Bibliothek für Sport und Spiel
von
Richard Schoenbeck
Major a. D.
Präsidial-Mitglied des Deutschen Sportvereins
Mit 50 Abbildungen
Leipzig
Grethlein & Co.
Alle Rechte von der Verlagshandlung vorbehalten.
Spamersche Buchdruckerei in Leipzig.
Kaiserin Elisabeth von Österreich auf Merry Andrew.
Seite | ||
Einleitung | 7 | |
I. Abschnitt. | ||
Die Reiterin. | ||
1. | Aus welchem Grunde reiten Damen? | 15 |
2. | Sollen Damen im Seit- oder Reitsitz reiten? | 18 |
3. | Vom Reitajustement der Damen und deren Erscheinung zu Pferde | 40 |
4. | Der Kavalier | 49 |
II. Abschnitt. | ||
Das Damenreitpferd. | ||
1. | Äußere Kenntnis des Pferdes | 52 |
2. | Charakteristik des Pferdes | 55 |
3. | Anforderungen an das Damenreitpferd | 58 |
III. Abschnitt. | ||
Das Ajustement des Damenreitpferdes. | ||
1. | Die technische Wirkung der Zäumung | 65 |
2. | Das Kopfzeug | 77 |
3. | Der Damensattel | 84 |
IV. Abschnitt. | ||
Die Grundregeln der Damenreitkunst. | ||
1. | Schwerpunkt, Gleichgewicht, Aufrichtung und Bezäumung | 98 |
2. | Vom Reitergefühl | 100 |
3. | Vom Sitz der Dame auf dem Damensattel | 104 |
4. | Von den Gewichtshilfen | 112 |
5. | Von der Zügelführung und -wirkung | 115 |
6. | Behandlung des Pferdes unter dem Sattel | 119 |
V. Abschnitt. | ||
Praktische Reitkunde. | ||
1. | Vorbereitungen | 124 |
2. | Das Handhaben der Zügel | 125 |
3. | Die Hilfen | 128 |
4. | Die Strafen | 130 |
5. | Anhalten und Parieren | 131 |
6. | Die halben Anhaltungen | 132 |
7. | Die Wendungen | 133 |
8. | Das Reiten der verschiedenen Gangarten | 134 |
9. | Auf- und Absitzen | 149 |
10. | Reitunterricht in der Bahn | 155 |
11. | Lehrgang nach der Methode des Grafen D. Széchényi | 157 |
12. | Das Reiten im Freien | 164 |
Schluß | 169 |
Der Damenreitsport wird in deutschen Landen nicht untergehen, er blüht im Gegenteil – zu Nutz und Frommen aller reitfreudigen Damen – lustig empor.
Vor mehreren Jahren hatte es allerdings den Anschein, als wenn das Fahrrad siegreich emporsteigend und jeden andern Bewegungssport überflügelnd, sich die Welt erobern wollte, und die Weisen des Fahrradsports erklärten unumwunden, daß damit die bisher unbestrittene Herrschaft des Pferdes als vornehmstes Luxus- und Sportmittel zu Ende sei. Die Erscheinungen, auf denen diese Ansicht basierte, waren allerdings danach angetan, sie nicht unmotiviert erscheinen zu lassen. Sie traten ganz besonders in Amerika, England und Frankreich hervor, wo die Tattersalls und Reitinstitute leer standen und deren Besitzer sorgenvolle Gesichter machten, denn viele ihrer Klienten und Pensionäre waren vom lebenden Roß auf das Stahlroß gestiegen. Dieses jedoch hat längst den Kulminationspunkt seiner Siegeslaufbahn überschritten. In der besseren Gesellschaft aber, – wenigstens bei uns in Deutschland – hat das Fahrrad wohl nie recht festen Fuß zu fassen vermocht, und heute ist das edle Luxuspferd ein eben so gesuchter Artikel, wie er es stets gewesen.
Tausende und Abertausende von Reitern werden die Wahrheit dieses Verses bestätigen. Aber nicht nur sie, sondern auch die Vertreterinnen des schönen Geschlechts, denen es vergönnt ist, sich dieser edelsten aller Sportarten hingeben zu können, werden das tun, denn das Reiten ist nicht ausschließlich ein Vorrecht der Männer, war es zu keiner Zeit!
Von jeher haben sich auch Frauen zur Fortbewegung und zum Vergnügen je nach Bedürfnis der Reittiere bedient. Nur daß ehemals vielfach Notwendigkeit war, was heute ein ebenso angenehmer, wie gesundheitsfördernder Sport ist. Wagen waren beispielsweise im Mittelalter bei der Unebenheit, ja Unergründlichkeit – auch Unsicherheit können wir noch hinzufügen – der Straßen für längere Reisen außerordentlich unbequem, oft geradezu unmöglich zu gebrauchen, abgesehen davon, daß ihre Bauart noch höchst primitiver Natur war. Die Damen der besseren Stände mußten ihre Reisen deshalb zu Pferde unternehmen, und da sie unter dem Diagonaltrab des Pferdes arg zu leiden hatten – auch die Damensättel waren zu jener Zeit recht mangelhaft – dressierte man zu ihrer Erleichterung den Damenpferden, »Zeltern«, eine künstliche Gangart, den »Paß« an, bei dem statt der diagonalen Vorwärtsbewegung der vorderen und hinteren Gliedmaßen des Pferdes sie sich gleichseitig vorwärts bewegten, womit, gleich wie bei dem Kamel, eine zwar etwas schwankende, aber ungleich sanftere und daher für lange Touren bequemere Gangart erzielt wurde.
Daß die Reiterin übrigens auch schon in den dem Mittelalter voraufgehenden Jahrhunderten eine bekannte Erscheinung gewesen sein muß, geht aus der großen Zahl von rossetummelnden Frauen hervor, von denen uns Dichtung und Sage zu berichten wissen. So zogen, wie erzählt wird, um die Mitte des 12. Jahrhunderts dreihundert tapfere Jungfrauen wohlberitten mit Kaiser Konrads Kreuzheer ins heilige Land, und auch im Frieden taten sich deutsche Frauen oft genug in dieser chevaleresken Kunst hervor. Gern begleiteten sie ihre Herren und Gebieter auf die Hatz von Hirsch und Eber; als ganz besonderen Sport aber betrieben sie die Reiherbeize mit dem Falken. Freilich nicht immer mit Glück: beide Gemahlinnen Kaiser Maximilians, Maria von Burgund und Blanka Sforza, verloren dabei durch Sturz vom Pferde ihr Leben, ebenso erlitt Katharina von Medici dabei zweimal bedeutende Verletzungen.
Was den heut üblichen Quersitz der Damen betrifft, so scheint er vor dem 12. Jahrhundert nur ausnahmsweise angewendet worden zu sein. Wir haben allerdings keine Nachrichten darüber, wie die Frauen des Altertums zu Pferde saßen; wir wissen nichts davon, weder von Semiramis, noch Dido, Cloelia, der persischen Königin Rhodoguna, Zenobia, Cäsonia, den Frauen des Caligula, Hiera, der schönen Mysierin, den Frauen Palästinas usw. Amianus Marcellinus scheint anzudeuten, daß die Frauen nur auf einer Seite des Pferdes, so wie heute, gesessen haben; indessen ist es wahrscheinlich, daß in früheren Zeiten des Altertums die Frauen nach Männerart zu Pferde saßen. Es heißt, daß Anna, die Tochter eines böhmischen Königs, angefangen habe, sich eines Quersattels zu bedienen, und daß dessen Gebrauch dann sehr allmählich nach Deutschland und Westeuropa überging. Noch im 13. Jahrhundert scheint er nur hier und da als vornehme Sitte gern aufgenommen und erst im 14. Jahrhundert allgemeiner geworden zu sein. In den Kommentaren von Stowe lesen wir, daß Richard I., als er sich von den Rebellen von Kent bedroht sah, sich von Tower nach Milesend begab, zugleich mit seiner Mutter, welche krank und schwach war, und in einem Whirlikote fuhr, welcher als ein abscheulicher Wagen beschrieben wird, der aus vier roh miteinander verbundenen Brettern bestand. Das Jahr darauf heiratete er Anna von Luxemburg, welche den Gebrauch der Damensättel einführte. Gelegentlich der Beschreibung der Turniere sagt der um die Mitte des 14. Jahrhunderts lebende Chronist Keighton: »Eine große Anzahl Damen höchsten Ranges und von ausgezeichneter Schönheit wohnten diesen Turnieren bei. Sie sind in buntfarbige Tuniken gekleidet, halb von einer, halb von einer andern Farbe. Ihre Pelerinen sind sehr kurz, ihre Hüte bemerkenswert klein und auf dem Kopfe durch Schnüre befestigt. Ihre Gürtel und Börsen sind mit Gold und Silber verziert. Sie tragen kleine Degen (Dagues), vorn hängend, etwas unter der Taille. Sie reiten prachtvolle Pferde mit reichem Sattel- und Zaumzeug, und in solchem Aufzuge begeben sie sich von einem Ort zum andern, Turniere aufsuchend.« Ein englischer Chronist zur Zeit Richards II. erzählt, daß die damaligen Edeldamen hohe Mützen und Hüte und Roben mit langer Schleppe zu Pferde trugen und sich nach dem Beispiel der Königin Anna, die diese Mode zuerst in England einführte, des Seitensattels bedienten; »denn vordem ritten Frauen jeglichen Standes, gleichwie die Männer pflegen«. Der von Anna und ihren Nachfolgerinnen gebrauchte Sattel war übrigens nur ein einfaches Reitkissen, auf dem man wie auf einem Stuhl saß, wobei es die höfische Regel verlangte, daß die Reiterin das Gesicht gegen den Kopf des Tieres kehrte. In diesem Sitz, der eben so unsicher wie unbequem, und für die Führung des Pferdes ungeeignet war, sehen wir z. B. auf einem alten Kupferstich die neunzehnjährige Gemahlin des großen Kurfürsten, Luise Henriette von Oranien, abgebildet. (Fig. 1.)
Fig. 1. Der große Kurfürst mit seiner Gemahlin Louise Henriette von Oranien auf der Reiherbeize.
Übrigens hat dieses Damenreiten, »gleichwie die Männer pflegen«, sich, wie aus Abbildungen mannigfacher Art zu ersehen ist, teilweise noch bis um die Mitte des 18. Jahrhunderts erhalten, Beweis genug, daß diese Sitte vor dem Zartgefühl auch einer vorgeschritteneren Zeit Stand zu halten vermochte. So ist z. B. die Prinzessin Kunigunde zu Sachsen in dieser Weise im Schloß zu Koblenz abgebildet, und auch die Prinzessin Friederike Sophie Wilhelmine von Preußen sehen wir auf einem alten Kupferstich im Herrensattel. (Fig. 2.)
Fig. 2. Prinzessin Friedericke Sophie Wilhelmine von Preußen auf Herrenart im Sattel.
Es ist ganz zweifellos, daß der Damenreitsport in neuster Zeit immer mehr an Anhang gewinnt, ganz besonders in den höheren und höchsten Ständen. Das Erscheinen der deutschen Kaiserin bei den Paraden zu Pferde in dem kleidsamen Kostüm ihres Kürassierregiments, eine bisher ganz ungewohnte Sitte, entfesselt stets ein wahres Entzücken bei dem Publikum. Auch die Kaiserin Friedrich, die hier und da in der Uniform ihres Husarenregiments bei Paraden erschien, war eine vorzügliche Reiterin, ebenso wie ihre Tochter, die Erbprinzessin Charlotte von Sachsen-Meiningen. Bekanntlich war auch die unglückliche Kaiserin Elisabeth von Österreich eine der berühmtesten und unerschrockensten Reiterinnen der Neuzeit. Dabei kann es denn nicht ausbleiben, daß viele Damen der höchsten und hohen Stände dem gegebenen Beispiel mit Vergnügen folgen.
Allerdings sind dem Reitsport der Damenwelt, was seine Ausbreitung betrifft, Grenzen gezogen, denn der Kostenpunkt spielt dabei eine nicht unwesentliche Rolle, ebenso wie die geistige und körperliche Befähigung, die Figur und das Taktgefühl der Dame, also die Ästhetik – und zwar in weit höherem Maß, als bei den Herren. Wenn eine Dame nicht ganz einwandsfrei reitet und dabei eine in Figur, Haltung und Kleidung tadellose Erscheinung zu Pferde bildet, so ist sie dem unliebsamen Urteil des Publikums, das vielfach instinktiv das Richtige trifft, verfallen. Zeigt sich daher eine Dame öffentlich zu Pferde, so muß sie bereits in jeder Beziehung gefestigt sein und darf keine schülerhaften Allüren mehr an sich tragen, was beiläufig auch in bezug auf ihre eigene Sicherheit gefährlich wäre. Findet sich jedoch alles beisammen, ein gutes Pferd, eine elegante Figur mit graziöser Haltung, eine sichere Zügelführung, die jedes Ängstlichkeitsgefühl vermissen läßt, eine schicke, sportgerechte Bekleidung und ein elegantes Reitajustement, so bildet sie unter allen Umständen eine der sympathischsten öffentlichen Erscheinungen, die man sehen kann. Dazu gehört allerdings der Seitsitz, an den sich das Auge gewöhnt hat und der auch für die Sicherheit der Amazone vom equestrischen Standpunkt aus als am empfehlenswertesten erscheint.
Dabei möchte ich es allerdings nicht unterlassen, zu erwähnen, daß eine Dame, deren Mittel es gestatten, sich dem edlen Reitsport hinzugeben, nicht früh genug anfangen kann. Das ist also ein Avis für Eltern, welche ihren Kindern diesen eleganten, gesundheitfördernden Sport gewähren wollen. Die Erfahrung hat gelehrt, daß von allen sportlichen Zerstreuungen denen sich die gegenwärtige Generation überläßt, keine der Jugend, wie dem reiferen Lebensalter lebhafteres und heilsameres Vergnügen verschafft, als der Reitsport. Nur durch frühes Anfangen allerdings wird die Möglichkeit geboten, einst voll und ganz die Reitkunst zu beherrschen und den außerordentlichen Genuß zu empfinden, den das Können gewährt. Ein späterer Unterricht kann nur selten ersetzen, was in der Jugend spielend erlernt wird, – ohne Unterricht, oder fast ohne einen solchen. Es wird stufenweise eine Geschicklichkeit erworben, die mit dem Kinde wächst und sich mit seiner Kraft entwickelt. Wenn der Wuchs es ihm gestattet, den kleinen Pony mit einem größeren zu vertauschen, und später mit einem Pferde, dann ist die junge Dame vollständig fähig, dasselbe in allen seinen Gangarten zu beherrschen. Außerdem liegt in der Hand der Dame, die an das Landleben gewöhnt ist, und die ihre Reitübungen in der Kindheit begann, ein Grad der Bestimmtheit, die zu einer Übereinstimmung zwischen ihr und ihrem Pferde führt, wie er in späteren Jahren nur noch in selteneren Fällen erworben wird. –
Pardon, mes dames, wenn ich diese, Ihnen vielleicht etwas verblüffend erscheinende Frage voranstelle. Ich erwarte von Ihnen auch keine Antwort darauf, sondern werde – um als »männliche Partei« nicht boshaft zu erscheinen – die Antwort darauf einer bekannten französischen Schriftstellerin überlassen, die ihre Schwestern ziemlich genau zu kennen scheint, wenn sie das für einen Mann etwas heikle Thema in nachstehender Weise behandelt:
»Ehedem war die Dame zu Pferde eine Ausnahme. Heutzutage reiten fast alle Damen der guten Gesellschaft, und, was noch mehr, sie reiten meist gut. Aber – sie reiten aus recht verschiedenen Gründen.
Nur eine geringe Anzahl von Damen reitet zum Vergnügen. Diese, welche am seltensten sind, empfinden eine wahre Genugtuung, sich in einer schnellen Gangart davontragen zu lassen, oder in der so angenehmen Gleichförmigkeit einer gutgeregelten Gangart, vorwärts zu streben. Sie finden, daß man zu Pferde besser atmet, daß die Luft frischer erscheint, oder daß keine andere Körperübung mit der des Reitens verglichen werden kann. Sie reiten, um zu reiten, und nicht, um sich bewundern zu lassen, und sie lieben ebenso ein gutes Galopptempo in der Haide, fern von allen Augen, wie einen Morgenspazierritt in den Park.
Die Dame, welche zum Vergnügen reitet, wechselt gern ihre Pferde. Sie kümmert sich wenig darum, ob das Pferd, auf welchem sie sitzt, sie »zur Geltung« bringt, – sie denkt nur daran, ihr Pferd zur Geltung zu bringen. Es ist ihr gleichgültig, wenn man sagt: »Ich bin heute Frau F. auf einem Pferde begegnet, das ihr vorzüglich steht; sie war noch hübscher als gewöhnlich«. Aber sie ist vor Freude außer sich, wenn sie im Vorbeireiten die Bemerkung hört: »Ich weiß nicht, wie es Frau F. macht, aber dieser Schinder sieht nach etwas aus, wenn sie darauf sitzt.«
Sie liebt es, allein zu reiten, oder doch wenigstens mit Leuten, mit denen sie keine Umstände machen zu müssen glaubt. Sie plaudert gern, wenn sie ein schlechtes oder auch nur ein langweiliges Pferd hat. Hat sie aber ein gutes, so amüsiert sie sich mit ihm, und dieses Amüsement allein genügt ihr.
Sie liebt es zu springen, aber nur über natürliche Hindernisse. Das künstliche Hindernis mag sie nicht. Ebenso hart, wie sie gegen das Pferd ist, das auf der Jagd »refüsiert«, so viel Güte wie Nachsicht findet sie in ihrem Herzen gegen dasjenige, welches vor einem künstlichen Hindernis scheut. Sie verabscheut die belästigenden Begleiter, welche sie gegen das Gebüsch oder den Bürgersteig drängen. Sie verabscheut die Begleiter, welche sich nicht mit ihr in einer Linie halten, und wenn sie etwas nervös machen kann, so sind es Leute, die ihr Pferd nicht vollständig in der Gewalt haben.
Besondere Kennzeichen: Die Dame, welche zum Vergnügen reitet, ist fast immer von einer blühenden Gesundheit. – Andere Damen reiten, weil sie es für schick halten. Diese beschäftigen sich einzig und allein mit dem Exterieur ihres Pferdes, der Form ihres Hutes, dem Sitz ihres Reitkleides und der Stunde, wo die Promenade mit Modekavalieren bevölkert ist. Sie fühlen sich auf dem Pferde sehr unglücklich und möchten die ganze Zeit über, welche sie auf demselben zubringen, fast weinen, – aber sie gehorchen dem Zwange der Mode und müssen sich alle Tage zur Promenadenzeit zeigen. Sie reiten zwar schlecht, aber sie sind davon überzeugt, daß sie, wenn man ihnen schmeichelt, niedlich, elegant und selbst graziös sind. Nur aus Eitelkeit, nur um sich bewundern zu lassen, und ohne irgend ein Gefühl für die Freuden der Reitkunst, liegen sie im Sattel. In ihrem Innern aber empfinden sie unwiderstehliche Furcht, wenn sie sich dieser Körperübung hingeben, die sie zu spät begonnen haben, um darin noch etwas leisten zu können.
Es gibt auch Damen, welche aus Reklame reiten. Diese sind nach der Schönheit ihres Pferdes und der Eleganz ihrer Kleidung zu bewerten. Das Amt oder Bankgeschäft ihres Gatten oder Vaters verraten sie oft in einem anscheinend unbedeutenden Detail. Sie reiten im allgemeinen recht mäßig und ohne Vergnügen. Sie würden lieber die Läden ablaufen, wo sie in der verhältnismäßig frühen Morgenstunde, die sie dem Sport widmen, viele Chancen haben, nicht gestört zu werden. Nur Talermillionären gestatten sie, sie zu begleiten. Man darf ihnen keinesfalls mit Leuten begegnen, welche weder ein großes Vermögen oder einen hervorragenden Titel besitzen, denn sonst wäre ja der Zweck, um dessentwillen sie in den Sattel steigen, verfehlt. Ihr Reitkleid, der Reithut, das Zaumzeug und der Reitstock sind von einer äußerst gesuchten und hypermodernen Vollendung.
Die Damen, welche ihrer Gesundheit wegen reiten, sind sehr zahlreich. Sie reiten, um mager zu werden, um stark zu werden, um ihre Gesichtsfarbe aufzufrischen, um Appetit zu bekommen, um Schlaflosigkeit zu bekämpfen usw. Indem sie sich nur ihrer Kur widmen, gehen sie dreiviertel ihrer Zeit so gründlich zu Werke, daß sie erbarmungslos alle friedfertigen Reiter durcheinander bringen. Für sie existiert das Pferd nur als Heilmittel, und an dem Tage, an dem sie mager oder stark geworden sind, an dem sie mit Appetit gegessen oder die Nacht ruhig geschlafen haben, werden sie mit Freuden aufhören, sich einer Körperübung hinzugeben, die in ihren Augen nur ein Frondienst war. Aber so lange sie reiten, werten sie ihre Zeit gewissenhaft ab.
Dann gibt es noch eine Kategorie von Damen, nämlich solche, welche aus Nachahmungstrieb reiten. Diese reiten oft gut, weil sich bei ihnen mit der fixen Idee, einer intimen Freundin oder einer Klostergefährtin nachzuahmen, sehr schnell die noch fixere, sie zu übertreffen, vereinigt.
Sieht eine dieser Damen bei ihrer Freundin ein Reitkleid aus London, dann muß sie sich ebenfalls ein solches von dort kommen lassen. Besitzt ihre Freundin Alice einen Hengst mit Elefantenfüßen und einem Nilpferdkopf, dann wird sie nicht eher ruhen, als bis ihr der liebe Gatte ein Tier gekauft bat, das eher einem Rhinozeros als einem Pferde gleicht. Eine der Damen, denen sie öfter auf der Promenade begegnet, reitet auf einem kleinen Sattel, den man beinahe gar nicht sieht. Die Dame mit dem Nachahmungstrieb wird nicht schlafen können, bevor sie nicht ganz ohne Sattel reitet und so ihre Nebenbuhlerin übertrumpft.
Überaus viel zu schaffen macht dieser Kategorie die Abwechslung in den Reitkleidern. Alle Tage sucht man eine neue Mode aufzubringen oder ein System einzuweihen, welches der von der Nachbarin aufgebrachten Mode oder dem von dieser eingeweihten Systeme den Todesstoß versetzt.«
So, mes dames, ehe Sie nun das Pferd besteigen, um dem edlen Reitsport zu huldigen, wählen Sie, in welche der gezeichneten Klassen Sie sich einreihen wollen, – aber machen Sie aus Ihrem Herzen keine Mördergrube!
Bevor eine Dame sich dem Rücken des Pferdes anvertraut, sollte sie sich darüber klar sein, in welcher Art und Weise sie reiten will, allerdings eine Vorbedingung, welche seit mehreren Jahrhunderten kaum zur Frage geworden ist. Aber die Emanzipierungsbestrebungen der Damen in neuerer Zeit auf allen Gebieten hat auch auf diesem eine Propaganda gezeitigt, welche nicht unbeachtet vorübergehen konnte, und ich halte es demnach für notwendig und meine Pflicht, diese Frage etwas eingehender zu erörtern.
In erster Linie erscheint es verwunderlich, daß für die – wir können mit vollem Recht sagen »antiquierte« – Reitart (im Reitsitz) eine Propaganda gemacht wird. Wir sollten meinen, es müsse dem eigenen Willen und – wie wir auch später sehen werden – der individuellen Körpergestaltung der Dame überlassen bleiben, ob sie von dem nun doch längst gebräuchlich gewordenen Seitsitz (Quersitz) abgehen und sich dem Reitsitz (à la cavalier) zuwenden will. Niemand wird sie daran hindern, wenn ihr gerade diese Art zu reiten Vergnügen macht. Ob es aber praktisch ist, das ist eben die Frage, und wenn sie es für sich als praktisch erachtet, so ist es doch noch eine große Frage, ob es auch für andere praktisch ist. Eines schickt sich eben nicht für alle! Warum also Propaganda? Danach haben wir den Reitsitz der Damen von drei verschiedenen Gesichtspunkten aus zu betrachten, und zwar erstens vom reitsportlichen überhaupt, zweitens vom medizinischen und drittens endlich auch vom ästhetischen Standpunkt aus.
Ich will dabei nicht nur meine eigene Ansicht, welche vielen Damen vielleicht nicht kompetent erscheinen könnte, in die Wagschale werfen, sondern möglichst international sein. – Bekanntlich sind England, Amerika, Frankreich und noch viele andere Länder unserem Deutschland auch mit Bezug auf den Damenreitsport noch weit überlegen, und so wollen wir denn auch Stimmen aus jenen Ländern hören – natürlich nur um zu lernen und dann das Fazit zu ziehen.
Wie schon eingangs angeführt, ging der zweifellos ursprüngliche Reitsitz der Damen zum Seitsitz über, nachdem die zunehmende Verbesserung des Damensattels diesen Sitz angenehmer und bequemer gemacht hatte. Aber – die Zeichen des neuen Jahrhunderts sind die auf allen Gebieten zunehmenden Emanzipationsbestrebungen der Damen – logischerweise mußten sie sich demnach auch auf den Reitsport erstrecken. Die Damen wollen es auch darin den Männern gleich tun und à la cavalier reiten.
Das ist nur – pardon, beinahe hätte ich wieder gesagt »logisch«, – doch kaum ist mir das Wort entfahren, möcht ich's im Busen gern bewahren! Denn, so leid es mir auch tut, es aussprechen zu müssen, einen anderen Grund, den bisherigen Reitsitz der Damen zu ändern, habe ich nicht finden können![A] Aber die Frage ist zur cause célèbre geworden, seitdem sogar die »Deutsche Medizinische Wochenschrift« – wie ich voranschicken will, leider nur in gänzlich unzureichender Weise, d. h. mehr vom sportlichen, laienhaften, wie vom wissenschaftlich medizinischen Standpunkte aus – sich damit beschäftigt hat. Es ist das eigentlich recht bedauerlich, denn die Gegner des angestrebten Reitsitzes können nicht mit diesem schwersten Geschütz dagegen vorrücken, bevor nicht die Wissenschaft gesprochen hat. Der praktische Reiter aber kann dann mindestens mit dem Maschinengewehr vorgehen. – Doch – wie immer – wollen wir den Damen den Vorrang lassen und ihre Forderungen nebst den Gründen dafür hören.
[A]: Confiteor, daß auch ich in früheren Jahren zu denen gehörte, welche dem Damensitz nach Herrenart das Wort geredet, und daß ich dieser meiner Meinung in älteren Schriften mehrfach Ausdruck verliehen habe. Seitdem aber bin ich infolge der mannigfachen Erfahrungen, die ich auf diesem Gebiete machte, vom Saulus zum Paulus geworden, und auf Grund dessen kann ich nicht anders, als mich ohne Einschränkung für den bisherigen Seitsitz der Damen zu entscheiden.
Als Erste erschien auf dem Kampfplatz, um gegen den bestehenden Seitsitz eine Lanze zu brechen, schwer gerüstet, aber mit offenem Visier, niemand geringeres als Fräulein Dr. Anita Augspurg, und der »Berliner Lokal-Anzeiger« hatte die Ehre, als Herold zu fungieren. Ich weiß nicht, ob die Dame selbst Reiterin ist, oder ob sie nur akademisch spricht – letzteres ist ja durchaus modern – jedenfalls tritt sie als eifrige Verfechterin des Herrensitzes auf, und ich will einige ihrer Sentenzen hier anführen, ohne ihnen deshalb durchaus zustimmen zu können. So z. B. kann ich mich durchaus nicht unbedingt ihrer Meinung anschließen, daß der Damensattel – wir kommen auf denselben später zurück – nach mehreren Jahrhunderten seiner Herrschaft (sic!) ein widersinniges Marterinstrument für Pferd und Reiterin sei. Doch nur unter Umständen! Mit Vergnügen aber stimme ich ihrer Ansicht bezüglich Verwerfung des Korsetts zu, dem ich – nach den Belehrungen meiner Frau – nur insoweit eine Berechtigung zugestehen kann, als es sich um das Tragen, bezw. die Befestigung der Unterkleider handelt. Da diese aber – es dürfen nur Reitbeinkleider getragen werden, die sich auch anders befestigen lassen – beim Reiten fortfallen, so kann es das Ungeschöpf wohl auch.
Wie schon angedeutet, ist Fräulein Augspurg denn auch der Ansicht, daß das Reiten im Herrensattel gesünder, gefahrloser, interessanter und vor allem schöner sei, als im Damensattel.
Was das erstere betrifft, so kann ich nur sagen, daß ich unter den Hunderten von Damen, welche ich als Reitdamen kennen lernte, noch keine einzige gefunden habe, welche durch das Reiten im Damensattel ihre Gesundheit geschädigt hätte, außer einer einzigen, welche sich durch den Sturz aus dem Damensattel eine schwere Kreuzverletzung zugezogen hatte. Ein Sturz aber kann vom Herrensattel aus noch viel leichter eintreten, wie wir es bei Herren leider sehr oft hören und sahen. »Gefahrloser« – das widerlegt sich aus dem eben Gesagten von selbst. Jemand, der infolge langer Beine in der Lage ist, sich bei gewissen Bewegungen des Pferdes mit den Beinen an dasselbe anklammern zu können – sit venia verbo – reitet relativ gefahrloser, als ein solcher mit kurzen Beinen, der nur auf Balance angewiesen ist. Und letzteres würde doch in den meisten Fällen bei den Damen zutreffen. Beim Damensattel aber, wo beide Beine an den beiden Hörnern einen durchaus sicheren Halt finden, ist die Gefahr des Herabstürzens eine ganz bedeutend geringere. Ob es interessanter ist, im Herren- oder Damensitz zu reiten, darüber kann allerdings nur jemand ein Urteil fällen, der beide Reitarten ausübt; ich sehe jedoch nicht ein, weshalb die eine weniger interessant sein soll, als die andere. Und schöner – das ist Geschmackssache. Ich für meine Person finde eine elegante, gut sitzende und ihr Pferd anmutig führende Reiterin im Seitsitz interessanter und schöner aussehend, als eine solche im Herrensitz, die mich – als Erscheinung – gar nicht interessiert. Pardon! Also – darüber läßt sich streiten.
»Einem unvoreingenommenen Auge«, sagt die Verfasserin, »muß eine Reiterin im Quersitz (der Herrensitz ist gemeint!) gefälliger erscheinen, denn wenn man imstande ist, von der Gewöhnung zu abstrahieren und den Anblick, den sie im Damensattel bietet, ganz objektiv zu erfassen, so muß man diesen fast von allen Seiten für direkt unschön erklären. Von vorne wie von hinten gesehen, hat die Figur von Pferd und Reiterin eine unglückliche Kontur. Man sucht ängstlich, wo wohl der Schwerpunkt dieser Unform sich befinde; nicht ganz so schlimm ist es von der rechten, am erträglichsten von der linken Seite (na also!), zeigt uns aber der Zufall die Rückansicht einer »englisch« trabenden Dame, so fühlen sich Ästhetik und Anstandsgefühl in gleicher Weise gekränkt (na na!) und alle Grazien verhüllen entsetzt das Haupt. Hierbei ist natürlich nur das anerzogene Anstandsgefühl gemeint, das die Existenz bestimmter Körperteile, die es hier besonders zum Ausdruck gebracht sieht, nun einmal ignoriert wissen will. (Und unsre heutige Damenmode???)«
Ich bekenne offen, mich nicht zu jener Objektivität aufschwingen zu können, um mich dieser Auffassung anzuschließen. Im Gegenteil finde ich, daß z. B. eine graziös und korrekt englisch trabende Dame von allen Seiten ein äußerst sympathisches Bild abgibt, vorausgesetzt, daß sie eine gute Figur hat und tadellos reitet. Von Karikaturen brauchen wir nicht zu sprechen. Sobald aber in die Haltung der Damen eine Pose hineinkommt, welche wir nicht zu sehen gewöhnt sind – eine Dame pflegt doch auch sonst nie Spreitzsitz oder -Stellung einzunehmen – so wird das bald für die meisten Männer uninteressant, vielfach sogar widerwärtig. Dies allein schon sollte für die Damen maßgebend sein.
»Auch das ärztliche Urteil«, führt die Autorin ferner aus, »sofern es sachverständig ist hinsichtlich des Reitens, (?) bevorzugt stets den Quersitz (Herrensitz) für die gesunde Frau: Die wahrhaft verschrobene Haltung, die ein guter Sitz im Damensattel erfordert (sic!), hemmt die Zirkulation des Blutes und bringt für den noch nicht ausgewachsenen jugendlichen Körper entschieden ernstliche Gefahr des Verkrümmens und Schiefwerdens, für den voll Erwachsenen aber zum mindesten große Unbequemlichkeit, die man erst zu ermessen versteht, wenn man nach längerer Gewöhnung an den Quersitz wieder einmal den Damensattel probiert. Viele Ärzte gestatten ihren Patientinnen das Reiten nur unter der Bedingung, daß es im Herrensattel geschieht.«
Ein definitives ärztliches Urteil darüber steht wohl noch aus, obwohl – wie schon angeführt – die »Deutsche Medizinische Wochenschrift« sich in zwei Artikeln mit diesem Thema beschäftigt hat, leider nicht klinisch genug, um auch den hippologischen Fachmann zu befriedigen, der anders darüber denkt. Ich komme noch einmal darauf zurück.
Ich muß es durchaus leugnen, daß ein korrekter Damenreitsitz auf gutem Damensattel zu den angeführten Körperschäden führt. Ich führe wiederum die Hunderte von Reiterinnen an, die ich kenne – aber keine einzige ist krumm oder schief geworden, noch hat sie, infolge des Seitsitzes, irgend eine körperliche Verunstaltung erfahren. Ich habe selbst vielfach im Damensattel geritten, um mich von der Wirkung des Sitzes auf den Körper zu überzeugen, mich aber sehr bald und ohne die geringste Unbequemlichkeit zu haben daran gewöhnt. Gewiß, ich, als Herr, der ich mich von frühester Jugend an an meinen Sitz gewöhnt habe, würde nur ungern zum Damensitz übergehen, – vielleicht würde es auch eine Dame nicht tun, welche von Jugend auf als Herr geritten hat – im übrigen aber werde ich Damen, welche erst in späteren Jahren das Reiten lernen wollen, stets den Sitz auf dem Damensattel empfehlen. Das Reiten im Herrensitz ist – bei dem in den meisten Fällen dafür ungünstigeren Bau des weiblichen Körpers – viel schwerer zu erlernen und wird, wiederum in den meisten Fällen, unvollkommener bleiben, als im Seitsitz.
Leider kann ich demnach wieder nicht mit Fräulein Dr. Anita Augspurg übereinstimmen, wenn sie sagt:
»Es braucht nicht erst eingehend dargelegt zu werden, welche Gefahren der Damenreitsitz für die Reiterin hat. Ich kenne vernünftige Väter und Gatten genug, die mit eiserner Konsequenz ihren weiblichen Angehörigen das Reiten ganz untersagen, weil sie als tüchtige Reiter und Sachverständige (?) sonst wegen der furchtbaren Gefahren des Damensattels (!) in steter Angst um ihr Leben schweben würden. Aber nicht nur die Gefahr, geschleift zu werden (welche beiläufig im Herrensattel noch viel größer ist! Der Verf.) oder mittels der Hörner sich schwere Verletzungen zuzuziehen (bei den neuen Sätteln fast unmöglich! Der Verf.) ist vorhanden, auch die Gewalt über das Pferd wesentlich geringer als im einseitigen Sitz (pardon, nur die Schenkelwirkung! Der Verf.), und die Reiterin ist infolgedessen wesentlich abhängiger von den Launen, Unarten, oder von dem Scheuen des Tieres: ein tückisches Pferd unter Damensattel zu reiten, ist immer eine Tollkühnheit.«
Das einzig Richtige an dieser ganzen These ist, daß die Reiterin, d. h. auch nur eine nur mittelmäßige, das Tier nicht so in der Gewalt hat, wie ein Herr. Ich bezweifle aber auch, daß die Reiterin im Herrensitz dieselbe Gewalt haben würde, wie der Mann. Ich habe Reiterinnen gesehen und gekannt, welche Pferde ritten, die für Herren höchst unbequem, ja gefährlich zu reiten waren. Das liegt zunächst an der Führung, ferner daran, daß die Pferde nicht mit den ihnen oft unbequemen Schenkeln gequängelt wurden. Im übrigen aber wird man für Damen, ob sie nun auf die eine oder die andere Art reiten, stets mit besonderer Vorsicht zuverlässige Pferde ohne besondere Launen oder Unarten, und besonders mit gutem Maul aussuchen müssen, d. h. relativ sichere Pferde. Absolut sichere gibt es nicht. Passiert dann doch einmal ein Unglück, so werden eben ganz besondere, unvorhergesehene Geschehnisse die Schuld daran tragen.
Was das Alleinreiten der Damen anbetrifft, für welches die Verfasserin ebenfalls schwärmt, so kann ich mich wiederum nicht ihrer Meinung anschließen. Man mag es ja auf eigene Gefahr hin tun, aber es ist weder vorsichtig noch – schick. Wie eine Dame nicht ohne Kutscher oder Groom selbst kutschieren wird – ein solcher gehört nun einmal dazu, und die Damen sind doch sonst den Anforderungen der Mode gegenüber so sehr peinlich – so auch beim Reiten. Entweder ein Kavalier oder ein Groom. Wenn ganz korrekt geritten werden soll, so muß stets ein Groom, auch dem Paare, folgen.
