The Project Gutenberg EBook of Thekla, oder die Flucht nach der Türkei., by 
August Schrader

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Title: Thekla, oder die Flucht nach der Türkei.
       Epilog zum Staatsgefängniß. Nebst zwei andern Novellen.

Author: August Schrader

Release Date: August 13, 2014 [EBook #46576]

Language: German

Character set encoding: ISO-8859-1

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Thekla,
oder
die Flucht nach der Türkei.


Epilog zum Staatsgefängniß.


Nebst
zwei andern Novellen
von
August Schrader.


Leipzig, 1851.

Verlag von Christian Ernst Kollmann.

Thekla,
oder
die Flucht nach der Türkei.

1.

In einer der lebhaftesten Straßen Semlin's prangte an einem freundlichen einstöckigen Wohnhause ein blaues Schild, auf welchem mit großen goldenen Buchstaben die Worte standen »Löwen-Apotheke.« Neben der großen Glasthür, die in das Innere des Hauses führte, stand auf einem weißen Piedestal von Holz die Illustration zu dem Texte im blauen Schilde, nämlich ein kleiner gelber Löwe mit einer Krone, der in seinen Vordertatzen ein dunkelrothes Herz hielt, auf welchem abermals das Wort »Apotheke« in Goldbuchstaben zu lesen war.

Das Erdgeschoß dieses Hauses enthielt außer dem Verkaufslocale und dem Laboratorium noch die Wohnzimmer des Besitzers, deren freundliche mit feinen weißen Gardinen geschmückten Fenster einen scharfen Contrast gegen die dunkeln, unfreundlichen Nachbarhäuser bildeten, die fast alle von Handwerkern und Krämern bewohnt wurden.

Das erste und einzige Stockwerk, obgleich es nur von einem jungen unverheiratheten Advokaten bewohnt ward, stand an Eleganz und Sauberkeit dem Erdgeschosse nicht nach, es zeichnete sich vielmehr durch einen Flor ausgewählter Blumen in den reinlichen Fensterbrüstungen vor demselben aus.

Der Besitzer dieser Niederlage von Heilmitteln war ein Mann von ungefähr fünfzig Jahren und nannte sich Istvan Czabo. Sein Haupthaar war bereits stark ergraut, aber die Lebendigkeit seiner Bewegungen, das Feuer der großen Augen und die mäßige Korpulenz seiner hochgewachsenen Gestalt schienen einem kräftigen Manne von vierzig Jahren anzugehören.

Herr Czabo war seit längerer Zeit schon Wittwer, seine Lebensgefährtin hatte vor zehn Jahren die Cholera hinweggerafft, die damals mit großer Gewalt in der armen Stadt gehaus't. Netti, seine einzige Tochter, zählte bei dem Tode der Mutter nur erst elf Jahre, so daß in ihr eine Stütze für die Wirthschaft nicht zu finden war; der betrübte Wittwer war daher gezwungen, eine Haushälterin zu nehmen, der er die Sorge für die Oekonomie unumschränkt übertrug.

Die Wahl dieser Person war eine glückliche gewesen, denn Meta, eine kinderlose Wittwe, ersetzte vollkommen die waltende Hand der geschiedenen Gattin und half durch Sparsamkeit den Wohlstand ihres Herrn erhöhen.

Netti reifte indeß zu einer blühenden, schönen Jungfrau heran, auf die mehr als ein Dutzend junger Leute aus dem mittlern und höhern Bürgerstande der Stadt sehnsüchtige Blicke warfen. Die Jungfrau hatte auch bald gewählt, der Advokat Ferenz, der den ersten Stock des Hauses bewohnte, war der Auserkorene, beide liebten sich mit dem ersten Feuer der Jugend und der Vater billigte diese Liebe, da Ferenz einer der tüchtigsten Advokaten der Stadt war und ein jährliches Einkommen erwarb, das ihm ein gutes Haus zu führen erlaubte.

Schon seit länger als einem Jahre hatte Herr Czabo die Verlobung seiner Tochter mit dem jungen Advokaten angesetzt, die unglückliche Revolution der Ungarn, die auch Semlin, die äußerste Grenzstadt in steter Gährung erhielt, war dem sorglichen Vater indeß ein Stein des Anstoßes gewesen und die Liebenden mußten sich in Geduld fügen, das Ende der Volkserhebung zu erwarten.

Ferenz liebte aus voller Seele seine junge Braut, er brachte aber die verzögerte Verbindung mit ihr dem Vaterlande gern zum Opfer, da er nicht minder für die Freiheit des Volkes erglühte und ein eifriger Anhänger der Kossuth-Parthei war. Seine Gesinnung durch die That zu bewähren unterließ er aber aus dem Grunde, da er die Abneigung seines künftigen Schwiegervaters gegen den Umsturz des Bestehenden kannte und seine politische Meinung ihm verbergen wollte, zumal Netti ihn mit Thränen in den Augen darum gebeten hatte.

Oesterreich hatte mit Hülfe der russischen Waffen die großartige Erhebung der heldenmüthigen Ungarn unterdrückt, in allen Städten flatterte die schwarz-gelbe Fahne von den Thürmen und die Führer der Volksparthei wurden verfolgt und im Falle man ihrer habhaft ward, vor ein Kriegsgericht gestellt und erschossen oder erhängt.

Die Rachsucht des Siegers erstreckte sich vorzüglich auf den Adel Ungarns, der, nur mit wenigen Ausnahmen, Leben und Gut der Sache der Freiheit geopfert und überall als Vorkämpfer in den Reihen der vaterländischen Armeen gestanden hatte.

Mit der Uebergabe des Görgey'schen Corps fiel eine große Anzahl junger ungarischer Edelleute in die Hände der übermüthigen Sieger, und alle, die als höhere Officiere dem Vaterlande gedient, wurden als gemeine Soldaten in die Reihen der österreichischen Truppen gestellt, um so als willenlose Werkzeuge der Verfolgung benutzt zu werden.

Aber nicht allein den Männern der Revolution galt diese Verfolgung, sondern auch den Frauen, die durch anfeuernde Worte und Geldsummen in dem großen Befreiungskampfe mitgewirkt hatten. Zu diesen Frauen gehörte vor allen die junge Gräfin Thekla Andrasy, die als Herrin eines großen Vermögens die hervorragendste Rolle gespielt hatte. Der große Sieger proscribirte die junge Gräfin und setzte einen Preis von dreitausend Ducaten auf ihren schönen, und wie viele versichern, reizenden Kopf, da sie sich durch die Flucht dem Schicksale ihrer Gesinnungsgenossen entzogen hatte, während ihre Güter der Krone Oesterreichs anheimfielen.

Um dieselbe Zeit, als die Proclamationen des neuen Gouverneurs von Ungarn die Städte erfüllten und eine genaue Personalbeschreibung der flüchtigen Gräfin lieferten, die das Mitleid und die Segenswünsche aller Ungarn begleiteten, verbreitete sich in Semlin das Gerücht, Thekla Andrasy habe sich hierher gewendet, um bei günstiger Gelegenheit auf türkisches Gebiet zu entkommen, das ein großer Theil politischer Flüchtlinge vor Absperrung der Grenze bereits erreicht hatte.

In dem Hause des Apothekers ward nur oberflächlich dieses Gerüchtes erwähnt, da seit der Wendung der Dinge Herr Czabo mit seinen schwarz-gelben Gesinnungen förmlich prahlte und alles zum Henker wünschte, was die unglückliche Revolutionsparthei bedauerte. Außerdem auch hatte ihn ein Zufall betroffen, der eine Störung in seinem Hauswesen herbeigeführt, dessen regelmäßiger Gang ihm ebenfalls so sehr am Herzen lag, als die Regelmäßigkeit der alten Staatsmaschine.

Die alte Meta, seine Haushälterin, die schon längere Zeit an einem Augenübel litt, stand auf dem Punkte blind zu werden, und der Arzt, der einer Augenheilanstalt vorstand, hatte erklärt, daß die Sehkraft der treuen Dienerin noch zu retten sei, wenn sie unverweilt sich einer Kur in der Anstalt unterzöge, die freilich einige Monate dauern könne.

Meta hatte also das Haus verlassen und ein Stübchen in der Anstalt bezogen, die auf einer freundlichen Wiese neben der Stadt lag.

Ein alter Fischer der Save, Namens Lajos, den zufällig ein Geschäft in das Haus des Apothekers führte, als Meta sich anschickte, es zu verlassen, bot Herrn Czabo seine Nichte zum Dienste an; sie sei, hatte er hinzugefügt, ein schmuckes Mädchen von zweiundzwanzig Jahren und eigens nach der Stadt gekommen, um sich eine Herrschaft zu suchen, da ihre vorige aus politischen Gründen flüchtig geworden wäre.

Kathi, so hieß die Nichte des Fischers, stand also seit zwei Tagen im Dienste des Herrn Czabo, der, beiläufig gesagt, die schmucke Dienstmagd gern sah, obgleich ihr die Arbeit nicht flink genug von der Hand wollte und Netti sich mehr als sonst der Sorge um die Wirthschaft unterziehen mußte.

Es war an demselben Tage, an dem die Ausschreibung des Preises auf den Kopf der Gräfin Andrasy an den Ecken der Straßen von Semlin aushing, als der Advokat Ferenz, erschüttert von der neuen Tyrannei der Sieger, sein Zimmer betrat und sich mißmuthig in den Sessel vor seinem Arbeitstische warf. Wohl eine Viertelstunde sah der junge Mann starr vor sich hin und sein Geist schien dem Orte entrückt zu sein, wo der Körper sich befand. Plötzlich griff er in die Seitentasche seines Rockes und holte ein zierlich gesticktes Taschenbuch, ein Geschenk seiner Netti, daraus hervor. Ohne Säumen zog er den Stift, der die Blätter zusammenhielt, aus den feinen goldenen Oesen, öffnete und las mit halb lauter Stimme, aber mit großer Begeisterung, folgende Verse:

Und in den Straßen wogte das Gedränge
Des wuthentbrannten Volkes, das empört
In unabsehbar, fürchterlicher Menge,
Den Tigern gleich, die Durst nach Blut verzehrt,
Das Stadthaus droh'nden Blicks umschlossen hielt –
Und Schrecken, überall, wohin man sah –
Der Ausbruch eines Bürgerkriegs war da!
Noch fehlte nur ein Führer, der mit Kraft
Den rechten Geist im rohen Volke schafft –
Da stand urplötzlich eine hohe Frau – – –

– Herrlich, vortrefflich! unterbrach sich der Leser. O wenn ich in dieser Begeisterung vollenden könnte, wenn sie nur heute nicht durch Nebenumstände unterbrochen würde! Es ist auch wahrhaftig nicht leicht, eine Heldin wie die Gräfin Thekla Andrasy zu besingen, den großen Charakter dieser Jungfrau zu malen, die den Muth eines Generals entwickelt, ohne die eigenthümliche Grazie ihres Geschlechtes zu verletzen. Aber eben diese Schwierigkeit verdoppelt meine Kräfte und ich besinge sie. Soviel steht fest, fuhr er mit Begeisterung fort, daß mein Gedicht unter den obwaltenden Verhältnissen ein kühnes Unternehmen ist, denn wie viele mußten in der jüngsten Zeit ähnliche Wagnisse mit dem Leben büßen – Und wenn man entdeckte, daß ich, ein einfacher Advokat von Semlin, es wagte, den Ruhm einer edeln Verbannten zu besingen, die von der Regierung für eine Hochverrätherin und von trägen, filzigen Philistern für ein überspanntes Weib gehalten wird – was würde man denken? Und vor allen mein künftiger Schwiegervater? Er ist zwar ein respektabler Apotheker, ein herzensguter Mann – aber ein Feind des Fortschrittes, ein Feind der Freiheit und Unabhängigkeit. Ich muß indeß seine Schwachheit ehren, denn bald, fügte er mit einem zärtlichen Blicke auf das Taschenbuch hinzu, bald werde ich sein Schwiegersohn. Ach, Netti, Du wirst meine poetische Begeisterung würdigen und mein Werk verstehen, Du wirst stolz darauf sein, daß ich für eine so edle, unglückliche Jungfrau meine Stimme erhebe, denn alle scheinen sie verlassen zu haben, selbst ihr Oheim, der jetzt kaiserlicher Minister ist. Ihre Freunde sind theils geflüchtet, theils gefangen, theils durch ein Kriegsgericht zum Schweigen gebracht – und sie, das zarte, edle Mädchen, irrt in dem eigenen Vaterlande flüchtig durch die Steppen, verfolgt von fremden Soldatenhorden, welche die österreichische Ohnmacht zu Hülfe rief.

Wohlan denn, mögen alle sie verlassen und verdammen, ich allein will es wagen, sie zu besingen, – ja, sie soll die Heldin meiner Verse sein! Ich kenne sie nur nach einem unvollkommenen Gemälde, das ich in der Gallerie eines ihrer Schlösser sah – aber noch glaube ich den sanften und doch so stolzen Blick zu sehen, noch schwebt mir die anmuthgeschmückte Stirn vor den Blicken. Wenn der Maler das Urbild nicht erreichen konnte, soll es der Dichter – ich will das Gemälde vollenden, beseelen!

Der junge Mann nahm den Stift wieder zur Hand, stützte den Kopf auf den linken Arm, sann einige Augenblicke nach und begann zu schreiben:

– Da stand urplötzlich eine hohe Frau,
Wie einst Johanna d'Arc im Volksgewühl,
Die Menge ward begeistert – –

Ein Klopfen an der Thür unterbrach den Dichter. Rasch verbarg er das Buch in seiner Tasche und rief »herein!«

Herr Czabo trat ein.

Der Apotheker trug einen schwarzen Frack, schwarze lange Beinkleider, eine weiße Weste und ein weißes Halstuch. Eine feine goldene Brille, die er nur dann auf die Nase herabrückte, wenn er ein Recept zu lesen hatte, lag vor der hohen, glänzenden Stirn. In dieser Kleidung sah man ihn täglich in der Apotheke.

– Guten Tag, lieber Sohn! rief freundlich der Greis – störe ich?

– O nein, Herr Czabo, sagte Ferenz, indem er aufstand und dem Ankommenden entgegentrat – der Vater meiner Netti stört nie, selbst bei den dringendsten Geschäften.

Die beiden Männer gingen in dem Zimmer auf und ab.

– Geschäfte gehen allem vor, sagte der Apotheker im Tone des Vorwurfs, selbst der Braut und dem Schwiegervater.

– Sie kennen ja doch die allgemeine Stockung der Geschäfte, antwortete lächelnd der Advokat – wenn ich mich nicht mit Privatarbeiten beschäftigte, hätte ich jetzt Langeweile.

– Ein fürchterlicher Wurm, der tödtet! rief der Apotheker. Ich habe eine Arbeit für Dich.

– Einen Proceß?

– O nein; ich hatte nur einen Proceß in meinem Leben, den Du mir so glorreich gewinnen halfst – aber trotzdem ich ihn gewonnen, möchte ich um die Welt keinen zweiten wieder erleben, ich hasse die Processe, wie die Langeweile.

– Nun, was ist es denn?

– Niklas, mein Zögling und Provisor hat seit einiger Zeit meine Bücher dergestalt vernachlässigt, daß sie einer gründlichen Durchsicht bedürfen. Willst Du Dich nach Tische diesem Geschäfte unterziehen?

– Gern, bester Vater. Wie kommt es nur, daß der sonst so pünktliche junge Mann – –

– Soll ich es Dir sagen, Ferenz? sagte lächelnd Herr Czabo.

– Nun?

– Ich glaube, Deine Heirath mit meiner Netti, die bei der Wiederkehr des Friedens in naher Aussicht steht, hat dem armen Menschen den Kopf etwas verdreht. Er ist ein guter Junge, weiß seine Medicamente zu präpariren – ich muß aber aufrichtig bekennen, daß es mir lieb ist, ihn durch Dich ausgestochen zu sehen, weil Niklas kein Mann für meine Tochter ist.

– Bester Vater, rief der Advokat, ich werde Ihr Zutrauen zu rechtfertigen wissen, ich fühle, daß ich Kenntnisse und Kraft besitze, eine gute Carriere zu machen, und wem steht ein glänzenderer Weg offen, als einem Rechtsgelehrten?

Der Apotheker blieb stehen und sah seinen künftigen Schwiegersohn mit großen Augen an.

– Wie, rief er erstaunt aus, willst Du vielleicht einen ähnlichen Weg einschlagen, wie jener Kossuth, der nichts Geringeres beabsichtigte, als durch eine Revolution gegen das angestammte Kaiserhaus sich zum Könige von Ungarn zu machen? Mensch, nimm Dir sein Schicksal zur Warnung, jetzt irrt er als Vagabond durch die Länder – das wäre mein König!

– Bester Vater, er war doch ein muthiger Mann, wandte der Advokat ein.

– Ein Schreihals, ein verdrehter Kopf war er, den man glücklicherweise beseitigt hat. O mein Gott, was hat dieser Mensch für Unglück angerichtet! Und wer schloß sich ihm an? Nur Leute, die nicht wußten, was sie wollten – lüderliche Menschen, die keine Lust zur Arbeit hatten und keine Steuern bezahlen wollten. Der gute Bürger, mein Freund, muß immer zahlen, ohne widerspenstig zu sein, vorzüglich, was er dem Staate schuldet, dann leben wir in Ruhe und Frieden und die Geschäfte gedeihen. Gott sei Dank, rief er aus und hob sein schwarzes Käppchen empor – Gott sei Dank, daß der Herr Generalfeldzeugmeister Herr im Lande geblieben ist und die verwünschten Rebellen verjagt hat! Ich hoffe, er wird sie noch alle erwischen, damit jeder Keim zur Empörung ausgerottet wird. Wenn er nur so glücklich wäre, die Gräfin Andrasy dahin zu bringen, wohin sie gehört.

– In diesem Falle müßte er doch ihrer erst habhaft werden, sagte lächelnd der Advokat.

– Allerdings! Das weiß ich auch! Sie entschlüpft ihm aus der Hand wie ein Aal – doch nur Geduld, wenn sie es jemals wagen sollte, nach Semlin zu kommen, sollen ihre Abenteuer bald zu Ende sein, denn wir sind alle dem rechtmäßigen Kaiser mit Leib und Seele ergeben. Selbst Niklas ist schwarz-gelb gesinnt, er ist in politischer Beziehung stets meiner Meinung und um dem Kaiser zu dienen, sind wir zu allem fähig. Und vorzüglich jetzt muß ich doppelten Eifer beweisen – –

– Jetzt – warum jetzt? fragte der Advokat.

– Weil ich heute bei der neu errichteten Schutzwache unserer Stadt zum Kommandanten gewählt worden bin!

– Ah, ich gratulire, mein bester Czabo!

– Danke! antwortete stolz der Apotheker, indem er würdevoll sein schwarzes Käppchen mit zwei Fingern emporhob. Morgen ist die erste Parade, bei der ich in vollem Glanze erscheinen werde – ich habe heute noch soviel zu besorgen, daß ich nicht weiß, wo mir der Kopf steht.

– Ihre Bücher werde ich nach Tische berichtigen, machen Sie sich deshalb keine Sorgen – und was das Hauswesen anbetrifft, so wird Netti – –

– Ach ja, die hilft soviel sie kann, sie ist meine kleine Haushälterin – wird aber nun bald die Deinige werden. Ach, wenn ich doch meine alte Meta noch hätte! Kathi, die seit zwei Tagen in meinen Diensten steht, ist ein Landmädchen, ein sehr hübsch gewachsenes Landmädchen – ich habe auch sonst nichts auf sie zu sagen; aber sie kann und weiß nichts. Ihr Vetter Lajos, der Fischer, auf dessen Empfehlung ich sie genommen habe, hat mir es vorhergesagt – da fällt mir etwas ein!

– Nun? fragte der Advokat, der eine wichtige Neuigkeit erwartete.

– Dieser Lajos ist so schwarz-gelb, daß ich mich recht innig über den alten Mann gefreut habe.

– Wie, ein Fischer kaiserlich gesinnt?

– Kaiserlich durch und durch! Deshalb habe ich ihm auch erlaubt, daß er in dem Arme der Save, der meinen Garten hinter dem Hause begrenzt, nach Gefallen fischen kann, denn die Strecke des Flusses an meinem Grundstücke ist mein Eigenthum. Wenn er nun einen Hecht oder einen schlanken Aal erwischt, so bringt er sie mir – doch nun komm, mein Freund, es wird Zeit zum Mittagessen sein – vorher will ich noch einmal in der Küche nachsehen, ob Kathi keine Dummheiten begangen hat.

Die beiden Männer stiegen die Treppe hinab und traten in das freundliche Wohnzimmer, wo Netti beschäftigt war, den Tisch zu decken.

Die Tochter des Apothekers war ein schönes, blühendes Mädchen von ein und zwanzig Jahren. Ihre Gestalt war schlank, nicht üppig, aber wohlgeformt. Ihr dunkelbraunes Haar hing in zwei langen Flechten über den Rücken herab, während es auf der weißen Stirn sich in einem einfachen Scheitel theilte. Das große blaue Auge, von dunkeln Augenbrauen bedeckt, strahlte freundliche, milde Blicke und verrieth einen nicht gewöhnlichen Grad weiblicher Bildung. Ihre Wangen, die bei jeder Bewegung der frischen Lippen niedliche Grübchen zeigten, waren von einer leichten Röthe gefärbt, die zu dem weißen Teint des zarten ovalen Gesichts einen lieblichen Kontrast bildeten. Ein einfaches dunkelblaues Kleid umschloß die schlanke Taille der Braut des jungen Advokaten.

– Netti, sagte Ferenz zärtlich, indem er ihre Hand ergriff und sie an seine Lippen zog – es kostet Mühe, Sie heute zu sehen!

– Sie haben Recht, antwortete das junge Mädchen mit einer weichen, wohlklingenden Stimme – mein guter Vater hat heute soviel Geschäfte, daß ich ihm ein wenig helfen muß.

– Netti, rief Herr Czabo im Tone des Vorwurfs – Du läßt Kathi allein in der Küche, die von der edeln Kochkunst so wenig versteht – Du hast ihr doch gesagt, daß der Braten – –

Das junge Mädchen trat zu dem Vater und ergriff seine Hand, als ob sie seinen aufkeimenden Unwillen rasch besänftigen wollte.

– Gewiß, lieber Vater! sagte sie bittend – Kathi ist noch unerfahren und an unsere Hausarbeit nicht gewöhnt – haben Sie ein wenig Nachsicht mit ihr – bitte, mein guter Vater! Es ist nicht ihre Schuld – sie ist nicht einen Augenblick aus der Küche gekommen.

– Wie, rief aufbrausend der Apotheker, ist etwas mit dem Braten vorgefallen?

– Wenn ich nicht darauf geachtet hätte – er wollte anbrennen!

– Ach, mein Gott, wie ist doch ein armer Wittwer zu beklagen! Ein so herrlicher Braten, bei dem ich heute Mittag mein Avancement zum Kommandanten der Schutzmannschaft feiern wollte! Warum mußte auch meine alte Meta blind werden, die hätte es gewiß nicht geschehen lassen! Nein, das ist unverzeihlich, ich werde auf der Stelle – –

– Vater, sagte Netti schmeichelnd, indem sie ihn sanft bei der Hand zurückhielt, wollen Sie mir etwas versprechen?

– Was?

– Zürnen Sie der armen Kathi nicht, sie ist so ängstlich, daß sie kaum noch weiß, was sie thut.

– Sie ist ängstlich?

– Ja, vor Ihrem Unwillen!

Der Apotheker sah seine Tochter einen Augenblick an.

– Gut, antwortete er plötzlich beruhigt, ich will diesmal noch schweigen, wenn es aber wieder geschieht –

– Es wird nicht wieder geschehen!

– Kathi ist noch jung – glaubst Du, daß wir sie für unsern Haushalt werden bilden können?

– Gewiß, mein Vater, versicherte Netti.

– Gut, Netti, besorge Du den Tisch, ich werde in die Küche gehen, um das arme Mädchen zu beruhigen.

Herr Czabo schob seine goldene Brille von der Stirn auf die Nase herab und verließ still lächelnd das Zimmer.

Er schlug den Weg nach seiner Küche ein.

Als Netti sich nach ihrem Bräutigam umsah, saß er in einer Ecke des Sopha's, hielt sein Taschenbuch in der Hand und war in tiefes Nachsinnen versunken. Der junge Mann schien von der ganzen Unterhaltung zwischen Vater und Tochter nicht ein Wort gehört zu haben.

– Nun, fragte Netti lächelnd, woran denken Sie, lieber Ferenz?

Der Angeredete fuhr empor und verbarg sein Taschenbuch.

– Verzeihung, Netti, ich dachte an Sie, an unser Glück!

– Oder vielmehr an das, was Sie so oft beschäftigt – fügte sie sanft hinzu – an Ihre Verse. Habe ich Recht?

– Netti! rief der Advokat.

– Es soll kein Vorwurf sein, lieber Ferenz – fuhr Netti mit einer unbeschreiblichen Anmuth fort – ich bin weit entfernt, mich darüber zu beklagen. Sie besitzen Geist und Talent und Ihre schönen Verse haben mich oft erfreut – vernachlässigen Sie die edle Dichtkunst nicht; doch denken Sie dabei auch an Ihre Netti.

– Immer, immer, meine geliebte Braut! rief feurig der junge Mann, indem er sanft seinen Arm um ihre Taille schlang und einen zarten Kuß auf ihre weiße, schöne Stirn drückte.

– Ferenz, lispelte Netti, ich werde stolz sein, Ihre Frau zu heißen!

– Und ich der glücklichste der Menschen, Ihr Mann zu sein!

Beide vollendeten jetzt das Arrangement des Mittagstisches.

2.

Herr Czabo war indeß in die Küche gegangen.

Der Apotheker schien etwas mehr zu beabsichtigen, als die neue Köchin wegen des angebrannten Bratens beruhigen zu wollen.

Leise öffnete er die Thür, aus der ihm ein Duft entgegenquoll, der das erste Zeugniß von Kathi's Versehen ablegte. Herr Czabo rümpfte die Nase, aber er schwieg.

