die Terzine den Eindruck des Alterthümlichen mache. Die Association Terzine-Dante-Mittelalter ist auch gar nicht auffälliger, als wenn der Hexameter Schiller „unausbleiblich an die griechische Welt erinnert“. Die vierte metrische Form, die Tieck aus dem spanischen Drama entlehnt, ist der Romanzenvers ohne Auftakt und zwar werden diese vierhebigen Trochäen zur Strophenform der Redondille (abba) vereinigt, die Calderon im Dialog benützt. Bei Tieck erscheint sie nur an lyrischen Stellen. Die durchwegs weiblichen Reime geben der Strophe in der Balkonscene eine besonders träumerische Weichheit, die klangvollen Reimworte dazu eine musikalische Fülle, und auf diesen weichen, vollen Klängen schwebt die magische Traumstimmung der Sommernacht einschmeichelnd und lieblich dahin. Ein lyrischer Erguss Genovevas formt sich in diesen Strophen, die sich dann in der Antwort Golos fortsetzen. Solange seine Liebesgedanken mit der freundlichen Sommernachtstimmung sich verflechten, gehen sie auch im nämlichen weichen Ebenmaße fort; als aber die Vorstellung von den Augen Genovevas auftaucht, flackert es unruhig in Golo auf (wir kennen den Zusammenhang zwischen Genovevas Augen und Golos Empfindung) und das Versmaß springt aus dem ruhigen Gleichmaße heraus bei den Worten „Deine Blicke schießende Sterne...“ Zulmas Sehnsucht, Gebet und Klage[751] behalten das Reimschema der Redondille bei, aber an Stelle der vierhebigen Trochäen treten Verse mit zwei und drei Hebungen und auch klingende und stumpfe Reime wechseln. Einen besonderen Grund für die Verwendung dieser Strophen, die nur noch ungefähr dem spanischen Vorbilde ähnlich sehen, kann ich nicht angeben. Es konnte aber den Dichter immerhin eine äußerliche Association dazu geführt haben. Die romantische Mohrin kommt aus Spanien, dem gelobten Lande der Romantik; da ziemt sich’s, dass ihre Lieder auch äußerlich ein wenig an ihre Herkunft erinnern. Einzelne inhaltliche Calderon’sche Reminiscenzen konnten wir ohnehin auch gerade in diesen Partien der Dichtung aufzeigen. Im Monologe Zulmas vor dem Zelte, der die Sehnsucht nach dem Geliebten variiert, schlägt auch ein wenig der vierhebige Romanzenvers durch. Mit diesen sangbaren Strophen sind wir schon bei den Liedern angelangt, die Tieck reichlich in sein Drama einstreut. Sie weichen metrisch sehr voneinander ab. Die einen sind freirhythmische Ergüsse, in anderen ist ein strenger Strophenbau durchgeführt. Nach welchem Grundsatze wechselt nun Tieck die Form? Manche Andeutungen (z. B. ein „altes Lied“) scheinen auf eine Unterscheidung improvisierter und künstlerisch ausgereifter Lieder hinzuweisen. Allein die Untersuchung der einzelnen Stücke gibt dieser Vermuthung nicht Recht. Wahrscheinlicher sieht Folgendes aus. Golo kleidet, kunstmäßig dichtend, seine Lieder in gleichmäßige Strophen, die gewöhnlichen Leute, Schäfer, Hochzeitbitter, die schmausenden Diener gebärden sich nachlässiger im Vers- und Strophenbau. Danach ließe sich alles vertheilen, bis auf Golos sechszeiligen Morgengesang. Möglich, dass Tieck sich von einem ähnlichen Gedanken führen ließ, wahrscheinlicher noch, dass er bloß romantischer Willkür folgte. -- Die acht Verse der zwei Engelein sind nur eine Tändelei. Die acht ei-Reime könnten als Begleitung des heiteren Inhaltes angesehen werden. Freie Rhythmen begegnen uns mehrmals in besonders erregten, leidenschaftlichen Reden und Monologen. Das meiste davon gehört Golo an. Dazu kommt Genovevas Klage im Thurme und in der Wüste, die Sprüche der Hexe sowie der Chor der Jäger. Die unruhig lodernde Leidenschaft, die heftige Klage stammeln in ungleichmäßigen Absätzen. In den Reden der Hexe soll der verworrene Rhythmus dem wirren Inhalte der Formeln sich anpassen. Dazu gesellen sich die gehäuften Reime. „Wie freier -- das Feuer -- wie munter -- und bunter -- in Formen mannigfach glimmt -- in Farben tausendfach flimmt“ u. s. w. Der Hörer vernimmt nur durcheinander irrende klangvolle Reimworte und dieses Gewirre muss im Verein mit dem unheimlich dunkeln Inhalt Siegfrieds Sinn umnebeln.[752] Der freie Rhythmus im Chorlied der Jäger ist schwer zu begründen. Bis auf diesen letzten Fall ist also auch der freie Rhythmus stets in ein gewisses engeres Verhältnis zum Inhalt gesetzt. In der Mitte zwischen den kunstvolleren rhythmischen Gebilden und der einfachen Prosa steht der fünffüßige Jambus, der damals schon gewöhnliche dramatische Vers. Die Rede, die in diesem gleichmäßigen Rhythmus einherschreitet, wird immer als eine erhöhte empfunden. Der Rhythmus lässt einen ungreifbaren „geistigen Hauch“ über die Diction hinschweben. A.W. Schlegel nennt den rhythmischen Theil in Shakespeares Dramen kurzweg den „poetischen“.[753] Diese rhythmisierte Sprache entfernt sich aber doch auch nicht so weit von der gewöhnlichen Rede, wie etwa die kunstvolle Strophe. In diesem erhöhten Durchschnittsrhythmus des Dramas sprechen auch die Personen in der „Genoveva“ immer dann, wenn sich der Inhalt ihrer Rede über das Vertrauliche und Gewöhnliche erhebt, aber doch den hohen Schwung der außerordentlichen seelischen Momente nicht erreicht, für welche die kunstvolleren rhythmischen Formen aufgespart sind. In dieser Mittelhöhe setzt der Prolog ein. Siegfrieds und Genovevas Abschiedsgespräch, die Feldherrnscenen, die Dialoge zwischen Golo und Gertrud, Golo und Genoveva sind meist auf diese mittlere rhythmische Höhe gestimmt. Auch untergeordnete Leute reden in Versen, wenn ein erhöhter Inhalt ihrer Rede es verlangt. Übergänge von der Prosa in den Rhythmus wurden schon verzeichnet. Es muss hier noch an die Scenen erinnert werden, in denen die Sprache der Geringen sich jener der Vornehmen ganz assimiliert. Hier sind zu nennen die Scene, die uns die Dienerschaft in ihrer gehobenen Stimmung über den Sieg zeigt,[754] Gertrud bei Genoveva im Gefängnis,[755] Benno und Golo und die für Genoveva bittende Gertrud,[756] die Mörder in Gesellschaft Genovevas u. s. w.[757] Wenn es der Inhalt fordert, sprechen auch die Diener unter sich in Versen. Wendelin und Else beklagen Genoveva,[758] Grimoald pflanzt seinen Baum,[759] Wendelin, Heinrich und Else reden über die Wunder, die sie erlebten.[760] Unklar bleibt wieder, warum Tieck eine Schlachtscene theilweise in Prosa schreibt[761] und eine andere,[762] in der es ebenso stürmisch hergeht, in Versen. Unsere Aufstellungen gewinnen an Wahrscheinlichkeit und eine gewisse Begründung aus der Romantik selbst heraus durch eine andere Thatsache. Es ist nämlich interessant zu verfolgen, wie die Art der Vertheilung von Vers und Prosa bei Tieck im großen und ganzen jenen Principien folgt, die A.W. Schlegel aus seinen Beobachtungen an Shakespeare gefolgert und im schon früher angezogenen Horenaufsatze „Etwas über W. Shakespeare“ niedergelegt hat. Prosa, heißt es dort, entspricht dem vertraulichen Tone des Umgangs, „Poesie“ einem edleren Gang der Rede. Der Gebrauch der einen oder anderen Stilart hängt nicht so sehr am Stande, als am Charakter und an der Gemüthsstimmung der redenden Personen. Aber eine „gewisse Anständigkeit der Sitten, die sowohl Tugend als Laster überkleidet und auch unter heftigen Leidenschaften nicht ganz verschwindet“, trifft man meist, wenn gleich nicht ausschließend, in höheren Ständen und daher sprechen gerade Bürger, Bauern, Soldaten, Matrosen, Bediente, hauptsächlich Narren und Possenreißer bei Shakespeare fast ohne Ausnahme im Tone ihres wirklichen Lebens. Allein, wenn innere Würde der Gesinnungen bei niederen Personen sich äußert, so thut sie es auch hier mit einem gewissen äußeren Anstande (rhythmisch), und so gilt bei Shakespeare die Rangordnung der Natur und der Sittlichkeit mehr wie die bürgerliche.[763] Ob Vers, ob Prosa, entscheidet die innere seelische Höhe. Ferner, sagt Schlegel, kann es selbst im Dasein des erhabensten Helden Augenblicke des seelischen Nachlassens geben, und dann spricht auch er wieder in Prosa (Hamlet, der sich wahnsinnig stellt, die Höflinge zum besten hält, die Schauspieler unterrichtet oder sich in die Spässe des Todtengräbers einlässt). Jene Gestalten Shakespeares, die der Pomp des Ranges beständig umgibt, denen ein gleichförmiger Ernst natürlich ist oder die eine „erweckende Leidenschaft“ beherrscht, verfallen nie in die vertrauliche Prosa. Es ist nicht schwer und gewaltsam, dieses Vorgehen wenigstens im allgemeinen in Tiecks „Genoveva“ wiederzufinden. Beim „Pompe des Ranges“ denkt man gleich auch an Karl Martell und die Feldherrn, beim gleichförmigen Ernst etwa an den heil. Bonifacius, Siegfried und besonders an die Heldin Genoveva selbst, die alle drei keinen arrhythmischen Satz in der ganzen Dichtung sprechen. Der Blankvers ist das Grenzgebiet, auf dem sich in der „Genoveva“ hoch und niedrig noch begegnet. Die Diener gelangen nicht höher, als bis zum gereimten Blankvers, Genoveva, Siegfried, Bonifacius steigen nie unter den Blankvers hinab. Über die Verwendung des Reimes bei Shakespeare sagt uns Schlegel, dass sich darüber nicht ganz so bestimmt sprechen lasse; er hebt aber hervor, dass sinnreiche Sprüche, besonders in symmetrischer und antithetischer Ordnung, Scenenschlüsse, zuweilen mit epigrammatischer Wendung, gereimt sind. Fortgehend reime Shakespeare, wo Feierlichkeit und theatralischer Pomp passend ist, vielleicht, wo gefällige Spiele der Phantasie dem Stoffe gemäß sind (Sommernachtstraum, Romeo und Julia). „Es mag immer sein, dass er mitunter auch aus keinem anderen Grunde in Reimen gedichtet, als weil er grade Lust daran fand.“[764] Ein Blick in die „Genoveva“ überzeugt uns, dass Tieck im Gebrauche des Reimes wieder ähnliche Wege geht, wie Shakespeare. Auch er reimt sentenzenhafte Verse und verschiedene Antithesenspiele gar nicht ungern. Tieck liebt es, durch ein Reimpaar oder durch mehrere Reime einen Einschnitt innerhalb der Scene[765] oder den Scenenschluss selber[766] auszuzeichnen. Manchmal bildet sogar eine Stanze, ein Drei- oder Vierreim den Abschluss. Nur etwa beim dritten Theile jener Scenen, die nicht ganz in gereimten Maßen erscheinen, fehlt der gereimte Abschluss.[767] „Theatralischen Pomp“, der den fortlaufenden Reim veranlasst, darf man nicht mit Unrecht in Karl Martells Antwort an die Gesandten sehen und in manchen anderen Reden der Kriegsscenen. Jene Antwort Karls bewegt sich eine Zeitlang sogar strophisch, um aber schließlich in einfache Reimpaare zu verlaufen. An manchen Stellen, an denen bei Tieck Reime als Schmuck des Blankverses auftreten, lässt sich eine Steigerung des rhetorischen Pathos und der Gefühlswärme und eine gewisse „Feierlichkeit“ erkennen. So im Prologe, in Golos zweitem Monologe.[768] Wenn Wolf und Genoveva, erfreut über die Siegesnachricht, aus dem Gespräche ins Gebet übergehen, so stellt sich der Reim ein. Auch Wolfs Entzücken über den Mohrensäbel ist gereimt.[769] Wolfs feierliche Ermahnungen vom Sterbebette aus sind zumeist gereimt.[770] Allein für verschiedene andere gereimte Stellen will sich kein deutlicher innerer Grund finden lassen. Nun, was Schlegel an Shakespeare vermuthet, dass er nämlich öfters reimte, weil er eben Lust daran fand, das dürfen wir bei Tieck sicher mit ebensoviel Recht vermuthen. Die Gegner der Romantik verurtheilen das bunte Rhythmen- und Strophengewebe der romantischen Dramen ohne Mitleid. Merkel nennt diese Mannigfaltigkeit einen „Unsinn“, der jede Regel der Vernunft überspringe. Das eine ist richtig, der Eindruck des Gemachten, Willkürlichen und Gekünstelten wird keineswegs überall in der „Genoveva“ vermieden. Tieck sucht mitunter zu ferne Liegendes, in seinem Wesen Verschiedenes zu vereinigen. Die südländlische prunkvolle Stanze, die zugleich altdeutsch treuherzig erklingen soll, die nämliche pathetische Strophe für die kindliche Redeweise Schmerzenreichs, Sonett und Stanze im Dialoge zerfasert: dies sind so innerlich fremdartige Momente, dass sich kaum eine harmonische Verschmelzung derselben und ein befriedigender künstlerischer Eindruck erwarten lässt; wenigstens Tieck ist es nicht gelungen, das Widerstreitende zu versöhnen. Allein die Dissonanzen sind, wie unsere Betrachtung zeigte, doch nur auf einzelne Punkte in der Dichtung beschränkt und auf weiten Gebieten der Dichtung konnten wir ein natürliches, zwangloses Ineinandergreifen von Form und Inhalt beobachten und nachempfinden. Hier wird durchaus nicht jede Regel der Vernunft übersprungen. Ein einheitlicher Gesammteindruck des Werkes wird freilich durch die metrische Vielgestaltigkeit so wenig gefördert als etwa durch die allzu reich abgestufte Sprache oder durch den Mangel einer organischen Composition und Einheit von innen heraus. Aber wir dürfen nur nicht vergessen, dass wir in der „Genoveva“ einen romantischen Dichtertraum durchträumen. Die Romantiker von 1800 waren einmal auf dieses Traumbild erpicht und wir müssen hier wiederum den Autor zuerst aus sich und seinem Gedankenkreise heraus commentieren und verstehen. Das einzelne vorüberschwebende Bild und seine Stimmung haben selbständigen Wert und dabei hören wir Inhalt, Sprache und Rhythmus meistens auf das wirksamste zusammenklingen. Auch Rhythmus und musikalischer Reimwohlklang haben in der Schätzung des Romantikers eigenen Wert für sich. Für die einzelnen Situationen unserer Dichtung sind die metrischen Formen eine anschmiegsam begleitende Musik: für das Ganze aber wieder nicht mehr, als eine Regel von außen, um „widerspenstige Elemente in Ordnung zu halten“. Auch für die metrische Einkleidung wirken die zwei großen Vorbilder der Romantik, Shakespeare und Calderon, maßgebend in der „Genoveva“ zusammen. Die Shakespearische Form wird nach Tiecks eigenem Worte mit der spanischen verbunden. Das heißt mit bewusster Folgerichtigkeit von Tieck gehandelt. Der Geist der romantischen Poesie hatte in Shakespeare und Calderon verwandte aber zugleich auch verschiedene Organe gefunden. Die neuen Romantiker, die wieder zur einen romantischen Urpoesie zurückstreben, machen sich keines Widerspruches schuldig, wenn sie auch die Darstellungsweisen ihrer höchsten Meister zu vereinigen und so zu einer höheren Synthese fortzuschreiten suchen. Bernhardi, der romantische Kritiker, ist mit Tiecks Vorgehen ganz und gar einverstanden und macht sich anheischig, die einzelnen Silbenmaße in der „Genoveva“ in einer eigenen Abhandlung zu rechtfertigen. Vorläufig fällt er nur das allgemeine und im ganzen nicht unzutreffende Urtheil:[771] „Prose und Silbenmaß und die mannigfaltigsten Arten desselben wechseln miteinander ab, und aus dem Stoffe ergibt sich die jedesmalige Darstellung durch ein bestimmtes Silbenmaß als nothwendig.