Den Schluß des Artikels bildet eine begeisterte Dithyrambe auf den Herrensitz für Damen, welcher meiner Ansicht nach mehr dem Wollen wie dem Können gewidmet ist. Wir haben seit jenen Zeiten, als die Damen (noch) à la califourchon ritten, so unendliche Fortschritte auf allen Gebieten der Kultur gemacht, daß das Einnehmen des Seitsitzes zweifellos auch als ein solcher betrachtet werden muß. Es müssen doch selbst damals schon sehr dringende Gründe vorgelegen haben, um mit dem alten Brauch zu brechen und dafür den doch mindestens ungewöhnlichen Seitsitz einzuführen. »Nichts Schöneres, als sich selbst ein Pferd satteln und zäumen zu können, frei aufzusitzen und zu reiten, durch Wälder und Täler im sicheren Bewußtsein der vollen Herrschaft und Unabhängigkeit (Schritt, Schritt!), Rast zu machen, sich auf- und abzuschwingen nach Belieben: da kommt man zu seinem Tiere in ein weit vertrauteres, kameradschaftliches Verhältnis, das die Freude am vornehmsten aller Sports wesentlich erhöht. Möchte sich die kleine Gemeinde der Damen vom ›Amazonensattel‹ bald erheblich vergrößern!«
Das alles, meine Gnädigste, können Sie, wenn Sie eine perfekte Reiterin sind, auch im Damensattel haben. Nur vor dem »Selbstsatteln« möchte ich – für beide Arten – dringend warnen! –
Um nicht einseitig zu erscheinen, soll auch die Ansicht einer Dame in ihren wichtigsten Punkten gehört werden, welche, Renegatin geworden, d. h. zum Herrensitz übergegangen ist, für letzteren ebenfalls eine Lanze bricht. Frau Rittergutsbesitzer Happoldt-Langenöls schrieb seiner Zeit einem Sportblatt u. a. folgendes:
»Dem Damensattel will ich in gewissen Fällen die Berechtigung nicht absprechen. Er eignet sich für diejenigen Reiterinnen, welche der Abwechslung wegen, aus Modesache oder aus was sonst für Gründen (vergl. den Anfangsartikel, aus welchen Gründen eine Dame reitet! D. Verf.), ein Pferd besteigen, in günstigem Terrain, womöglich auf wohlgepflegten Reitwegen großstädtischer Parks ein Stündchen spazieren reiten. (Und die englischen Damen, welche die schweren Jagden mitreiten? D. Verf.) Das ist aber in meinen Augen nicht reiten, sondern Spielerei. Wer sich aber lediglich aus Passion in den Sattel setzt, bei nicht immer günstigen Boden- und Witterungsverhältnissen meilenweite Ritte macht, der wird sehr bald die großen Vorteile schätzen lernen, die der Herrensitz gewährt. Ich bekenne offen, daß, nachdem ich soviele Jahre ausschließlich den Damensattel benutzt habe, der veränderte Sitz mir anfangs Schwierigkeiten machte. Außer der Zügelführung war alles neu, der »Schluß« fehlte, und vor allem war die Balance eine ganz andere. Das Lernen wäre mir entschieden leichter geworden, hätte ich den Damensattel vorher nicht gekannt. Doch mit Lust und festem Willen läßt sich vieles erreichen. Ich habe unermüdlich geübt und mit meines Mannes Hilfe an mir gearbeitet, bis ich sicher war. Und jetzt möchte ich um keinen Preis den als praktisch erprobten und mir lieb gewordenen Sitz gegen den zuerst erlernten wieder austauschen. – – Bei langem Trabtouren kommt mir der Herrensitz ungeheuer zu statten, er ermüdet viel weniger, als der ehemalige Seitsitz. Und nun zum Hauptvorteil des Herrensattels! Welcher von uns wahren Reiterinnen liegt nicht das Wohl und Wehe ihres Pferdes am Herzen, als wäre es das eigene? Der einseitige Sitz mit der ungleichen Gewichtsverteilung, die selbst der allerkorrekteste Damensitz nicht vermeiden kann, strapaziert das Pferd ungeheuer, besonders auf langen Strecken, abgesehen von der trotz neuester Sattelkonstruktion immer noch bestehenden Gefahr des Gedrücktwerdens.«
Pardon, meine Gnädige, wenn ich mir da eine Einschaltung erlaube. Wir wollen – nochmals pardon – immer logisch bleiben. Daß der Herrensitz für das Pferd praktischer ist, als der Seitsitz, ist ja eine von niemandem bestrittene Tatsache. Und daß man im Herrensitz unter allen Umständen technisch besser reitet, als im Seitsitz, hat auch noch niemand bestritten. Hier handelt es sich aber darum, ob eine Dame im Herrensitz besser reitet, als im Seitsitz. Warum also offene Türen einrennen? Wenn die einzelne Dame ihrer körperlichen und seelischen Veranlagung nach auf diese Weise sich auf dem Pferde wohler fühlt, so mag sie doch in Gottes Namen so reiten! Warum aber dafür Propaganda machen? Der weitaus größere Teil der reitenden Damen aber wird im Damensattel besser aufgehoben sein – jedenfalls sicherer, und ich will mich gar nicht scheuen, es auszusprechen: auch eine ganz hübsche Kollektion reitender Herren würden es sein, wenn es angängig wäre – denn zu diesem Reiten gehört ein Können, was nicht jeder erreicht oder erreichen kann. – Also nochmals: Eines schickt sich nicht für alle! –
»Die Darlegung meiner Ansichten und Erfahrungen«, so schließt Frau H. sehr vernünftigerweise, »soll durchaus nicht als Propaganda für den Herrensitz gelten, das liegt mir fern. Ich lasse jedermann nach seiner Façon selig werden. Die betreffenden Damen werden selbst am besten den für sie geeigneten Sitz herausfinden. Ich glaube selbst, daß von hundert Damen, die den Herrensitz erlernen wollen, neunundneunzig zu dem altgewohnten zurückkehren, denn, wie gesagt, so einfach ist die Sache nicht, es gehört fester Wille, Ausdauer, Ausdauer und abermals Ausdauer dazu (vorausgesetzt, daß der Körperbau der Dame überhaupt für diesen Sitz geeignet ist, der Verf.) und wenn wahre Passion die Triebfeder zum Reiten ist. Wem diese Eigenschaften innewohnen, der wird gleich mir für den Herrensattel stimmen.«
Na bravo, da sind wir ja einig!
In der Deutschen Medizinischen Wochenschrift, No. 46, 1901 findet sich ein K. S. und Dr. F. F. unterzeichneter Aufsatz, welcher dasselbe Thema behandelt, welcher zweifellos von einer Dame, vielleicht unter Assistenz eines Arztes geschrieben ist und der zu ganz entgegengesetzten Resultaten kommt, wie die beiden bereits erwähnten Damen. Ich halte den Inhalt für wichtig genug, um ihn hier wörtlich wiederzugeben; und das um so mehr, als hier auch der ärztliche Standpunkt endlich einmal ein wenig mehr in den Vordergrund tritt.
Fig. 3.
Der Reitsitz auf dem alten Damensattel.
»Schon seit Jahren sind viele Sportsleute und Ärzte der Ansicht, daß eine Reform in der Damenreiterei not tue, und zwar, wie man meint, aus rein sportlichen und dann aus sanitären Gründen. Besagte Reform besteht in der Einführung des Herrensitzes anstatt des herkömmlichen Seitsitzes.[B] In früherer Zeit mag man vieles am Seitsitz auszusetzen gehabt haben: er war für Reiterin und Pferd noch recht mangelhaft; das trifft sogar heute noch zu, wenn man den deutschen Damensattel betrachtet. Seine Fehler schädigten allerdings viel mehr das Pferd als die Reiterin, welche nur über Unbequemlichkeit zu klagen hatte. (Fig. 3.) Der neue englische Damensattel, der den deutschen vollständig verdrängt hat, weist keinen jener Mängel (Fig. 4) auf und würde allen Anforderungen entsprechen; aber man ist noch immer nicht zufriedengestellt, der ganze Sitz soll geändert werden! Kein stichhaltiger Grund dafür ist vorhanden. Sehen wir die Sache vom Standpunkt des Sports an, so müssen wir uns sagen, daß überhaupt die wenigsten Damen das Reiten als das auffassen, was es ist – nämlich als eine Wissenschaft. Den meisten genügt es, ein gut zugerittenes Damenpferd zu meistern, die Dressur, die dann allenfalls im Winter vorgenommen wird, ist eine sehr leichte, da das Tier ja bereits auf Gehorsam dressiert ist und alle Hilfen kennt. Mit der wirklichen Dressur eines rohen Pferdes gibt sich keine Dame ab, die nicht gerade besonders passioniert ist, und deren gibt es sehr wenige. Für jene Sorte Reiterinnen würde also der Herrensattel, der doch eine größere Herrschaft über das Pferd einräumen soll, ganz überflüssig sein, und für die anderen Damen ist er, wie wir sehen werden, entbehrlich. Man lasse ihnen daher ruhig ihren gewohnten Sitz, der nicht nur ästhetisch ungleich besser wirkt, sondern auch gesundheitlich nichts zu wünschen übrig läßt. Einen wirklich auch auf widerspenstige Pferde stark wirkenden Schenkeldruck würde kaum eine Dame zuwege bringen, da bei den Frauen die Muskelkraft, besonders in den Beinen, nicht so ausgebildet ist wie beim Manne, erstens von Natur aus nicht, zweitens durch das Wegfallen der körperlichen Übungen, die Knaben durch Turnen, Klettern und Springen haben. Und die Einwirkung des Schenkeldrucks ist der einzige Grund, der in Frage kommen würde. Reiterinnen, die es wirklich darauf anlegen, ihr Pferd tüchtig durchzuarbeiten, kriegen das auch im Seitsitz fertig, dafür hat man viele Beispiele. Ich habe mir mein Pferd, einen jungen temperamentvollen ungarischen Wallach, der niemals einen Sattel auf dem Rücken gehabt hatte, in sechs Wochen im gewöhnlichen Seitsitz vollständig zugeritten; das Tier folgte jeder Hilfe, ging auf bloße Schultereinwirkung hin tadellose Seitengänge und war weich und durchgearbeitet im Genick, letzteres nicht etwa infolge von Kandarenwirkung, sondern durch richtiges Durcharbeiten, Abbiegen und Abbrechen mit einer Wassertrense. Beiderseitiger Schenkeldruck waren dem Tier unbekannt geblieben, weshalb es, als ein Herr es bestieg, nichts mit sich anfangen ließ, sondern offen seine Empörung über diese neue Behandlung zeigte. Später natürlich gewöhnte es sich auch daran. Es war dies nicht das erste Pferd, das ich zurechtritt; man sieht also, daß man mit Geduld und Ausdauer auch im Seitsitz nachhaltigen Einfluß auf ein Pferd haben kann.
[B]: Im Original steht immer Quersitz. Da ich, um Verwechslungen vorzubeugen, den Sitz im Damensattel stets als Seitsitz bezeichnet habe, da andere Autorinnen unter Quersitz sogar den Herrensitz verstehen, so setze ich ein für allemal dafür »Seitsitz«. Der Verf.
Was nun die sanitäre Frage betrifft, so halte ich den Herrensitz für eine Frau auf die Dauer für unbedingt schädlich, obwohl auch da individuelle Faktoren mitsprechen können. Die Frau eignet sich schon ihrer Bauart und geringeren Muskelkraft wegen nicht dazu. Der gespreizte Sitz, bei welchem die Stellung der Beine einen Winkel von ca. 60-70° bilden, also ein wenig natürlicher, ist für die äußeren wie die inneren weiblichen Organe von großem Nachteil, da einesteils entzündliche Reizungen, andererseits innere Zerrungen und Dehnungen der Verbindungsbänder entstehen. Auch jene scheinbar geringen und harmlosen mechanischen Reizungen rufen durch ihre dauernde Wirkung oft fest eingewurzelte und häufig unheilbare chronische Schleimhautentzündungen hervor. Die inneren Lockerungen und Dehnungen werden sich natürlich verschieden intensiv äußern, wenn es sich um eine Frau, die bereits mehrere Kinder gehabt hat, oder um ein junges Mädchen handelt. Im letzteren Falle nämlich, wo jene Bänder noch kurz und straff sind, mag sich erst nach Monaten eine schmerzhafte Zerrung bemerkbar machen, bei einer Frau hingegen, bei der die Bänder bereits gelockert sind, wird die Dehnung schneller und leichter erfolgen, und infolgedessen müssen die weiblichen Organe, ihres Halts beraubt, nach vorn sinken. Auf diese Weise wird die Frau dauernd und unwiederbringlich den schönsten weiblich-ästhetischen Reiz, ihre schlanke Figur, verlieren. Wenn man bedenkt, daß es schon nach jeder Geburt einer besonders sorgfältigen, konsequent durchgeführten Binden-, resp. Massagebehandlung bedarf, um die vergrößerten und gelockerten Teile wieder zur Rückbildung zu bringen, und daß sehr viele junge Frauen, die als Mädchen wirklich schlanke, graziöse Erscheinungen waren, nach der ersten Geburt eben infolge unvollständiger Rückbildung der inneren Organe etwas Plumpes bekommen und leider behalten, so ist es ohne weiteres verständlich, daß die unnatürliche, bei weitem gewaltsamere Dehnung und Verlängerung jener Bänder, wie sie durch das fortgesetzte Reiten im Herrensitz hervorgerufen werden muß, erst recht nicht zu beseitigen wäre. Bei jungen Mädchen werden sich diese Verunstaltungen, wenn auch in geringerem Grade, allmählich entwickeln. Das hier Gesagte gilt auch nur für die Allgemeinheit, wo es maßgebend sein dürfte. Ausnahmen gibt es überall.
Fig. 4.
Der Reitsitz auf dem neuen engl. Damensattel.
Vom ästhetischen Standpunkte aus betrachtet, steht die Sache noch ungünstiger. Solange man die Reiterin, die rittlings auf dem Pferde sitzt, im Profil sieht, kann man nichts direkt Unschönes daran finden, ausgenommen in Fällen, wo die Betreffende sehr korpulent ist; dann ist der Anblick in jeder Richtung geradezu grotesk. Aber auch die schönste schlanke Figur sieht, von vorn oder rückwärts gesehen, äußerst unästhetisch aus.[C] Das Kostüm ist schon häßlich, der gepriesene geteilte Rock sieht lächerlich aus;[D] das Unschöne des Herrensitzes besteht ja nicht darin, daß man die Beine sieht, sondern lediglich in der Stellung selber. In Beinkleidern ist man auf den Pferderücken verbannt: eine Frau in Reithosen zu Fuß sieht entschieden nicht gut aus; jeder feinfühligen Dame muß das Aufsehen, das sie in diesem Kostüme erregt, peinlich sein.[E]
[C]: De gustibus non est disputandum. Also grade das Gegenteil von dem, was Frau Dr. Anita Augspurg findet. Der Verf.
[D]: Sehr richtig! Der Verf.
[E]: Allerdings hatte man ja mit dem Aufkommen des Radfahrsportes Gelegenheit, sich an manchen Anblick gewöhnen zu müssen, der alles andere als schön war! Der Verf.
Nun noch zum letzten der Gründe, die gegen den einseitigen Sitz hervorgehoben werden: nämlich die Unabhängigkeit und Sicherheit zu Pferde. Die Unabhängigkeit ist allerdings, falls die betreffende Dame nicht allein auf- und absteigen und sich nichts am Sattel ohne fremde Hilfe richten kann, sehr gering; aber wieviel Damen hegen den Wunsch, ohne Begleitung Reittouren zu unternehmen? Diejenigen, die es tun, können sich eben in allem helfen. Eine gute Reiterin, die auch Interesse für ihren Gaul hat, muß ihn selber satteln und aufzäumen können, wenn es nötig ist; eine genaue Kenntnis der Sattelung und Zäumung trägt nicht wenig zur Sicherheit und Selbstständigkeit bei. Auf dem Lande, wo manchmal niemand zu haben war, der mit einem Damensattel umzugehen verstand, habe ich mein Pferd oft ohne fremde Hilfe satteln müssen. Das Aufsteigen ohne Hilfe ist schon schwieriger; hat man ein frommes, gutmütiges Tier, das ruhig steht, so genügt es, dasselbe an irgend eine Erhöhung, eine Bank, einen Zaun oder eine Böschung zu führen, von wo es dann leicht ist, sich in den Sattel zu schwingen. Ist das Tier zu unruhig und tritt seitwärts, so empfiehlt es sich, einfach den Bügel lang zu schnallen und, in denselben steigend, sich in den Sattel zu ziehen, was nach einiger Übung recht gut geht. Graziös sieht es ja nicht aus, aber wenn niemand in der Nähe ist, geniert es nicht; das Pferd kehrt sich nicht daran. In puncto Sicherheit wird wohl jeder zugeben, daß es viel schwerer ist, aus dem Damensattel geschleudert zu werden, als aus dem Herrensattel; mit dem Hängenbleiben im Steigbügel ist die Gefahr in diesem wie in jenem Falle dieselbe, vorausgesetzt, daß die Reiterin einen Herrensteigbügel benützt – das einzig richtige – und nicht eine Menge Gummibänder oder gar großartige Sicherheitsvorrichtungen am Rocke hat. Geht ein Pferd durch, so kann eine Dame ebensogut die Gewalt über dasselbe wiedererlangen, wie ein Herr. Bei größeren Unglücksfällen, wie Stürzen von Reiter und Pferd, ist das Verhältnis das gleiche, es ist eben Glückssache, ob man heil davonkommt, da hilft einem die Zugehörigkeit zum starken oder schwachen Geschlechte gar nichts. Es liegt also kein Grund vor, den ebenso graziösen wie ausreichenden Seitsitz aufzugeben.«
Dieser Artikel, welcher meines Erachtens in jeder Beziehung sachlich ist und das Richtige trifft, hat in demselben Organ (Nr. 49, 1901) eine Entgegnung durch Dr. M. Senator, Frankfurt a. M., gefunden, welcher wieder den Reitsitz für die Damen befürwortet. Da er jedoch mehr vom reitsportlichen Standpunkt und ohne besonders neue Gesichtspunkte ins Feld zu führen geschrieben ist, so will ich nur dasjenige daraus hervorheben, was mir als besonders erwähnenswert erscheint.
»Was nun die sanitäre Frage betrifft, so befürchtet Verfasserin aus dem Herrensitz für die Damen erhebliche Nachteile; sowohl die inneren wie die äußeren Organe sollen leiden. Daß letztere durch die Reibung und den Druck entzündlichen Reizungen ausgesetzt sind, will ich nicht bestreiten; daß allerdings durch den sehr ähnlichen Sitz auf dem Rade, wo doch auch derartige Nachteile einwirken, die befürchteten Schädlichkeiten eingetreten sind, ist mir nicht bekannt. Verfasserin befürchtet ferner vom Herrensattel eine Lockerung und Dehnung der Bänder mit störenden Folgen für Gesundheit und äußere Erscheinung. Gerade diese Frage bedarf wegen ihrer enormen Wichtigkeit des erhöhten Interesses des Arztes und des Reiters, oder besser noch einer in beiden »Wissenschaften« erfahrenen Persönlichkeit. Ich selbst bin passionierter Reiter und will meine Liebhaberei nicht aufgeben, sollte ich auch von einigen üblen Einwirkungen nicht verschont bleiben (jede Passion erfordert eben Opfer), aber für eine gesundheitliche Übung in streng medizinischem Sinne kann ich das Reiten nicht ansehen.[F] Tatsächlich wird Lockerung und Senkung der Baucheingeweide begünstigt, wie ja schon die vermehrte Disposition der Reiter für Eingeweidebrüche beweist; aber ich glaube, daß diese Schädigungen im Reiten selbst, in der stoßweisen Erschütterung im Trabe namentlich, bedingt sind und daß Herren und Damen sich dem in gleicher Weise aussetzen. Daß die Folgeerscheinungen für den Frauenkörper schwerwiegender sind, ist gewiß (!). Sicherlich aber wird der freiere Sitz im Herrensattel, die bessere Möglichkeit, sich den Bewegungen des Pferdes anzupassen (z. B. der bequemere englische Trab) auch hierin günstig wirken. Daß der gespreizte Sitz nachteilig sein soll, will mir nicht einleuchten; ist denn die Drehung des Körpers im Damensattel gut zu heißen?[G]
Über den ästhetischen Standpunkt läßt sich schwer streiten. Ich kann an einer rittlings sitzenden Dame nichts Unschönes finden, weder im Profil noch in Vorder- oder Rückansicht.«[H]
[F]: Dieser Ansicht pflichten viele Ärzte und alte Reiter nicht bei. Wie Vielen wird das Reiten als besondere Kur verordnet? Der Verf.
[G]: Eine auf dem neuen englischen Sattel korrekt sitzende Dame nimmt infolge des Seitsitzes nur eine so minimale Drehung des Oberkörpers zum Unterkörper an, daß sie kaum erwähnenswert ist. Auch hat die bisherige Erfahrung nicht bestätigt, daß infolgedessen nennenswerte Störungen der Gesundheit eingetreten sind. Der Verf.
[H]: Daran können wir also abermals sehen, wie verschieden eine und dieselbe Sache beurteilt werden kann. Der Verf.
Alles in allem scheint mir die Antithese des erstangeführten Artikels nicht so überzeugend ausgefallen zu sein, wie es als Widerlegung erforderlich gewesen wäre!
Um aber endlich zum Schluß dieses Kapitels zu kommen, für welches mir noch reiches Material vorliegt, u. a. auch ein Artikel der nur von Damen redigierten französischen Zeitung »La Fronde«, welcher sich selbstverständlich für den Herrensitz ausspricht, bringe ich die aus fachmännischer Feder geflossene, im »Berliner Lokal-Anzeiger« enthaltene Antwort auf den Artikel des Fräulein Dr. Anita Augspurg, welchem ich meinerseits nichts hinzuzufügen habe. Meiner Ansicht nach enthält derselbe, in seinen wesentlichsten Punkten wiedergegeben, alles, was zu diesem Thema etwa noch gesagt werden kann.
»Es scheint gerecht und billig, das Für und Wider in dieser, die reitenden Damen lebhaft interessierenden Frage genau zu prüfen und mit gründlicher Fachkenntnis zu erwägen. Zuerst ist es nötig, festzustellen, daß es sich beim Damenreiten in der Stadt und Manege um andere Bedingungen handelt, als beim eventuellen Reiten in der Wildnis. In letzterem Falle lernen die Kinder und jungen Mädchen von früh an auf den verschiedenartigsten Sätteln in jedem Sitz das Reiten, so gut es eben geht, ohne Anspruch auf Eleganz. Die Anforderungen nun zu Nützlichkeitszwecken sind eben ganz andere, als die Reitkunst sie an die Damen in unseren gesellschaftlichen Verhältnissen zu stellen hat, bei denen das Alleinreiten wenig Zweck haben dürfte und zu mancherlei Unzuträglichkeiten führen kann.
Bleiben wir also zunächst beim Damenreiten in der Manege und zu Spazierritten und beginnen nun mit den Anforderungen, die der Schönheitssinn dabei stellt. Leider lassen sich die diesen Sinn nicht befriedigenden Eigentümlichkeiten des Damenreitens im Herrensitz nicht ganz leicht deutlich machen, ohne dieser Geschmacksrichtung zu nahe zu treten. Die Praxis würde das am besten selbst tun und das ästhetische Gefühl bald zurückverlangen lassen nach der weiblichen Reitart. Beleuchten wir diese letztere einmal an einem Beispiel, einer Schulreiterin im Zirkus, die mit mir wohl unzählige Herren und Damen nur mit großem Vergnügen im Damensattel reiten sahen. In dieser Reitart fand ich nichts unschön, im Gegenteil schien mir gerade in diesem Sitz und in dem einfachen schwarzen Reitkostüm die ganze Grazie des Weibes erst zum Ausdruck zu kommen. Wie oben hatte ich das Gefühl, daß die Reiterin dem Pferd gegenüber machtlos sei. Daß es außerhalb des Rahmens der Manege auch minder schöne Erscheinungen im Damensattel gibt, ist außer Zweifel. Daran ist aber weniger der Damensattel an sich, als vielmehr die geringere Fähigkeit der Reiterin (bezw. die Figur! Der Verf.), die im Herrensattel selbstverständlich ebenso zur Geltung kommen würde, Schuld. Nicht jede Dame kann sich guten Sitz aneignen; das bleibt eben wie bei jedem andern Sport, so auch hier, individuell. Sicher aber ist, daß es viel leichter für eine Dame ist, sich im Damensattel schön hinzusetzen, wie für einen Herrn dasselbe im Herrensattel zu tun. Auf der großen Sitzfläche des Damensattels kommt die Dame eben wirklich mit ihrer vollen Positur zum Sitzen, und deshalb wird es ihr verhältnismäßig leicht, den Oberkörper trotz der notwendigen ⅛ Rechtsdrehung gerade und graziös aufzurichten. Im Herrensattel ist die Sitzfläche eine viel kleinere, deshalb verliert der Herr so leicht durch Vor- oder Rückwärtsfallen mit dem Oberkörper den Anstand im Sattel, und deshalb wird das Balancieren schwerer. Im guten Balancieren aber liegt der Schwerpunkt der Reiterei, sowohl im Damen- wie im Herrensattel. Die Fähigkeit, im Damensattel leichter zu balancieren, also auch fester zu sitzen, gibt gerade der Dame die leichtere Hand, die ihr die weichere und beweglichere Lenkung des Pferdes ermöglicht. Ein Anklammern mit den Beinen am Pferd ist bei etwaigen Unarten desselben aber geradezu gefährlich, da ja gerade dieser Druck die treibende Hilfe ist. Ein geübter und unerschrockener Reiter wird freilich in einem solchen Falle durch besonders kräftige, nicht stoßweiser Anwendung der Schenkelhilfen sein Pferd zum Gehorsam bringen. Das ist doch aber, wenn wir einmal ehrlich sein wollen, bei einer Dame illusorisch, dazu fehlt es der Dame fast immer an der physischen Kraft. Hierfür kann ich sogar einen Beleg anführen. Eine Dame aus der hiesigen Gesellschaft war nach langjährigem Reiten im Damensattel zum Reiten im Herrensattel übergegangen, und um sich leichter und ungestörter in diese neue Art hineinfinden zu können, ging sie mit einem mir als schwierig bekannten Pferd auf ihr Gut, nicht ohne daß ich vorher meine Ansicht darüber offen ausgesprochen hatte. Ein ungläubiges Lächeln war die Antwort. Als diese selbe Dame nach längerer Zeit hierher zurückkehrte, schien sie ihre Ansicht geändert zu haben. Sie ritt noch denselben Fuchs, doch nicht, wie ich vermuten durfte, im Herrensattel, sondern – wie einst – im Damensattel. Auf meine erstaunte Frage erhielt ich die bezeichnende Antwort: Vom Damensattel hat mich der Gaul nicht herunterbekommen, vom Herrensattel – dreimal! Die Dame ist nicht wieder zum Herrensattel zurückgekehrt. Eine andere Dame konnte man auf unserem schönen Reitplatze, dem Hippodrom, seiner Zeit mit großer Bravour im Herrensattel über sämtliche Hindernisse gehen sehen. Auch sie reitet längst wieder Damensattel. Welche Gründe zum Wechsel für sie maßgebend waren, ist mir unbekannt. Darum möchte ich zum Kapitel der geringeren Gefährlichkeit des Reitens im Amazonensattel doch ein ernstes, mahnendes Wort sagen. Nach meiner anfangs aufgestellten Beweisführung ist die Möglichkeit, sich vom Sattel zu trennen, im Herrensattel eine größere, wie im Damensattel. Und wenn nun auch an sich vielleicht das Sichtrennen vom Herrensattel in vielen Fällen weniger gefährlich sein mag, wie das Abfallen vom Damensattel, so ist doch auch im ersteren Falle ein Hängenbleiben im Bügel und damit verbundenes Geschleiftwerden sehr wohl möglich. Rechnen wir nun die größere Wahrscheinlichkeit des Abfallens vom Herrensattel mit hinzu, so dürfte sich das Für und Wider in dieser Beziehung wohl ausgleichen. Einen Beweis, wie sicher und fest die Damen im Damensattel sitzen können, haben doch wohl unsere ausgezeichneten Schulreiterinnen gegeben. – Es scheint mir daher durchaus keine Veranlassung vorzuliegen, das Reiten im Damensattel irgendwie zu beanstanden, und möchte ich daher mein Veto gegen eine Änderung zugunsten des Amazonensattels nicht unausgesprochen lassen.«
Wie gesagt, ich schließe mich dem, was der umsichtige Fachmann hier ausgesprochen hat, voll und ganz an.
Eine der bekanntesten und besten Reiterinnen Englands, Miss Alice Hayes, die Gattin eines ebenso als vortrefflicher Reiter bekannten Offiziers, hat 1893 ein Werk über Damenreiten »The horsewoman, a practical guide to side-saddle riding« erscheinen lassen, welches sehr günstig beurteilt worden ist. Besonders gut in diesem Buche sind die Worte behufs Sicherung eines festen Sitzes im Sattel, ohne sich auf die Zügel zu verlassen. Die Verfasserin spricht nervösen Damen Mut zu, indem sie ihnen sagt, daß der Sitz im Damensattel sicherer, als der gewöhnliche Männersitz ist. Tatsächlich macht sie diejenigen, die das Reiten nach Männerart für Damen befürworten, lächerlich. – Soweit wollen wir uns nicht an der holden Weiblichkeit vergehen.
Sie aber, schöne Leserin, die Sie sich in dieses Kapitel mit Verständnis vertieft haben, mögen nun wählen, ob Sie sich für den einen oder den anderen Reitsitz entscheiden wollen. Wie wir gesehen haben, sind die mit so großer Verve für den Herrensitz angeführten Gründe zum größten Teil gründlich widerlegt – also: prüfet alles und das Beste behaltet!
Es ist von vornherein bei der Besprechung dieses Themas anzuführen, daß die Erscheinung der Dame zu Pferde stets ein angenehmes harmonisches Bild abgeben soll, wenn sie nicht der unliebsamen Kritik eines spottsüchtigen Publikums verfallen will. Dabei spielen die Regeln der Ästhetik eine besondere Rolle. Im allgemeinen braucht man ja einer wirklichen Dame in dieser Beziehung nicht viel zu sagen. Eine solche trägt in ihrem Wesen und in ihrer Geschmacksrichtung eine Eigenart zur Schau, welche in den meisten Fällen für sie paßt und vielfach auch gefällt, selbst wenn diese Faktoren manchmal aus dem Rahmen des alltäglichen oder althergebrachten Anblicks, bezw. der herrschenden Mode herausfallen. Direkte Geschmacksverirrungen sind auch seltener zu konstatieren, wenn auch die einmal – Gott sei Dank nur in sehr beschränktem Maße – s. Z. getragenen Hosenkostüme der Radfahrerinnen entschieden dazu gerechnet werden müssen.
Das harmonische Bild der Reiterin aber beschränkt sich nicht auf das Kostüm allein, die Figur muß sich auch mit dem Pferde verbinden, die Größe beider muß übereinstimmen. Eine Dame von Mittelfigur muß auch ein Pferd von solcher Figur reiten, eine kleine Dame ein kleineres, eine große ein größeres Pferd. Stärkere Damen – es hat das für die Amazone eine Grenze – müssen kräftige Pferde mit gutem Fundament, leichte schlanke Damen leichte Pferde mit leichten Gängen reiten. Sitz und Haltung müssen tadellos sein, so daß sich keine unliebsame Kritik daran wagen darf. Die Dame zu Pferde ist selbst heute noch, wo der Damenreitsport immer mehr in den Vordergrund tritt, eine dem Urteil der Menge verfallene Erscheinung, wenn sie nicht harmonisch wirkt. Es muß eben alles in den hier genannten Rahmen fallen. So sollte eine Dame, deren Figur aus irgend welchen Gründen nicht auf das Pferd paßt – in erster Linie ist hier von der Leibesfülle die Rede – sich nicht öffentlich zu Pferd zeigen. Das Reiten kann freilich eine ärztliche Verordnung, es kann besondere Passion sein – aber dann möge die Dame Wälder und Täler, fern ab menschlichen Treiben, durchschweifen. Mir ist eine derartig gestaltete Dame, welche noch dazu im Herrensitz ritt, in der Erinnerung, deren Erscheinung stets wahre Lach- und Spottsalven hervorrief – natürlich nur bei den weniger gebildeten Passanten – immerhin konnte auch der Mann der Gesellschaft nicht ohne ein gewisses Gefühl der Befriedigung darüber diese Reiterin sehen und ein Lächeln auf den Lippen unterdrücken.
Was nun das Kostüm der Dame anbetrifft, so muß ich leider konstatieren, daß es bei uns doch noch recht viel zu wünschen übrig läßt. Man sieht nur wenig distinguierte Erscheinungen zu Pferde, selbst aus der Gesellschaft, die man leicht daran erkennt, daß sie von einem bekannten Gentleman oder einem Offizier chaperoniert werden. Die Damen erscheinen überwiegend oft – also mal zuerst im Sommer – fast im Negligé, also so wie sie auf dem Lande reiten würden, im Strohhütchen, heller Bluse und dunklem Rock. Das mag ja recht bequem sein, ist aber nicht schick. Man reitet eben auf der Promenade der Großstadt nicht so, wie beim Morgenspazierritt auf dem Lande.
Es ist eigentümlich, daß die Damen hierbei ein laisser aller an sich haben, welches sie für Promenade, Diner usw. für shocking erklären würden. Viele Damen werden mir darauf allerdings erwidern, daß wir hier in Berlin überhaupt keine Reitpromenade im Sinne des Bois de Boulogne und des Hydepark haben, aber wenn auch diese Einwendung gewiß nicht ganz ohne Berechtigung ist, so müssen – bis vielleicht in dem neuanzulegenden Volkspark Grunewald etwas derartiges geschaffen wird – der Tiergarten, der Kurfürstendamm und der Grunewald als solche gelten. Was irgendwie reitet, trifft sich doch vormittags dort.
Ich erachte es demnach, da Paris noch immer für die Moden der Damen auch auf diesem Gebiete maßgebend ist, für meine schönen Leserinnen interessant, zu erfahren, in welchem Ajustement die Dame im Bois de Boulogne nach dem Bericht einer französischen Dame zu Pferde erscheint.
Um mit dem Intimsten zu beginnen, so ist das einzig Elegante bei diesem Anzug ein Manneshemd von Baumwolle mit leicht umgebrochenem Kragen. Dieses Hemd muß zum korrekten schwarzen, blauen oder dunkelgrünem Reitkleid, wie es im Bois getragen wird – auch zum roten Jacket – weiß sein, darf jedoch zum Phantasiereitkleid kleine Muster – Erbsen, Kleeblätter, Streifen – haben. Diese Muster dürfen sich jedoch nur mikroskopisch präsentieren, sonst wirken sie abscheulich. Der Brustteil des Hemdes braucht nicht gestärkt, Kragen und Manschetten dagegen müssen hart wie Holz sein, während alles übrige sich schmiegsam anfügen muß.
Das einfache kurze Beinkleid aus weißem Tuch oder Floretseide wird im Schenkel sehr weit und unter dem Knie, wo es durch drei kleine Perlmutterknöpfe geschlossen wird, sehr eng getragen. Vom dritten Knopfloch reicht eine kleine Schleife aus demselben Stoff wie das Beinkleid bis zum oberen Rande des Stiefels.
Das Trikot ist vielleicht weniger schick wie dieses Beinkleid, aber unendlich praktischer. Im Winter muß es aus Seide, im Sommer aus sehr feinem Zwirn und immer von perlgrauer Farbe sein. Vornehmlich darf man keine Phantasie-Farbennuancen wählen. Vor allen Dingen muß man sich aber vor der Fleischfarbe hüten.
Das Trikot wird im Sitz, in der rechten Kniekehle und im rechten Knie erweitert angefertigt. Obwohl es nicht zu eng sein darf, muß es doch fest anschließen und darf keine Falte schlagen.
Man brauche kein Korsett, wenn man es irgend entbehren kann. Man benutze nichts, als ein enggeflochtenes Tragband aus Seide, um die Falten des Hemdes zu ordnen und das Beinkleid oder das Trikot festzuhalten.
Ist man ein Korsett zu tragen genötigt, so sei es schmiegsam und sehr kurz, damit es nicht auf den Hüften scheuert. Dann sei es aus weißem schwedischen Leder lose geschnürt, keineswegs festanschließend und gar oben mit Spitzen besetzt, damit sich nichts unter dem Reitkleide markiert. Das mit einer Rüsche verzierte Korsett markiert sich stets auf dem Rücken des Kleides, und zu Pferde ist es noch mehr als anderswo von Wichtigkeit, daß alles glatt sitzt und nichts die Linien unterbricht.
Der Stiefel muß aus lackiertem Kuhleder oder dem gewöhnlichen Lackleder bestehen und im Schaft oben geschmeidig sein; das ist die Form des alten Stiefels nach Stallmeisterinart, welcher sich längs des Beins gut anschmiegt, und zu welchem ein sehr niedriger englischer Absatz gehört. Viele Damen tragen den Chantillystiefel, und das ist abscheulich.
Dieser Stiefel nämlich, der einzig elegante und praktische für die Herren, paßt ganz und gar nicht für die Damen, und zwar aus zwei Gründen. Erstens verunstaltet er den Knöchel und macht ihn plump, und zwar dermaßen, daß man in diesem Falle auf die entsetzliche lange Hose zurückzugreifen gezwungen ist. Der andere ist der, daß beim Traben der Rock sich in den zu harten Schaft zwängt und dann unangenehm auf dem Knie spannt. Der Stiefel dagegen muß im Spann so weit sein, daß er beinahe ausgeschlenkert werden kann.
Der Sporn sei gerade und kurz, aus Stahl, Nickel oder Silber, das Rädchen mit spitzen Stacheln versehen, denn der Sporn soll weder ein Spielzeug noch ein Zierrat, sondern vielmehr wirklich ein Hilfsmittel sein. Er wird mit einem kleinen Riemen aus sehr weichem Lackleder befestigt.
Die Busenkrawatte besteht aus weißem Batist oder aus solchem mit kleinen, kaum wahrnehmbaren Mustern; die Nadel ist einfach, ein Hirschhaken, eine Tiegerklaue, ein St. Georgstaler oder sonst eine goldene Münze, aber keine Nadel, die den Anschein eines »Kleinods« hat.
Als Kopfbedeckung wird ein schwarzer Seidencylinder oder ein solcher aus grauem Filz getragen. Niemals aber trägt die Dame, welche Anspruch erhebt, korrekt zu sein, irgend einen anderen Phantasiehut im Bois. Auf dem Lande ist das selbstredend gestattet. Der Hut von hoher Form braucht sich nicht nach der neuesten Mode zu richten. Er muß ziemlich hoch sein und darf keine flache Krempe haben. Im übrigen ist das einzige erlaubte Arrangement ein kleiner, grauer, schwarzer oder blauer, um den Hut gewundener Gazeschleier, Bänder aber oder irgend etwas »Flatterndes« sind nicht statthaft.
Der kleine melonenförmige Hut, der Matrosenstrohhut und selbst der Tirolerhut werden auf dem Lande getragen.
Zum Reiten werden die Haare geflochten oder gewunden und enganliegend getragen, was den Kopf klein macht. Nichts ist häßlicher als ein dicker Kopf, auf dem Pferde vielleicht noch mehr als anderswo. Man kann auch sämtliche Haare zusammendrehen, sie unter Freimachung des Nackens emporheben und unter den Hut stecken. Bei dieser Manipulation braucht man weder Schildpattnadeln noch -Kamm. Das hält ganz von selbst, den Fall, wo man den Hut verlieren sollte, ausgenommen.