Kathi stand an dem Heerde und fachte mit einem Blasebalge das Feuer an, daß es laut knisterte. In den Töpfen, die auf dem Heerde standen, rauschte und zischte es, als ob Wasser mit siedendem Oele gemengt sei. Die Köchin bemerkte den Eintritt ihres Herrn nicht sogleich, der ruhig an der Thür stand und mit einem gewissen Wohlgefallen das junge Mädchen beobachtete.

– Kathi, sagte er nach einer Minute, wie steht es mit dem Mittagessen?

Das junge Mädchen hing den Blasebalg an einen Nagel in der weißen Wand.

– Es kann angerichtet werden, Herr, antwortete sie in einem Tone, der umsonst einen leichten Schreck zu verbergen suchte.

Herr Czabo sah durch seine Brille auf die hübsche Köchin, als ob er ein Recept lesen wollte. Dann holte er eine kleine silberne Dose aus der Tasche und nahm behaglich eine Prise.

Die Köchin des Apothekers war auch in der That von einer auffallenden Schönheit. Sie trug einen kurzen rothen Friesrock mit schwarzem Bande besetzt, ein hellgraues wollenes Mieder mit kleinen runden Zinnknöpfen und ein kleines blaues Tuch, das den schlanken runden Nacken und den üppigen Busen nicht völlig bedecken konnte. Das starke, glänzend schwarze Haar vermochte die braune Mütze kaum zu fesseln, es fiel aufgelös't an beiden Schläfen herab und bedeckte wie ein spielender Schatten die Theile des schneeweißen Busens und der glänzenden Schultern, die das Tuch nicht zu verhüllen vermochte. Das feine, blühende Gesicht, etwas von Ruß geschwärzt, erglühte hochroth von der Hitze des Feuers, das die zwar schwarzen, aber wohlgeformten kleinen Hände zu unterhalten suchten. Die kurzen Aermeln des Mieders lagen so fest um den vollen runden Arm, daß sie bei jeder Bewegung zu zersprengen drohten. Weiße Strümpfe und schwarze Schuhe bekleideten ein Paar Füße, die an Zierlichkeit und Elasticität denen einer Tänzerin zu vergleichen waren. Kurz, die ganze Gestalt der Köchin war von der Natur mit einer Ueppigkeit ausgestattet, daß man sich über Herrn Czabo nicht wundern konnte, wenn er seinen angebrannten Braten darüber vergaß.

Kathi war eine zweite Aschenbrödel, die unter dem rußigen Küchengewande eine seltene Schönheit verbarg. Und was den Reiz noch erhöhte war der Umstand, daß Kathi sich ihrer körperlichen Vorzüge kaum bewußt zu sein schien.

– Kathi, begann der Apotheker, indem er auf seiner Dose trommelte – weißt Du, daß heute ein wichtiger Tag für mich ist?

– Nein, Herr Czabo! antwortete im Dialect der Landleute die Angeredete, ohne sich in ihrer Beschäftigung unterbrechen zu lassen.

– Es hat sich seit einigen Tagen eine Schutzmannschaft in unserer Stadt gebildet, um den flüchtigen Rebellen entgegenzutreten, die jetzt häufig Semlin passiren, die nahe türkische Grenze zu erreichen. Mich hat man zum Kommandanten für dieses Stadtviertel ernannt.

Kathi sah mit ihren großen, seelenvollen Augen den Apotheker an, wie es schien erschreckt.

– Wundert Dich das? fragte Herr Czabo.

– Nein.

– Und doch scheint es so?

– Ich freue mich, daß der junge Kaiser in Semlin so treue Unterthanen hat.

– Wahrhaftig? So sind wir von gleicher politischen Farbe. Gefällt es Dir in meinem Hause?

– Gewiß, Herr Czabo. Sie sind sehr freundlich und Ihre Tochter ist die Güte selbst. Was kann eine arme Dienstmagd von ihrer Herrschaft mehr verlangen?

– Eine arme Dienstmagd? Ich meine, Du besitzest genug, um nicht für arm zu gelten.

– Ich bin so arm, lieber Herr, daß ich es kaum zu sagen vermag.

Der Apotheker trat dem jungen Mädchen näher und faßte sie scharf, aber freundlich in's Auge.

Kathi wich betroffen einen Schritt zurück und wandte sich rasch zu den Töpfen auf dem Heerde.

– Fürchtest Du Dich vor mir, Kathi?

– Der Braten, Herr – –

Kathi bückte sich, um ein Stück Holz aufzuheben. Das Tuch verschob sich durch diese Bewegung und Herr Czabo sah die nackte, schöne Schulter der Köchin.

– Kathi!

– Herr Czabo!

– Sieh' mich an, ich meine es gut mit Dir.

Bei diesen Worten ergriff er den Arm des jungen Mädchens, so daß es ihn ansehen mußte. Des Apothekers Gesicht schwamm in einem Meere von Freundlichkeit.

– Kathi, sei offen – was fehlt Dir? Aengstigt Dich etwas?

– O nein.

– Und doch glaube ich es zu errathen.

– Sie, Herr Czabo?

– Dein Vetter Lajos ist ein alter Bekannter – –

– Lajos – war er bei Ihnen?

– Ich meine nur, er kann es mir sagen.

– Das glaube ich nicht, sagte Kathi mit einem schmerzlichen Lächeln.

– Und wenn er es mir schon so halb und halb gesagt hätte?

Aus Kathi's Augen blitzte ein seltsamer Strahl und ihr Kopf hob sich hoch empor.

– Lajos, rief sie, unmöglich!

Herr Czabo wunderte sich einen Augenblick über den Ton, in welchem diese Worte gesprochen wurden.

– Ei, mein Kind, sagte er mit einem feinen Lächeln, fürchtest Du, daß Dein Geheimniß verrathen werde?

Der Köchin Gesicht nahm den vorigen Ausdruck wieder an.

– Herr, ich habe keine Geheimnisse.

– Du liebst – nicht wahr? Unglücklich?

– Sie haben Recht, Herr Czabo, sagte Kathi lächelnd, indem sie zu ihren kleinen Füßen hinabsah.

– Und wer ist denn dieser glückliche Mann?

– Das kann ich nicht sagen.

– Ist er jung?

– Sehr jung.

– Reich?

– Sehr reich.

– Soldat?

– Von hohem Range.

– Ah, ich verstehe! rief Herr Czabo. Er diente wohl im Heere der Rebellen und ist jetzt flüchtig oder gar erschossen oder erhängt? Mein Kind, mit einem Rebellen mußt Du es nicht halten, diese Leute haben alle keinen guten Charakter.

– Sie irren, Herr Czabo, er ist kein Rebell.

– Nun, so sage es endlich, wer ist es?

– Unser junger Kaiser!

– Mädchen, rief erstaunt der Apotheker, bist Du toll? Doch es freut mich, daß Du nicht zu den sinnverwirrten Frauenzimmern gehörst, die sich an Rebellen und schlechte Mannsbilder hangen. Du bist ein loyales Mädchen und sollst so lange in meinem Hause bleiben, als es Dir gefällt.

– Ich danke, Herr Czabo!

– Hier nimm, fügte er hinzu, indem er eine Börse mit Geld aus seiner Tasche zog – es ist Dein halbjähriger Lohn im Voraus – kaufe Dir Kleider, oder was Du sonst gebrauchst, ich habe es gern, wenn meine Domestiken hübsch gekleidet gehen.

Ohne sich länger zu besinnen, ergriff Kathi die Börse.

In diesem Augenblicke ertönte ein Marsch von Trommeln durch die Straße. Als ob der kriegerische Schall sie wie ein Blitzstrahl berührt hätte, ließ Kathi die kaum empfangene Börse mit einem leisen Schrei des Schreckens zu Boden fallen, wobei sich ihre Blicke starr auf das Fenster hefteten, das nach der Straße hinaus ging.

Der Apotheker war selbst auf einen Augenblick verblüfft, er schob seine Brille vor die Stirn und starrte ebenfalls nach dem Fenster.

Ein Regiment österreichischer Infanterie in weißen Uniformen, blauen Hosen und großen Bärenmützen marschirte an dem Hause des Apothekers vorüber.

– Kaiserliche Soldaten! rief Herr Czabo, öffnete ein Fenster und sah mit großem Interesse dem kriegerischen Schauspiele zu. Jeder Andere würde sich über die hinkenden Teufel geärgert oder sie bemitleidet haben – Herr Czabo aber rief entzückt aus:

– Wie herrlich! Da kommen die Helden, die das Land erhalten! Ihr edeln Krieger, die Ihr muthig Euer Blut verspritzt für die gerechte Sache, für das milde, gerechte angestammte Kaiserhaus, für Ruhe und Ordnung im Lande – seid willkommen! Es lebe der Kaiser! Der Vater des Vaterlandes! Der hoffnungsvolle Jüngling!

Und rechts und links in der Straße fanden des Apothekers Ausrufungen ein lebhaftes Echo, man sah selbst weiße Tücher aus den Fenstern flattern, geschwungen von alten Weibern mit Hornbrillen auf den zusammengeschrumpften Nasen und Hunde oder Katzen zärtlich an ihre Brust drückend.

– Gott sei Dank, rief der Apotheker, daß wir endlich wieder Soldaten in unsern Mauern haben, nun kann man sich doch ruhig zu Bett legen und ruhig wieder aufstehen. Es lebe der Kaiser!

Kathi schien die Begeisterung ihres Herrn für das angestammte Kaiserhaus nicht zu theilen, der Anblick der Soldaten schien einen tiefen Eindruck auf sie ausgeübt zu haben.

Unbeweglich stand sie an der Seite des Fensters und sah mit schmerzlichen Blicken die weißen Krieger vorüberziehen.

Die Straße war nicht breit, so daß die äußern Rotten des Regimentes dicht an den Häusern marschirten.

Ein junger Mann mit gebräuntem Gesichte und einem großen vollen Barte sah das hübsche Mädchengesicht – rasch trat er einen Schritt seitwärts aus dem Gliede, streckte die Hand aus und trommelte eine Secunde mit den Fingern an der Stelle der Fensterscheibe, wo sich Kathi's Gesicht zeigte.

Mit einem unterdrückten Schrei der höchsten Ueberraschung oder des Schreckens fuhr die Köchin zurück und verbarg sich hinter der Wand.

In demselben Augenblicke mußte der junge Soldat seinen Scherz büßen: ein Korporal hob seinen langen Stock und führte einige derbe Schläge auf die Beine des Kriegers, der für seinen Kaiser in die Schlacht zog, um ihm den Thron zu erhalten.

Diese Aufrechterhaltung strenger Mannszucht sahen die beiden Personen in der Küche nicht mehr, nur die Hunde und alten Weiber in den Fenstern der Häuser hatten Gelegenheit, sich darüber zu wundern.

– Kathi, rief Herr Czabo, Du zitterst ja am ganzen Körper!

– Es ist nichts, Herr, der übermüthige Soldat hat mich ein wenig erschreckt.

Der Apotheker trat mitleidig zu seiner Köchin und streichelte ihr sanft die Wangen. Fast wäre er in laute Bewunderung ausgebrochen über die Zartheit der weichen Haut, das hatte er nicht erwartet.

– Sei nur ruhig, sagte er fast stammelnd, ich bin ja Kommandant dieses Stadtviertels, es soll Dir niemand etwas zu Leide thun. Und wenn ich meine Sorge für Dich etwas mehr ausdehne, als ich sonst für meine Mägde gethan, so bedenke, daß ich Wittwer bin und niemandem Rechnung von meinen Handlungen schulde. Hörst Du, Kathi, vergiß nicht, daß ich Wittwer bin!

Noch einen freundlichen Blick warf er auf die erschreckte und erstaunte Magd, dann verließ er die Küche.

Nach einer Viertelstunde hatte Netti mit Kathi's Hülfe die Speisen aufgetragen und Herr Czabo setzte sich mit seiner kleinen Familie zu Tische.

Kathi saß in der Küche auf einer Bank und hielt sinnend ihren Kopf in der Hand.

3.

Es war drei Uhr Nachmittags.

Ferenz war in seinem Zimmer mit dem Ordnen der Rechnungsbücher beschäftigt und Herr Czabo befand sich in dem Verkaufslocale, weil um diese Zeit Niklas, der Apothekergehülfe, die Geschäfte in dem Laboratorium besorgte.

Netti saß in dem Wohnzimmer und arbeitete an einer Stickerei, wobei sie dann und wann einen Blick in die Straße warf, in welcher Soldaten mit Zetteln in der Hand auf und abgingen, ihre Quartiere zu suchen.

Plötzlich ließ sich ein leises Klopfen an der Thür vernehmen. Das junge Mädchen mochte es nicht gehört haben, denn sie sah nur dann erst von ihrer Arbeit auf, als die Thür sich öffnete und ein langer, magerer Mann eintrat.

Man denke sich eine ungewöhnlich lange Gestalt mit bleichem Gesicht, dessen Backenknochen hoch emporragen, mit einer fast durchsichtigen großen Adlernase, großen grauen Augen, hellblondem Haare, mit breiten, langen Händen und Füßen, einem linkischen Benehmen, wie es Leuten von dieser Körperbildung eigen zu sein pflegt – angethan mit abgetragenen bürgerlichen Kleidern, die nicht mehr passen, und einer grünen wollenen Schürze, so hat man ungefähr ein Bild von dem Gehülfen des Herrn Czabo, der zu Netti in das Zimmer trat.

Unter verlegenem Lächeln stammelte der Eingetretene einige unverständliche Worte, die, wie es schien, einen Gruß bedeuten sollten.

Netti kannte die zarten Gefühle des langen Niklas und bedauerte ihn von Herzen – deshalb sah sie ihn freundlich an und fragte in einem sanften, fast bewegten Tone:

– Was meinen Sie, lieber Herr Niklas?

Die freundlichen Worte des jungen Mädchens hatten dem Schüchternen Muth eingeflößt.

– Was ich meine? fragte er laut.

– Nun ja!

– Soll ich es Ihnen offen bekennen, liebe Netti?

– Ich bitte darum, wenn Sie anders gekommen sind, mit mir zu reden.

Als ob die Verzweiflung seinen Muth noch erhöhte, holte er tief Athem und sagte in einem weinerlichen Tone:

– Ich meine, daß ich nicht mehr weiß, was ich meine, noch was ich thue. Ich dachte so eben über Pferde-Arznei-Kunde nach, denn ich stand im Begriffe, acht Gran Brechpulver anstatt vier in ein Paket zu thun. Ich zittere, wenn ich an die Wirkung denke! So kann das nicht mehr gehen, liebe Mamsell Netti, ich muß Abschied von Ihnen nehmen!

Niklas ließ den Kopf sinken und trocknete sich mit der grünen Schürze die Stirn, als ob ihm dieses Geständniß blutsauer geworden wäre.

– Himmel, rief Netti erschreckt, was fällt Ihnen ein? Sie wollen unser Haus verlassen?

– Glauben Sie denn, daß ein Apotheker kein Herz im Leibe hat? Im Gegentheil, dieses Organ des menschlichen Körpers ist bei ihm sehr gefühlvoll – dies ist wenigstens die Meinung Ihres Herrn Vaters, denn er erlaubte mir, sanfte Gefühle zu hegen, die, die – –

Niklas konnte keine Worte mehr finden, er ergriff abermals seine Schürze und trocknete sich die schweißtriefende Stirn.

– Mein Gott, was ist Ihnen denn? fragte Netti theilnehmend. Sind Sie krank?

– O nein, ich stampfte vorhin Senf in dem Laboratorium und dieses beißende Gewürz ist mir in die Nase gefahren – das ist alles, nun ist es schon vorbei.

– Das freut mich, lieber Herr Niklas.

– Darf ich fortfahren, Mamsell Netti?

– Ich bitte darum!

– Vor einer Stunde sprach ich einen Korporal von den kaiserlichen Soldaten, welche diesen Vormittag hier eingerückt sind.

– Nun? fragte Netti, die ihre Arbeit wieder ergriffen hatte.

– Der Korporal suchte Rekruten!

– In unserer Stadt?

– Ja! Korporal, sagte ich zu ihm, ich muß Ihnen gestehen, daß ich mich nicht mehr kenne – Korporal, wollen Sie mich?

Netti blickte von ihrem Stickrahmen auf und sah den Apothekergehülfen verwundert an. Dieser schien mit großer Spannung eine Antwort zu erwarten.

Eine Pause von einigen Secunden trat ein. Netti antwortete nicht.

– Herr Korporal, rief Niklas verzweiflungsvoll, ich will Soldat werden!

Netti schwieg immer noch.

– Herr Korporal, fuhr Niklas fort, ich will mich morden, das heißt, mit in die Schlacht ziehen, denn das ist eben so gut wie ein Selbstmord!

– Herr Niklas, rief Netti ängstlich, Sie wollen Soldat werden – was fällt Ihnen ein?

– Netti, rief der lange Mann, indem er seine Arme ausstreckte, Sie wollen mich zurückhalten?

– Das nun eben nicht, indeß – –

– Sie hält mich nicht zurück, flüsterte Niklas vor sich hin – das hätte ich nicht erwartet! Leben Sie wohl, Mamsell Netti, der Korporal hat mir sein Wort gegeben, ich bin angeworben!

Mit Thränen in den Augen verließ der verliebte und verzweifelnde Niklas das Zimmer. Noch hatte sich Netti von dem Schrecken über diese Scene nicht erholt, als sich plötzlich die Thür wieder öffnete und der Apothekergehülfe mit einem Korporal in weißer Uniform eintrat.

– Kommen Sie, Herr Korporal, rief er mit glühenden Augen, hier ist die Tochter des Hauses, wenden Sie sich an diese!

Ein junger, schön gewachsener Soldat mit einem vollen braunen Barte und feurigen schwarzen Augen stand vor der erstaunten Netti und hielt ein Quartierbillet in seiner Hand.

– Heil und Ehre den Schönen! sagte er mit einer wohlklingenden Stimme, indem er militairisch grüßte. Ein allerliebstes Kind! flüsterte er dem langen Niklas zu.

– Eine gefährliche Einquartierung, dachte Niklas, indem er den schönen Soldaten vom Kopfe bis zu den Füßen betrachtete.

Netti hatte ihren Platz verlassen.

– Verzeihung, mein Herr, – darf ich wissen wen ich die Ehre habe – –?

– Janos Esthi, mein schönes Kind, kaiserlicher Korporal im zwanzigsten Infanterie-Regimente. Es lebe der Kaiser! Es leben die Schönen! Es lebe der Krieg!

Mit einem Anstande, der den österreichischen Korporalen in der Regel nicht eigen zu sein pflegt, ergriff Janos Esthi Netti's weiche Hand und drückte ehrfurchtsvoll einen Kuß darauf, ohne daß es das junge Mädchen zu verhindern vermochte. Nicht ein Korporal, ein Officier höhern Ranges schien sich in dem Zimmer zu befinden.

– Herr Korporal! rief Niklas, der sich ärgerte, ihn bei Netti eingeführt zu haben.

– Ah, mein Rekrut! Ich sehe, mein junger Freund, Sie haben einen unbedingten Beruf für das Heldenhandwerk. Liebesgram – es ist klar! fügte er mit einem Seitenblicke auf Netti hinzu. O der kleine Gott mit der Binde vor den Augen ist der glücklichste Werber in allen Armeen der Welt!

– Herr Korporal, was sagen Sie da?

– Ich sage, daß Sie eine edle, kriegerische Physiognomie besitzen, daß Sie für den Ruhm geschaffen sind. Wahrhaftig, ich glaube in Ihnen den Kriegsgott zu erblicken, wie er für das Regiment angeworben wird. Nur eins ist mir unerklärlich, fügte der Korporal lächelnd hinzu.

– Und was? fragte Niklas.

– Daß ein so liebenswürdiger junger Mann Unglück in der Liebe haben kann. Bei Gott, man ist hier sehr difficil!

In Niklas Augen glänzte ein Hoffnungsstrahl, er hielt die Ironie des fröhlichen Korporals für Wahrheit.

– Wahrhaftig, sagte er vorwurfsvoll, ich begreife es auch nicht!

– Um den Schönen zu gefallen, fuhr Janos Esthi mit Galanterie fort, bedarf es nur einer Uniform und vorzüglich der meines Regimentes. Wenn man einmal darin steckt, hat man ununterbrochen Glück bei dem schönen Geschlecht.

– Ach, Herr Korporal, so haben Sie doch die Güte und stecken Sie mich hinein! rief eifrig der lange Mann.

– In die Uniform? Gut, verabredet und beschlossen. Ich habe Ihr Wort, alles Uebrige ist unnütz. Freuen Sie sich, junger Held, in dem Regimente der Ehemänner wären Sie vielleicht ein schlechter Soldat geworden, aber in dem meinigen werden Sie ein verführerischer Grenadier werden.

– Ich wäre doch lieber in das andere Regiment eingetreten, flüsterte Niklas vor sich hin und stieß einen tiefen Seufzer aus.

– Herr Niklas, sagte Netti, die ruhig in einer Fenstervertiefung gestanden und dem Gespräche der beiden Männer zugehört hatte – gehen Sie in die Apotheke und bitten Sie meinen Vater, daß er komme.

Niklas entfernte sich. Nach einigen Minuten trat Herr Czabo ein.

– Was wünschen Sie? fragte er grüßend den Korporal.

– Mein Herr, war die artige Antwort, hier ist mein Einquartierungsbillet. Es lebe der Kaiser!

Der Apotheker hob sein schwarzes Käppchen mit der linken Hand empor und reichte die rechte dem Soldaten.

– Bei diesem erhabenen Namen seien Sie mir willkommen! Ja, es lebe der Kaiser! Sie sind hier bei einem seiner wärmsten Anhänger und einem Soldaten, wie Sie – ich habe die Ehre, Kommandant der hiesigen Schutzwehr zu sein.

– Doppelter Grund, uns näher kennen zu lernen. Ihr Name, mein Herr?

– Istvan Czabo, Apotheker.

– Ein herrliches Geschäft! rief der Korporal. Nun, Herr Istvan Czabo, ist mein Quartier in Ordnung?

– Versteht sich. Sie sollen bei mir vollkommen zufrieden sein.

– Ich zweifle nicht einen Augenblick daran, sagte der Soldat mit einer nachlässigen Verbeugung. Gleich bei dem Eintritte wird das Riechorgan durch einen angenehmen Geruch gekitzelt, ohne die angenehmen Gegenstände zu berücksichtigen, die das Auge erfreuen.

– Ein galanter Soldat! dachte Herr Czabo.

– Fräulein Tochter? fragte der Sohn des Mars mit einer Protectormiene, die zugleich auch den Kenner verrieth.

– Ja, mein Herr!

Der Korporal wandte sich mit großer Unbefangenheit zu Netti.

– Fräulein Czabo ist der Inbegriff aller Vorzüge des schönen Geschlechts. Ich mache Ihnen mein Compliment!

Die Ungezwungenheit des Gastes schien dem Apotheker nicht zu behagen, er trat rasch zu seiner Tochter und sagte in einem unwilligen Tone:

– Herr Korporal, meine einzige Tochter Netti!

– Bei Gott, ein schöner Name! Aber noch schöner ist das Gesicht – –!

– Bitte, mein Herr, fuhr Czabo rasch fort – ich muß Ihnen bemerken, daß meine Tochter Braut ist und vielleicht in einigen Tagen schon ihre Verlobung feiert – mit einem braven jungen Manne. Sind Sie noch im Orte, so lade ich Sie hiermit dazu ein.

– Ich nehme die Einladung an. Wir trinken dann auf das Wohl des Kaisers.

– Und des wackern Generals Görgey! rief der Apotheker.

– Das Eine geht nicht ohne das Andere. Ich sehe, daß Sie – –

– Daß ich als Ungar eben so gut kaiserlich gesinnt bin, als Sie?

– Dazu gehört nicht viel! lachte der Korporal vor sich hin.

– Kathi, Kathi! rief der Apotheker durch die halbgeöffnete Thür.

– Gleich, Herr Czabo, gleich! hörte man die Stimme der Köchin im Hause rufen.

Der Korporal war zu Netti getreten und unterhielt sich halb leise mit ihr.

Kathi, die nach Tische ihre Toilette gemacht und den Ruß aus dem Gesichte und von den Händen gewaschen hatte, trat ein. Als sie den Korporal sah, der ihr den Rücken zuwandte, schwand auf einen Augenblick die Röthe ihres Gesichts, sie behielt jedoch äußerlich ihre Fassung.

– Kathi, befahl der Apotheker, hier ist der Schlüssel zu dem Garten und hier der zu dem Gartenhause. Arrangire sogleich das Zimmer darin und führe dann den Herrn dorthin, er wird es bewohnen.

– Kathi, rief Netti, ich werde Dich begleiten!

Der Korporal wandte sich und sah die Köchin, die zitternd an der Thür stand.

Als ob ein jäher Schlag alle seine Glieder gelähmt, stand er wie Lot's Salzsäule in der Mitte des Zimmers und starrte mit großen Augen die bebende Magd an. Kathi's Blicke hafteten eben so starr auf dem Soldaten. Sie fuhr mit der Hand über die Augen, als ob sie eine Wolke verwischen wollte.

– Thekla! flüsterte der Soldat.

– Himmel, er ist's! flüsterte das junge Mädchen.

Der gegenseitige Anblick der beiden Personen hatte einen tiefen Eindruck der Freude und des Schreckens hervorgebracht, sie behaupteten indeß mit großer Anstrengung dergestalt ihre Fassung, daß Herr Czabo und Netti nichts davon bemerkten.

Kathi und Netti verließen das Zimmer, um das Gartenhaus zum Empfange des Gastes vorzubereiten.

– Was ist Ihnen, Herr Korporal? fragte der Apotheker. – Sie sind ja plötzlich wie umgewandelt!

– Das bin ich, antwortete ernst der junge Mann.

– Und der Grund?

– Ihre liebenswürdige Tochter erinnert mich an eine Person, die meinem Herzen über alles geht.

– Haben Sie vielleicht eine Geliebte in der Heimath zurückgelassen?

– Sie haben Recht!

– Nun, tröstete Herr Czabo, so beruhigen Sie sich, der Krieg ist zu Ende, Sie werden sie gewiß bald wiedersehen!