“ * * * Tiecks „Genoveva“ ward aus dem Geiste der Romantik geboren und wirkte entscheidend für das mächtige Anwachsen der katholisierenden Strömung in Deutschland am Anfange unseres Jahrhunderts und wies so selbst wiederum der Entwickelung des romantischen Geistes eine neue Richtung. Auch die alterthümelnde, auf das Deutsche und Vaterländische abzielende Bewegung bekam einen neuen mächtigen Antrieb. Hettner nennt das Werk mit Recht die Wetterscheide der Romantik. Tieck selbst nennt sie eine „Epoche“ in seinem Leben. Man kann nicht gerade sagen, dass Tieck nur durch Fr. Schlegels ästhetische Lehren „verdorben“ worden sei. Tiecks eigene vorausgehende Production und Schlegels Doctrin sowie der romantische Geist von 1800 überhaupt begegneten sich auf halbem Wege. Tiecks phantastische Anlage und Neigung fanden in Schlegels Gedanken Förderung und Aufmunterung, das vollendete Werk des einen entsprach daher leicht verschiedenen theoretischen Wünschen des Genossen; denn die „Genoveva“ wurde recht eigentlich „die Darstellung eines sentimentalen Stoffes in phantastischer Form“. Tieck und Wackenroder entdecken die Poesie des Alten und Religiösen. Durch Schleiermacher, Novalis, Calderon und Jakob Böhme erhielt die neue Richtung des immer beweglichen, empfänglichen und leicht anempfindenden Dichters mächtige Impulse und es sammelten sich in seinem Gemüthe jene Stimmungen und Vorsätze, die sich an den Stoff des Genovevabüchleins anschlossen, nachdem noch ein anderer lebhafter Anstoß durch Maler Müllers Drama vorausgegangen war. Tiecks und der Romantiker neue Richtung ist zugleich eine energische Opposition gegen die den Zeitgeist beherrschende Aufklärung. Mit hoher Ehrfurcht tritt Tieck an das Volksbuch heran, an die ehrwürdige Urkunde alter deutscher Volkspoesie und dramatisiert die Erzählung von Anfang bis zum Ende und dieses pietätvolle Festhalten am alten poetischen Stoffe war, wie wir sahen, ein Verdienst in den Augen romantischer Kunstrichter. Nur das Allzukarge wird erweitert und abgerundet. Tieck nimmt für die Bereicherung seines Werkes Motive und Reminiscenzen aus Maler Müller, Shakespeare, Calderon und verschiedene Gedanken Jakob Böhmes auf, welch letztere er ein wenig mit zeitgenössischer Naturphilosophie „tingiert“. Alles, was von geistigen Anregungen damals auf ihn eindrang, findet in der „Genoveva“ seinen sanften Widerhall. Das Werk wird ein Spiegel seines Schöpfers und das ist wieder echt romantisch. Fr. Schlegel verlangt ja vom Roman (und damit von der romantischen Poesie), er solle eine „Encyklopädie des gesammten geistigen Lebens eines genialischen Individuums sein“. Die Motive, welche Tieck anderswoher nimmt, werden „tieckisiert“ und so sein Eigenthum. Die einfache Legende wird in ihrer neuen Gestalt auch zu einem episch breiten Zeitbilde erweitert und das geschieht wieder im Sinne der romantischen Doctrin, der zufolge das romantische Drama das ganze bunte Schauspiel des Lebens in sich fassen soll. Die Auffassung des Stoffes ist eine durchgehend legendenmäßig-religiöse, von dem altdeutsch-frommen Sinn beherrschte und da im Mittelalter die Religion der erste Leitstern des Denkens und Lebens war, wie Wackenroder und Novalis lehrten und wie es Schleiermacher für die Gegenwart wieder forderte, so wird auch das ganze breite Gemälde in religiöse Beleuchtung gestellt. Alles Komische ist als störend ausgeschlossen. Tiecks Religion ist aber dabei ein weiches, weichliches Empfinden, unter dessen Einfluss verschiedene Gestalten die Dichtung, besonders die Heldin selbst zu kraft- und marklosen Wesen werden. Schleiermachers Gefühlsreligion gieng durch Tiecks weiches Gemüth hindurch und wurde zum bloßen poetischen Stimmungshauche. Die Religion in der „Genoveva“ erscheint zwar überwiegend als Christenthum, zum Theile sogar als ausgesprochen katholisches Christenthum. Es ist dies aber keine Confession, die aus Tiecks religiöser gläubiger Überzeugung entspringt, sondern eine religiöse Kunststimmung, eine „prédilection d’artiste“. Eine geheime Unterströmung wirklich religiöser Sehnsucht begleitet wohl diese Kunststimmungen. Die Idee einer synkretistischen, echt romantischen Religion steht im Hintergrunde. Stimmung, Licht und Luft, das „Klima“ der Begebenheiten ist für Tieck wichtiger, als die im festen Causalnexus gegliederte Handlung, als energisch und klar gezeichnete Charaktere und deren Schicksale. Die Figuren sind mit wenigen Ausnahmen matt und schemenhaft gerathen oder vielmehr beabsichtigt. In der Stimmung, besonders in der religiösen sowie in der Liebe, liegt Unendlichkeit. Auch Zeit und Ewigkeit berühren sich. Die Religion gewährt „bedeutende Ausblicke“ in die Ferne. Der Glaube ist unendlich. Kein Wunder, dass die Vermählung von Religion und Poesie um 1800 zum unerlässlichen Punkte des romantischen Programmes wird. Dem überschwänglich gesunden Menschenverstande des Oberaufklärers Nicolai zum Hohn sollte Phantasus den romantischen Dichtergarten beherrschen. Nicht bloß stoffliche Universalität verlangt die romantische Theorie, auch Poesie und Prosa und „alle Gattungen der Poesie“ sollen zum Strome einer unendlichen Urpoesie wieder zusammenfließen. Auch dies geschieht in der „Genoveva“, soweit es eben im einzelnen Werke geschehen kann. Nach Shakespeares Muster werden Epik und Drama ineinandergeflochten und Vers und Prosa müssen reichlich wechseln. Lange ausklingende Lyrica und der Formenreichthum der Südländer kommen unter dem Einflusse Calderons, des zweiten romantischen Großmeisters, dazu und potenzieren die Künstlichkeit der Form zu nie dagewesener Höhe. Um das Zusammenweben aller Formen und Gattungen zur freien, auf die Phantasie gestellten Universalpoesie zu ermöglichen, hatte man noch das Gesetz geschaffen, dass die Willkür des Dichters kein Gesetz über sich leide. Dies geschah und so konnte der Poet mit Zeit und Ort in freiester Kühnheit schalten. Traumartig schweben die Bilder in bunt wechselnder Mannigfaltigkeit vor unserer Phantasie vorüber, nur durch den höchst dehnbaren Rahmen von Prolog und Epilog zusammengehalten. Das monarchische Princip, die Herrschaft eines Helden im dichterischen Werke, ist gestürzt und eine republikanische Verfassung proclamiert. Tieck schiebt bald die eine, bald die andere Figur in den Vordergrund, wie es Fr. Schlegel im Roman verlangte. Trotz alledem soll aber die romantische Poesie nicht ganz von aller Zucht und Ordnung losgebunden und so eine unkünstlerische, ungegliederte wüste Masse sein. Sie soll ein „vernünftiges Chaos“ werden. Sie ist der allseitigsten Bildung fähig „von innen heraus“ und „von außen hinein, indem sie jedem, was ein Ganzes in ihren Producten sein soll, alle Theile gleich organisiert“. Auch Tieck sucht Vernunft in das phantastische Chaos zu bringen. Das bewerkstelligt er durch die Künstlichkeit einer äußerlichen Symmetrie, durch Contrastieren, Parallelisieren und allerlei sinnreiche ahnungweckende Beziehungen. Die Bildung „von innen heraus“, einen alles organisierenden Geist muss bei ihm die gemeinsame Auffassung, ein durchgehender „alterthümlich-religiöser Ton“ ersetzen. Tiecks romantische Künstlichkeit erreicht aber nicht, was Fr. Schlegel im steten Hinblick auf „Wilhelm Meister“ fordert. Für die altdeutsche Legende wird außerdem noch dem Costüm einige Aufmerksamkeit gewidmet, aber jede pedantische Genauigkeit dabei vermieden. Die ganze archaisierende Dichtung wird von reichlichen weichen und innigen Naturstimmungen durchwoben. Das Freundliche und Milde der Natur herrscht, das düstere Grauen ist bis auf kleine Spuren verschwunden. Hochromantisch ist die sympathetische Beseelung sowie die malerische und musikalische Auffassung der Natur. Tieck lauscht „dem wunderbaren Liede, das in den Dingen schläft“. Das Alterthümliche sowie die romantische Naturandacht bilden im Verein mit dem Religiösen den einigenden Ton, der außer dem umschließenden Prologe und Epiloge die verschiedenen Theile zusammenfasst. Ein Seitenstück zur künstlichen und künstelnden Composition ist die künstliche und oft auch verkünstelte Sprache und Metrik. Tieck ist ein souveräner Beherrscher der Sprache; er versteht es, die Perioden und Sätze zu runden und abzuschleifen, wenn er nicht absichtlich Unebenheiten dem Archaismus zuliebe einstreut. Es ist keine energisch charakterisierende, sondern eine idealisierende, nivellierende Sprache, die sich von der Wirklichkeit entfernt und nur im Äther der reinen Kunst schweben will. Innerhalb dieser idealisierenden Diction zeigt sich der Virtuose wieder im Nüancieren nach allen Richtungen. Jedem Inhalte gibt Tieck mit Leichtigkeit das entsprechende sprachliche Kleid und zur Sprache tritt der Rhythmus, der sich gleichfalls meist mit höchster Elasticität dem Inhalte der einzelnen Situationen anschmiegt. Im ganzen wenigstens gelingt es fühlbar; dort und da fehlt es nicht an störender Willkür. Eine hohe Künstlichkeit und universale Mannigfaltigkeit, ein eigenartiger Formenreiz -- lauter romantische desideria -- werden erreicht. Selbst die romantische Ironie darf nicht ganz fehlen, das bewusste Schweben des Dichters über seinem Stoffe auf den Flügeln der poetischen Reflexion, das Darstellen des Spieles des Lebens als wirkliches Spiel. Sie tritt in der Einkleidung der „Genoveva“ hervor. Das ganze ist als auftauchender und wieder verschwebender poetischer Traum gekennzeichnet, der nur auf poetische, durch die Phantasie gerechtfertigte Wahrheit Anspruch macht. -- Die Stimmungen, aus denen die „Genoveva“ erwuchs, beherrschten um 1800 den romantischen Dichterkreis. Allein selbst über diesen hinaus lassen sich ihre Spuren verfolgen. Tieck thut sich etwas darauf zugute, dass sein Werk nicht nur auf Zach. Werner und ein Heer von katholischen Dichtern, sondern selbst auf Schillers „Maria Stuart“ und „Jungfrau von Orleans“ gewirkt habe.[772] Allzu hoch darf aber diese Einwirkung auf Schiller nicht angeschlagen werden, da Schiller auf einem ganz anderen eigenen Wege zu einer verwandten Richtung und künstlerischen Anschauung gelangte. Die Verbindung des Schicksalsmäßigen mit einem katholischen mittelalterlichen Stoffe konnte Schiller noch am verwandtesten berühren, wenn er Tiecks Dichtung las. Auffallend ist es immerhin, dass bei Schiller das Mittelalterliche, der äußere romantische Prunk, Troubadourmäßiges und kriegerische Bilder, die Verklärung der Heiligen am Schlusse, das Lyrisch-Musikalische, die vielen Motive, die episierende Zwanglosigkeit, der Wechsel metrischer Maße sich in merkwürdig ähnlichen Geleisen bewegen, wie Tiecks romantische Poesie. Das Katholische und eingeschaltete Lyrik treffen wir schon in „Maria Stuart“. Lyrisches, Christenthum und Fatalismus begegnen uns wieder in der „Braut von Messina“. Das Biographische, der episierende Charakter, das bunte reiche Zeitbild, wortreiche Personen, viel directe Charakteristik, ein beinahe leidender Held: all das begegnet uns bereits im „Wallenstein“. In Goethes „Natürlicher Tochter“ findet sich auch das epische Verweilen bei der Situation, das romantisch Dämmernde, die höchst idealisierende Form und Sprache. An Herders Wirken, das sich mehr und mehr den Tendenzen der Romantik nähert, sei nur noch erinnert. Es geht ein gemeinsamer verwandter Zug durch die Literatur. „Wilhelm Meister“, an dem sich Schiller und die Romantiker begeistern, ist ein wichtiges Ferment im großen Processe. Nicht allzu voreilig wird man also bei verwandten Erscheinungen außerhalb des engeren romantischen Kreises auf directe Einwirkung von dieser Seite her schließen. Von hier aus dürfen wir noch einen Blick in jene Literaturperiode zurückwerfen, in die manche Wurzeln der Romantik gesenkt sind, in die Sturm- und Drangjahre und auf das Genovevadrama dieser Zeit, das zwar mit seiner Entstehung um zwei Decennien vor der Romantik der „heiligen Genoveva“ liegt, aber doch eine directe Verbindung dieser mit der Geniezeit herstellt. Damals trat Möser zuerst mit weitsehendem Blicke an das Mittelalter heran. Herder und Goethe wurden von seiner Begeisterung für das Alte ergriffen. Im „Götz“ stieg die romantische Ritterzeit lebenstrotzend aus dem Grabe der Vergessenheit herauf und Herder erweckt das Volkslied mit seiner ganzen innigen Gemüthsfülle zu neuem Leben. Ritterthum und deutsche Vergangenheit wurden ein Lieblingsthema der Geniemänner. Unter dem Trosse der Ritterdramen, die dem „Götz“ folgten, ragte Müllers „Golo und Genoveva“ ansehnlich hervor, das Stück, welches für Tieck in besonderer Art bedeutend wurde. Beide Dichter, Müller und Tieck, greifen in die deutsche Vergangenheit zurück und nehmen denselben alten, volksthümlichen Legendenstoff zur dramatischen Behandlung auf, Müller das Puppenspiel, Tieck das Volksbuch. Beide bereichern in mannigfacher Weise ihre Vorlage und sind dabei von älteren und neueren literarischen Vorbildern abhängig. Shakespeare, „Götz“ und „Werther“ wirken auf beide Dichter; allein für Tieck vermittelt Müller selbst die Verwertung jener Vorbilder. Eine shakespearesierende Technik, ein Sprengen des einheitlichen dramatischen Baues und ein Ausdehnen in die Breite der dialogisierten Biographie herrscht im Drama der Geniezeit und ebenso im Werke des Romantikers, die Einschaltung weicher Lyrica finden wir bei Müller wie bei Tieck. Nicht unbedeutende Züge giengen direct von Müller auf Tieck über. Ein „eigen Herz“, freies Entfalten und Ausleben aller Lebenskräfte ist der höchste Wunsch der Originalgenies in den siebziger Jahren und ein ähnliches Lebensideal verfolgt die Romantik der Genossen von Jena. Müllers Mathilde und Tiecks Golo möchten ihre Individualität in schrankenloser Selbstherrlichkeit gewähren lassen; Golo will freie Bahn für seine excentrische Leidenschaft, Mathilde für ihre titanische Willenskraft. Ins Ungewöhnliche streben beide Richtungen hinaus. Beide hassen ja von Haus aus das Alltägliche, Platte, Nicolaitische. Beide Dichter arbeiten ziemlich viel Naturempfindung in ihre Werke hinein, Müller naturalistisch malend, Tieck musikalische Stimmungen erweckend. Dem Costüm gegenüber sind beide ziemlich sorglos, aber sorgloser und eigenmächtiger als Tieck ist Müller. So viele Verbindungsfäden nun auch aus der Geniezeit in die Romantik herüberleiten, in den zwanzig Jahren, die zwischen beiden Dichterkreisen liegen, hat sich manches in der deutschen Literatur begeben, unter dessen Einwirkung die Romantik ihre eigenen Wege geht. Müller und Tieck behandeln den gleichen volksthümlichen Stoff, sie nehmen aber eine ganz verschiedene Stellung zu ihrer Vorlage ein. Müllers Auffassung der Legende ist eine rein weltliche, jene Tiecks durchaus religiös. Müllers Genoveva hat ihre Heiligenaureole abgelegt, sie ist zum natürlich unschuldigen Weibe geworden, das Religiöse ist auf das engste beschränkt. Tieck sucht eine mittelalterliche Heilige auf schimmerndem Goldgrund zu malen, religiöse Stimmung in allen Schattierungen beherrscht seine Dichtung. Das Schicksalsmäßige wird bei Müller mehr im übertragenen Sinne der unwiderstehlichen Leidenschaft nachgesagt, bei Tieck tritt mitunter ein wirklicher Naturfatalismus ein. Der romantischen Auffassung entspricht es, dass Calderon und Jakob Böhme als Vorbilder bei Tieck neben den auch für Müller maßgebenden Shakespeare treten. Müller nimmt nur die Grundzüge der Überlieferung auf und schaltet frei und selbständig mit seiner Vorlage, Tieck hütet sich vor jedem allzukühnen Eingriff in die geheiligte Tradition. Müller tritt als Dramatiker an die Legende heran und was seinem Zwecke nicht dient, wird ausgeschieden. Es bleiben zwar bei ihm noch manche Weitschweifigkeiten, aber nirgends verleugnet sich bei ihm ein frischer dramatischer Pulsschlag. Tieck führt die dramatische Form äußerlich auch zumeist durch, aber er geht trotzdem fast immer als Erzähler und Stimmungsmaler und als romantischer Poet vor, der „alle Gattungen von Poesie“ vereinigen möchte. Die Romantiker beurtheilen das Schauspiel nach den Gesetzen des Romans. Ein Vergleich etwa zwischen Müllers Kerkerscene voll dramatischen Lebens und der Tieck’schen Kerkerscene voll Empfindungsweichheit und breiter Reden ohne Vorwärtsbewegung ergibt sprechend die Differenzen zwischen beiden dichterischen Generationen. Bei Müller treffen wir wenige Scenen, die bloß um ihrer selbst willen da sind, bei Tieck könnte man eine lange Reihe streichen, ohne den Fortgang der eigentlichen Handlung zu stören. Die Sprache endlich ist bei Müller eine leidenschaftbebende, drastische, oft derbe Prosa, die bis zum Dialect herabsteigt, bei Tieck ein idealisierender, beflügelter, über die Dinge leicht hinschwebender Stil, der sich mit einem reichen Chor südländischer Strophenformen zu gemeinsamem Wohllaut vereinigt. Tieck ist einmal eine vielfach anders veranlagte dichterische Persönlichkeit als Müller und er hat zugleich auch an den classischen Vorbildern, die zwischen Geniezeit und Romantik treten, seine Sprache und Formkunst geschult und treibt diese bis zur raffinierten Künstlichkeit, die ganz besonders mithilft, das Ganze in einen hyperidealistischen Hauch zu verflüchtigen.