Die Handschuhe seien aus weißem oder gelbem Hirschleder, aber niemals aus Hundeleder. Das ist gemein, unbequem und macht wahre Tatzen. Der Handschuh muß in den Fingern sehr lang, sehr geschmeidig und vornehmlich sehr weich sein, der Hand ebensoviel Spielraum zu lassen, als ob sie unbekleidet wäre.
Die Farbe des Reitkleides ist in Paris schwarz, dunkelblau oder dunkelgrün. Letztere Farbe ist jedoch so dunkel gehalten, daß man sie nur in der Sonne wahrnimmt. Der sehr kurze und durchaus glatte Rock aus schwerem Tuch darf, wenn man aufrecht steht, links nicht über den Sporn herabreichen. Rechts ist er wegen der für das Knie und das Horn erforderlichen Weite viel länger und wird an dieser Seite, wenn man zu Fuß ist, hochgeknöpft. Die durchaus einfarbige glatte Taille endigt hinten in einen kurzen Schoß, die auf den Hüften aufstößt und vorn in einer stumpfen Spitze ausläuft. Der Schoß kann aber auch rund und kurzgeschnitten sein. Hier und dort werden die Taillen auch mit langen und abgerundeten Schößen getragen. Der Paletot zum Reitkostüm ist kurz und in der Art der Herrenpaletots gearbeitet. Schmuckgegenstände, Samtkragen, Schleifen oder Phantasieknöpfe werden niemals getragen.
Damit soll allerdings nicht gesagt sein, daß die deutsche Amazone sich durchaus nach diesen Angaben richten muß, wenn sie auch immerhin einen guten Anhalt gewähren. Aus meinem eigenen kleinen Erfahrungsschatze möchte ich aber noch einige Ergänzungen dazu machen.
Im Winter schützen seidene Strümpfe am besten gegen kalte Füße. Ein leinenes Taschentuch wird in die am Sattel angebrachte Tasche gesteckt. Für den Sommer dürfte ein Reitkleid aus weißer Leinwand nicht auf Widerspruch stoßen, zu dem auch ein weißes Hütchen – jedoch nicht von Strohgeflecht – sehr gut stehen würde. Über die Chaussure ist bereits gesprochen worden, doch sei noch besonders erwähnt, daß Knöpfstiefel absolut auszuschließen sind. Die Form der Taille ist zwar gegeben, doch pflegen junge und schlanke Damen am liebsten und für sie am vorteilhaftesten die anliegende Taille zu wählen, während für stärkere Damen die Jackett- oder blusenartige Form geeigneter erscheint. Bei beiden ist auf denkbar größte Bequemlichkeit zu sehen, vor allem auf genügende Brustweite, tadellos gearbeitetes Rückenstück und zureichenden Halsausschnitt. Die Ärmel müssen so weit sein, daß sie den Armen ohne den geringsten Zwang jede Bewegung gestatten. Ebenso müssen auch die Handschuhe zwei Nummern weiter genommen werden, als man sie gewöhnlich trägt. – Was die Länge des Rockes anbetrifft, so trägt man am praktischsten das Reitkleid so, daß es mit der unteren Kante des Pferdebauches abschneidet, besonders wenn die Reiterin Jagd oder Terrain reitet. Dabei darf der Rock ja nicht faltig sein, sondern eng anliegend, muß jedoch so ausgebreitet werden können, daß das rechte Bein bequem über das Horn gelegt werden kann, ohne daß der Stoff sich zerrt und auf der Kniescheibe drückt. Daß nicht jede beliebige Schneiderin imstande ist, ein derartiges Reitkleid anzufertigen, ist selbstverständlich, hier können nur Spezialisten das Richtige treffen, wenn sie sich auch vielfach ihre Kunst unerfreulich hoch bezahlen lassen. Dennoch scheue man diese Ausgabe nicht; schon manche Dame hat sich aus Billigkeitsrücksichten ihr Reitkostüm anderswo anfertigen lassen und mußte dasselbe nachher als gänzlich unbrauchbar verwerfen. Ein solcher so ausgearbeiteter Rock fliegt niemals; zwei gewöhnliche Tuchbreiten sind für denselben ausreichend. Innerhalb des Rockes dürfen Raffer befestigt sein, damit die Dame, wenn sie abgestiegen ist und sich längere Zeit zu Fuß bewegen will, das Kleid schürzen kann, ohne mit dem Tragen die Hände zu beschweren, was auf die Dauer lästig wird. In England werden auch die sogenannten »Safety habits«, welche eigentlich nur eine Schürze bilden und gar keinen Stoff haben, wo die Hörner sitzen, empfohlen und gebraucht. Adressen für dieselben sind: W. Shingleton, 60 New Bond Street und Messrs. Thomas and Sons, Brookstreet, London.
Schließlich möchte ich es nicht unterlassen, der angehenden Reiterin noch einige Winke in bezug auf ihre Reittoilette zu unterbreiten, welche der berühmte Reitmeister James Fillis in seinem Buche »Principes de Dressage et d'Equitation« anführt.
»Die Reiterin verletzt sich sehr leicht, die geringste Falte in ihren Kleidern veranlaßt eine Hautabschürfung. Bei einem langen Ritt, besonders bei der Jagd, empfiehlt es sich, daß sie kein langes Hemd, sondern ein kurzes Hemdchen von sehr feinem Stoff trägt, welches über den Hüften befestigt ist. Der Kragen und die Manschetten müssen an dem Hemdchen festsitzen – nicht mit Stecknadeln befestigt sein, welche nicht sitzen bleiben, sondern herausfallen und stechen.
Ich rate dringend, keine langen Strümpfe anzuziehen; denn das Strumpfband ist immer ein Hindernis, oft sogar Ursache eines wirklichen Leidens, und kann ausgedehnte und schmerzhafte Verwundungen hervorrufen. Socken sind in jeder Hinsicht vorzuziehen; sie müssen sich vereinigen mit einem enganliegenden Unterbeinkleid aus weichem dehnbaren »Trikot« oder »Jersey« und gefüttert sein mit Seide, oder – noch besser – mit sehr feinem Hirschleder. Das Beinkleid, welches darüber gezogen wird, muß schmale Gummistege haben, damit es keine Falten schlägt. Der kurze Stiefel muß Gummizüge – keine Knöpfe haben, um Verwundungen und Quetschungen auf dem Fußspann zu vermeiden. Ich liebe nicht die hohen Stiefel; sie sind zu hart, können unterhalb des Knies verletzen und verhindern die Reiterin, ihr Pferd mit dem Bein richtig zu fühlen. Das Schnürleibchen (Korsett) muß sehr kurz und niedrig sein. Eine lange Korsettschiene (Schwippe) ist nicht nur unbequem, sondern wirklich gefährlich.
Ich würde glauben, mich entschuldigen zu müssen, weil ich in diese geheimen Einzelheiten der Toilette eindringe, für welche meine Urteilsfähigkeit zweifelhaft erscheinen könnte, wenn es sich nur um eine Frage der Eleganz handelte; aber alles, was die Ausrüstung der Reiterin angeht, betrifft auch ihre Sicherheit und ihr Wohlbefinden zu Pferde.
Ich habe soviele Frauen von einem Spazierritt schmerzerfüllt und leidend zurückkommen sehen, welche infolgedessen verurteilt waren, mehrere Tage auf der Chaiselongue zuzubringen, daß ich doch dahin gelangt bin, allen diesen anscheinend nebensächlichen Dingen eine größere Wichtigkeit beizumessen.
Freilich glaube ich, mich nicht auf Überdinge zu verirren, wenn ich empfehle, die Haare recht sicher zu befestigen. Die Dame, welche damit beschäftigt ist, ihren Hut oder Schleier festzuhalten oder zurecht zu setzen, denkt wenig an ihr Pferd, und man kann wohl sagen: Wenn sie ihren Hut verliert, ist sie nahe daran, auch ihren Kopf zu verlieren.«
Für längere Touren ist es praktisch, einen Reitmantel aus Plaidstoff (Cape) mit sich zu führen, der gerollt am Sattel befestigt wird, falls kein Groom mitreitet, da es immer unangenehm ist, plötzlich ausbrechendem Gewitter ohne irgend welchen Schutz preisgegeben zu sein.
In der rechten Hand wird eine kurze starke Reitpeitsche getragen, welche, wie schon angeführt, den über den Sattel gelegten rechten Schenkel des Herrn ersetzen soll, und der in Verbindung mit dem linken die betreffenden Hilfen für die verschiedenen Gangarten des Pferdes gibt.
Hat eine Dame erst festen Sitz gewonnen, so kann sie am linken Absatz einen kurzen Sporn mit scharfem Sternrad tragen.
muß man allerdings von vornherein voraussetzen, daß er mit allem vertraut ist, was nicht nur bei seinem eigenen, sondern auch vor allen Dingen beim Damenreiten von Wichtigkeit ist, um jeden Augenblick fertig und bereit zu sein, sowohl zu belehren, als auch praktisch einzugreifen, wenn es nötig ist.
Der Kavalier der Dame muß schon vor allen Dingen ein vollendeter Reiter sein, weil er gezwungen ist, seine Aufmerksamkeit stets auf seine Begleiterin und das dieselbe tragende Pferd zu richten, ohne dabei sich und sein Pferd zu vergessen. Kaltblütigkeit und Geistesgegenwart würden seine unerläßlichen geistigen Gaben sein müssen, um im Moment der Gefahr das richtige Mittel zur Begegnung derselben unverzüglich in Anwendung bringen zu können. Er reitet zur rechten Seite der Dame, weil er dort nicht mit den Beinen derselben in Berührung kommt, dicht heranreiten kann, um eventuell eine Unordnung im Ajustement auszugleichen, den Sattelgurt oder Bügel um ein Loch zu verändern, auch einmal, wo es nötig erscheint, bei der Zügelführung behilflich zu sein. Zu diesen Zwecken muß er verstehen, sein Pferd inzwischen mit der rechten Hand zu führen, welches wiederum so dressiert sein muß, daß es durch eigene Ungezogenheiten nicht auch das Pferd der Dame unruhig macht. Es wird vorteilhaft sein, daß der Herr bei schnelleren Gangarten sich um ein viertel der Pferdelänge hinter der Nase des Pferdes der Dame halte, um dieses nicht unnütz aufzuregen, und um, falls jenes wirklich einmal etwas heftiger werden sollte, ihm in kürzester Zeit in die Zügel fallen zu können. Unter Umständen wird er dagegen zu vermeiden haben, in kurzem Abstand hinterher zu jagen, weil dadurch das aufgeregte Pferd der Dame nur zu immer größerer Schnelligkeit angeregt werden würde. In solcher Lage ist die Dame allerdings ganz auf sich selbst angewiesen, denn vor einem Sturze würde sie ihr Kavalier doch kaum bewahren können, – und schließlich wird sie auch selbst bald wieder Herrin des Pferdes werden, welches, gewöhnt in Gesellschaft zu gehen, meist wieder zur Besinnung kommen wird, wenn es seinen Kompagnon nicht hinter sich hört. –
Ist die Reiterin im Freien noch nicht ganz sicher in der Führung ihres Pferdes, oder gibt das Pferd selbst zu irgend welchen Bedenken Anlaß, so empfiehlt es sich – um allen Eventualitäten vorzubeugen – daß der Kavalier das Pferd der Dame an einem Leitzügel führe, welcher in ein in die Trense des Damenpferdes eingeschnalltes Kinnstück – ev. mit einem Karabinerhaken – befestigt wird, dessen mit einer Schleife versehenes Ende der Kavalier in die linke Hand nimmt, oder über dieselbe streift. (Fig. 5.) Ich darf wohl annehmen, daß, wenn eine Dame ihren Kavalier als einen Mann mit den eben geschilderten Eigenschaften kennt, sie mit bedeutend mehr Vertrauen reiten wird, als wenn sie in dieser Beziehung Bedenken hegen zu müssen glaubt. Natürlich spreche ich nur von Anfängerinnen, denn für solche ist dieses Buch ja nur geschrieben. Perfekte Reiterinnen werden genug Selbstvertrauen haben, um sich ganz auf sich selbst zu verlassen. –
Fig. 5.
Führung des Damenpferdes am Leitzügel.
Wenn eine Dame reiten lernen will, so ist es unbedingt nötig, daß sie sich mit dem Tiere, dem sie sich anvertraut, auch etwas näher bekannt macht. Das Pferd ist zwar keine Maschine, nichts weniger als das, aber auch jeder Maschinenführer muß die Technik seiner Maschine kennen, welche er führen soll, sonst gibts ein Unglück. Hier liegt die Sache ähnlich. Auch technisch soll und muß die Dame ihr Pferd kennen, selbst wenn es nur ein Leihpferd ist. Ist sie aber in der glücklichen Lage, ein oder zwei Pferde zu besitzen, so muß sie sich durch den Umgang mit derselben, auch wenn sie nicht zu Pferde steigt, – also z. B. durch öftere Besuche im Stall unter Darreichung von Leckerbissen und hauptsächlich Sprechen mit dem Tiere – das Vertrauen derselben zu erwerben suchen. Wir werden noch darauf zurückkommen, jetzt uns aber kurz mit den technischen Benennungen der einzelnen Teile des Pferdekörpers bekannt machen.
Die Hauptteile des Pferdekörpers (Fig. 6) sind: der Kopf (I), der Hals (II), der Rumpf (III) und die Extremitäten (IV).
In bezug auf die Reiterei teilt man das Pferd in 3 Teile ein, und zwar in
A) die Vorhand: Kopf, Hals, Schultern, Brust und Vorderbeine –,
B) die Mittelhand: Rücken, Lendenpartie, Flanken und Bauch –,
C) die Hinter- oder Nachhand: Kruppe mit Schweif und die Hinterbeine.
Fig. 6.
Zur Kenntnis des Pferdekörpers.
Der Organismus des Pferdes ist zusammengesetzt aus dem Knochengerüst, dem Träger des ganzen Körpers, welches durch die Bänder zusammengehalten wird, aus dem Muskelapparat mit den Sehnen und Flechsen, den inneren Organen, den Blutgefäßen und dem Nervensystem.
Die großen Beugesehnen, deren Tadellosigkeit für die Brauchbarkeit des Pferdes Erfordernis ist, liegen an der hinteren Seite der Röhren bezw. Schienbeine.
Es ist ganz zweifellos, daß das Pferd für den Dienst des Menschen sowohl als Reit- wie als Zugtier ganz besonders geeignet ist, weil nicht nur die Körperbeschaffenheit und die Gestalt desselben, sondern auch seine Charaktereigentümlichkeiten, seine Gutmütigkeit und Gelehrigkeit, seine Geduld und Genügsamkeit und ganz besonders sein schweigendes Erdulden jedes Schmerzes, jeder rohen Behandlung es dafür als besonders prädestiniert erscheinen lassen.
Zunächst ist in bezug auf die Charakteristik des Pferdes die außerordentliche Gutmütigkeit desselben hervorzuheben, welche selbst bei oft irrationeller und naturwidriger Behandlung, die ihm teils aus Unkenntnis, teils aus Indolenz, hin und wieder auch aus Böswilligkeit zu teil wird, seinen Weitergebrauch gestattet, bis Alter oder körperliche Gebrechen es dem Abdecker überliefern. Von Natur böse Pferde bilden die Ausnahme, und die durch schlechte Behandlung bös gemachten Pferde – was sich in Beißen und Schlagen äußert – sind in der Minderzahl, fast nur vereinzelt vorhanden; von dem Gebrauch durch eine Dame sind solche Pferde von vornherein auszuschließen. Das Pferd ist dagegen sehr empfänglich für gute, liebevolle Behandlung, sowohl im Stall, wie unter dem Sattel, es weiß sehr wohl Güte und Übelwollen zu unterscheiden, auch sein Benehmen seinem Besitzer bezw. Pfleger gegenüber danach einzurichten, weshalb Herr und Stallpfleger hierauf wohl zu achten haben.
Ist das Pferd zwar im wesentlichen ein Gewohnheitsgeschöpf von frommer, vertrauender Gemütsart, so ist es doch auch ungewöhnlich nervös, furchtsam, zeitweise reizbar und geneigt, einem Ding, das es erschreckt, heftig zu widerstreben, ja, durch nervöse Furcht manchmal von einem panischen Schrecken befallen, vollständig unlenkbar. Dabei versteht es geschickt die Unwissenheit oder Furcht derer, die es beaufsichtigten, zu benutzen. Es ist etwas langsam von Begriff, aber es ist »selten zu alt, um neue Streiche zu lernen«, und sein Gedächtnis ist so treu, daß es nie vergißt, was es einmal gründlich erfaßt hat.
Als Regel, die nur wenige Ausnahmen zuläßt, mag ferner gelten, daß es glaubt, ganz richtig zu tun; wenn es irrt, so geschieht es entweder aus Unkenntnis, Schmerz oder Schreck, seltener aus Eigensinn oder Bosheit. Dies scheint allgemein nicht bekannt zu sein oder wenigstens nicht beobachtet zu werden, denn von allen Tieren ist das Pferd das am wenigsten verstandene, das am strengsten beurteilte und am ungerechtesten behandelte; für das geringste Versehen, und sogar für solche, die es selbst gar nicht verschuldet hat, wird es gar oft grausam gezüchtigt. Ein gutartiges Pferd ist gelehrig bei der Dressur, zeigt Ausdauer im Dienst, selbst unter erschwerenden Umständen, ja bis zur Erschöpfung, und Geduld und Vertrauen im Umgange mit den Menschen. Es kann jedoch nicht geleugnet werden, daß das Pferd infolge von Schreck oder Furcht leicht den Kopf verliert, durchgeht und dann allerdings lebensgefährlich wird. Man darf deshalb aber das Tier nicht gleich als geistig niedrig gestellt verurteilen, denn seine stete Bevormundung in tausendjähriger Sklaverei werden diesen intellektuellen Teil seines Selbst nicht vollständig zum Ausdruck gelangen lassen. Der bösartige Charakter zeigt Widersetzlichkeit gegen die Anforderungen der Dressur oder des Dienstes, Eigensinn und Stätischsein, Bosheit, Scheu und Schüchternheit. Die Allüren eines solchen Pferdes, welche in Stehenbleiben, Zurücktreten, Bocken, Ausschlagen, Steigen, dem Suchen nach einem Gegenstand, vor welchem es scheuen könnte, bestehen, lassen das leicht erkennen; der Blick hat etwas Unruhiges; das Ohrenspiel ist auffallend, die Stellung zeigt etwas Gezwungenes, Verhaltenes (Lauriges).
Pflege und Stallhaltung, und besonders auch das Putzen haben auf das Wesen des Pferdes einen ganz besonderen Einfluß. Edle, feine Pferde, wie es die Damenreitpferde im allgemeinen sind, dürfen bei ihrer feinen Haut nicht wie Kaltblüter gestriegelt und gebürstet werden. Manche Pferde werden ganz rasend und nervös, schon wenn man sich ihnen mit dem Putzzeug nähert. Solche Pferde darf man ja nicht vielleicht durch Festlegen zwingen, sich dieser Prozedur zu unterwerfen, die für sie eine Qual bedeutet und auf ihren Charakter und ihr ganzes Wesen von sehr ungünstigem Einfluß ist. Sie werden im Sommer – wenn nötig – gewaschen, sonst aber nur mit einem Putzhandschuh von Pferdehaar abgerieben. Ferner möchte ich an dieser Stelle noch einfügen, daß man nicht gut daran tut, Pferde einen oder mehrere Tage im Stall ruhen zu lassen. Es wirkt das auf ihre Gesundheit ungünstig ein, auch auf ihre Dressur. Außerdem sind sie, wenn sie dann wieder herauskommen, stallmutig, was sich bis zur Ungezogenheit steigern kann. Beides ist für die Reiterei nicht günstig. Es wird sich daher empfehlen, wenn die Dame im Reiten pausiert, das Pferd auf andere Weise, sei es an der Hand, sei es unter einem geschickten Reiter – bewegen zu lassen.
Das Temperament, welches wahrscheinlich seinen Sitz in der besonderen Nerventätigkeit des Pferdes hat, ist bei dem einzelnen Individium ebenso verschieden wie beim Menschen, wenn wir auch die Temperamente der Pferde nicht direkt in sanguinische, phlegmatische, cholerische und melancholische einteilen wollen. Jedenfalls zeigen sich bei verschiedenen Hauptrassen auch besondere Temperamenteigentümlichkeiten, ohne ihnen gerade einen direkten Stempel aufzudrücken, und dies zeigt sich hauptsächlich verschieden bei den edlen und den unedlen oder gemeinen Schlägen. Im allgemeinen kann man lebhaftes und träges Temperament, das erstere wieder in feurig und reizbar unterscheiden. Edle Pferde pflegen mit dem ersteren, gemeine mit dem letzteren ausgestattet zu sein. Eine gewisse Schüchternheit ist allen Pferden eigen, doch habe ich gefunden, daß edle Pferde, auch wenn sie in ihrer Jugend zu Furchtsamkeit neigten, diese bei vernünftiger Dressur viel eher überwanden, als weniger edle Pferde. Letztere pflegen ruhiger im Wesen und in der Bewegung zu sein, aber auch hartnäckiger in ihren Fehlern. Das Geschlecht selbst zeigt auch einige Unterschiede im Temperament. Ist der Hengst lebhafter, so ist die Stute reizbarer, und besonders im Frühjahr glauben wir manchmal ein ganz anderes Pferd unter uns zu haben, als dasjenige ist, dessen Eigenschaften bezw. Eigentümlichkeiten wir kennen und vielleicht lieben gelernt haben.
Faule Pferde zu reiten, ist eine Qual, sie ermüden die Reiterin außerordentlich, ebenso aber sind auch zu lebhafte oder heftige Pferde unbequem, besonders wenn sie nicht Schritt gehen, sondern trippeln. Am bequemsten sind meist die Wallache, deshalb mag man beim Ankauf, wenn andere Gesichtspunkte nicht mitsprechen, auch darauf achten.
In allerdings sehr skizzenhafter Weise – tiefer darauf einzugehen, gestattet der Raum des Werkes leider nicht – hat die Reiterin jetzt das Pferd kennen gelernt.
Welche Hauptgesichtspunkte für die Wahl eines für die Dame geeigneten Pferdes maßgebend sind, soll in dem folgenden ausgeführt werden.
Die beiden Grundgedanken bei der Auswahl eines Pferdes sind die, daß eine Dame, die reiten will, gute Nerven und gutgerittene Pferde haben muß.
Allerdings gab es stets und gibt es noch heute unter den Damen Reiterinnen, welche diffizile Pferde, die selbst einem tüchtigen Reiter Schwierigkeiten boten, mit wunderbar geschickter, leichter Hand zu lenken und im Gehorsam zu erhalten verstanden.
Ebenso gab es und gibt es noch heute Damen, welche mit der Sicherheit und Kaltblütigkeit eines erfahrenen Jagdreiters und mit diesen wetteifernd, den Hunden zu folgen vermochten, wie z. B. die Kaiserin Elisabeth von Österreich. Andere gute Reiterinnen ziehen eine Promenade im Tiergarten oder über freies Feld vor, ohne sich am Jagdsport zu beteiligen, der doch für Damen immer gefährlicher bleibt, als für Herren, denn ein Sturz im Jagdfelde ist nicht ausgeschlossen, und bei einem solchen vermag sich der Herr ungleich leichter vom Pferde zu trennen, als die vielleicht an den Hörnern hängenbleibende Dame.
Für alle diese Damen gilt als Grundsatz, nur Pferde zu reiten, welche absolut sicher auf den Beinen sind. Scheue, schreckhafte und heftige Tiere eignen sich, wie bereits am Schluß des vorigen Kapitels erwähnt, für Damen nicht, weil unerwartete Seitensprünge diese leicht aus dem Sitz bringen. Wert zu legen ist auf ruhige, lange, gleichmäßige und nicht harte Tritte im Trabe, auf einen wiegenden, weichen Galopp; auch der Schritt soll lang und gleichmäßig sein, denn ein zackelndes Tier ermüdet die Reiterin außerordentlich. Hals und Kopf müssen normal gestellt erscheinen und in allen Gangarten muß das Damenpferd gut und leicht am Zügel stehen.
Will die Reiterin sich auch im Gelände bewegen, so ist die Art des Springens genau zu prüfen. Es gibt Pferde, welche im Hochspringen, wie der Hirsch, nur die Beine anziehen und so über das Hindernis fliegen, daß man den Sprung kaum fühlt, wie sie auch Gräben nehmen, als ob sie nur einen etwas verlängerten Galoppsprung machten. Anders als aus dem Galopp sollten Damen überhaupt nicht springen. Die so springenden Pferde sind die geeignetsten, stürmisch und vehement springende Tiere schon weniger; doch beruhigen sich heftige Pferde unter einer entschlossen reitenden Dame nicht selten, weil sie leicht geführt und nicht festgehalten werden. Ganz ungeeignet aber sind Tiere, welche vor dem Sprunge stutzen, um sich dann aus dem Stehen über das Hindernis zu schleudern. Geschieht dies unerwartet, so ist das Resultat wohl, daß die Reiterin hoch im Bogen über des Pferdes Kopf und zugleich über das Hindernis fortfliegt, was, mit Grazie ausgeführt, unter Umständen sehr hübsch und dezent aussieht, aber nicht sehr beliebt ist. Erwünscht bleibt es eben, wenn Roß und Reiterin nicht getrennt, sondern innig vereint das Hindernis nehmen und danach unentwegt weiter galoppieren.
Nun gibt es noch eine recht erhebliche Anzahl von Reiterinnen, die durchaus nicht Reiterinnen sind, denen auch das Reiten und das Pferd Nebensache sind, und die nur hoch zu Roß auf der Promenade erscheinen möchten. Sie fühlen sich meist etwas unbehaglich auf dem Pferderücken (darf ich bitten, das erste Kapitel dieses Buches zu vergleichen?), und jede unerwartete Bewegung droht sie aus dem mühsam errungenen Gleichgewicht zu bringen. Diese Damen fürchten eigentlich das wilde Tier, dem sie sich anvertrauten, aber lächelnd und mit weiblicher Energie trotzen sie allen Gefahren des Reitsports. Nur sie selbst müssen sich gut zu Pferde ausnehmen und ihr Zelter muß natürlich auch nicht schlecht aussehen. Dazu darf ihn nichts aus seinem Phlegma bringen: keine ungeschickte Zügelhilfe, kein unabsichtlicher Schlag mit der Peitsche. Ruhig trabt er im Takte, den seine Besitzerin oft nicht zu finden vermag, oder geht seinen kadenzierten Galopp mit der Gleichmäßigkeit eines Uhrwerkes. Hat das Tierchen auch seine Studien nicht bei einem Jongleur gemacht, so muß es doch gut zu balancieren verstehen, damit, wenn die Insassin seines Sattels – die Bezeichnung als Reiterin scheint mir nicht zutreffend – in Gefahr gerät, das Gleichgewicht zu verlieren, das Rößlein ihr zu Hilfe komme. Das tun denn diese gutmütigen Tiere tatsächlich, weil die aus dem Gleichgewicht geratene Last – wie süß diese auch sei – ihnen unbequem wird; ist doch ohnehin unter einer nicht firmen Reiterin beim Damensattel die Gewichtsverteilung nicht die gleichmäßigste und bequemste.
Für diese letztbeschriebene Art der Damenreiterei ist also das Pferd zu empfehlen, welches man im Reiterjargon eine »alte Kuh« zu nennen pflegt. Ganz unbezahlbar wären diese leidtragenden Damenpferde, könnte man ihnen Rücken verleihen, die unempfänglich für jeden Satteldruck wären. So aber büßen sie einen Ausflug in den Grunewald gar häufig mit bösen Druckschäden, denn nicht alle Damen, die sich von kräftigen Männerarmen aufs Roß heben lassen, sind zart und schlank, und nicht immer sind der Sitz der Reiterin, die Lage des Sattels oder dieser selbst einwandsfrei. Wie selten aber wird daran gedacht, während der Frühstückspause die Gurten zu lösen, den Sattel zu lüften und zurecht zu legen! Während die kühnen Amazonen sich in fröhlicher Gesellschaft vergnügen, haben sie keinen Gedanken für das geduldige Tier, das sie dahin getragen und das nun angebunden dasteht, vom Sattel und von Insekten gepeinigt, gegen die es wehrlos ist, weil man ihm den Schweif abschlug. Beklagenswertes Damenpferd!
Wie erfreulich ist es dagegen, eine jugendlich schlanke und biegsame Gestalt sicher und voll Selbstvertrauen als Dame im Sattel sitzen und ihr Pferd wirklich reiten und mit leichter Hand lenken zu sehen. Diese Dame hat keine Veranlassung, an sich und den Eindruck zu denken, den sie auf das ihr begegnende Publikum macht. Sie weiß, daß sie korrekt sitzt, denn sie fühlt sich wohl auf ihrem Pferde, mit dem sie wie verwachsen ist. Sie hat auch Liebe zu ihrem Pferde, dem sie die erfrischende Bewegung in freier Luft, auch wohl manchen munteren Galopp querfeldein zu verdanken hat, der das Blut in Wallung bringt und die Nerven stählt. Eine solche wirkliche Reiterin wird auch die Winterzeit in der Bahn anwenden, sich selbst und ihr Pferd in der Reiterei zu vervollkommnen oder zu befestigen. Für diese in ihrer Reitkunst fortschreitende Dame wird bald ein ruhiges, tadellos gerittenes Damenpferd nicht das genügende Interesse bieten. Sie verlangt nach einem temperamentvollen, noch nicht ganz durchgerittenen Pferde, um es selbst zu arbeiten. Sie kauft es am liebsten im Herbst, um es bis zum Frühjahr für seinen Beruf zu schulen. Dennoch wird der Berater einer so passionierten und sicheren Reiterin sein besonderes Augenmerk darauf zu richten haben, daß das zu erstehende Pferd sich im allgemeinen als Damenpferd eignet.
Wie schon erwähnt, steht obenan die absolute Sicherheit des Ganges. Manche Pferde sind unsicher aus Ungeschick, obwohl sie gesunde, nicht struppierte Beine haben. Das Pferd soll temperamentvoll, aber es darf nicht nervös aufgeregt oder schreckhaft sein. Es darf kräftige Bewegungen haben, aber sie müssen gleichmäßig und elastisch sein, nicht kurz und übereilt, oder hart und stoßend. Das Gebäude des Pferdes muß möglichst normal, der Hals darf nicht zu tief angesetzt, die Verbindung zwischen Hals und Kopf muß ohne besondere Schwierigkeiten für eine richtige Stellung sein. Die Hinterhand muß kräftig aber biegsam sein, kurz, das ganze Pferd darf der Vollendung seiner Dressur voraussichtlich keine, in seinem Gebäude begründete und deshalb schwer zu überwindende Hindernisse bieten. Sonst würden der Reiterin statt der erhofften Freude an seiner erfolgreichen Dressur nur Enttäuschungen bevorstehen.
Sonach bedarf die Auswahl eines Damenpferdes, auch für eine gute Reiterin, doch immer noch größerer Vorsicht und Sorgfalt als der Ankauf eines anderen Reitpferdes, zumal auch auf ein gefälliges edles Äußere hier ganz besonderer Wert zu legen ist.
Sind hiermit einige der beachtenswertesten Anforderungen für das Damenpferd skizziert, so ist doch notwendig, noch etwas intimer auf einige Punkte aufmerksam zu machen, welche mit dem Sitz der Dame und der Sattellage zusammenhängen.
Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß das Damenpferd infolge des Seitsitzes der Dame bezw. der mehr oder weniger praktischen Form des Sattels leicht gedrückt werden könne, und daß diese Satteldrücke, besonders am Widerrist, das Pferd nicht nur zeitweise unbrauchbar machen, sondern demselben unter Umständen auch geradezu gefährlich werden können. Es muß also alles geschehen, um dergleichen Satteldrücke zu vermeiden, und in bezug darauf seien einige Gesichtspunkte angeführt, welche bei der Wahl des Damenpferdes ebenfalls Beachtung zu finden haben.
Wenn schon die beste Reiterin es nicht wagen darf, jedes beliebige Pferd zu reiten, weil zu verschiedene Umstände dabei mitsprechen, die bei der Herrenreiterei nicht so schwer ins Gewicht fallen, so wird bei der angehenden Reiterin die Auswahl des Pferdes immer schwieriger. Obgleich der Damensattel einen sehr festen Sitz gestattet, so wird sich doch selbst die beste Reiterin immer ein wenig nach vorn beugen und verfügt daher nicht über die gleiche Bewegungsfähigkeit wie der Reiter.
Ein Pferd mit kurzem Hals und schlechter Sattellage – d. h. wenn der Sattel zu sehr nach vorn liegt oder rutscht – ist für eine Dame ungeeignet. Ein Damenpferd muß schräge, lang abfallende Schultern, also eine gute Vorhand haben, und sich gut bezäumen. Ein Mann kann einen Sterngucker reiten, eine Dame kommt fast ausnahmslos früher oder später damit zu Schaden. Da die Damen sehr hoch im Sattel sitzen, können sie die Arme nicht in rechten Winkel gegen den Widerrist bringen wie die Herren. Pferde mit sehr hohem, magerem Widerrist werden unfehlbar vom Sattel durchgedrückt. Manche Pferde drücken sich im Damensattel durch, soviel Mühe man sich auch geben mag, während sie im Herrensattel ohne jede Verletzung gehen. Ein überbautes Pferd, bei welchem also die Kruppe höher liegt als der Widerrist, taugt ebenfalls nicht für die Dame, weil der Sattel nach vorn rutscht – eine Eigenschaft, die an und für sich sehr schwer abgestellt werden kann, da das Gewicht der Reiterin mehr oder weniger – je nach der Reitkunst der Dame – mehr nach jener Seite hin neigt, an welcher sich die Beine befinden. Wie gesagt, ein Gegenmittel dagegen gibt es nicht, denn der Herr hält – korrekten Sitz vorausgesetzt – den Sattel durch den Kniedruck einigermaßen im Gleichgewicht. Man kann sich auch davon überzeugen, daß ein lose gegurteter Damensattel sogar bis zum Bauche herumrutscht, während ein Herrensattel immer nur etwas seitwärts gleitet. Bei einem Damensattel liegt der Baum nicht so dicht auf dem Rücken wie beim Herrensattel. Dazu steht der Sattelknopf beim Damensattel höher, und wenn die Dame mit dem rechten Knie über dem Horn sitzt, befindet sie sich eben viel höher über dem Rücken des Pferdes wie beim Herrensattel. Es ist daher nötig, daß das Damenpferd einen breiten Rücken hat, denn auf einem flach gerippten Pferde wird der Sattel hin- und herrutschen. Der Rücken des Damenpferdes muß aber auch lang sein, weil es der Hörner wegen wünschenswert ist, den Baum recht lang zu haben. Ein kurzer Sattel wird der Reiterin zur Qual, und ein langer Baum erfordert einen langen Pferderücken. Näheres über den Sattel siehe in dem betreffenden Kapitel.
Wenn man alle diese Gesichtspunkte bei der Wahl eines Damenpferdes berücksichtigen will, so wird man die Erfahrung machen, daß das geeignete Pferd nicht in jedem Stalle zu finden ist, und daß der Auftrag, ein Damenpferd zu besorgen, zwar sehr ehrenvoll, aber recht verantwortungsreich sein dürfte.
Ich würde es bedauern, wenn eine Dame, welche es mit der Reiterei ernst nimmt, dieses Kapitel überschlagen würde. Wie ein Pferd unter dem Sattel geht, ob es leicht an der Hand steht, ob es unartig ist, ob es sich auf die Zügel lehnt oder gar Neigung zum Durchgehen zeigt, hängt vielfach auch von richtiger oder falscher Zäumung ab. Und eine wirkliche Reiterin sollte sich in dieser Beziehung, d. h. ob ihr Pferd richtig gezäumt ist, nicht von dem Urteil anderer abhängig machen, sondern selbst in der Lage sein, das beurteilen zu können.
Ich will versuchen, mich bei den dafür notwendigen Erklärungen möglichst kurz zu fassen, um die Leserin nicht zu ermüden.
Die Trense ist das einfachste, aus zwei Ballenstücken, die beweglich miteinander verbunden sind, und den beiden zur Aufnahme der Ballenstücke und der Zügel dienenden Trensenringen bestehende Gebiß. Die Trense wirkt direkt auf die Laden des Pferdes, während die Kandare indirekt, d. h. hebelartig auf dieselben wirkt. Die einfache Trense dient zur Dressur des Pferdes und wird von der Dame nur als Unterlegetrense zusammen mit der Kandare angewendet. Im allgemeinen wird die Unterlegetrense von der Dame nur gebraucht, um das Maul des Pferdes aufzufrischen, wenn es lange und fest am Kandarenzügel gestanden hat.
Fig. 7. | Fig. 8. | |
Kandare von vorn und von der Seite gesehen. |
Zum Verständnis der technischen Ausdrücke in dem nachstehenden Abschnitt gebe ich, bevor ich fortfahre, die Zeichnung einer Kandare mit ihren Benennungen, von vorn und von der Seite gesehen (Fig. 7 und 8).
a) | Die Oberbäume | } | zusammen die Stangen oder Scheren genannt. |
b) | Die Unterbäume | ||
c) | Das Mundstück. | ||
d) | Die Ballen. | ||
e) | Der Galgen. | ||
f) | Das Stuhlloch oder Auge (für das Kopfgestell). | ||
g) | Die Zügelringe. | ||
h) | Die Zungenfreiheit. |
Wir gehen von dem Hauptgrundsatz aus, daß ein Pferd, je weniger es im Maule belästigt wird, um so angenehmer geht, und daß ein großer Teil seiner Fehler und Unarten, sei es unter dem Reiter oder der Reiterin, aus der Anwendung einer falschen Zäumung entsteht, und aus diesem Grunde ist besonders für Anfänger die Anwendung einer leichten, relativ schmerzfrei wirkenden Zäumung nur zu empfehlen.
Man spricht von weichem und von hartem Maul, es bedarf dies der Erklärung. Das eine oder das andere hängt vormalerst von der führenden Hand ab, indem in weicher Hand von vornherein fast jedes Pferd weichmäulig, wenn auch in fester Hand nicht jedes Pferd hartmäulig sein wird. Des ferneren ist ein weiches oder ein hartes Maul vom Bau der Zunge und der Laden abhängig. Wenn ein Pferd eine dünne Zunge und sehr scharfe, mit wenig Fleisch bedeckte Laden hat, so wird jeder Druck darauf naturgemäß schärfer wirken, als bei einem Pferde, bei dem eine dickere Zunge den Druck des Zügelanzugs teilweise auffängt und dessen Laden außerdem stumpfer, flacher oder mit mehr Fleisch bedeckt sind oder dessen Lefzen in das Maul hineinragen und die Laden mit bedecken helfen. In die Praxis übertragen, wäre also jedes Pferd, welches geringster Zügelhilfe willig nachgibt, weichmäulig, jedes andere, bei dem man mehr Kraftaufwand braucht, hartmäulig, – ein Umstand, zu welchem auch die Dressur, welche das Pferd empfangen hat, sowie sein mehr oder weniger fehlerhafter Bau wesentlich mit beitragen.