Nach einer halben Stunde berichtete Netti, daß das Gartenhaus in Ordnung sei. Herr Czabo führte seinen Gast selbst dorthin. Ein freundliches Stübchen empfing den müden Krieger, ausgestattet mit allen Bequemlichkeiten. Der Abend begann zu dämmern, als der Apotheker den Korporal verließ.

Obgleich ermüdet von dem Marsche, litt es den jungen Mann dennoch nicht in dem Zimmer. Nachdenkend verließ er das Häuschen und begann durch die Wege des Gartens zu gehen, die der Herbst bereits mit gelbem Laube bedeckt hatte. Plötzlich hörte der Spaziergänger das Rauschen eines Flusses. Er durchschritt eine kleine Baumgruppe und eine ziemlich breite Wasserfläche blinkte ihm durch die Abenddämmerung entgegen. Das Ufer war flach ohne Gesträuch und mit Rasen bewachsen. Sinnend blieb der junge Mann stehen und gab sein glühendes Gesicht dem Luftzuge preis, der schneidend über die Wasserfläche kam. Nach und nach senkte sich ein dichter Nebel auf den Fluß und das Gesträuch des jenseitigen Ufers zeigte sich in phantastischen Gestalten, bis es endlich völlig verschwand.

Schon stand der Soldat im Begriffe, in sein Zimmer zurückzukehren, als sich Ruderschläge und das Rauschen eines Kahnes, der von dem entgegengesetzten Ufer zu kommen schien, anfangs leise und dann immer stärker vernehmen ließen.

Janos zog sich in die Baumgruppe zurück, die ungefähr zehn Schritte hinter ihm lag. Noch waren nicht fünf Minuten verflossen, als ein Kahn sich der Stelle des Ufers näherte, die er so eben verlassen hatte.

Ein Mann stieg aus. Vorsichtig befestigte er das Fahrzeug und nachdem er sich noch einmal überzeugt, daß der Strom es nicht losreißen konnte, schlug er den Weg nach der Baumgruppe ein. Erschreckt blieb der Mann stehen, als er die weiße Uniform erblickte.

– Wohin? fragte der Soldat.

– Zu Herrn Czabo, mit dem ich Geschäfte habe, war die Antwort.

Der Mann wollte seinen Weg fortsetzen.

– Halt! rief Janos.

– Was wollen Sie? fragte fest der Mann.

– Ich bin ein kaiserlicher Soldat.

– Das sehe ich. Es lebe der Kaiser!

– Doch wer sind Sie, der Sie in der Dunkelheit auf diesem ungewöhnlichen Wege zu meinem Wirthe wollen.

– Ich bin der Fischer Lajos, dessen Nichte bei Herrn Czabo als Köchin dient. Dies ist mein gewöhnlicher Weg, wenn ich sie nach vollbrachtem Tagewerk besuchen will – der Besitzer hat ihn mir gestattet.

– Lajos, sagen Sie? rief erstaunt der junge Mann. Wenn ich nicht irre, standen Sie vor zwei Jahren im Dienste der Gräfin Thekla Andrasy?

Dem Fischer schien vor Schrecken die Sprache vergangen zu sein.

– Und wenn es wäre? fragte er nach einer Pause.

– Dann würde ich Dir, mein alter Lajos als einem Freunde die Hand reichen. Kennst Du meine Stimme nicht mehr?

– Mein Gott, stammelte der Fischer, bei dem Namen der Gräfin steigt eine Erinnerung in mir empor – doch nein, ich kann es nicht glauben, – es ist nicht möglich! Ein Graf Esthi – –

– Steckt in der Uniform eines österreichischen Korporals, es ist die volle Wahrheit. Du weißt, ich diente als Oberst im Görgey'schen Corps –?

– Görgey! Görgey! knirschte der Fischer und hob beide Fäuste zum Himmel empor, als ob sie ein Krampf durchzuckte.

– Wir wurden verrathen und mußten die Waffen strecken, dann degradirte man uns zu gemeinen Soldaten und wir wurden den österreichischen Regimentern einverleibt. Seit drei Tagen hat man mich zum Korporal avancirt, weil mein Eifer im Dienst, den Du Dir bei der Bestimmung unseres Regimentes leicht erklären kannst, eine Belohnung erhalten sollte. Doch wir verplaudern die Zeit und denken nicht an das Wichtigste – – folge mir in das Gartenhaus, man könnte uns hier belauschen.

Nach einigen Minuten befanden sich die beiden Männer in dem Zimmer. Der Korporal zündete ein Licht an, das auf dem Tische stand.

– Ja, bei Gott, rief Lajos, als er das Gesicht des Soldaten sehen konnte – Sie sind es, Herr Graf! Ach, ich muß weinen, daß wir uns unter so traurigen Umständen wiedersehen!

Der Greis trocknete sich die nassen Augen. Der junge Mann schloß ihn gerührt an seine Brust.

– Lajos, ich weiß bereits alles – ich habe sie erkannt. O meine Thekla – sie dient als Köchin bei dem Apotheker! Eine Gräfin Andrasy ist Magd! Furchtbares Schicksal!

– Und doch blieb ihr weiter nichts übrig, sagte der Fischer. Unter welcher Maske sollte sie sich anders hier aufhalten? So lange die Russen die Grenze besetzt hielten, war an eine Ueberschreitung derselben nicht zu denken. Was sollten wir nun beginnen? Ich benutzte meine Bekanntschaft, die ich seit einem Jahre mir erworben und brachte meine frühere Herrin zu dem Apotheker.

– Wie aber ist Thekla zu Dir gekommen?

– Mein Sohn, der sie auf der Flucht begleitete, brachte sie vor drei Tagen in mein Häuschen, das dort unten am Ufer der Save steht. Ich konnte sie nicht bei mir behalten, weil die Grenzpatrouillen täglich bei meiner Wohnung vorbeipassiren. Zum Glück fand ich diesen Dienst für sie. Doch, Herr Graf, die Gefahr hat den höchsten Gipfel erreicht, wenn die junge Gräfin diesen Abend Semlin nicht verläßt, ist sie verloren.

– Lajos, was ist's?!

– Wie ich von einer Magistratsperson gehört, in deren Haus ich heute Mittag Fische brachte, soll diese Nacht in der ganzen Stadt Haussuchung gehalten werden, weil man wissen will, daß sich mehrere Führer der Revolution, und unter ihnen unsere arme Gräfin, hier befinden sollen. Um Mitternacht soll das Regiment unter die Waffen treten. Sehen Sie, aus diesem Grunde muß ich in die Apotheke.

– Und hast Du einen Rettungsplan ersonnen? rief eifrig der junge Graf. O, so sage ihn mir, daß ich Dich unterstützen kann! Ich begleite meine Thekla, meine geliebte Braut, und wenn es sein muß, in den Tod!

– Hören Sie mich an, flüsterte der Fischer. Dort liegt mein Boot. Es ist zwar nur ein Fahrzeug für die Save, das darf uns aber nicht abhalten, uns ihm anzuvertrauen, um eine halbe Stunde unter der Stadt in die Donau auszulaufen und das gegenseitige Ufer zu gewinnen. Erreichen wir es glücklich, so sind wir gerettet, denn wir befinden uns dort auf türkischem Boden, wo den Flüchtlingen eine gastfreie Aufnahme zu Theil wird.

– Du hast Recht, Lajos, es ist besser in den Wellen zu sterben, als einen schimpflichen Tod von feilen Knechten zu erleiden.

– So will ich gehen und die Gräfin vorbereiten.

– Nein, bleibe. Es ist besser, Du hütest den Kahn, unser einziges Rettungsmittel; ich schreibe an Thekla und stecke ihr heimlich das Briefchen zu. Auch fürchte ich, daß Deine Anwesenheit im Hause Verdacht erregen könnte. Geh, und bewache unser Rettungswerkzeug!

Lajos kehrte an das Ufer zurück.

Auf einem Tische befand sich Schreibzeug und Papier. Der Soldat setzte sich zum Schreiben. Seine Hand zitterte, als er die Feder ergriff.

4.

Während der Apotheker sich im Gartenhause befand und der Korporal seinen Spaziergang machte und mit dem Fischer die Flucht der Gräfin Andrasy berieth, hatte die arme Kathi eine neue Ueberraschung zu erfahren, die nicht minder erschütternd auf sie einwirkte, als der Anblick des kaiserlichen Soldaten.

Niklas, des Apothekers Gehülfe, hatte mit der schönen Köchin eine Unterredung angeknüpft, um seinen Gram verschmähter Liebe etwas zu mildern. Als Einleitung dazu hatte er die Neuigkeit erzählt, daß die Regierung einen Preis von dreitausend Ducaten auf den Kopf der flüchtigen Gräfin Andrasy gesetzt habe und daß sie sich in der Umgegend oder in der Stadt selbst befinden solle.

In einer fieberhaften Aufregung und kämpfend mit der Angst vor Verrath, stieg sie um vier Uhr die Treppe hinan, um nach der Hausordnung dem Advokaten Ferenz den Kaffee auf das Zimmer zu bringen, den sie auf einem Präsentirteller in den zitternden Händen trug. Leise trat sie in das Arbeitszimmer des jungen Mannes. Ruhig blieb sie an der Thür stehen, denn Ferenz saß an seinem Arbeitstische, die Fortsetzung des Gedichtes, an welchem er, statt an den Büchern des Herrn Czabo, gearbeitet hatte, mit lauter Stimme lesend:

Da stand urplötzlich eine hohe Frau,
Wie einst Johanna d'Arc, im Volksgewühl –
Die Menge ward begeistert, denn so schön
War selbst die gottgesandte Jungfrau nicht!

– Ein Dichter! dachte Kathi und hielt sich ganz still, denn es war das erste Mal seit langer Zeit, daß sie wieder Verse hörte, sie, die selbst als Dichterin bekannt war.

Der Advokat fuhr mit erhöhter Stimme fort, da er sich allein wähnte:

Du bist die Gottgesandte, hohe Tochter
Des würdigen Andrasy, denn dich schmückt
Das Attribut der höchsten Majestät.
Im Kampfe groß und nach dem Siege mild
Bist du es, die die Thränen Armer stillt –
Du trägst mit Würde der Verbannung Schmerz,
Vertrauend blickt dein Auge himmelwärts –
Vom Glorienlicht der Hoffnung mild umzogen,
Stehst eine Heldin du in Sturmeswogen.

Das arme Mädchen zitterte, als sie vernommen, daß die Verse an sie gerichtet waren, ein heller Thränenstrom entstürzte ihren schönen Augen.

Und herrlich hat die Gottheit dich geweiht,
Mit Stolz verbindest du Bescheidenheit –
Der Frauen höchste Schöne strahlt darin,
Mein Ideal, du, meine Königin!

Mit großer Selbstzufriedenheit legte der Advokat sein Taschenbuch auf den Tisch. Da hörte er das laute Schluchzen der Jungfrau, die das überströmende Gefühl in ihrer wogenden Brust nicht mehr verschließen konnte.

Ferenz wandte sich erschreckt nach der Thür.

– Kathi, Kathi! rief er, was ist geschehen?

– Ach, Herr Advokat, diese Verse – o wie schön, wie groß, eine verbannte, verfolgte Frau zu besingen!

Ferenz starrte die Köchin an – diese Worte waren nicht in dem gewöhnlichen Dialecte der Landleute gesprochen. – Und welche Empfindung verriethen sie! –

Die Gräfin Thekla Andrasy hatte ihre Maske vergessen. Doch schon im nächsten Augenblicke erinnerte sie sich wieder daran. Rasch trat sie zum Tische und setzte das Kaffee-Serviçe nieder, dann wollte sie sich entfernen. Doch ehe sie noch die Thür erreicht hatte, ließ sich ein Trommelwirbel in der Straße vernehmen. Thekla mußte sich an dem nahestehenden Stuhle halten, um nicht zu Boden zu sinken.

– Diese Angst, diese Verwirrung! rief Ferenz. Wer bist Du – Wer sind Sie? fügte er rasch hinzu.

– Lassen Sie mich! lassen Sie mich! Ein augenblicklicher Schwindel – er ist vorüber.

– Allmächtiger Gott, Sie zittern vor diesem Geräusch – Und diese Züge, die ich schon im Bilde gesehen – Nein, nein, Sie sind nicht, was Sie scheinen – Sie sind die Gräfin Thekla Andrasy!

Die Gräfin erhob sich wieder. Angst und Besorgniß schienen plötzlich verschwunden zu sein, denn aus ihren Augen strahlte das Feuer des Muthes, der große Geist, der Gefahren trotzt – die Schwäche der Frau war besiegt.

– Ja, ich bin es, sagte sie stolz. Ihre Hand, mein Herr, dem Dichter darf ich mich vertrauen – ich bin die flüchtige Thekla, auf deren Kopf man dreitausend Ducaten gesetzt hat.

– O mein Gott, rief Ferenz, dies ist der schönste Lohn, der je einen Dichter krönen konnte! Bauen Sie fest darauf, daß ich mit meinem Leben bereit bin, Sie den Verfolgungen Ihrer rachsüchtigen Feinde zu entziehen!

– Wissen Sie, was der Trommelwirbel bedeutet?

– Er ruft die Schutzmannschaft zum Appell, deren Kommandant Herr Czabo ist. Sie haben für diesen Augenblick nichts zu fürchten.

– Und was habe ich von dem Dichter zu hoffen? fragte sie mit einem unbeschreiblichen Ausdrucke.

– Daß er mehr thun als Verse schreiben – daß er Sie retten wird!

Auf der Hausflur des Erdgeschosses ließ sich Herrn Czabo's Stimme vernehmen, der nach seiner Köchin rief.

– Mein Schwiegervater! flüsterte Ferenz. Tragen Sie Sorge, daß er Ihren wahren Stand nicht entdeckt, er ist zwar gut, aber schwach – leicht könnte er eine Unbesonnenheit begehen, um sich als Kommandant zu zeigen, die Sie in's Unglück stürzt.

– Kathi, Kathi! rief der Apotheker mit stets lauterer Stimme – Kathi!

– Mein Herr, sagte Thekla, daß Sie an meinem Schicksale Theil nehmen, ist ein schöner Trost, der mich an meiner Rettung nicht verzweifeln läßt. So darf ich im Augenblicke der Gefahr fest auf Ihre Hülfe zählen?

– So wahr ich hoffe, daß der Sieg der Tyranney kein ewiger ist! Noch diesen Abend werden Sie von mir hören! Beugen Sie sich nur heute noch in das Joch der Köchin.

– Ich eile, um keinen Verdacht zu erwecken.

Als Thekla die Hausflur betrat, war sie ganz wieder Köchin.

Herr Czabo, ein Licht in der Hand tragend – denn es begann zu dunkeln – kam ihr aus der Küche entgegen. Er war mit einer blauen Uniform bekleidet und mit einem mächtigen Säbel bewaffnet. Auf den Schultern erglänzten große Epauletts mit silbernen Candillen.

– Kathi, sagte der Kommandant sich in die Brust werfend, ich verlasse auf eine Stunde das Haus, weil meine Mannschaft auf dem Sammelplatze zusammentritt – es ist etwas Wichtiges im Werke. Wahre die Küche und besorge unserm Gaste das Abendessen. Sobald es völlig dunkel geworden, schließe die Fensterladen und bleibe ruhig in deinem Zimmer neben der Küche. Adieu, Kathi, sagte freundlich der Apotheker und gab der Köchin das Licht, wobei er die Finger ihrer niedlichen Hand drückte, als ob es absichtslos geschehen sei.

– Ich werde alles pünktlich besorgen, Herr, sagte Kathi und verschwand durch die halbgeöffnete Küchenthür, um ihre Bewegung zu verbergen.

– Ein reizendes, liebes Mädchen! flüsterte der Apotheker vor sich hin. Den Lohn hat sie auf ein halbes Jahr voraus erhalten – so lange ist sie gebunden – wer weiß, was dann geschieht!

Still lächelnd verließ er das Haus und eilte durch die halbdunkeln Straßen dem Marktplatze zu, wo sich die Schutzmänner bereits versammelt hatten.

5.

Thekla war so erschüttert von den Begebnissen dieses verhängnißvollen Tages, daß sie sich einige Augenblicke der Ruhe überlassen mußte. Sie setzte sich auf das Bett in ihrer Kammer neben der Küche und ließ das glühende Köpfchen in das weiße Kissen herabsinken.

– Janos, Graf Esthi als Korporal in einem kaiserlichen Regimente! flüsterte sie leise. Hätten ihn meine Augen nicht gesehen, ich würde es für ein Spiel meiner aufgeregten Phantasie halten – welch' ein Schicksal! der gräfliche Bräutigam Korporal und die gräfliche Braut die Köchin eines Apothekers in Semlin! Wahrhaftig, man könnte darüber lachen, wenn die Sache nicht zu ernst wäre, denn es handelt sich um Leben und Tod. Janos, rief sie aus, rette deine Braut, deine Thekla, nach deren Kopfe die Tyrannen trachten – man will sie morden, wie man das Vaterland gemordet hat!

Thekla hielt beide Hände vor das Gesicht, sie wollte den Thränenstrom ersticken, der aus ihren Augen stürzte.

Ein Knistern, als ob jemand durch die Küche schliche, ließ sich vernehmen.

Thekla fuhr empor, rasch ihre Thränen trocknend. Dann ergriff sie das Licht und trat unter lautem Herzklopfen in die Küche hinaus.

Der Schein des Lichtes fiel auf die weiße Uniform des Korporals.

– Thekla! rief mit unterdrückter Stimme der junge Mann.

– Janos! schluchzte das junge Mädchen.

Beide stürzten sich in die Arme und feierten durch einen innigen Kuß, den das Salz der Thränen würzte, das schmerzliche, verhängnißvolle Wiedersehen.

Der Graf gewann seine Fassung zuerst wieder, er wußte ja, welche Gefahr seiner geliebten Thekla bevorstand.

– Kein Wort mehr, – flüsterte er; – nimm dieses Papier, es wird Dir alles sagen.

Er drückte dem zitternden Mädchen ein Briefchen in die Hand, dann verließ er eben so leise und vorsichtig das Haus, als er es betreten hatte.

Die junge Gräfin zog sich in die Kammer zurück. Nachdem sie noch einmal sich überzeugt, daß der Laden des Fensters geschlossen sei, öffnete sie das Papier und las:

»Jede Stunde mehrt die Gefahr. Man weiß, daß Du Dich in der Stadt verborgen hältst. Ein Zufall führte mich mit Deinem treuen Lajos zusammen, wir haben gemeinschaftlich den Plan zur Flucht berathen, die diesen Abend noch ausgeführt werden muß. Am Ufer der Save, dort, wo die kleine Baumgruppe im Garten des Apothekers steht, liegt ein Kahn zu unserer Aufnahme bereit. Wir fahren in der Finsterniß die Save hinab, um die Donau und das jenseitige Ufer derselben zu gewinnen. Es ist ein kühnes Wagniß, da Lajos nur einen kleinen Kahn zu unserer Verfügung stellen kann. Ich ziehe es aber vor, in den Wellen zu sterben, als von der Hand blutdürstiger Tyrannen. Empfängt uns das rettende Ufer nicht, so wird der Schooß der Donau unser Brautbett. Sei vorsichtig und meines Winkes gewärtig.«

Noch einmal durchflog sie die Zeilen von geliebter Hand, dann drückte sie das Blatt an ihre Lippen und flüsterte, den Blick gen Himmel gewandt:

– Ja, mein Janos, mein geliebter Mann, entweder das rettende Ufer, oder an Deiner Seite den Tod in den Wellen der Donau!

Als ob mit diesem heroischen Entschlusse das Gemüth der jungen, unglücklichen Gräfin völlig beruhigt sei, unterzog sie sich, ohne längeres Zögern, der Hausarbeit, welche die Zeit des Tages mit sich brachte. Sie ging zunächst auf die Straße und schloß die Laden an den Fenstern des Erdgeschosses, die von außen angebracht waren.

Ein ungewöhnlich reges Treiben herrschte in der sonst, um diese Zeit, so stillen Gasse, Soldaten und Bürger gingen hin und wieder. Vor den Thüren standen Gruppen von Männern und Frauen und unterhielten sich lebhaft, ungeachtet des kühlen Herbstabends. Thekla kümmerte es nicht, die Nähe des Geliebten hatte ihr Herz mit Muth und Vertrauen erfüllt, sie ging ruhig in das Haus zurück.

Im Wohnzimmer traf sie Netti.

– Kathi, – sagte das junge Mädchen, – hast Du für unsern Gast das Abendessen besorgt?

– Nein, – antwortete die Magd; – ich dachte, es sei noch zu früh.

– So besorge es. Der Vater sagte mir, es sei möglich, daß das Regiment sich versammeln müsse, da diesen Abend oder diese Nacht eine allgemeine Haussuchung in der Stadt vorgenommen werden solle, man vermuthe die Anwesenheit wichtiger, politischer Flüchtlinge.

– Soll geschehen, – antwortete Kathi und verließ das Zimmer.

Thekla's Herz begann wieder zu pochen, so nahe hatte sie die Gefahr nicht geglaubt. Unschlüssig, ob sie in das Gartenhaus gehen und diese Nachricht dem Grafen mittheilen sollte, oder nicht, stand sie einen Augenblick auf der Hausflur, als der Advokat Ferenz eilig von der Straße hereintrat. Vorsichtig sah er sich um, dann trat er zu Thekla heran.

– Man scheint Sie verrathen zu haben, – flüsterte er eifrig, – ich komme vom Marktplatze, wo sich das Gerücht verbreitet hat, die Gräfin Andrasy halte sich in diesem Stadttheile verborgen. Wechseln Sie schnell die Kleidung, da man auf die Frauen ein besonderes Augenmerk richten wird – meine Garderobe steht zu Ihrer Verfügung. Eilen Sie auf mein Zimmer, ich werde Netti unterhalten und ihr sagen, ich habe Sie ausgeschickt. Verlieren Sie keine Zeit, man theilt schon die Patrouillen ab.

Der Advokat gab der bestürzten Gräfin den Schlüssel zu seinem Zimmer.

– Und dann? – fragte sie kaum hörbar.

– Bleiben Sie, bis ich zu Ihnen komme. Fort, fort!

Ferenz ging in das Zimmer zu Netti.

Mit dem Vorsatze, sobald die Umkleidung geschehen, in das Gartenhaus zu eilen, flog Thekla, deren Muth wieder erwacht war, die Treppe hinan und betrat das Zimmer des jungen Advokaten. Da ihr die Einrichtung desselben bekannt war, zündete sie ein Licht an, das auf einem Seitentischchen stand. Nach einer Minute hatte sie auch den Schrank, der die Kleider aufbewahrte, gefunden. Dann verschloß sie die Thür.

Während dieser Zeit erschien der Korporal auf der Hausflur. Vorsichtig schlich er zur Küche. Ein Lämpchen brannte auf dem Heerde, die Köchin war nicht zu erblicken. Der junge Mann sah in die Kammer – auch diese war leer.

– Mein Gott, – flüsterte er, – was bedeutet das? Wir dürfen nicht länger zögern – wo mag sie sein? Kathi, – rief er leise, – Kathi!

Alles blieb still.

Janos trat auf die Hausflur zurück und lauschte, – nichts regte sich. Plötzlich hörte er in dem Wohnzimmer sprechen. Ohne sich länger zu besinnen, klopfte er an die Thür, öffnete und trat ein.

Der Advokat und seine Braut waren die einzigen Personen im Zimmer.

– Auch hier nicht! – dachte er, und seine Besorgniß vermehrte sich.

Ferenz erschrack, als er den mit einem Säbel bewaffneten Korporal erblickte.

– Was wollen Sie? – fragte er, seine Fassung zusammennehmend.

Janos hatte bald einen Vorwand gefunden.

– Verzeihung, – antwortete er im Tone des Soldaten, – wenn ich störe. Ich suche überall die Köchin und kann sie nirgends finden. – –

– Was wollen Sie von unserer Köchin? – fragte rasch der Advokat und sein Gesicht verrieth den Eindruck, den die Worte des Korporals hervorgebracht.

Dem Soldaten entging die Bewegung des Fragenden nicht; er sah ihn einen Augenblick prüfend an. Er unterdrückte jedoch seine Befürchtung und sagte mit einem erzwungenen Lächeln:

– An wen soll sich anders ein Soldat, der bei einem Bürger im Quartier liegt, wenden, wenn er Hunger hat?

– Ah, Sie liegen hier im Quartier – das wußte ich nicht!

– Schon vor einiger Zeit, – sagte Netti, – habe ich ihr Auftrag ertheilt, unserm Gaste das Abendessen zu bereiten, ich begreife nicht, warum es nicht schon geschehen.

– Verzeihung, Netti, ich hatte vergessen, Ihnen zu sagen, daß ich Kathi zu einem meiner Kollegen geschickt habe, um mir ein Aktenstück holen zu lassen.

– In diesem Falle werde ich selbst die Vorbereitung treffen, – sagte das junge Mädchen und verließ das Zimmer.

– Sie sind Korporal in kaiserlichen Diensten? – fragte Ferenz, der durch ein gleichgültiges Gespräch den Soldaten auszuforschen suchen wollte.

– Wie Sie sehen, – antwortete der Graf, der wie auf Kohlen stand.

– Ein schöner, aber ein gefährlicher Stand.

– Ich läugne es nicht; aber die Gefahr, mein Herr, macht ihn zu dem, was er ist. Nur im Kriege lebt der Soldat, im Frieden ist er nur eine todte Puppe. Jetzt habe ich Ihnen gesagt, was ich bin, darf ich nun auch wissen – –?

– Wer ich bin? Ich bin Advokat und heiße Ferenz.

Der Soldat schien von dieser Antwort überrascht zu sein, er sah mit großen Augen den Advokaten an.

– Ferenz ist Ihr Name? – fragte er endlich.

– Ja. Wundert Sie das?

– Stehen Sie mit Pesth in Correspondenz?

– Ja.

– Und wer ist Ihr Correspondent, wenn ich fragen darf?

– Der Graf Janos Esthi, dessen Gut, das eine Stunde von Semlin entfernt liegt, ich verwaltet habe.

– Und Sie verwalten es aus dem Grunde nicht mehr, – fuhr sardonisch lächelnd der Korporal fort, weil es die Krone Oesterreichs an sich genommen hat, um den jungen Grafen für die Dienste zu belohnen, die er in der Armee des treuen, braven Görgey seinem Vaterlande geleistet?