[773] A.W. Schlegel formulierte schon 1806 den Gegensatz zwischen Geniezeit und Romantik mit den Worten: „Wie Goethe, als er zuerst auftrat, und seine Zeitgenossen Klinger, Lenz u. s. w. (diese mit roheren Missverständnissen) ihre ganze Zuversicht auf die Darstellung der Leidenschaften setzten, und zwar mehr ihres äußeren Ungestüms als ihrer inneren Tiefe, so meine ich, haben die Dichter der letzten Epoche die Phantasie, und zwar die bloß spielende, müßige, träumerische Phantasie, allzusehr zum herrschenden Bestandtheil ihrer Dichtungen gemacht.“[774] Das halbe Menschenalter, das zwischen dem Sturm und Drang und den Blütentagen der Romantik verfloss, hat der romantischen Dichtung eine neue Signatur aufgedrückt. Die literarische Strömung der siebziger Jahre wirkt noch deutlich in der jungen Generation nach, aber diese ist doch auch zugleich in ihrem inneren Wesen und in ihrer künstlerischen Erscheinung eine andere geworden. V. Urtheile der Zeitgenossen über Tiecks „Genoveva“. Die Aufnahme, welche Tiecks Werk bei den Zeitgenossen fand, soll kurz skizziert werden; denn auch sie beweist, dass die „Genoveva“ ein richtiges Kind der Romantik war; sie theilt im Urtheile der Mitlebenden ziemlich genau das Geschick der Romantik selbst. Schrankenlos bewundert wurde die Dichtung zumeist von den Freunden und gallig verhöhnt von den rationalistischen Gegnern. Tieck berichtet nur,[775] dass sein Gedicht bei Freunden wie bei Unbekannten und Fremden einen erfreulichen Eindruck gemacht und ihm manchen Freund erworben habe. Der Dichter sagt damit nicht zu viel. Ein Verehrer Tiecks, Heinrich Schmidt aus Brünn, der in Jena studierte, als die „Genoveva“ erschien, erzählt in einem späteren Briefe,[776] wie er und „einige zwanzig Bursche“ bis in die Mitternachtstunde Tiecks neues Gedicht lasen, wie innig sie Golos Rolle nachempfanden und mit Ehrfurcht zur nicht unempfindlichen und doch heiligen Genoveva aufblickten. Es widerfährt Tieck aber nur von jenen Gerechtigkeit, die sich A.W. Schlegels Grundsatz vor Augen hielten:[777] „Niemand soll vor einer Gerichtsbarkeit belangt werden, unter die er nicht gehört.“ Und da waren es natürlich nur Tiecks romantische Genossen, die im romantischen Gesetzescodex Bescheid wussten und diesen zugleich als zu Recht bestehend anerkannten. Die beiden kritischen Meister äußern sich zu verschiedenenmalen, aber nie in einer ausführlichen Recension. Friedr. Schlegel schreibt zunächst an Schleiermacher:[778] „Die Genoveva habe ich gelesen und wünsche doch, dass Du sie bald auch gründlich lesest. Mir ist das Charakteristische im Eindruck das Schöne und Liebenswürdige. Sie macht einen sehr sanften und zarten Eindruck auf mich. Ad extra ist wohl die Energie der Leidenschaft das Beste darin, die den Leuten imponieren muss.“ In der „Europa“[779] lobt er eine andere Seite des Werkes. Es ist ihm als „mythische Poesie“ eine „göttliche Erscheinung“ und er meint: wäre das Pittoreske in der ersten und das Musikalische in der zweiten Hälfte mehr herausgehoben, so würde sie sogar dramatisch wirksam sein. In einem Sonette an Tieck[780] endlich fühlt Fr. Schlegel, dass, als Genoveva „in frommer Schöne“ nahte, die Poesie gekommen sei und kindlich in holder Klarheit blühe. In die „Europa“[781] nahm Friedrich auch von einem H. v. Hastfer herrührende „Gespräche über Tiecks Poesie“ auf, in denen der „Genoveva“ außerordentliches Lob gespendet wird. Die „Genoveva“ war und blieb Friedrich das liebste von Tiecks Werken. In die Begeisterung stimmt Wilhelms Sonett[782] ein und feiert Tieck als den Wiedererwecker der alten frommen Poesie in neuer Gestalt: „Du, in der Dichterbildung reichster Blüte, Bringst uns verwandelt wieder jene Zeiten, Wo Adam auf der Bühn’ erschien und Eva. Ja, Dank sei Deinem kindlichen Gemüthe, Heiligst die Kunst, verschönerst Heiligkeiten, Und machst zum Lied das Leid der Genoveva.“ Ein wenig nüchterner spricht schon 1806 der „Brief an Fouqué“[783] und die Wiener „Vorlesungen“ von 1808[784] nennen zwar die „Genoveva“ nicht, aber sie tadeln die romanhafte Breite sowie das Überwiegen des Musikalischen und Malerischen in der neuen romantischen Dramatik, die eben durch Tiecks „Genoveva“ und den ihr folgenden verwandten „Octavian“ hauptsächlich vertreten war. Ein Jahr nach dem Erscheinen der „Genoveva“ 1801 kommt von J.J. Mnioch aus Warschau eine Epistel[785] voll Bewunderung. „Die Genoveva wird gefeiert unter den Freunden“ und Mnioch vertheidigt die Verschiedenartigkeit der Formen gegen die Tadler derselben. Gleichzeitig ist Karl v. Hardenberg von der „Genoveva“ „erquickt und begeistert“.[786] Die ausführlichste Kritik stammt aus der Feder des dem romantischen Kreise und besonders Tieck nahe befreundeten Wilhelm Bernhardi. Sie erschien im „Berlinischen Archiv der Zeit und ihres Geschmackes“. Die entscheidenden Gedanken derselben wurden in unserer Untersuchung bereits berücksichtigt. Bernhardi kritisiert nach den romantischen Grundgesetzen; er lobt in etwas zu hoher Pietät alles an der „Genoveva“ und berührt keine Schwäche des Werkes. Er sucht aber sein Lob jedesmal zu begründen. Bernhardi empfindet das Poetische der Volksbuchmotive, aber mit noch liebevollerem Eifer verfolgt er Tiecks große und kleine Künstlichkeiten und lobt auch Tiecks Festhalten an der „geheiligten Tradition“. Er findet daher auch die katholische Auffassung ganz begründet. Auch die vielen Nebenpersonen werden gerechtfertigt; sie sind Contrastbilder zu den Hauptfiguren, theils für den Fortschritt wichtig, theils durch die Tradition verlangt. Die Nebenscenen sind auch nicht unnütz. Theils verdanken sie wieder der Vorlage ihr Dasein oder sie sind Ruhepunkte nach den „angreifendsten oder effectvollsten Scenen“ oder sie sind „Andeutungen des freien Spieles“, da jedes Kunstwerk ein Product der Freiheit mit dem Bewusstsein ist, oder sie dienen dem Contraste und dem Colorite und manches endlich gehört zur „Kategorie der Begreiflichkeit, das ist: es dient zur Bildung des Ganzen als Verstandesbegriff“. Der Recensent sucht die Stellung des heil. Bonifacius zu würdigen und die verschiedenen Metren, in denen er spricht, zu erklären. Die wechselnden Formen finden hohes Lob. Hie und da legt Bernhardi in seinem freundschaftlichen Eifer sogar mehr in die Dichtung hinein, als vermuthlich Tieck selbst. Ein jüngerer Romantiker, Achim von Arnim, stellt in der „Zeitung für Einsiedler“ (1808 Nr. 13) einen Vergleich zwischen Tiecks und Müllers Drama an und sucht beide aus der Stimmung ihrer Zeit heraus zu erklären. Auch anderen Romantikern liegt die „Genoveva“ im Sinne. Es wird in ihren Dichtungen auf sie angespielt oder auf das Volksbuch, das durch Tieck zu neuen Ehren gekommen war. So in Brentanos „Godwi“ und „Märchen“. In Eichendorffs „Ahnung und Gegenwart“ liest der Held das Volksbuch und er besitzt ein Gemälde, das die Auffindung Genovevas darstellt. In seiner Literaturgeschichte,[787] in der Eichendorff besonders den religiösen Gehalt der Dichtungen prüft, spendet er der „Genoveva“ Tiecks folgendes Lob: „Eine durchaus katholische Weltanschauung endlich waltet in seinem unstreitig vollendetsten Werke, in der Genoveva, bis in den kleinsten Beischmuck hinab. Das Ganze wird vom Prolog und Epilog des heil. Bonifacius wie ein Altarbild von altkirchlichem Goldrahmen eingefasst; die Verherrlichung der Kirche ist der geheimnisvolle Mittelpunkt, um den alles gläubig oder widerstrebend sich bewegt. Genoveva erscheint von vorneherein nicht etwa als bloße moralische Ehefrau, sondern als die Kirchenheilige, die gottgeweihte Märtyrin, welche Christus, ihr im Traume die weiße Rechte reichend, sich zur Braut erkoren und ihr das bevorstehende Leiden verkündet hat.“ Eichendorff legt aber dabei gewiss manches als erfüllt in Tiecks Dichtung hinein, was nur sein eigener, ehrlicher Wunsch war und nimmt selbst gleich nachher sein Lob zum Theile wieder zurück. Helmine v. Chezy verdankt der „Genoveva“ und dem „Sternbald“ manche religiös erbauliche Stunde[788] und F. Rochlitz hohen poetischen Genuss.[789] Koberstein las 1819 die „Genoveva“ als erstes Buch, das ihm von Tieck bekannt wurde und der Eindruck war „unbeschreiblich und entscheidend“ für sein ganzes Leben.[790] Interessant ist noch vor allem Tiecks Briefwechsel mit seinem Freunde Solger, dem romantischen Ästhetiker. Verschiedenes daraus wurde schon gelegentlich angeführt. Tieck und Solger führen nämlich 1816 eine ausführliche Discussion über die „Genoveva“. Solger schreibt in einem Briefe[791] eine Art Recension, in welcher er vieles an der Dichtung lobt. So Genovevas Hang zu Gott, ihre Vision. Die Täuschung Siegfrieds durch Hexerei als Contrast zur Vision sei „herrlich und tief“. Die „herrliche“ Entwickelung von Golos Charakter ist Solger zu „psychologisch“. Keine bedeutende Beziehung findet er darin, dass Golo Othos Sohn ist. Solger führt eine Reihe von Scenen und Stellen auf, die ihm besonders gefallen, darunter die Zulma-Episode und das traurige Lied. Das Spielende im Religiösen spricht ihn an. Die Scenen der Landleute aber wirken nicht zum Ganzen, sie sollten besser komisch sein. Heinrich und Else sind als Contrast zu absichtlich. Es fehlt der dramatische Nerv und die Weihe der Ironie. Die Sprache dünkt ihn ungleich. Besonders fehlt das Gegenwärtige und Nothwendige in der Sinnesart, im Alterthümlichen, in der Charakteristik. Die Composition ist ihm zu wenig gerundet, der Schluss enthält zu viel Erzählung. Manches gibt Tieck zu, nur vertheidigt er die Wahrheit seiner Empfindung, den ernsten religiösen „Ton des Gemäldes“, das „Klima“ und die Hauptfiguren. Auch in den „Skizzen“ Försters spricht Tieck über seine „Genoveva“, über Böhmes Einfluss, über die schlechten Nachahmer und die Einwirkung auf Schiller und gibt zu, dass ihm manches darin nimmer genüge. Man erkennt deutlich, dass Solger und Tieck so gut wie A.W. Schlegel nicht mehr den extrem romantischen Ansichten von 1800 huldigen, die in der „Genoveva“ zutage treten. Einst war auch Solger höher begeistert.[792] Tieck hat sich indessen wieder mit dem Theater versöhnt und somit den Traum von der romantischen Universalpoesie halb und halb ausgeträumt.[793] Auch Tiecks Freund Steffens, der zur Zeit der „Genoveva“ ein warmer Anhänger der Jenenser Romantiker war, urtheilt nach langen Jahren (1841) ziemlich kühl über Tiecks berühmtes Werk.[794] Außerhalb der romantischen ecclesiola fand die „Genoveva“ ebenfalls einige Beachtung. Tieck selbst weist mit Freude auf Goethes Anerkennung hin.[795] Goethe empfand, als Tieck ihm das Werk vorlas, jedenfalls verschiedene poetische Seiten sofort heraus und sah vielleicht auch mit Wohlgefallen auf Tiecks Virtuosität in Sprache und Versification. Wenn man aber Goethes verschiedene Äußerungen über die „Genoveva“ zusammenhält, so spürt man im Lobe mehr Höflichkeit als ernstliche Anerkennung. Goethe musste gegen die mittelalterlich fromme und marklos zerfließende Dichtung sehr viel auf dem Herzen haben, aber er wollte nur dem jungen Poeten, der so voll Verehrung zu seinen Füßen saß, nicht wehe thun.[796] Deutlicher sprechen Körner und Schiller von ihrem classicistischen, Schiller auch noch ein wenig von seinem persönlichen Standpunkte aus.[797] Körner lobt das poetische Talent Tiecks, er findet Phantasie und Innigkeit und Gewandtheit in Sprache und Vers, aber der „Geschmack“ fehle ihm. Schiller ist damit einverstanden und schreibt:[798] „Er (Tieck) ist eine graziöse, phantasiereiche und zarte Natur, nur fehlt es ihm an Kraft und Tiefe und wird ihm stets daran fehlen. Leider hat die Schlegel’sche Schule schon viel an ihm verdorben; er wird es nie ganz verwinden. Sein Geschmack ist noch unreif, er verhält sich nicht gleich in seinen Werken und es ist sogar viel Leeres darin.“ Kotzebue wollte Tiecks Drama für die Bühne einrichten, ward aber von Tieck zu unfreundlich behandelt und das Project zerrann.