Die Faktoren, welche bei Beschaffung der Zäumung für ein Pferd zur Sprache kommen, sind demnach:
1. die Hand der Reiterin,
2. der Bau des Pferdemaules bezw. seine Sensibilität,
3. der Bau und die Dressur des Pferdes.
Von dem Bau des Pferdemaules kann man sich leicht überzeugen, wenn man dem Pferde das Maul öffnen läßt, die Zunge betrachtet und den Bau der Laden befühlt. Ist die Dame nicht sicher genug, um diese Untersuchung selbst vorzunehmen, so frage sie ihren Instruktor.
Auch pflegen Pferde, welche entweder mit schwacher Hinterhand behaftet sind oder nicht im Gleichgewicht stehen, ihr Gewicht auf die Vorderhand zu verlegen und gleichsam ihren Stützpunkt auf das Gebiß bezw. die Zügelfaust zu nehmen. Daß derartige Pferde hartmäulig erscheinen, liegt auf der Hand.
Was versteht man nun unter scharfer und leichter Zäumung? Die leichteste Zäumung stellt, wie schon angeführt, die Trense dar, weil die Wirkung des Zügels ohne Hilfe eines Hebels direkt auf die Lade geht; da die Trense aber für den Gebrauch der Dame nicht handlich genug ist, weil sie sich mit der linken Hand allein nur unbequem führen läßt, so bedient man sich der Kandare, welche einen beizäumend wirkenden, einarmigen Hebel darstellt. Ein richtig im Halse gestelltes und gezäumtes Pferd pariert auf die Hilfe des Reiters demnach in beigezäumter Stellung, d. h. mit aufgerichtetem Halse, die Stirn annähernd senkrecht zu Boden.
Fig. 9.
Zur Kandarenwirkung.
Die Kandare hat nachstehend beschriebene mechanische Wirkung (Fig. 9): Den Ruhepunkt des Hebels bildet das Auge (b), welcher durch die Kinnkette (d b) fixiert wird, weshalb man die letztere den Fixator der Kandare nennt. Das Mundstück (a) ist der Druckpunkt, der die Last anhebt, und in c liegt die Kraft, welche dorthin durch die Zügel von der Faust des Reiters aus geleitet wird. Der Oberbaum (a b) ist der kurze, der Unterbaum (a c) der lange Hebelarm. Der Unterkiefer (f) ist die zu bewegende Last, und in d liegt der Stützpunkt. Die größere oder geringere Wirkung liegt demnach in dem Verhältnis des Unterbaumes zum Oberbaum, also in der größeren oder geringeren Länge des ersteren, soweit nur die Hebelwirkung in Betracht gezogen werden kann. Eine fernere Verschärfung der Wirkung liegt nämlich in der Form des Mundstücks und der Kinnkette, weil dieselben nicht nur Druck- und Stützpunkt bilden, sondern schmerzhaft auf die sehr empfindungsreichen Teile des Pferdemauls, auf denen sie ruhen, wirken. Wir werden später noch einmal auf diesen Punkt zurückzukommen haben.
Wenn beide Hebelarme gleich lang gemacht werden, so hat man nur eine indirekte Trensenwirkung. Wenn man den oberen Hebelarm ganz kurz macht und den unteren unverhältnismäßig lang, so entsteht ebenfalls ein Mißverhältnis. Der obere Hebelarm gibt demnach immer das Verhältnis für die Länge des unteren, welcher ersterer wieder die Höhe des Unterkiefers haben muß, wenn die Kandare nicht durchfallen soll, und da dieser gewöhnlich 5 cm hoch ist, so wird die Länge des Oberbaumes – bis zum Kinnkettenhaken gerechnet – ebensoviel betragen müssen. Bei den meisten Kandaren (z. B. bei der Kavallerie) ist das Verhältnis des Oberbaumes zum Unterbaum 1 : 2, was schon ziemlich scharf wirkt.
Fig. 10. | Fig. 11. | Fig. 12. |
Strotzende | Durchfallende | Richtig liegende Kandare. |
Das unrichtige Einlegen der Kinnkette in bezug auf ihre Länge gibt Veranlassung zu zwei Hauptfehlern, nämlich dem Strotzen und dem Durchfallen der Kandare. In ersterem Falle, wo die Kinnkette zu fest eingelegt ist, bleibt die Kandare beim Zügelanzug parallel mit der Maulspalte stehen, wodurch ihre Wirkung zu scharf und unvermittelt das Pferdemaul beeinflußt und daher das Pferd schwer belästigt wird (Fig. 10). Der Zügelwinkel (b) wird sehr spitz und um so spitzer, je höher das Pferd die Nase nimmt. Eine ebenfalls falsche Wirkung findet im anderen Falle statt, wenn die Kandare durchfällt (Fig. 11). Dies tritt ein, wenn entweder die Kinnkette zu locker eingelegt ist oder der Oberbaum nicht im richtigen Verhältnis zur Höhe der Laden steht, – zu kurz ist. Hierbei geht der Unterbaum beim Zügelanzug so weit zurück, daß der Zügelwinkel (b) sehr stumpf wird, wodurch die Hebelwirkung ganz verloren geht, da der Druck des Mundstücks nicht mehr gegen den Unterkiefer, sondern gegen den Maulwinkel wirkt, infolgedessen das Pferd nur gebremst und ihm das Kinn einfach abgequetscht wird. Richtig gezäumt ist das Pferd, wenn beim Zügelanzug die Kandare mit der Maulspalte einen Winkel von 30 bis 35 Grad bildet, denn nur dadurch wird die Kandare in das rechte Verhältnis zur Faust gesetzt, daß der entstehende Zügelwinkel (b) ein rechter Winkel ist, der als Norm für eine korrekte Zäumung dient (Fig. 12). Beim Nachgeben fällt die Kandare wieder in ihre ursprüngliche Lage, parallel zur Maulspalte, zurück. Der Hauptfehler der Zäumung mit der Kinnkette ist der, daß sich Druck- und Stützpunkt des Hebels gegenüberliegen, wodurch sie für das Pferd zu einer Eisenpresse der stärksten Art wird, welcher es, nicht auf Grund der oben angeführten mangelhaften Hebelwirkung, sondern infolge des unerträglichen Schmerzes, der ihm durch das Einklemmen des Kinnes zwischen Mundstück und Kinnkette bereitet wird, schließlich gehorcht, – manchmal aber auch nicht.
Es beruht danach der Unterschied zwischen einer scharfen oder leichten Zäumung:
1. In dem Verhältnis des Oberbaumes zum Unterbaum.
2. In der Konstruktion des Mundstücks.
3. In der Wirkung der länger oder kürzer eingelegten, breiteren oder schmaleren Kinnkette. Je schmaler diese ist, um so mehr schneidet sie in die Kinnkettengrube ein, dieselbe wund machend, so daß zu dem Schmerz im Maul des Pferdes auch noch dieser äußere kommt, der ihm unbeabsichtigt bereitet wird und den man deshalb mit der »falschen Wirkung der Kinnkette« bezeichnet. Je kürzer diese liegt, um so direkter wird jeder Anzug der Zügel auf die Laden wirken. Es ist deshalb anzuraten, eine breite doppelte Panzerkette zu wählen, solche eventuell auch noch mit Leder oder Gummi auszupolstern und darauf zu achten, daß dieselbe, gut eingedreht, so locker liegt, daß man bei nicht angezogenen Zügeln drei Finger hinter dieselbe durchstecken kann, ohne daß dabei der Oberbaum zurückgezogen wird. – Ich habe die Kinnkette zuerst besprochen, um ein für allemal damit fertig zu sein. Mich befriedigt ihre Wirkung nicht, sie ist und bleibt in der Hand nicht firmer Reiter oder Reiterinnen, besonders solcher, welche sich am Zügel festhalten wollen, ein Marterinstrument.
Die Form des Unterbaums ist ganz gleichgültig in bezug auf die Wirkung, sei derselbe nun gerade, nach vorwärts oder rückwärts gebogen, sobald der Endpunkt, also der Zügelring, wieder in die Richtung des Oberbaums, in die Perpendikularlinie fällt.
Ein Richten des Unterbaums vor oder hinter die Perpendikularlinie würde nur bei gewissen Halsbildungen die Dressur unterstützen können, doch würde es zu weit führen, dies hier ausführlich zu erörtern.
Fig. 13. Richtig auf dem Unterkiefer ruhende Kandare. | Fig. 14. Unterkiefer-Durchschnitt mit Kandare. |
Wir kommen damit zur Besprechung der Konstruktion des Mundstücks. Unter Zugrundelegung meines Grundsatzes, daß die Laden des Pferdes bei nicht ganz tadelloser Zügelführung möglichst vor unmotivierter Schmerzerzeugung zu schützen sind, bildet die Zunge selbst ein Mittel, dieselben vor zu heftigem Druck der Kandare zu schützen. Fleischig, knochenlos, nicht zu empfindlich, ruht die Zunge in dem durch die Laden gebildeten Zungenkanal, denselben zu beiden Seiten überragend, und kann sich infolge ihrer Beweglichkeit beim Nachlassen der Zügel leicht von der Impression des Gebisses und der teilweise gehemmten Blutzirkulation erholen; sie bildet somit gleichsam ein Polster für die Laden gegen den Druck des Mundstücks. Man kann sich die Verschiedenheit der Wirkung auf Laden oder Zunge leicht dadurch zur Anschauung bringen, daß man sich z. B. mit einem Stock fest auf den Oberschenkel und dann auf das Schienbein drückt. Die Knochen, die den Unterkiefer bilden, haben eine ebenso scharfe obere Kante, wie das Schienbein, weshalb sich die Reiterin den Schmerz des Pferdes daselbst bei starkem Zügelanzug einigermaßen vergegenwärtigen kann. Das erste Erfordernis für das Mundstück wäre demnach der Fortfall der Zungenfreiheit. In diese soll sich der Theorie nach beim Zügelanzug die Zunge hineinpressen, damit der Druck der Ballen direkt auf die Laden geht. Daß dies aber unmöglich ist und außerdem auch noch zu anderen Unzuträglichkeiten führt, werden wir gleich sehen. Der Zungenkanal des Reitpferdes ist 2-2½ cm breit, die Zunge 4-5 cm. Wie wir an den Fig. 13 und 14 sehen können, welche erstere eine richtig im Maul auf dem Unterkiefer liegende Kandare darstellt (die innere punktierte Linie ist die Zunge), die andere den Durchschnitt eines Unterkiefers mit darauf ruhender Kandare darstellt, würde dieselbe nur richtig im Maul liegen, wenn die Ballen auf den Kanten der Laden ruhen. Die Zungenfreiheit darf daher nicht so breit sein, daß sie über die Laden hinübergreift, wie es in Wirklichkeit so oft vorkommt, da dadurch ein sehr schmerzhafter meist einseitiger Druck durch die Winkel der Zungenfreiheit auf die Laden erzeugt wird; die Zungenfreiheit muß demnach mindestens 1 cm schmäler sein, als der Zungenkanal, nach den angegebenen Maßen also 1-1½ cm betragen. Wie soll sich nun die 4-5 cm breite Zunge da hineinpressen können? Das wird als Beweis genügen, daß die Zungenfreiheit ein Unding und zu beseitigen ist, abgesehen davon, daß sie, wie bereits angeführt, bei den so oft vorkommenden Verschiebungen einseitig drückt, also erst recht falsch wirkt. Das Mundstück wird nur richtig wirken, wenn es dem Bau des Maules gemäß eine geringe Biegung nach oben und vorwärts und in der Mitte eine Einsenkung für die Zunge hat (Fig. 15). Die Ballen müssen dabei recht stark und inwendig hohl sein, damit sie, gleichzeitig spezifisch leicht, möglichst viel Fläche auf die Laden bringen. Das Gegenteil davon, ein dünnes Mundstück mit Zungenfreiheit, eventuell noch mit einer scharfen Kante versehen, würde eine sehr scharfe Zäumung darstellen. Ist es nötig, die Zäumung zu verschärfen, so geschehe es durch Vermehrung der Hebelwirkung, also durch Verlängerung der Unterbäume, aber nicht durch eine Steigerung des Schmerzes im Maul. Ein schmerzhaft gezäumtes Pferd kann nur durch eine vortreffliche Reiterin geritten werden.
Fig. 15. Kandare mit Stahlrohr-Mundstück. |
Fig. 16. Der Pelham. |
Das Mundstück muß so breit sein, daß es von jeder Seite des Maules ca. ½ cm heraustritt und die Lefzen nicht zusammendrückt.
Schließlich gibt es noch gebrochene und doppelt gebrochene Mundstücke, welche die Schärfe der festen Mundstücke aufheben oder wenigstens mildern sollen. Ich liebe sie nicht, weil der Druckpunkt, auf welchem der ganze Mechanismus basiert, erschüttert ist. Des ferneren soll die Zunge dadurch entlastet werden, dafür kneifen aber die Ballen im Verein mit der Kinnkette um so mehr um das Kinn herum, und schließlich wollen wir die Zunge ja gar nicht entlasten. Man nennt ein solches Mundstück, an dem sich gewöhnliche Stangen befinden, eine gebrochene Kandare; befindet sich an demselben in der Höhe des Mundstückes noch ein großer Ring zum Einschnallen des Trensenzügels, einen Pelham (Fig. 16), welcher ohne Unterlegetrense geritten wird.
Bei einer Kandare, die für die meisten Pferdemäuler und die meisten Fäuste passen soll, ist die Starrheit der Zäumung zu vermeiden, damit das Pferd möglichst viel Freiheit genießt und mit dem Gebiß spielen kann, weil es dadurch ein frisches Maul behält. Diesem Zwecke dient ein locker sitzender Ring statt des Stuhlloches, wie ihn z. B. die Schreckensteinsche Kandare führt.
Zum Einhängen der Kinnkette bediene man sich der von Troschkeschen Kinnkettenhaken, die so gerichtet sind, daß die Unterlegetrense sich nicht in dieselben einhaken kann, was bei den sogenannten Federhaken öfters vorkommt.
Das Maßnehmen für die Kandare geschieht folgendermaßen:
Man hält ein etwa 15 Zoll langes Stäbchen an den Punkten, wo das Mundstück aufliegen muß, über die Zunge, faßt die Enden desselben mit den geschlossenen Fäusten und aufwärts gestreckten Zeigefingern und rückt mit beiden Händen auf demselben bis an die Lefzen des Pferdes, dieselben leicht berührend, vor. Dann nimmt man das Stäbchen aus dem Maul und läßt die so mit den Fingern markierte Maulbreite an demselben durch Einschnitte bezeichnen.
Zur Messung der Ladenhöhe stellt man sich, das Stäbchen mit der linken Faust haltend, an die linke Seite des Pferdes, gibt den Zeigefinger der Kinnkettengrube gegenüber unter die Zunge auf die Laden und bringt den gestreckten rechten Zeigefinger parallel zum linken in die Kinnkettengrube. Ihre Entfernung ergibt genau die Ladenhöhe, welche gleichfalls auf dem Stäbchen zu bezeichnen ist. Nach diesen beiden Maßen werden alle Teile der Kandare bemessen; die Breite des Maules gibt die Weite der Kandare oder Breite des Mundstückes, die Ladenhöhe die Höhe des Oberbaumes.
Endlich ist noch anzuführen, daß die Tiefe der Spaltöffnung des Pferdemaules auch verschieden zu sein pflegt, was mit bezug auf die Lage der Kandare im Pferdemaul zu berücksichtigen ist.
Die Unterlegetrense kann zwar die Lefzenwinkel berühren, soll sie aber nicht in die Höhe ziehen und muß ebenfalls eine der Breite des Mauls angepaßte Länge haben. Die Kandare liegt im allgemeinen einen Daumen breit über dem Hakenzahn, oder besser, da Stuten einen solchen nicht besitzen, der tiefsten Einsenkung der Kinnkettengrube gegenüber. Da nun die Trensenringe dicht über dem Mundstück aus dem Maul heraustreten sollen, hat man dadurch auch einen gewissen Anhalt für höhere oder tiefere Zäumung. Wenn ein Pferd eine kurze Maulspalte besitzt, so wird die Kandare ungefähr 2-2½ cm über den Hakenzahn zu liegen kommen, bei Pferden mit tiefer Maulspalte bis 3 cm – doch kann man diese auch tiefer zäumen. Pferde, welche mit der Nase sehr tief gehen, zäumt man höher, solche, welche mit derselben sehr hoch oder herausgehen, tiefer. Oberbäume, welche länger als 4½ cm sind, müssen etwas nach außen gerichtet sein, damit sie das Pferd seitlich nicht drücken.
Für die Praxis des Zäumens wäre unter Zugrundelegung des darüber Gesagten noch folgendes anzuführen: Hartmäulige Pferde soll man versuchen, mit leichterer Hand und leichterer Zäumung zu reiten und sich dabei nicht vor dem Durchgehen fürchten. Ein kauendes, leicht an der Hand stehendes Pferd wird nicht durchgehen, denn es ist gehorsam. Das Zungenstrecken oder Bläken ist eine sehr häßlich aussehende Angewohnheit, die wohl darin ihre Erklärung findet, daß die Muskeln der Zunge durch zu starken Druck des Gebisses eine gewisse Nervenlähmung erfahren haben, die bei erneutem Druck wieder eintritt. Man hat verschiedene Versuche zur Hebung des Übels durch Anbringung von Platten oder Spielwerken am Gebiß gemacht, doch dürften eine leichte Hand und eine zweckmäßige Zäumung das sicherste Mittel dagegen sein. Für Pferde, welche sehr tot im Maul sind, ist das v. Rueffsche galvanische Mundstück, welches durch Säurebildung zum Kauen reizt, oder das v. Kleistsche Porengebiß – mit Salz gefüllt – zu empfehlen.
Weichmäulige Pferde sind recht leicht zu zäumen. Man reite dieselben mit dem Stahlrohrmundstück, das Verhältnis des Oberbaums zum Unterbaum, höchstens 1 : 2. Bei Pferden, welche sich dem Gebiß entziehen, die Nase sehr tief stellen und hinter die Zügel kriechen, nehme man den Oberbaum ein wenig höher und den Unterbaum ein wenig kürzer, das zäumt hoch und herbei. Pferde, die die Nase strecken und den Kopf hoch tragen, kann man mit längerem Unterbaum tief zäumen, um dadurch die Nase herab zu bekommen.
Das Kopfzeug des Damenpferdes weicht in der Form nicht von dem Zivilkopfzeug des Herrenpferdes ab. Es besteht aus dem ledernen Hauptgestell, den Zügeln und den beiden Gebissen der Kandare und der Unterlegetrense.
Fig. 17.
Das Kopfzeug des Damenpferdes.
Das an der Kandare befindliche Lederzeug (Hauptgestell, Fig. 17) besteht aus dem Genickstück a, dem Stirnriemen b, den beiden Kandarenbackenstücken c, den beiden Unterlegetrensenbackenstücken d, dem Kehlriemen e, dem Nasenriemen f, dem Kandarenzügel h und dem Trensenzügel l. An diesem Hauptgestell sind befestigt die Kandare g mit der Kinnkette i und die Unterlegetrense k. Die Lage des Mundstücks im Maul ist, es sei das hier noch einmal wiederholt, genau gegenüber der tiefsten Stelle der Kinnkettengrube, bei Hengsten und Wallachen, die einen Hakenzahn besitzen, etwa einen Daumen breit über demselben. Die Kinnkette, richtig eingedreht und so befestigt, daß das Trensenmundstück von derselben mit eingeschlossen wird, soll so lang eingehakt werden, daß man bei paralleler Stellung der Stangen mit der Maulspalte drei Finger bequem zwischen Kette und Unterkiefer hindurchstecken kann. Eine bessere Marke dafür gibt der angezogene Zügel nach der Richtung der Reiterfaust. Danach soll die Kandare mit der Maulspalte einen Winkel von 30-35° (vergl. Fig. 12, a) und zum Zügel einen solchen von 90° (dies. Fig., b) bilden, denn nur so kann die Kandare richtig auf den Unterkiefer einwirken, das Pferd richtige Anlehnung darauf nehmen.
Ist der Oberbau der Kandare höher als die Ladengräte des Pferdes – gewöhnlich beträgt diese Höhe 4½ cm – so steigt die Kinnkette aus der Grube auf die höher gelegenen Knochenpartien und drückt dort. Der Kehlriemen ist locker einzuschnallen, damit er nicht kneift und die Atmung behindert. Der Nasenriemen, falls ein solcher überhaupt geführt wird, soll so angezogen werden, daß man auf der Nase bei geschlossenem Maul bequem drei Finger durchstecken kann.
Für Damen pflegt man das Zaumzeug, meist von hellem naturfarbigen Leder, etwas schmaler zu nehmen, wie das der Herren ist. Es empfiehlt sich das aber nicht, weil breitere Zügel gegen ev. Durchrutschen mehr Sicherheit bieten wie Leder, welches nur 1 oder 1½ cm breit ist. Öfter nimmt man auch statt des Leders einen aus farbiger Wollenschnur angefertigten, sogenannten arabischen Zaum, oder auch einen solchen aus geflochtenem Leder, – jedenfalls bleibt der einfache englische Zaum immer der vornehmste, wenn er folgendermaßen konstruiert ist: Die Farben des Sattels und des Zaumes müssen möglichst übereinstimmen. Es kommt das auf eine gute Pflege beider an. Die silbernen (ja nicht mit Leder überzogenen) Schnallen des Kehlriemens und des Kandarenbackenstücks liegen auf der linken Seite des Kopfes, rechts die des Kandarenbackenstücks und des Trensenbackenstücks. Am vornehmsten sind die Kopfzeuge, bei denen die Kandare nicht eingeschnallt, sondern in das (offene) Auge der Kandare eingehakt wird, während die Trense eingenäht wird. Der Reinigung wegen ist das letztere aber nicht besonders praktisch.
Bei dem sogenannten Parkzaum fehlen die Unterlegetrense und die Trensenzügel.
Schoenbeck-Kandare. Eine von mir konstruierte und bereits ziemlich verbreitete Kandare (Fig. 18), welche für die meisten Pferde paßt, daher ein angenehmes Reiten auch für im Maul sensible Pferde garantiert, oder solche, welche hinter die Zügel kriechen, mit dem Kopf schlagen, mit der Zunge bläken, dieselbe über das Gebiß nehmen usw., möchte ich nicht unerwähnt lassen. Die Konstruktion dieser Kandare basiert auf nachstehenden Erwägungen:
Die von mir beanstandeten Fehler der Kinnkettenzäumung sind folgende: 1. Druck- und Stützpunkt (Gebiß und Kinnkette) liegen sich gegenüber, wodurch eine Eisenpresse schärfster Art hergestellt wird, welche geeignet ist, die Laden zu zerbrechen und zu zerquetschen. 2. Diese Eigenschaft macht sie für die Hände mittelmäßiger Reiter ungeeignet. 3. Die Verpassung derselben bezw. das Suchen nach dem richtigen für Pferd und Hand passenden Gebiß ist zu schwierig. 4. Der Oberbaum wird in seiner reinen Wirkung als kurzer Hebelarm durch das Hauptgestell gehemmt, in welches er eingeschnallt wird, wodurch wiederum die Lage des Mundstückes im Maul eine unruhige wird. 5. Es ist für einen mittelmäßigen Reiter bezw. Reiterin, auch für deren Stalldiener, schwer, die Kinnkette genau so einzuhängen, daß die Kandare weder strotzt noch durchfällt, besonders da diesem so wichtigen Punkt meist wenig Beachtung geschenkt wird. Um die Konstruktionsfehler der Kinnkettenzäumung abzustellen, habe ich die genannte Kandare konstruiert, welche vom Königlichen Militär-Reitinstitut, sowie von einigen dazu bestimmten Kavallerie-Regimentern eine längere Zeit in Probe genommen, lobende Beurteilung erfahren hatte, und durch kriegsm. Verfügung bei der Armee in Gebrauch genommen werden darf.
Fig. 18.
Die Schoenbeck-
Kandare.
Die Grundsätze, welche bei der Konstruktion dieser Kandare in die Erscheinung traten, sind folgende:
1. Eine genügend kräftige Hebelwirkung auf das Maul des Pferdes.
2. Beseitigung jeder unnötigen Belästigung bezw. Schmerzes im und am Maul des Pferdes, wie es bei Anwendung eines scharfen Gebisses in Verbindung mit der Kinnkette und besonders bei Führung durch eine schwere Faust meist der Fall ist. Graf Münster war der erste, welcher den Mut hatte, es auszusprechen, daß Kinnkette und Gebiß in Konkurrenz treten, um den Unterkiefer in einer eisernen Presse zu zermalmen, demnach dem Pferde innerhalb und außerhalb des Maules den wütendsten Schmerz zu bereiten, – und daß hierin hauptsächlich der Grund des Widerstandes des Pferdes gegen das Gebiß, vieler Unarten desselben und so vieler beschädigten Mäuler, gedrückter und gebrochener Laden usw. zu suchen sein dürfte.
An der von mir zur Hebung der oben angeführten Mängel zusammengesetzten Kandare ersetze ich vorerst die Kinnkette durch einen verschnallbaren Lederriemen, welcher durch zwei an der Spitze des Oberbaumes befindliche Stahlösen in annähernd rechtwinkliger Stellung zu der Stange erhalten wird. Hierdurch wird 1. eine reinere Hebelwirkung auf den Unterkiefer erzielt, 2. der Hauptstützpunkt des Hebels von der schwächsten Stelle, der Kinnkettengrube, höher, auf eine kräftigere Knochenlage verlegt, die ihm mehr Halt bietet, 3. die quetschende Wirkung der Kandare aufgehoben, da nur die faktische Hebelwirkung in Kraft tritt, 4. ein Klemmen der Lefzenwinkel, ein Durchscheuern unter dem Riemen, wie solches öfter bei der Kinnkette in der Grube vorkommt, vermindert, 5. ein Steigen der Kinnkette, 6. ein Durchfallen der Kandare unmöglich gemacht, 7. die sogenannte falsche Wirkung der Kinnkette auf die Grube fortgeschafft, 8. endlich kann die Kandare, einmal richtig verpaßt, kaum falsch aufgelegt werden, da weder beim Ab- noch beim Aufzäumen der Kinnriemen gelöst zu werden braucht, weshalb das Aufzäumen so schnell und leicht wie möglich erfolgen kann.
Des ferneren ist der Tragering des Oberbaumes an der Spitze desselben fortgefallen und durch einen beweglichen Ring an den Zapfenflächen des Mundstücks ersetzt. Der Oberbaum dient daher nur als kurzer Arm des Hebels, wodurch die Hebelwirkung in präzisester Weise zum Ausdruck gelangt.
Als Mundstück habe ich das bereits beschriebene Stahlrohrgebiß ohne Zungenfreiheit gewählt, weil bei demselben Zunge und Laden zum Tragen desselben gleichmäßig in Aktion treten.
Der Oberbaum ist, dem leitenden Prinzip entsprechend, etwas länger geworden und etwas auswärts gebogen, um nicht zu drücken.
Die Unterlegetrense, welche außerhalb des Kinnriemens liegen muß, besteht nicht aus zwei, sondern aus drei Teilen, einem Zungenstück und zwei Ballenstücken, welche letztere etwas gewinkelt sind. Eine solche Trense kommt nicht unter das Kandarenmundstück, sie drückt und kneift nicht, ist auch keiner Veränderung ausgesetzt, daher für den Gebrauch neben der Kandare praktischer als die zweiteilige Trense.
Das Verpassen der Kandare hat sich nur auf die Breite des Mundstücks, die Länge der Scheren und das Einschnallen des Kinnriemens zu erstrecken, ist also recht einfach. Die Brauchbarkeit dieser Kandare dürfte bei Pferden, die noch nicht mit der Kinnkette gezäumt waren, hauptsächlich in die Augen springen.
Fig. 19.
Hauptgestell der Schoenbeck-Kandare.
Über das zu wählende Verhältnis des Oberbaumes zum Unterbaum habe ich noch anzuführen, daß der Oberbaum stets 8 cm lang ist und daß die Kandare in dem Verhältnis von 2 : 3 und 4 : 5 angefertigt wird. Ersteres wird für die größere Anzahl von Pferden ohne besondere Eigentümlichkeiten genügen, letzteres wird bei sehr leicht am Zügel stehenden bezw. bei solchen Pferden, die hinter die Zügel kriechen und dabei den Kopf tief nehmen, seine Anwendung finden müssen. Das zu dieser Kandare besonders konstruierte Hauptgestell (Fig. 19) weicht in einzelnen Teilen etwas von dem gebräuchlichen ab. Es ist gleichzeitig mit einer Halfter in Verbindung gesetzt, in deren Ringen die Trense eingehakt ist. Wenn man die Knöpfe des Stirnriemens löst, so kann man die Kandare vom Kopfe herunternehmen, so daß nur die Halfter oben bleibt. Beim Aufzäumen hat man zu beachten, daß die Unterlegetrense außerhalb des Kinnriemens zu liegen kommt. Das Zeug ist komplett oder in einzelnen Teilen durch den »Offizier-Pferde-Verein«, Charlottenburg, Fasanenstraße 24, oder auch von August Loh Söhne, A.-G. für Militärausrüstungen, Berlin, Wilhelmstraße 22, zu beziehen.
Fig. 20.
Schoenbeck'scher Maulregenerator.
Da ich fand, daß diese Kandare oft die Unterlegetrense ganz entbehrlich machte, so habe ich auch ein Gebiß konstruiert, welches ohne eine solche zu benutzen ist, statt dessen aber à la Pelham Ringe zur Aufnahme der Trensenzügel führt. Auch dieses Gebiß, Maulregenerator genannt, hat sich bewährt und wird bei gut gerittenen Pferden besonders zu Jagd und bei Damenpferden verwendet (Fig. 20). Das Kopfgestell desselben ist das der einfachen Trense, also mit einem Backenstück.
Endlich möchte ich mir noch die Bemerkung gestatten, daß diese Kandare auch nicht Wunder zu wirken vermag. Wenn man sie einem Pferde mit verrissenem, vernarbtem Maule auflegt, welches stets unter schärfster Zäumung gemartert ist, so verlange man nicht, daß dasselbe vom ersten Tage an nun wie umgewandelt gehen soll, obwohl selbst bei solchen Tieren gute Resultate erzielt worden sind. Wenn man aber junge Pferde von vornherein daran gewöhnt, so werden sie ein frisches Maul behalten und überhaupt nicht in Untugenden verfallen, deren Grund in falscher und zu scharfer Zäumung zu suchen und deren Behebung meist so sehr schwer ist. –
Es ist schon mehrfach darauf hingewiesen worden, welche besonders wichtige Rolle der Sattel bei der Damenreiterei spielt. Nur der vorzüglichst konstruierte ist gerade gut genug, wenn Beschädigungen des Rückens der Pferde vermieden werden sollen. Es wird deshalb sich als nützlich erweisen, auf die maßgebenden Gesichtspunkte bei der Wahl des Damensattels etwas näher einzugehen.
Fig. 21. | Fig. 22. |
Fig. 23. | Fig. 24. |
Fig. 25. | Fig. 26. | |
Alte Damensättel. |
Um zu zeigen, welche Veränderungen der Damensattel im Laufe der Jahrhunderte durchgemacht hat, bringe ich in Abbildungen einige alte Modelle (Fig. 21-26) nach Zeichnungen vom Maler M. Veit, welche in ihrer Deutlichkeit einen Vergleich ermöglichen, während Fig. 27 einen modernen Damensattel zeigt. Die größte Veränderung, welcher der Damensattel vor etwa 50 Jahren unterzogen wurde, ist die Anbringung eines an der linken Seite befindlichen, nach unten gedrehten sog. Jagdhorns, welches über dem linken Knie liegt, und dessen Erfindung Baucher zugeschrieben wird. Zuerst nur als Sicherheitsfaktor für Jagdreiten gebraucht, hat es sich nun gänzlich eingebürgert und den Fortfall des früher an der rechten Seite befindlichen, für die Dame unbequemen Hornes veranlaßt, welches mit dem an der linken Seite befindlichen, nach oben gerichteten Horne die »Gabel« bildete, in welcher das rechte Bein der Reiterin ruhte und die einzige Stütze der Reiterin auf dem Sattel bildete. Wie unsicher aber dieser Sitz war, habe ich einst an meiner Frau gesehen, die eine recht gute Reiterin war. Bei einer unvermuteten Lançade des Pferdes stand sie einfach neben demselben. Hier konnte also die Reiterin mit Leichtigkeit aus dem Sattel geschleudert werden. Seitdem das Jagdhorn angebracht ist, kann sich die Reiterin mit den Beinen – richtig eingeschnallter Steigbügel vorausgesetzt – an den beiden linken Hörnern durchaus festklammern. Aus diesem Grunde wurde das rechte Horn der »Gabel« überflüssig und konnte fortfallen, an dem sich die Reiterin bei der Zügelführung mit zwei Händen und auch sonst oft genug stieß.
Infolge dieses durch das Jagdhorn geschaffenen, von vornherein sicheren Reitsitzes, welcher kaum erlernt, nur geübt zu werden braucht, hat also die Dame einen bedeutenden Vorsprung vor dem Herrensitz, zu dessen Erlernung – wenn er allen Anforderungen genügen und für jede Bewegung des Pferdes sicher sein soll – Jahre erforderlich sind.
Bei der Konstruktion des Damensattels ist zuerst die Lage des rechten Beines in Betracht zu ziehen, welches niemals höher, besser sogar etwas tiefer als der Sitz liegen darf, was für die Zügelführung sowohl wie für die gerade Haltung von besonderer Wichtigkeit ist. Ebenso wichtig ist die Anbringung des Jagdhorns sowohl wie die Form desselben. Es darf weder zu lang, noch zu kurz, am wenigsten aber zu geschweift sein und den Schenkel der Dame umfassen. Es würde sie das hauptsächlich im englischen Trabe, bei welchem sie mit dem Gesäß nicht auf dem Sattel bleibt, stark behindern, bei eventueller Trennung vom Pferde aber unter Umständen schwere Verletzungen herbeiführen; auch darf es weder zu tief noch zu weit rückwärts angebracht sein. Ist dann der Bügel so verpaßt, daß beide Kniee möglichst eng aneinander liegen, so ruhen beide Beine flach an der Seite, wodurch einer Verdrehung der Wirbelsäule sowohl wie dem »Hängen« an der linken Seite vorgebeugt wird. Dieser Sattel unterscheidet sich von dem älteren dadurch, daß er einen flachen Sitz hat (vergl. Fig. 27), während jener einen ausgearbeiteten Sitz hatte, in welchem die Dame tief saß, und demnach auch mit der Wirbelsäule eine größere Drehung zu machen hatte. Fig. 28 zeigt ein Pferd im Stalle unter dem flachen Damensattel, den Sitz der Dame auf einem solchen zeigte Fig. 4, während Fig. 3 den Sitz der Dame auf dem älteren Damensattel mit tiefem Sitz veranschaulichte. Man sieht daraus, daß die soviel angegriffene Drehung der Wirbelsäule bei dem flachen Sattel eigentlich ganz fortfällt.
Fig. 27.
Moderner englischer Damensattel.
Ferner sollte das Jagdhorn stets beweglich angebracht sein. Man kann es so für jede Dame am leichtesten verpassen, und die Reiterin kann sich bei längeren Ritten die Lage selbst ändern, wenn ihr etwas unbequem werden sollte. Bei kleinen Damen muß das Knie näher an das obere Horn herankommen als bei einer großen, die das Horn etwas niedriger braucht, weil sie es sonst nicht in der Gewalt hat. Sind bei einer kleinen Reiterin nämlich die Hörner zu weit auseinander, so hat das linke Bein nicht den richtigen Druck einige Zoll oberhalb des Knies, wodurch der Sitz sehr unsicher wird. Bei vielen Damen wird mit Rücksicht auf das elegante Aussehen das verstellbare Horn zu kurz gearbeitet, so daß es keinen Schenkeldruck hergibt. Oft wird die Schraube zu klein und zu fein gemacht. Sie muß aber genügend groß sein, weil sie sich sonst leicht losarbeitet. Ist das obere Horn zu hoch, so fällt das Reitkleid nicht hübsch darüber, ist es zu niedrig, so sitzt die Reiterin nicht fest.
Fast alle Damensättel haben einen zurückgeputzten Baum, über welchen die Sattelklappe fällt, um den Sitz eben zu machen. Die Kammer darf nicht zu hoch sein, um das Herumrutschen des Sattels nicht zu befördern und damit das rechte Knie der Dame nicht zu hoch kommt. Wie schon angeführt, darf dasselbe keinesfalls höher als der Sitz liegen, besser noch etwas tiefer, wenn die Dame bequem und angenehm reiten will. Jedenfalls aber muß die Kammer breit genug sein, um nicht bei dem meist nach links überfallenden Seitgewicht den Widerrist zu drücken.
Im allgemeinen bedarf der Sitz des Sattels des Maßnehmens, damit er weder zu lang noch zu kurz, auch nicht zu breit, jedenfalls aber flach und niedrig sei. Die Länge des Sattels wird sich demnach nach der Länge der Oberschenkel der Dame zu richten haben. Ruht das rechte Bein richtig – nicht allzu fest – an dem oberen Horn, so muß der Sattel so lang sein, daß der After desselben etwa 2½ cm hinter der Dame liegt. Ist das nicht der Fall, ist der Sattel kürzer, so kommt die Dame auf den Sattelkranz zu sitzen, was sie sehr unangenehm empfinden wird. Ist der Sattel zu lang, so leidet dadurch die Sicherheit des Sitzes, ebenso als wenn derselbe zu breit ist. Auch in diesem Falle kann die Dame keinen festen, anschmiegenden Sitz gewinnen, dieser wird im Gegenteil stets unruhig, daher für das Pferd sehr belästigend sein. Es soll allerdings nicht unerwähnt bleiben, daß viele gute und erfahrene Reiterinnen den modernen flachen Sitz nicht lieben, sondern einen leicht geschrägten vorziehen, weil sie sich behaglicher darauf fühlen. Das muß den Damen überlassen bleiben, jedenfalls wird es immer unangenehm sein, eine alte, liebgewordene Gewohnheit plötzlich aufgeben zu sollen, ohne daß ein triftiger Grund dafür vorhanden ist.