– Ganz recht.

– Ihr letzter Brief, den Sie ihm nach Komorn sandten, enthielt eine Beileidsbezeigung für den Grafen und die Aufforderung, sich nach Semlin zu wenden, im Fall er gezwungen wäre, flüchtig zu werden – den Brief brachte ein Expresser.

– Mein Gott, – rief der Advokat erstaunt, – woher wissen Sie das Alles?

– Weil der Graf mein Freund war.

– So können Sie mir auch wohl sagen, warum der Graf meiner Aufforderung nicht nachkam, da er doch meinen Eifer, ihm zu dienen, kannte?

– Er kannte auch aus Ihren Briefen, zwar nicht Ihre Person, mein Herr, aber Ihren Patriotismus, Ihren ehrenwerthen Charakter – und wenn er sich nicht zu Ihnen wendete, als der Freiheitskampf zu Ende war, so geschah es deshalb, weil man ihn zwang, die Uniform eines Korporals vom zwanzigsten kaiserlichen Infanterie-Regimente zu tragen.

– O Himmel, diese Sprache, dieser Anstand – –

– Gehört dem Korporal Janos Grafen Esthi!

– Welch' ein fürchterliches Geschick führt Sie in unsere Stadt! Herr Graf, die Uebertragung der Verwaltung Ihres bedeutenden Gutes gab meiner Subsistenz den ersten Stützpunkt. –

– Sie wurden mir durch den jetzt verstorbenen Dr. S. als einen zuverlässigen, tüchtigen Sachwalter empfohlen. –

– Ich mußte mich dankbar bezeigen – erinnern Sie sich des Schlußsatzes meines Briefes?

Der Soldat zog ein Taschenbuch aus der Brusttasche seiner Uniform und holte einen erbrochenen Brief daraus hervor, den er entfaltete.

– Ja, das ist mein Brief! rief freudig der Advokat.

– Sie sprechen darin von einer Eröffnung, die sie nur mündlich mir zu machen vermöchten, sagte der Graf, die Augen auf das Papier geheftet – ich bin bereit, sie zu hören, doch fassen Sie sich kurz, meine Zeit ist abgemessen.

– Ich habe Ihnen ein Kapital von hunderttausend Gulden gerettet, das zur Empfangnahme bereit liegt.

– Herr Ferenz, rief Janos, was sagen Sie?

– Die Wahrheit. Ich ahnte nach der unglücklichen Schlacht den Verlauf der Dinge, und da sich mir gerade eine günstige Gelegenheit bot, veräußerte ich vor der Confiscation des Gutes die Aecker und Wiesen jenseits der Save, sowie alles Mobile, was zu demselben gehörte. Der gerichtlich bestätigte Kauf gestattete keinen Widerruf – Herr Graf, nehmen Sie Ihr gerettetes Vermögen in Empfang!

Schweigend umarmten sich die beiden Männer.

– Freund, rief bewegt der Graf, Sie haben mir einen Dienst erwiesen, der mich so glücklich macht, daß ich ihn Ihnen nie vergelten kann! Als ersten Dank zolle ich Ihnen mein unbedingtes Vertrauen. Man verfolgt die Gräfin Andrasy, meine Braut.

– Thekla, Ihre Braut? Herr Graf, noch ist sie geborgen!

– Wie, Sie kennen Ihren Aufenthalt?

– Noch mehr: in diesem Augenblicke trifft sie die erste Vorbereitung zu ihrer Rettung, darum ist sie abwesend.

– Ich suchte sie in der Küche.

– Sie ist auf meinem Zimmer, um meine Kleider anzulegen.

– Sie unterstützen meinen Plan – am Ufer der Save im Garten liegt ein Kahn –

Die Schritte einer Patrouille ließen sich in der Straße vernehmen.

– Großer Gott! rief Ferenz. Gehen Sie an das Ufer, ich folge im Augenblicke mit der Gräfin.

– Edler Mann, der Himmel lohne Ihnen!

Der Soldat verließ eilig das Zimmer und stürzte in den Garten hinaus. Als Ferenz auf die Hausflur trat, hörte er, daß die Patrouille im Nachbarhause Nachsuchung hielt. Wie ein Pfeil flog er die Treppe hinan und klopfte leise an die Thür seines Zimmers.

– Ich bin es, Ferenz, flüsterte er dabei.

Die Thür ward von innen geöffnet und die Gräfin, als Mann gekleidet, erschien an der Schwelle. Das schöne Haar hatte sie unter einer Mütze verborgen, welche Ferenz auf seinen Reisen zu tragen pflegte.

Vorsichtig schloß er die Thür wieder. Thekla stand zitternd in der Mitte des Zimmers.

– Nehmen Sie meinen Mantel, flüsterte er, er hängt im Nebenzimmer dort, Sie werden seiner bedürfen.

Die Gräfin schwankte in das bezeichnete Zimmer, die Hast des jungen Advokaten ließ sie die höchste Gefahr ahnen. Ferenz erschloß rasch einen Secretair und holte einen großen, schweren Lederbeutel daraus hervor.

– Wo ist der Korporal, der das Gartenhaus bewohnt? fragte die zurückkehrende Gräfin.

– Er erwartet Sie am Ufer der Save.

– Sie haben mit ihm gesprochen und wissen, wer er ist?

– Er ist der Besitzer dieser Summe, die ich ihm gerettet habe. Fort, fort, man sucht schon in dem Nachbarhause!

Der Advokat löschte das Licht aus, dann ergriff er den Arm der Gräfin und zog sie mit sich fort. Vorsichtig verschloß er das Zimmer wieder, da er die Kleider der Köchin darin wußte. Auf der Hausflur trat ihnen Netti entgegen. Erschreckt blickte sie den jungen Mann im Mantel an.

– Netti, flüsterte Ferenz flüchtig, in zehn Minuten bin ich bei Ihnen, um Ihnen alles zu erklären – gehen Sie in das Wohnzimmer, es ist möglich, daß Sie Besuch erhalten.

Das junge Mädchen starrte den beiden Personen nach, die hastig aus dem Hause in den Garten stürzten. Am Ufer trafen sie den Soldaten und den Fischer.

– Herr Graf, sagte leise der Advokat, hier ist Ihre Braut und hier der Rest Ihres Vermögens, soviel ich davon in Golde vorräthig hatte. Die Hälfte davon besitze ich in Papieren, die in der Türkei ohne Werth sind; ich werde sie jedoch in klingende Münze umzusetzen suchen, daß sie stets zu Ihrer Verfügung stehen.

– Ich leiste Verzicht auf die Papiere, sie mögen der Lohn meines großmüthigen Advokaten sein.

– Herr Graf!

– Leben Sie wohl, vielleicht sehen wir uns wieder!

Hastig umarmte der Graf den jungen Mann, dann half er der Gräfin in das Boot, in welchem Lajos schon wartete, zuletzt sprang er selbst hinein.

Das Wasser rauschte und der Kahn verschwand in dem Nebel, der wie ein graues, undurchsichtiges Tuch auf dem Wasser ruhete.

Als ob er die Flucht des unglücklichen Paares segnen wollte, streckte Ferenz seine Arme ihm nach. Leichten Herzens kehrte er in die Wohnung des Apothekers zurück.

Die Patrouille hatte das Haus des Kommandanten der Schutzwehr übergangen, da man bei ihm einen Schlupfwinkel für Flüchtlinge unmöglich hielt. Der Advokat saß in dem freundlichen Zimmer und erzählte der staunenden Netti die Flucht der Gräfin Thekla Andrasy.

Es war zehn Uhr, als Herr Czabo an die Thür seines Hauses klopfte. Niklas öffnete ihm.

– Warum öffnet Kathi nicht? fragte der erhitzte Kommandant, dem das hübsche Gesicht und der schöne Arm der Köchin nicht mehr aus dem Sinne wollte.

– Sie ist nicht da, antwortete Niklas.

Nachdem der Apotheker in die finstere Küche gesehen, trat er in das Wohnzimmer.

– Wo ist Kathi? fragte er unmuthig, warum öffnet sie mir die Thür nicht?

– Vater, sagte Netti, wir haben eine fürchterliche Entdeckung gemacht. Die Gräfin Andrasy hatte sich in unserm Hause versteckt.

– Himmel, welche Frechheit, rief erstaunt der Apotheker.

– Doch, beruhigen Sie sich, lieber Vater, fügte der Advokat hinzu, sie ist schon seit einer Stunde nicht mehr unter Ihrem Dache. Niemand wird glauben, daß eine Gräfin als Köchin in Ihren Diensten gestanden hat.

– Wie, Kathi wäre –?

– Die Gräfin Andrasy! sagten lächelnd Ferenz und Netti.

Herr Czabo sank vernichtet auf einen Stuhl.

– Himmel, rief er plötzlich aus, wenn das bekannt wird, bin ich verloren, entehrt, man wird mich meines Postens als Kommandant entsetzen! O, diese Schlange! Nicht genug, daß sie im Lande Zwist und Hader veranlaßt, sie geht auch noch in die Häuser friedlicher Bürger, um Unglück anzurichten!

– Vater, sagte Ferenz tröstend, wenn Sie selbst über diesen sonderbaren Vorfall schweigen können, wird Niemand etwas davon erfahren, denn außer mir und Netti weiß keine Seele darum.

– Wohin hat sie sich gewendet?

– Wenn ihr kein Unglück begegnet, schwebt sie jetzt auf den Wellen der Donau, um das türkische Ufer zu erreichen.

– Kinder, rief Herr Czabo nach einer Pause, versprecht Ihr mir, zu schweigen, wie das Grab?

– Wir versprechen es! sagten feierlich die jungen Leute.

– Gut, dann mag die Gräfin mit den zwölf Gulden, die ich ihr im voraus bezahlt, in der Türkei ihr Glück versuchen – meine Reputation ist mir mehr werth, als diese elende Summe.

– Vater, sagte Netti, ich habe Ihre Börse in der Küche am Boden gefunden – wenn Sie sie vermissen – hier ist sie.

Herr Czabo steckte die Börse zu sich. Seine Hand zitterte, als er sie ergriff, denn er erinnerte sich des Augenblicks, wo er sie in die niedliche Hand legte, die ein Heirathsproject in dem Kopfe des Wittwers erzeugt hatte.

Eine Stunde später hatte sich alles in die Schlafzimmer zurückgezogen. Netti träumte von ihrer nahen Hochzeit – Ferenz sandte noch ein Gebet für die Rettung der Flüchtlinge zum Himmel empor, dann entschlief er – und der Apotheker lag wachend in seinem Bette, er hatte mit einer schwermüthigen Freude den Schluß aus der ganzen Sache gezogen, daß es für die Ruhe seines Wittwerherzens gut sei, daß es so und nicht anders gekommen wäre. Ein Mann, dachte er, der jeden Tag Bürgermeister von Semlin zu werden hofft, kann doch seine Köchin nicht heirathen, und ich hätte sie geheirathet, wenn sie Kathi Lajos geblieben wäre. Der Wille des Himmels sei gepriesen!

Mit einem tiefen Seufzer hüllte sich der Kommandant in seine Decke und entschlief.

Als nach Mitternacht der Mond hinter einer schwarzen Wolke hervortrat und die romantischen Gestade der Donau beleuchtete, knieten drei Gestalten an dem Ufer des rauschenden Flusses und verrichteten ein kurzes Gebet.

Es waren Janos, Thekla und der treue Fischer – sie hatten glücklich nach einer dreistündigen gefahrvollen Fahrt das rettende Ufer erreicht.

Das rothe Band
oder
die Civilehe.


Novelle
von
August Schrader.

1.

Ein heißer Augusttag neigte sich seinem Ende zu. Die höchsten Spitzen des Harzgebirges umfing schon die Glorie des ersten Abendrothes, während auf den kleinern Bergen und in den Thälern Bäume und Gesträuche lange Schatten warfen. In geheimnißvollem Schweigen lag die Natur, Waldblumen und Kräuter dufteten Weihrauch empor, der Gesang der Vögel verstummte nach und nach und alles bereitete sich vor, den Abend, den stillen Vorboten der Nacht, festlich zu empfangen.

Da schritten auf einem Fußpfade, der sich zwischen den riesigen Stämmen eines dunkeln Eichenwaldes wie ein Bach zwischen Felsen dahin schlängelte, drei junge Männer, deren Aeußeres auf den ersten Blick verabschiedete Krieger bekundete. Sie trugen graue Beinkleider, kurze blaue Röcke mit gelben Knöpfen und rothen Kragen, runde Mützen mit Streifen von derselben Farbe und Reisebündel in Form eines Kranzes, der auf der rechten Schulter lag und auf die linke Hüfte herabhing.

Ohne sich um den Reiz des duftenden Waldes zu kümmern, dessen Moosboden sich rechts und links wie ein grüner Teppich ausbreitete, schritt einer dicht hinter dem andern auf dem schmalen Wege und das Echo des Haines gab das Geräusch der kräftigen Fußtritte zurück.

Plötzlich lichtete sich der Wald, die Baumstämme verschwanden zu beiden Seiten und die Wanderer standen auf der Platte eines Bergrückens, an dessen Fuße sich ein kleines, romantisches Thal ausbreitete. Der Abendnebel hatte einen feinen, durchsichtigen Schleier über die Niederung gezogen, so daß die Häuser eines Dorfes, die wie Schwalbennester an den Bergen hingen, wie Schemen durch den Reflex der Lichtstrahlen gebildet, erschienen. Der Kopf des weißen Kirchthurms, weit über die Nebelfläche emporragend, glühete im Abendstrahle wie ein Meteor, und die langen, schmalen Fenster des Kirchleins flimmerten wie glänzende Stahlplatten. Ein dunkles Gebirge bildete den nächsten Hintergrund der zauberhaften Landschaft und die flammende Kuppel des gigantischen Brockens, die weiteste Fernsicht, umsäumte das ganze Bild mit einem milden Heiligenscheine.

Als ob ein Gedanke die Männer beseelte, blieben sie zugleich stehen und sahen in das heimathliche Thal hinab. Ihre braunen Gesichter röthete eine stille Freude, denn keiner wollte dem andern seine Bewegung verrathen, und in den Augen des einen, dessen Gesichtsbildung sich vor den übrigen durch Regelmäßigkeit auszeichnete, erglänzten selbst ein paar Thränen, die sich bei dem längern Anschauen des Dörfchens in die langen, braunen Wimpern hingen, bis sie die Hand verwischte.

– Da liegt die Heimath! rief ein munterer Bursche, indem er sich auf seinen kräftigen Haselstock stützte und die lachenden Blicke über das Thal schweifen ließ.

– Gott sei Dank, rief der Zweite, hier hat kein Krieg gewüthet, sie zeigt uns noch die alte wohlbekannte Phisiognomie – es lebe die Heimath!

– Sie lebe! riefen seine beiden Gefährten mit bewegter Stimme.

– Nicht wahr, Konrad, sagte der Erste wieder, unsere Harzberge bieten doch einen andern Anblick dar, als die ewige Fläche Holsteins, die wir so halb und halb dem deutschen Lande erhalten haben. Wenn wir hier einmal die tückischen Dänen auf das Rohr nehmen könnten, wo sie ihre Schiffe nicht im Rücken haben, ich glaube die Lust zu der deutschen Erde sollte ihnen auf ewig vergehen.

– Laß den Krieg, sagte Konrad und fuhr mit der Hand über die Augen, als ob er klarer sehen wollte – wenigstens den Krieg, aus dem wir zurückkehren. Da liegt die Heimath, das Bild des Friedens – trübe den freundlichen Anblick durch solche Erinnerungen nicht, sie sind mir in der Seele verhaßt!

– Kamerad! rief lachend der dritte – und doch hast Du wie ein Löwe mit dem Kolben auf die strupphaarigen Rothröcke eingehauen, als ob Du sie alle mit einem Schlage von der deutschen Erde vertreiben wolltest – macht Dir die Medaille, die Du in Deiner Rocktasche trägst, kein Vergnügen?

– Ich bitte Dich, schweig! antwortete Konrad in einem unmuthigen Tone – hätte ich sie nicht für die Lebensrettung meines Majors, des Grafen Rudolph erhalten, der zu gleicher Zeit unser Gutsherr ist, ich glaube, ich hätte sie nicht genommen. Der Graf denkt wie ich, darum hat er mit dem Abschlusse des Waffenstillstandes den Kriegsdienst verlassen und sich auf sein Schloß zurückgezogen, das dort so freundlich über den Wald emporragt.

– Glaubst Du denn wirklich, daß ihn der Haß gegen den Krieg zum Ausscheiden aus dem Heere angetrieben hat? fragte der Erste wieder. Konrad, Du stehst in einem fast vertraulichen, freundschaftlichen Verhältnisse zu dem Grafen, und solltest den wahren Grund nicht kennen? Ich will ihn Dir nennen!

– Nun? fragten zwei Stimmen zugleich.

– Nicht der Haß, sondern die Liebe hat ihn auf seine Güter zurückgeführt.

– Ja, die Liebe zu seiner Cousine Emma von Linden, die seit einigen Jahren, da sie Waise ist, auf dem Edelhofe des alten Baron von H. lebt – fügte der Dritte hinzu – das konnte ich mir wohl denken, man sprach schon davon, ehe wir zu unserm Regimente gingen.

– Fräulein Emma soll ein bedeutendes Vermögen besitzen – das wird unserm Grafen zu statten kommen, denn seine Güter befinden sich nicht im besten Zustande.

– Nun, sagte Konrad, indem er sich zum Weitergehen anschickte, ich wüßte keinen Edelmann in der ganzen Gegend, der die Hand der schönen Emma und ihr großes Vermögen mehr verdiente, als unser Graf, ich wünsche ihm Glück zu dieser Heirath.

– O auch wir, riefen die Andern, er ist ein braver junger Herr!

– Doch nun kommt, Freunde, daß wir noch mit der Dämmerung das Dorf erreichen, die Kuppel des Brockens wird schon dunkelroth und aus den Thälern weicht das letzte Licht – kommt!

Bei diesen Worten warf Konrad sein Bündel auf der Schulter zurecht und begann rüstig auszuschreiten. Auch seine Gefährten setzten ihre müden Beine wieder in Bewegung.

– Sieh, flüsterte einer dem andern zu, wie Konrad läuft! Man sollte glauben, er habe heute erst eine Stunde Wegs zurückgelegt, statt acht Meilen.

– Blicke dorthin und du kennst den Magnet der ihn zieht – jetzt wird er sichtbar.

– Wo?

– Dort, wo der Rauch aus dem weißen Schornsteine wirbelt!

– Ist das nicht die Meierei der hübschen Marie?

– Ganz recht, des hübschesten Mädchens im ganzen Dorfe. Konrad ist in sie verliebt bis über die Ohren, darum läuft er so.

– Es ist wahr, ich hörte davon reden. Nun, wenn er die bekommt, kann er von Glück sagen.

– Ich möchte nur wissen, warum er die Sache so geheim hält, auf dem ganzen Marsche hat er nicht ein Wort darüber gesprochen. –

– Kameraden, rief Konrad, der einen Vorsprung von hundert Schritten gewonnen hatte und an einer Biegung des Weges stand – wo bleibt Ihr denn? Soll ich allein die ersten Häuser unseres Dörfchens begrüßen? Vorwärts. In zehn Minuten sind wir an der Mühle – ich höre schon das Rauschen des Wassers und das Geklapper der Räder.

Die Angerufenen brachen ihr Gespräch ab und verdoppelten die Schritte. Dann setzten sie mit Konrad gemeinschaftlich den Weg fort, der durch eine Gruppe weißstämmiger Birken führte. Nach einigen Minuten traten sie unter dem Blätterdache hervor auf eine duftende Wiese. Am Himmel zogen die flimmernden Sterne auf und über die Erde hatte sich ein weißer Schleier ausgebreitet, den der Abendnebel gewebt. Die Füße der heimkehrenden Krieger, durch den Anblick des dicht vor ihnen liegenden Dörfchens gestärkt, näßte kühlend der Nachtthau, der an den Grashalmen hing.

Kein Wort störte die Stille des prachtvollen Abends, schweigend blickten die jungen Leute nach dem Dorfe, in dessen Häusern ein Fenster nach dem andern sich erleuchtete. Die Wiese war überschritten und die Wanderer standen unter einer großen Linde, deren Riesenzweige ein Schilfdach bedeckten, unter dem das monotone Geklapper einer Mühle sich vernehmen ließ.

– Gute Nacht, Freunde, sagte einer der Burschen, ich bin am Ziele – hier wohnt mein altes Mütterchen, das ihren Sohn noch an den Küsten des Meeres wähnt, oder vielleicht auch unter der Erde – ich werde mich sacht hineinschleichen und ihr eine Ueberraschung bereiten, an die sie gewiß nicht gedacht hat. Gute Nacht!

– Gute Nacht, Philipp, flüsterten die Andern und reichten dem scheidenden Kameraden die Hand. Dieser öffnete leise die mit Mehlstaub bedeckte Thür und verschwand.

Als Konrad mit seinem Begleiter an dem Giebel der Mühle vorbeiging, hörten sie durch das kleine geöffnete Fenster in demselben das laute Schluchzen einer Frau – Philipp hielt sein altes Mütterchen in seinen Armen.

An der Kirche trennte sich auch Konrad von seinem Begleiter, und der junge Mann ging allein dem entgegengesetzten Ende des Dorfes zu, wo die freundlichen Häuser wie Vogelnester an den Bergen lagen.

Plötzlich blieb er vor einem weißen Häuschen stehen, dessen Fenster sich in dem Augenblicke erhellten als er ankam.

– Hier wohnt Marie! flüsterte er vor sich hin. Ob ich ihr eine ähnliche Ueberraschung bereite, wie Philipp seinem Mütterchen? Nein, fügte er nach einer Pause der Ueberlegung hinzu, sie bewohnt ganz allein ihren kleinen Meierhof, da ihr Vater vor fünf Jahren gestorben ist, ich will den neidischen Leuten keine Nahrung für ihre Lästerzungen geben, meine Schwester Röschen soll sie in unser Haus rufen, als ob sie ihr etwas mitzutheilen hätte, wenn sie mich dann sieht, wird ihre Ueberraschung nicht minder groß sein. Guten Abend Marie! flüsterte er dem Fenster zu und setzte seinen Weg fort. Nach zehn Minuten empfing ihn das Jubelgeschrei der fröhlichen Schwester, die mit den Knechten und Mägden das Abendessen verzehrte, als er in das reinliche Zimmer trat.

2.

Um dieselbe Zeit, als die drei jungen Leute auf dem Bergrücken standen und den ersten Blick auf ihre Heimath warfen, trat ein junger Mann in die Wohnung des Dorfrichters Valentin, die unmittelbar an Mariens Meierei grenzt. Er trug einen grünen Rock, einen Hirschfänger an der Seite und einen grauen Hut mit breiter Krämpe. Er mochte nur erst fünf bis sechsundzwanzig Jahre alt sein, aber schon war sein Gesicht, das ein voller dunkler Bart umgab, von einigen Furchen durchzogen, die ihn um zehn Jahre älter erscheinen ließen. Seine Gestalt war schlank, es fehlte ihr aber das Gepräge der Jugend, der Ausdruck der Kraft und des Feuers.

– Guten Abend, Vetter, sagte der Jäger, indem er mißmuthig seinen Hut auf den runden Tisch warf, der in der Mitte des Zimmers stand.

Der Vetter, der an einem kleinen Schreibepulte saß und Papiere in ein aufgezogenes Schubfach zurücklegte, schien an dem Besuche kein sonderliches Vergnügen zu finden, denn er sah sich mit ärgerlicher Miene um, ohne auf den Gruß zu danken und vollendete schweigend das angefangene Geschäft. Der Jäger warf sich indeß, als ob er an einen solchen Empfang schon gewöhnt sei oder ihn unter Umständen vorausgesetzt hatte, in einen großen Lederstuhl und schlug behaglich die langen Beine übereinander. Ein großer Jagdhund trat langsam hinter dem Ofen hervor, leckte einen Augenblick die Hand des Angekommenen und zog sich dann ruhig wieder auf seinen Platz zurück. Nach einiger Zeit schloß der Dorfrichter das Pult und steckte den Schlüssel in die Tasche. Der Augenblick schien gekommen, wo er einem längst gehegten Aerger freien Lauf geben konnte, denn er schob seine pelzverbrämte Sammtmütze auf ein Ohr, stemmte dann beide Fäuste in die Seiten, trat vor den schweigenden Neffen und rief mit wuthblitzenden Augen:

– Weißt Du auch, Neffe, daß Du ein Taugenichts bist, dem ich eigentlich meine Thür verschließen müßte?

– Lieber Vetter, sagte ruhig der Jäger, ohne sich zu rühren, das ist ein Fehler der Erziehung, die Sie mir gegeben.

– Wie, ich trage die Schuld? rief entrüstet der Alte. Ich habe Dir nichts gegeben, was Dich auf den betretenen Weg führen könnte; ich habe vielmehr geglaubt, daß mein ökonomisches System Dir heilsam sein würde – jetzt sehe ich aber, daß mir dieses System theuer zu stehen kommt.

– Hat Sie vielleicht meine Anstellung als Revierförster, die mir der Graf Rudolph gab, ehe er in den Krieg zog, ruinirt? Ich glaube nicht.

– Du glaubst es nicht, aber ich glaube es! Wer hat die Kuh erschossen, die sich einmal an unsern Gartenzaun verirrt hatte? Wer hat dem Müller die Fenster eingeworfen, als er Dir wehrte, einen Hasen bis in seinen Garten zu verfolgen? Wer hat am letzten Sonntag in der Schenke den Musikanten die Instrumente zertrümmert, als sie nach Mitternacht nicht mehr spielen wollten, weil sie sonst in Strafe genommen werden? Du, lüderlicher Neffe. Und wer muß das Alles bezahlen? Ich, Dein unglücklicher Vetter! Aber jetzt werde ich einmal selbst Gerechtigkeit üben, denn Du weißt doch, daß ich nicht mehr Schulmeister, sondern Dorfrichter bin? Ich werde Dich hängen lassen!