[799] Ebenso ergieng es mit Iffland. Nahmen die Classiker von Weimar eine halb freundliche, halb kühle Mittelstellung ein, so waren im Lager der Berliner Aufklärer alle bösen Geister los. Nicolai[800] schimpfte aus Leibeskräften über die tolle Legende, die unter der nachhelfenden Hand des Romantikers noch zehnmal toller geworden sei. Dem Raume und der Zeit werde übel mitgespielt, die Prosa sei dürr, die Verse schlecht u. s. w. Nicolai tritt, soweit er sich überhaupt in sachliche Dinge einlässt, mit den Forderungen eines Theatralikers an die „Genoveva“ heran und dabei muss diese in Grund und Boden versinken. Dasselbe thut Garlieb Merkel, der Todfeind der Romantiker,[801] in den „Briefen an ein Frauenzimmer“. Er weiß seiner nörgelnden Feindseligkeit am besten dadurch Luft zu machen, dass er seine Recension zum größten Theile als einen Vergleich Tiecks mit Shakespeare stilisiert. Auf die poetische Seite der verwerteten Motive wird keine Rücksicht genommen. Die Regellosigkeit, die sich an die drei Einheiten nicht kehrt, der Mangel eines dramatischen Planes und inneren Mittelpunktes, die lose Verknüpfung von Haupt- und Nebenhandlung, die schlechte Charakteristik werden durchgehechelt. Merkel nimmt es mit seiner kritischen Ehrlichkeit nicht sonderlich genau. Einige Züge von Golo werden z. B. ausgehoben, die ein ganz schiefes Bild von der Gestalt geben und dies wird als Beispiel für Tiecks schlechte Charakteristik hingestellt. Selbst die Inhaltsangabe des Stückes ist in manchen Punkten falsch. Um Tiecks jämmerliche Stilistik aufzuzeigen, werden wieder einige Splitter abgespalten, von denen man (ein Beispiel gekünstelter Antithesen ausgenommen) nicht weiß, was sie beweisen sollen. Die verschiedenen metrischen Formen sind nach Merkel Unsinn, die archaistische Sprache Thorheit. Im übrigen reibt sich Merkel nur noch an Kleinigkeiten. Merkel ist der Antipode Bernhardis. Jener verschweigt alles Gute, dieser alles Schlimme. Bernhardi redet nur im Tone höchster Ehrfurcht von seinem romantischen Herrn und Meister, Merkel in einer fade höhnenden Weise, die an altweibisches Gekeife bedenklich erinnert. Das Gebaren beider Kritiker ist nicht unbegreiflich. Welche Gemeinschaft sollte zwischen der schal gewordenen Aufklärung und der jungen Romantik bestehen? Die Wahrheit liegt, wie so oft beim erbitterten Kampfe zweier geistiger Heerlager, in der Mitte. Um dem Wollen der Romantiker gerecht zu werden, muss man sie zuerst vor das Forum der Romantik selbst bescheiden. * * * Die „Genoveva“ ist das glänzendste Stück unter jenen Poesien, die in den zwei Bänden der „Romantischen Dichtungen“ vereinigt sind. Den ersten Band eröffnet die satirische Märchenkomödie „Prinz Zerbino“, ein Ausläufer der vorhergehenden Periode des Tieck’schen Schaffens, jener Periode der Negation, die noch in die Zeit der frommen, innigen, alterthumsfrohen Genovevastimmungen hereinreicht und die eine wesentliche Seite von Tiecks geistiger Art vergegenwärtigt. Das ganze endlose Lustspiel ist nichts anderes als ein lustiger Krieg gegen alle Tendenzen, welche der Romantik feindlich oder gleichgiltig entgegentraten. Die Antiromantiker bekommen bald einzeln, bald scharenweise den übermüthigsten Humor des Dichters zu verkosten. Neben diesem satirischen Muthwillen bemerken wir aber auch in einer Reihe von Scenen, wie sich schon die weichen, traumhaften, lyrisch-süßen, die eigentlich romantischen Stimmungen ankündigen und der Garten der Poesie, wo Bäume, Blumen, Vögel und Farben singen, sprechen und flüstern, wo die größten Dichter aller Zeiten sammt Jakob Böhme als Hofstaat um die Göttin der Poesie versammelt sind, taucht wie eine wundersame stille Märcheninsel aus den Gewässern der Verneinung auf. Im Märchen „der getreue Eckart und der Tannenhäuser“, der zweiten Dichtung des ersten Bandes, erzählt Tieck die alte Sage vom Berge der Frau Venus und verkettet sie mit der Sage vom Rattenfänger von Hameln. Hier gibt es keinen satirischen Übermuth. Alte Sagen werden mit den Mitteln der romantischen Kunst aufgefrischt. Ein düsterer, schwüler Gesammtton beherrscht das Ganze und hält es künstlerisch zusammen. Es offenbaren sich hier noch jene düsteren unheimlichen Stimmungen, die vor dem freundlich beruhigenden Einflusse Wackenroders den Dichter zeitweise ganz und gefährlich beherrschten, die sich aber jetzt nur noch von Zeit zu Zeit anmelden. Der „Genoveva“ gesellen sich im zweiten Bande die Nacherzählung des Märchens von der „Melusina“ und das dramatisierte Märchen vom „Rothkäppchen“ bei. In letzterem fallen einzelne Hiebe auf die Rationalisten. Sonst vermeidet der Dichter in allen Stücken dieses Bandes jede große und kleine Bosheit. Interessant ist es, wie Tieck im „Rothkäppchen“ gerade durch das oft wiederkehrende Roth einen bestimmten Stimmungseffect erzielt und wie so das kleine Drama eine Art „Symphonie in Roth“ wird. Was wir als echte Romantik in der „Genoveva“ kennen lernten, begegnet uns fast alles, theils zerstreut, theils in größere Massen gesammelt, in den anderen „romantischen Dichtungen“ wieder. Tieck hatte mit dem Titel, wie er sagt, nur die Absicht, das Wunderbare in diesen Poesien damit anzudeuten. Aber auch ohne besondere Absicht ist all das, was man bald mit dem Schlagworte „Romantik“ bezeichnen sollte, in diese Dichtungen hineingeströmt. Der romantische Geist waltet fühlbar in ihnen. Daher ist es recht begreiflich, dass gerade diese Überschrift zusammen mit den theoretischen Erörterungen der Schlegel sehr wesentlich dazu beitrug, der Schule ihren Namen zu verschaffen. Theilweise sind die „romantischen Dichtungen“ Erneuerungen alter, volksthümlicher Sagen und Märchen, also „mythische Poesie“, wie sie Friedrich Schlegel wünschte. Das Religiöse, Geheimnisvolle, Märchenhafte, Ahnungen und Vordeutungen, Jakob Böhmes Mystik, Astrologie und Aberglaube spielen bald dort bald da herein. Das träumerische Naturgefühl Tiecks treffen wir gleichfalls an. Ritter, Schäfer, Einsiedler, der Kampf mit Heiden und wilden Riesen, Tapferkeit, Liebe, Gottesfurcht: lauter Motive und Gefühle, die wir als richtige Romantik bezeichnen mussten, sehen wir verwertet. Auch in Form und Sprache blühende Romantik. Drama, Epik und Lyrik weben sich im „Zerbino“ ineinander, Erzählungen mit Gesang sind „Eckart“ und „Melusina“, ein Drama mit epischen und lyrischen Einlagen ist das „Rothkäppchen“. Contraste und Parallelen als äußere Hilfe der Composition fehlen selten. Prosa und Verse wechseln, südländische Strophen, Sonette, Stanzen, Terzinen wirft Tieck mitten in die schlichte, volksthümliche Prosa der „Melusina“ hinein. Prosa, alterthümelnder Balladenton und freirhythmische Lyrik vereinigt er im „getreuen Eckart“. Auch die klingelnde Musik gehäufter Reime bemerkt man vereinzelt. Der Sprache wird wie in der „Genoveva“ ein leicht archaistischer Anstrich gegeben und gewisse stilistische Lieblingswendungen der „Genoveva“ begegnen uns in den anderen Stücken allenthalben. Mit einem Worte, was Tieck an romantischen Elementen in der „Genoveva“ sammelt und verwendet, treffen wir in den übrigen gleichzeitigen Werken, wenn auch mehr verstreut, wieder an. Ein gemeinsamer Geist lebt und webt in all diesen Erzählungen und Dramen, der, könnte man im Sinne der Romantik sagen, ein Mannigfaltiges zu höherer Einheit verbindet. Was nur an romantischen Ideen, Stimmungen und Motiven in diesen zwei Bänden sich ansammelte, wird von Tieck noch einmal im „Kaiser Octavianus“ (1801-1803) glänzend und prunkvoll zur Schau gestellt, einem romantischen Drama, das sich ebenfalls auf der Grundlage eines alten Volksbüchleins aufbaut, dessen erster Theil sich wie eine Variation des Genovevamotivs liest. Eine unschuldig verleumdete und von ihrem Gatten verurtheilte Frau wird mit ihren Kindern in die Wildnis hinausgestoßen. Eine Intrigantin ist am ganzen Unglück schuld und wird darüber wahnsinnig. Der Gatte erkennt sein Unrecht und trauert in tiefer Reue. Die nämlichen Situationen bedingen oft einen nahe verwandten sprachlichen Ausdruck. Eine unendliche Fülle von Personen und Abenteuern wird in den Rahmen des Stückes hineingearbeitet. Genialität und Kritik verbinden sich der romantischen Forderung gemäß; denn allegorisch, lyrisch und dramatisch will der Dichter seine Ansicht der romantischen Poesie hier niederlegen. Calderon, Shakespeare, Jakob Böhme, Religion und weiche Naturstimmung, romantische Universalität, Verschmelzung der künstlerischen Gattungen, eine archaisierende Sprache und vielfältig erklingende Metrik, eine Metrik und Sprache in allen Abstufungen vom derben Prosahumor bis zum pompösen Klang der Ottave rime: alles findet wieder Platz im Rahmen einer alten Volksbucherzählung. Mit Ausnahme des Humors, der derben Prosa wie der Hans Sachsischen Knittelverse finden wir hier allerdings wenig, was der „Genoveva“ gegenüber neu wäre. Nur gesteigert, üppiger, absichtsvoller erscheint alles im Inhalte wie in der Form. Es ist, als ob der eigenthümliche Geist der Jenenser Romantik, dem die „Genoveva“ als erste, volle, reiche Blüte entsprosste, noch einmal seine Kraft zusammengerafft hätte, um in einem hell und bunt aufleuchtenden Phantasiefeuerwerk glorreich und flüchtig zu versprühen. Denn mit dem „Octavian“ ist eigentlich jene Poesie, die ganz von den Stimmungen der Genovevaromantik gesättigt ist, so gut wie vorüber. In Tiecks Schaffen tritt bald eine Pause ein und die romantische Gesellschaft von Jena, die erst noch so jugendlich stolz und hoffnungsfreudig die Welt romantisieren wollte, zerstreut sich in kurzem nach allen vier Winden. -- Noch zweimal lässt Tieck bei Lebzeiten seine „Genoveva“ in die Welt wandern. 1820 erscheint bei Reimer in Berlin eine „neue verbesserte Auflage“, die 1828 in den zweiten Band der „Schriften“ wieder aufgenommen wurde. Eine Reihe von Verbesserungen der ersten Neuauflage besteht in der Beseitigung schwerfälliger, unzutreffender und undeutlicher Ausdrücke. „Du schönster Thron, aus lauter Licht gewebt“: „Du schönster Thron, aus lauter Licht erbaut“. -- „Ihr lasst mir Hoffnung hier und Andacht, liebe Freunde“: „Ihr lasst mir Andacht, Hoffnung hier als liebe Freunde“. -- „Wen er (der Tod) will von dannen tragen“: „Wen er will als Beute schlagen“. Die Verse: „So ist Hispania durch ein Weib verdorben, Die Schuld war, dass die Mohren sind gekommen, So litt die Christenheit durch böse Lust Des Königs Roderich: so sind wohl Reiche, Paläste, große Städte eingestürzt In aller Zeit durch unerlaubte Liebe.“ lauten verbessert: „So ist Hispania durch ein Weib verdorben, Die Schuld war, dass die Mohren eingebrochen, So litt die Christenheit durch böse Liebe Des Roderich: so sind wohl Reich, und Städte Schon oft gestürzt durch Schändlichkeit und Lust.“ Ausdrücke, die dem Dichter einst vielleicht schlicht oder archaistisch vorkamen, genügen ihm nimmer, sie werden durch höhere, poetischere ersetzt. „Die thörichte Bitte“: „Der Bitte Thorheit“. -- „Die Waffen von euch allen“: „Die Waffen eurer Scharen“. -- „Herunterschauen“: „Herniederschauen“. -- „Mahom sei gepreist“: „Gepriesen sei Mahom“. -- Das Erscheinen und Thun der rettenden Hirschin wird 1820 ohne Bühnenanweisung durch die bloße Aussprache von Genovevas Empfindung, die den Vorgang begleitet, dargestellt. Öfters wird in der verbesserten Auflage durch Inversionen der Sinn kräftiger und nachdrücklicher hervorgehoben. Mit „Ich“ beginnende Sätze, die wohl auch einstmals für einfach und schlicht galten, werden umgeformt. „... er (Sebastian) ist an einen Baum gebunden“: „... an einen Baum ist er gebunden“. -- „Ich fühl’ die Liebe, doch ich muss nun fort“: „Die Liebe fühl’ ich...“ -- „Ich habe meine Ehr’ durch ihn gelöst“: „Durch ihn ist meine Ehre nun gelöst“. -- Unangenehme Wiederholungen desselben Wortes in nächster Nähe werden beseitigt.[802] Zwei größere Stücke lässt Tieck gänzlich weg, die Scene „In der Stadt Avignon“[803] und die Episode vom weggeworfenen und wiedergefundenen Trauringe Genovevas.[804] Einzelne Verse dürften dem Dichter als überflüssige Wiederholungen des nämlichen Gedankens störend erschienen sein.[805] Diese Änderungen und Verbesserungen sind keine tief einschneidenden, sie betreffen fast nur stilistische Einzelheiten und beabsichtigen im allgemeinen nur eine sorgfältige Glättung des sprachlichen Ausdrucks. Die Dichtung als Ganzes war ihrem Schöpfer nach wie vor als Document jener inneren Erlebnisse, die in seiner geistigen Entwickelung eine Epoche bedeuteten, heilig, und er rührte nicht gerne daran. „Die Ganzheit und Unverletztheit des Gedichtes“ lag ihm also auch noch in späteren Jahren am Herzen, so gut wie damals, als er es nicht gerne sah, wenn es durch Auslassung, Abkürzung und Umgestaltung für die Bühne eingerichtet würde. Man war schon nahe daran gewesen, Iffland und Kotzebue, die beiden Theaterbeherrscher, interessierten sich wie gesagt dafür. Es kam aber zu keiner Aufführung. Tieck setzte keinen sonderlichen Ehrgeiz darein, seine Heilige auf dem Theater zu sehen. Dies beweist auch genugsam der Umstand, dass er später während seiner Dresdener Zeit keinen Schritt für die Aufführung des Stückes that, wo es ihm doch recht leicht gewesen wäre, dasselbe auf die Bühne zu bringen. Nur als Operntext und in parodierter Gestalt sollte Genoveva das Licht der Rampe erblicken. Wenn Tiecks Drama auch der Bühne des Theaters fremd blieb, so entzückte es doch von der idealen Phantasiebühne aus einst viele Leser, es regte bildende Künstler und Dichter an. Die „Genoveva“ im Verein mit den „Herzensergießungen“, den „Phantasien“ und dem „Sternbald“ weckte einen ganz neuen Geist in jener Künstlergeneration, welche in den ersten Decennien des 19. Jahrhunderts unsere Kunst beherrschte. An Stelle des classischen Alterthums tritt hier das christliche Mittelalter, die Begeisterung für die alte deutsche Art und Kunst. Die Dichtung Tiecks selbst regte manchen Künstler zu bildlichen Darstellungen an. Die Brüder Riepenhausen zeichneten 1806 einen Genoveva-Cyklus und keine Geringeren als Führich, Schwind und Richter folgten mit ihren Compositionen nach. Der Traum des „kunstliebenden Klosterbruders“ von einer Kunst im Bunde mit der Religion sollte sich erfüllen, wie die Vermählung von Religion und Poesie in der „Genoveva“ sich vollzogen hatte. Jenen Traum und Wunsch machten nämlich zur Wirklichkeit „die Klosterbrüder von San Isidoro“, jene Gruppe von deutschen Künstlern in Rom, die sich im Jahre 1810 mit Friedrich Overbeck, dem neuen Giovanni da Fiesole an der Spitze, in den verlassenen Zellen des Klosters San Isidoro auf dem Monte Pincio ansiedelten und mit wenig Geld und viel Begeisterung das Werk der Neubelebung religiöser Kunst mit Ernst und Eifer in Angriff nahmen. Der Übertritt zum Katholicismus, mit dem einst Tieck poetisch spielend kokettierte, wird für manchen von diesen Männern überzeugungsvoller Ernst. Eine fruchtbare Zeit religiösen Kunstschaffens brach für Deutschland an, als die Freunde und Schüler der Cornelius und Overbeck mit ihren Meistern um die Wette eine rege Thätigkeit entfalteten. Alte Bauwerke werden vollendet und restauriert, alte Gemälde und Statuen mit pietätvollem Eifer gesammelt und hoch in Ehren gehalten. (Kölner Dom. Die Brüder Boisserée.) Die Begeisterung für das Alterthümliche, besonders für die große Vergangenheit altdeutscher Dichtung, gibt der deutschen Wissenschaft manchen wirksamen Antrieb und folgenreiche Anregungen, sie bereitet auch jene vaterländische Begeisterung vor, die nach wenigen Jahren die deutschen Gemüther wie ein machtvoller heiliger Sturm erfassen sollte und die Dichtung der nächstfolgenden Zeit entzieht sich ebenfalls nicht ganz dem Eindrucke, den Tiecks Werk auf die Gemüther machte, wenn die Nachwirkungen auch weniger lebhaft als in der bildenden Kunst zu spüren sind. Der bedeutendste romantische Dramatiker, auf den Tiecks „Genoveva“ und „Octavian“ im Vereine mit der Schlegel’schen Ästhetik entscheidend einwirkte, ist Zacharias Werner. Dieser seltsame Mann versucht es, die Bühne des Theaters dem romantischen Geiste zu erobern. Seine „Söhne des Thals“ wie „Kunigunde die Heilige“ können das romantische Vorbild, dem sie nacheifern, gar nicht verleugnen. Dass auch die Dramatik der Brentano, Arnim, Eichendorff, Öhlenschläger, Hertz, Atterbom, Andersen, Immermann theils vom Geiste, theils von der Kunst der „Genoveva“ beeinflusst ist, wurde schon von mehreren Forschern betont.