Fig. 28.
Damenpferd unter modernem Damensattel.
Der Sattel soll möglichst wenig gepolstert sein, damit die Reiterin das Pferd besser umfaßt und weniger Gefahr läuft, hin und her zu rücken oder aus dem Sitz zu kommen, hauptsächlich aber, daß sie dem Pferderücken möglichst nahe sitzt, d. h. nicht zu hoch über demselben. Die Trachten müssen in bezug auf die Polsterung recht oft inspiziert werden, um beim Nachlassen derselben nicht Druckflecke zu erzeugen. Am praktischsten wird es sein, die Polsterung mit Leder überziehen zu lassen und ohne Unterlegedecke zu reiten. Zweifellos liegt der Damensattel ohne Unterlegedecke viel besser und fester dem Pferderücken an, als mit einer solchen, daher wird auch ein Verrutschen des Sattels nicht so leicht eintreten. Des Ferneren macht die Unterlegedecke – es kann doch nur von einer solchen von Filz die Rede sein, da eine ganz dünne leicht Falten werfen und dann erst recht drücken würde – den an und für sich schon hohen Sitz der Dame noch höher, und es kommt doch, wie schon angeführt, darauf an, den Sitz möglichst nahe dem Pferderücken zu haben.
Unter Umständen könnte – besonders bei alten, nicht gut passenden Damensätteln –, eine Unterlage als nützlich in Betracht kommen, nämlich die Schwammdecke, welche allerdings größerer Haltbarkeit wegen und zur Schonung der Polsterung des Sattels auf der oberen Seite mit einem leichten Lederüberzug versehen sein muß. Trotz allen guten Willens wird bei vielen Reiterinnen der nicht symmetrische Sitz zur Mittelachse des Pferdes und die daraus entstehende ungleiche Gewichtsverteilung bei ev. noch dazu kommender vorwärts geneigter Haltung die Gefahr eines Widerristdruckes ziemlich nahe rücken, besonders in der heißen Jahreszeit und bei längeren Ritten. Hier dürfte die angefeuchtete Schwammdecke sich doch vielleicht als eine große Wohltat erweisen. Man bedenke nur die schweren Widerristschäden, welche unter Damensätteln besonders am Widerrist der Pferde entstehen, die nachweislich dann bis zu eines Jahres Länge zu ihrer Verheilung bedürfen. Wenn man die furchtbaren Eiterungen, die große operative Eingriffe und Einlage von Kanülen notwendig machen, gesehen hat, so kann man sich mitunter nicht genug über den Langmut der Pferde wundern, daß sie nicht bei solchen Qualen die peinigende Last der Reiterin mit einem radikalen Bocksatze in den Sand schleudern. –
Über das zulässige Gewicht des Damensattels ist viel gesprochen worden, doch dürfte sich dasselbe nicht unter 8½-9 Kilo herunterdrücken lassen. Immerhin – je leichter der Sattel, um so besser!
Leider ist es, wieder der ungleichen Gewichtsverteilung wegen, nötig, den Damensattel fester gurten zu müssen, als dies beim Herrensattel der Fall ist. Der leidigen Angewohnheit der Stalldiener, den Damensattel meist zu weit nach vorn aufzulegen, wäre energisch entgegenzutreten. Nach alledem kann man ersehen, wie notwendig es ist, daß das Damenpferd einen nicht mageren, aber hohen Widerrist und einen schlanken Rippenbau, also eine vorzügliche Sattellage besitzt. Ist das Gegenteil der Fall, der Widerrist gering und der Bauch stark gewölbt, so wird der Sattel stets nach vorn rutschen und damit locker werden. Er wird dann das Pferd drücken ev. mit der Reiterin herumrutschen. Dem Gegenteil, dem Zurückrutschen des Sattels, welches bei rundleibigen, flach gerippten Pferden vorkommt und fast unangenehmer wie das Vorrutschen ist, kann man am besten durch Anlegung eines Vorderzeuges begegnen, welches nebenbei auch, aus weißer Bandgurte angefertigt, das Pferd hübsch dekoriert. –
Demnächst hätten wir uns mit der Anbringung des Bügels und mit der Form desselben zu beschäftigen. Darüber läßt sich Herr B. A. D., ein bekannter, tüchtiger Fachmann in einer Fachzeitschrift folgendermaßen aus:
»Da das Damenreiten, besonders das Jagdreiten, in England eine ganz andere Rolle spielt als hier, so ist es begreiflich, daß dort die Konstruktion der Damensättel auf einer ganz anderen Stufe steht. Gewiß sind die hiesigen Sättel vom besten Leder und oft mit den schönsten Stickereien (ganze Eichenwaldungen) verziert, aber unpraktisch im Gebrauch, weil man hier noch zu wenig kennt, worauf es wirklich ankommt. Ist es doch z. B. nicht zu glauben, daß heute noch Damensättel gebaut und – empfohlen werden, deren Bügelriemen um das ganze Pferd herumlaufen und auf der rechten Seite befestigt werden! Etwas Sinnloseres gibt es überhaupt nicht. Wollte man etwas erfinden, was möglichst drückt, so könnte man es nicht besser machen als durch diesen Flaschenzug. Man bildet sich allgemein ein (vergl. Fig. 29), der bei a über eine Rolle laufende Bügelriemen zöge auch bei c nach abwärts. Da liegt der große Irrtum. Die Nachteile dieses Umlaufbügels sind:
1. Der durch den Flaschenzug hervorgebrachte ungeheure Druck auf die rechte Seite des Widerristes.
2. Nichts, was diesen Druck auf der anderen Seite ausgleicht. Wer sich hierüber praktisch belehren will, der schnalle den Bügel bei C los und halte ihn mit wenig Kraft nach oben. Dann bitte er die Dame, in den Bügel zu treten und sich darin zu heben. Er wird finden, daß er mit 1 Klgr. Kraft die 60-70 der Dame halten kann. Diese drückt aber mit Hilfe des Flaschenzuges viel mehr als nur mit dem Eigengewicht.
3. Die zusammenschnürende Einwirkung auf den Brustkorb des Pferdes.
4. Der Bügel ist bei dieser Einrichtung stets unegal, weil das Pferd bei verschiedener Arbeit sehr verschiedenen Umfang hat. (Bekanntlich schwindet auch nach einiger Zeit des von Hause Fortreitens der Bauch des Pferdes, d. h. der Gurt wird lockerer. Damit wird natürlich auch der Bügel der Reiterin länger. Die so sehr gerühmte Verschnallbarkeit des Riemens vom Sattel aus dürfte, nach Angabe hervorragender Reiterinnen, wertlos sein, da sie doch nicht Fingerkraft genug besitzen, um die Schnalle eigenhändig zu lösen und wieder festzumachen. Der Verf.)
5. Die Stelle des Riemens (Doppelriemens) bei a nutzt sich trotz aller Vorsichtsmaßregeln sehr schnell ab und ist daher niemals sicher. –
Danach hängt also der Bügel am besten in einer einfachen Krampe an der linken Seite des Sattels.«
Fig. 29. Falsche Anbringung des Bügelriemens am Damensattel. |
Fig. 30. Sicherheitssteigbügel. |
Was nun die Form des Bügels selbst betrifft, so äußert sich eine sehr erfahrene Reiterin darüber in der Art, daß sie einen Sicherheitssteigbügel einer Patentsturzfeder vorzieht. Sie läßt den Steigbügelriemen durch eine Schließkappe gehen und verläßt sich auf einen doppelten Sicherheitssteigbügel, d. h. auf einen kleineren inneren und einen größeren äußeren Steigbügel (Fig. 30), der, wenn die Reiterin zu Fall kommt, sich biegt, nachgibt und so den Fuß ausschuht. Dies wird als viel sicherer empfohlen als jede andere Vorrichtung, mit Ausnahme des veralteten Pantoffel- oder Schuhsteigbügels, den die Mode als unschön hat fallen lassen. Allerdings haben alle Sicherheitssteigbügel den Fehler, daß die Mechanik versagt, wenn der Bügel verkehrt herumgedreht ist. Man hätte also bei Benutzung von Sicherheitssteigbügeln darauf zu achten. Es empfiehlt sich ferner, damit die Dame den Bügel nicht verliert, womit ihr Sitz unter Umständen äußerst gefährdet ist, eine dünne Gummistrippe, wie sie zum Schließen von Paketen dienen, um Knöchel und Bügelriemen zu legen.
Endlich hätten wir auch der Gurtung noch einige Worte zu widmen. Es ist eine alte Regel, daß das Damenpferd, wie auch bereits angeführt, ziemlich fest gegurtet sein muß, wenn der Sattel nicht verrutschen soll. Diese feste Gurtung bedeutet allerdings für das Pferd eine Qual, denn es behindert die Ausdehnung der Rippen für die Atmung. Außerdem ist, wenn die Sattelstrippen und hauptsächlich die Gurtschnallen-Anbringung nicht sehr genau auf ihre Untadelhaftigkeit geprüft werden, ein Platzen derselben nicht ausgeschlossen. Man nimmt deshalb meist drei Gurte, in der Annahme, daß nicht alle drei zu gleicher Zeit platzen werden. Man kann sich aber auch einer elastischen Gurtung bedienen, indem man einen sog. Sattelselbstgurter einfügt. Es ist dies eine aus Spiralfedern hergestellte kleine Maschine (Fig. 31), welche man an den rechtsseitigen kurz zuschneidenden Sattelstrippen einschnallt. Es genügt, wenn beim Satteln diese Spiralfedern um 2-2½ Zentimeter ausgedehnt werden, da bei den meisten Pferden das »Schwinden des Bauches« soviel ausmacht.
Die Sattelgurte bestehen – am praktischsten blau oder braun gefärbt – aus breiten Bandgurten von Wolle oder Leinwand oder aus miteinander verbundenen Schnuren, den sog. Strickgurten.
Fig. 31. Sattelselbstgurter. |
Fig. 32. Schnellsattler. |
Eine neue Art der Sattelung soll nicht unerwähnt bleiben, da dieselbe, ebenso praktisch wie sicher, auch für die Damenreiterei dieselben Vorteile zu bieten scheint, wie für die der Herren. Bei ersterer ist das Satteln insofern mit technischen Schwierigkeiten verknüpft, als das feste Anziehen der Sattelgurte direkt körperliche Kräfte und – gute Zähne erfordert. Ein guter Reitknecht wird meist die Zähne dabei zu Hilfe nehmen, da er der einen Hand bedarf, um den Dorn in das Schnallenloch zu bringen. An diesem einen Schnallendorn hängt also die ganze Sicherheit der Reiterei.
Gegen diese Nachteile bezw. Unbequemlichkeiten tritt der Schnellsattler mit Erfolg auf. Es ist das eine von den österreichischen Hauptleuten Beranek und Kauçic erfundene Maschine, welche hebelartig den Gurt festlegt. Am Damensattel wäre diese Maschine an der rechten Seite des Sattels anzubringen. Sie beruht (Fig. 32) auf der Anwendung einer einfachen Hebelwirkung, die einen Strammschluß des Gurtes bei geringster Kraftanstrengung sicher herbeiführt. Unter der (beim Damensattel) rechten Sattelklappe wird eine Hakenbändertasche an die vom Sattelbaum herabhängenden Strupfengurte festgenäht. Die Hakenbänder sind zwei senkrecht gehende Metallstreifen (aa) mit korrespondierenden Einschnitten, die zur Aufnahme von rechts und links aus der Gurtenklappe (b) herausstehenden metallnen Stiften (cc) dienen. Der Gurt wird an der Gurtenklappe mittels eines Stahlstreifens (d) befestigt, indem die Metallstifte in die Einschnitte der Gurtentasche eingelegt werden. Wird nun durch Herumklappen der Gurtenklappen nach oben der Mechanismus geschlossen, so legt sich der Gurt ohne jede Kraftanstrengung stramm dem Pferdeleib an, da der Griff der Gurtenklappe wie ein verlängerter Hebel wirkt. Die Sattelklappe wird darauf heruntergeklappt, und die Gurtung sitzt fest. Von den Vorteilen, welche diese Sattelung bietet, sei nur hervorgehoben, daß zum Aufsatteln nicht mehr als 12-15 Sekunden gebraucht werden. Ferner ist die Möglichkeit geboten, in Momenten einer kurzen Rast dem Pferde durch Herunterklappen der Gurtenklappe eine wohltätige Erleichterung der Atmung zu gewähren. In bezug auf Haltbarkeit ist er unzerstörbar, also ist die Sicherheit selbst bei nur einem Gurte vollständig gewahrt. Der Vertrieb des Schnellsattlers ist für Deutschland dem »Offizier-Pferde-Verein«, Charlottenburg, Fasanenstrasse 24 von den Erfindern übertragen worden.
Für die Ausführung von tadellosen englischen Damensätteln, bei denen alle hier angeführten Eigenschaften derselben vorhanden sind, hat die Firma Champion and Wilton 457 and 459 Oxford-Street, London W., einen besonderen Ruf. Allerdings ist so ein Sattel nicht wohlfeil, er kostet in bester Qualität ca. 300 M. Über 4500 dieser berühmten Damensättel sind bereits im Gebrauch. Die Firma schickt für Bestellung eine Karte, auf der verschiedene Rubriken auszufüllen sind, wie Gewicht der Dame, Größe, gewünschte Breite des Sitzes usw. – Die besondere Bügelkonstruktion, die Lage der beiden Hörner, die Bauart der Kammer und die kunstvolle Polsterung der rechten Seite des Champion-Wilton-Sattels machen denselben zu dem vollendetsten, was es gibt. Ihre Majestät die deutsche Kaiserin reitet einen der vielen in Deutschland befindlichen Sättel dieser Firma. –
Da die Reiterin außer bei ihrem sonstigen Eigentum wohl auch die
Reinigung des Sattelzeugs
leiten bezw. überwachen wird, so können nachstehende Winke dafür gegeben werden:
Nachdem das Lederzeug und der Sattel mit Sattelseife gründlich abgewaschen, abgeschwammt und abgetrocknet worden, reibe man diese Gegenstände mit weißem Meltonian-Cream tüchtig ein. Sobald derselbe trocken ist, wird es mit einer steifen Bürste innen und außen gebürstet und zum Schluß noch einmal mit einer weichen Bürste oft und leicht nachgerieben. Das Leder wird dadurch glänzend und geschmeidig und alle Stellen der Innenseite verschwinden. Auszusparen von dieser Behandlung sind diejenigen Stellen des Sattels, die sich unter dem Bügelriemen befinden, weil Leder auf Leder durch das in dem Cream enthaltene Wachs kleben würde. –
Ich darf voraussetzen, daß jede Dame, welche das Reiten erlernen will, mehr Ansprüche an dasselbe macht, als sich willenlos von einer »Kuh« umhertragen zu lassen. Ich möchte daher bitten, dieses kurze Kapitel mit den mysteriösen Ausdrücken am Kopfe nicht zu überschlagen, da dasselbe sie – wenn auch in skizzenhaftester Weise – mit den Grundregeln der Pferdedressur bekannt macht. Sie wird durch die Kenntnis dieses Themas ihr Pferd beurteilen können und beherrschen lernen. Die Dame muß diese technischen Ausdrücke schon aus dem Grunde verstehen lernen, weil dieselben in den folgenden Kapiteln immer wieder zur Anwendung gelangen. –
Die erste Dressur, welche jedes Pferd erhalten muß, noch bevor es praktisch in den Gebrauch genommen wird, die zu seiner Konservierung dient und seine Führung erleichtert, ist das »ins Gleichgewicht setzen« desselben. Betrachtet man ein stehendes Pferd, so wird man finden, daß die Vorhand durch den vorgestreckten Hals mit dem Kopf bereits von der Natur belastet ist, und zwar wirkt diese Last um so schwerer, je mehr der Hals nach vorn geneigt ist. Die Unterstützung dieser Last geschieht durch die senkrecht gestellten Vorderbeine, und nur die durch den Oberarm und das Schulterblatt gebildete Winkelung, sowie die des Fessels zum Röhrbein läßt vermöge ihrer federnden Bewegung die durch den Auftritt noch schwerer wirkende Last erträglicher erscheinen. Das Hinterteil dagegen, ohne jegliche Belastung, wird von drei federnden Winkeln gebildet, dem oberen durch das Darmbein und das Oberschenkelbein, dem mittleren durch das Unterschenkel- und Schienbein und endlich wieder dem untersten durch das Schienbein mit dem Fessel (vergl. Fig. 6). Diese Anhäufung federnder, d. h. bald weiter, bald spitzer werdenden Winkel der Hinterhand, nennt man die Hanken. Um nun ein Pferd für den Reitdienst brauchbarer, widerstandsfähiger gegen Anstrengungen zu machen, ist es nötig, den beim rohen Pferde zwischen den Vorderbeinen liegenden Schwerpunkt mehr nach rückwärts zu verlegen, um auf diese Weise die schwächere Vorhand zu entlasten und die stärkere Hinterhand dazu mit heranzuziehen. Es geschieht dies durch die Aufrichtung des Halses und durch das Biegen der Hanken, also die Verkleinerung der dieselben bildenden Winkel. Wir sprechen vom natürlichen Gleichgewicht, wenn der Schwerpunkt, wie schon vom rohen Pferde gesagt, zwischen den Vorderbeinen, vom mittleren, wenn er unter der Mittelhand, und vom künstlichen, wenn er zwischen den Hinterbeinen ruht. Je mehr der Schwerpunkt also nach rückwärts verlegt bezw. die Vorhand durch Biegen und Unterschieben der hinteren Extremitäten entlastet wird, um so mehr wird das Pferd in Haltung, um so schöner wird seine Hälsung, um so freier und ausdauernder sein Gangwerk sein. Pferde, welche sich infolge einer derartigen geschickten Ausbildung ohne Zwangsmittel so zu tragen vermögen, stehen gut am Zügel und sind gehorsam, während roh in den Gebrauch genommene oder falsch dressierte Pferde die Hanken steifen, auf der Vorhand gehen und demgemäß im Gebiß ihren Stützpunkt suchen, folglich auch infolge der mangelnden Federkraft der Hanken die Schiebkraft ihres Hinterteils nicht zur vollen Geltung bringen können. Daraus geht die Notwendigkeit hervor, das Pferd, bevor es in den Dienst genommen wird, nicht nur ins Gleichgewicht zu setzen, sondern es auch demnächst durch geschickte Handhabung unter dem Sattel so zu behandeln, daß es darin erhalten wird, denn nur derartig vorbereitete Pferde können den Anforderungen besonders als Damenpferde in bezug auf Eleganz des Aussehens, Mühelosigkeit der Handhabung und Leistungsfähigkeit entsprechen.
Hat man ein Reitpferd nach den angeführten Prinzipien derartig ausgebildet, so wird es sich auch beizäumen. Unter Beizäumung verstehen wir, wenn das Pferd mit Vertrauen an das Mundstück herangeht und darauf kaut, so daß der Hals aufgerichtet und die Nase herangestellt, beigezäumt erscheint. Eine derartige gute Anlehnung kann eintreten, wenn die Naturanlage des Verhältnisses der Vorhand zur Hinterhand, die Stellung der Halswirbel zueinander und die Form des Genickes und der Ganaschen günstig sind, und ein gutes Temperament und eine geschickte Dressur die Naturanlagen unterstützt. Man erstrebt, daß bei aufwärtsgestelltem und im dritten Halswirbel gebogenem Hals die Stirn des Pferdes annähernd senkrecht zum Boden steht. Das wird selbstverständlich nicht immer zu erreichen sein, da nicht alle Pferde den zu dieser Stellung erforderlichen Bau besitzen. –
Diese Ausführungen waren notwendig, um das Folgende verständlich zu machen.
Ehe Sie, verehrte Leserin, auf das Pferd steigen, um sich diesem edlen Tiere auf Gnade und Ungnade – die ersten Male wird das wohl zutreffen – anzuvertrauen, gestatten Sie mir noch einen kleinen Vortrag, der das Motto erklärt, welches ich diesem Abschnitt vorangesetzt habe. Sie sollen dabei nichts anderes lernen, als was auch jeder Herr wissen muß, der ein Reiter werden will. Da Reiten aber Gefühlssache ist, so wird das bei einer Dame noch viel ostensiver zum Ausdruck gelangen, auch technisch gelangen müssen, weil der ungünstigere Reitsitz der Dame noch viel größere Anforderungen an das »Reitergefühl« stellt, als der beim Herrn.
Ist auch die Unterhaltung mit dem Pferde durch Worte, die Verständigung durch die Augensprache, der Ausdruck des Wohlwollens und der Zufriedenheit durch Loben, des Mißfallens durch Strafen nicht zu unterschätzen, so bleibt doch die wichtigste, zwar stumme aber doch so verständliche Unterhaltung zwischen Reiter und Pferd die Aussprache durch das Gefühl. Sie ist es, die schließlich zum wechselseitigen Verständnis führt. Gefühl hat ja jeder lebende Körper. Es äußert sich nicht nur darin, daß man etwas äußerlich empfindet, wie z. B. das Gewicht eines zu tragenden Tornisters oder, wie beim Pferde, eines Menschen, oder eine Berührung mit Hand, Schenkel und Gebiß, sondern auch in einem gewissen Vorgefühl, das Kommendes ahnen läßt. Letzterer Zustand ist aber schon nicht mehr rein körperlich, sondern zum teil Überlegung, Schlußfolgerung, also Sache des Verstandes. Indem das körperliche Gefühl einen gewissen Eindruck aufnimmt, kommt dieser sofort auf dem Nerven- und Muskelwege zum Ausdruck im Gehirn, und dieses zieht Schlüsse auf das, was der berührende andere Körper vor hat. So ist z. B. das Erhalten des Gleichgewichtes zwischen der Reiterin und dem Pferde, wodurch das erste Verständnis zwischen beiden herbeigeführt wird, Sache des Gefühls. Jedes empfindet, fühlt die dem seinigen widerstrebenden oder sich ihm anpassenden Bewegungen des anderen Körpers; beide bestrebt im Gleichgewicht miteinander zu bleiben, soll die eine nicht herunter-, das andere nicht hinfallen, folgen den Anregungen des Gefühls und suchen, sich unwillkürlich einander anzupassen. In beide Körper hat die Natur die natürlichen Kräfte gelegt, die sie ohne Hilfe eines dritten, gewissermaßen von selbst, zur Übereinstimmung in ihnen führen und später diese erhalten. Deshalb führt viel mehr das natürliche Gefühl, das Bestreben nach Ausgleich, als unverstandene und kaum zu befolgende Verhaltungsregeln, zum ersten gemeinsamen Gleichgewicht der beiden Körper. Reiten, d. h. auf dem Pferde zu bleiben, lernt man nur durch Reiten. Je freier, ungezwungener, je losgelassener der Körper gehalten wird, je weniger die Zügel zum Festhalten gebraucht werden, desto früher wird der Ausgleich stattfinden. Sind die Bewegungen beider Körper übereinstimmende geworden, dann wird nun wiederum das Gefühl jede drohende oder bereits eingetretene Nichtübereinstimmung anzeigen, und die Reiterin wird ihr vorzubeugen vermögen.
Nun kann sich das Gefühl zweier Körper nur in Berührung derselben äußern. Die Teile, welche in die innigste Gemeinschaft miteinander treten, werden selbstverständlich das Gefühl am unmittelbarsten aufnehmen und übermitteln. Da aber sowohl die Reiterin wie das Pferd für sich einzeln ein völlig zusammenhängendes Ganze darstellen, so wird sich das irgendwo unmittelbar aufgenommene Gefühl mittelbar auch auf die übrigen Teile übertragen. Bei zwei lebenden Wesen, von denen das eine, das Pferd, das andere, den Menschen trägt, werden natürlich die durch den Vorgang des Tragens am meisten in Mitleidenschaft gezogenen Teile sich gegenseitig am innigsten berühren.
Der Rücken des Pferdes nimmt die Reiterin auf, deren Gesäß und Schenkel sie mit dem Pferde verbinden. Zwischen den Händen der Reiterin und dem Maul des Pferdes findet eine Verbindung durch die Zügel statt. Die ganze Mittelpositur der Reiterin, die von den Hüften bis zu den Knieen reicht, der linke Unterschenkel und die Hände übermitteln also das Gefühl. Durch die Bewegungen des Pferdes wird aber der ganze Körper der Reiterin mit in Bewegung gesetzt, und somit sind alle seine Teile an der Empfindung der Bewegung des Pferdekörpers, dem Gefühl für sie, beteiligt. Selbstverständlich fühlt auch das Pferd das Gewicht der Reiterin, das sich auf seinem Rücken nun unmittelbar äußert, nicht nur mit diesem, sondern weil der Rücken von seinen Stützen, den Beinen, getragen wird, auch mit diesen. Auch die Hände der Reiterin äußern schon, wenn sie mit den Zügeln nur untätig hingestellt werden, ihren Einfluß auf das Maul, weil das Pferd in seiner Beweglichkeit die untätigen Zügelwirkungen als tätige empfindet. Der Longiergurt und die Verbindezügel sind an sich völlig untätig, und doch üben sie auf das bewegliche Pferd einen bestimmenden Einfluß aus. Wieviel mehr werden die Hilfen tun, welche in irgend einer Art tätig sind. Das Pferd legt durch sein Maul Gewicht in die Hände der Reiterin, diese durch sie Gewicht in das Pferdemaul. Je beweglicher beide sind, desto mehr werden die Gewichte empfunden werden.
Weil das Pferd den Einfluß des Gewichtes der Reiterin auf jedem seiner Beine fühlt, wird auch umgekehrt die Reiterin mit der Zeit jede besondere Bewegung der einzelnen Gliedmaßen des Pferdes fühlen. Diese Eigenschaft des Reitergefühls ist sehr wichtig bei allen Gangarten und muß sorgfältig ausgebildet und verfeinert werden. Sie ist Voraussetzung für die richtige und rechtzeitige Anwendung der Schenkel- und darum auch der anderen Hilfen. Fühlt nun das Pferd die beabsichtigten Einwirkungen des Reitergewichtes, die aus einem guten, geregelten Sitz heraus ausgeübt werden, so fühlt es nicht nur diese, sondern einfach alle, also auch die unbeabsichtigten, ungeschickten, unwillkürlichen. Sie sind es, die das Einvernehmen des Pferdes mit einer schwachen, ungeschickten Reiterin stören. Aber auch eine sehr geschickte Reiterin wird oft in die Lage kommen, unwillkürlich falsch zu belasten, und das um so mehr, je unebener der Boden ist, auf dem sich das Pferd bewegt. Daher sind solche falsche Belastungen oft von sehr unangenehmen Einfluß. Sie können nicht nur den Gehorsam in Frage stellen, sondern auch die Gliedmaßen des Pferdes angreifen. Zu ihrer Vermeidung gehört ein äußerst feines Gefühl, das nur durch sehr viel Übung erlangt werden kann. Das Reitergewicht wird also von allen Teilen des Pferdes empfunden und muß sowohl dessen Haltung im Stehen, viel mehr aber noch in der Bewegung beeinflussen. Die Bewegungen des Pferdes aber sind es, die der Reiterin eine besondere Haltung zu Pferde vorschreiben, wenn sie mit ihm im Gleichgewicht bleiben will und wenn das Gefühl hinüber und herüber richtig übermitteln soll.
Eine richtig sitzende, mit dem Pferde im Gleichgewicht befindliche Reiterin wird imstande sein, den Eingebungen des Gefühls sofort zu folgen. Fühlt sie etwas, dann tritt sofort die Überlegung ein, was zu tun ist, und die gefühlvolle Reiterin weiß dem sofort durch ihre Hilfen Ausdruck zu geben. Manche Ungezogenheit des Pferdes fühlt die Reiterin im voraus und kann sie im Werden ersticken oder ihr vorbeugen. So wohltätig ist die Kraft des Gefühls.
Reiten kann man erst, wenn man auf dem Damensattel gut, richtig sitzen gelernt hat. Das ist nicht so einfach, – und es sind drei Punkte, welche dabei zur Erörterung gelangen müssen.
1. Warum ist ein guter Reitsitz durchaus erforderlich?
2. Worin besteht derselbe?
3. Wie erlangt man denselben?
Ein guter Reitsitz ist, wie auch schon aus dem vorigen Kapitel ersichtlich, erforderlich, weil derselbe der Reiterin das Gefühl der Sicherheit verleiht, mit welchem sie sich auf dem Pferde bewegt und ohne welches eine gute Reiterin gar nicht gedacht werden kann, – denn eine ängstliche Reiterin kann niemals eine gute werden.
So abhängig eine Dame auch relativ von ihrem Pferde ist, – auch der Reiter ist das – so unabhängig muß sie sich von demselben fühlen. Das Pferd muß ihr nur Mittel zum Zweck sein, sie muß es gleichsam nur mit den Gedanken leiten. Gewiß ist dafür auch ein relativ zuverlässiges Pferd erforderlich – absolut sichere gibt es nicht, denn das Pferd ist immer nur ein Tier, und von der sonstigen Beschaffenheit des Damenpferdes haben wir bereits gesprochen.
Dieses Gefühl der absoluten Sicherheit soll die Dame in allen Situationen haben, welche beim Reiten eintreten, sowohl bei den regulären – also z. B. bei allen Gangarten, die sie reitet, vom Schritt bis zur Karriere, beim Sprung, beim Jagdreiten, bei Tage und bei Nacht, bei Sonnenschein, Regen, Hagel und Gewitter – letztere beiden Eventualitäten sind allerdings schon bedenklicher – aber auch bei ungewöhnlichen Situationen, die beim Reiten jeden Augenblick eintreten können und auf die sie vorbereitet sein muß, z. B. beim Scheuen, Steigen, Bocken, Durchgehen des Pferdes, beim Verlieren des Bügels, Lockerwerden oder Reißen des Gurtes oder Zügels, ja selbst noch beim Stürzen usw. Das Gefühl ihres Könnens als Folge ihres guten Reitsitzes werden sie im gegebenen Augenblick die Haupteigenschaften der Reiterin – Ruhe, Kaltblütigkeit und Geistesgegenwart – nicht im Stich lassen. Im Augenblick einer außergewöhnlichen Situation den Kopf verloren – und alles ist verloren.
»Es will mir recht unsinnig erscheinen,« sagt Anna Bracket im »Rider and Driver« u. a., »wenn eine Dame ihren Seitsitz im Damensattel aus dem einzigen Grunde, daß der Herrensitz sicherer sei, aufgeben wollte. Solange ihr Kniehorn vorhält und sie ihre Kaltblütigkeit behält, ist es bei einem gewöhnlichen Ereignis fast unmöglich, daß sie aus dem Sattel geworfen wird, während sie aus einem Männersattel, in welchem sie sich nur durch Anklammern der Beine festhalten kann, viel leichter ihren Sitz verliert.
Indessen ist es für sie von ungeheurem Vorteil, wenn sie abwechselnd auf beiden Seiten ihres Pferdes zu reiten in der Lage ist. Wenn sie sich einen sogenannten Linkssattel beschaffen kann, so soll sie stets einmal rechts, einmal links reiten. Sie sollte dies nicht nur zu ihrem Vergnügen, welches ihr dieses Verfahren ohne Zweifel verschaffen wird, tun, sondern besonders im Interesse ihres Pferdes. So gut sie auch zu reiten vermag, sie kann es nicht verhindern, daß die Seite des Pferdes, auf welcher sich die beiden Beine befinden, etwas stärker belastet wird. Diese stärkere einseitige Belastung des Pferdes führt aber vielfach zu Druckschäden, welche um so gefährlicher sind, je mehr sie dem Widerrist nahe liegen. Die Damen lernen daher am besten auf beiden Seiten des Pferdes reiten. Bei heranwachsenden Mädchen ist dieses Verfahren wegen der wenn auch sehr geringen Verdrehung des Körpers, die der Reitsitz mit sich bringt, sogar geboten. Aber auch die erwachsene Dame wird ein großes körperliches Wohlbehagen durch die Inanspruchnahme der am Tage vorher nicht gebrauchten Muskeln empfinden. Diese gleichmäßige Übung der Muskellagen beider Seiten wird sich übrigens auch in einem elastischeren, stolzeren Gange und einem viel graziöserem Reitsitz bemerkbar machen.«
James Fillis allerdings, der berühmte Reitmeister, befürwortet diese Reitmethode nicht. Er sagt in seinen »Principes de Dressage et d'Équitation«, daß – unter einem guten Lehrer – die nach links gesetzte Reiterin (weit entfernt, ihr Rückgrat aus seiner Lage zu bringen) an Anmut und Geschmeidigkeit nur gewinnen kann. »Fahren wir doch fort, die Reiterin nur auf ein und derselben Seite reiten zu lassen und zwar auf der linken. Sonst müßte man ihr ja die Peitsche in die linke Hand geben, welche doch weniger bestimmt und geschickt ist. Das wäre eine grobe Unzuträglichkeit, da doch gerade die Peitsche den fehlenden Schenkel ersetzen soll.«
Der Reitsitz der Dame muß – um damit auf die zweite Frage überzugehen – aufrecht, gerade und geschlossen sein.
Fig. 33.
Der gute und der schlechte Reitsitz.
Um aufrecht zu sitzen, darf man sich weder vorwärts noch rückwärts lehnen. Jeder Anwesende, in erster Linie natürlich der Reitlehrer oder ihr Kavalier, kann der Dame sagen, ob sie aufrecht sitzt, und wenn sie so sitzt, kann sie lange ohne Ermüdung reiten. Anfangs wird sie wegen des ungewohnten Sitzes und der ungewohnten Körperhaltung dieses nur schwer selbst bestimmen können. Es ist aber von höchster Wichtigkeit, daß ihr der aufrechte Sitz von Anfang an zur Gewohnheit wird. Und dieser aufrechte Sitz – also ganz perpendikulär zum Pferderücken – muß so eingenommen werden, daß die Perpendikulärlinie auch genau auf die Wirbelsäule des Pferdes fällt, daß also die Dame auf der Mitte des Sattels sitzt, und nicht etwa seitwärts und nicht an derselben hängt. (Fig. 33 der gute und der schlechte Reitsitz.) Ein solcher falscher Reitsitz führt in erster Linie zur Beschädigung des Pferdes durch Satteldruck. Ebensowenig dürfen sich die Schultern der Dame aus der Frontlinie hinaus verschieben, zu welchem Fehler die führende Zügelhand leicht Veranlassung gibt.
Sitz und Zügelführung müssen vollständig unabhängig voneinander sein.
Um geschlossen zu sitzen, muß sich die Dame mit den Muskeln des einen Schenkels allein an den Sattel halten, denn das andere Bein kommt mit demselben gar nicht in Berührung. Allerdings kann diese Kunst erst allmählich erlernt werden. Ich kannte einst eine junge Dame auf dem Lande, welche keinen Damensattel besaß und auf der englischen Pritsche im Seitsitz ritt. Ich bin oft mit derselben geritten, in jeder Gangart – das rechte Bein hatte sie über den Sattelknopf gelegt – und habe sie bewundert, mit welcher Sicherheit, ja Grazie sie auf dem Pferde saß und dasselbe führte. Sicher erfordert das eine sehr große Übung der Muskeln und ein außerordentlich feines Gefühl für das Gleichgewicht. Eine sehr gute Übung besteht darin, sich auf die Kante eines Geländers, einer Barriere oder dergleichen zu setzen, das eine Bein herabhängen zu lassen und sich mit den Muskeln des anderen Schenkels festzuhalten. Das wird dieselben stärken und sie gewissermaßen lehren, was sie zu tun haben, anstatt, wie auf dem Stuhl, einfach im Sattel zu ruhen. Des Ferneren ist es außerordentlich wichtig, daß die Ferse des im Steigbügel ruhenden Fußes gegen den Boden gedrückt wird. Dann nimmt das Bein seine richtige Lage von selbst an. Die Zehen des anderen, hängenden Fußes werden dagegen nach unten gedrückt.
Der schon mehrfach zitierte Reitmeister James Fillis sagt vom Reitsitz der Dame: »Die Reiterin soll – abgesehen von den Beinen – genau so zu Pferde sitzen, wie der Reiter. Die Schultern und die ganze Haltung des Oberkörpers sollen parallel zu den Pferdeohren sein. Das ist aber nicht möglich, wenn nicht auch die Hüften diese Stellung einnehmen – also ist es die Stellung der Hüften, von welcher die ganze Haltung der Reiterin abhängt. Indem beide Beine nach links liegen, umfaßt das rechte Bein die Gabel und liegt höher und weiter noch als das linke. Dieses wieder lehnt sich leicht mit dem Teil des Beines über dem Knie an die linke Gabel. Der Fuß ruht im Bügel. Aus dieser Lage der Beine ergibt sich, daß die Reiterin eine ganz erklärliche Neigung dazu hat, fast das ganze Körpergewicht nach der rechten Seite hin zu verlegen, während die linke fast nichts zu tragen hat, und hieraus folgt wieder, daß die linke Hälfte gegen die rechte zurücktritt – und das muß vermieden werden. Das Körpergewicht muß auf beiden Seiten des Pferdes gleichmäßig verteilt sein – die Reiterin muß auf ihrem Sattel genau so sitzen, wie auf einem Stuhle – die Hüften und Schultern parallel den Pferdeohren. Es ist das ein Haupterfordernis für die Sicherheit.
Selten ist eine Reiterin nach links aus dem Sattel geworfen, denn auf dieser Seite findet sie Halt an der Gabel und im Notfall am Bügel. Die ganze Gefahr, heruntergeworfen zu werden, liegt rechts und ist um so mehr vorhanden, je mehr die linke Schulter gegen die rechte zurücksteht. Das, was der Reiterin die Sicherheit gibt, verleiht ihr gleichzeitig die elegante Haltung. Sie braucht mithin nicht zu besorgen, die eine etwa der anderen aufopfern zu müssen.«
Dies sind nur wenige Fingerzeige für den Damensitz im Sattel, und wir werden demnächst sehen, auf welche Weise er spielend gelernt werden kann, wenn man, um damit zur Beantwortung der dritten Frage überzugehen, das Reitsystem des Grafen Dénès Széchényi dabei zur Anwendung bringt. Ist erst ein wirklich guter Sitz erreicht, dann kann die Reiterin der Zügelführung bezw. ihrem Pferde Aufmerksamkeit schenken. Ohne einen guten Sitz wird sie aber niemals wirklich reiten können.