Des Jägers Züge verzogen sich zu einem mitleidigen Lächeln, ruhig gab er zur Antwort:

– Lieber Vetter, wenn Sie Sich nicht selbst in der ganzen Gegend blamiren wollen, so beobachten Sie ein tiefes Schweigen über die Jugendthorheiten Ihres Neffen, und zahlen ganz ruhig, was zu zahlen ist. Damit Sie aber sehen, daß ich es gut mit Ihnen meine – –

– Herr Gott im hohen Himmel, rief zornbebend Valentin und strich sich seine langen Haare hinter die Ohren – dieser Mensch meint es noch gut mit mir! Nein, da möchte man doch den Verstand verlieren! Ich habe mindestens einen Schadenersatz von zweihundert Thalern zu zahlen, woran er Schuld ist, und nun will er es noch gut mit mir meinen.

– Lassen Sie mich nur ausreden, lieber Vetter, und Sie werden mir Recht geben. Also zweihundert Thaler haben Sie für mich zu zahlen?

– Ich muß sie zahlen, wenn ich mich bei dem Antritte meines neuen Amtes nicht gleich blamiren will – Mensch, woher soll ich das Geld nehmen.

– Nun sehen Sie einmal ihren Geiz, lächelte ruhig der Jäger. Diese Summe bringt einen Mann wie Sie nicht in Verlegenheit!

– Mensch, mache mich nicht rasend! rief der Dorfrichter und sprang mit beiden Füßen zugleich empor, daß er mit dem Kopfe fast an die Decke stieß. Ich bin arm, arm wie eine Kirchenmaus!

– Aber das Geld muß dennoch bezahlt werden, denn der Ortsrichter muß seinen Bauern mit einem guten Beispiele vorangehen.

– Leider, leider, stammelte Valentin, muß es bezahlt werden!

– Sehen Sie, lieber Vetter, ich will Ihnen helfen, Ihre Reputation retten, sagte schmeichelnd der Jäger.

– Du mir helfen? fragte der Alte mit einem verachtenden Seitenblicke.

– Ja ich! antwortete bestimmt der junge Mann, indem er aufstand und dem Zürnenden näher trat.

– Da wäre ich doch neugierig.

– Wollen Sie, daß morgen die zweihundert Thaler bezahlt sind?

– Aus meiner Tasche?

– Nein!

Das Gesicht des Ortsrichters nahm einen andern Ausdruck an.

– Und woher denn, wenn ich fragen darf?

– Das ist eben das Geheimniß, lieber Vetter, daß Ihnen beweisen soll, wie gut ich es mit Ihnen meine.

– Nun so rede, vielleicht ist Dein Vorschlag nicht zu verwerfen, sagte Valentin, indem er seine Hände auf den Rücken legte.

Der Jäger legte seine rechte Hand auf die breite Schulter des Vetters, sah ihm einen Augenblick in das graue Auge und flüsterte geheimnißvoll:

– Lieber Vetter, ich bin verliebt!

– Na, das fehlte auch noch! rief ärgerlich der Richter, der sich in seiner Hoffnung getäuscht sah. Deine Liebe, fügte er höhnend hinzu, trägt keinen Heller ein.

– Aber meine Heirath!

– Mit wem?

– Mit unserer Nachbarin, der hübschen Marie, deren Vormund Sie sind.

Das Gesicht des Ortsrichters nahm denselben Ausdruck wieder an, als einige Augenblicke zuvor. Des Jägers Bekenntniß schien eine neue Hoffnung in ihm erweckt zu haben.

– Eberhard, sagte er erstaunt, das Mädchen ist schön und gut –

– Eben deshalb will ich sie heirathen, und Sie werden meine Absicht unterstützen, weil Marie reich ist.

– O ja, meinte Valentin in einem völlig veränderten Tone, sie besitzt ein recht artiges Vermögen. Der junge Graf Rudolph hat ihr vor einigen Jahren die einträgliche Meierei geschenkt, die sie jetzt bewirthschaftet, und außerdem noch dreitausend Thaler versprochen, wenn sie sich einmal verheirathet. Der Graf hält Wort, denn Marie ist seine Milchschwester, die er herzlich liebt, weil er keine rechten Geschwister besitzt. Der Plan ist nicht übel!

– Und außerdem ist sie eine Waise, die allein in der Welt steht – sie hat weder Eltern noch Geschwister, mit denen sie zu theilen hat – nicht einmal einen Vetter, fügte Eberhard lächelnd hinzu.

– Einen Vetter! rief rasch der Richter. Ich will nicht mit Dir theilen, ich will nur das Darlehen zurück haben, wozu mich mein lüderlicher Neffe gezwungen hat!

– Sie sehen also, mein bester Vetter, daß ich mehr in Ihrem Interesse handle, als in dem meinigen, wenn ich das Mädchen heirathe, darum unterstützen Sie mich.

Vetter Valentin legte einen Augenblick die Hand an sein Kinn und blickte sinnend zur Erde, wobei sich seine Augen so eng zusammenzogen, daß sie nur noch zwei schwarzen Strichen glichen.

– Höre, Eberhard, Dein Heirathsproject ist nicht übel, es hat meinen Beifall. Ich bin Dein Vetter und Mariens Vormund – das trägt schon etwas zum Gelingen desselben bei – ich hoffe, Du wirst dies nicht vergessen.

– Nie, rief der Jäger und sein bleiches Gesicht belebte eine widerwärtige Freundlichkeit – nie! Gebrauchen Sie also Ihr Ansehen als Ortsrichter und Vormund!

– Du hast Recht, man muß das Mädchen verblüffen, antwortete Valentin und ging in großen Schritten, die Hand in die Oeffnung der schwarzen Weste gesteckt, durch das Zimmer.

– Sagen Sie ihr, fuhr Eberhard fort, indem er neben seinem Vetter auf und abging, daß ich einst Ihr Nachfolger im Amte werden würde.

– Mensch, rief der Alte, soll ich lügen?

– Es kommt ja nur auf Sie an, Vetter, ob diese Lockspeise eine Lüge sei, oder nicht. Warum soll ich nicht eben so gut Ortsrichter werden können, als Sie, vorzüglich, wenn Sie mir Ihren Platz einräumen? Nun vorwärts, Marie wohnt nicht weit!

– Was soll das heißen?

– Daß wir auf der Stelle zu ihr gehen und um ihre Hand werben.

– Wie, diesen Abend noch?

– In diesem Augenblicke!

– Die Werbung geht Dich an, Du bist der Bräutigam – bedarfst Du der Hülfe, so bin ich immer noch da!

– O nein, rief lebhaft der Jäger, die Angelegenheit ist eine Familiensache, und Sie sind der Vetter! Ich gehe nicht ohne Sie!

– Nun gut, sagte Valentin nach einigem Zaudern, so gehen wir zusammen – heute ist Sonnabend, morgen ein Sonntag – ich erzähle die Neuigkeit in der Kirche einigen Nachbarn – morgen Abend weiß sie das ganze Dorf.

– Auch wenn Marie meine Hand ausschlägt? fragte Eberhard.

– Sie wird sich wohl hüten, wenn ich dabei bin, mein lieber Neffe, denn ich bin ihr Vormund und Ortsrichter!

Mit den letzten Worten hatte Valentin seinen Rock von einem Nagel der Wand genommen, ihn angezogen und seine Mütze mit einem runden, schwarzen Hute vertauscht. Dann ergriff er einen gelben Rohrstock und schritt gravitätisch zur Thür hinaus. Der Jäger folgte und lächelte dabei, als ob er sagen wollte: ich wußte es wohl, daß der geizige Filz auf meinen Vorschlag eingeht.

– Des Burschen Heirathsproject kommt mir gelegen, flüsterte der Richter vor sich hin, indem er über den Hof schritt – es ist sogar ein Lieblingsgedanke von mir, denn ist Eberhard Mariens Mann und im Besitze ihres Vermögens, so wird man mir die Bewirthschaftung der Wiese nicht streitig machen, die ich seit fünf Jahren benutze, ich verlange sie von meinem Neffen als Kuppelpelz – das Grundstück ist seine achthundert Thaler werth!

Nach einigen Minuten standen die beiden Männer an der Pforte, die in Mariens Hof führte. Valentin schritt voran. Die Hausflur war schon dunkel, da der letzte Schein des Tages nur durch ein einziges Fenster hereindringen konnte. Auf ein Klopfen an die Stubenthüre rief Mariens sanfte Stimme »herein!«

– Sie ist zu Hause, flüsterte der Vetter dem Neffen zu, indem sie beide in das freundliche Zimmer traten, das nur noch schwach von Dämmerung erfüllt war.

Ueberrascht von dem Abendgruße der Männer fuhr Marie aus einem kleinen Lehnstuhle empor, in welchem sie träumend gesessen hatte. Der Besuch des Vetters schien keinen befremdenden Eindruck auf sie auszuüben, wohl aber der des Neffen, der ihr als ein leichtsinniger Mensch bekannt war.

– Mein Gott, rief sie mit zitternder Stimme aus, was verschafft mir die Ehre dieses seltenen Besuches – und diesen Abend, noch so spät?

– Ob Jungfer Marie das wohl rathen kann, antwortete lachend der Ortsrichter, indem er wie ein alter Bekannter des Hauses seinen Hut auf den Stock hing und beides an ein Uhrgehäuse lehnte, in welchem ein schwerfälliger Pendel seine langsamen Schwingungen machte.

– Nehmen Sie Platz, flüsterte das junge Mädchen und schob zwei Stühle heran.

Die Männer folgten der Einladung. Marie setzte sich wieder in ihren Stuhl; doch schon in der nächsten Secunde erhob sie sich rasch wieder.

– Es ist schon dunkel, rief sie aus, ich werde Licht holen!

Der Jäger ergriff ihre Hand und zog sie leise auf den Stuhl zurück.

– Bleiben Sie, schöne Marie, sagte er so sanft, als es seine tiefe Stimme erlaubte, es ist noch Zeit genug, Licht zu holen – berauben Sie uns jetzt Ihrer Gegenwart nicht.

– Womit kann ich den Herren dienen? fragte sie in einem Tone, der deutlich den peinlichen Zustand verrieth, in den sie die Berührung des Jägers gesetzt hatte.

– Marie, sagte der Richter, Sie wissen, daß große Umwege meine Sache nicht sind, ich steuere stets direct auf mein Ziel los. Und dies muß nach meiner Ansicht auch ein Mann, der die höchst wichtige und einflußreiche Würde eines Ortsrichters bekleidet. Ich habe keine leiblichen Kinder, meine ganze Familie besteht aus meiner kleinen Mündel und meinem Neffen, dem gräflichen Revierförster Eberhard. Um nun nach Pflicht und Gewissen für die Zukunft meiner Pflegebefohlenen zu sorgen, habe ich mich mit Gott zu dem gegenwärtigen Besuche entschlossen.

– Und der Zweck dieses Besuches? fragte Marie kaum hörbar, da ihr die Angst die Brust zusammenschnürte.

– Marie, sagte der Richter mit feierlicher Stimme, ich bin gekommen, um für meinen Neffen Eberhard um Ihre Hand zu werben.

– Und ich, fügte der Jäger hinzu, um meine Bitte, die sich auf Achtung und Liebe gründet, mit der Werbung meines Vetters zu vereinigen.

Marie antwortete nicht, eine ängstliche Pause trat ein, und beide Theile segneten im Stillen den Umstand, daß das Zimmer dunkel war.

– Nun, liebe Mündel, begann betonend der Ortsrichter wieder, was haben Sie auf unsern Antrag zu antworten? Nicht wahr, das hätten Sie wohl nicht erwartet?

– Nein! antwortete Marie, und ihre Angst schien plötzlich verschwunden zu sein, denn sie sprach dieses Wort mit einer Unbefangenheit, die Valentin und Eberhard für eine freudige Zustimmung hielten.

– Das habe ich mir gedacht! rief lachend der Richter, indem er seine großen Hände rieb, daß es laut rauschte. Nicht wahr, mein Eberhard ist ein schmucker Bursche?

– Marie! rief Eberhard und wollte ihre Hand ergreifen.

– Herr Vormund, sagte das junge Mädchen, indem es aufstand, Ihr Antrag schmeichelt meinem Herzen und meiner Eitelkeit, denn Sie denken mir eine Ehre zu, an die ich nimmer geglaubt hätte – trotzdem aber kann ich Ihren Antrag nicht annehmen!

– Warum? fragten beide Männer zugleich.

– Weil mein Herz meine Hand schon versprochen hat! antwortete Marie in einem festen Tone.

– So, rief der Richter erstaunt – und ohne mein Wissen? Wer ist denn dieser heimliche Liebhaber?

– Der Mann, den ich liebe, und dem ich meine Hand versprochen, ist Konrad, mein junger Nachbar.

Vetter und Neffe konnten ihrem neuen Erstaunen keine Worte verleihen, da ihnen eine Magd, die in diesem Augenblicke Licht in das Zimmer brachte, Schweigen auferlegte. Marie, deren liebliches Gesicht wie eine Rose im Frühlinge glühete, trat der Magd entgegen, nahm ihr das Licht ab und verabschiedete sie wieder durch ein Zeichen mit der Hand. Dasselbe Licht, das jetzt dem Jäger das reizende Mädchen zeigte, hatte Konrad durch das Fenster schimmern sehen, der leise seinen Gruß flüsternd vorüberging.

Als ob der Gruß des Geliebten, den Marie noch in weiter Ferne wähnte, eine wunderbare Kraft geäußert, stand sie mit freundlichen, aber entschlossenen Mienen vor den beiden Männern, die Blicke der Verlegenheit und des Aergers wechselten. Der Jäger nahm zuerst das Wort wieder.

– Demnach hätte ich einen Korb erhalten? fragte er mit einem stechendem Blicke.

– Es thut mir leid, antwortete das junge Mädchen mit einer kurzen Verbeugung – Sie sehen aber, ich kann nicht anders.

– Konrad? rief der Richter, indem er aufstand – ist er nicht mit unserm jungen Grafen in den Krieg gezogen?

– Derselbe, Herr Ortsrichter, und ich muß bekennen, daß ich ihm deshalb noch einmal so gut bin, denn es zeigt, daß er Muth und Vaterlandsliebe im Herzen trägt.

– Konrad, sagte der Jäger verächtlich, ein sonderbarer Geschmack!

– Mag sein, Herr Eberhard, aber ich liebe ihn!

– Außerdem hat der Mensch nicht hundert Thaler im Vermögen! fügte der Richter hinzu.

– Mag sein, Herr Valentin; aber ich liebe ihn und besitze eine Meierei, die uns beide ernährt.

– Hören Sie, Marie, ich bin Ihr Vormund und freue mich über Ihren braven Charakter – aber während Sie so fest an Ihrem Versprechen hangen, ist es ein leicht möglicher Fall, daß der arme Junge – vielleicht ohne es zu wollen – –

– Mein Gott, rief Marie erschreckt – was wollen Sie sagen? Wissen Sie vielleicht – –?

– Als Ortsrichter weiß ich Alles, mein Kind, und weiß auch, daß in dem Kriege gegen die furchtbaren Dänen viel Menschen gefallen sind, die eigentlich hätten zu Hause bleiben können.

Marie schwankte und sank in den Stuhl zurück.

– Konrad, Konrad ist todt! rief sie schluchzend und bedeckte ihr Gesicht mit der weißen Schürze, die ihren schlanken Leib umschloß.

– Das habe ich nicht gesagt! rief der Richter erschreckt.

– Er ist nicht todt? fuhr Marie empor. Ist er verwundet?

– Auch das habe ich nicht gesagt!

– Nun, sagte sie mit fester Stimme und sah mit ihren thränenden Augen den verwirrten Valentin an, während Eberhard seinen Nebenbuhler um diese Thränen beneidete – nun, Herr Richter, was wollen Sie denn sagen?

– Ich will sagen, mein liebes Kind, daß alles geschehen kann, was man fürchtet, und daß es in Ihrem Alter sehr unklug gehandelt ist, wenn man daran denkt, sein Leben an das eines Soldaten im Kriege ketten zu wollen. Sehen Sie, unser junger Graf Rudolph ist diesen Morgen schon zurückgekehrt, folglich muß der Krieg aus sein, und wer zurückkehren kann, wird gewiß nicht säumen, zumal wenn er ein Bräutchen in der Heimath hat. Entweder hat ein solcher Soldat sein Liebchen vergessen und ein anderes gefunden, oder er hat sonst einen Grund, der ihn hindert – –

Des Richters Rede ward durch das hastige Oeffnen der Thür unterbrochen. Aller Blicke wandten sich dahin.

Ein junges Mädchen stürzte in fröhlicher Hast herein, denn seine Blicke leuchteten vor Freude und Lust, wie die eines Boten, der gute Nachricht verkünden will.

– Röschen, Röschen! rief Marie und stürzte der Freundin entgegen, die in diesem Augenblicke erstaunt den Besuch betrachtete. Röschen, wo ist Konrad?

– Mein Bruder? fragte die Eingetretene verwundert. Weißt Du es schon?

– Also hast Du Nachricht – o erzähle, wo ist er, wie geht es ihm?

– Du weißt noch nichts, meine Marie, sagte Röschen lächelnd, folge mir in meine Wohnung und Du sollst alles erfahren!

– Nein, nein, berichte hier gleich, die Unruhe tödtet mich! Röschen, wenn Du mich liebst, fügte sie mit einem Seitenblicke auf die Männer hinzu, so theilst Du mir gleich Deine Nachrichten mit.

Röschen hatte den Blick verstanden, denn sie sagte betonend:

– Nun denn, mein Bruder Konrad ist so eben angekommen!

– Gott sei Dank! rief Marie und bedeckte den Mund, der diese Botschaft gesprochen, mit glühenden Freudenküssen. Herr Ortsrichter, wandte sie sich zu Valentin, was sagten Sie doch vorhin?

– Ich sagte, stammelte der Alte, ich sagte, daß sich alles ereignen könne – und hatte ich nicht Recht? Er ist angekommen, den wir noch im Kriege wähnten! Nun, Jungfer Mündel, wir wollen Ihre Freude des Wiedersehens nicht stören, gute Nacht! Doch vergessen Sie nicht, daß ich Ihr Vormund bin! Gute Nacht!

Valentin ergriff Stock und Hut und verließ das Zimmer. Der Jäger grüßte kalt die beiden Mädchen und folgte seinem Vetter, der mit großen Schritten seinem Hause zueilte.

– Was bedeutet das? fragte Röschen verwundert – der Jäger Eberhard in Deiner Wohnung –?

– Morgen, beste Freundin, sollst Du alles erfahren – jetzt komm zu Konrad, daß ich ihn in der Heimath als sein treues Mädchen begrüßen kann. Komm, Röschen, komm!

Wie Rehe, die den Jäger ahnen, hüpften die beiden Mädchen über den mondbeleuchteten Dorfplatz dem gegenüberliegenden Hause zu, dessen weiße Mauer das milde Licht des Himmels wiederstrahlte.

In der dunkeln Thür öffneten sich zwei Arme und empfingen die bebende Marie, die Röschen mit Absicht vorangehen ließ.

– Konrad!

– Marie!

3.

Es war Sonntagabend. Ruhig und schwül lag er auf dem Dorfe, und der Horizont im Westen, wo gestern das heiterste Abendroth prangte, kündigte heute ein heranziehendes Gewitter an. Vor den Häusern saßen in ihrem Sonntagstaate Männer, Weiber und Kinder und unter den breiten Linden vor den Thüren hatten sich Gruppen junger Burschen und Mädchen versammelt, um zu plaudern und zu scherzen.

Wie die Menschen, schien auch die Natur den Tag des Herrn zu feiern, denn es lag eine ernste Stille über der ganzen Gegend ausgebreitet, die durch das Drückende der Luft noch vermehrt wurde.

Von dem Kirchthurme herab verkündete die Glocke die siebente Stunde, als zwei Jäger aus dem Dorfe traten und einen Fußpfad einschlugen, der über eine Wiese dem nahen Walde zuführte. Den einen von ihnen kennt der Leser bereits, es war Eberhard, des Ortsrichters Neffe. Der andere war ein kurzer, stämmiger Mann von ungefähr zwei und dreißig Jahren, mit breiten Schultern, kurzem Halse und einem dicken, runden Kopfe, den ein krauses, schwarzes Haar bedeckte. Sein Gesicht war voll und breit, mit Blatternarben besäet und von schmutzig rother Farbe. Seine Augen hatten mit denen eines Schweines große Aehnlichkeit, sie waren geschlitzt, grünlich grau und von starken buschigen Brauen bedeckt. Die Kleidung dieses Mannes war dieselbe Jägeruniform, die Eberhard trug.

Schweigend gingen sie über den Wiesenplan, der mit halb trockenen Heuhaufen bedeckt war und einen angenehmen Kräutergeruch verbreitete. Als sie die erste Eiche des beginnenden Waldes erreicht hatten, blieb Eberhard plötzlich stehen und sah nach dem Dorfe zurück, das nach und nach durch Bäume und Hecken den Blicken entschwunden war. Sein Gefährte sah ihn mit einem grinsenden Lächeln an.

– Du wunderst Dich wohl über die Hochzeit, Eberhard, sagte er mit heiserer Stimme – von der heute den ganzen Tag in unserm lieben Dörflein die Rede war? Ich muß Dir bekennen, daß ich mich auch ein wenig darüber gewundert habe.

– Graff, antwortete der junge Jäger, wenn Du mich nicht ärgern willst, so sprich nicht davon – ich denke an ganz andere Dinge!

– Ah, ich verstehe, rief Graff, Du denkst an das Spiel!

– An das Spiel! Womit soll ich spielen?

– Nun, Du hattest doch vorgestern noch Geld?

– Vorgestern und heute! sagte Eberhard mit gerunzelter Stirn – dazwischen liegt ein ganzer Tag!

– Was ist geschehen? fragte Graff, indem er den Arm seines Freundes ergriff, und ihn veranlaßte, langsam den Weg fortzusetzen.

– Alles Geld, was Du vorgestern bei mir sahest, habe ich verspielt. Ich setzte hoch, weil ich viel gewinnen wollte.

– Verspielt? lachte der dicke Jäger.

– Ich habe diesen Monat ein besonderes Unglück!

– Sage nicht Unglück, Eberhard, der Ausdruck ist falsch.

– Was trägt denn die Schuld an meinem Verluste?

– Deine Ungeschicklichkeit, mein bester Freund! Wie kann ein gescheuter Mensch sich mit Spielern von Profession einlassen – o wie dumm!

– Wie, rief Eberhard, so bin ich wohl gar der Geprellte gewesen?

– Das ist leicht möglich! gab Graff kalt zur Antwort.

– Und Du hast mich nicht gewarnt?

– Was Du da verlangst, Freund Eberhard! Jene sind so gut meine Freunde, als Du!

– Also solche Freunde hast Du! rief der junge Jäger im Tone des Vorwurfs.

– Auch solche, antwortete trocken der Freund, denn es ist mein Grundsatz, mit Leuten von allen Gesinnungen Bekanntschaft zu pflegen. Und außerdem hast Du ja häufiger Gelegenheit, Deine Revanche zu nehmen, als jene armen Teufel.

Die beiden Freunde hatten während dieses Gesprächs ein dichtes Haselgesträuch erreicht, das wie ein Bosquet rechts und links zur Seite stand. Einzelne Eichen ragten daraus empor und verhüllten die Aussicht auf das Firmament, so daß auf dem Waldwege schon starke Dämmerung herrschte. Nirgends regte sich ein Blatt in den Zweigen, nur dann und wann flatterte ein Vogel aus dem Dickicht auf, den die Schritte der Männer in seinem Verstecke erschreckt hatten.

– Du sprichst von Revanche, Graff – begann nach einer Pause der Revierförster wieder – was nützt mir die Gelegenheit dazu, wenn mich auf Tritt und Schritt das Unglück verfolgt?

– Es giebt verschiedene Branchen, sein Glück zu machen, muß es denn immer nur das Spiel sein? Eberhard, ich dürfte nicht in Deiner Haut stecken, oder es müßte mit dem Teufel zugehen, wenn ich nicht in kurzer Zeit ein reicher Mann wäre. Sieh' Dich nach einem reichen Mädchen um, Freund, es giebt ja so viel Bauerdirnen, die nur deshalb noch ledig sind, weil sie keinen Bauerjungen heirathen, sondern etwas höher hinauswollen.

– Die Absicht hatte ich gestern, antwortete Eberhard, und glaubte schon, daß mir ein hübsches Mädchen mit einer einträglichen Meierei nicht entgehen könne –

– Mit einer Meierei –? Nun –?

– Der Teufel trieb wieder sein Spiel, denn die Rückkehr jenes Konrad, der so dumm war, mit unserm Grafen in den Krieg gegen die Dänen zu ziehen, vereitelte alle meine Aussichten.

– Und dies macht Dich so untröstlich? rief Graff, indem er in ein so lautes Gelächter ausbrach, daß das Echo des Waldes es zurückgab.

– Wenn man keine andere Aussicht hat, allerdings! gab Eberhard düster zur Antwort.

– Bist Du ein engherziger Mensch! Giebt es nicht noch tausend andere Quellen auf der Welt, aus welcher der Kluge leicht und ohne Mühe seinen Vortheil schöpfen kann?

– Nenne mir eine solche Quelle, rief Eberhard, nenne sie mir und beweise, daß Du ein kluger Mensch bist!

Graff blieb stehen und sah seinen düstern Freund einen Augenblick an, dann sagte er halb laut, als ob er fürchtete gehört zu werden:

– Geh hinaus auf die Landstraße – prüfe die glücklichen Leute – beschäftige Dich mit den Reichen – es giebt ja so viel Gewerbe – die Erde ist groß – das Feld ist weit – eine einzige goldne Erndte, und Du bist ein gemachter Mann!

– Ja, antwortete Eberhard in einem dumpfen Tone, ich bin ein gemachter Mann, weil ich auf dem Punkte stehe, mich entweder in den Teich zu stürzen, oder eine Kugel durch den Kopf zu jagen!

– Mein Gott, sagte Graff lächelnd, wie kann man auf solche abgeschmackte Gedanken gerathen! Bist Du denn so entsetzlich in das Mädchen verliebt, das Dir jener Konrad vor der Nase wegschnappt?

– Nein!

– Nun, was ist es denn, was Dich so mächtig erschüttert?