[806] Nach langer Wanderschaft durch alle möglichen Gebiete unserer Literatur, nachdem noch Dramatiker wie Friedrich Hebbel und Otto Ludwig die Gestaltung der Legende versucht hatten, gelangte sie auch zum trefflichen Erzähler Christoph v. Schmid, der aus dem alten Volksbüchlein ein neues machte. Von einem namhaften Einfluss Tiecks auf Schmids Erzählung lässt sich kaum reden. Dass die Einleitung derselben uns in die Zeit zurückführt, da die Morgenröthe des Christenthums in Deutschland aufgieng, dass die trüben Vorahnungen Genovevas betont werden und Golo als glänzende ritterliche Erscheinung geschildert wird, dass ferner für Genovevas Todesgang trüber Herbst (allerdings Nacht) den Hintergrund bildet und die Natur vom traurigen Schauspiele sich abwendet: das sind allerdings kleine Züge, die ein wenig auf Tiecks Dichtung zurückweisen. Im übrigen bietet Schmid eine einfache Neubearbeitung des Volksbuches mit Umgestaltungen und Erweiterungen, die den pädagogischen Absichten des Verfassers entsprechen. Alles Wunderbare und Übernatürliche wird abgestreift oder rationalistisch gedeutet. (Ähnlich gieng Maler Müller vor.) Das Wesentliche von den rührenden Motiven ist aber beibehalten. Der schlichte, gemeinverständliche und anheimelnde Ton ist glücklich getroffen. In dieser Gestalt konnte die alte Legende wieder zu den Hütten des Volkes zurückkehren, wo sie schon so lange heimisch war. Dort fand das neue Volksbüchlein neben dem alten gute Aufnahme. Am schönen Sommersonntag wie am düsteren Winterabend lesen Hirtenjunge und Bauernmädchen mit freudiger Rührung im kleinen Büchlein und weihen eine herzliche Thräne dem Schicksale der edlen Gräfin Genoveva. Register. #A#ndersen 255. Ariosto 61, 255. Arnim L. A. v. 245, 255. Atterbom 255. #B#alde J. 62. Bernhardi A. F. 61, 151 f., 157, 162 f., 165, 234, 245. Böhme J. 11 f., 26, 98, 113, 115 ff., 156, 162, 164, 166, 187, 194, 200, 250 ff. Boisserée (Die Brüder) 255. Brentano Cl. 246, 255. #C#alderon 11 f., 26, 107 ff., 124, 153, 161, 227 f., 234, 252. Cervantes 107. Chezy H. v. 246. Cochem M. v. 31, 89. Cornelius P. v. 255. #D#ante 228. Dürer A. 4, 7, 85, 167. #E#ichendorff J. v. 165, 246, 255. #F#euerbach L. 119. Fichte J. G. 116. Freytag G. 201. Friesen H. v. 165. Führich J. v. 254. #G#oethe 1, 2, 26 f., 29, 63, 65, 71 ff., 79, 89, 93, 98 f., 103, 147, 169, 173, 184, 202, 247. Giovanni da Fiesole 7. Gower J. 89. Grimmelshausen 27. #H#aym 116, 164. Hardenberg Karl v. 245. Hebbel, F. 255. Heine H. 174, 213. Heinse W. 11. Hemsterhuys 166. Herder 4, 6, 62. Hertz 255. Hettner 65, 83, 164, 179, 235. Hülsen A. L. 24, 137 #I#ffland 60, 106, 248, 254. Immermann 255. #K#leist H. v. 166. Koberstein 246. Köpke R. 28, 115. Körner Ch. G. 248. Kotzebue 248, 254. #L#enz R. 153. Lessing 82, 143. Lionardo da Vinci 8. Ludwig O. 255. #M#ayr Chr. 166. Meiners 6. Merkel G. 106, 144 f., 192, 233, 248. Michelangelo 4. Minor J. 92, 94 f., 98. Mnioch J. J. 244. Moscherosch 27. Müller Adam 166. Müller Fr. (Maler) 29, 67 ff., 103, 172, 256. #N#icolai Fr. 27 f., 143, 145,[*] 248.[*] Novalis-Hardenberg 11, 14, 20 ff., 120, 137, 166, 173, 178, 185 f., 207 f., 210, 212 f., 220 f. #Ö#hlenschläger 255. Overbeck Fr. 254 f. #P#aul Jean 104, 185. Petrich 193 ff., 215 f. Piero di Cosimo 8. Platen 225. #R#aphael 4, 85. Richter L. 254. Riepenhausen 254. Ritter J. W. 137. #S#achs Hans 26 f., 169, 252. Schiller 2, 103, 124, 147, 150, 177, 228, 239, 248. Scheffel 201. Schelling 25, 116, 122, 137, 225. Schlegel A. W. 10, 13, 24, 61 f., 64, 85, 104, 107 f., 124, 139, 144 f., 147 f., 191, 201, 210, 215, 222, 225, 227 f., 230 f., 243 f. Schlegel Fr. 12, 24 f., 61 f., 65, 112, 137, 147, 166, 215 f., 225, 243 f., 251. Schleiermacher 11 ff., 20, 113, 155, 163, 227. Schmid Christoph v. 255 f. Schmidt Heinrich 243. Schwind M. v. 254. Shakespeare 2, 7 f., 81, 84 ff., 111, 124, 139, 167, 200, 222, 230 f., 234, 252. Solger 30, 86, 106, 116 ff., 164, 187, 192 f., 206, 213, 246 f. Steffens H. 24, 122, 125. #T#auler J. 116. Tieck L. Abdallah 2, 73, 178. Blaubart 27, 63, 85, 103, 191. Briefe über Shakespeare 85, 112. Ekbert 103, 178, 186. Der getreue Eckart und der Tannenhäuser 103, 178, 186, 211, 250. Dramaturg. Blätter 85. Heymonskinder 27, 59. Der neue Hercules am Scheidewege (Der Autor) 27 f., 118, 120, 137. Karl von Berneck 10, 27, 73. Peter Leberecht 27, 60. Lovell 2, 63, 73, 85, 103, 178. Magelone 17, 27, 87, 108, 179, 210. Melusine 29, 87, 137, 226, 250. Octavianus 86 f., 101, 108, 112, 117 f. 137, 141, 144, 212, 225, 251 f., 254. Phantasien 4, 8 ff., 13, 112, 132, 137, 186, 216, 225, 254. Phantasus 60, 139, 150, 153, 173. Poetisches Journal 84 f. Romantische Dichtungen 29, 249 ff. Rothkäppchen 29, 250. Runenberg 103, 178, 186. Schildbürger 27, 60. Sommernacht 84. Sternbald 4, 8 f., 60, 103, 108, 112, 141, 167, 172, 179, 186, 207, 212, 216, 254. Der Traum 10. Volksmärchen 60. Zerbino 85, 87, 108, 117, 137, 141, 143 f., 147, 186, 225, 249. Twine L. 89. #V#eith Dor. 25. #W#ackenroder 1 ff., 13, 15, 60, 111, 169, 173, 186, 212 f. Waagen 29. Watteau 4. Werner Z. 166, 255. Wieland 202. [*] Allerdings kann ich seine Autorschaft an der Recension nur vermuthen und nicht beweisen; sie ist mit „Im“ unterzeichnet, wofür Partheys Mitarbeiter-Verzeichnis bei diesem Jahrgang keine Auflösung gibt. Fußnoten: [Fußnote 1: L. ~Tieck~, Schriften, 5, 272 („Phantasus“); Fr. ~Schlegel~, Sämmtliche Werke, 2, 205.] [Fußnote 2: ~Holtei~, Briefe an L. Tieck, Breslau 1864, 4, 169 ff.; ~Holtei~, Dreihundert Briefe aus zwei Jahrhunderten, 4. Theil, 27 ff.; R. ~Haym~, Die romantische Schule, Berlin 1870, 52 ff., 117 ff.; ~Dilthey~, Leben Schleiermachers, 279 ff.; Tieck und Wackenroder, hrg. v. J. ~Minor~, Stuttgart (Spemann), Einleitung. Wegen der Zeilenzählung wird, soweit möglich, ~Minors~ Tieck-Ausgabe in Kürschners National-Literatur benützt.] [Fußnote 3: ~Tieck~, Schriften, 4, 15.] [Fußnote 4: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders, Berlin 1797, 100; Phantasien über die Kunst (in ~Minors~ Tieck und Wackenroder), 11 ff.; Rud. ~Köpke~, L. Tieck, Leipzig 1855, 1, 154 ff.; H. v. ~Friesen~, L. Tieck, Wien 1871, 2, 140.] [Fußnote 5: ~Köpke~, 1, 161 ff.; ~Friesen~, 2, 141 ff.] [Fußnote 6: ~Haym~, 413.] [Fußnote 7: ~Holtei~, Briefe an Tieck, 4, 240.] [Fußnote 8: ~Holtei~, Dreihundert Briefe, 4, 69, 71; vgl. Phantasien ü. K., 76.] [Fußnote 9: ~Holtei~, Dreihundert Briefe, 4, 34 ff.] [Fußnote 10: Phantasien, 81.] [Fußnote 11: Herzenserg., 105, 100; vgl. ~Tieck~, Schriften, 4, 46.] [Fußnote 12: Herzenserg., 6, 11 ff., 40, 106, 165.] [Fußnote 13: Herzenserg., 162, 171; vgl. ~Tieck~, Schriften, 4, 100 f.] [Fußnote 14: Phantasien, 39.] [Fußnote 15: Herzenserg., 131 ff.] [Fußnote 16: Herzenserg., 108.] [Fußnote 17: Herzenserg., 158 ff.; vgl. Phantasien, 56, 92.] [Fußnote 18: Vgl. Schriften, 11, LXXIII.] [Fußnote 19: Über Kunst und Religion noch Herzenserg., 22, 40 f., 55, 60 f., 192; Phantasien, 33, 62, 84; ~Tieck~, Schriften, 4, 63.] [Fußnote 20: Vgl. W. ~Scherer~, Vorträge und Aufsätze zur Geschichte des geistigen Lebens in Deutschland und Österreich, Berlin 1874, S. 323.] [Fußnote 21: Herzenserg., 114 ff.; vgl. A.W. ~Schlegel~, W.W., 10, 364.] [Fußnote 22: Herzenserg., 28, 34; Phantasien, 5 ff.] [Fußnote 23: Herzenserg., 196.] [Fußnote 24: Herzenserg., 224 f.] [Fußnote 25: Über die Vorliebe für das Alte: Herzenserg., 9, 27, 34, 64, 80, 130; Sternbald (Minors Ausgabe), 120 ff., 158 f., 167, 171 f., 188 f., 372; Poetisches Journal von ~L. Tieck~, Jena 1800, 1. Stück, 145 ff.; ~Tieck~, Schriften, 4, 11 f., 56 f., 425.] [Fußnote 26: Herzenserg., 179-193.] [Fußnote 27: Herzenserg., 192; vgl. A.W. ~Schlegel~, Recension der Herzensergießungen, Sämmtliche Werke, Leipzig 1847, 10. Bd., 363 ff.; ~Tieck~, Schriften, 11. Bd., LXVIII ff.; vgl. A.W. ~Schlegel~, Berliner Vorlesungen über schöne Literatur und Kunst (ed. Minor), Heilbronn 1884, II, 46. Zum Begriffe „Religion“ wird von Schlegel angemerkt: „Es versteht sich, dass mit diesem Namen hier nicht die christliche oder irgend eine andere bestimmte, sondern Religion überhaupt gemeynt ist.“] [Fußnote 28: Sternbald, 161.] [Fußnote 29: Vgl. Sternbald, 123, 125, 128, 130 f., 153, 180, 184 ff., 204 f., 323 etc.] [Fußnote 30: Sternbald, 346.] [Fußnote 31: Herzenserg., 116 f.] [Fußnote 32: Phantasien, 39 ff.] [Fußnote 33: WW., 11, 35.] [Fußnote 34: Phantasien, 98 ff.] [Fußnote 35: Poetisches Journal, 2. Stück, 475 ff.] [Fußnote 36: An das Wunder mit dem heil. Sebastian in den „Herzensergießungen“ (S. 137) denken Wendelin und Else, wenn sie von Gott Genovevas wunderbare Befreiung verlangen (Genoveva, 253). -- Das Land des unerreichbaren Ideals wird in den „Phantasien“ wie in der „Genoveva“ als paradiesisches Märchenland über unseren Häuptern geschildert. -- Gemeinsame stilistische Eigenthümlichkeiten.] [Fußnote 37: ~Dilthey~, Schleiermacher, 279.] [Fußnote 38: Friedrich ~Schleiermacher~, Reden über die Religion, krit. Ausgabe von G. Ch. Bernhard Pünjer, Braunschweig 1879.] [Fußnote 39: ~Kirn~, Schleiermacher und die Romantik, Basel 1895, 23 ff.; ~Haym~, 419, 430 f.; ~Dilthey~, 304 ff.] [Fußnote 40: Reden, 32 ff.; Friedrich Schlegel, 1794-1802, hrg. v. ~Minor~, 2. Bd., 308.] [Fußnote 41: Vgl. ~Scherer~, Vorträge und Aufsätze, 385.] [Fußnote 42: Reden, 184.] [Fußnote 43: ~Minor~, Friedrich Schlegel, 2, 308.] [Fußnote 44: Ebd., 313.] [Fußnote 45: Solgers nachgelassene Schriften und Briefwechsel, Leipzig 1826, 1. Bd., 538.] [Fußnote 46: Aus Schleiermachers Leben, in Briefen, Berlin 1858-1863, 3. Bd., 115.] [Fußnote 47: ~Dilthey~, 281; ~Haym~, 458.] [Fußnote 48: Reden, 172 ff.] [Fußnote 49: Reden, 269 f.] [Fußnote 50: Ebd., 271.] [Fußnote 51: ~Solger~, a. a. O., 538.] [Fußnote 52: Reden, 71 f. Es ist, als ob diese Gedanken eine Renaissance der alten _vita contemplativa_ einleiten möchten. Schleiermacher kommt eben von der Herrnhutischen Brüdergemeinde her.] [Fußnote 53: „Schön warmer Tag“; „Gelobt sei Jesus Christ“ und ähnliches.] [Fußnote 54: Reden, 254.] [Fußnote 55: Reden, 258.] [Fußnote 56: Damit berührt sich noch eine späte Äußerung ~Tiecks~ in Schriften, XI, LXXI.] [Fußnote 57: Reden, 281.] [Fußnote 58: Genoveva, 211 ff.] [Fußnote 59: Reden, 211.] [Fußnote 60: Reden, 186, 214.] [Fußnote 61: Reden, 53.] [Fußnote 62: ~Dilthey~, 434; ~Haym~, 460 ff.; Just ~Bing~, Novalis, Hamburg und Leipzig 1893, 72 ff.] [Fußnote 63: ~Novalis~, Schriften, 3. Theil, Berlin 1846, 204.] [Fußnote 64: ~Novalis~, Schriften, Berlin 1826, 4. Aufl., 2. Theil, 189.] [Fußnote 65: ~Novalis~, 2. Theil, 193.] [Fußnote 66: ~Raich~, Novalis’ Briefwechsel, Mainz 1880, 171.] [Fußnote 67: ~Raich~, Novalis, 143 ff.] [Fußnote 68: ~Novalis~, 2. Theil, 13; vgl. 3. Theil, 205; ~Raich~, Novalis, 184; „Heinrich von Ofterdingen“.] [Fußnote 69: ~Novalis~, 2. Theil, 32 ff.] [Fußnote 70: ~Novalis~, 2. Theil, 98 f.; Dr. C. ~Busse~ macht in seiner Schrift „Novalis’ Lyrik“ (Oppeln 1898) den Versuch, den protestantisch-kirchlichen Charakter der „Geistlichen Lieder“ nachzuweisen, nicht überzeugend, wie mir scheinen will.] [Fußnote 71: ~Novalis~, 2. Theil, 163, 194, 3. Theil, 229 f.] [Fußnote 72: ~Novalis~, 2. Theil, 190 f., 3. Theil, 194; ~Raich~, Novalis, 184 f.] [Fußnote 73: Aus Schleiermachers Leben, 3, 125.] [Fußnote 74: ~Köpke~, 1, 247 ff.; ~Tieck~, Schriften, 4, 89; vgl. ~Raich~, Dorothea Schlegel, Mainz 1881, 1. Bd., 15, 19.] [Fußnote 75: Im „Musen-Almanach“ für das Jahr 1802, hrg. v. A.W. ~Schlegel~ und L. Tieck, Tübingen 1802, 187 f.] [Fußnote 76: Genoveva, 135.] [Fußnote 77: Aus Schleiermachers Leben, 3, 115, 125, 132, 134.] [Fußnote 78: Ebd., 3, 134.] [Fußnote 79: ~Solger~, 1, 539.] [Fußnote 80: ~Tieck~, Schriften, 1, Einleitung XXVIII; vgl. Aus Schleiermachers Leben, 3, 126; ~Raich~, Dorothea Schlegel, 1, 20.] [Fußnote 81: ~Novalis~, 2. Theil, 194, 197.] [Fußnote 82: Ebd., 194.] [Fußnote 83: ~Novalis~, 3. Theil, 195.] [Fußnote 84: ~Raich~, Novalis, 156.] [Fußnote 85: ~Novalis~, 2. Theil, 192.] [Fußnote 86: Genoveva, 110 f. Hier muss erwähnt werden, dass es auch ein poetisches Lieblingsspiel der Romantiker war, bildliche Darstellungen episch zu schildern, „Gemälde in Worten zu malen“. Tieck und Wackenroder thun es in den „Herzensergießungen“, Tieck wiederholt es im „Sternbald“, A.W. Schlegel schließt sich mit den Sonetten über die Dresdener Gemälde an, Brentano ahmt die Sitte im „Godwi“ nach. Kunstgespräche und theoretische Auseinandersetzungen in Dichtungen einzuschalten, „Genialität und Kritik“ zu verbinden, entspricht der romantischen Kunsttheorie. Als anregende Vorbilder für dieses Theoretisieren im Kunstwerke gehen Goethes Analysen des „Hamlet“ im „Wilhelm Meister“ und Heinses Gemäldeschilderungen im „Ardinghello“ voraus. Die Erklärung der gemalten Legenden für eine Zuhörerschaft gibt der Sache in der „Genoveva“ etwas Predigtmäßiges. (Vgl. A. ~Kerr~, Godwi, Berlin 1898, 19 ff.; A.W. ~Schlegel~, WW., 8, 16.)] [Fußnote 87: Genoveva, 211 ff.] [Fußnote 88: ~Haym~, 456 ff.; ~Dilthey~, 427 ff.] [Fußnote 89: Über Hülsen vgl. ~Haym~, 445 ff.] [Fußnote 90: ~Waitz~, Caroline, Leipzig 1871, 71 f.] [Fußnote 91: ~Raich~, Novalis, 84 ff.] [Fußnote 92: ~Dilthey~, 438 f.] [Fußnote 93: ~Minor~, Friedrich Schlegel, 2, 353; vgl. ebd., 302, 304, „Europa“, I, 47 ff.] [Fußnote 94: Ebd., 290 f., 293, 296, 298.] [Fußnote 95: Vgl. ~Tieck~, Schriften, 11, LXVII, „Novalis, Schleiermacher, Friedrich Schlegel und auch das Gedicht von der Genoveva...“.] [Fußnote 96: Tieck, Schriften, 6, VI, 11, LXII f.; Schriften, 10, 280 f.; vgl. ~Tieck~, Einleitung zu „Gesammelte Schriften“ von J.M.R. Lenz (Berlin 1828), S. LXI u. LXVIII.] [Fußnote 97: Tieck, Schriften, 11, 14.] [Fußnote 98: Tieck, Schriften, 15, 21.] [Fußnote 99: Über Tieck und die Volksbücher handelt Bernh. ~Steiner~ in „L. Tieck und die Volksbücher“, Berlin 1893; vgl. A.W. ~Schlegel~, WW., 12, 27 ff.] [Fußnote 100: ~Tieck~, Schriften, 11, Einleitung XLI f.] [Fußnote 101: A.W. ~Schlegel~, „Vorlesungen“ (Minor), II, 41.] [Fußnote 102: ~Tieck~, Schriften, 13, 327.] [Fußnote 103: ~Tieck~, Schriften, 1, Einleitung XXVI ff.; ~Köpke~, 1. Bd., 236 ff. und 2. Bd., 172; B. ~Seuffert~, Maler Müller, Berlin 1881, 145, 176; ~Haym~, 480 ff.] [Fußnote 104: Die Stelle über die Volksbücher im „Peter Leberecht“ (Schriften, XV, 21) scheint auf eine frühere Bekanntschaft mit dem Genoveva-Volksbuch hinzudeuten, von der uns Tieck aber sonst nirgends berichtet. Wie sich die Sache auch verhalten mag, von Bedeutung für seine „Genoveva“ ist jene frühe Bekanntschaft mit der Legende nicht.] [Fußnote 105: ~Solger~, 1, 453; vgl. ebd., 301, 487; vgl. ~Friesen~, 2. Bd., 181 ff.] [Fußnote 106: Eine schöne, anmuthige und lesenswürdige Historie von der unschuldig bedrängten heiligen Pfalzgräfin Genoveva, wie es ihr in Abwesenheit ihres herzlieben Ehegemahls ergangen. Gedruckt in diesem Jahr. Über die Entstehung und Schicksale der Legende vgl. B. ~Seuffert~, Die Legende von der Pfalzgräfin Genoveva, Würzburg 1877.] [Fußnote 107: Genoveva, 108 f.] [Fußnote 108: Genoveva, 109-123.] [Fußnote 109: Diese Angabe fehlt in der „Genoveva“-Ausgabe von 1820.] [Fußnote 110: Genoveva, 123-130.] [Fußnote 111: Ebd., 131-138.] [Fußnote 112: Ebd., 138-142.] [Fußnote 113: Genoveva, 142 ff.] [Fußnote 114: Ebd., 145-160.] [Fußnote 115: Ebd., 190 f., 202-210.] [Fußnote 116: Genoveva, 119, /12 ff./] [Fußnote 117: Genoveva, 131, /26 ff/.] [Fußnote 118: Ebd., 136, /10 ff/.] [Fußnote 119: Ebd., 137, /28 ff/.] [Fußnote 120: Ebd., 138, /1 ff/.] [Fußnote 121: Ebd., 161 ff.] [Fußnote 122: Vgl. die Lieder 164 und 166.] [Fußnote 123: Genoveva, 164, /5/; 165, /32 ff/.] [Fußnote 124: Ebd., 179-184.] [Fußnote 125: Ebd., 169 ff.] [Fußnote 126: Genoveva, 187.] [Fußnote 127: Ebd., 188 f.] [Fußnote 128: Ebd., 191 ff.] [Fußnote 129: Genoveva, 199.] [Fußnote 130: Ebd., 200-202.] [Fußnote 131: Biographische und literarische Skizzen aus dem Leben und der Zeit Karl Försters, Dresden 1846, S. 284.] [Fußnote 132: Genoveva, 182, /4/.] [Fußnote 133: Ebd., 197, /28 f/.] [Fußnote 134: Ebd., 217, /28, 31/.] [Fußnote 135: Genoveva, 191, /31 f/.] [Fußnote 136: Ebd., 213, /36/; 214, /25/.] [Fußnote 137: Ebd., 136, /32/.] [Fußnote 138: Ebd., 186, /25 ff/.] [Fußnote 139: Ebd., 211 ff.] [Fußnote 140: Genoveva, 214.] [Fußnote 141: Ebd., 202, 5 ff.] [Fußnote 142: Ebd., 131, 20.] [Fußnote 143: Ebd., 214.] [Fußnote 144: Ebd., 216.] [Fußnote 145: Ebd., 217.] [Fußnote 146: Genoveva, 217 f.; vgl. 136 u. 198 f.] [Fußnote 147: Genoveva, 223-226.] [Fußnote 148: Ebd., 223.] [Fußnote 149: Ebd., 229.] [Fußnote 150: Ebd., 219 ff., 230.] [Fußnote 151: Ebd., 230, 5 ff.] [Fußnote 152: Genoveva, 231-233.] [Fußnote 153: Ebd., 234.] [Fußnote 154: Ebd., 234.] [Fußnote 155: Genoveva, 235-238.] [Fußnote 156: Ebd., 239-241.] [Fußnote 157: Genoveva, 241 f.] [Fußnote 158: Ebd., 242-244.] [Fußnote 159: Genoveva, 244-251.] [Fußnote 160: Ebd., 251 f.] [Fußnote 161: Genoveva, 252.] [Fußnote 162: Ebd., 253 f.] [Fußnote 163: An späterer Stelle spricht auch das Volksbuch nur von einem Mörder, der mild gesinnt war.] [Fußnote 164: Genoveva, 255-260.] [Fußnote 165: Ebd., 260 ff.] [Fußnote 166: Vgl. Bernhardis Recension in „Berlinisches Archiv der Zeit und ihres Geschmackes“, 1800, 1. Bd., 465.] [Fußnote 167: Genoveva, 262 ff.] [Fußnote 168: Ebd., 264-266.] [Fußnote 169: Ebd., 266-268.] [Fußnote 170: Genoveva, 267, 24 ff.] [Fußnote 171: Ebd., 270.] [Fußnote 172: Ebd., 268-270.] [Fußnote 173: Ebd., 271-278.] [Fußnote 174: Genoveva, 271, 1-19.] [Fußnote 175: Ebd., 276, 25 bis 277, 12.] [Fußnote 176: Volksbuch, 13.] [Fußnote 177: Genoveva, 277 f.] [Fußnote 178: Genoveva, 284-288.] [Fußnote 179: Ebd., 284, 33-34.] [Fußnote 180: Ebd., 285, 19, 27.] [Fußnote 181: Ebd., 288-293.] [Fußnote 182: Genoveva, 294 f.] [Fußnote 183: Ebd., 297 f.] [Fußnote 184: Ebd., 296 ff.] [Fußnote 185: Ebd., 298-306.] [Fußnote 186: Genoveva, 308 ff.] [Fußnote 187: Ebd., 311 f.] [Fußnote 188: Genoveva, 313-316.] [Fußnote 189: Ebd., 216 f.] [Fußnote 190: Ebd., 319 f.] [Fußnote 191: Genoveva, 321.] [Fußnote 192: Ebd., 322.] [Fußnote 193: Vgl. darüber ~Tiecks~ Äußerung in Schriften, 1, VIII.] [Fußnote 194: J.V. Teichmanns literarischer Nachlass, hrg. v. ~Dingelstedt~, Stuttgart 1863, S. 282; vgl. ~Tieck~, Schriften, 1, VIII.] [Fußnote 195: ~Tieck~, Schriften, 4, 362 ff.] [Fußnote 196: Altenglisches Theater I, in ~Tieck~, Sämmtliche Werke, 21. Bd., Wien 1820, Einleitung.] [Fußnote 197: A.W. ~Schlegel~, WW., 12, 30.] [Fußnote 198: A.W. Schlegels Vorlesungen, hrg. v. J. ~Minor~ in B. Seufferts Deutschen Literaturdenkmalen, Heilbronn 1884, Nr. 17-19, 2. Theil, 18 f.; vgl. 3. Theil, 128, 138, 149, und A.W. ~Schlegel~, WW., 7, 272 ff., 9, 264 f., 11, 144; vgl. ~Schlegels~ Äußerung über die Bearbeitung des „Tristan“ bei Haym, 813.] [Fußnote 199: Archiv der Zeit, 1800, 459, 462, 466.] [Fußnote 200: A.W. ~Schlegel~, WW., 12, 287.] [Fußnote 201: Europa, hrg. v. Fr. ~Schlegel~, Frankfurt a. M. 1803, 1. Bd., 1. St., 57.] [Fußnote 202: A.W. ~Schlegel~, WW., 1, 367 und Fr. ~Schlegel~, WW., 10, 20. Über diese Seite der Romantik vgl. ~Holtei~, Br. a. Tieck, 4, 228; ~Köpke~, Tieck, 2, 172; ~Tieck~, Schriften, 4, 289; Poetisches Journal, 1. Jahrg., 2. Stück, 56 ff.] [Fußnote 203: ~Seuffert~, Pfalzgräfin Genoveva, 1 ff.] [Fußnote 204: A.W. ~Schlegel~, WW., 10, 376 ff.] [Fußnote 205: ~Tieck~, Schriften, 1. Bd., XXVIII.] [Fußnote 206: H. ~Hettner~, Die romantische Schule in ihrem inneren Zusammenhange mit Goethe und Schiller, Braunschweig 1850, 155.] [Fußnote 207: ~Minor~, Fr. Schlegel, 2. Bd., 220; vgl. 225, 242, 244, 288.] [Fußnote 208: Altenglisches Theater, Einleitung VI.] [Fußnote 209: ~Tieck~, Schriften, 1 Bd., XXVII.] [Fußnote 210: „Golo und Genoveva“ in Kürschners „Deutsche Nationalliteratur“, 81. Bd., hrg. v. ~Sauer~, S. 30.] [Fußnote 211: ~Tieck~, Genoveva, 113.] [Fußnote 212: Golo und Genoveva, 30, 103.] [Fußnote 213: Ebd., 143 f.] [Fußnote 214: ~Seuffert~, Maler Müller, 171.] [Fußnote 215: ~Tieck~, Genoveva, 113.] [Fußnote 216: Ebd., 137, 190, 202.] [Fußnote 217: Ebd., 311.] [Fußnote 218: Ebd., 312.] [Fußnote 219: ~Seuffert~, Maler Müller, 159-163.] [Fußnote 220: Golo und Genoveva, 16, 33.] [Fußnote 221: Ebd., 19, 29 f.] [Fußnote 222: ~Tieck~, Genoveva, 112.] [Fußnote 223: Ebd., 131, 9 ff.] [Fußnote 224: Golo und Genoveva, 18.] [Fußnote 225: ~Tieck~, Genoveva, 136; vgl. 180, 17, 225, 10.] [Fußnote 226: Golo und Genoveva, 18.] [Fußnote 227: ~Tieck~, Genoveva, 131.] [Fußnote 228: Golo und Genoveva, 58 ff.] [Fußnote 229: ~Tieck~, Genoveva, 191 ff.] [Fußnote 230: Golo und Genoveva, 33.] [Fußnote 231: ~Tieck~, Genoveva, 131, 164, 182.] [Fußnote 232: Golo und Genoveva, 73, 103, 122.] [Fußnote 233: ~Förster~, Biographische und literarische Skizzen, 284.] [Fußnote 234: ~Tieck~, Genoveva, 195.] [Fußnote 235: Golo und Genoveva, 119, /25 f/.] [Fußnote 236: Ebd., 120.] [Fußnote 237: Ebd., 126.] [Fußnote 238: ~Tieck~, Genoveva, 268, /3 ff/.] [Fußnote 239: ~Tieck~, Genoveva, 292.] [Fußnote 240: Golo und Genoveva, 34, /4/, 103, /9/, 159, /14/.] [Fußnote 241: ~Tieck~, Genoveva, 172, /6 ff/., 182, /22/, 202, /14/, 261, /3/, 293, /14 ff/.] [Fußnote 242: Golo und Genoveva, 143 f.] [Fußnote 243: ~Tieck~, Genoveva, 295 f.] [Fußnote 244: Golo und Genoveva, 152 f.] [Fußnote 245: ~Tieck~, Genoveva, 298.] [Fußnote 246: Golo und Genoveva, 156.] [Fußnote 247: ~Tieck~, Genoveva, 305.] [Fußnote 248: Golo und Genoveva, 158 f.] [Fußnote 249: ~Tieck~, Genoveva, 311 f.] [Fußnote 250: Golo und Genoveva, 8 f.] [Fußnote 251: ~Tieck~, Genoveva, 120.] [Fußnote 252: Golo und Genoveva, 18 ff.] [Fußnote 253: Ebd., 44 ff.] [Fußnote 254: ~Tieck~, Genoveva, 136, 187.] [Fußnote 255: Golo und Genoveva, 97, und Tieck, Genoveva, 231.] [Fußnote 256: Golo und Genoveva, 86, 88; Tieck, Genoveva, 202 f.] [Fußnote 257: Golo und Genoveva, 129, /34 ff./; Tieck, Genoveva, 264, /20 ff./] [Fußnote 258: Golo und Genoveva, 91.] [Fußnote 259: ~Tieck~, Genoveva, 237, /9 ff./] [Fußnote 260: Golo und Genoveva, 29, 86, 150, /10/.] [Fußnote 261: ~Tieck~, Genoveva, 131, 177, /28/, 179, /10/.] [Fußnote 262: Ebd., 178.] [Fußnote 263: Golo und Genoveva, 68.] [Fußnote 264: ~Tieck~, Genoveva, 213.] [Fußnote 265: Golo und Genoveva, 82, 85 ff.; Tieck, Genoveva, 234 ff.] [Fußnote 266: Golo und Genoveva, 86.] [Fußnote 267: ~Tieck~, Genoveva, 262.] [Fußnote 268: ~Seuffert~, Maler Müller, 172.] [Fußnote 269: Golo und Genoveva, 38 ff.] [Fußnote 270: Ebd., 58 ff.] [Fußnote 271: ~Tieck~, Genoveva, 179 ff.] [Fußnote 272: Golo und Genoveva, 69; ~Tieck~, Genoveva, 193, 202.] [Fußnote 273: ~Tieck~, Genoveva, 229.] [Fußnote 274: Golo und Genoveva, 146.] [Fußnote 275: Ebd., 7, 14.] [Fußnote 276: ~Tieck~, Genoveva, 118, /36/, 119, /1 ff./] [Fußnote 277: Ebd., 168.] [Fußnote 278: Golo und Genoveva, 31, /20/, 62, /30/.] [Fußnote 279: Golo und Genoveva, 143.] [Fußnote 280: ~Tieck~, Genoveva, 113.] [Fußnote 281: Golo und Genoveva, 114 ff.] [Fußnote 282: ~Tieck~, Genoveva, 252, 254 ff.] [Fußnote 283: Vgl. ~Solger~, 502; Poetisches Journal, 1. Jahrg., 1. Stück, 27.] [Fußnote 284: Golo und Genoveva, 44 ff.] [Fußnote 285: Ebd., 82; vgl. „Locrine“, 88 (Altenglisches Theater, II).] [Fußnote 286: ~Tieck~, Genoveva, 257.] [Fußnote 287: ~Tieck~, Krit. Schriften, 1. Bd., 82.] [Fußnote 288: ~Tieck~, Genoveva, 192.] [Fußnote 289: Ebd., 190.] [Fußnote 290: Ebd., 112 ff.] [Fußnote 291: Golo und Genoveva, 31, 39, 62; ~Tieck~, Genoveva, 167 f.] [Fußnote 292: Golo und Genoveva, 151 f.] [Fußnote 293: ~Tieck~, Genoveva, 266 f.] [Fußnote 294: Golo und Genoveva, 139 f.] [Fußnote 295: ~Tieck~, Genoveva, 297.] [Fußnote 296: Vgl. O. ~Brahm~, Das deutsche Ritterdrama des 18. Jahrhunderts, Straßburg 1880.] [Fußnote 297: Vgl. ~Köpke~, 1. Bd., 323 ff., 349; ~Tieck~, Schriften, 1. Bd., XXXII ff., 4. Bd., 418 f.] [Fußnote 298: Poetisches Journal, 1. Jahrg., 1. Stück, 27.] [Fußnote 299: ~Haym~, 22.] [Fußnote 300: ~Holtei~, Dreihundert Briefe, 4, 30, 32, 68.] [Fußnote 301: ~Haym~, 51, 91, 105.] [Fußnote 302: Von den Stücken, die für die „Genoveva“ mehr oder minder in Betracht kommen, erschienen bis 1799: Romeo und Julia. Sommernachtstraum. Julius Cäsar. Was ihr wollt. Der Sturm. Hamlet. Der Kaufmann von Venedig. Wie es euch gefällt. König Johann. König Richard II.] [Fußnote 303: Poetisches Journal, 35 f.; vgl. Altenglisches Theater, Einleitung XV.] [Fußnote 304: ~Haym~, 701 ff.] [Fußnote 305: Vgl. Phantasien, 23, 103; ~Lenz~, WW., Einleitung II.] [Fußnote 306: Noch in der Einleitung zu Lenz (LXIV) behauptet Tieck, dass in der Regel der Tadel, den die verschiedenen Schriftsteller versuchten, „wenn man in den Dichter eingedrungen ist, zum Lobe wird“.] [Fußnote 307: ~Köpke~, L. Tieck, 1. Bd., 241 f.] [Fußnote 308: Über Shakespeares Antheil an „Perikles“ vgl. ~Delius~’ Einleitung zu seiner Übersetzung des Stückes in der Hallberger’schen Ausgabe; Tieck betrachtet ihn als Shakespeare’sches Jugendwerk. (Altenglisches Theater, I, XX f.)] [Fußnote 309: Teichmanns „Literarischer Nachlass“, hrg. v. ~Dingelstedt~, Stuttgart 1863, S. 281.] [Fußnote 310: ~Solger~, Nachgel. Schriften, 502; Brief vom 2. Februar 1817.] [Fußnote 311: Beide Stücke im „Altenglischen Theater“.] [Fußnote 312: Vgl. ~Tieck~, Schriften, 1, XXX f., und XL; ferner 6, LII und 11, XXXIX, an welchen Stellen Tieck über das Untheatralische seiner Stücke spricht. Vgl. auch Teichmanns „Literarischer Nachlass“, 281.] [Fußnote 313: Krit. Schriften, 1. Bd., 37 ff., und 4. Bd., 154.] [Fußnote 314: Archiv der Zeit, 1800, 466. Dass Tieck zumeist für eine „phantastische Bühne“ dichtet, hindert ihn nicht, einzelne Stellen wieder theatralisch zu behandeln.] [Fußnote 315: ~Delius~, a. a. O.] [Fußnote 316: Im „Locrine“ spricht Ate Prolog und Epilog. Im „Zerbino“ tritt ein Jäger als Prologsprecher auf.] [Fußnote 317: Vgl. die Marionette des Polykomikus im „Zerbino“; Schriften, 10, 211.] [Fußnote 318: Während im „Perikles“ ein stummes Spiel auf der Bühne die Worte des Prologsprechers begleitet, führt der Prolog des „Lustigen Teufels“ ähnlich in die Handlung über, wie die Worte des Bonifacius, indem dort der Sprecher selbst den Vorhang aufzieht und auf die beginnende erste Scene hinweist.] [Fußnote 319: G. Merkel macht sich darüber nicht mit Unrecht lustig in „Briefe an ein Frauenzimmer über die wichtigsten Producte der schönen Literatur“, Berlin 1800. Auch die Prologe im „Locrine“ enthalten solche Wiederholungen.] [Fußnote 320: 1. Act, 3.] [Fußnote 321: 1. Act, 2.] [Fußnote 322: Dieser eigenthümliche Tonfall hier und in anderen Reden Gertruds, die auch gerne Sentenzen und Sprichwörter einflicht, erinnert zugleich an gewisse Reden der Martha Schwerdtlein. Der freie Scenenwechsel, das Epische im „Faust“, der auch den Charakter einer dramatischen Biographie annimmt, kann Tieck schwerlich übersehen haben, wenn er in den „Einleitungen“ auch zuvörderst den alterthümlichen Ton dieser Dichtung als dasjenige rühmt, was ihn am vertrautesten ansprach. Ein paar kleine Reminiscenzen aus dem „Faust“ können hier ebenfalls erwähnt werden. Bei Golos Worten: „Es reißt mich fort, in allen meinen Sinnen Fühl’ ich ein Treiben, innerliches Wühlen...“ denkt man leicht an Fausts Worte: „Ha! wie’s in meinem Herzen reißt! Zu neuen Gefühlen All meine Sinnen sich erwühlen!“ Margarethens Geständnis: „Allein gewiss, ich war recht bös’ auf mich, Dass ich auf euch nicht böser werden konnte!“ klingt wie Genovevas: „O lasst mich, bei den hocherhabenen Gestirnen, Ich kann auf euch nicht so, wie ich wohl möchte, zürnen.“] [Fußnote 323: L. ~Tieck~., Dramaturgische Blätter, Breslau 1826, 1. Bd., 263.] [Fußnote 324: ~Tieck~, Genoveva, 142 ff.] [Fußnote 325: Heinrich VI., 2. Theil, 3. Act, 1.] [Fußnote 326: Heinrich VI., 2. Theil, 1. Act, 2.] [Fußnote 327: Heinrich VI., 3. Theil, 3. Act, 2.] [Fußnote 328: „Locrine“, Altenglisches Theater, II, 58.] [Fußnote 329: Macbeth, 5. Act, 7.] [Fußnote 330: Genoveva, 150 f.; vgl. „Locrine“, Altenglisches Theater, II, 45.] [Fußnote 331: ~Tieck~, Genoveva, 163, /26 ff./] [Fußnote 332: Ebd., 162, /4 ff./] [Fußnote 333: Romeo und Julia, 2. Act, 1.] [Fußnote 334: Vgl. noch Sommernachtstraum, 2. Act, 1; 3. Act, 2. Verlorene Liebesmüh’, 4. Act, 1.] [Fußnote 335: Selbst die Wortfolge und der Tonfall in Gertruds Äußerung: „Die Nacht ist schön, in einer solchen Nacht Ward Golo mir von einem Mann gebracht...“ erinnert an Lorenzos: „Der Mond scheint hell, in einer solchen Nacht Wie diese -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- Erstieg wohl Troilus die Mauern Trojas.“ ~Gertrud~: „Es geht ein Mann dort in des Gartens Stille.“ ~Jessica~: „Doch horch, ich hör’ den Fußtritt eines Mannes.“ ~Lorenzo~: „Wer kommt so eilig in der stillen Nacht?“] [Fußnote 336: König Richard II., 2. Act, 2.] [Fußnote 337: Bei Shakespeare beginnt die Scene: „London. Ein Zimmer im Ely-Haus. (Gaunt auf einem Ruhebette; der Herzog von York und andere um ihn her stehend.)“ ~Gaunt~: „Sagt, kommt der König...?“ Tiecks Einleitung: „Zimmer. Wolf auf dem Bette. Ein Diener.“ ~Wolf~: „Er (Golo) wollte kommen?