Unter der Zugrundelegung des schon mehrfach ausgesprochenen Grundsatzes, daß Sitz und Zügelführung gänzlich unabhängig voneinander sein müssen, wenn man gut reiten lernen will, führt die genannte Reitmethode des Grafen Széchényi am leichtesten und schnellsten zum Ziele. Ich will dieselbe hier kurz beschreiben, indem ich dabei bemerke, daß sie von gleichem Werte für Herren wie für Damen und für Kinder ist.
Die Methode besteht in Ballwerfen zu Pferde und in systematischem und frühen Barrierespringen.
Die Zügel werden erst in die Hand genommen, wenn der Sitz durch die angeführten Übungen zu einem vollkommen sicheren geworden ist, so daß die Zügel in der Folge nur zur Führung des Pferdes, nicht aber zum Festhalten, wie üblich, gebraucht werden.
Zur Erreichung dieses Zweckes bedient man sich eines auf einem Zirkel an der Longe gehenden Pferdes, dessen Zügel eingeschnallt sind. Das Ballwerfen hat den Zweck, den Oberkörper biegsam und geschmeidig, unabhängig von den Bewegungen des Pferdes und von den später die Zügel führenden Armen zu machen, während die Mittelpositur des Körpers von den Hüften bis zu den Knieen unentwegt in der Perpendikularlinie auf dem Sattel bleiben müssen. Der herabfallende Ball, welcher nach rechts und nach links, nach vorn und nach hinten fällt, zwingt den Oberkörper, zum Wiederauffangen desselben seiner Richtung zu folgen, wodurch eine stete Verlegung des Schwerpunkts und folgerichtig eine enorme Sicherheit des Sitzes entsteht. Die Dame eignet sich dadurch gleichsam mechanisch in ca. vier Wochen den unabhängigen Sitz und die Balance an, zu deren gründlicher Erlernung sonst Jahre gehören.
Das Barrierespringen dient dem gleichen Zwecke. Hat beim Ballwerfen der Körper der Reiterin seine Haltung verändert, während das Pferd in gleichmäßiger Bewegung blieb, so ist es hier umgekehrt. Der Körper lernt den Sitz behalten, indes das Pferd eine heftigere und sozusagen anormale Bewegung macht. Nach kurzer Übung kann auch hierbei wieder Ball geworfen werden, und durch dieses Zusammenwirken bildet sich eine solche Sicherheit des Sitzes aus, daß die Reiterin nach wenigen Lektionen sich bereits auf dem Pferde zuhause fühlen wird. Nicht zuletzt wird man finden, wie auf diese Weise auch das moralische Element gehoben wird, ohne welches doch alles Reiten nur ein Unding ist. Ist nun die Reiterin solchergestalt vorgebildet, dann bekommt sie die Zügel in die Hand und lernt ihr Pferd selbst führen, und ich glaube mit Bestimmtheit sagen zu dürfen, daß die Amazone nach solchen Vorstudien nur noch recht selten die Zügel als Regulatoren ihres Sitzes benutzen wird, und daß dementsprechend das Damenpferd stets ein frisches Maul behalten wird. Das ganze Geheimnis beruht eben in der Unabhängigkeit der Zügelführung vom Sitz.
Lassen wir uns an diesen kurzen Anführungen genügen, die auch der Anfängerin einleuchten müssen, – die praktische Anwendung werden wir später kennen lernen.
Gleichzeitig aber sei hier noch angeführt, daß für diese Lektionen ein Pferd vorhanden sein muß, welches tadellos das Gehen an der Longe auf dem Zirkel gewohnt ist, und welches auch die Kommandos für die betreffenden Gangarten kennt. Der Herr, welcher der Dame den Reitunterricht erteilt, muß daher, falls er nach dieser sehr empfehlenswerten Methode unterrichtet, das Pferd vorher dafür dressieren, was einem zum Damenpferd bestimmten Tiere sehr nützlich ist und was seitens desselben auch in sehr kurzer Zeit erlernt wird.
Der gute Reitsitz dient aber nicht allein zur Sicherung der Dame in allen Gangarten und bei allerhand Zufällen, sondern er ist das wichtigste Hilfsmittel, um das Pferd im Gehorsam und im Gleichgewicht zu erhalten. Ohne diese beiden Eigenschaften gibt es kein Damenpferd. Im guten Reitsitz, wie er beschrieben worden ist, vereinigt sich daher die Sicherheit der Reiterin mit der Beherrschung des Pferdes.
Wenn man unter »Hilfen« die tätigen Einwirkungen des Reiters bezw. der Reiterin auf den Pferdekörper, besser vielleicht -Mechanismus versteht, welche diesen in Gang setzen, regulieren und wieder zum Stillstand bringen, so stehen bei der Dame besonders, welcher der tätige zweite Schenkel fehlt, allen anderen Hilfen die Gewichtshilfen voran, ohne welche eine zweckdienliche Wirkung der anderen, welche wir später kennen lernen werden, gar nicht gedacht werden kann. Sie sind eben Vorbedingungen für die Herbeiführung und Erhaltung des Gleichgewichts, ohne welches gemeinsame, regelmäßige Bewegungen nicht ausgeführt werden können. Geschickte Reiterinnen können ein Pferd lediglich durch Gewichtshilfen zum Antreten, Anhalten und Wenden veranlassen. Diese Hilfen äußern sich naturgemäß durch das Gesäß und die Mittelpositur der Reiterin auf deren Unterstützungsfläche auf dem Pferdekörper. Die Einwirkungen der Mittelpositur (von den Hüften bis zum Knie) können nun aktiv oder passiv sein. Im ersteren Falle äußern sie sich in verschärftem Belasten, also vermehrtem Einsitzen und Fühlenlassen des Gesäßes in Richtung des Geworfenwerdens durch das Pferd im Gleichgewicht, oder in seitlichen Verlegungen des Reiterkörpers. Im anderen Falle geht die Mittelpositur ruhig im Gleichgewicht mit dem Pferde mit, d. h. sie fällt bei jedem Tritt wieder auf den Schwerpunkt zurück, von welchem sie durch die Bewegung des vorhergehenden soeben erhoben wurde. Das nennt man »Mitgehen mit dem Pferde«. Fällt die Mittelpositur immer hinter den gemeinsamen Schwerpunkt zwischen Reiter und Pferd, dann ist doch ein Aufrechterhalten des Gleichgewichtes unmöglich. Der Mangel an Mitgehen mit dem Pferde sorgt am meisten dafür, daß die unfolgsamen Pferde nicht aussterben.
Der linke Unterschenkel und die Reitpeitsche, drückend auf der rechten Seite des Pferdes angewendet, können nur in Verbindung mit Gewichtshilfen richtig vorschiebend wirken, so wie die Zügel nur im Verein mit ihnen den Kopf herbeistellen und dadurch die Vorhand beeinflussen können. Die treibende Wirkung des Gesäßes spielt stets eine hervorragende Rolle, namentlich aber in allen den Fällen, in denen ein Pferd das Vorwärtsgehen verweigert. Darum hat jede Reiterin ihre Aufmerksamkeit vor allem der Haltung der Mittelpositur zuzuwenden.
Nun kann auch eine Seite des Gesäßes mehr belastend wirken als die andere, ohne daß sie ihre Lage auf dem Rücken verändert. Der Oberkörper der Reiterin ist dabei wesentlich in Anschlag zu bringen. Je senkrechter sie nämlich auf den Hüften ruht, desto belastender wirkt sie senkrecht nach unten. Je mehr sie sich nach vorn neigt, desto mehr verliert das Gesäß an Treib- und Belastungskraft; je mehr sie das Kreuz über den Hüften anzieht und das Gesäß dem gemeinsamen Schwerpunkt zuschiebt, desto treibender wirkt ihr Körpergewicht. Ein Zurücksetzen im Sattel bedeutet vermehrte Belastung der Hinterhand. Je mehr der Körper nach einer der Seiten geneigt wird, desto größer wird seine Wirkung auf die Gesamtunterstützungsfläche der Mittelpositur. Diese muß der Bewegung des Oberkörpers folgen. Wird der Oberkörper mit der rechten Hüfte nach rechts geneigt, dann wird die rechte Seite des Pferderückens mehr belastet, knickt aber der Oberkörper über der rechten Hüfte ein, dann geht die Mittelpositur nach links, um das Gleichgewicht herzustellen. Während also im ersten Falle eine Mehrbelastung der rechten Pferdeseite stattfindet, ist das im andern nicht der Fall. Verschieben sich beide Gesäßknochen nach links, dann ist der Oberkörper ebenfalls genötigt, sich über der rechten Hüfte nach links zu neigen. Auch ist es ein Fehler, mit dem Gesäß eine Wendung zu machen, so daß der eine Gesäßknochen mehr zurückliegt als der andere, denn dann wird die Bewegung der Hinterbeine unregelmäßig gefühlt, sie werden ebenso belastet. Eine Belastung der rechten Seite erfolgt nur dann, wenn der rechte Gesäßknochen schärfer aufzuliegen kommt, während gleichzeitig der Oberkörper, ohne über der Hüfte einzuknicken, auch nach rechts vermehrt belastet. Diese richtige Gewichtsverlegung ist sehr wichtig bei allen Wendungen und Seitengängen, so wichtig, daß eine unbestimmte oder ungeschickte seitliche Gewichtsverlegung sehr oft eine Wendung zu hindern vermag. Befördert nämlich die richtige Gewichtsverlegung der Reiterin nach einer Seite die Verlegung des Pferdeschwerpunktes nach dieser Seite und bereitet eine Wendung vor, so wird die entgegengesetzte Belastung die Wendung hindern oder mindestens erschweren. Selbst viele gut gerittene Pferde verweigern mit der Zeit das Wenden, wenn es fortgesetzt so falsch eingeleitet wird.
Mancher von den hier ausgesprochenen Grundsätzen wird allerdings der Anfängerin erst verständlich werden, wenn sie auch das übrige gelesen hat, noch mehr, wenn sie von ihrem Reitlehrer auf dem Pferde darauf aufmerksam gemacht wird. Ein gut gerittenes Pferd wird sich diesen Hilfen willig fügen, und die Reiterin wird es angenehm empfinden – notabene wenn sie das richtige »Reitergefühl« hat – wie leicht und ohne Anstrengung man das Pferd nach seinem Willen lenkt und führt.
Es ist bereits mehrfach betont worden, daß der Reitsitz vollständig unabhängig von der Zügelführung sein müßte. Wir haben den ersteren kennen gelernt, und wenden uns nun der letzteren zu.
Wie also ausgeführt, bildet der richtige Sitz der Reiterin die Basis, während die Zügelführung allerdings in ihrer Wechselwirkung mit dem linken Schenkel der Reiterin – der rechte wird durch eine kurze, aber kräftige Reitpeitsche ersetzt – das Steuerruder ist, vermittels dessen die ganze Maschinerie geleitet wird. Zuförderst dienen die Zügel zur Beizäumung bezw. Aufrichtung des Pferdes, also zum Zurückhalten, der linke Schenkel in Zusammenwirkung mit der Reitpeitsche auf der rechten Seite zum Herantreiben und Gegenschieben des Pferdes an das Gebiß, demnach zum Vorwärtstreiben. Dadurch wird das Pferd gezwungen, seine Vorhand zu erleichtern und seine eigene, sowie die Last der Reiterin auf die Hinterhand zu nehmen, wodurch die Biegung der Hanken erreicht wird. Sind dieselben biegsam gemacht und haben sie sich so gestellt, daß sie geeignet sind, die Last, die auf sie gelegt wird, federnd aufzunehmen, hat gleichzeitig jede Steifheit des Halses und der Ganaschen aufgehört, so ist das Pferd kampagnemäßig dressiert und gehorsam. Ist das Pferd dagegen noch steif in den Ganaschen und Hanken, widersetzt es sich der Aufnahme der Gewichtsverteilung durch Steifen dieser Gelenke, so wird es auf der Vorhand liegen und unfähig zu kurzen Wendungen, Arrêts, überhaupt zum Tummeln sein. Das Pferd demgemäß auszubilden, ist Sache der Dressur, es darin zu erhalten, Sache der Reiterin. Geschieht dies von seiten der letzteren nicht, so sinkt das bestdressierte Pferd allmählich wieder in seine natürliche Stellung und geht, wie man es nennt, auseinander, womit das richtige Zusammenwirken von Vor- und Hinterhand verloren geht.
Um dies zu verhüten, arbeitet man gleichzeitig mit Zügeln und linkem Schenkel bezw. mit der Reitpeitsche auf der rechten Seite. Letztere beide Faktoren treiben das Pferd gegen das Gebiß, wodurch das Pferd gezwungen ist, dasselbe anzunehmen und sich in die von der Reiterin geforderte Haltung zu stellen, da jeder Zügelanzug, die richtige Stellung des Halses vorausgesetzt, von den Laden sich über Hals- und Rückenwirbel bis in die Hanken fortsetzt. Eine einseitige Wirkung auf das Pferd, ob mit Schenkel oder Zügel, ist demnach ein Unding.
Inwieweit ein Pferd aufgerichtet bezw. beigezäumt werden kann, ist von der Art seines Baues abhängig, und es muß dem einsichtsvollen Reitmeister, welcher dem Damenpferde seine Form gibt, überlassen bleiben, das Pferd dabei nicht zu übernehmen.
Für ein normal gebautes, gut dressiertes Pferd wird die Stellung anzustreben sein, wie sie Fig. 34 zeigt, d. h. die Nase ungefähr in der Höhe des Widerristes, die Stirn annähernd senkrecht zum Boden gestellt; die Biegung des Halses erstreckt sich nur auf die drei ersten Wirbel, die beiden mittleren stehen senkrecht aufeinander. – Steht und bewegt sich das Pferd in eben beschriebener Art und Weise, folgt es willig allen Hilfen, so sagt man: das Pferd ist in Haltung. Diese Haltung jedoch – welche im Stillstand »Neigung in den Gang« genannt wird – ist bei den Pferden verschieden, je nachdem sie für besondere Zwecke bestimmt sind.
Fig. 34.
Pferd im mittleren Gleichgewicht.
Wenn die Zügel und die Schenkelhilfen richtig zusammenwirken, dann kaut sich das Pferd auf dem Gebiß ab und schäumt, ein Zeichen, daß keine Steifung der Ganaschen und des Genickes mehr vorhanden ist. Ein kauendes Pferd wird stets in Gehorsam sein.
Die Stellung und Bewegung der Zügelfaust geben dem Gebiß mittels der Zügel die Wirkung auf den ganzen Körper des Pferdes. Ein Vorgehen mit der Hand gibt dem Pferde Luft und wirkt demnach auf die Vorhand, wie ein Heben der Hand nach vorwärts das Pferd aufrichtet, indem Kopf und Hals dadurch in die Höhe genommen werden. Eine Bewegung rückwärts wirkt dagegen auf die Rücken- und Hinterhandmuskeln, vorausgesetzt, daß der Körper durch leichte Neigung nach rückwärts die Bewegung der Faust unterstützt. Sie spannt die Steifung der Muskeln der Hinterhand ab, veranlaßt das Pferd, das Kreuz herzugeben, und zwingt die Hanken in die Beuge. Hebt man die Faust nach rückwärts, so wirkt man damit auf die Vor- und Hinterhand. Die Bewegung der Faust nach rechts oder links zwingt das Pferd, dieser Bewegung zu folgen, bringt es also von der geraden Linie ab – doch ist es dabei erforderlich, den Schwerpunkt des Körpers nach der betreffenden Seite hin zu verlegen, da ohne dieses die Rechts- resp. Linksschieberei der Faust auf das Pferdemaul fast ohne alle mechanische Wirkung ist, die dem Pferde nur als ein Zeichen zur Wendung dient.
Die richtige Anlehnung des Pferdes an das Gebiß gibt der Reiterin das Gefühl der unbedingten Sicherheit der Führung; sie weiß, daß das Pferd jeder, auch der geringsten Bewegung der Hand Folge leistet, woraus erhellt, wie wichtig es ist, keine unmotivierten Bewegungen mit der zügelführenden Hand zu machen, am wenigsten unwillkürliche, durch etwaige Unsicherheit des Sitzes hervorgerufene. Noch weniger aber dürfen es beabsichtigte sein, z. B. Rucken und Reißen in den Zügeln, wie man es leider bei unerfahrenen oder ungeduldigen Reiterinnen öfters sehen kann. Dadurch bekommt das Pferd Furcht vor dem Gebiß und der Faust der Reiterin, wird widersetzlich und schließlich bis zur Unreitbarkeit unbequem.
Daß gegen die Regeln der Wirkung der Zügel und deren Führung im allgemeinen stark gesündigt wird, ist eine Tatsache, die nicht geleugnet werden kann. In erster Linie geschieht dies durch Bummelnlassen der Zügel, bei welchem die Reiterin meist von der ganz löblichen Absicht ausgeht, das Pferd nicht unnötig zu molestieren. Sie vergißt aber dabei, daß sie dadurch sich und dem Pferde nur Schaden bereitet, da dann das Pferd nicht am Zügel steht, wodurch die mühsam andressierte Gleichgewichtsstellung wieder verloren geht, wie schon mehrfach angeführt.
Der Gegensatz dazu, nämlich das Pferd zu fest zu halten, entsteht einerseits aus zu schwerer Faust, andererseits aus Ängstlichkeit der Reiterin. Darauf basiert ein großer Teil der Unarten des Pferdes, Hartmäuligkeit, Kopfschlagen etc., bei Pferden mit schwacher Hinterhand und weichem Maule Steigen und Überschlagen. Endlich ist auch die unruhige Faust noch zu erwähnen. Bei den schnelleren Gangarten, Trab, Galopp und Karriere, wo die Sicherheit des Sitzes erst erprobt werden soll, kommt die Stetigkeit der Hand am meisten zur Geltung, denn wenn die Hand dabei, jedem Stoß der Gangart folgend, wie ein Schmiedehammer auf- und niederfährt oder sich hin- und herschleudern läßt, so muß das feine Gefühl des Pferdemaules verloren gehen, muß ein unruhiger, ungleichmäßiger Gang zum Vorschein kommen, der weder schön noch angenehm, aber oft gefährlich ist. Deshalb kann nicht oft genug wiederholt werden: Weiche, stetige Führung, ruhiger Sitz und weiches Annehmen und Nachgeben erhalten das Pferd in Gefühl und Gehorsam.
Wenn Sie, meine Damen, angenehm und ohne Ärger mit Ihrem Pferde reiten wollen, so behandeln Sie dasselbe nicht als ihren Untergebenen, sondern als Ihren Freund. Finden Sie sich durch Entgegenkommen bei seinen Eigentümlichkeiten mit ihm ab.
Von besonderem Einfluß auf das Pferd ist die Stimme, deshalb sprechen Sie zu ihm, wenn Sie reiten, je nach dem Anlaß lobend, warnend, beruhigend, tadelnd oder energisch. Das Ohrenspiel des Pferdes wird Sie belehren, wie alles wohl gehört und auch verstanden wird. Jede rohe Behandlung ist zu vermeiden, keine wilden Hetzen, keine harte Bestrafung durch Peitsche oder Sporn, wenn nicht eine ganz außergewöhnliche Unart sie bedingt – am allerwenigsten darf ein Rucken und Reißen im Maule mit der Kandare stattfinden.
In erster Linie sollte sich jede Reiterin angelegen sein lassen, die Eigentümlichkeiten ihres Pferdes, dessen Charakter und Temperament zu studieren und kennen zu lernen, sie wird dann am ehesten den »Vergleich« mit ihm abschließen können, wie sie am besten mit ihm auskommt. Im allgemeinen wird sie ihr Tier meist zu allem willig finden, was sie von ihm verlangt, wenn es nicht der Natur oder den Kräften desselben zuwiderläuft, sie wird mit ihm dahin gelangen, wohin sie will – was ja das Endziel und der Zweck des Reitens ist –, sie wird auch die Gangarten durchsetzen, die sie wünscht, aber dann hat sie dem Pferde auch Gegenleistungen und Konzessionen zu machen. – Wir sehen, daß in einem gewissen Stadium des Fehlens der Selbstbeherrschung auch das Pferd darunter zu leiden hat, obgleich es, wenigstens häufig, gänzlich unschuldig an dem Unwillen der Reiterin ist. Dadurch aber schadet sich diese mehr, als sie glaubt, denn in dem gleichen Maße wie sie wird auch ihr Pferd nervös und – unbequem werden. Nur gleichmäßige, ruhige Behandlung kann ein bequemes Pferd schaffen. Die angehende Reiterin kann weder den Grund irgend einer ihr unbequemen Angewohnheit des Pferdes beurteilen, noch rationelle Mittel dagegen anwenden, beides aber ist unerläßlich zur Abstellung des Übels, wenn nicht durch die angewendeten falschen, oft auch nur unvollkommen zum Ausdruck gelangenden Mittel eine neue Unbequemlichkeit, wenn nicht Schlimmeres hervorgerufen werden soll. Die Dame begnüge sich, aufmerksam, denkend zu reiten, um ihr Pferd und dessen eventuelle Unarten kennen zu lernen, dann wird sie auch bald dazu gelangen, denselben vorbeugen zu können, bevor sie zur Ausführung gelangt sind. Wie schon angeführt, suche die Dame stets nur ein Pferd ohne besondere Eigentümlichkeiten zu erwerben und es dann durch Fleiß und Aufmerksamkeit, durch Achten auf sich selbst und ihre eigenen Eigentümlichkeiten auf demselben Standpunkt zu erhalten.
Das Pferd ist zwar im allgemeinen kein mit hervorragenden Verstandesgaben ausgezeichnetes Geschöpf, immerhin darf man aber an seine Leistungsfähigkeit in körperlicher wie geistiger Beziehung schon ganz beträchtliche Anforderungen stellen. Vermöge seines vorzüglichen Gedächtnisses empfindet es Abneigung und Zuneigung sowohl mit bezug auf den Menschen, wie auf gewisse Handlungen, hat ein feines Verständnis für seine Behandlung und weiß sein Benehmen danach einzurichten.
Das erste Erfordernis ist demnach, das Pferd gut zu behandeln, und ängstlich zu vermeiden, ihm ohne Veranlassung einen Schmerz zuzufügen. Ein solcher darf, wenn man sich ein williges und gehorsames Pferd erhalten will, nur als Strafverfahren zur Anwendung gelangen, wenn andere Mittel erschöpft sind. Ungeschick und Ungeduld, letztere oft ein Ausfluß der Stimmung der Reiterin, machen das Pferd oft widersetzlich und schließlich unreitbar. Die Reiterin wird daher gut tun, nicht alles nur dem Pferde zuzuschreiben, was ihr an ihm unbequem ist, sondern sie hat sich zu prüfen, ob sie nicht selbst die Veranlassung dazu war. Wo eine wirkliche Ungezogenheit auftritt, die nicht aus Furcht vor äußeren Eindrücken hervorgerufen wurde, soll und muß energisch mit Sporn und Peitsche gestraft werden.
Am sichersten wird stets diejenige Dame reiten, welche es versteht, mit dem Pferde in einem Gleichgewicht und in einer Schwere zu verharren, was durch ein Eingehen auf jede Bewegung des Pferdes und ein Fortgehen mit demselben ermöglicht wird. Das Festhalten des Gesäßes auf dem Sattel ist dabei von besonderer Wichtigkeit, denn es vermittelt die Gefühlsverbindung zwischen Pferd und Reiterin. Zwischen diesen beiden Faktoren findet nämlich eine fortwährende Gefühlsäußerung und Gefühlsübertragung, gewissermaßen ein Hin- und Hertelegraphieren von Empfindungen statt, welche in den beiderseitigen Gehirnen auslaufen und daselbst in dem einen die Vorstellungen von der jeweiligen Willensmeinung des anderen hervorrufen, auf welche dann die Entschließung zur Befolgung oder Nichtbefolgung des jenseitigen Willens eintritt. Die erste Bedingung, welche die Reiterin zu erfüllen hat, wenn sie Herrin ihres Pferdes bleiben will, ist selbstverständlich die, daß sie stets mit ihm zu einem Ganzen verbunden bleibt, also unter allen Verhältnissen festsitzt. Der ruhige Sitz und die Erhaltung des Gleichgewichts bei jeder Bewegung des Pferdes geben der Reiterin erst die wahre Beherrschung des letzteren, indem sie ihr die Herrschaft über das kräftige Hinterteil und somit über das ganze Pferd sichern.
Wie im übrigen der Sitz der Dame zu Pferde sein soll, hat bereits seine Besprechung gefunden.
Unerläßlich ist ferner die weiche, stetige Führung des Pferdes. Dasselbe kann nur dann auf alle Hilfen, welche die Willensmeinung der Reiterin darstellen, reagieren, wenn es so am Zügel steht, daß die kleinste Handbewegung der Zügelfaust genügt, den Willen der Reiterin dem Pferde verständlich zu machen und diesen zur Ausführung gelangen zu lassen. Je mehr es der letzteren gelingt, durch die Unabhängigkeit ihres Sitzes von der Zügelführung dem Pferde jeden unmotivierten Ruck und Druck im Maule zu ersparen, um so eher wird es geneigt sein, allen Anforderungen zu entsprechen. Die Weichheit und Stetigkeit der Hand liegt in der Federkraft des Gelenkes. Daran scheitern nicht nur viele Reiter, sondern auch manche Damen, denn die Weichheit der Hand ist gleichsam angeboren, sie kann aber auch erlernt werden, wenn der sichere Sitz bereits gewonnen ist, bevor die Zügelführung geübt wird. Es ist ebenso unrichtig, die Zügel mit eiserner Faust zu halten, d. h. die Pferde mit ganz starker An- resp. Auflehnung zu reiten, wie im Gegensatz dazu das Reiten »ohne Zügel«, da die Anfängerin sehr oft glaubt, daß sie sich ehestens eine weiche Hand aneignet, wenn sie ihr Pferd mit hängenden Zügeln reitet. Erziehen sich jene die sogenannten Durchgänger (da das Pferd müde wird, den ewigen schmerzhaften Druck auf die Laden zu ertragen), so geht bei der letzteren Art und Weise die andressierte Haltung des Pferdes und damit das Gleichgewicht verloren. In der weichen Zügelführung auf der Basis sicheren, von der Zügelführung unabhängigen Sitzes beruht das Geheimnis der Reitkunst, sowohl bei den Herren wie bei den Damen. Jede Abnormität, jede Unsicherheit des Sitzes setzt sich durch die Zügel auf das Maul des Pferdes fort, verursacht diesem Schmerz und gibt dadurch Veranlassung zu irgend welchen Unzuträglichkeiten. Daß in bezug auf sicheren Sitz die Damen auf dem Damensattel den Männern gegenüber im Vorteil sind, dürfte einleuchtend sein, und das ist einer von den Hauptpunkten, warum ich gegen den Herrensitz der Damen plaidiere, welcher außerdem noch wegen des für diesen Zweck ungünstigen Körperbaues der Damen noch unsicherer ist, wie der der Herren.
Soll die Zügelführung normal sein, so dürfen die Zügel nur so fest anstehen, daß das Pferd ihre Wirkung fühlt, ohne sich auf das Gebiß fest aufzulehnen. Die ungefähr 15 cm vom Leibe aufgestellte Zügelfaust muß dabei notgedrungen eine fortwährende, vom Leibe nach dem Halse des Pferdes gerichtete federnde Bewegung machen und den willkürlichen wie unwillkürlichen Bewegungen des Pferdekopfes folgen, um sofort sanft wieder in die Grundstellung zurückzukehren. Die Regelmäßigkeit dieser Bewegung wird zur »stetigen Hand«, zu welcher das Pferd bald Zutrauen gewinnt.
Aus alledem ersehen Sie, schöne Leserin, daß das Reiten doch nicht ganz so einfach ist, wie Sie es sich vielleicht gedacht haben. Wählen Sie den Damensattel, so werden Sie sehr bald – sagen wir etwa in drei Wochen – zu einem leidlich sicheren Sitz mit ein wenig Reitergefühl gelangen können, – wählen Sie den Herrensitz, so werden kaum zwei Jahre ausreichen, um ein wirkliches Gefühl der Sicherheit auf dem Pferde zu erringen, ja vielleicht werden Sie es nie empfinden. Glauben Sie, daß es bei den Herren anders ist? Es gibt grade genug, denen man mit tiefer Überzeugung einen Damensattel empfehlen möchte – leider gibt es aber keine »Kavaliere«, welche auf diesen Ratschlag eingehen würden.
Wenn Sie, schöne Leserin, nunmehr mit sich einig geworden sind, daß nach allem, was hier ausgesprochen ist, der Damenreitsitz für Sie noch gewiß der praktischste und – ästhetischste ist, so treffen Sie Ihre Vorbereitungen. Wählen Sie Ihren Reitlehrer, studieren Sie, bitte, bitte, dieses Buch – Sie dürfen auch ein anderes nehmen, ich bin nicht eifersüchtig – recht eingehend, damit Sie in den Geist der Reitkunst ein wenig eindringen, – geben Sie Ihre Toilette in Auftrag. Für die einsamen Lektionen in der Bahn wird sich wohl vorläufig etwas aus Vorhandenem zusammenstoppeln lassen – und ziehen Sie es an. Vergessen Sie auch das notwendige neue, feste Arrangement des Haares nicht und setzen Sie den für die Bahn bestimmten Hut auf. Es braucht kein Zylinder zu sein, vielleicht ein steifer Filzhut, wie ihn die Herren tragen. Sie müssen sich einmal erst zu Fuß an alle diese Neuerungen gewöhnen, damit Sie zu Pferde davon nicht verwirrt werden. Sodann leihen Sie sich einen Damensattel und ein Kopfzeug aus. Den Sattel schnallen Sie auf irgend einem Bock fest – aber ja recht fest, – die Kandare befestigen Sie etwa 1 Meter vor demselben, so daß Sie die Zügel bequem handhaben können.
Nun rate ich Ihnen, einige Tage lang auf Viertelstunden in den Sattel zu steigen, um Ihren Körper an die Haltung auf demselben zu gewöhnen, natürlich nachdem der Bügel passend eingeschnallt ist. Sie werden gleichzeitig dabei sehen, ob Ihr Ajustement auch zweckentsprechend ist, ob nichts drückt oder kneift, ob alles recht bequem ist. In die linke Hand werden Sie dabei die Zügel nehmen, in der Art, wie es im nächsten Kapitel Ihnen mitgeteilt werden wird, – auch würden Sie gut tun, vom Sattel aus mit ruhigem Unterkörper – der Oberkörper darf nach allen Seiten bewegt werden – Ball zu werfen, wobei natürlich die Hauptsache ist, den Ball wieder aufzufangen. Die Zügel werden während des Ballspiels selbstverständlich fortgelassen. Wenn Sie in dieser Weise Ihre praktischen Studien beginnen, werden Sie in ruhig fortschreitender Weise sich bald einen guten und sicheren Reitsitz ohne besondere Unbequemlichkeiten angewöhnt haben.
Die Dame reitet ihr gut gerittenes Pferd meist nur auf Kandare, wobei die Trensenzügel herunter hängen, doch können dieselben auch mit anstehen. Zu diesen beiden Zügelführungen wird nur die linke Hand verwendet. Wird der Trensenzügel mit angefaßt, wozu Veranlassung vorkommen kann, z. B. um dem Pferde im Maul etwas Luft zu geben und die Kinnenkette etwas außer Wirkung treten zu lassen, so gelangt auch die rechte Hand mit zur Verwendung.
Die Stangen- oder Kandarenzügel werden mit der linken Hand folgendermaßen gehalten (Fig. 35):
Der vierte Finger wird von oben zwischen den rechten und linken Stangenzügel a und b hineingeschoben, darauf der die beiden Zügel zusammenhaltende Schieber bis an den Finger herangebracht und das herabfallende Ende c über den Zeigefinger gelegt. Der Trensenzügel dd wird mit seiner Mitte flach ohne Spannung darüber gelegt und nun dieser sowohl, wie das übrige Ende des Stangenzügels mit dem Daumen auf dem untersten Gliede des Zeigefingers festgedrückt, nachdem die vorschriftsmäßige aufrechte Stellung der Faust angenommen worden ist. Ist ein Schieber nicht vorhanden, so zieht man die Stangenzügel mit der rechten Hand, sie am zusammengenähten Ende c erfassend, so weit durch, bis man glaubt, daß sie richtig und gleichmäßig anstehen. Die Zügel müssen so in der Hand liegen, daß sie auf den untersten Fingergliedern ruhen. Will man den Trensenzügel mit anfassen (Fig. 36), so erfaßt die rechte Hand den rechten Trensenzügel a, von oben mit den ersten drei Fingern hineingreifend, und zieht ihn durch die linke Hand soweit durch, bis der linke Trensenzügel a ansteht, worauf man den rechten ebensoweit verkürzt und nun beide Fäuste gegeneinander in Entfernung von Faustbreite stehen läßt. – Lehnt sich das Pferd in den schnelleren Gangarten so auf den Zügel auf, daß die linke Hand ermüdet, so nimmt man auch wohl die rechte Hand und legt sie leicht auf die linke Hand, wodurch man dieser die Führung erleichtert.
Das Damenpferd soll, unter der Annahme, daß sein Hals und sein Kopf korrekt stehen, tief geführt werden, d. h. so tief, als dies der hochliegende rechte Schenkel der Dame es zuläßt. Keinesfalls aber darf die die Zügel führende Hand aufliegen. Sie wird so gehalten, daß der Daumen, welcher die beiden Zügel festhält, oben liegt, die Knöchel nach vorn, die zur Faust geballten Fingerglieder gegen den Körper. Das kann nur erreicht werden, wenn das Handgelenk etwas konkav nach innen gebogen und der Ellenbogen im rechten Winkel gekrümmt leicht über der Hüfte liegt. Die führende Hand wird dann, wie etwa im vorigen Kapitel erwähnt, richtig etwa 10-15 cm vom Körper entfernt stehen. Diese äußerlich konkave Krümmung des Handgelenks ist von besonderer Wichtigkeit, sie allein erzeugt die federnde, stetige Hand. Nachgeben, annehmen, alles nur aus dem Handgelenk! Steht das Handgelenk grade zum Unterarm, so wird die nötige Federung vom Ellbogen ausgehen müssen, was leicht zu einer harten, unnachgiebigen Hand führt, und ist das Handgelenk nach außen gar konvex durchgebogen, so muß die Federung vom Schultergelenk ausgehen, während die Ellbogen abgespreizt werden. Die moderne Renn- und Jagdreiterei hat allerdings derartige Bilder gezeitigt, – ich möchte aber jede Reiterin bitten, bei der alten Schule zu bleiben und jene »Mode« nicht mitzumachen, die grade für eine Dame höchst unschön aussieht.
Fig. 35.
Die Führung des Kandarenzügels.
Fig. 36.
Die Führung der Zügel mit beiden Händen.
a. linker Trensenzügel, d. rechter Trensenzügel, b. rechter Kandarenzügel,
c. linker Kandarenzügel, d. Ende des Kandarenzügels.
Wie die verschiedenen Stellungen der Hand auf das Pferdemaul wirken, ist bereits in dem Kapitel über die Zügelführung und -Wirkung gesagt worden. Alle diese Bewegungen müssen ruhig, weich, aber ausdrucksvoll gemacht werden, damit sie das Pferd versteht, dürfen aber niemals in ruckende oder reißende »Zügelhilfen« ausarten. Danach würde man durch Vorgehen mit der Hand dem Pferde Luft geben, um es entweder aus zu enger Zusammenstellung herauszubringen, oder um es – im Gange – etwas zu animieren. Ein gut gerittenes Pferd soll allerdings bei weicher Anlehnung an das Gebiß auch in der Zusammenstellung zu stärkerer Gangart auf Schenkelhilfen hin animiert werden können. Eine stärkere Krümmung des Handgelenkes nach innen schraubt das Pferd wieder in engere Zusammenstellung oder zwingt es zu mäßigerer Gangart bezw. zum Halten. Die Wirkung der schraubenförmigen Drehungen des Handgelenkes wird verstärkt durch Hereinnehmen oder Herausgeben des kleinen Fingers. Hat das Pferd der Zügelhilfe Folge gegeben, geht die Hand wieder in die ursprüngliche Stellung zurück.
Die Handstellungen der Hilfen für die Wendungen sind ziemlich kompliziert – ich sehe davon ab, sie hier näher zu beschreiben. Jedes gut gerittene Pferd wird in die Wendung treten, wenn die Reiterin die Gewichts-Hilfe (s. d.) dafür gibt, d. h. das Pferd auf derjenigen Seite mehr belastet, nach welcher sie wenden will, und dabei die Hand nach derselben (inneren) Seite verschiebt. Der innere Zügel verlängert sich dabei, während der äußere sich verkürzt. Diese konfuse Zügelhilfe hat aber keine irgend wie erklärbare Einwirkung auf das Pferd, die Hauptsache ist und bleibt die Gewichtsverlegung, welcher es folgt, während es auf die Zügelhilfe einfach dressiert ist. –
Von den Hilfen, welche zur Leitung des Pferdes erforderlich sind, hat die Reiterin die Gewichtshilfen und die Zügelhilfen kennen gelernt. Dazu kämen in dritter Linie bei der Dame die Hilfen mit dem Schenkel und – auf der rechten Seite – mit der Reitpeitsche, welche letztere allerdings ziemlich unvollkommen, den rechten Schenkel des Reiters ersetzen muß. Ein gut dressiertes Pferd wird aber auch diesen Hilfen folgen, welche bei dem Reiten der Herren die vornehmsten sind, während ich sie beim Damenreiten erst in die dritte Linie stellen kann. Sie dienen dazu, das Pferd ans Gebiß und vorwärts zu treiben, und wirken deshalb entgegengesetzt den Zügelhilfen, welche das Pferd zurückhalten. Diese Hilfen bestehen in weichem Anlegen des linken Unterschenkels an die Rippen bis zum Gebrauch des Sporns oder Hackens, auf der rechten Seite unterstützt vom Anlegen der Reitpeitsche bis zum Klopfen mit derselben.
Ein gut dressiertes Damenpferd wird diesen Aufforderungen stets Folge leisten.
Es gibt aber noch andere Hilfen.
Die Hilfen sind eben die Sprache, welche die Reiterin mit dem Pferde spricht, mittels derer sie ihm ihren Willen kundgibt; jede Bewegung, die sie das Pferd machen läßt, geschieht durch eine Hilfe. Zu den Hilfen gehört auch der Zungenschlag, auf welchen zu hören sich die Pferde sehr leicht gewöhnen, wenn sie etwas munterer treten sollen. Begütigendes Zureden, Streicheln mit der freien Hand wirkt entgegengesetzt, um Pferde zu beruhigen, wenn sie heftig oder furchtsam werden, ebenso mit der Zügelfaust über den Mähnenkamm fahren. Überhaupt lernt das Pferd sehr leicht die Sprache der Reiterin sowie ihr ganzes Wesen verstehen, woraus sich erklärt, daß eine solche oft sehr zufrieden mit einem Pferde sein kann, welches ein Herr nur mit Unbequemlichkeiten reitet.