– Ich schulde in der Stadt eine bedeutende Summe, deren Zahlungsfrist bereits abgelaufen ist.

– So laß sie laufen, was kümmert es Dich!

– Sehr viel, Graff, denn es ist eine Wechselschuld.

– O Du dummer Teufel! Wie kann ein vernünftiger Mensch einen Wechsel unterschreiben?

– Man gab mir Zeit, fuhr Eberhard fort, weil ich die sicherste Hoffnung auf die Heirath hegte; diesen Morgen aber schrieb mir ein Freund, daß ich jeden Tag gewärtigen könne, bei Wasser und Brod in das Schuldgefängniß gesperrt zu werden, denn mein Gläubiger habe bereits bei den Gerichten darum nachgesucht.

– Komm, rief Graff und zog den Förster mit sich fort, die Sache wird so schlimm nicht werden, als Du denkst! Schlagen wir diesen Weg nach dem Wirthshause ein, wir wollen einen Schoppen zusammen trinken, vielleicht giebt uns der Wein einen gesunden Rathschlag, der uns wieder flott macht! Komm, Freund Eberhard, und verliere den Kopf nicht!

– Du hast Recht, rief Eberhard mit glühenden Augen, denn in diesem erbärmlichen Leben sind ja doch nur die Augenblicke glücklich, wo der Verstand zum Teufel geht. Komm, ich folge Dir!

– Recht so, Freund, wir wollen die Grillen verplaudern und vertrinken!

Singend, daß der Wald wiederhallte, zogen sie Arm in Arm den Fußweg fort, der nach zehn Minuten auf einen Platz mündete, auf welchem ein einsames Häuschen stand. Es ward von einem alten Jäger bewohnt, der Getränke und Speisen im Sommer feil bot, weil es an der Straße lag, welche von den Reisenden am häufigsten gewählt wurde, um den Brocken zu besuchen.

Jauchzend, als ob ihnen das größte Glück begegnet, traten die beiden Männer ein und forderten lärmend von dem besten Weine. In einem Zimmer, dessen niederes Fenster nach dem Waldplatze hinausging, setzten sie sich an einen Tisch und begannen wacker zu zechen, wobei Graff Anecdoten und Schnurren erzählte, über welche Eberhard, dem nach und nach der Wein zu Kopfe stieg, aus vollem Herzen lachte und Heirath und Schulden vergaß.

Der Abend war während dieser Zeit völlig hereingebrochen, im Westen zogen sich die Gewitterwolken immer drohender zusammen, im Osten aber stieg der Mond herauf und beleuchtete mit seinem melancholischen Lichte den schweigenden, duftenden Wald.

In der Unterhaltung der beiden Jäger war eine Stockung eingetreten, denn Eberhard's schwerer Kopf hatte sich auf den Tisch gesenkt und schien dem Weine und der drückenden Schwüle völlig zu unterliegen. Graff betrachtete durch das geöffnete Fenster die prachtvolle Abendlandschaft. Das Zimmer war dunkel und in den übrigen Räumen des einsamen Hauses regte sich kein Laut, da diesen Abend die beiden Jäger die einzigen Gäste waren.

Plötzlich hörte Graff ein Gespräch in dem Walde. Er lauschte. Es schien unter Leuten stattzufinden, die den Weg von dem kaum eine halbe Stunde entfernten Dorfe herkamen. Die Worte tönten laut durch den stillen Abend, aber Graff konnte sie dennoch nicht verstehen, da das gleich darauf folgende Echo sich mit ihnen mischte. Soviel vermochte er aber zu unterscheiden, daß eine der Stimmen einer Frau oder einem Mädchen angehörte.

Nach einigen Minuten sah der Jäger zwei Personen aus dem Gebüsche auf den hell erleuchteten Waldplatz treten; sie gingen langsam Arm in Arm und führten ein fröhliches Gespräch, dessen Worte Graff schon seit einiger Zeit gehört hatte. Leise zog er sich in das dunkele Zimmer zurück und begann zu lauschen.

– Weiter gehe ich nicht, Konrad, sagte die Mädchenstimme – hier ist das Wirthshaus des alten Vaters Kaspar, wir sind eine halbe Stunde von unserm Dorfe entfernt, und das Gewitter zieht immer drohender herauf.

– Wie Du willst, meine Marie, antwortete die Stimme eines Mannes. Wir wollen uns auf die Bank unter dem Fenster setzen und so lange warten, bis meine Schwester Röschen kommt. Ich hoffe, sie wird sich beeilen, wenn sie den schwarzen Himmel sieht.

– Ich an Röschens Stelle hätte den Weg zu der Tante auch an einem andern Tage abgemacht, sagte Marie wieder – es wäre besser gewesen, wenn wir heute zusammengeblieben wären und Deine Ankunft durch eine Parthie nach dem Ilsensteine gefeiert hätten.

– Du hast Recht, liebe Marie; aber die Tante ist eine alte Frau, die meinetwegen in Sorgen ist und es gewiß nicht gut aufgenommen hätte, wenn wir mit der Nachricht von meiner Rückkehr noch einige Tage gezögert. Außerdem hat sie noch ein wichtiges Geschäft mit ihr abzumachen.

– Ein Geschäft?

– Das Dich und mich betrifft.

– Ich verstehe, flüsterte das Mädchen – ihre Einwilligung?

– Ja, Marie; und morgen gehe ich selbst hinüber, um sie persönlich darum zu bitten.

– Ach, Konrad, wenn aber der Krieg mit den Dänen wieder ausbricht?

– Mag er ausbrechen, sagte heftig der junge Mann, ich rühre keine Hand, ich bleibe bei meiner Marie und besorge die Wirthschaft.

– Wenn man Dich aber mit Gewalt zwingt?

– Man wird mich nicht zwingen, mein Mädchen, denn, noch ehe das Laub von den Bäumen fällt, bin ich Dein Mann, und wenn ich nachweise, daß die Verwaltung der Meierei auf mir allein lastet, kann mich kein Teufel zwingen, diesen erbärmlichen Krieg mitzumachen.

– Du sahest auch viel besser aus, als Du den Soldatenrock abgelegt und Deine gewöhnlichen Kleider wieder angezogen hattest, und vorzüglich stand Dir die alte Feldmütze schlecht. Da lobe ich mir den schwarzen Hut, rief lächelnd das junge Mädchen – Du siehst noch einmal so hübsch darin aus.

– Und wie werde ich erst aussehen, antwortete Konrad, wenn das rothe Bräutigamsband daran flattert!

– Das wollen wir gleich einmal probiren! rief Marie, indem sie dem jungen Manne den Hut vom Kopfe nahm.

– Nun, was willst Du mit dem Hute?

– Gieb Acht, Konrad!

Mit einer leichten Handbewegung hatte Marie ein rothes Band von ihrem schwarzen Mieder abgelös't, das auf der Brust eine große Schleife bildete, und schlang es um den Hut, den sie auf ihren Knien hielt.

– So, sagte sie fröhlich und setzte dem Geliebten den Hut wieder auf das Haupt – so sieht ungefähr der Hut eines Bräutigams aus – schade, daß das Band keine längern Schleifen hat!

– Marie, rief der entzückte Konrad, dieses Band gebe ich Dir nicht zurück!

– Nun, so behalte es, bester Freund, seine rothe Farbe mag Dir ein Sinnbild meiner Liebe sein!

– Und dieser Kuß mag Dir sagen, daß meine Liebe noch größer ist, als die Deinige!

– Das ist nicht wahr!

– O ja!

– O nein!

Konrad schloß das Mädchen in seine Arme und machte durch einen feurigen Kuß dem kleinen Streite ein Ende. In inniger Umarmung blieb das glückliche Paar wohl zehn Minuten lang, ohne den Lauscher am Fenster zu gewahren. Der Mond war indeß hinter den Zweigen einer Eiche hervorgetreten und beleuchtete sanft die Gesichter der beiden Liebenden, die sich schweigend ansahen und nur durch Küsse die Gefühle ihrer Herzen äußerten.

Plötzlich erklangen Schritte in dem Walde.

– Hörst Du? rief Marie; jetzt kommt Röschen. Ich werde ein wenig mit ihr zanken, daß sie so lange auf sich warten läßt.

Und wie eine Gemse flog sie über den Rasenplatz dem Waldwege zu, von woher die Schritte sich vernehmen ließen. Doch kaum hatte sie das dunkele Gebüsch betreten, als die schwarze Gestalt eines Mannes vor ihr stand. Mit einem lauten Schrei fuhr Marie erschreckt zurück und flog auf Konrad zu, der ihr nachgeeilt war.

– Was giebt es? rief der junge Mann mit kräftiger Stimme.

– Sieh' jene Gestalt – sie kommt näher! Laß uns fliehen, vielleicht ist es ein Räuber!

– Fliehen, ich? rief Konrad und vertrat dem Manne, der jetzt den Rasenplatz erreicht hatte, den Weg.

– Konrad, sagte der Fremde, bist Du es?

– Konrad ist mein Name; wer aber ist der, der danach fragt?

– Kennst Du mich nicht? flüsterte der Fremde.

– Mein Gott, ist es möglich – Sie, Herr Graf – allein hier im Walde?

– Still, mein Freund, ich habe mit Dir zu reden.

– Mit mir? fragte Konrad verwundert.

– Ich bin nur deshalb gekommen. Ich wollte Dich in Deiner Wohnung aufsuchen. – Wer ist jenes Mädchen, das bei meinem Anblicke floh?

– Es ist ja Marie, meine Braut, Herr Graf. Ach, wie wird sie sich freuen, wenn sie Sie wiedersieht – ich will sie holen!

– Konrad, wenn Du mich liebst, so sorge, daß mich niemand erkennt, auch Marie nicht.

– Um des Himmelswillen, Herr Graf, was ist Ihnen? Sie sind so bewegt – ihr Gesicht ist bleich – was ist vorgegangen?

– Du sollst alles erfahren, doch zuvor sende Marien in das Dorf zurück, ich bedarf Deiner.

– Marie soll allein zurückkehren?

– Sende einen Mann aus dem Wirthshause als ihren Begleiter mit.

– Was soll sie davon denken? wandte Konrad ein.

– Mir fällt ein, daß Du sie begleiten kannst. Laß sie einen Augenblick in das Haus treten, dann kehre zurück, ich erwarte Dich hier, um Dir ein Geheimniß anzuvertrauen.

Ohne ein Wort zu entgegnen eilte Konrad zu seiner Braut, die zitternd an der Thür des Wirthshauses stand.

– Marie, sagte er leise, gehe auf einige Augenblicke zu dem alten Kaspar hinein, dann hole ich Dich ab, und wir kehren zusammen nach Hause zurück.

– Wer ist der Fremde? fragte ängstlich das bebende Mädchen.

– Ich kann ihn Dir jetzt nicht nennen; doch fürchte nichts, die Unterredung, die er von mir wünscht, kann nur zu unserm Vortheile sein – komm in das Haus!

Konrad ergriff Marien's Arm und zog sie sanft mit sich fort, wobei er ihre Befürchtungen durch freundliches Zureden zu verscheuchen suchte. Nachdem er sie der Obhut des alten Kaspar übergeben, der sie mit herzlicher Freude aufnahm, kehrte er auf den Platz zurück.

Der Graf hatte sich auf der Bank unter dem Fenster niedergelassen und hielt sinnend seinen Kopf in beiden Händen.

Graff hatte während des Gesprächs der beiden Männer Konrads Hut mit dem Bande von der leicht zu erreichenden Bank genommen und den Schläfer am Tische geweckt.

– Eberhard, rief er leise, wache auf!

– Was giebt es, rief dieser schlaftrunken.

– Sieh diesen Hut!

– Was soll der Hut?

– Das Band, das ihn schmückt, ist von Marien, welche die einträgliche Meierei besitzt!

– Wem gehört er?

– Konrad, Deinem Nebenbuhler. Doch sei still, man nähert sich der Bank vor dem Hause.

In diesem Augenblicke, und während Eberhard den Hut zornig mit Füßen trat, näherte sich der Graf und ließ sich auf der Bank nieder. Einen Augenblick später erschien auch Konrad. Beide ahnten die Nähe der lauschenden Jäger nicht.

– Herr Graf, begann Konrad, warum geben Sie sich die Mühe zu mir zu kommen, anstatt mich auf das Schloß rufen zu lassen?

– Konrad, sagte bewegt der Graf, indem er dessen Hände ergriff, Du bist glücklich, sehr glücklich, denn Du kannst das Mädchen Deiner Liebe zu Deiner Gattin machen.

– Ja, Herr Graf, flüsterte freudig der junge Mann, ehe der Herbst das Laub auf diesen Bäumen gelb färbt, soll Marie meine Frau sein – noch im Laufe dieser Woche hätte ich um Ihre Erlaubniß nachgesucht, und nicht wahr, Sie hätten sie mir nicht verweigert.

– Habe ich Dir nicht gesagt, Freund Konrad, als wir vor zwei Monaten am Wachtfeuer lagen und von unserer Heimath plauderten, daß wir an einem Tage vor den Altar treten würden?

– O, ich weiß es noch, am andern Tage standen wir auf Vorposten – –

– Wo ich von den hinterlistigen Dänen niedergehauen worden wäre, fiel rasch der Graf ein, wenn Du nicht mit muthiger Todesverachtung mich gerettet hättest.

– Das wollte ich nicht sagen, Herr Graf, – was ich gethan, hätte jeder andere für seinen Major auch gethan.

– Konrad, rief der Graf im Tone der Verzweiflung, Konrad, ich wolle, die dänischen Bayonette hätten mich durchbohrt, daß ich nie diese Berge wiedergesehen!

– Mein Gott, was ist geschehen? Sie wollten mir ja erzählen – –

– Höre mich an, sagte seufzend der Graf, und urtheile selbst, ob mein Wunsch ein gerechter ist: man hat mich meiner Emma beraubt!

– Wie, rief Konrad, der jungen Gräfin, von der Sie stets mit so großer Liebe sprachen, so oft wir uns sahen?

– Und die ich bei meiner Rückkehr zum Altare zu führen gedachte. Während meiner Abwesenheit hat man über ihre Hand verfügt, die Familie hat bestimmt, daß sie den alten Baron von H. heirathen soll.

– Unglaublich! rief Konrad.

– Und dennoch wahr! seufzte der Graf.

– Der Baron ist ja mindestens noch einmal so alt, als Sie, Herr Graf. Die junge Gräfin Emma kann den Greis nicht lieben!

– Sie liebt nur mich, ich weiß es; ihre Familie aber will es, und das arme Mädchen muß gehorchen. Wie man mir gesagt, soll in einigen Tagen die Verlobung stattfinden.

– In einigen Tagen schon?

– Wahrscheinlich, um die Sache vor meiner Heimkehr abzumachen, die man so bald nicht vermuthet hat. Das Ganze ist das Werk des Barons, darum habe ich ihm geschrieben und ihn auf Degen gefordert.

– Herr Graf, was haben Sie gethan! rief Konrad zurückfahrend.

– Was meine Ehre erfordert! Diesen Abend neun Uhr findet das Duell in den Ruinen der nahen Abtei statt.

Graff, der am Fenster aufmerksam gelauscht, flüsterte seinem Genossen zu:

– Der Ort ist gut gewählt, denn er eignet sich vortrefflich, jemandem ungestört den Hals zu brechen!

– Aber haben Sie auch alles reiflich bedacht? wandte Konrad ein, dem das Geschick des Grafen tief zu Herzen ging – erwägen Sie, daß schon Ihr Brief genügt, Sie anzuklagen und zu verurtheilen!

– Ich trotze allem, antwortete finster der junge Graf, da ich an der Zukunft verzweifele.

– Und wenn sich der Baron nun nicht stellt und Sie anklagt, einen Anschlag auf sein Leben ausgeübt zu haben?

– Er wird sich stellen, denn er besitzt Muth.

– Und wahrscheinlich auch Kaltblütigkeit, während Sie in der größten Aufregung sind. O mein Gott, wenn er Sie tödtete! rief Konrad.

– Nein nein, fürchte nichts, ich kann mich auf meinen Arm verlassen!

– Und wenn Sie den Baron tödten oder verwunden?

– In diesem Falle, den ich fast voraussetze, zähle ich auf Dich. Höre mich an, fuhr rascher der Graf fort: Du kennst die Wohnung meines Freundes, des Oberförsters von G.?

– Ich kenne sie – eine halbe Stunde jenseits des Dorfes, am Walde –

– Dorthin gehst Du, nachdem Du Deine Marie zu Hause geleitet. Du erzählst dem Oberförster mein Duell und bittest ihn um seine Pferde und seinen Wagen. Dann fährst Du nach dem Kreuzwege unterhalb dieses Gehölzes und erwartest mich.

– Wie, Herr Graf, ich soll nicht an Ihrer Seite stehen, wenn Sie sich schlagen?

– Nein, mein Brief kündet an, daß ich allein komme, und außerdem habe ich keinen, dem ich meine Flucht anvertrauen könnte. Bin ich einmal jenseits der Grenze, schiffe ich mich nach Amerika ein.

– Aber haben Sie denn auch Geld zur Reise?

– Ich habe alles vorbereitet, in meinem Gürtel befindet sich eine bedeutende Summe in Golde.

– Und Ihr herrliches Gut, Herr Graf, mit den einträglichen Waldungen –?

– Gehört schon lange nicht mehr mir, es ist verpfändet. Doch nun beeile Dich, sagte der Graf und stand auf, denn es ist acht Uhr und ich darf nicht auf mich warten lassen. Sei pünktlich und verschwiegen!

– O mein Gott, rief Konrad, vermag denn nichts Ihren Entschluß zu ändern –?

– Nichts in der Welt! antwortete fest der Graf. – Du zögerst und überlegst – sollte ich mich in Dir getäuscht haben? Willst Du mir den letzten Dienst nicht erweisen?

– Sie wollen es, Herr Graf – so sei es denn! Ich werde mich mit dem Gespanne an dem Kreuzwege einfinden. Gebe nur der Himmel, daß ich nicht lange auf Sie zu warten brauche!

– Konrad, kann ich auf Deine Verschwiegenheit zählen?

– Wie auf mein Bayonett in der Dänenschlacht!

– Selbst Marie wird nichts erfahren, da sie mir herzlich zugethan ist?

– Mein Wort darauf!

– Auf Wiedersehen!

Der Graf schlug seinen Mantel um die Schultern, um ein Paar Degen zu verbergen, dann verschwand er im Walde. Konrad eilte so bestürzt in das Wirthshaus, daß er nicht an den Hut dachte, den er auf der Bank unter dem Fenster hatte liegen lassen.

Nach einigen Minuten trat der junge Mann wieder aus dem Hause; er führte Marien am Arme, die ihn mit Fragen über den fremden Mann bestürmte. Aber Konrad hielt sein Wort, er gab ausweichende Antworten und verschwieg, obwohl mit schwerem Herzen, seiner Braut den Namen des Grafen und dessen Absicht. Bald hatten sie das Dorf erreicht. An der Meierei schieden sie. Marie, obgleich sie den braven Character ihres Geliebten kannte, mit sorglichem Herzen, und Konrad, den das Schicksal seines Gutsherrn kümmerte, mit klopfender Brust, denn er glaubte, zu seiner Rettung nicht früh genug auf dem Kreuzwege einzutreffen.

Als die beiden jungen Leute den Waldplatz verlassen, traten Graff und Eberhard aus dem Wirthshause. Sie wünschten dem alten Kaspar laut eine gute Nacht und verschwanden im Walde. Der Greis schloß die Thür seines Häuschens.

4.

Neun Uhr war vorüber, als die Nachtstille, welche über dem Dorfe ausgebreitet lag, durch Musik und Vivatgeschrei unterbrochen wurde. Die jungen Burschen und Mädchen zogen von der Schenke aus nach der Wohnung Valentins, um dem neuen Ortsrichter ihre Huldigungen darzubringen. In bunter Gruppe machten sie unter den Fenstern Halt, während die Musikbande mit Hörnern, Trompeten und Klarinetten einen schmetternden Marsch ausführte. Was sich dem Zuge nicht angeschlossen hatte, erschien jetzt auf dem Platze, um theils die Musik, theils die Rede des Richters zu hören, der sich in der Kirche schon als ein guter Redner bewährt hatte.

Auch Marie, die ihren Konrad noch einmal zu sehen hoffte, trat in demselben Augenblicke zu einer Gruppe junger Mädchen, als Valentin mit stolzer Miene aus dem Hause kam, einen großen Stein bestieg, der an der weißen Mauer lag, und laut und vernehmlich zu reden begann, daß der ganze Platz wiederhallte.

Die unruhige Braut hörte wenig von den begeisterten Worten des zum Ortsrichter verwandelten Schulmeisters, ihre Gedanken beschäftigten sich nur mit Konrad und dem geheimnißvollen Fremden im Walde. Ueberall, wo nur Männer standen, spähte sie mit den Blicken; sie traf wohl in dem hellen Mondenscheine manches Gesicht, das ihr freundlich zulächelte, doch nicht das Gesicht dessen, den sie liebte.

Die Rede war zu Ende und die Dorfmusiker begannen einen neuen Marsch. Marie, deren Angst mit jeder Minute sich vergrößerte, obgleich sie sich keinen Grund dafür angeben konnte, entfernte sich unbemerkt von den jungen Mädchen und wollte eben in die Thür ihres Hauses treten, als die Musik plötzlich schwieg und die Menge sich neugierig nach dem Orte drängte, wo der Richter seine Rede gehalten hatte. Bestürzt blieb sie stehen und lauschte, ihr war, als ob sie eine Unglücksbotschaft von Konrad hören müßte. Diese Ahnung schien in Erfüllung gehen zu sollen, denn sie erkannte aus dem Gemurmel deutlich Röschens Stimme, die sie noch bei der Tante in dem benachbarten Dorfe wähnte. Mit ungeheurer Anstrengung faßte sie allen ihren Muth zusammen und drängte sich durch den dichten Haufen, bis sie an die Hausthür des Richters gelangte.

Hier stand Röschen bleich und athemlos vor Valentin und versuchte zu reden, Angst und Erschöpfung aber erstickten das Wort im Munde.

– Was giebt's? Was ist geschehen? hörte man Männer und Frauen rufen, indem sich alle immer näher herandrängten.

– Röschen, Röschen, stammelte Marie, indem sie die bis zum Tode erschöpfte Freundin unterstützte – um Gotteswillen, was treibt Dich hieher? Ist ein Unglück geschehen?

– Ruhe! gebot der Richter. Was führt Dich zu mir, mein Kind?

Nach einigen Minuten hatte sich Konrad's Schwester soweit erholt, daß sie zu Worte kommen konnte.

– Länger als ich dachte, sprach sie in abgebrochenen Sätzen, hielt mich ein Geschäft bei meiner Tante auf – es war Nacht, als ich bei den Ruinen der Abtei vorüberging – da höre ich plötzlich Schritte – die Angst befällt mich – aber ich setze meinen Weg fort – ich trete um die Biegung der verfallenen Mauer – da sehe ich im Mondenscheine, wie sich ein Mann gegen zwei Räuber vertheidigt – vor Angst und Schrecken verberge ich mich hinter einem Felsen, der am Wege steht – ich lausche zitternd – das Geräusch der Kämpfenden entfernt sich – aber der Wind, der sich aufmacht, treibt mir den Hut eines der Mörder zu – ich raffe ihn auf – und stürze dem Dorfe zu – hier ist der Hut!

Mit zitternder Hand reichte sie Marien, die ihr zunächst stand, den Hut, den sie bisher unter der Schürze verborgen gehalten hatte. Doch kaum hat diese einen Blick darauf geworfen, als sie vor Schrecken zur Bildsäule erstarrt – sie erkennt an der Schleife das rothe Band, das sie diesen Abend als einen Beweis ihrer Liebe um Konrads Hut gewunden – es war der seinige.

Starr sah sie auf das verhängnißvolle Zeichen, bis der Richter sich seiner bemächtigte. Konrad's ausweichende, unbestimmte Antworten, sein verschlossenes Wesen, das er nach der Unterredung mit dem Fremden im Walde beobachtete, – alles stand plötzlich vor ihrer Seele, sie zweifelte nicht einen Augenblick daran, daß der Mann, den sie liebte, Theil an dem begangenen Verbrechen genommen habe – und Röschen, seine eigene Schwester mußte ihn verrathen.

– Also in den Ruinen der Abtei hast Du gesehen, daß ein Mensch von Raubmördern angefallen wurde? fragte der Richter.

– Ja, antwortete Röschen, die sich wieder erholt hatte, ich habe es deutlich gesehen, und jener Hut muß einem der Mörder gehören.

– Freunde, rief Valentin, der den Hut betrachtet, es unterliegt keinem Zweifel, daß in der Nähe unsers Dorfes ein Raubmord stattgefunden, denn dieser Hut ist feucht von Blut. Geht in Eure Häuser und holt was Ihr an Waffen besitzt – dann seid in fünf Minuten wieder hier, wir wollen ausziehen und den ganzen Wald durchsuchen – ich als Richter stelle mich an Eure Spitze!

Die Bauern zerstoben nach allen Seiten, um der Aufforderung Valentins nachzukommen; die Frauen und Mädchen gingen erschreckt ihren Häusern zu. Auf allen Plätzen und Gassen des Dorfes hörte man ein dumpfes Murmeln und selbst Vermuthungen über die Thäter wurden ausgesprochen, die freilich nur auf berüchtigte Personen fielen.

Marie war die einzige, die Konrad in Verdacht hatte, denn sie nur allein hatte seinen Hut wiedererkannt. Aber mit männlichem Muthe verschloß sie diesen Verdacht in ihrer Brust, obgleich der Schmerz um die Verirrung des geliebten Mannes sie zu zersprengen drohete.

– Marie, fragte Röschen, indem sie den Arm der Freundin ergriff – wo ist mein Bruder Konrad?

– Ich weiß es nicht! stammelte die Arme.

– War er nicht mit hier?

– Ich habe ihn in der Menge nicht gesehen.

– Du zitterst, Marie; bist noch mehr erschreckt, als ich –? Fürchtest Du vielleicht –?

– O nein, antwortete rasch Marie, ich fürchte nichts – Deine Erzählung hat mich so mit Angst und Schrecken erfüllt, daß ich kaum zu reden vermag – das ist alles.