“] [Fußnote 338: ~Tieck~, Genoveva, 244 f.] [Fußnote 339: König Heinrich VI., 2. Theil, 1. Act, 4.] [Fußnote 340: König Richard II., 3. Act, 2.] [Fußnote 341: Vgl. eine ähnliche zusammenfassende Wiederholung am Schlusse des Stückes im älteren „König Lear“, Altenglisches Theater, II, 262 f., und „Octavian“, Schriften, 1, 399.] [Fußnote 342: Poetisches Journal, 1. Jahrg., 1. Stück, 44.] [Fußnote 343: König Johann, 1. Act, 1. König Heinrich VI., 1. Theil, 4. Act, 2.] [Fußnote 344: König Heinrich V., 2. Act, 4.] [Fußnote 345: Macbeth, 5. Act, 6. Vgl. auch Humbers Anordnung im „Locrine“ (Altenglisches Theater, II, 36).] [Fußnote 346: König Heinrich VI., 3. Theil, 5. Act, 2.] [Fußnote 347: König Heinrich IV., 1. Theil, 5. Act, 1.] [Fußnote 348: ~Tieck~, Genoveva, 144.] [Fußnote 349: Ebd., 133 f.] [Fußnote 350: 3. Act, 1.] [Fußnote 351: Vgl. König Johann, 4. Act, 2. Heinrich VI., 1. Theil, 3. Act, 1. „Locrine“, Altenglisches Theater, II, 91.] [Fußnote 352: 1. Act, 1. Vgl. Julius Cäsar, 1. Act, 3; 2. Act, 2. Heinrich VI., 3. Theil, 2. Act, 1.] [Fußnote 353: König Lear, 1. Act, 2. Vgl. König Johann, 3. Act, 4.] [Fußnote 354: 4. Act, Ende. (Komet, Sturmwind, gekreuzte Schwerter in der Luft.)] [Fußnote 355: Golo und Genoveva, 51.] [Fußnote 356: ~Tieck~, Genoveva, 267.] [Fußnote 357: Hamlet, 5. Act, 1.] [Fußnote 358: 2. Act, 7.] [Fußnote 359: Vgl. Poetisches Journal, 35 f.] [Fußnote 360: König Richard II., 2. Act, 2. Mit obigen Worten übersetzt nämlich Schlegel: „This tongue that runs so roundly in thy head“...] [Fußnote 361: Richard II., 1. Act, 2.] [Fußnote 362: Kaufmann von Venedig, 3. Act, 2.] [Fußnote 363: Was ihr wollt, 3. Act, 1.] [Fußnote 364: König Johann, 2. Act, 1.] [Fußnote 365: ~Tieck~, Schriften, 1. Bd., XXVIII; 6. Bd., XVIII. Mit Tiecks Angaben deckt sich im wesentlichen, was seine Biographen sagen. Vgl. Köpke, 239 f. ~Friesen~, 2. Bd., 67 ff., 177.] [Fußnote 366: ~Tieck~, Schriften, 6. Bd., XVIII f.] [Fußnote 367: ~A.W. Schlegel~, WW., 6. Bd., 397.] [Fußnote 368: Tieck kannte sicher jene Calderon’schen Stücke, die Schlegel bald im „Spanischen Theater“ übersetzte: „Die Andacht zum Kreuz“, „Der standhafte Prinz“, „Die Schärpe und die Blume“, „Die Brücke von Mantible“, „Der Schultheiß von Zalamea“, „Über allen Zaubern Liebe“. Vgl. ~Friesen~, 2, 177.] [Fußnote 369: ~Tieck~, Schriften, 1, XXVIII f. Einleitung zu Lenz, XXIII. Altenglisches Theater, I, VI f.] [Fußnote 370: Vgl. ~Schack~, Geschichte der dramatischen Kunst und Literatur in Spanien, Frankfurt a. M. 1854, 2. Bd., 84. Beispiele in „Die Andacht zum Kreuz“, „Die Brücke von Mantible“, „Der Schultheiß von Zalamea“, „Die Schärpe und die Blume“ etc.] [Fußnote 371: Z. B. die Rede des Gesandten in der „Jungfrau des Heiligthums“.] [Fußnote 372: „Der standhafte Prinz“, „Die Brücke von Mantible“, „Das Leben ein Traum“.] [Fußnote 373: „Fegefeuer des heil. Patricius“; vgl. ~Schack~, a. a. O., 84.] [Fußnote 374: „Die Andacht zum Kreuz“, „Die Brücke von Mantible“, „Das Leben ein Traum“.] [Fußnote 375: „Der standhafte Prinz“, „Die Jungfrau des Heiligthums“.] [Fußnote 376: ~Schack~, a. a. O., 84 f.] [Fußnote 377: „Der standhafte Prinz“.] [Fußnote 378: ~Tieck~, Schriften, 1. Bd., XXIX.] [Fußnote 379: Lenz’ WW., Einleitung XXII f.] [Fußnote 380: ~Holtei~, Dreihundert Briefe, 4, 58 f.] [Fußnote 381: Krit. Schriften, 1. Bd., 35 ff.; vgl. ebd. 78 f.] [Fußnote 382: ~Tieck~, Schriften, 1. Bd., XXXVIII.] [Fußnote 383: ~Solger~, a. a. O., 302, 652, 688, 698.] [Fußnote 384: Ebd., 696; vgl. Krit. Schriften, 4, 152 und 156, Einleitung zu Lenz, LXXV.] [Fußnote 385: ~Köpke~, 1. Bd., 241; ~A.W. Schlegel~, WW., 6. Bd., 393 ff.] [Fußnote 386: ~Köpke~, 1. Bd., 241.] [Fußnote 387: ~Tieck~, Genoveva, 238.] [Fußnote 388: Ebd., 128.] [Fußnote 389: Mit diesem Motive verbanden sich vielleicht einzelne Züge aus der Liebesgeschichte Locrines und Estrildens. (Altenglisches Theater, II, 70 ff.)] [Fußnote 390: Altenglisches Theater, I, VI f.] [Fußnote 391: ~Köpke~, I, 240 f.] [Fußnote 392: ~Köpke~, 1. Bd., 239 f.; ~Friesen~, 2, 159 ff.; ~Tieck~, Schriften, 11. Bd., LXXIII f.] [Fußnote 393: Romantische Schule, 472.] [Fußnote 394: ~Solger~, Nachgel. Schriften, 538 ff. Brief vom 24. März 1817.] [Fußnote 395: ~Tieck~, Schriften, 13, 323.] [Fußnote 396: ~Solger~, a. a. O., 538.] [Fußnote 397: Vgl. ~Friesen~, 2. Bd., 184.] [Fußnote 398: Ludwig ~Feuerbach~, Sämmtliche Werke, 4. Bd., 132.] [Fußnote 399: Vorrede zur „Morgenröthe“. Wenn Tieck in J. Böhme auch „Dialektik, gründliche Forschung, Strenge der Folgerungen, kurz philosophische Kraft und Kunst“ gefunden zu haben behauptet, so kann dies kaum im gewöhnlichen Sinne dieser Ausdrücke zu verstehen sein. Vgl. Schriften, 11, LXXIV.] [Fußnote 400: ~Tieck~, Schriften, 6. Bd., XIII.] [Fußnote 401: ~Tieck~, Schriften, 13. Bd., 323 ff.] [Fußnote 402: ~Novalis~, Schriften, 2. Bd., 36.] [Fußnote 403: Es ist unter den Jenaer romantischen Freunden immer nur von Böhme und seiner „Morgenröthe“ die Sprache. Tauler und die anderen Mystiker kamen wenigstens für Tieck erst später an die Reihe, und so ist es erklärlich, dass sich in der „Genoveva“ von Tauler keine deutliche Spur auffinden lässt.] [Fußnote 404: Benützt wurde für die folgende Untersuchung eine Ausgabe der „Morgenröthe“ mit dem Titel: „Morgen-Röte im Aufgangk das ist: Die Wurtzel oder Mutter der Philosophiae, Astrologiae und Theologiae, Aus rechtem grunde. Oder Beschreibung der NATUR Wie Alles gewesen und im anfangk worden ist: wie die Natur und Elementa Creatürlich worden seind; auch von beyden qualitäten Bösen und Guten / woher alle Ding seinen Vrsprung hat / und wie es am Ende dieser Zeit werden wird: auch wie Gottes- und der Höllen-Reich beschaffen ist / und wie die Menschen in jedes Creatirlich wirken. Alles aus Rechtem Grunde / in Erkentnus des Geistes im wallen GOttes mit fleiß gestellet durch Jacob Böhmen In Görlitz / im Jahr Christi 1612 seines Alters 37. Jahr / Dingstag in Pfingsten. Gedruckt zu Amsterdam 1656“.] [Fußnote 405: Böhmes Lehren finden sich ausführlicher wiedergegeben bei Ludwig ~Feuerbach~, Sämmtliche WW., 4, 131-183. Vgl. ~Zeller~, Geschichte der deutschen Philosophie seit Leibniz, München 1875, 12 ff.] [Fußnote 406: ~Tieck~, Genoveva, 157 ff.] [Fußnote 407: ~Haym~, Romantische Schule, 630 f. In den „Grundzügen der philosophischen Naturwissenschaft“ (Berlin 1806), worin Steffens seine Naturphilosophie aphoristisch skizziert, heißt es in einem Fragmente, S. 11: „Die Geschichte sowohl als die Natur sind geschlossene Totalitäten; in beiden offenbart sich die ganze Totalität.“] [Fußnote 408: Morgenröthe, 198.] [Fußnote 409: Morgenröthe, 584.] [Fußnote 410: Ebd., 12, 503.] [Fußnote 411: Ebd., 12 ff.] [Fußnote 412: Ebd., 14.] [Fußnote 413: Ebd., 17.] [Fußnote 414: Vgl. auch „Locrine“ (Altenglisches Theater, II, 27).] [Fußnote 415: Vgl. noch Genoveva, 134, 5 ff. Octavian in ~Tieck~, Schriften, 1, 52.] [Fußnote 416: Morgenröthe, 113 f.] [Fußnote 417: Ebd., 141 f.] [Fußnote 418: Ebd., 147 f.] [Fußnote 419: Ebd., 189 u. 198.] [Fußnote 420: Reden, 52.] [Fußnote 421: Morgenröthe, 45.] [Fußnote 422: ~Steffens~, Grundzüge der philosophischen Naturwissenschaft, 19.] [Fußnote 423: Reden, 57; vgl. 88, 91, 95. Vgl. A.W. ~Schlegels~ „Vorlesungen“ (Minor) II, 6. Schlegel überträgt hier obige Betrachtungsweise auf Kunst und Literaturgeschichte. „Wer ein großes poetisches Meisterwerk verstünde“, meint er, „würde die gesammte übrige Poesie darin finden; denn wie in der Natur, so ist auch in der Kunst jede ächte, vollständige und deutlich umgrenzte Einheit ein Spiegel des großen Ganzen. Wiederum, wer die Poesie recht versteht, dem wird durch sie der Geist der übrigen Künste in innerer Ahndung aufgehen, wenn es ihm auch an Entwickelung des äußeren Organes dazu fehlt.“] [Fußnote 424: Morgenröthe, 77; vgl. 129, 134, 158, 186 f., 223 und Vorrede.] [Fußnote 425: Ebd., 322; vgl. 423.] [Fußnote 426: ~Solger~, 539 f.] [Fußnote 427: Morgenröthe, 356; vgl. 386 ff.; ~Novalis~, Schriften, 2, 35 f.] [Fußnote 428: ~Tieck~, Genoveva, 160.] [Fußnote 429: Krit. Schriften, 1. Bd., 108; Phantasien, 27.] [Fußnote 430: Fast dieselbe geheime Weisheit, wie der „Unbekannte“ besitzt auch der sternenkundige Ritter Emmerich in ~Tiecks~ „Melusina“, Schriften, 13, 74 f.] [Fußnote 431: ~Tieck~, Genoveva, 242 ff.] [Fußnote 432: Morgenröthe, 17; vgl. 12, 15. Hieher gehören auch Golos Worte, 270, 22 ff.] [Fußnote 433: Morgenröthe, 8 f., auch die „Vorrede“.] [Fußnote 434: Vgl. ~Tieck~, Schriften, 1, 81 (Octavian).] [Fußnote 435: ~Tieck~, Genoveva, 245.] [Fußnote 436: Morgenröthe, 389; vgl. ~Tieck~, Schriften, 13, 323, und ~Novalis~, 2, 36.] [Fußnote 437: Reden, 91; vgl. Phantasien, 72.] [Fußnote 438: Vgl. Phantasien, 43.] [Fußnote 439: Morgenröthe, 15; vgl. ~Tieck~, Schriften, 4, 209, und 1, 137.] [Fußnote 440: Ebd., 132 f.] [Fußnote 441: Morgenröthe, 104 ff.; vgl. ~Tieck~, Schriften, 4, 211.] [Fußnote 442: Morgenröthe, 101.] [Fußnote 443: Ebd., 17.] [Fußnote 444: Ebd., 36.] [Fußnote 445: Ebd., 39.] [Fußnote 446: Ebd., 40 f. Vgl. ~Tieck~, Schriften, 1, 11. „Nur Phantasie schaut in das ewge Weben...“] [Fußnote 447: Vgl. ~Tieck~, Schriften, 11, 13.] [Fußnote 448: Morgenröthe, 305 f.] [Fußnote 449: Ebd., 494.] [Fußnote 450: Vgl. ~Tieck~, Schriften, 1, 93 (Octavian); Phantasien, 39, 101.] [Fußnote 451: Morgenröthe, 100.] [Fußnote 452: 42 ff.] [Fußnote 453: ~Tieck~, Genoveva, 249.] [Fußnote 454: Morgenröthe, 106, 130, 142, 153, 167.] [Fußnote 455: Ebd., 17.] [Fußnote 456: Ebd., 10.] [Fußnote 457: Morgenröthe, 12; vgl. 51.] [Fußnote 458: ~Tieck~, Genoveva, 315 f.] [Fußnote 459: ~Friesen~, 2. Bd., 159.] [Fußnote 460: Morgenröthe, 44 ff.] [Fußnote 461: Morgenröthe, 519.] [Fußnote 462: Ebd., 280.] [Fußnote 463: Ebd., 236.] [Fußnote 464: ~Tieck~, Genoveva, 229, /13-14/.] [Fußnote 465: Ebd., 198, /13/. Vgl. 147, /16/; 151, /5/.] [Fußnote 466: Ebd., 267, /33/; 314, /7/.] [Fußnote 467: ~Förster~, Biographie und literarische Skizzen, 283.] [Fußnote 468: ~Novalis~, Schriften, 2. Bd., 36.] [Fußnote 469: Aus Schleiermachers Leben, 3. Bd., 192 f.] [Fußnote 470: Schriften, 4, 171.] [Fußnote 471: WW., 7, 71 f.; vgl. Sternbald, 194 f.] [Fußnote 472: ~Minor~, Friedrich Schlegel, 2. Bd., 220. Vgl. ~Solger~, 2. Bd., 502. Wackenroder ahnte „eine geheime Verwandtschaft der Künste“, in denen allenthalben dieselbe göttliche Flamme wehe. (Herzenserg., 78.) Sternbald glaubt auch, dass Musik, Poesie und Malerei sich oft die Hand bieten und ein und dasselbe auf ihren Wegen erreichen könnten. (Sternbald, 317; vgl. Phantasien, 91.) Der Roman soll nach Fr. Schlegel „gemischt sein aus Erzählung, Gesang und anderen Formen“. Erzählungen mit Gesang und Dramen mit Gesang werden von A.W. Schlegel in der Recension der Tieck’schen „Volksmärchen“ als möglich empfohlen. Die Vorbilder von Shakespeare und Calderon treten neben „Wilhelm Meister“ und bald begegnet uns eine lange Reihe von Erzählungen mit Gesang, Dramen mit Gesang und selbst Dramen mit Erzählung und Gesang zugleich. Noch in späten Jahren glaubt Tieck, dass die drei Hauptarten der Poesie „sich in allen Gattungen durchdringen können, wenn auch die eine immer die Basis bleiben muss“. (Einleitung zu Lenz, XXV; vgl. Schriften, 10, 251.)] [Fußnote 473: Vgl. Tiecks Bemerkung über Goethes „Egmont“ in der Einleitung zu Lenz, XXXV f. Zu erinnern wäre andererseits an „Faust“, 2. Theil.] [Fußnote 474: ~Minor~, Friedrich Schlegel, 2. Bd., 220, 366 f.] [Fußnote 475: ~A.W. Schlegel~, WW., 8, 24; vgl. ~Haym~, 255, und ~Tieck~, Schriften, 4, 361.] [Fußnote 476: ~Minor~, Friedrich Schlegel, 2. Bd., 220.] [Fußnote 477: Ebd., 369. Vgl. ~Bernhardi~, Archiv der Zeit, 1800, 460 f. Die Poesie des Krieges erörtert Novalis im „Ofterdingen“ (I, 111), und das Morgenland begegnet uns dort gleichfalls (I, 47 und 109).] [Fußnote 478: Schon früh nährte Tieck seine Neigung zum Sanften, Schäferlichen durch alte und neue Schäferdichtungen, vgl. ~Holtei~, Dreihundert Briefe, 4, 41, 62. Die Schäferscene am Schluss der „Magelone“ ist „seiner Imagination angenehmer“ als die Spitalscene. „Phantasus“ in Schriften, 4, 358. Vgl. „Phantasien“ 16, und „Zerbino“, Schriften, 10, 245: „Sternbald“, 366 f.; „Octavian“, Schriften, 1, 6 ff.] [Fußnote 479: ~A.W. Schlegel~, WW., 6, 162 f. Hier haben wir uns zu erinnern an alles, was Wackenroder, Fr. Schlegel, Schleiermacher, Novalis und Tieck über die Verwandtschaft von Religion und Poesie sagen. Vom Traum behauptet A.W. Schlegel, er sei „ein sehr poetisches Element und die Poesie, wohl eingedenk, daß sie selbst nur ein schöner Traum sey, hegt und pflegt ihn“. (Vorlesungen, ed. Minor, II, 72.) Über die Poesie des Aberglaubens und der Astrologie vgl. ebd. S. 61 f. und S. 73, und ~J. Paul~, „Vorschule der Aesthetik“, V. Programm, § 24.] [Fußnote 480: A.W. Schlegel, WW., 6, 161 und 163; ~Bernhardi~, Archiv der Zeit, 460. Die Naturtöne der Liebe, des Schmerzes und der Sehnsucht bewundert Tieck im „Faust“ (Schriften, 11, LXIII); vgl. „Phantasien“, 57, 58, 72. Florestans Worte im „Sternbald“, 283. „Poesie ist Gemüthserregungskunst“ sagt ~Novalis~, II, 163. Über die Ahnung eine Bemerkung Tiecks in Einleitung zu Lenz, L.] [Fußnote 481: ~A.W. Schlegel~, Vorlesungen (Minor), II, 84.] [Fußnote 482: Tieck, Einleitung zu Lenz, XXV; vgl. das Gedicht „Phantasie“ im „Sternbald“, 368 ff.] [Fußnote 483: ~Merkel~, Briefe an ein Frauenzimmer über die wichtigsten Producte der schönen Literatur, Berlin 1800, 1. Bd., 21. Vgl. ~Nicolai~ in der „Neuen allgemeinen deutschen Bibliothek“, Berlin und Stettin 1801, LVIII, S. 352. Über die „Romantische Universalpoesie“ vgl. noch ~Tieck~, Schriften, 4, 360 f. ~Minor~, Friedrich Schlegel, 2. Bd., 225, 242, 244, 338, 371, 382.] [Fußnote 484: Vorlesungen (Minor), II, 69; vgl. WW., 6, 157; vgl. die etwas unklaren Gedanken Tiecks vom Beherrschen der Gedankenheere durch die Vernunft in den „Phantasien“, 90.] [Fußnote 485: ~Minor~, Friedrich Schlegel, 2. Bd., 373.] [Fußnote 486: ~Tieck~, Krit. Schriften, 1. Bd., 44; Herzenserg., 19 f.; Phantasien, 55; „Phantasus“, Schriften, 4, 95; vgl. „Zerbino“, Schriften, 10, 5 f.; „Sternbald“, 117; vgl. auch ~Novalis~, II, 170; ~A.W. Schlegel~, Vorlesungen (Minor), II, 72.] [Fußnote 487: ~Minor~, Friedrich Schlegel, 2. Bd., 221; vgl. 192, 14 ff; 197, 8 ff. Vgl. ~Novalis~, II, 169.] [Fußnote 488: Schriften, 10, 311.] [Fußnote 489: ~Tieck~, Genoveva, 231.] [Fußnote 490: WW., 6. Bd., 163.] [Fußnote 491: Vgl. ~Bernhardi~, Archiv der Zeit, 468.] [Fußnote 492: ~Tieck~, Schriften, 4, 361.] [Fußnote 493: Vgl. ~Bernhardi~, Archiv der Zeit, 459.] [Fußnote 494: ~Tieck~, Schriften, 5, 153 f.] [Fußnote 495: Ebd., 1. Bd., XXIX; vgl. ~Solger~, 1, 501.] [Fußnote 496: Archiv der Zeit, 460 ff.] [Fußnote 497: Archiv der Zeit, 469.] [Fußnote 498: Einleitung zu Lenz, IX.] [Fußnote 499: Fr. ~Schlegel~ (Minor), II, 370.] [Fußnote 500: ~Tieck~, Genoveva, 128, /30/, 316, 321, /20/.] [Fußnote 501: Ebd., 316.] [Fußnote 502: Ebd., 171, /15/, 278, /34 f./] [Fußnote 503: Ebd., 118, 127, /29/, 171, /9/, 176, /28/, 255, 260, 288, /15/, 301, /27/, 320.] [Fußnote 504: Ebd., 111, 122, /2/, 134, 135, 176, /8/, 217, /38/, 234.] [Fußnote 505: Ebd., 138, 143, /29/, 167, /25/, 169, 206, /18/, /38/, 210, /15/, 211, /4/, 224, /2/, 260, 263, 271, /27/, 272, /28/, 275 ff., 298, 303, 305, /33 f./, 314 f.] [Fußnote 506: Ebd., 119, /30 ff./, 128, /7/, 214 f., 217, /38/.] [Fußnote 507: Ebd., 128, /34/, 221, /23/, 224, /1/, 253, /34/, 254, /1/, 274, /13/, 285, /25/, 298, /32/, 315, /30/, 322, /15 ff./ Die Heiligenverehrung, der Mariencultus (109, /22/, 147, /25/, 285) begegnen uns zwar in der „Genoveva“, aber keineswegs so stark betont, als man bei einer absichtlich katholisierenden Dichtung wohl erwarten möchte.] [Fußnote 508: Ebd., 111, /23/, 143, /18 ff./, 144, 147, 158, 176, 220, 226, 235, 256 ff., 264, 281, 282, /2/, 293, 309, 311, 315.] [Fußnote 509: ~Tieck~, Genoveva, 172, 253, 260, 263, 272 ff., 287, 292, 317 f.] [Fußnote 510: Ebd., 117, 211, 301.] [Fußnote 511: Ebd., 108, 111, 125 ff., 128 f., 143, 158, 197, 213, 217, 219, 237, 249, 280 ff.] [Fußnote 512: Ebd., 142 f., 159 f.] [Fußnote 513: Ebd., 135, 162, 172, 211, 268, 277 ff.] [Fußnote 514: Ebd., 131 f., 136, 186.] [Fußnote 515: Ebd., 109, 169, 178, 321 f.] [Fußnote 516: Ebd., 144, 209, 225, 309, 314, 326.] [Fußnote 517: Ebd., 110, 255, 269, 273, /14 f./, 274, /25/, 276, 286, 310.] [Fußnote 518: Ebd., 208, 212 f., 218, 231, 259, 279, 286, 313, 315.] [Fußnote 519: Ebd., 277, 319.] [Fußnote 520: Ebd., 323.] [Fußnote 521: ~Tieck~: Genoveva, 131, /28 f./, 134, 139, /36/, 159 ff., 172, /9/, 175, /9/, 196, /10/, 210, /32/, 242, /12 ff/., 245, /2/, 261, /3/, 270, /22 ff/., 289, /23 f/., 293, /14 ff/.] [Fußnote 522: Ebd., 240, 241 ff.] [Fußnote 523: Ebd., 126 ff.] [Fußnote 524: Archiv der Zeit, 467.] [Fußnote 525: Genoveva, 176, 20 ff., 177, 11 ff.] [Fußnote 526: A.W. ~Schlegel~, WW., 11. Bd., 145; vgl. ~Solger~, 1. Bd., 397. ~Tieck~, Schriften, 1, XVI, und ~Tieck~, Schriften, 6, XX.] [Fußnote 527: Vgl. Archiv der Zeit, 464.] [Fußnote 528: Bernhardi findet am Schicksalsmäßigen nichts auszusetzen. Archiv der Zeit, 463.] [Fußnote 529: Im „Octavian“ wird Mahomets Bildnis verunehrt, weil es nicht Hilfe bringt.] [Fußnote 530: Recension im „Archiv der Zeit“, 1800.] [Fußnote 531: ~Solger~, Nachgel. Schriften, 1. Bd., 502.] [Fußnote 532: Archiv der Zeit, 467.] [Fußnote 533: ~Hettner~, Die romantische Schule, 156 f. ~Haym~, 477 f.; vgl. ~Solger~, 1. Bd., 301, 453 ff.] [Fußnote 534: Romantische Schule, 155.] [Fußnote 535: ~Tieck~, Genoveva, 116, /5/, 148, /7/, 159, /14/, 184, /15/, 204, /13/, 208, /15/.] [Fußnote 536: Frl. ~Poppenberg~, Zacharias Werner, Berlin 1893, S. 19.] [Fußnote 537: Vgl. ~Minor~, Die Schicksalstragödie in ihren Hauptvertretern, Frankfurt 1883, S. 61.] [Fußnote 538: Julian ~Schmidt~, Geschichte der deutschen Litteratur, 4. Bd., 357. Vgl. ~Tieck~, Schriften. 