Eine vorzügliche Hilfe, um das Pferd aufzurichten und für eine Wechselung in der Gangart vorzubereiten, ist das Vorwärtsschieben der Hüften mit leichter Zurückneigung des Körpers, dem die Zügelhand folgt. Hierdurch wird das Pferd aufmerksam gemacht, daß die Reiterin eine Anforderung an dasselbe stellen will. Derartige Gesäßhilfen sind von besonderer Wichtigkeit. Sie können nur durch die Praxis erlernt und begriffen werden, fallen oft mit den Gewichtshilfen (Verlegung des Schwerpunktes) zusammen und haben im Kapitel »Von den Gewichtshilfen« bereits ihre Besprechung gefunden.
Am elegantesten sind die Hilfen, wenn sie dem Auge des Zuschauenden unbemerkbar bleiben, wie denn überhaupt eine möglichst adrette und unbewegliche, aber ja nicht steife Haltung bei allen Touren stets das eleganteste und dem Auge erquicklichste Bild einer Reiterin abgibt.
Ein Pferd zu strafen sollte die nicht firme Reiterin so lange als möglich vermeiden, besonders, ehe sie beurteilen gelernt hat, ob das Pferd tatsächlich eine Strafe verdiente oder ob sie nicht selbst die Veranlassung zu einer Unart des Pferdes gewesen ist.
Die Strafe erfolgt da, wo die Hilfe nicht ausreicht und bereits in entschiedener Weise gegeben ist, also wenn das Pferd anfängt, ungehorsam zu werden.
Die Strafen liegen nur innerhalb der Hilfsmittel des Sporns und der Peitsche. Strafen mit dem Zügel sind ganz auszuschließen und aus naheliegenden, auch bereits angeführten Gründen gänzlich zu verwerfen. Die Strafen mit der Peitsche werden hauptsächlich da ihre Anwendung finden, wo das Pferd gegen den Schenkel oder Sporen widersetzlich wird. Ehe aber die Reiterin die Strafe, gleichviel ob mit Sporn oder Peitsche, anwendet, versichere sie sich ihres Sitzes, denn das Pferd macht gewöhnlich dabei irgend eine heftige, oft ganz unvorhergesehene Bewegung, die die unvorsichtige Reiterin leicht aus dem Sattel bringen kann, wodurch selbstredend das Übel verschlimmert wird.
Es erhellt daraus, daß die Reiterin dem Pferde den Sporn nicht mit abgespreiztem Bein geben darf, damit der Sitz nicht gefährdet wird. Der Spornstich darf das Pferd nur dicht hinter dem Gurt treffen. Die Reiterin muß die Fußspitze dazu so weit nach außen drehen, daß diese Hilfe oder Strafe richtig gegeben werden kann. Das Zurücknehmen des Schenkels, um dem Pferde den Sporenstich in der Achse der Fußhaltung zu geben, würde dasselbe in die Weichen treffen, wo es kitzlich ist, – demnach meist Opposition hervorrufen und mehr schaden als nützen.
Die Reitpeitsche wendet man auf des Pferdes rechter (oder linker) Schulter, und auf die rechten Rippen an.
Man darf mit der Peitsche ebenfalls nicht weit ausholen, damit dem Pferde die Strafe unbedingt überraschend kommt, dann aber muß kräftig und mit kurzem Ruck gestraft werden. Am besten reitet man mit einer nicht langen, aber kräftigen Reitpeitsche, welche bei einem Pferde, bei welchem man sich des Gebrauches der Peitsche versehen muß, am besten aufrecht in der rechten Hand getragen wird. Im übrigen kann die Reitpeitsche umgekehrt in die Hand genommen werden, d. h. mit der Spitze nach unten. Man hüte sich, das Pferd da zu strafen, wo es Furcht vor irgend etwas zeigt, weil dadurch nur eine Verschlimmerung des Übels eintreten würde. Dahingegen würde das Pferd bei Faulheit, wenn es die Hilfen nicht beachtet oder sich gegen die Reiterin widersetzt, zu bestrafen sein; besonders in letzterem Falle muß eine nachdrückliche Züchtigung erfolgen.
Das Anhalten, gemeinhin »Parieren« genannt, hat den Zweck, das Pferd aus irgend einer Gangart zum Stillstand zu bringen.
Um ein Pferd zu »arretieren« oder es anzuhalten, macht die Zügelhand eine leichte Bewegung nach oben, welche zur Versammlung des Pferdes dient; das Handgelenk dreht sich nach innen, der Oberleib nimmt eine leichte Neigung nach rückwärts ein und Schenkel und Reitpeitsche gehen etwas fester gegen die Rippen des Pferdes, wodurch dasselbe gezwungen wird, die Anhaltung auf der Hinterhand auszuführen. Dadurch wird die Vorhand entlastet, was hauptsächlich zu beachten ist. Je schneller die Gangart, aus welcher die Anhaltung erfolgen soll, um so kräftiger müssen auch die Hilfen, unter Rückbeugung des Oberkörpers sein, um die Anhaltung ganz mit der Hinterhand aufzufangen, doch empfiehlt es sich, nicht zu kurz anzuhalten, sondern aus dem Galopp erst zum kurzen Trab, eventuell auch zum Schritt überzugehen, und dann erst anzuhalten, wenn eine plötzliche Parade nicht unbedingt nötig erscheint. Will man nur die Gangart verändern, also beispielsweise aus dem Galopp in den Trab, oder aus dem Trab in den Schritt fallen, so gibt man die geschilderte Hilfe leichter, indem man nach erfolgter Veränderung den Schenkel sofort antreibend wirken läßt. Jede Zügelhilfe muß weich, wie schon mehrfach erwähnt, nie reißend oder ruckend sein, aber kräftig nachwirken.
Man bedient sich der halben Anhaltungen, um ein Pferd aus einer gestreckten Gangart, sei diese Galopp oder Trab, in ein gemäßigteres Tempo übergehen zu lassen oder auch, um es für eine stärkere Gangart vorzubereiten. Sie finden vorzüglich ihre Anwendung bei heftigen Pferden, welche sehr in die Zügel stürmen und ungern gemäßigte Gangarten gehen, und sind Verhaltungen des Ganges, welche zwar ähnlich wie die ganzen Anhaltungen gegeben werden, aber leichter, denn sie sollen das Pferd nicht zum Stillstehen bewegen, sondern nur seine Gehlust abschwächen. Sie dürfen nie ruckweise erfolgen, sondern haben wie die Paraden in einem schraubenartigen Annehmen und Nachgeben mit der Zügelhand zu bestehen, wobei Schenkel und Reitpeitsche in Aktion zu treten haben, damit die Anlehnung an das Gebiß nicht verloren geht. Wie die halben Anhaltungen ein Hauptmittel bei der Dressur bilden, um das Pferd auf die Hinterhand zu bringen, beizuzäumen und aufzurichten, dasselbe also ins Gleichgewicht zu setzen, so dienen sie auch dazu, das dressierte Pferd in demselben zu erhalten, wodurch es in Haltung und stet im Maule bleibt.
Pferde, die sich verhalten oder widerspenstig sind, resp. hinter die Zügel kriechen, bedürfen dieser Zügelhilfen nicht, sondern sind mit stets animierendem Schenkel zu reiten und gegen das Gebiß zu treiben.
Die Wendungen werden auf der Stelle und im Gange ausgeführt. Die Wendungen auf der Stelle können auf der Vorhand, auf der Mittelhand oder auf der Hinterhand geschehen. Die Wendung geschieht auf der Vorhand, wenn das Pferd sich so dreht, daß Mittel- und Hinterhand einen Kreisbogen um das Pivot der Vorderbeine beschreiben, – auf der Mittelhand, wenn der Drehpunkt unter der Reiterin, und auf der Hinterhand, wenn er zwischen den Hinterbeinen liegt. Um das Pferd im Stand die Wendung auf der Vorhand machen zu lassen, versammelt man dasselbe, die Zügelfaust bleibt in ihrer Lage, während zur Wendung links die Reitpeitsche, zur Wendung rechts der Schenkel klopfend wirken. Der Körper verlegt das Gewicht ein wenig nach jener Seite hin, wohin die Wendung erfolgen soll. Die Wendung auf der Hinterhand, die man, wenn sie im Gange ausgeführt wird, kurz Kehrt nennt, ist die für die Praxis anwendbarste. Hierbei wirken der innere Schenkel bezw. die Reitpeitsche nur gegenhaltend, während der äußere Schenkel bezw. die Reitpeitsche durch stärkeres Pressen oder Klopfen das Pferd zum Herumtreten um seine Hinterbeine bewegt, indes die Zügelfaust durch Seitwärtsschieben das Pferd herumführt. Vorbereitet hierzu wird das Pferd durch die Übung des »Schenkelweichens.«
Im Gange macht man die Wendung nicht scharf, sondern in einer Kurve. Die Zügelfaust bewegt sich in der eben beschriebenen Weise, die Last des Oberkörpers neigt sich ein wenig nach der zu wendenden Seite hin, Schenkel und Reitpeitsche wirken, wie oben angegeben, entgegenhaltend bezw. stärker pressend oder klopfend.
Für die Wendung im Galopp sei noch bemerkt, daß das Pferd im Rechtsgalopp nur rechts, im Linksgalopp nur links gewendet wird. Will die Reiterin, welche meist nur Rechtsgalopp reitet, die Linkswendung machen, so muß sie zuerst das Pferd zum Schritt parieren und nach ausgeführter Wendung wieder in den Rechtsgalopp einsprengen, oder die Wendung (im Renversgalopp) in ziemlich großer Kurve ausführen.
Es handelt sich hier darum, zu erläutern, wie das Pferd in die betreffende Gangart gesetzt und darin erhalten wird.
Um im Schritt (Fig. 37) anzureiten, senkt die Reiterin etwas die Zügelhand und treibt das Pferd durch einen leichten Druck mit dem Schenkel vorwärts. Sie hat darauf zu achten, daß das Pferd den Kopf leicht an das Gebiß stellt und den Hals aufrichtet, wodurch das Gleichgewicht hergestellt und das Pferd in gleichmäßigem Schrittempo erhalten wird.
Träge Pferde werden unter Zuhilfenahme der Reitpeitsche auf der rechten Seite mit energischem, bis zum moderierten Gebrauch des Sporns sich steigernden Hilfen zu munterem Schritt angetrieben; heftige Pferde aber, die vorwärtsdrängen und leicht ins Trippeln fallen, müssen bei weicher Führung stetige halbe Anhaltungen erhalten, während der Schenkel regungslos bleibt und nur das Gesäß auf die Hinterhand einwirkt.
Fig. 37. Der Promenadenschritt.
Das Zurücktreten, welches in der Praxis oft Verwertung findet, wird dem nicht dressierten Pferde sehr schwer; in der Dressurperiode braucht man es, um das Pferd auf die Hanken zu setzen. Vor dem Zurücktreten versammelt die Reiterin das Pferd, die Hand senkt sich etwas, dreht sich schraubenartig, bis der kleine Finger gegen den Leib kommt, Schenkel und Reitpeitsche geben eine leichte Hilfe, das Gewicht wird etwas nach rückwärts verlegt. Nach drei bis vier Schritten Rückwärtstreten gibt man wieder Luft, das Manöver in dieser Weise fortsetzend, es jedoch nicht über zehn bis zwölf Schritte ausdehnend, da sonst der Zweck verloren geht und das Pferd leicht widersetzlich würde. Will dasselbe mit der Kruppe ausweichen, so legt man den Schenkel bezw. die Reitpeitsche an der betreffenden Seite etwas fester an, wodurch es wieder auf die gerade Linie zurückgebracht wird. Man hat darauf zu achten, daß das Pferd dabei nicht hinter die Zügel kriecht und von selbst zurückeilt, wobei das Gleichgewicht verloren geht. Das Pferd muß stets auf die Hilfen warten; wenn es dies nicht tut, sondern ohne die Hilfe zurückeilt, so wirken Schenkel und Peitsche wieder vorwärtstreibend. Das Zurücktreten wird auch als Strafe bei Pferden angewendet, die sich sehr auf die Vorhand legen oder in den Hanken steifen, um sie wieder ins Gleichgewicht zu setzen, eventuell auch bei anderen Ungezogenheiten.
Der regelmäßige Trab ist die wichtigste Gangart des Pferdes, weil jedes Bein hierbei infolge seiner gleichmäßigen Schenkelordnung die gleiche Schwere zu tragen hat, die Beweglichkeit aller Muskeln, Sehnen und Gelenke dabei am zweckmäßigsten entwickelt und für schwierige Gänge und Übungen vorbereitet wird. Auch für die Reiterin ist der Trab, abgesehen von dem schnellen und sicheren Fortkommen, eine gesunde und stärkende Bewegung, und an ihm bildet sie vorzugsweise Haltung und Gleichgewicht. Man teilt den Trab ein in kurzen, Mittel- und gestreckten Trab. Fehlerhaft gebaute Pferde sind nicht immer imstande, diese Regelmäßigkeit innezuhalten, z. B. solche mit langem Rücken können nicht weit genug vorgreifen, sehr kurze oder schwachrückige Pferde greifen zu weit hinaus, bevor noch der Vorderfuß den Platz verlassen hat, und hauen sich dann an die Vordereisen oder in den Ballen, was man Greifen nennt.
Fig. 38. Der englische Trab.
Der Trab ist die einzige Gangart, in welcher das Gesäß den Sattel verläßt, um sich nach den Tritten des Pferdes werfen zu lassen. Er ist deshalb für die Anfängerin ebenso angreifend wie belehrend, da nur in ihm die Sicherheit des Sitzes erreicht werden kann. Ehe sich jedoch der Körper daran gewöhnt hat, den regelmäßigen Stoß zu ertragen, tritt eine allgemeine Schmerzhaftigkeit sämtlicher Muskeln ein, besonders auch Brustschmerz. Die Dame bedient sich daher fast immer bei regelmäßig trabenden Pferden gern des sogenannten englischen Trabes, besonders bei Pferden, die stark werfen und die man deshalb Hochtraber nennt. Der englische Trab (Fig. 38) besteht darin, daß man den Vortritt des einen Hinterfußes im Bügel stehend, auffängt, und erst bei dem Vortritt des andern Hinterfußes sich wieder leicht auf den Sattel fallen läßt. Der Körper nimmt dabei eine leichte Neigung nach vorn an, doch ist ganz besonders darauf zu achten, daß die Schultern in der Querachse des Pferdes bleiben, weil sonst eine drehende Bewegung von den Hüften aus eintritt, die weder schön ist noch vorteilhaft aussieht. Die Bewegung des englischen Trabes darf keineswegs etwa durch festes Aufstützen auf den Bügel und durch Heben des Oberkörpers erzwungen werden, sondern muß aus der Bewegung des Pferdes selbst hervorgehen. Hat die Reiterin sich schon einigermaßen an den Sitz auf dem Sattel und die Bewegungsart des Pferdes gewöhnt, so wird sich die Art des Englischtrabens ganz von selbst ergeben. Ein regelmäßig tretendes Pferd wird die Reiterin geradezu dazu auffordern, sich dieser Methode des Trabsitzes zu bedienen, welche nicht angreift und in der man lange verharren kann – vorausgesetzt, daß man sich nicht hineinzwingt. Die Ballenfläche des Fußes muß dabei regungslos auf der Trittfläche des Steigbügels verharren, während das Knöchelgelenk in steter Bewegung bleibt. Lose, locker muß der ganze Körper dabei bleiben. Es sei bemerkt, daß es keine Gangart gibt, welche die elegante, geschmeidige Reiterin so angenehm in die Erscheinung treten läßt, als gerade diese, und vorteilhafter kann sich keine Reiterin präsentieren, als in dieser Art des Reitens – notabene, wenn sie diese Methode vollständig beherrscht.
Um auf gerader Linie aus dem Schritt in den Trab überzugehen, stellt man sich das Pferd in die Hand, entlastet es dann vorne durch eine leichte Körperneigung nach rückwärts, indem mit Schenkel und Reitpeitsche die vortreibenden Hilfen gegeben werden. Damen, welche ihr eigenes Pferd reiten, können es auch leicht an den Zungenschlag gewöhnen. Die Zügelhilfen dürfen jedoch nie fehlen, denn es ist durchaus notwendig, daß das Pferd die vortreibende Hilfe aus der Zusammenstellung, d. h. dem Gleichgewicht erhält. Wird das Pferd kürzer und fauler, so wird es durch die bekannten Schenkel- bezw. Peitschenhilfen zum fleißigen Treten animiert, wird es länger, als erwünscht, so kommen die ebenfalls bereits bekannten Zügelhilfen zur Anwendung.
Fig. 39. Der Galopp.
Der Galopp (Fig. 39) ist diejenige Gangart, die für die Reiterin am bequemsten ist, in welcher sie sich sehr elegant präsentiert, welche daher von ihr am meisten bevorzugt werden wird und in der das Pferd seine größte Schnelligkeit, wenn auch nicht seine größte Ausdauer, entwickeln kann.
Je nach der Geschwindigkeit hat man den kurzen oder Paradegalopp und den verstärkten Galopp, der sich wieder bis zu der Karriere oder dem Rennlauf entwickeln kann.
Die Bewegungen des Galopps sind, wenn das Pferd in Haltung ist, wiegend und angenehm, für lange Strecken jedoch für das Pferd angreifender als der Trab, weil seine Lungentätigkeit dabei eine bedeutend erhöhte ist, auch seine Beine nicht wie beim Trab, gleichmäßig zur Aktion kommen, weshalb der Galopp beim Tourenreiten nur in Abwechslung mit den anderen Gangarten zur Anwendung gelangen darf. Neuerdings wird allerdings behauptet, daß der Galopp das Pferd weniger angreife als der Trab. Um dem Pferde den Galopp zu erleichtern, muß man durch Verlegung des Schwerpunktes auf die Hinterhand, also durch eine besonders aufgerichtete bezw. sogar etwas nach rückwärts geneigte Haltung des Oberkörpers, die Vorhand möglichst entlasten, damit das Pferd im Vorwärtssprung nicht behindert wird.
Das Ansprengen in den Galopp kann aus dem Stand, dem Schritt und dem Trab geschehen; die Hilfe dazu ist dieselbe, doch muß das Pferd stets vorher dazu versammelt werden. Um rechts anzusprengen, verlegt die Reiterin ihr Gewicht zunächst auf die innere (rechte) Seite und macht hier das Pferd weich, indem sie es an den äußeren Zügel und Schenkel – eventuell unter Zuhilfenahme der Trensenzügel – heranarbeitet, wodurch der äußere (linke) Hinterfuß durch den hinter dem Gurt liegenden (linken) Schenkel veranlaßt wird, unter das Gesäß zu treten. Wenn die Reiterin dann den Kopf des Pferdes eventuell unter Zuhilfenahme des rechten Trensenzügels so weit rechts stellt, daß sie das rechte Auge desselben schimmern sieht, gleichzeitig mit dem (linken) Schenkel eine antreibende Hilfe, vielleicht auch noch einen Zungenschlag gibt, so wird das Pferd stets richtig anspringen. Diese bei der Kavallerie eingeführte Praxis ist zwar rationeller als die gebräuchliche Methode, vorläufig aber für die Dame schwerer zu erlernen. Nach der letzteren versammelt die Dame ihr Pferd mit Zügel und Schenkel, stellt den Kopf desselben analog rechts, und gibt ihm mit der Gerte eine leichte Hilfe auf die rechte Schulter. Jedes Damenpferd ist voraussichtlich auf die hier angegebene Methode dressiert und wird demnach auch dieser Hilfe Folge leisten. Fühlt die Reiterin, daß das Pferd wieder in den Trab fallen will, so wird die Hilfe, event. verstärkt, wiederholt. Zum Linksanspringen wird analog verfahren, obwohl die meisten Damen nur ungern links Galopp reiten. Um das Pferd wieder in Trab oder Schritt zu setzen, werden die Zügel schärfer angenommen, Schenkel und Peitsche pressen gleichzeitig etwas kräftiger gegen, während der Körper wieder eine leichte Rückwärtsneigung annimmt. Man zwingt dadurch das Pferd zum Unterschieben der Hinterhand, um auf dieser zu parieren, schont demnach die Vorhand. Das Bewahren des Gleichgewichts auch in dieser Gangart gibt der Reiterin Sicherheit und elegantes Aussehen und schont das Pferd.
Um aus dem kurzen Galopp, mit dem man bei den ersten Sprüngen der Versammlung des Pferdes wegen stets zu beginnen hat, in ein stärkeres Tempo überzugehen, gibt man dem Pferde etwas mehr Luft im Maul, ohne die Anlehnung des Gebisses, die hier von besonderer Notwendigkeit ist, dabei zu verlieren, und läßt den Schenkel etwas vermehrt wirken. Um wieder kürzer zu werden, bringt man sich das Pferd in angeführter Weise durch Schenkel, Peitsche und Zügel wieder mehr in die Hand, eine leichte Rückwärtsneigung mit dem Körper einnehmend, läßt dann das Pferd in den Trab und schließlich in den Schritt fallen. Kurze und plötzliche Paraden aus schnellen Gangarten sind, wie schon angeführt, möglichst zu vermeiden, da sie bei nicht ganz sicherem Sitz leicht ein Einbüßen desselben zur Folge haben, auch dem Pferde verhängnisvoll werden können.
Die Wechselung des Galopps von einer Hand auf die andere kann ebenfalls bei vollständiger Versammlung des Pferdes ausgeführt werden. In dem Augenblick, wo eine Wechselung ausgeführt werden soll, stellt man – wie oben angegeben – das Pferd auf die andere Hand, der Schenkel geht hinter den Gurt, während die Peitsche durch eine klopfende Hilfe auf die rechten Rippen das Pferd zum Wechsel animiert. Die Hilfe tritt in dem Augenblick ein, wo das Pferd die Vorderbeine zum Weitersprung anhebt, die Hinterbeine sich demnach noch unter dem Leibe befinden. Wenn die Reiterin, ohne dabei ihr Gleichgewicht zu verlieren, und ohne zu reißen oder zu rucken, die Hilfe richtig gibt, so wird das gut dressierte Pferd sofort die Wechselung ausführen.
Ich habe das hier mit angeführt, weil es in der Praxis vorkommen kann. Im allgemeinen wird jedoch – schon weil die Dame wenig links Galopp reitet – nicht viel Gebrauch davon gemacht.
Die Angewohnheit mancher Pferde, auf zwei Hufschlägen zu galoppieren, d. h. mit dem Hinterteil auszuweichen, darf nicht durchgelassen werden. Schenkel und Reitpeitsche haben durch geeignete Hilfen dem entgegenzutreten.
Auch des Kreuzgalopps, einer falschen und gefährlichen Gangart, wäre noch Erwähnung zu tun, und welche keineswegs durchgelassen werden darf. Derselbe besteht darin, daß das Pferd vorn rechts, hinten links – oder umgekehrt – galoppiert. Abgesehen davon, daß dabei leicht ein Sturz eintreten kann, wird die Dame bei jedem Sprung eine unangenehme Erschütterung im Körper verspüren, welche ihren Sitz stört. Manche Pferde springen in den Kreuzgalopp ein, wenn sie unvorbereitet, d. h. ohne vorherige Zusammenstellung zum Galopp animiert werden. In solchem Falle muß das Pferd sofort pariert werden, um es aus der Versammlung mit den korrekten Hilfen wieder in den Galopp zu setzen.
Das Pferd darf sich im Galopp keineswegs auf die Hand auflegen, es muß leicht an derselben stehen. Bei jedem Galoppsprung muß man daher etwas Luft geben – unmerklich – und jeden Niedersprung ebenso unmerklich wieder aus der Hand weich auffangen. Dadurch behält das Pferd ein frisches Maul und wird nicht fest werden.
Bei der Karriere empfiehlt es sich, den Trensenzügel mit anzufassen und das Pferd so tief, als es der Dame eben möglich ist, zu führen, damit es seine Rückenmuskeln gebrauchen kann. Man muß jeden Augenblick fühlen, daß das Pferd nicht fest wird, um nicht die Herrschaft über dasselbe zu verlieren. Bei jedem Vorwärtssprung ist Luft zu geben, bei jedem Niedersprung eine weiche halbe Anhaltung, unterstützt durch das Gesäß, welches beim Vorsprung die Vorwärtsbewegung mitmachen, aber niemals den Sattel verlassen soll. Dabei muß der Oberkörper möglichst seine senkrechte Stellung beibehalten. Beim Kürzerwerden aus dieser Gangart pflegen viele Pferde hart zu prellen, weshalb der Sitz besonders fest zu halten ist, ebenso wie dabei eine leichte Rückwärtsneigung des Körpers stattzufinden hat. Man muß bei der Karriere mit Sitz und Zügelführung besonders vorsichtig sein, weil manche Pferde, welche nicht vollkommen in Haltung sind, in dieser Gangart sich festmachen und durchgehen wollen eventuell auch mit tiefgenommenem Kopfe hinten ausschlagen. Man hat sich dabei besonders des Hinterteils zu versichern, muß aber auch auf das Terrain achten, denn ein Fehltritt kann bei der Schnelligkeit der Bewegung für Pferd und Reiterin verhängnisvoll werden.
Nach Beendigung der Karriere-Reprise muß das Pferd so lange in ruhiger Gangart bewegt werden, bis die Lungen wieder in ihre gewöhnliche Tätigkeit versetzt sind, wenn man einer eventuellen Erkrankung des Pferdes vorbeugen will.
Die Seitengänge dienen dazu, um dem Pferde die Schulter freizumachen und es in den Rippen und Hanken zu biegen. Sie müssen deshalb, besonders nach Beendigung der Sommerkampagne, geübt werden, um das Pferd wieder auf den alten Standpunkt zu bringen. Wie bei den besprochenen natürlichen Gangarten das Pferd auf einem Hufschlag geht, so tritt dasselbe bei den Seitengängen, hervorgerufen durch schräge Vorwärtsbewegung, zwei Hufschläge nebeneinander, von denen der eine von den Vorderbeinen, der andere von den Hinterbeinen herrührt. Um die Kopfstellung richtig zu bewirken, wird der Trensenzügel mit angefaßt.
Je nach der Stellung des Kopfes und der Biegung der Rippen teilt man die Seitengänge ein in:
Schulter herein: nach innen gestellter Kopf, die Vorhand in die Bahn, die Hinterhand auf dem äußeren Hufschlag, wobei die inneren Extremitäten die äußeren überschreiten müssen.
Renvers: Vorhand auf dem inneren Hufschlag, Kopf nach außen gestellt; die inneren Extremitäten überschreiten die äußeren.
Travers: nach innen gestellter Kopf, die Vorhand auf dem äußeren, die Hinterhand auf dem inneren Hufschlag; die äußeren Extremitäten überschreiten die inneren.
Kontra-Schulter herein: Kopf nach außen, die Vorhand auf dem äußeren, die Hinterhand auf dem inneren Hufschlag, die äußeren Extremitäten überschreiten die inneren.
Man hat dabei hauptsächlich zu beachten, daß das Gewicht nach der inneren Seite verlegt wird, daß man dem Pferde den Kopf nicht weiter herumstellt, als bis man das betreffende Auge schimmern sieht, und endlich, daß das Pferd sich in nicht größerer als in einer Sechszehntel- bis Achtelwendung vorwärts bewegt. Der treibende innere Schenkel (bezw. die Peitsche) geht leicht heran, das Pferd durch fortwährendes Drücken (bezw. Klopfen) zum Vorwärtstreiben animierend, während der entgegengesetzte äußere Schenkel (bezw. die Peitsche) das zu weite Ausweichen mit dem Hinterteil verhindert. Die Seitengänge werden im Schritt und im kurzen Trab geritten, sehen bei richtigem Sitz und guter Führung sehr elegant aus und erhalten das Pferd gehorsam und geschmeidig.
Fig. 40. Der Rennlauf.
Unter welchen Modifikationen die Seitengänge nur nützlich wirken können, soll noch kurz erörtert werden. Ist die Seitwärtsstellung des Pferdes zu stark, so daß die dafür erforderliche Biegung der Wirbelsäule nicht angenommen werden kann, so tritt der Hinterfuß derjenigen Seite, nach welcher sich das Pferd bewegt, nicht unter die Last, sondern seitwärts derselben. Indem er sich so der Belastung und damit der Biegung entzieht, wird er nicht nur nicht bearbeitet, sondern gibt dem Pferde sogar das beste Mittel, sich den Einwirkungen der Reiterin zu entziehen, denn alle Widersetzlichkeiten beginnen mit dem Seitwärtstreten des Hinterfußes. Solange man aber das Pferd – auch in der Biegung – gerade erhalten kann, ist es im Gehorsam.
Um nicht unvollständig zu sein, habe ich die Seitengänge hier mit angeführt, obwohl sie von der Anfängerin nicht geritten werden können. Dazu gehört schon eine ganz tüchtige Reiterin, und dieser wieder brauche ich nicht zu sagen, wie die Seitengänge geübt werden und wie die Zügelführung dabei ist.
Springen ist nicht so schwierig, selbst nicht für die noch nicht firme Reiterin, wenn die Vorstudien dafür richtig eingeleitet sind. Wert und Bedeutung wird das Springen allerdings erst gewinnen, wenn die Reiterin Jagd reitet. Vorher aber muß es eingeübt und studiert werden. Auch schon des Pferdes wegen, denn jedes Pferd springt anders, auch muß jede Reiterin wissen, nicht nur wie sie sich selbst dabei zu verhalten hat, sondern auch, wie ihr Pferd springt und ob dasselbe grundsätzlich kein Hindernis scheut. Letzteres ist außerordentlich wichtig – andererseits kann ein Unglück eintreten. Für nicht fertige Reiterinnen sind beim Anreiten an das Hindernis alle Einwirkungen auf das Pferd gefährlich, indem dieselben, nicht im richtigen Moment gegeben, dasselbe stören und verwirren müssen. Dreistes Heranreiten, gleichmäßige Anlehnung und Hintenheruntersitzen – dann aber gewähren lassen, ist für die mittelmäßige Reiterin das Beste.
Fig. 41. Der Hochsprung.
Beim Anreiten an ein Hindernis, ob Graben oder Hürde, muß dem Pferde mit Schenkel und Peitsche ordentliche Anlehnung an das Gebiß gegeben werden, damit es nicht ausbricht und dabei eine kurze und heftige Wendung macht, oder durch Stutzen auf den Vorderfüßen kurz vor dem Hindernis die Reiterin aus dem Sattel schleudert. Durch den Absprung bekommt die Reiterin einen Stoß, der sie vorwärts resp. auf den Hals wirft, wenn sie nicht ihr ganzes Gewicht auf die Hinterhand verlegt hat. Der Niedersprung ist mit einer Rücklehnung des Körpers auszuführen und das Pferd, dem sofort nach dem Absprung Luft gegeben wurde, wieder mit dem Zügel aufzufangen. Zum Anreiten an ein Hindernis, sei dieses ein Graben zum Weitersprung oder eine Barriere, Hürde etc. zum Hochsprung, bedient man sich am besten des kurzen Galopps, um das Pferd recht versammelt zu erhalten; in der Karriere anzureiten, wenn es nicht die Notwendigkeit erfordert, vermeide die noch in der Lehrperiode befindliche Reiterin lieber.
Um das Pferd an den Sprung zu gewöhnen, muß man mit ganz niedrigem Barriere- oder Stangensprung anfangen und ganz allmählich die Anforderungen steigern, doch darf man in einer Lektion nicht so oft springen, daß das Pferd ermüdet, da dies am ehesten Unlust zum Springen erzeugt. (Fig. 41, der Hochsprung.)
Fig. 42. Der Weitsprung.
Zum Üben des Sprunges über den Graben (Fig. 42, der Weitsprung), wähle man anfangs schmalere Gräben mit festen Rändern, weil Einbrechen das Pferd oft auf längere Zeit hinaus widerwillig macht. Während des Sprunges überlasse man das Pferd sich selbst, damit es sich an die Abmessung der Gräben und die dafür aufzuwendende Kraft gewöhne. Bei vielen verschiedentlichen Hindernissen, die kurz aufeinander folgen, gebe man dem Pferde etwas Zügelfreiheit, daß es seinen Hals dehnen und für den demnächst auszuführenden Sprung selbst seine Dispositionen treffen kann.
Unter den vielen Gründen, welche gegen das Reiten der Damen im Seitsitz angeführt wurden, war auch der, daß die Reiterin nicht allein bezw. ohne Hilfe das Pferd besteigen könne. Im allgemeinen ist das ja richtig, wenn auch eine gewandte, im Turnen geübte Reiterin wohl imstande sein wird, wenigstens von einer Erhöhung, z. B. einem Tritt oder Stuhl aus, allein aufs Pferd zu gelangen, d. h. wenn dasselbe gehalten wird. Unterwegs allerdings und allein wird die Reiterin nur ausnahmsweise imstande sein, in den Sattel zu gelangen.
Fig. 43.
Das Ordnen des Reitkleides und Aufschieben des Steigbügels.
Die gebräuchlichste Manier, und, sagen wir auch die kavalierste, ist diejenige, daß der die Dame chaperonierende Herr die Dame in den Sattel hebt. Es geschieht das bei uns so, daß sich die Dame mit der Front nach vorn, die rechte Schulter gegen das Pferd neben dieses stellt, die rechte Hand auf das obere Horn legt, mit der linken Hand das Kleid lüpft und sie dann auf die linke Schulter des Herrn legt, worauf sie mit dem linken Fuß in die verschränkten Hände ihres Kavaliers tritt. Indem sie nun sich mit dem rechten Bein vom Boden leicht abstößt, das linke Knie streckt, während der Herr die süße Last erhebt, wird sie auf diese Weise auf den Sattelsitz geworfen. Hier legt sie sofort das rechte Bein über die Gabel, während der Herr den Bügel über den linken Fuß streift und das Reitkleid zurecht zieht. (Fig. 43.) Es soll aber nicht unausgesprochen bleiben, daß beiderseitig eine besondere Geschicklichkeit dazu gehört, dieses Manöver auszuführen, bei welchem dem Herrn oftmals eine ziemlich unbequeme Rolle zuerteilt ist. Seitens des schon mehrfach erwähnten Reitmeisters James Fillis wird denn diese Art, d. h. daß die Dame den linken Fuß zum Aufheben gibt, statt den rechten, beanstandet.
»Zu meinem Bedauern«, sagt derselbe, »sehe ich mich genötigt zu erklären, daß die Dame – um sich in den Sattel zu setzen – gewöhnlich das Gegenteil von dem tut, was erforderlich ist: sie setzt den linken Fuß in die ihr zum Hinaufheben dargereichten Hände und schwingt sich – indem sie den Körper nach vorwärts hinaufschnellt – mit dem rechten Fuß so ab, daß sie sich auf dem linken Fuß erheben kann. Es folgt daraus, daß ihre ganze Körperlast plötzlich auf die ihr als Tritt dienende Hand zurückfällt, und daß die Bewegung, die sie nach vorwärts macht, den Herrn unvermeidlich nach rückwärts wirft und ihn so von der Schulter des Pferdes entfernt. Sie sollte im Gegenteil – während sich ihr linker Fuß in den Händen des Herrn befindet – sich nur des rechten Beines zu einem leichten Abstoß bedienen, welcher dem Knie die nötige Spannung erlaubt, und sollte dabei den Körper recht gerade – eher noch etwas nach rückwärts geneigt – halten. Diese ist eine der einfachsten Bewegungen; sie ist genau diejenige, welche man ausführt, um eine etwas hohe Treppenstufe zu ersteigen. Die Reiterin soll nicht durch einen Sprung sich zu erheben suchen; ihr ganzer Kraftaufwand soll sich darauf beschränken, das linke Knie herauszustrecken, daß das Bein vollständig gerade wird und so bleibt, indem das Kreuz seine recht gerade Haltung beibehält. Sie sollte sich endlich mit den Armen helfen; die linke Hand auf die Schulter des Herrn gestützt, die rechte auf das obere Horn. (Fig. 44.) Indem sie so verfährt, wird sie ganz gerade unter dem Einfluß der tragenden Hände aufsteigen und ungezwungen im Sattel Platz nehmen, ihren Sitz dabei ein wenig nach rückwärts verlegend. Sie selbst soll nicht versuchen, das Pferd zu erreichen. Der Herr soll sie auf den Sattel heben, sie soll sich nur darauf zurechtsetzen. Wenn die Reiterin in den Sattel springen will, stößt sie gewöhnlich schon dagegen, bevor sie über ihm schwebt, und fällt dann auf den Herrn zurück.
Fig. 44. Aufsetzen mit dem rechten Fuß.
Ich muß hinzufügen, daß es überhaupt eine schlechte Gewohnheit der Reiterinnen ist, den linken Fuß zu geben. Das ist alter Brauch, dessen Ursprung und Fortdauer ich mir nicht erklären kann. Es ist doch Tatsache, daß die Dame, wenn sie beim Aufsitzen den linken Fuß darbietet und in der Schwebe ist, das Gesäß von vorn nach rückwärts und von links nach rechts bringen muß, während der Herr eine Bewegung von rückwärts nach vorwärts und von rechts nach links macht; das ist doch eine doppelt verkehrte Haltung. Wenn hingegen die Dame ihren – dem Pferde zunächst befindlichen – rechten Fuß gibt, genügt ein kleiner Abstoß des linken Fußes und das Ansteifen des rechten Knies, um sich ganz ungezwungen längs des Sattels hochzuziehen und – ohne die geringste Verschiebung – sich sofort richtig auf demselben zu befinden. Versuchen Sie, meine Damen, auf diese Weise und ohne Vorurteil acht Tage hindurch, und ich bin sicher, daß Sie diese Art aufzusitzen annehmen werden.
Einmal im Sattel, soll die Reiterin sofort und ohne sich lange mit dem Ordnen des Reitkleides aufzuhalten, ihr rechtes Bein um das obere Horn legen. Dieses ist das einzige Mittel, einen Fall zu vermeiden, wenn das Pferd einen Seitensprung machen sollte. Ich behaupte sogar, daß die Hände des Herrn erst dann die Füße der Dame loslassen sollen, wenn das rechte Bein sicheren Halt gefunden hat.
Fig. 45. Absitzen.
Um abzusteigen, läßt die Reiterin den Bügel los und reicht die linke Hand dar, nimmt dann das rechte Bein aus der Gabel, gibt die rechte Hand und läßt sich – wenn sie so auf dem Sattel sitzt – ohne zu springen heruntergleiten, indem sie die Arme ein wenig anspannt (Fig. 45). Sie muß auf die Fußspitzen fallen und dabei die Kniee beugen, um so jeden Stoß zu vermeiden. Es ist nicht überflüssig, dies anzuempfehlen, denn nach einem etwas langen Ritt sind die Beine oft steif und ungelenk.