– Gieb Dich nur zufrieden, sagte unbefangen das muntere Röschen, man wird den Missethätern schon auf die Spur kommen, daß sie weiter keinen Schaden anrichten können. Ich freue mich, daß ich das ganze Dorf versammelt fand, und daß der Richter gleich aufbrechen kann. Sieh, dort kommt schon ein Trupp junger Leute, und dort wieder einer – o, daß sie die Bösewichter doch fingen!

Unter diesem Gespräche hatten sie Mariens Thür erreicht.

– Gute Nacht, Röschen, sagte die unglückliche Braut.

– Gute Nacht, Marie! Und was sage ich meinem Bruder?

– Ich wünschte, daß er ruhiger schlafen möge, als ich! Gute Nacht.

Marie trat in ihr Haus und schloß die Thür. In ihrem Stübchen, wo sie allein war, brachen die lange zurückgehaltenen Thränen hervor, sie sank auf einen Stuhl und begann bitterlich zu weinen.

Die ersten Donnerschläge des heranziehenden Gewitters ließen sich vernehmen und starke Blitze erhellten auf Augenblicke das ganze Zimmer. Auf dem Platze vor des Richters Hause war es wieder lebendig geworden, denn mehr als fünfzig Männer, mit Gewehren, Aexten und Stangen bewaffnet, hatten sich zur Durchsuchung des Waldes eingefunden.

In dem Augenblicke, als der mit einem langen Säbel bewaffnete Ortsrichter aus seinem Hause trat, vermehrte sich der kriegerische Trupp noch um zwei Köpfe – Graff, der Eberhard am Arme führte, fragte nach dem Zwecke der Versammlung, obgleich er ihn im Dorfe schon vernommen hatte. Valentin, der sich über die Ankunft der beiden waffenkundigen Männer freute, da er nichts weniger als muthig war, berichtete kurz den Vorfall.

– Wir begleiten Euch, Freunde, rief Graff. Die Gegend muß gelichtet werden von diesem Gesindel! Fort zu der Abtei!

Als Valentin von dem Hute sprach, den einer der Räuber verloren haben sollte, mußte sich Eberhard auf seinen Freund Graff stützen, er vermochte sich kaum noch aufrecht zu erhalten.

– Memme, flüsterte der Jäger ihm zu, willst Du uns verrathen? Nimm Dich zusammen, der Hut mit dem rothen Bande wälzt allen Verdacht auf Konrad, und Du kannst die Meierei noch erhalten, denn einen überführten Räuber wird die züchtige Marie nicht heirathen!

– Du hast Recht! antwortete Eberhard, dessen Hoffnung auf Mariens Besitz die Wendung der Dinge neu belebt hatte. Ich folge Ihnen, Vetter, rief er den abziehenden Bauern nach, ich will nur mein Gewehr holen, das in Ihrem Hause steht!

Nach einigen Minuten schritten die beiden Jäger an Mariens Fenster vorüber.

Bei dem Leuchten eines Blitzes sahen sie das bleiche Gesicht des armen Mädchens, das weinend über den leer gewordenen Dorfplatz blickte.

– Hast Du sie gesehen? flüsterte Graff.

– Wie es scheint, wartet sie auf Konrad, antwortete der Förster.

– Ich zweifle, daß er kommen wird.

– Und wenn er kommt? fragte zitternd Eberhard.

– Wird sie ihn diesen Abend zum letzten Male empfangen haben.

Als der Zug den Wald erreichte, brach das schwere Gewitter mit einer Gewalt los, daß die Bäume in lichten Flammen zu stehen schienen und die Berge von den kurz aufeinander folgenden Donnerschlägen wiederhallten.

Marie saß die ganze Nacht am Fenster und weinte.

5.

Ein heiterer Morgen stieg aus dem Nebelschooße der Nacht, Flur und Wald, erquickt durch den Gewitterregen, sandten einen balsamischen Duft in das Lichtmeer, das in glänzenden Strahlen über der Landschaft wogte. Die bekümmerte Marie, bleich und mit rothgeweinten Augen, verließ ihr Haus und ging durch den duftenden Garten einer dichten Laube zu, die am äußersten Ende desselben lag. Langsam ließ sie sich auf der Holzbank nieder und stützte ihr brennendes Köpfchen in die hohle Hand, während die Augen sich starr auf den freundlichen Kirchthurm richteten, der jenseits des Gartenzaunes hinter einer Gruppe Linden emporragte.

Marie hing mit warmer, treuer Liebe an dem Manne, von dessen Verbrechen sie die deutlichsten, unläugbarsten Beweise gehabt. Was kann ihn dazu bewogen haben? hatte sie sich tausendmal während der schlaflos verbrachten Nacht gefragt. Sie gab sich seine Armuth als einen Grund an, seinen Ehrgeiz, ein kleines Vermögen ihr zuzubringen – aber stets verwarf sie ihn wieder, wenn sie daran dachte, daß sie selbst eine gut gehaltene Meierei besäße, von deren Ertrage ihr künftiger Gatte leben könne. Nein, rief sie aus, die Liebe zu mir hat ihn nicht zum Verbrecher gemacht, er muß eine andere Veranlassung gehabt haben. Hätte er mich wahrhaft geliebt, so mußte er seine Ehre rein und makellos erhalten, da sie jetzt schon die meinige ist. Konrad, Du hast Deine Marie verrathen!

Seufzend senkte sie das bleiche Gesicht auf die wogende Brust herab und das trübe Auge richtete sich auf den mit gelben Kiessand bestreuten Boden, wo Konrad ihr gestern Nachmittag mit einem Stocke den Plan der Schlacht gezeichnet hatte, in der er dem jungen Grafen Rudolph das Leben gerettet.

Unwillkührlich einen Schrei ausstoßend, legte sie beide Hände vor die Augen, als der Gedanke in ihr aufstieg: wäre er doch eines ehrenvollen Todes gestorben! – das arme Mädchen liebte Konrad noch, selbst als einen Verbrecher.

Ein Geräusch von Schritten weckte die Sinnende. Sie schlug die Augen auf und sah Röschen, die heiter und froh durch die Wege des Gartens der Laube zueilte.

– Sie kennt das Verbrechen des Bruders nicht, flüsterte sie vor sich hin – wenn es von mir allein abhängt, soll sie es nie erfahren – ja, ja, weder sie noch sonst ein Mensch in der Welt!

– Guten Morgen, Marie! rief Konrad's Schwester schon aus, noch ehe sie die schattige Laube erreicht hatte. Man sagte mir, Du wärst in den Garten gegangen, um nachzusehen, ob der Sturm dieser Nacht keinen Schaden angerichtet und nun finde ich Dich träumend in der Laube – was hast Du denn? Ist ein kleiner Streit zwischen Dir und Konrad vorgefallen? Schon gestern Abend kamst Du mir niedergeschlagen vor – heute sehe ich, daß Du wirklich traurig bist, und meinen Bruder vermisse ich auch – –

– Röschen, fragte Marie mit ängstlicher Neugierde – glaubtest Du Deinen Bruder hier zu finden?

– Ei freilich! Wo denn sonst?

– Hast Du ihn diesen Morgen noch nicht gesehen?

– Nein, er ist diese Nacht nicht zu Hause gewesen!

Erbleichend wandte sich Marie ab, Röschen brachte ihr einen neuen Beweis von Konrad's Verbrechen.

– Laß Dich das nicht erschrecken, fuhr Röschen unbefangen und theilnehmend fort – er hat gestern Abend uns sagen lassen, daß wir nicht auf ihn warten sollten, da ihn ein wichtiges Geschäft von Hause fern halte. Diesen Morgen nun, dachte ich, würde sein erster Weg zu Dir sein, und das ist auch ganz in der Ordnung, denn die Braut geht der Schwester vor.

Mit den letzten Worten hatte sich Röschen an Marien's Seite gesetzt und begann ihr in das trübe Auge zu sehen.

– Ich weiß nicht, wo Dein Bruder ist, antwortete Marie, ihre Bewegung verbergend – vielleicht drängt es ihn nicht so sehr mich zu sehen, als Du glaubst. Er ist im Kriege gewesen, unter rohen Soldaten – er hat schlechte Beispiele vor Augen gehabt – dies alles kann das Herz eines braven Menschen schon verderben.

– Wie, rief Röschen entrüstet, Du hältst meinen Bruder für ungetreu? Nein, Marie, so tief ist mein Bruder nicht gesunken, selbst wenn er im Kriege unter lauter schlechten Menschen gewesen wäre! Doch sei nur ruhig, er wird und muß kommen, ich kenne ihn besser und setze durchaus kein Mißtrauen in ihn. Auch unser neuer Ortsrichter wundert sich, daß er diese Nacht nicht mit ausgezogen ist, die Räuber zu verfolgen.

– Nun, was hat man entdeckt? fragte eifrig Marie.

– Nichts! An dem Orte, den ich bezeichnet, hat man eine Menge Laub und abgebrochener Zweige gefunden – das ist alles. Daß übrigens eine Rauferei dort stattgefunden, ist klar – aber von Blutspuren war nichts zu sehen, es ist wahrscheinlich nur eine einfache Plünderung gewesen.

– Röschen, ist das nicht genug? Einen Straßenraub bestraft das Gesetz mit dem Tode – und wenn auch nicht, so ist die Schande mindestens dasselbe.

– Ei, das will ich meinen, Marie! Der Ortsrichter will auch durchaus einen hängen lassen. Diesen Morgen ganz früh war er schon bei mir und plagte mich mit verschiednen Fragen. Unter andern: ob ich nicht in der Angst einen Busch für Räuber angesehen hätte? O nein, Herr Valentin, meine Augen sind nur zu gut, ich habe ganz deutlich gesehen, was ich berichtet. Aber denke Dir, noch deutlicher habe ich die ganze Geschichte im Traume gesehen. Mir hat die ganze Nacht hindurch nur von Räubern geträumt – Marie, Marie, rief sie plötzlich, indem sie mit dem Finger nach einem Hügel deutete, der sich dicht am Gartenzaune erhob – sieh' dorthin – habe ich nicht Recht gehabt?

Beide Mädchen blickten schweigend nach dem bezeichneten Orte: Röschen mit Verwunderung, Marie mit Entsetzen, denn sie sahen Konrad mit verschränkten Armen und gesenktem Haupte den Fußpfad herabkommen, der von dem Hügel zu einer kleinen Thür in dem Gartenzaune führte, die in der Regel geöffnet war, da sie den Knechten und Mägden einen nähern Weg in das Feld bot.

Nach einer Minute war der junge Mann so nahe gekommen, daß Marie deutlich seine Kopfbedeckung wahrnehmen konnte – er trug statt des Hutes eine Tuchmütze mit einem Lederschirme.

– Es ist Konrad, sagte sie zitternd.

– Was ihm nur begegnet sein mag? fragte Röschen. Er ist sonst stets so fröhlich, und diesen Morgen – –

– Röschen, willst Du mir gefällig sein?

– Gern!

– Ich vermuthe, Dein Bruder kommt zu dieser Laube – wir wollen uns ein wenig zurückziehen, um ihn in seinem Nachsinnen nicht zu stören.

– Ich wette, antwortete lächelnd Röschen, Ihr habt einen kleinen Streit gehabt – –

– Komm, liebe Freundin, komm!

Röschen ward in ihrer ersten Meinung bestärkt, deshalb ließ sie sich unter leisem Gelächter von Marien aus der Laube hinter einen nahen Fliederbusch ziehen, der sie dem Ankommenden völlig verbarg.

Kaum hatten die beiden Mädchen ihr Versteck erreicht, als Konrad die Gartenthür öffnete, langsam durch den Weg ging und sich in der halb dunkeln Laube niederließ.

– Weiter kann ich nicht, murmelte er leise vor sich hin. O mein Gott, welch' eine schreckliche Nacht! und immer noch keine Nachricht – ich habe mit meinem Wagen vergebens auf dem Kreuzwege gewartet. Diesen Morgen schon durchsuchte ich die Ruinen und den Wald – nirgends eine Spur von meinem armen Grafen. Was wohl aus ihm geworden ist? Ob sie sich geschlagen haben? – Fürchterliche Ungewißheit – und niemandem darf ich mich mittheilen!

– Verstehst Du, was er mit sich selbst redet? fragte bebend die arme Marie ihre Freundin.

– Nein.

– Er seufzt.

– Vielleicht quält ihn sein Gewissen, sagte Konrad's Schwester mit einem leichten Lächeln.

– Sein Gewissen? fuhr Marie erschreckt empor.

– Still, er redet wieder!

– Und Marie – fuhr Konrad in seinem Selbstgespräche so laut fort, daß es die Mädchen deutlich verstehen konnten – was wird die arme Marie über meine Abwesenheit denken? Schon gestern Abend ward sie traurig, als ich ihr keine genügende Antwort auf ihre Fragen geben konnte –!

Länger vermochte sich Röschen nicht zu halten; sie entwand sich der zurückhaltenden Hand der Freundin und stand mit zwei Sprüngen vor dem überraschten Konrad.

– Du willst wissen, was Marie über Deine Abwesenheit denkt? rief sie laut.

– Röschen!

– Sie denkt, wie ich: daß es von einem Bräutigam, der nächstens Hochzeit zu machen gedenkt, durchaus nicht liebenswürdig ist, sich eine ganze Nacht zu entfernen, und niemand weiß, wohin!

In diesem Augenblicke trat auch die bleiche Braut heran und richtete schweigend ihre vorwurfsvollen Blicke auf den jungen Mann.

– Marie, rief er aus, ich ward wider meinen Willen die ganze Nacht abgehalten – kannst Du mir verzeihen?

– Ich soll Dir verzeihen, Konrad? antwortete sie schmerzlich. Frage Dein Gewissen!

– Röschen, Marie, fragte der junge Mann mit verstörten Blicken – hat man ihn diesen Morgen im Dorfe gesehen?

– Wen?

– Unsern jungen Grafen Rudolph!

– Nein. Doch was willst Du von dem Grafen? fragte Röschen erstaunt.

– Ich muß ihn sehen, ihn sprechen, damit ich endlich aus dieser fürchterlichen Ungewißheit komme!

Marie bedeckte ihr Gesicht mit beiden Händen, denn sie glaubte, er wolle dem Grafen sein Verbrechen gestehen, daß ihm mit Centnerlast auf dem Herzen zu liegen schien. Auch Röschens Verdacht ward erweckt, je länger sie den Bruder ansah, es mußte doch wohl etwas mehr sein, das ihn quälte, als ein kleiner Liebeszwist.

– Konrad, rief sie ängstlich, was ist denn geschehen – Du bist ja ganz bestürzt?

– Man hat mir ein Geheimniß anvertraut, das mir Sorgen macht –!

– Ein Geheimniß? darf Deine Braut und Deine Schwester dieses Geheimniß nicht wissen?

– Fragt mich nicht, ich bitte Euch – denn ich kann es keinem in der Welt mittheilen!

– O ich unglückliches Mädchen! schluchzte Marie und sank laut weinend auf die Bank in der Laube.

– Marie, Marie! rief Konrad, eilte bestürzt zu dem weinenden Mädchen und wollte es durch freundliches Zureden beruhigen; dieses aber hielt ihn mit der Hand zurück und fuhr fort laut zu weinen.

– O mein Gott, sagte Röschen mitleidig, die Angst wird sie noch krank machen!

– Angst? O sage schnell, was macht ihr Angst?

– Nun der Raubanfall in den Ruinen der Abtei.

– Nicht möglich! rief Konrad und starrte die Schwester an. Röschen, weiß man schon darum?

Der junge Mann hatte diese Worte mit einer Angst gesprochen, daß Marien das Herz erbebte, denn sie waren das letzte vollgültige Zeugniß seiner Schuld.

– Konrad, Konrad, fragte sie mit bebender Stimme, weißt Du um den Vorgang in den Ruinen?

Doch ohne sich um diese an ihn gerichteten Worte zu kümmern, ergriff er beide Hände seiner Schwester und rief in einem dringenden, bittenden Tone:

Röschen, wenn Dir mein Glück, meine Ruhe lieb ist, o so sage mir alles, was Du weißt – sprich, sprich!

– Nun ja; aber laß meine Hände los, Du drückst sie ja so fest zusammen, daß sie schmerzen.

– Was weißt Du denn von den Ruinen?

– Was ich mit meinen eigenen Augen gesehen, daß ein fürchterlicher Kampf dort stattgefunden, wobei ein Mann am Boden lag – dann lief ich in das Dorf und rief um Hülfe – man eilte in die Abtei, aber man hat nichts gefunden.

– Und das alles hast Du selbst gesehen?

– Mein Gott, ja! Der Mann am Boden war in Uniform, denn seine Epaulettes blitzten im Mondenscheine.

– Schweig, Mädchen, rief Konrad erschreckt – um Gotteswillen, kein Wort mehr!

– Warum denn?

– Weil das Leben eines Menschen davon abhängt!

Marie war wieder auf die Bank gesunken und verfolgte mit starren Blicken jede Bewegung Konrad's, ihr Ohr verschlang jedes seiner Worte.

– O mein Gott, murmelte der junge Mann vor sich hin – wer mag der Ueberwundene sein? Ist er todt, oder noch am Leben? Und wo ist er? – Wenn ich mich an seinen Gegner wende?

– Mensch, rief Röschen erschreckt über das Wesen des Bruders – was sinnst Du? Hast Du denn Deinen Verstand verloren?

– Laß mich, ich muß Gewißheit haben, es koste was es wolle!

– Wohin willst Du?

– Ich kehre bald zurück – jetzt laßt mich – mir brennt der Boden unter meinen Füßen!

Wie ein Sinnverwirrter, der von seiner Umgebung nichts mehr weiß, stürzte der arme Konrad aus der Laube der Gartenthür zu, durch welche er eingetreten war. Doch ehe er sie erreicht hatte, trat keuchend der Ortsrichter Valentin ein.

– Halt! rief er dem Flüchtigen zu und versperrte ihm den Weg einen Augenblick.

– Ich kann nicht! rief Konrad.

– Sie müssen warten, entgegnete der erhitzte Ortsrichter, ich habe mit Ihnen zu reden!

– Was wollen Sie? reden Sie schnell!

– Nur ein Wort! Kennen Sie diesen Hut? fragte Valentin, indem er den Hut mit dem rothen Bande unter seinem Rocke hervorholte und ihn Konrad zeigte.

– Gewiß, er ist ja der meinige! war die rasche, unbefangene Antwort.

– Wie, was? stotterte der Richter, Ihr, Dein Hut?

– Nun ja! Das rothe Band, das ihn schmückt, hat mir Marie geschenkt – warum fragen Sie? Was soll der Hut?

– Und Du bekennst, daß er Dir gehört?

– O mein Gott, ich vergaß meinen Weg! rief Konrad und wollte fort.

– Halt! rief der Richter, indem er den Arm des Eilenden ergriff.

– Hinweg! Hinweg! wiederholte der junge Mann und stürzte durch die Gartenthür in das Feld.

Das laute Weinen und Schluchzen der beiden Mädchen erfüllte jetzt die Laube und brachte den verblüfften Valentin wieder zur Besinnung.

– Haltet ihn! Haltet ihn! schrie er mit seiner sonoren Stimme, daß der Garten wiederhallte. Haltet ihn, er ist verdächtig!

– Wo ist mein Bruder? fragte Röschen.

– Fort, über alle Berge! Ihr müßt zeugen, Kinder, was er selbst gestanden hat. Ha, meine Ahnung! Also ihm gehört der verhängnißvolle Hut. Jetzt will ich dem Herrn Landrath beweisen, daß ich ein geborener Ortsrichter bin. Die Landgensd'armen sollen satteln und den Flüchtling einholen!

– Gerechter Gott! rief Röschen und stürzte dem Bruder nach, ohne sich weiter um die Zurückbleibenden zu kümmern.

– Auf Wiedersehen, Jungfer Marie! sagte höhnisch der Richter. Sie haben einen braven Bräutigam!

Marie konnte nicht mehr weinen; aber die Blässe des Todes bedeckte ihr liebliches Gesicht und aus dem Auge strahlte ein unheimlicher Glanz.

– Herr Valentin, sagte sie mit fester Stimme, ich muß mit Ihnen reden – bleiben Sie!

– Wenn ich den Missethäter gefänglich eingebracht! antwortete der Richter und wollte den Garten verlassen.

– Nein, jetzt auf der Stelle!

– Ah, sie ist klug, Jungfer, sie will mich hier noch halten, daß ihr wackerer Konrad erst entwischen kann – o nein, so leicht läßt sich Valentin nicht fangen.

– Sie müssen bleiben! sagte fest Marie und zog den Widerstrebenden mit Gewalt zur Laube.

– Mädchen, soll ich auch gegen Dich das Gesetz in Anwendung bringen? Du vergreifst Dich an Deiner Obrigkeit? Wie mir scheint, weißt Du um das Bubenstück Deines Liebhabers?

Diese Worte des hartherzigen Alten, in dessen Brust sich eine teuflische Schadenfreude regte, öffneten die erstarrten Thränenschleusen des armen Mädchens wieder, laut weinend sank es auf die Knie und streckte beide Hände bittend empor.

– Gnade! Gnade! rief sie aus – rauben Sie mir die letzte Hoffnung nicht, welche dieser fürchterliche Augenblick in mir angefacht – ich weiß nichts von dem Vorfalle in den Ruinen!

– Nun, mein Kind, was gedenkst Du denn zu thun?

– Ich will ihn vom Tode retten!

– Doch nicht mit meiner Hülfe? Ich bin der Ortsrichter!

– Hören Sie mich erst an!

– Nein, nein, mein Amt verbietet es mir! Ein Verbrecher ist der Gegenstand meines glühendsten Hasses!

– So haben Sie Mitleid mit Ihrer armen Mündel, der Sie Vater zu sein gelobt haben!

– Ich lege die Stelle eines Vormunds nieder. Mit einem Mädchen, das einen Verbrecher liebt, mag ich nichts zu schaffen haben!

– O mein Gott, sprechen Sie doch in einem so fürchterlichem Augenblicke nicht von Liebe!

– Meinen Neffen, der ein braver Bursche ist, und Dich von Herzen liebt, hast Du verschmäht – ja, ja, fügte der Richter grinsend hinzu, das glaube ich wohl, der ehrliche Konrad verdient in jeder Beziehung den Vorzug. Mädchen, die Schmach, die Du mir und ihm angethan, wird nie aus meinem Gedächtnisse verschwinden!

Als ob ihr plötzlich ein rettender Gedanke gekommen, erhob sich Marie und sah unter Thränen lächelnd den Ortsrichter einen Augenblick an, der mit höhnenden Mienen das rothe Band an Konrad's Hute betrachtete. Das größte Opfer, das je die Liebe gebracht, wollte Marie bringen.

– Herr Valentin, sagte sie in einem schmerzlich freudigen Tone – Sie sagen, Ihr Neffe Eberhard liebt mich –

– So sagte er mir gestern – –

– Hören Sie mich an, bis jetzt sind Sie der Einzige, der außer mir und Röschen das fürchterliche Geheimniß dieser Nacht kennt – beobachten Sie ein ewiges Stillschweigen darüber und stellen jede Verfolgung gegen den unglücklichen Konrad ein, so daß er mit seinem schuldbeladenen Gewissen aus dem Lande fliehen kann und sein Andenken der Schande nicht anheim fällt – so werde ich öffentlich bekennen, daß ich Ihren Neffen liebe und werde ihm meine Hand reichen. – Nehmen Sie mein Leben – ist Konrad gerettet, will ich gern sterben!

Valentin's Gerechtigkeitsliebe erhielt durch diesen Vorschlag der verzweifelnden Marie einen gewaltigen Stoß; nicht aus Mitleid mit dem blassen, schönen Mädchen, nicht um die Neigung seines Neffen zu befriedigen, sondern weil sein Geiz auf ein einträgliches Geschäft hoffte, ergriff er ihre Hand und führte sie zu der Bank.

– Marie, sagte er in einem ruhigen Tone, es freut mich Ihretwegen, daß Sie endlich zur Erkenntniß gelangen und sich von diesem schlechten Menschen lossagen, der schon als Knabe kein gutes Gemüth verrieth. Damit Sie Ihre Ehre retten können und weil ich Ihr Vormund bin, will ich die Obrigkeit hintenansetzen und auf Ihren Vorschlag eingehen.

– Sie wollen es? rief Marie.

– Hier ist meine Hand. Da am Orte des Verbrechens sich nichts ergeben, glaube ich für die Bewahrung des Geheimnisses einstehen zu können.

– Der Himmel lohne es Ihnen! sagte weinend das arme Mädchen.

– Doch noch eine Bedingung habe ich zu stellen, fuhr der Richter nach einer Pause fort, in der er den wohlgepflegten, ausgedehnten Garten und das freundliche Wohnhaus betrachtet hatte.

– Was wollen Sie noch? flüsterte Marie.

– Nach dem neuen Gesetze ist die Civilehe in unserm Lande eingeführt und seit acht Tagen rechtsgültig – ich verlange, daß Sie heute noch den Ehecontract mit meinem Neffen unterzeichnen, wie ich ihn Ihnen vorlege.

– Mein Leben ist in Ihrer Hand, war die resignirte Antwort, ich füge mich allem, wenn Konrad vor Entehrung gesichert bleibt.

– Daß er es bleibt, liegt eben so gut in meinem als in Ihrem Interesse – jetzt folgen Sie mir in das Haus und fassen Sie sich, liebe Mündel, vergessen Sie die verflossene Nacht und den unwürdigen Konrad, der wahrscheinlich in Amerika sein Glück weiter versuchen wird – wenigstens werde ich ihm den Rath ertheilen, wenn er es wagen sollte, sich wieder sehen zu lassen.

Am Arme des entzückten Ortsrichters betrat Marie, bis zum Tode erschöpft, ihr kleines Stübchen, wo sie in dumpfer Verzweiflung den Vormittag verbrachte.

Valentin, der kaum die Zeit erwarten konnte, seine Habsucht zu befriedigen, nahm sogleich mit seinem Neffen Eberhard Rücksprache, der ihm entgegenkam, als er sein Haus betreten wollte. Der junge Wüstling setzte den Vetter von seiner Wechselschuld in Kenntniß, und dieser versprach, sobald der Ehecontract unterzeichnet sei, die Summe nach der Stadt zu senden.