11, LXXI.] [Fußnote 539: Poetisches Journal, 1. Jahrg., 1. Stück, 42 f.] [Fußnote 540: Sternbald, 196. Vgl. ~Tieck~, Krit. Schriften, 1. Bd., 30; 4. Bd., 4 ff. ~Friesen~, 1. Bd., 172 ff. A.W. ~Schlegel~, WW., 6. Bd., 4.] [Fußnote 541: ~Tieck~, Genoveva, 183, 203.] [Fußnote 542: Ebd., 204 ff.] [Fußnote 543: Ebd., 310.] [Fußnote 544: ~Tieck~, Genoveva, 170.] [Fußnote 545: Ebd., 132, /13./] [Fußnote 546: Ebd., 132, /11./] [Fußnote 547: Ebd., 165, /19./] [Fußnote 548: Ebd., 136.] [Fußnote 549: Ebd., 119, /19./] [Fußnote 550: Ebd., 214 f.] [Fußnote 551: Ebd., 297.] [Fußnote 552: Ebd., 116, /15./] [Fußnote 553: Ebd., 170, 214.] [Fußnote 554: Ebd., 310.] [Fußnote 555: Ebd., 137, /8./] [Fußnote 556: Vgl. S. 88.] [Fußnote 557: ~Tieck~, Schriften, 4. Bd., 74 („Phantasus“).] [Fußnote 558: Die Schilderung des Tanzes der Genoveva ist in der That jener der tanzenden Laura im „Sternbald“ (397) verwandt!] [Fußnote 559: ~Köpke~, L. Tieck, 1. Bd., 139.] [Fußnote 560: ~Köpke~, a. a. O., 139; vgl. ~Friesen~, 2. Bd., 136.] [Fußnote 561: ~Köpke~, 1. Bd., 140; vgl. „Phantasus“ in den Schriften, 4, 113.] [Fußnote 562: ~Köpke~, 1. Bd., 142 f.] [Fußnote 563: Tiecks Worte bei ~Friesen~, 2. Bd., 138.] [Fußnote 564: ~Köpke~, 1. Bd., 163 f.] [Fußnote 565: ~Tieck~, Schriften, 4, 89.] [Fußnote 566: Vgl. „Phantasus“ in den Schriften, 4. Bd., 18, 57 f., 77 ff., 83 f., 85 f., 106, 127 f.] [Fußnote 567: Tieck, Krit. Schriften. 1. Bd., 82 f.; vgl. Phantasien, 43. Sternbald, 299 f. ~Novalis~, I, 103; II, 75.] [Fußnote 568: ~Tieck~, Genoveva, 122.] [Fußnote 569: ~Tieck~, Genoveva, 160 f.] [Fußnote 570: Ebd., 163, /17 ff./] [Fußnote 571: Solche antike Vorstellungen (Hydra, Fortuna u. s. w.) zu verwerten, wurde Tieck durch das englische Renaissancedrama veranlasst. Vgl. „Locrine“, Altenglisches Theater, II, 53, 54, 63, 78.] [Fußnote 572: Genoveva, 194 ff.] [Fußnote 573: ~Tieck~, Genoveva, 252; für das Weitere, 254 ff.] [Fußnote 574: ~Tieck~, Genoveva, 188, /8./] [Fußnote 575: Ebd., 248, /19/; 289, /22/; 319, /13 f./] [Fußnote 576: ~Tieck~, Genoveva, 196; vgl. 242, 270, 289. Über die freundliche und unheimliche Seite der Natur in Tiecks Auffassung vgl. „Phantasien“, 26, 79, und „Phantasus“ in Schriften, 4. Bd., 127 ff., 142 ff., 283.] [Fußnote 577: Genoveva, 278, /35./] [Fußnote 578: Ebd., 316, /3 f./] [Fußnote 579: Ebd., 263, /23, 35 ff./; 317, 15 /ff./] [Fußnote 580: ~Novalis~, Schriften, 2. Bd., 130.] [Fußnote 581: Ähnlich „Sternbald“, 131.] [Fußnote 582: ~Tieck~, Genoveva, 165, /34./] [Fußnote 583: Ebd., 176 f.; 193, /29/; 200, /34./] [Fußnote 584: Ebd., 201, /9 ff./; vgl. ~Tieck~, Schriften, 10, 73.] [Fußnote 585: Tieck, Genoveva, 177, ~9 ff.~] [Fußnote 586: Ebd., 289 ff.; vgl. ~Holtei~, Dreihundert Briefe, 4, 50.] [Fußnote 587: ~Tieck~, Genoveva, 165, /23 f./] [Fußnote 588: Ebd., 231.] [Fußnote 589: ~Tieck~, Genoveva, 109 ff., 320.] [Fußnote 590: Ebd., 244, /21./] [Fußnote 591: Ebd., 244 f.] [Fußnote 592: Ebd., 318.] [Fußnote 593: Ebd., 164 f.] [Fußnote 594: Ebd., 232.] [Fußnote 595: Ebd., 209.] [Fußnote 596: Ebd., 249.] [Fußnote 597: Ebd., 288 ff.] [Fußnote 598: ~Tieck~, Genoveva, 315 f.] [Fußnote 599: Ebd., 161 f.] [Fußnote 600: Ebd., 174.] [Fußnote 601: Ebd., 316.] [Fußnote 602: Ebd., 162.] [Fußnote 603: Ebd., 169.] [Fußnote 604: ~Tieck~, Genoveva, 254 f.] [Fußnote 605: Ebd., 163.] [Fußnote 606: Ebd., 239.] [Fußnote 607: Ebd., 220.] [Fußnote 608: Ebd., 174, /3./] [Fußnote 609: Ebd., 203, /35./] [Fußnote 610: Ebd., 296, /34 f./] [Fußnote 611: Ebd., 193, /15./] [Fußnote 612: Ebd., 196, /7./] [Fußnote 613: Ebd., 205, /19./] [Fußnote 614: Ebd., 215, /35./] [Fußnote 615: Ebd., 213, /16./] [Fußnote 616: Ebd., 203, /3./] [Fußnote 617: Ebd., 211, /28./] [Fußnote 618: Ebd., 193, /3 ff./] [Fußnote 619: ~Tieck~, Kritische Schriften, 1. Bd., 82; vgl. ~Holtei~, Dreihundert Briefe, 4, 90.] [Fußnote 620: ~Tieck~, Genoveva, 231.] [Fußnote 621: Vorschule der Ästhetik, V, § 25.] [Fußnote 622: ~Holtei~, Briefe an Tieck, 1. Bd., 305.] [Fußnote 623: ~Koberstein~, Vermischte Aufsätze zur Literaturgeschichte und Ästhetik, Leipzig 1858, S. 7.] [Fußnote 624: Schriften, 10. Bd., 196.] [Fußnote 625: ~Solger~, a. a. O., 1. Bd., 501.] [Fußnote 626: Genoveva, 115, 131, 272 ff., 314, 322.] [Fußnote 627: Ebd., 181.] [Fußnote 628: Ebd., 136, 164 ff., 187 ff., 199 ff.] [Fußnote 629: Ebd., 138, 172 ff., 176 f., 211 ff., 216 f., 262 ff., 278 ff., 284 ff., 315 f.] [Fußnote 630: Vgl. die Schilderung Leonardos in „Herzensergießungen“, 65.] [Fußnote 631: Wird von Bernhardi gelobt.] [Fußnote 632: ~Tieck~, Genoveva, 190, /13 ff./] [Fußnote 633: Ebd., 191, /34 ff./] [Fußnote 634: WW., 11, 138.] [Fußnote 635: Briefe an ein Frauenzimmer, 26.] [Fußnote 636: Nachgel. Schriften, 1. Bd., 501.] [Fußnote 637: Leipzig 1878.] [Fußnote 638: ~Petrich~, 26 ff.] [Fußnote 639: Genoveva, 173 f., 315 f.] [Fußnote 640: Ebd., 211 ff.] [Fußnote 641: Ebd., 301, 310.] [Fußnote 642: Ebd., 138; vgl. 143, 167, 206, 255.] [Fußnote 643: Ebd., 152; vgl. 169, 210.] [Fußnote 644: Genoveva, 111; vgl. 277 ff.] [Fußnote 645: Ebd., 135.] [Fußnote 646: Ebd., 211 ff.] [Fußnote 647: Ebd., 110 f.] [Fußnote 648: Ebd., 284.] [Fußnote 649: Ebd., 286.] [Fußnote 650: Ebd., 313.] [Fußnote 651: Ebd., 314.] [Fußnote 652: Ebd., 317.] [Fußnote 653: Ebd., 320.] [Fußnote 654: Vgl. ~Petrich~, 101 ff.] [Fußnote 655: ~Tieck~, Genoveva, 174, /33/.] [Fußnote 656: Ebd., 174, /35/.] [Fußnote 657: Ebd., 277, /5/, 275, /7/, 275, /29/.] [Fußnote 658: Ebd., 174, /17 f./] [Fußnote 659: Ebd., 174, /25/.] [Fußnote 660: Ebd., 174, /35/.] [Fußnote 661: Ebd., 175, /3/, 288, /6 ff./] [Fußnote 662: ~Tieck~, Genoveva, 264.] [Fußnote 663: Ebd., 277 ff.] [Fußnote 664: Ebd., 280.] [Fußnote 665: Ebd., 271 f.] [Fußnote 666: Vgl. Krit. Schriften, 4, 154.] [Fußnote 667: ~Tieck~, Genoveva, 289.] [Fußnote 668: ~Tieck~, Schriften, 11, LXII ff.] [Fußnote 669: Vgl. ~Petrich~, 47 ff.] [Fußnote 670: ~A.W. Schlegel~, WW., 10. Bd., 183. Auch Novalis verlangt für eine romantische Dichtung eine „gewisse Alterthümlichkeit des Stiles“. (Schriften, 3, 236.)] [Fußnote 671: Wie nahe sich die Gedanken der Romantiker mit denen berühren, die Herder, der Theoretiker der Sturm- und Drangzeit, in den „Fragmenten zur deutschen Litteratur“ aussprach, liegt auf der Hand.] [Fußnote 672: ~Tieck~, Schriften, 11. Bd., XLII.] [Fußnote 673: Diese Meinung wird noch durch den Umstand bestärkt, dass Tieck auch in den späteren Neuausgaben fast alles stehen ließ, wie es in der ersten Ausgabe stand.] [Fußnote 674: Kühler urtheilt er hierüber nach zehn Jahren in der Vorrede zum „Altenglischen Theater“, II, XIII.] [Fußnote 675: Vgl. E. ~Schmidt~, Richardson, Rousseau und Goethe, Jena 1875, S. 258 und 274.] [Fußnote 676: ~Solger~, a. a. O., 1. Bd., 8.] [Fußnote 677: ~Tieck~, Genoveva, 122.] [Fußnote 678: Ebd., 289.] [Fußnote 679: ~Tieck~, Genoveva, 160 ff.; vgl. 133, 196 f.] [Fußnote 680: ~Tieck~, Genoveva, 198 f.] [Fußnote 681: Ebd., 244.] [Fußnote 682: ~Tieck~, Schriften, 4. Bd., 191.] [Fußnote 683: ~Tieck~, Genoveva, 160 f.] [Fußnote 684: Ebd., 142 ff.] [Fußnote 685: Ebd., 140.] [Fußnote 686: ~Tieck~, Genoveva, 131 f.] [Fußnote 687: Ebd., 162.] [Fußnote 688: Ebd., 164.] [Fußnote 689: Ebd., 166.] [Fußnote 690: Ebd., 182 f.] [Fußnote 691: Ebd., 220 ff; vgl. 225 f., 264.] [Fußnote 692: A.W. ~Schlegel~, WW., 6. Bd., 163. Vgl. ~Novalis~, II, 165. Für die übrigen Romantiker ~Petrich~, 123.] [Fußnote 693: A.W. ~Schlegel~, WW., 8. Bd., 14.] [Fußnote 694: ~Tieck~, Genoveva, 172.] [Fußnote 695: ~Minor~, Friedrich Schlegel, 2. Bd., 220.] [Fußnote 696: ~Tieck~, Genoveva, 190, /4 ff./, 198, /19/, 199, /12/, 211, /35/, 243, /8 f./, 304, /7 f./] [Fußnote 697: Ebd., 277, /9 f./] [Fußnote 698: Genoveva, 188, /15 f./, 194, /8 f./, 200, /18 ff./, 277, /5 f./] [Fußnote 699: Ebd., 135, /30/, 273, /24/, 281, /14/, 288, /11./] [Fußnote 700: ~Tieck~, Genoveva, 186, /11/, 200, /32/, 225, /37/, 247, /4/, 289, /23/.] [Fußnote 701: Die Abendwinde spielen, die Morgenröthe spielt, neues Leben spielt, der Mondschein spielt, Sommerlüftchen spielen, in „oberirdischen Lüften ein spielendes Bewegen“ u. dgl.] [Fußnote 702: ~Tieck~, Genoveva, 171, /22/, 136, /5/, 194, /33/, 267, /7/, 274, /20./] [Fußnote 703: Ebd., 110 f.] [Fußnote 704: Ebd., 122, /29 ff./, 135, 161 f., 182 f., 188, 219, 235.] [Fußnote 705: ~Tieck~, Genoveva, 111, 122, 154, 182, 219.] [Fußnote 706: Ebd., 161 f.] [Fußnote 707: Ebd., 135.] [Fußnote 708: Ebd., 108, 113, 120, 127, 128, 132, 140, 141 u. ö.] [Fußnote 709: Vgl. A.W. ~Schlegel~, WW., 12. Bd., 272; 11. Bd., 384.] [Fußnote 710: Z. B. Genoveva, 110, /24 ff./, 148, /5 ff./, 199, /5 ff./, 306, /6 ff./] [Fußnote 711: Genoveva, 117, 213.] [Fußnote 712: Ebd., 131 ff.] [Fußnote 713: Ebd., 179 ff., 191 ff.] [Fußnote 714: ~Solger~, a. a. O., 501.] [Fußnote 715: ~Tieck~, Schriften, 10. Bd., 319 („Zerbino“).] [Fußnote 716: ~Novalis~, Schriften, 2. Bd., 32.] [Fußnote 717: A.W. ~Schlegel~, WW., 8, 15.] [Fußnote 718: ~Solger~, a. a. O., 501.] [Fußnote 719: ~Solger~, a. a. O., 501.] [Fußnote 720: A.W. ~Schlegel~, WW., 7. Bd., 27 ff.] [Fußnote 721: ~Tieck~, Krit. Schriften, 1. Bd., 108 f. Vgl. ~A.W. Schlegel~, Vorlesungen (Minor), II, 10.] [Fußnote 722: ~Tieck~, Genoveva, 109 ff.] [Fußnote 723: Ebd., 123 ff.] [Fußnote 724: ~Tieck~, Genoveva, 131 f.] [Fußnote 725: Ebd., 178.] [Fußnote 726: Ebd., 240 f. Zu vgl. noch 235, 280, 288, 307 f., 311, 313.] [Fußnote 727: Ebd., 239 f.] [Fußnote 728: Ebd., 223 ff.] [Fußnote 729: Dorothea Schlegel, hrg. v. ~Raich~, 1. Bd., 25.] [Fußnote 730: Ebd., 25, und Aus Schleiermachers Leben, 3. Bd., 146.] [Fußnote 731: Aus Schleiermachers Leben, 3. Bd., 161, 165; vgl. Dorothea Schlegel, 1. Bd., 26.] [Fußnote 732: WW., 11. Bd., 384; 12. Bd., 272.] [Fußnote 733: Ebd., 12. Bd., 251.] [Fußnote 734: Ebd., 12. Bd., 256.] [Fußnote 735: ~Tieck~, Genoveva, 111, 138, 143 f., 152, 176 f., 212, 263, 287 f., 298, 305.] [Fußnote 736: Ebd., 173 f., 313 f.] [Fußnote 737: Ebd., 156, 224 f.] [Fußnote 738: Ebd., 160.] [Fußnote 739: Ebd., 183, 194 f., 197, 198.] [Fußnote 740: Ebd., 122.] [Fußnote 741: Ebd., 117.] [Fußnote 742: Ebd., 271 ff.] [Fußnote 743: ~Tieck~, Schriften, 11. Bd., LIX.] [Fußnote 744: Aus Schleiermachers Leben, 3. Bd., 192.] [Fußnote 745: ~Tieck~, Genoveva, 813 ff, 320 f.] [Fußnote 746: Ebd., 278 ff.] [Fußnote 747: Ebd., 284 ff., 306.] [Fußnote 748: Ebd., 165 f.] [Fußnote 749: Vgl. ~Welti~, Geschichte des Sonettes in der deutschen Dichtung, Leipzig 1884, 162 ff., 176 ff., und Schlegels Vorlesung über das Sonett im Anhange daselbst.] [Fußnote 750: Briefwechsel zwischen Schiller und Goethe, Stuttgart, Spemann, 2. Bd., S. 46. Dante singt nach Tieck „in prophetischen, wunderbar verschlungenen Terzinen seine Dichtung, nirgend ein Stillstand, nirgend wo die Pracht der gewaltigen Verse aufhörte...“ Phantasien, 27.] [Fußnote 751: ~Tieck~, Genoveva, 140, 145, 153.] [Fußnote 752: Tieck liebt das Spiel mit gehäuften Reimen auch sonst, schon bloß des musikalischen Klanges wegen. (Schäferlied, Zulmas Monolog, Golos Lieder.) Vgl. A. ~Kerr~, Godwi, 99 ff., und ~Tieck~, Schriften, 13, 310 ff.] [Fußnote 753: WW., 7, 41.] [Fußnote 754: ~Tieck~, Genoveva, 167.] [Fußnote 755: Ebd., 223.] [Fußnote 756: Ebd., 228 ff.] [Fußnote 757: Ebd., 254 ff.; vgl. 260 ff., 264 ff., 268, 289 ff., 293 ff.] [Fußnote 758: Ebd., 253 f.] [Fußnote 759: Ebd., 234.] [Fußnote 760: Ebd., 316 f.] [Fußnote 761: Ebd., 202 ff.] [Fußnote 762: Ebd., 145 ff.] [Fußnote 763: A.W. ~Schlegel~, WW., 7. Bd., 41 f.] [Fußnote 764: A.W. ~Schlegel~, WW., 7. Bd., 43.] [Fußnote 765: ~Tieck~, Genoveva, 119, 128, 129, 145, 146, /5 ff./, 151, /25 f./, 152, 156, 201, 267, 283.] [Fußnote 766: Ebd., 146, 149, 184, 185, 202, 244, 254, 264, 266, 270, 312, 317.] [Fußnote 767: Auffallend ist das Fehlen der Schlussreime von S. 211 in der gleichen Situation wie S. 152.] [Fußnote 768: ~Tieck~, Genoveva, 132.] [Fußnote 769: Ebd., 167 f.; vgl. 181 f.; 211.] [Fußnote 770: Ebd., 218 ff.; vgl. 241 f.] [Fußnote 771: Archiv der Zeit, a. a. O., 470.] [Fußnote 772: Vgl. ~Solger~, 1. Bd., 501, und ~Tieck~, Schriften, 1. Bd., XXXII.] [Fußnote 773: Vgl. ~Seuffert~, Maler Müller, 147 ff.] [Fußnote 774: WW., 8, 143 f.] [Fußnote 775: ~Tieck~, Schriften, 1. Bd., XXX.] [Fußnote 776: ~Holtei~, Briefe an Tieck, 3. Bd., 362.] [Fußnote 777: A.W. ~Schlegel~, WW., 6. Bd., 158; vgl. „Europa“, 1. Bd., 2. St., 74.] [Fußnote 778: Aus Schleiermachers Leben, 3. Bd., 171.] [Fußnote 779: „Europa“, 1. Bd., 1. St., 57.] [Fußnote 780: WW., 10. Bd., 20.] [Fußnote 781: „Europa“, 2. Bd., 95 ff.] [Fußnote 782: A.W. ~Schlegel~, WW., 1. Bd., 867.] [Fußnote 783: Ebd., 8. Bd., 146 f.] [Fußnote 784: Ebd., 6. Bd., 431, und 11. Bd., 145.] [Fußnote 785: ~Holtei~, Briefe an Tieck, 2. Bd., 363 f.] [Fußnote 786: ~Holtei~, Briefe an Tieck, 1. Bd., 312.] [Fußnote 787: Geschichte der poetischen Litteratur Deutschlands, Paderborn 1866, 2. Theil, S. 68.] [Fußnote 788: ~Holtei~, Briefe an Tieck, 1. Bd., 136.] [Fußnote 789: Ebd., 3. Bd., 174.] [Fußnote 790: Ebd., 2. Bd., 187.] [Fußnote 791: ~Solger~, 1. Bd., 465 ff. Tiecks Antwort, 500 ff.] [Fußnote 792: Vgl. die Tagebuchnotiz im 1. Bd., S. 7 f.] [Fußnote 793: Schriften, 1. Bd., XXXI.] [Fußnote 794: „Was ich erlebte“, 4. Bd., 389.] [Fußnote 795: Schriften, 1. Bd., XXXII.] [Fußnote 796: Vgl. ~Tieck~, Schriften, 1. Bd., XXXII; ~Köpke~, L. Tieck, 1. Bd., 260; ~Holtei~, Briefe an Tieck, 1. Bd., 241 f.; „Vierzig Jahre“, Breslau 1845, 5. Bd., 61. Schriften der Goethe-Gesellschaft, 13. Bd., XLIV.] [Fußnote 797: Schillers Briefwechsel mit Körner, hrg. v. ~Gödecke~, Leipzig 1874, 2. Theil, 362.] [Fußnote 798: Ebd., 364.] [Fußnote 799: ~Tieck~, Schriften, 1. Bd., XXX f.] [Fußnote 800: Neue allgemeine deutsche Bibliothek, 58. Bd., 352 ff. (1801).] [Fußnote 801: Briefe, 4. Bd., 98 ff., 232, 552.] [Fußnote 802: Genoveva, 183, /2-3/, 223, /7-8/, 239, /7./] [Fußnote 803: Ebd., 210.] [Fußnote 804: Ebd., 255 und 307 f.] [Fußnote 805: Ebd., 233, /25-33/, 243, /18-20./] [Fußnote 806: Vgl. G.L. ~Klee~, Tiecks Werke, 1. Bd., 175 ff. ~Poppenberg~, Zacharias Werner, 63 ff. ~Minor~, Die Schicksalstragödie, 10 ff.] End of the Project Gutenberg EBook of Ludwig Tiecks Genoveva, als romantische Dichtung betrac, by Johann Ranftl *** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK 50296 ***