Ich wiederhole, daß die Dame ihre Hände geben und nicht springen, sondern heruntergleiten soll. Sehen Sie doch, wie es am häufigsten geschieht: die Dame wirft sich förmlich vom Sattel herunter, der Herr fängt sie auf, sie dabei in der Taille umfassend, und läßt sie, wenn er sie nicht mit steifem Arme halten kann, an seinem Körper entlang gleiten. Das ist weder angenehm, noch schön, sondern unpassend.«
Fig. 46. Richtige Länge des Bügels. |
Fig. 47. Zu langer Bügel. |
Dem Verpassen des Bügels sind an dieser Stelle noch einige Worte zu widmen. Es kommt darauf an, daß der Bügelriemen genau der Länge des Unterschenkels gemäß, bezw. mit der Dicke des Oberschenkels über dem Knie entspricht, daß er also weder zu lang, noch zu kurz ist, – denn dieser einzige Bügel gibt der Dame den Stützpunkt. (Fig. 46, richtige Länge des Bügels, bei welcher einige Zentimeter Luft sich zwischen Bein und Horn befinden.) Bei zu langem Bügel (Fig. 47) würde der Fuß den Bügel fortwährend suchen müssen und ihn nicht sicher festhalten können, wodurch der Sitz locker und unsicher wird. Bei zu kurzem Bügel (Fig. 48) würde das Knie zwischen Horn und Bügel gleichsam wie in einem spanischen Brett eingeschnallt sein, was der Reiterin Unannehmlichkeiten besonders bei stärkeren Gangarten bereiten würde. Also: Richtige Verpassung des Bügels sehr wichtig!
Fig. 48. Zu kurzer Bügel. |
Fig. 49. Haltung der Beine bei verlorenem Bügel. |
Noch sei erwähnt, daß bei verlorenem Bügel – eine Situation, die leicht eintreten kann – die Reiterin keine Zeit mit dem Suchen nach dem Bügel verlieren möge, sondern unverzüglich das rechte Bein unter das linke steckt – analog Fig. 49 – weil damit sofort wieder ein sicherer Sitz gewonnen wird.
Die Anfangsgründe des Reitens erlernt die Dame in der Reitbahn. Es sind der Reitsitz, die Handhabung der Zügel und die Hilfen.
Für das Bahnreiten sind ein paar kurze Vorbemerkungen nötig:
Man wechselt gewöhnlich die Hand, wenn man zehn Minuten darauf gewesen ist, d. h. wenn man zehn Minuten rechts herum geritten hat, reitet man die anderen zehn Minuten links herum, gleichgültig ob durch die Ecken oder auf dem Zirkel geritten wird.
Man setze sich täglich eine Stunde als Pensum fest; diese Zeit wird während der Bahnperiode für Pferd und Reiterin genügen.
Das Erlernen des Reitens nach einem Buche kann nur dann einen Erfolg haben, wenn die Reiterin die für die Lektion bestimmte Theorie, bevor sie sich auf das Pferd setzt, vollständig inne hat.
Wenngleich auch jeder Reitlehrer seine eigene Methode hat, nach welcher er seinen Unterricht erteilt, so habe ich mit der des Grafen Dénés Széchényi, von welcher ich bereits gesprochen, die besten Resultate gehabt. Ich stehe daher nicht an, den Gang dieser Reitmethode den angehenden Reiterinnen hier zu unterbreiten, es ihnen überlassend, ob sie bezw. ihr Reitlehrer davon Gebrauch machen wollen.
Man bedarf dazu eines Pferdes, welches, durch Vorübungen dressiert, sicher an der Longe auf dem Zirkel geht. Jedes gut gerittene Pferd wird das in kürzester Zeit erlernen, sogar auf Kommando die gewünschten Gangarten – bei richtiger Longenhilfe – anschlagen. Wenn die Dame dieser Vordressur, welche höchstens acht Tage in Anspruch nimmt, selbst beiwohnt, so kann das nur von Nutzen sein, indem sie dabei ihr Pferd und das Pferd sie kennen lernt.
Hier eine besondere Anweisung über diese Longenarbeit zu geben, würde zu weit führen. Jeder Reitmeister muß damit vertraut sein. Es sei jedoch daran erinnert, daß nur pedantische Genauigkeit bei der Dressur die Sprache ist, welche das Pferd versteht, die daher allein zum Ziele führt, – und daß man seine Lektionen den Neigungen des Pferdes möglichst anzupassen sucht. Es ist demnach notwendig, bei allen Gelegenheiten dieselben Zeichen und Hilfen zu geben, da das Pferd sonst konfus wird.
Wie schon angeführt, gipfelt diese vorzügliche Reitmethode – oder besser die das Reiten lehrende – in der Unabhängigkeit der Zügelführung vom Sitz. Sie wird derartig ausgeführt, daß die Schülerin zuerst auf dem Damensattel – und zwar in allen Gangarten wie auch im Sprung – festsitzen lernt, ehe sie die Zügel in die Hand bekommt, um die Zügelführung zu lernen. Das Mittel dazu ist Ballspielen zu Pferde. Indem die Dame den hochgeworfenen Ball wiederzufangen sucht, bezw. auch einen ihr zugeworfenen, wird sie ihren Oberkörper mit ausgestreckten Armen nach allen Richtungen biegen müssen, ohne dabei ihren Sitz zu verlieren. Dadurch wird sie biegsam, geschmeidig und sicher, und es genügen schon 14 Tage, um sie diese Sicherheit empfinden zu lassen. Sie wirft den Ball in jeder Gangart, auch beim Springen, so daß später die Bewegung des Pferdes auf ihren Sitz ohne Einfluß ist. Die Zügel des Pferdes – dasselbe kann auf Trense gezäumt sein, bezw. mit Laufzeug, wie Fig. 34 zeigt – sind inzwischen am Sattel befestigt.
Nachdem die Reiterin das Pferd bestiegen hat, wird der Bügel verpaßt. Derselbe muß, wie bereits im vorigen Kapitel angeführt, die Länge des Unterschenkels der Dame haben, so daß die Oberschenkelfläche des Knies mit geringem Spielraum am Jagdhorn anliegt, während der Fuß mit leicht nach unten gedrücktem Absatz auf der Trittfläche des Steigbügels ruht. Auf dem Festhalten des Bügels mit dem Fuße beruht die Sicherheit des Sitzes der Dame. Besonders im Trabe, wo der Körper emporgeworfen wird, ist das von Wichtigkeit, und kann nur durch ein biegsames, federndes Fußgelenk erreicht werden. Da die Ballen des Fußes auf der Trittfläche ruhen, so muß der Fuß beim Emporfliegen des Körpers gestreckt werden.
Wie schon angeführt, kann sich die Dame gegen ein etwaiges Verlieren des Bügels durch eine über Fuß und Bügel gezogene Gummischleife schützen. Das Halten der Balance lernt sich ganz mechanisch von selbst.
Nachdem die Reiterin das Pferd bestiegen hat, nimmt sie den vorschriftsmäßigen Sitz ein, gibt dem Pferde durch einen Zungenschlag die Hilfe zum Antreten und sucht in der Bewegung, die zuerst Schritt sein kann, die vorgeschriebene Haltung zu bewahren. Ihre Hände mag sie vorerst in die Hüften setzen und den Oberkörper stets eher nach hinten statt nach vorn geneigt zu halten suchen. Wird das Pferd unruhig, so faßt die Reiterin mit beiden Händen in die Zügel und gibt ihm einen Arrêt.
In dieser Weise, mit Schritt anfangend, macht die Reiterin alle Gangarten durch, am besten in der Reihenfolge Schritt, Galopp, Trab, da letztere Gangart die schwierigste für die Anfängerin ist. Gerade in dieser hat sie zu beachten, daß sie nicht an der linken Seite hängt, sondern daß sie recht auf der Mitte des Sattels, ohne Verdrehung der Schulter, sitzt. Das Pferd, welches anfangs vielleicht, durch den etwaigen unsicheren Sitz der Reiterin beeinflußt, etwas unruhig sein wird, wird durch Streicheln und Klopfen beruhigt. Diese Übung ist als eine rein gymnastische zu betrachten, durch welche der Körper auf einer sich bewegenden Maschine Balance halten lernt, welche letztere in kurzer Zeit eine mechanische Sicherheit erzeugt. Sowie die Reiterin dies bemerkt (was schon nach drei bis vier Stunden der Fall sein wird), geht sie zum Ballfangen über. Bevor dies jedoch geschieht, ist es rätlich, die Bewegungen des Ballfangens mit den Armen blind durchzumachen, damit das Pferd sich an die Art der Armbewegung der Reiterin gewöhnt. Dann nimmt man gewöhnliche Leder- oder Gummibälle, wirft sie in die Höhe und sucht sie wieder aufzufangen.
(Anmerkung: In der ersten Zeit wäre es vielleicht ganz praktisch, jemand zur Hand zu haben, welcher die zur Erde gefallenen Bälle aufhebt und sie der Reiterin wieder einhändigt, später zuwirft. Man kann aber auch den Ball an einen langen Bindfaden befestigen, welcher am Sattel festgemacht wird. Dann kann man den Ball, falls man ihn nicht gefangen hat, immer selbst hinaufziehen.)
Die Zeitdauer dieser Übung richtet sich nach dem Gefühl der Sicherheit, welches die Reiterin empfindet, und ist abhängig von ihrer körperlichen Anlage bezw. ihrem Geschick zum Reiten. Vierzehn Tage aber werden auch weniger begabte Anfängerinnen schon um ein Bedeutendes gefördert haben.
Danach kann sofort zum Barrierespringen übergegangen werden, wobei die Reiterin fast gar keine Schwierigkeiten mehr zu überwinden haben wird. Die Stange, welche anfangs vielleicht 30 cm hoch eingelegt war, braucht nicht über einen Meter hinaus höher gelegt zu werden, obgleich für spätere Zeit auch der höchste Sprung der Reiterin keine Schwierigkeiten mehr bereiten wird.
(Anmerkung: Man lasse der Schonung des Pferdes wegen nicht zu oft springen; fünf- bis sechsmal bei niedriger Stange, und dann meist kurz vor Schluß der Übung, wird das Richtige sein. Über eine Vorrichtung, die Springstange anzubringen, mag man selbst nachdenken, nur achte man darauf, daß die Stange, im Falle das Pferd dagegen stößt, nach vorn herausfallen kann.)
Die Haltung zu Pferde, an welche die Reiterin zwar stets gedacht hat, wird sich inzwischen ganz von selbst gefestigt haben, so daß dieselbe binnen kurzem zur Erlernung der Zügelführung wird übergehen können.
(Anmerkung: Das Wechseln der Gangarten muß einerseits der Schonung des Pferdes, andererseits der harmonischen Durchbildung der Anfängerin wegen recht regelmäßig geschehen, doch ist zu bemerken, daß der Trab immer die Hauptübung bleiben muß, da er für das Pferd wie für die Reiterin, für letztere in Beziehung auf die Korrektheit des Sitzes, die nützlichste ist.)
Allmählich müssen auch die Versuche zur Erlernung des englischen Trabes gemacht, welche, nachdem die Reiterin mit den Bewegungen des Pferdes sich vertraut gemacht hat, bald von Erfolg gekrönt sein werden.
Die Balllektionen sind damit zu Ende. Statt des Balles wird die Reitgerte in die rechte Hand genommen. Dieselbe wird mit der vollen rechten Hand gleich unter den Knopf, Spitze nach unten gerichtet, erfaßt. Bei den Hilfen schiebt man sie ev. zwischen den Mittel- und Ringfinger. Wenn die Reiterin jetzt den Zügel in die Hand nimmt, zu welcher Übung das Pferd auf Kandare ohne Kinnkette gezäumt wird – die Haltung der Zügel hat sie bereits in der Vorübung gelernt –, so wird sie dieselben auch nur dazu benutzen, wozu sie da sind, nämlich zur Führung des Pferdes und nicht um sich daran festzuhalten – wodurch das Maul des Pferdes in der unverantwortlichsten Weise malträtiert wird –, und da sie mit der Festigung des Sitzes das Schwerste überwunden hat, so wird sie das andere spielend erlernen. Das Kapitel über Zügelführung vorher noch einmal durchzusehen, würde sich recht nützlich erweisen. Die Reiterin reitet noch einige Lektionen an der Longe, und zwar, um dem Verdrehen der Schultern vorzubeugen, mit angefaßtem Trensenzügel. Die Arme liegen rechtwinklig mit den Ellenbogen über den Hüften leicht am Körper. Bei Kopfbewegungen des Pferdes geben die Arme federnd nach und kehren in ihre vorherige Lage zurück, das Pferd dadurch sanft in seine aufgerichtete Stellung zurückbringend. Der Körper darf sich unter keinen Umständen durch die Kopfbewegungen des Pferdes vornüber ziehen lassen, er bleibt in der erlernten Stellung. Die Handgelenke (Fingernägel gegen den Leib, Daumen nach oben) geben den Bewegungen des Pferdes ebenfalls federnd nach. Immer leichte Führung bei anstehenden Zügeln! Niemals festhalten!
(Anmerkung: Beim Reiten auf dem Zirkel werden die Hände stets so gehalten, daß die innere Hand eine Handbreit tiefer steht, als die äußere. Der innere Zügel wird dabei etwas kürzer genommen als der äußere, um das Pferd mit dem Kopfe nach innen zu stellen, und zwar so weit, daß die Reiterin das innere Pferdeauge schimmern sieht. Die Gradausrichtung des Halses muß beibehalten werden, was man durch Anlegen der Zügel an den Hals zu bewirken sucht. Auf der langen Linie muß das Pferd durchaus geradeaus gestellt sein.)
In dieser Lektion lernt die Reiterin, da sie bereits in ihrem Sitz perfekt ist, das Pferd mittels der Zügel in der Gleichgewichtsstellung erhalten, soweit der bisher noch tote Schenkel, der erst allmählich zur Tätigkeit übergeht, dies gestattet. Das Gefühl des Gleichgewichts wird man haben, wenn das Pferd sich leicht an das Gebiß lehnt und darauf kaut, und wenn es der Reiterin ohne Erlahmung der Arme gelingt, das Pferd in dieser Stellung zu erhalten. Es werden hier wieder, wie in den anderen Lektionen, alle Gangarten mit den betreffenden Wechslungen durchgeübt, auch kann dem Pferde nach den ersten Zügelübungen, besonders wenn die Reiterin fühlt, daß sie das Pferd wirklich führt, die Longe ausgeschnallt werden. Damit wird auch die Kinnkette eingelegt und die Reiterin führt das Pferd nunmehr mit der linken Hand allein.
Die Hilfen zum Reiten in den verschiedenen Gangarten werden nun nicht mehr durch die dem Pferde gelehrten Zeichen gegeben, sondern nach den in den betreffenden Kapiteln enthaltenen Andeutungen, und es ist speziell zu üben:
1. | Das Anreiten aus dem Schritt. |
2. | Das Antraben aus dem Schritt. |
3. | Das Verstärken des Trabes. |
4. | Das Verkürzen. |
5. | Das Ansprengen zum Galopp. |
6. | Das Übergehen in den Schritt. |
7. | Das Anhalten. |
Diese Lektion erscheint ziemlich umfangreich, daher muß sich die Reiterin bei der großen Wichtigkeit der Sache die Zeit nehmen, sich nicht nur gründlich theoretisch zu informieren, sondern auch die praktischen Übungen genügend auszudehnen. Ob sie die Theorie richtig in die Praxis überträgt, kann sie daran erkennen, daß das Pferd ihre Hilfen versteht und ohne Weiterungen darauf reagiert.
Nach Beendigung dieser Lektion, welche noch, wenn auch ohne Longe, auf dem Zirkel geübt wurde, wird dieser verlassen, um auf das Viereck zu reiten und damit zum ersten Male Wendungen zu üben.
Dabei wirken hauptsächlich der äußere Zügel und der innere Schenkel bezw. rechts statt dessen die Reitpeitsche. Die Dame führt das Pferd von nun an nur auf Kandarenzügel, da sie die rechte Hand zur Führung der Reitpeitsche braucht. Ersterer gibt dem Pferde die mechanische Hilfe dadurch, daß sich die Zügelhand ein wenig nach innen schiebt. Der Körper verlegt seinen Schwerpunkt etwas nach innen, der innere Schenkel wirkt gegenhaltend, so daß das Pferd gezwungen wird, gleichsam um den Schenkel bezw. die Peitsche herumzugehen, sich demnach in den inneren Rippen und der Wirbelsäule zu biegen. Vor der Wendung wird das Pferd versammelt und diese selbst in gemäßigterem Tempo durchgeführt. Das Wechseln von einer Hand auf die andere geschieht durch das Changieren durch die Bahn und beginnt, nachdem die Reiterin die kurze Seite der Bahn und ihr Pferd eine Pferdelänge die lange Seite passiert hat. Dann tritt eine Viertelwendung durch die Diagonale der Bahn ein, jedoch so, daß der Kopf wieder auf eine Pferdelänge vor der diagonalen Bahnecke gerichtet ist. Es würden zu dieser Lektion noch hinzutreten das Üben des Arrêts und das Kurz-Kehrt. Bei letzterem läßt man das Pferd auf der Hinterhand herumtreten, es wirken dazu äußerer Zügel und Schenkel bezw. Reitpeitsche, der innere gegenhaltend.
Ist mit dieser Übung eine hinreichende Sicherheit in der Führung des Pferdes eingetreten, so geht man zu Tummelübungen über.
Unter Tummelübungen verstehe ich das Üben von Volten, Halbzirkeln, Vierecken, Figuren, Achten und Schlangenlinien, sowie von Wechslungen auf die andere Hand. Sie dienen dazu, das Pferd lenk- und biegsam zu machen und sind als gute Vorübungen für das Reiten in koupiertem oder unebenem Terrain zu betrachten.
Ist die Reiterin bis jetzt nur auf einem Hufschlag geritten, so müssen zur Übung für Pferd und Reiterin auch die Seitengänge und das Zurücktreten durchgenommen werden. Da das Pferd damit vertraut ist, so ist es die Sache der Reiterin, ihm nach der Theorie die richtigen Hilfen dazu zu geben. Mit beiden Übungen quäle man das Pferd nicht zu lange, da sie unter der Anfängerin für dasselbe nur von geringem Nutzen sein werden. In dieser Lektion kann auch die Springstange wieder hervorgeholt werden. Stete Übung und Repetition werden immer notwendig sein, und wenn der Sommer zum Reiten im Terrain verwendet ist, kehre die Reiterin im Winter zu den weniger amüsanten, aber stets lehrreichen Einzel-Lektionen zurück.
Der Bahnkursus ist damit zu Ende. Habe ich im ganzen auch nur Andeutungen dafür geben können, so wird die aufmerksame und energische Reitschülerin dieselben doch mit bedeutendem Nutzen für sich verwenden können.
Ich habe mich wohl gehütet, eine Zeitdauer als genügend zum Erlernen jeder Lektion anzugeben, weil eine solche nach der Individualität der einzelnen Dame ganz verschieden ausfallen dürfte; sogar das Gefühl des Innehabens der Lektion wird von den einzelnen verschieden beurteilt werden. Ich glaube aber, daß eine mit persönlichem Geschick, Energie und körperlichen Kräften ausgestattete Schülerin binnen drei Monaten (der Winter würde dafür vortrefflich geeignet sein) den Kursus so weit absolvieren wird, um mit Sicherheit im Freien reiten zu können. Weniger Begabte werden bei Fleiß und Mühe dieses Ziel auch erreichen, wenngleich es etwas langsamer geht. –
Jetzt aber strahlt die Frühlingssonne vom blauen Firmament herab, mit grünen Knöspchen bedecken sich Baum und Strauch. Abgeschüttelt wird der Winterstaub, und die würzige Frühlingsluft wird tiefatmend eingesogen, unter Bäumen und im Felde lustwandelnd und damit ist auch für die fleißige Bahnreiterin die Zeit gekommen, wo sie den Lohn ihres Fleißes ernten soll – schon im Frühling! Sie kann nun reiten, sie kennt ihr Pferd und dessen Eigenart, sie weiß es verständig zu führen und sie wird nun zum ersten Male auf der Promenade erscheinen und sich dem erstaunten Volke zeigen!
Welche Wonne, auf den ebenen, weichen Wegen dahinzufliegen, frei, wie der Vogel in der Luft, das edle Tier unter sich, welches sie mit sicherer Hand an leichtem Zügel führt! O Reiterwonne – durch welchen Sport kannst du ersetzt werden?
Also – wir reiten ins Freie, ins Terrain, in den Wald, wohin uns unsere Lust führt.
Reiten Sie mit Gott, schöne Leserin, wenn Sie sich Ihrer und Ihres Pferdes vollständig sicher fühlen, aber nehmen Sie von mir noch einige gute Ratschläge mit auf Ihren neuen Weg, wohin er Sie auch führen möge. Der Accidents gibts mannigfache, mehr als in der Reitbahn – und so muß ich denn als erste Grundlage für das Reiten im Freien anführen: Reiten Sie nie unaufmerksam! Haben Sie Ihr Pferd stets am Zügel, und ob Sie mit Ihren Begleitern Konversation machen, haben Sie Ihre Augen stets vorauf auf den Weg und auf die Gegend, welche sie passieren wollen, – auch achten Sie stetig auf das Ohrenspiel Ihres Pferdes. Sie werden die feinen Nuancen dieses Ohrenspiels bald kennen lernen, es wird Ihnen sagen, ob alles ruhig ist oder ob irgend etwas vor Ihnen – vielleicht auch hinter Ihnen – vorgeht, wodurch das Pferd erregt oder erschreckt werden könnte. Schon ein plötzlich hervorschießender kläffender Dorfköter, ein auffliegendes Rebhuhn u. dergl. m. kann Ihr Pferd aus der Kontenance bringen, – um so ruhiger bewahren Sie die Ihrige, dann wird sich auch das Pferd beruhigen.
Beim Hinausreiten müssen Sie vielleicht einen Teil der Stadt passieren, da wird das Pferd, nach der langen Bahnperiode besonders, vergnügt und munter sein, daher ist doppelte Vorsicht nötig. Denken Sie auch an die neuen Eindrücke, die das Pferd erhält. Da sind die gepflasterten oder asphaltierten, jedenfalls glatten Straßen, mit ihrem Trubel an Fußgängern, elektrischen Bahnen, Wagen, Automobilen, Fahrrädern usw. und dem dadurch verursachten Lärm zu passieren, bis hinter dem Tore, den Brücken etc. endlich die Promenade oder das freie Terrain anfängt. Bis dahin wird ruhiger, kadenzierter Schritt geritten, damit das Pferd auf dem Pflaster nicht ausgleitet und durch eine zu starke Dröhnung der Hufe nicht leidet.
Wenn man an Wagen vorbeireitet, so weiche man denselben möglichst weit aus, um nicht angefahren zu werden, und beobachte dieses Verfahren hauptsächlich, wenn man von rückwärts kommt, da die Wagenpferde manchmal ausschlagen. Ich selbst bin auf diese Weise einmal schwer am Schienbein verletzt worden, als ich diese Regel außer acht ließ. Mit einem Pferde, welches noch jung oder noch nicht lange vom Lande gekommen ist, muß man in der Stadt überhaupt sehr vorsichtig sein, weil es da tausend Dinge gibt, die ihm sowohl für das Auge wie für das Ohr fremd sind, vor denen es sich daher fürchten wird. Jeder Korrekturversuch ist für die angehende Reiterin mißlich, am mißlichsten aber auf Steinpflaster oder auf glatter Straße und unter den Augen eines unliebsamen Publikums; man muß dergleichen Eventualitäten in der Stadt daher möglichst zu vermeiden suchen. Wird die Reitpromenade der Reiterin wenig Schwierigkeiten bieten, so nehme sie draußen das Terrain, wie sie es findet, und beachte in erster Linie in bezug auf die Gangarten folgendes:
Auf hartem Boden, Steinpflaster, harter Chaussee ist möglichst Schritt zu reiten, der Sicherheit der Reiterin und der Schonung des Pferdes wegen. Mittelweicher Boden, Wiesen, Rasenflächen eignen sich hauptsächlich zum Tummeln des Pferdes in jeder Gangart, wenn Rasenflächen z. B. nicht zu glatt sind, was bei kurzem Gras nach Dürre leicht einzutreten pflegt. Ganz tiefer Boden, z. B. Sturzacker oder lockerer Sand, ist am besten im Schritt zu passieren, da Trab oder Galopp in einem solchen nicht nur eine bedeutende Lungentätigkeit erzeugt, sondern auch Sehnenerkrankungen verursachen kann, wie es denn ebenso zwecklos als grausam wäre, ein Pferd ohne zwingenden Grund da hindurchzuhetzen. Kurze, mäßige Anhöhen können im Trab oder Galopp genommen werden, mäßig bergab kann man wohl auch im moderierten Trab oder Galopp reiten, – sobald es aber steiler wird, gehe man hier wie da lieber in den Schritt über. Ebenes, freies Terrain ist für jede Gangart geeignet, doch achte man besonders in schnellerer Gangart auf Maulwurfs-, Hamster- und Kaninchen-Löcher, die einen schweren Sturz nach sich ziehen können. Die Reiterin soll deswegen, wie auch schon angedeutet, das Terrain kurz vor dem Pferde stets im Auge haben. – Wenn das Pferd nicht sehr wendig ist, wird man, wenn man außerhalb des Weges reitet, dichten Wald am besten im Schritt passieren, aus Schonung für das Reitkleid, das eigene Knie und die Hüften des Pferdes. Wo man aber auch reite, man sei immer aufmerksam. Gegen starken Wind reite man nicht in schneller Gangart, da sich das Pferd dadurch eine Lungenkrankheit oder durch Verfangen sogar einen plötzlichen Tod zuziehen kann. Selbst der Staub, den Pferd und Reiterin dabei einatmen, ist für beider Gesundheit nachteilig.
Fig. 50. Bergabreiten.
Breite, trockene Gräben, die man nicht überspringen kann oder mag, werden durchritten; die Reiterin mag daher nicht versäumen, ihr Pferd zeitig daran zu gewöhnen. Man läßt dem Pferde dabei möglichst viel Zügelfreiheit, damit es sehen kann, wohin es tritt, hat aber den Sitz immer fest zu halten, damit, wenn ein Sprung erfolgten sollte (der hin und wieder vorkommt, wenn das Pferd einsinkt), die Reiterin sich nicht von demselben trennt. Sie hat sich beim geraden Hinabreiten nach rückwärts zu lehnen, um das Pferd vorn, beim Hinaufklettern aber nach vorwärts zu neigen, um es hinten zu Entlasten. Ein Erfassen der Mähne darf die Vorwärtsbeugung unterstützen.
Bei steilen Abhängen, welche allerdings am besten zu umgehen sind, sind dieselben Regeln zu befolgen. Steil bergauf würde man im Zickzack reiten, vorwärts geneigt, die rechte Hand in den Mähnen des Pferdes, mit der linken dasselbe nur so leicht führend, daß die Direktion angegeben wird. Abwärts reitet man geradeaus rückwärts gelehnt mit langen Zügeln (Fig. 50), denn das Pferd wird mit dem Hinterteil eher hinabgleiten, als vornüberstürzen. Wollte man die Böschung im Zickzack hinabreiten, so könnte das Pferd viel leichter in die Lage kommen, seitwärts abzugleiten und mit der Reiterin zu fallen.
Das Passieren von Wasser, auch wenn es nur flach ist, kann für die Reiterin in der Weise unbequem werden, daß manche Pferde die Passion haben, sich darin niederzulegen, um sich zu wälzen. Es ist also notwendig, gerade dabei das Pferd sicher am Zügel und die Reitpeitsche parat zu haben. In tieferes Wasser soll sich die Reiterin ohne zwingenden Grund überhaupt nicht wagen. Schwache Brücken, schmale Stege, Fähren etc. werden am besten passiert, indem der Begleiter der Dame absteigt und deren Pferd am Zügel führt. Derartige Passagen sind überhaupt nach Möglichkeit zu vermeiden.
Schlechte, steinige oder frisch aufgeschüttete Wege sind gleichfalls möglichst zu vermeiden bezw. nur im Schritt zu passieren, ebenso gefrorene Wege mit tiefen Geleisen, da sie Veranlassung zu Hufspalt oder Fessellähme geben können.
Sehr weicher Boden, z. B. frisch geackertes Feld, passiere man, wie auch oben schon angeführt, im Schritt, Morast dagegen ist möglichst ganz aus dem Spiele zu lassen.
Im Finsteren führe man das Pferd mit ganz leichten Zügeln und verlasse sich im allgemeinen mehr auf dessen Augen, wie auf die eigenen. Die Pferde pflegen im Finstern recht sicher zu gehen und weniger furchtsam zu sein wie bei Tage, sie finden ihren Weg besser wie die Reiterin.
Ich bin zu Ende. Habe ich den Damen, welche gleich mir, als ich noch jung war, mit der Leidenschaft für unser edles Pferd begabt sind, ein wenig bei ihren Reitstudien genutzt, so ist meine Aufgabe erfüllt. Ich möchte aber darauf aufmerksam machen, daß sie, auch wenn sie das ganze Buch durchstudiert hätten, – was ich – Pardon – bezweifle, – damit nur einen Auszug von dem großen Gebiete der eigentlichen Reitkunst, erhalten haben. Wenn alles gesagt werden sollte, was etwa nötig und erforderlich ist, so würden mindestens drei solcher Bände, wie der vorliegende, erforderlich gewesen sein. Vieles davon wird Ihnen, meine Damen, nur durch die Praxis verständlich werden, besonders wenn es Ihnen durch Ihren Lehrer, Vater, Bruder oder Gatten interpretiert wird. An vieles wird auch jener erinnert werden, wenn er das Buch gemeinschaftlich mit Ihnen studiert. Wollen Sie mehr wissen, so nehmen Sie ein Buch in die Hand, welches für die Herren geschrieben ist. Daraus können Sie viel lernen, was auch Sie betrifft, in erster Linie die Behandlung des Pferdes unter dem Sattel, die Grundsätze der Dressur. Ich empfehle Ihnen vorerst das auch in dieser Sportbibliothek erschienene, sehr vortreffliche Werkchen des Oberstleutnant von Sanden: »Reitsport« (s. Inseratenteil). Es sind die Ausführungen eines sehr erfahrenen Reiters, wenngleich auch diese nur ziemlich eng zusammengefaßt sind. Und – wenn Sie das Gefühl unbedingter Sicherheit auf dem Pferde und damit wahre Herzensfreude empfinden wollen, dann – bleiben Sie beim Seitsitz und kümmern Sie sich recht viel um Ihr Pferd, und um dessen Wohl auch im Stalle. Es wird dann Ihr Freund werden. Und nun – reiten Sie mit Gott, soweit der Himmel blau und die Erde schön ist.
Sattlerwaren:
J. F. A. Junge, Sattelmacher, Hamburg, A. B. C.-Straße 53 (siehe nachstehendes Inserat).
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Sportbekleidung:
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Der Reitsport
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Mit 54 Abbildungen von Rich. Schoenbeck, Major a. D.
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INHALT: A. Vorbemerkungen zum eigentlichen Reiten: 1. Gemütseigenschaften des Reiters. 2. Der Reiterkörper. 3. Anzug des Reiters. 4. Auswahl des Pferdes. 5. Vom Pferdekörper. 6. Die Gangarten des Pferdes. 7. Bekanntschaft mit dem Pferde und der Reitbahn. 8. Führen des Pferdes nach der Bahn und Aufstellung daselbst. 9. Aufsitzen mit Hilfe. 10. Ergreifen der Zügel. 11. Abschwingen. B. Reiten in der Bahn: I. Auf Decke und mit Trense: 1. Reiten lernt man durch Reiten. 2. Freiübungen und Sitz. 3. Das Reitergefühl. 4. Geregelte Haltung und Stellung des gerittenen Pferdes. 5. Führung des Pferdes auf Trense. 6. Von Übereinstimmung und Zusammenwirkung aller Hilfen. II. Reiten auf Sattel mit Bügeln: 1. Der englische Sattel (Pritsche). 2. Zweck des Reitens auf Sattel, Bügelschnallen, Auf- und Absitzen. 3. Sitz auf dem Sattel mit Bügeln. 4. Reiten mit Bügeln. III. Vom Reiten mit Stellung und Biegung. IV. Reiten mit Kandare: 1. Allgemeines. 2. Die Kandare (Stangenzaum). 3. Stellung der Faust und Zügelhaltung. 4. Tätigkeit der Faust und der Schenkel. 5. Führung mit der Kandare. C. Angewandtes Reiten. D. Über den Ankauf eines Reitpferdes.
Geländereiten
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S. von Sanden
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INHALT: A. Das Hindernisreiten der Kavallerie, und seine Vorbereitung: I. Anforderungen an den Reiter und sein Anzug. II. Über Kavalleriepferde und ihre Bekleidung. III. Ausbildung junger Pferde. IV. Übungen im Gelände. B. Dauerleistungen: I. Vorbereitung. Verhältnis der Leistung zu Futter und Pflege. II. Distanz-(Dauer-)Ritte. C. Reitjagden: I. Allgemeines. II. Die verschiedenen Arten von Reitjagden. III. Die Hunde. IV. Das Reiten auf der Jagd. D. Über Pflege und Wartung der Pferde.
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S. von Sanden
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INHALT: Einleitung. A. Erziehung: Im Stall und an der Hand. Maßregeln zur Gesundheitspflege. B. Über die Arbeit an der Longe: Ihre Vorteile. Über das Laufzeug. Das Personal. Die eigentliche Arbeit: Beachtenswerte Gesichtspunkte. Das Anführen auf einem Kreise. Das Pferd an der Longe ohne Führer. Die Unterhaltung mit dem Pferde durch Zurufe und Geberden. Schluß der Longenarbeit ohne Reiter. C. Vorbemerkungen zum Anreiten. Das Verhältnis zwischen der Körperhaltung und den Einwirkungen des Reiters. Wie kann man das Gefühl ausbilden? Seelische Eigenschaften eines Pferdes. Von den Körperteilen des Pferdes, die beim Reiten besonders in Betracht kommen. D. Die Longenarbeit unter dem Reiter. Aufsitzen. Erstes Anreiten. Über des Reiters jetzige Führung. Erste Biegungen des Halses und Wendungen auf der Vorhand. Vom Schenkelgehorsam im Gange. Verengern und Erweitern des Zirkels. E. Das Reiten ohne Longe. Allgemeines. Zur Sache! Wechseln von einer Hand auf die andere. Verbesserte Wendung auf der Vorhand und genaueres Schenkelweichen. Vorläufige Wendung auf der Hinterhand. Das Rückwärtstreten. Der Galopp. F. Gewöhnung an Verschiedenes. An die Gesellschaft anderer Pferde. An Straßengeräusche und Musik. An das Schießen. G. Übergang zur eigentlichen Dressur. Fachausdrücke.
Der Rennsport
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INHALT: 1. Kapitel: Der Flachrennsport und sein Zusammenhang mit der Landespferdezucht. – 2. Kapitel: Das Vollblutgestüt. – 3. Kapitel: Der Rennstall. – 4. Kapitel: Das Trainieren. – 5. Kapitel: Organisation und Tätigkeit der Rennvereine. – 6. Kapitel: Rennpropositionen. – 7. Kapitel: Der Verlauf eines Rennens. – 8. Kapitel: Hindernisrennen. – 9. Kapitel: Das Wetten.
Der Hindernis-Sport
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INHALT: Kurzer historischer Abriss der Entwickelung des Fahrens. A. Das Wagenpferd: I. Eignet sich jede Rasse als Wagenpferd? II. Vorbereitung des Wagenpferdes für seinen Dienst. III. Pflege und Behandlung des Wagenpferdes. IV. Die Stallpflege. B. Die Beschirrung: 1. Kummet- und Sielengeschirre. 2. Einspännergeschirr für Dogcart. 3. Zweispännergeschirre. 4. Das Tandem-Geschirr. 5. Zweispännergeschirre für vierrädrige Fahrzeuge. C. Der Wagen: 1. Bau des Wagens. 2. Anforderungen an jeden eleganten Wagen. 3. Die Sportwagen. 4. Die Bespannungen. 5. Behandlung und Instandhaltung des Wagens. D. Das Fahren: 1. Der fahrende Sportsman und sein Kutscher. 2. Die Kunst des Fahrens. 3. Anfahren. 4. Das Tandemfahren. E. Das Fahren in den Strassen Berlins. F. Die Fahrschule. G. Dauerfahrten (speziell: Besprechung der Distanzfahrt Berlin-Totis). H. Der Deutsche Sportverein.
Grethlein & Co.
Verlagsbuchhandlung
LEIPZIG, Dorotheenstrasse 2.
Eine ganzseitige Illustration am Buchanfang wurde vor das Inhaltsverzeichnis verschoben.
Der Text des Originalbuches wurde grundsätzlich beibehalten, mit folgenden Ausnahmen,
Seite 6:
"164" geändert in "169"
(Schluß 169)
Seite 11:
"sehn" geändert in "sehen"
(Wilhelmine von Preußen sehen wir auf einem alten Kupferstich)
Seite 20:
"Maschienengewehr" geändert in "Maschinengewehr"
(kann dann mindestens mit dem Maschinengewehr vorgehen)
Seite 23:
"ein" geändert in "eine"
(daß z. B. eine graziös und korrekt englisch trabende Dame)
Seite 39:
"," hinter "Ansicht" entfernt
(ohne daß ich vorher meine Ansicht darüber offen ausgesprochen)
Seite 48:
"verletzten" geändert in "verletzen"
(können unterhalb des Knies verletzen und verhindern die Reiterin)
Seite 77:
"Unterlegetresse" geändert in "Unterlegetrense"
(mit der Kinnkette i und die Unterlegetrense k)
Seite 86:
"nnd" geändert in "und"
(Zügelführung mit zwei Händen und auch sonst)
Seite 90:
"Unterlagedecke" geändert in "Unterlegedecke"
(liegt der Damensattel ohne Unterlegedecke viel besser)
Seite 119:
"am" eingefügt
(wie sie am besten mit ihm auskommt)
Seite 126:
"." hinter "cm" entfernt
(richtig etwa 10-15 cm vom Körper entfernt stehen)
Seite 142:
"Angenblick" geändert in "Augenblick"
(Die Hilfe tritt in dem Augenblick ein, wo das Pferd)
Seite 143:
"aher" geändert in "aber"
(muß aber auch auf das Terrain achten)