Um drei Uhr Nachmittags ward der Contract unterzeichnet, Marie ließ sich leiten wie ein willenloses Kind.

6.

Um dieselbe Zeit, als in Mariens Wohnung der Ehecontract unterzeichnet ward, erreichte Konrad, der um das Leben seines Gutsherrn in der größten Sorge war, den prächtigen Edelhof des Barons von H. Von diesem, als dem Gegner des Grafen, hoffte er Gewißheit über das Schicksal desselben zu erhalten, da man ihm auf dem Schlosse berichtet hatte, der junge Herr sei seit gestern Abend nicht sichtbar gewesen.

Durch einen Diener ließ er sich dem Baron melden.

– Sie können eintreten, war die Antwort.

Mit klopfendem Herzen öffnete Konrad die hohe Flügelthür eines Pavillons, der von hohen Kastanien beschattet ward, und trat in einen geräumigen, kühlen Saal. Doch kaum hatte er einen Blick in denselben geworfen, als er einen lauten Freudenschrei ausstieß: der junge Graf Rudolph saß mit dem alten Baron in einem Sopha, seine Ankunft schien ein vertrauliches Gespräch der beiden Männer unterbrochen zu haben.

– Konrad! Konrad! rief der Graf und stellte den Angekommenen dem Baron als seinen Lebensretter vor.

– Herr Baron, sagte Konrad, ich habe nicht mehr nöthig, Sie mit einer Unterredung zu belästigen – sie betraf den Herrn Grafen, meinen Major, über dessen Schicksal ich in Ungewißheit schwebte.

– Bleibt, Kinder, und besprecht, was nöthig ist – mich rufen Geschäfte zu meinem Haushofmeister, der schon den ganzen Tag vergebens nach mir verlangt hat – bleibt und erleichtert Eure Herzen.

Mit diesen Worten verließ der Greis den Saal, nachdem er dem jungen Grafen freundlich die Hand gereicht.

– Ach, Herr Graf, rief Konrad, ich vermag meine Freude nicht in Worten auszudrücken – darf ich denn meinen Augen trauen? Sie – an der Seite Ihres Gegners? Und keiner von Ihnen verwundet –!

– Wer weiß, ob ich noch am Leben wäre, antwortete lächelnd der Graf, wenn der Baron um einige Minuten später auf dem Kampfplatze erschienen wäre!

– Der Baron? rief Konrad erstaunt.

– Kein anderer! Die beiden Banditen, welche ich unglücklicherweise nicht erkennen konnte, sind lebensgefährliche Bösewichter. Nachdem sie mich bestohlen hatten, wollten Sie mich auch noch ermorden. Ich vertheidigte mich aus allen Kräften, die Räuber aber warfen mich zu Boden und hätten sicher ihre Absicht erreicht, wenn der Baron, den blanken Degen in der Hand, nicht als Retter dazwischen getreten wäre.

– Es lebe der brave Baron! rief Konrad, den die letzten Worte wie begeistert hatten.

– Und nun denke Dir mein Erstaunen, fuhr der Graf fort, als er mir lächelnd die Hand reicht und in einem freundlichen Tone zu mir spricht: »Junger Brausekopf! Warum haben Sie mir Ihre Liebe verborgen gehalten? Emma, die Sie aus voller Seele liebt, hatte mehr Zutrauen zu mir; anstatt uns hier zu schlagen, begleiten Sie mich auf mein Schloß und beruhigen Sie die Braut, die wegen Ihrer in Sorgen ist.«

– Gott sei Dank! Es lebe der brave Baron!

– Ich wollte dem Verkünder dieses unerwarteten Glückes zu Füßen fallen, er aber breitete seine Arme aus und schloß mich an seine Brust. Jetzt, lieber Konrad, bin ich der glücklichste aller Menschen!

– Das glaube ich wohl, antwortete lächelnd der junge Mann. Aber ich – während Sie in dem Schlosse Ihrer Schönen waren, brachte ich unter Regen, Donner und Blitz auf dem Kreuzwege zu, wie wir verabredet hatten. Ich wartete die ganze Nacht und sandte alle Gebete, die mich einst meine alte Mutter gelehrt, zu dem zürnenden Himmel empor. Als der Morgen kam, durchirrte ich wie ein Verzweifelnder die Ruinen und den Wald – ich fragte auf Ihrem Gute nach; doch nirgends fand ich eine Spur.

– Armer, guter Konrad!

– Endlich entschloß ich mich, Ihren Gegner um den Ausgang des Duells zu befragen, und, Gott sei Dank, er hat sich besser gestaltet, als wir beide hoffen konnten. Nun will ich aber eilen, um meine arme Marie zu beruhigen, die gestern Abend schon mit mir böse that, weil ich ihr wegen meiner Unterredung mit dem geheimnißvollen Fremden im Walde keine genügende Antwort geben konnte. Nicht wahr, Herr Graf, fügte Konrad lächelnd hinzu, jetzt kann ich meiner Braut unter dem Siegel der Verschwiegenheit das Geheimniß anvertrauen, um mich von allem etwaigen Verdachte zu reinigen?

– O nein, lieber Konrad, rief fröhlich der Graf, nicht Dir, sondern mir ziemt es, Deine Schöne zu beruhigen und sie der verursachten Sorgen wegen um Verzeihung zu bitten.

– Herr Graf, wo denken Sie hin!

– Ich denke, daß Marie, meine hübsche Milchschwester, einen Besuch von mir wohl erwarten kann, und daß ich ihr offen den Bräutigam zurückbringe, den ich ihr so geheimnißvoll auf einige Zeit entführen mußte.

– Dann habe ich nichts dagegen, Herr Graf, denn Sie bereiten meiner Marie eine Freude, die ihren Zorn wegen meines seltsamen Betragens schon besänftigen wird. Wann kann ich Sie in der Wohnung meiner Braut erwarten?

– Erwarten? Wir betreten sie zusammen. Ich erwarte jeden Augenblick meinen Wagen, nach dem ich einen Boten gesendet habe – Du fährst an meiner Seite vor die Thür Deiner Braut.

– Nein, Herr Graf –!

– Ich leide keinen Widerspruch, mein Vorsatz bleibt unabänderlich!

Konrad wollte noch weiter Einwendungen machen, der Graf aber schloß ihn in die Arme und erstickte ihm im wahren Sinne jedes Wort im Munde.

Die Mittagstafel des Barons war längst vorüber, deshalb mußte Konrad auf den Wunsch seines Gutsherrn in einem Seitenzimmer allein zu Tische gehen. Der junge Mann hatte seit dem vergangenen Abend nichts genossen, es läßt sich wohl denken, daß ihm die Einladung nicht unwillkommen war.

Gestärkt an Herz und Körper trat er in den Hof, als der erwartete Wagen endlich ankam. Der Graf befand sich noch im Schlosse, um Abschied von seiner Braut und dem Baron zu nehmen.

– Konrad, rief der Kutscher, der ein Jugendfreund des jungen Mannes war und den Feldzug als Reitknecht des Grafen mitgemacht hatte – es ist gut, daß ich Dich hier treffe.

– Warum?

– Deine Schwester war auf unserm Schlosse, gerade als ich abfahren wollte. Sie suchte Dich, weil Du gesagt hättest, Du wolltest zu dem Herrn Grafen. Ich sagte ihr, daß ich im Begriff stehe, ihn abzuholen, er sei auf dem Edelgute des Barons – da antwortete sie: so wird mein Bruder auch dort sein – dann gab sie mir diesen Brief für Dich und meinte, er würde Dich zur Rückkehr antreiben, wenn Du noch keine Lust dazu haben solltest – hier ist er!

Konrad erkannte auf den ersten Blick Marien's Handschrift. Eine dunkele Ahnung durchbebte seine Brust, daß er nur mit zitternder Hand den Brief erbrechen konnte. Noch einmal schöpfte er Athem, dann las er: »Es gab nur ein Mittel, Dich zu retten, und Gott hat mir Kraft verliehen, es anzuwenden; es ist das größte, das letzte Opfer meiner Liebe zu Dir! Dafür verlange auch ich ein Opfer – fliehe, wenn Du meine Zeilen gelesen, diese Gegend und kehre nie – nie zurück!«

Der arme junge Mann wollte seinen Sinnen nicht trauen, der Inhalt des Briefes war ihm eben so räthselhaft als fürchterlich. Mit geisterbleichem Gesicht las er ihn noch einmal, aber es blieb derselbe Inhalt, dieselben Züge von Mariens Hand geschrieben. Als ob ihn ein Blitz gelähmt, stand er da und starrte auf das verhängnißvolle Papier.

In dieser Verfassung traf ihn der Graf, der fröhlich die Schloßtreppe herabkam und dem Wagen zueilte. – Nun Konrad, rief er, nachdem er eingestiegen – setze Dich mir zur Seite!

Der Angeredete vermochte nicht zu antworten. Mechanisch folgte er der Einladung.

– Was hast Du da für ein Papier in der Hand? fragte der Graf, verwundert über den Zustand des jungen Mannes, indem der Wagen durch das Gitterthor des Schlosses in das Freie rollte.

Konrad überreichte den Brief ohne ein Wort zu sprechen.

– Seltsam! sagte der Graf, nachdem er gelesen, und sah theilnehmend seinem Lebensretter in das trübe, starre Auge. – Bist Du auch fest überzeugt, daß Mariens Hand diese Zeilen geschrieben?

– Ja! war die leise, bebende Antwort.

– Sie hat sich einen Scherz erlaubt, um Dich für Dein Ausbleiben ein wenig zu strafen.

– Das Geheimnißvolle und der Ernst des Briefes, den meine Schwester dem Kutscher übergeben, lassen mich kaum auf einen Scherz schließen – auch erinnere ich mich jetzt des sonderbaren Wesens meiner Braut, als ich diesen Morgen zu ihr in die Laube trat und bei der Nachricht von dem Raubanfalle auf Ihre Person mich schnell wieder entfernte.

– So weiß man darum?

– Röschen, die von ihrer Tante zurückkehrte, will den Kampf gesehen haben.

– Hier liegt ein Mißverständniß zum Grunde, das wir bald aufklären wollen. Peter, rief der Graf dem Kutscher zu, fahre Galopp, in einer halben Stunde müssen wir im Dorfe sein. Du hältst vor Marien's Meierei an, nicht im Schlosse!

Peter befolgte augenblicklich den Befehl, er hieb mit seiner Peitsche auf die feurigen Rosse, daß sie einen Lauf begannen, als ob sie bei einem Wettrennen den Preis erringen wollten. Die beiden jungen Leute sprachen kein Wort mehr, ein jeder überließ sich seinen Gedanken.

Kaum war eine halbe Stunde verflossen, die dem armen Konrad wie eine Ewigkeit vorkam, als der Wagen die ersten Häuser des Dorfes erreichte, das von dem Edelhofe des Barons eine Meile entfernt lag. Noch einige Minuten, und die dampfenden Rosse standen vor Mariens Hause still. Der Graf richtete noch einige ermuthigende Worte an Konrad, dann traten sie in das reinliche Stübchen.

– Himmel! rief Marie, die weinend und bleich in ihrem Stuhle saß und die Ankunft des Wagens nicht gehört zu haben schien – Unglücklicher, was willst Du hier? Hast Du meinen Brief nicht erhalten?

– Herr Graf, stammelte Konrad, Sie sehen, daß es traurige Wahrheit ist –!

– Marie, sagte ernsthaft der Graf, was soll das bedeuten?

– Meide diese Gegend! rief das Mädchen mit fliegender Brust – fort, fort, ehe das Verderben hereinbricht!

– Mädchen, redest Du im Wahnsinn? Gieb uns Aufklärung über Dein seltsames Benehmen.

Jetzt erst erkannte Marie den Grafen. Sie sah ihn einen Augenblick mit starren, ausdruckslosen Mienen an, dann sank sie laut weinend in den Stuhl und verhüllte das Gesicht mit ihrer Schürze.

Als ob Konrad wirklich ein Verbrechen begangen, stand er in der Mitte des Zimmers und hielt seine bebende Hand vor die Augen, aus denen ein Thränenstrom über die braunen Wangen herabrieselte. Der Graf war zu Marien getreten und suchte sie zum Reden zu bewegen.

– Konrad, sagte sie endlich und deutete nach der Thür – fliehe, fliehe, ehe der Richter zurückkehrt!

– Mein Gott, fragte der Graf, weshalb hat Konrad den Richter zu fürchten?

– Weshalb? soll ich das Furchtbare wiederholen?

Plötzlich erhob der junge Mann sein Haupt, der Stolz gab ihm Fassung und verscheuchte auf einen Augenblick den Schmerz der Liebe.

– Marie, sagte er fest, Du willst, daß ich Dein Haus verlasse, damit mich der Richter hier nicht finde – meine Ehre als Soldat erfordert es, daß ich nicht einen Schritt weiche, bevor ich Aufklärung erlangt habe, daß ich mich rechtfertigen kann. Was hast Du gegen mich?

– Konrad, Du willst mich noch täuschen?! rief Marie erschüttert, welche des jungen Mannes Stolz für Verstocktheit hielt.

– Marie, ich verlange bei Deiner und meiner Ehre, daß Du in Gegenwart des Herrn Grafen, meines Majors und Gutsherrn, offen und frei erklärst, was Du mir zur Last legst!

– Wo warst Du diese Nacht? fragte sie mit abgewandten Blicken und indem sie mit ängstlich klopfendem Herzen auf die Antwort lauschte.

– Ich war bei dem Freunde des Herrn Grafen, dem Oberförster von G.

– Und zwar in einer Angelegenheit für mich, fuhr der Graf fort, die ich nur meinem Freunde und Lebensretter anvertrauen konnte.

Marie erhob ihr Haupt und sah die beiden Männer an, als ob die Worte des Grafen sie ihres Verstandes beraubt hätten – das trübe Auge schien aus seinen Höhlen hervortreten zu wollen und die Brust der Lebenskraft beraubt zu sein.

– Schwester, sagte freundlich der Graf, verbanne Schmerz und Eifersucht, denn Konrad liebt Dich mit der ganzen Kraft seines guten Herzens. Wenn er fehlte, so trage ich die Schuld, denn ich war jener Mann, der ihn gestern Abend suchte, um einen Dienst von ihm zu fordern, der ihn die ganze Nacht aus dem Dorfe entfernte. Ich nahm ihm das Versprechen ab, ein tiefes Schweigen, auch gegen Dich, zu beobachten, und Konrad, mein treuer Soldat, hat Wort gehalten – ich verbürge mit meinem gräflichen Ehrenworte, daß Dein Bräutigam bis zum Morgen in meinem Dienste gewesen ist!

Mit einem durchdringenden Schrei der Verzweiflung sank die arme Marie ohnmächtig zu Boden. Konrad stürzte herbei und umschloß die bleiche Braut mit beiden Armen, als ob er ihr neue Lebenskraft einhauchen wollte.

– Mein Gott, rief der Graf, was ist hier geschehen? Hat die Eifersucht dem armen Mädchen den Verstand geraubt?

In diesem Augenblicke öffnete sich die Thür und der Ortsrichter Valentin, von seinem Neffen Eberhard gefolgt, trat ein. Eine tiefe Stille des Staunens und Schreckens herrschte einen Augenblick in dem Gemache. Marie lag immer noch leblos in Konrad's Armen.

– Was seh' ich? rief endlich Valentin – dieser Mensch ist immer noch hier? Und Sie, Herr Graf, fügte er mit einer Verbeugung hinzu, sollten Sie noch nicht wissen – –

– Unverschämter, rief Eberhard, Du wagst es noch, dieses Haus zu betreten? Entferne Dich, ehe die Gerechtigkeit die Hand nach Dir ausstreckt!

Jetzt war Konrad seiner Sinne kaum noch mächtig.

– Ha, Elender, rief er mit zornblitzenden Augen, also Du hast den Fuß während meiner kurzen Abwesenheit in dieses Haus gesetzt? Jetzt erkläre ich mir alles –!

– Hinweg, befahl Eberhard, Marie ist meine Frau!

– Deine Frau?

– Der Ehecontract ist unterzeichnet und gerichtlich vollzogen – hinweg, ich bin hier Herr im Hause.

Leise ließ Konrad, als ob ihn die Kraft verließe, die ohnmächtige Marie neben dem Stuhle nieder, er selbst mußte sich an dem Tische halten, um nicht zu Boden zu sinken.

– Herr Graf, wisperte der Ortsrichter und zog ein Papier aus der Tasche – hier ist der gerichtlich bestätigte Ehecontract – Sie wissen, die Civilehe – –

Der Graf schob das Papier abwehrend mit der Hand zurück, dann trat er zu Marien, die in diesem Augenblicke sich wieder zu regen begann. Es war ihr deutlich anzusehen, daß die feste Kraft des Geistes die Schwäche des Körpers zu besiegen strebte.

– Marie, sagte er ernst, wie mir scheint, bist Du das Opfer eines nichtswürdigen Verrathes geworden – bei dem Gotte, der die Schurken bestraft, fordere ich Dich auf, mir Licht zu geben in dieser fürchterlichen Verwirrung.

Mariens Blicke suchten den armen Konrad, der wie die Bildsäule des Schmerzes und der Verzweiflung an dem Tische stand. Als sie ihn gefunden, erhob sich das junge Mädchen mit der größten Anstrengung und trat mit schwankenden Schritten zu ihm.

– Konrad, flüsterte sie, was ich that, geschah aus Liebe zu Dir – Du weißt ja, wie ich Dich liebe! Und nimmer, nimmer werde ich Dich vergessen – doch meide diesen Ort – Du hast mich glücklich in der Liebe zu Dir gesehen – mein Elend und meine Verzweiflung sollst Du nicht sehen – denn ich bin die Frau des Försters Eberhard.

– Konrad, rief entschlossen der Graf – die Braut hast Du verloren, doch einen Freund gewonnen, der mit allem, was ihm zu Gebote steht, für Dein Glück sorgen wird. Und liebst Du diesen Freund, so folge ihm jetzt, an seinem Arme sollst Du den Ort Deines Unglücks verlassen und sein Schloß betreten, das Du so lange als Deine Heimath betrachten kannst, bis es mir gelungen ist, einen nichtswürdigen Verrath zu entlarven! Folge mir!

Bei den letzten Worten trat er zu Konrad und drückte den Willen- und Gedankenlosen mit großer Bewegung an seine Brust. Dann ergriff er seinen Arm und wollte ihn aus dem Zimmer führen.

– Konrad! Konrad! schrie verzweiflungsvoll Marie, indem sie ihre Hände nach ihm ausstreckte.

Der junge Mann warf noch einen Blick zurück, dann ließ er sich schweigend von dem Grafen fortziehen.

Nach zwei Minuten hörten die in dem Zimmer bestürzt Zurückgebliebenen das Gerassel des Wagens, der die beiden Freunde nach dem Schlosse brachte.

– Herr Valentin, sagte Marie mit fester Stimme und alle ihre Kraft zusammennehmend – nach dem Gesetze bin ich die Frau Ihres Neffen.

– Kein Mensch kann etwas dagegen haben, antwortete der Richter – Sie haben meinem Eberhard das Wort gegeben und das Gesetz hat es bestätigt.

– Das Gesetz, fuhr Marie fort; nicht aber die Kirche!

– Das thut nichts; ist dem Gesetze Genüge geschehen, so ist es nach unsern aufgeklärten Begriffen genug.

– Aber nicht nach den meinigen. Hören Sie deshalb meinen Willen!

– Was wollen Sie denn, liebe Mündel? fragte mit Ironie der Richter.

– Ich will, sagte Marie mit Würde, daß man mich so lange als unverheirathet betrachtet, bis der Priester dem contractlich abgeschlossenen Ehebunde die kirchliche Weihe ertheilt. So lange bleibe ich allein im vollen Besitze aller meiner Rechte und meines Vermögens.

– Und wann wird der Priester sein Geschäft vollziehen? fragte Eberhard.

– Dann, wenn ich mich dazu vorbereitet haben werde – vielleicht nächsten Sonntag.

– Marie, sagte der Jäger mit Galanterie, zwar ist dieser Aufschub ein Unglück für mein Herz, ich füge mich aber und harre!

– Sie begreifen wohl, daß mir bis dahin die Einsamkeit wünschenswerth ist – –

– Das heißt mit andern Worten – fiel rasch und ärgerlich der Richter ein – wir sollen uns entfernen?

– Vetter! sagte mahnend der Neffe, dem bei der Unterredung nicht ganz wohl zu Muthe war.

– Gut, schöne Mündel, eigensinnige Marie, wir gehen. Heute ist es Montag – es bleiben uns also noch fünf Tage Zeit, um Vorbereitungen zu einer glänzenden Hochzeit zu treffen.

– Treffen Sie keine Vorbereitungen, Herr Valentin!

– Und warum nicht?

– Weil eine stille Feier den Umständen angemessen ist.

– Aber das Haus meines Neffen, das so reizend am Saume des Waldes liegt, werden Sie doch beziehen.

– Ich werde thun, was als Gattin meine Pflicht ist!

Marie grüßte und ging in ihr Schlafzimmer, dessen Thür sich in dem Stübchen öffnete.

Vetter und Neffe verließen das Haus und theilten sich unterwegs ihre Besorgnisse wegen Mariens Absichten mit.

– Der Contract ist nach allen Formen richtig abgeschlossen – meinte der Richter – will Deine Frau die eingegangenen Verpflichtungen nicht erfüllen, wird sie das Gesetz schon dazu anhalten.

Der Abend fand Eberhard und Graff in dem Wirthshause wieder beisammen, wo sie auf das völlige Gelingen ihres Planes eine Flasche um die andere leerten und die Civilehe hoch leben ließen.

7.

Während Marie einsam in ihrem Stübchen weinte und sich von aller Welt absonderte, bewohnte Konrad ein Zimmer auf dem Schlosse seines Gutsherrn. Röschen, der die Besorgung der kleinen Wirthschaft ihres Bruders allein oblag, besuchte ihn jeden Tag und berichtete, was man im Dorfe über den Vorfall sprach.

– O mein Gott, rief er aus, hätte mich Marie auf die schändlichste Art von der Welt betrogen, ich würde mich zu trösten wissen und sie mit Verachtung bestrafen, wie sie es in diesem Falle verdiente – so aber ist sie selbst ein Opfer ihrer Liebe zu mir geworden und ich habe ein treues Mädchen verloren!

Der Graf, dem das Geschick des armen Konrad tief zu Herzen ging, hatte vergebens sich bemüht, ihn zu einem Antrage auf gerichtliche Untersuchung und Aufhebung des erzwungenen Ehecontracts zu bewegen; er hatte sich aber stets entschieden dagegen ausgesprochen, da er Marien nicht in eine Untersuchung verwickeln wollte. Im Grunde des Herzens hoffte er indeß, Marie selbst würde Schritte thun, ihre Freiheit wieder zu erlangen, und in dieser Voraussetzung, die mit jedem Tage mehr zur Gewißheit wurde, lebte er wie ein Einsiedler unthätig im Schlosse; als er aber von Röschen hörte, daß am Sonntage die kirchliche Trauung stattfinden sollte, schwand sein letzter Hoffnungsstrahl, er kündigte dem Grafen an, daß er nach Amerika auswandern würde. Obgleich der Umstand, daß Konrads Hut in den Ruinen gefunden sei, den Grafen ein vorbereitetes Bubenstück ahnen ließ, so stand er dennoch von einer gerichtlichen Untersuchung ab und fügte sich Konrads dringendem Wunsche, zumal da jede Vermuthung des Thäters ihm fehlte. Heimlich aber hatte er dennoch bei dem Landrathe Anzeige von dem Angriffe auf seine Person gemacht und auf genaue Vigilirung in der Gegend angetragen.

Denselben Sonntag, den Valentin zur Trauung seines Neffen mit Marien erwartete, hatte auch der Baron zur Verbindung seiner Mündel Emma mit dem jungen Grafen festgesetzt und es wurden die Vorbereitungen dazu auf das Eifrigste betrieben. Dies gab dem gräflichen Bräutigam Veranlassung, öfter den Edelhof des Barons zu besuchen und seinen Freund Konrad sich selbst zu überlassen, der am folgenden Tage die Gegend und das Land meiden wollte. Er fürchtete des Grafen Zureden, deshalb faßte er den festen Entschluß, heimlich seine Reise anzutreten.

Der Donnerstag hatte sein Ziel erreicht und die Nacht lag auf der Erde, als Konrad das Schloß verließ und langsam dem Dorfe zuging. Er wollte von seiner Schwester Abschied nehmen. Unbekümmert um den Weg, den er eingeschlagen, stand er plötzlich still und faßte seine Umgebung in's Auge – er befand sich an Mariens Gartenthür, neben welcher die Laube lag, wo er im Frühling Abschied von ihr genommen, als er in den Krieg zog. Unwillkührlich trat er an den Zaun und sah sinnend durch die Blätter, die ein leichter Abendwind von Zeit zu Zeit leise rauschen ließ.

Plötzlich glaubte er Schritte zu vernehmen – er verdoppelte seine Aufmerksamkeit – er hatte sich nicht getäuscht – die Schritte kamen näher und knisterten zuletzt leise im Sande der Laube.

– O mein Gott, dachte Konrad, wenn es Marie wäre!

Er hatte Mühe, bei diesem Gedanken den Ausbruch seiner Bewegung zu verhindern. Mit angehaltenem Athem blieb er stehen und sah starr nach der dunkeln Laube, von der ihn nur die Blätter des Zaunes trennten. Noch war er unschlüssig, ob er bleiben oder gehen sollte, als ein lautes Weinen an sein Ohr schlug. Ein Laut genügte, um ihn Mariens Stimme erkennen zu lassen. Auch dem jungen Manne traten die Thränen in die Augen und die kaum erlangte Fassung verscheuchte der heftigste Schmerz um das geliebte Mädchen.

– Die Kraft verläßt mich – hörte er Marien mit sich selbst reden – ich kann des Försters Frau nicht werden – und Konrad flieht mich – er unternimmt nichts für sein Mädchen, giebt es dem Schmerze und der Verzweiflung preis – o mein Gott, mein Gott!

– Marie! Marie! rief Konrad unwillkührlich und sank zitternd auf die Knie in das bethaute Gras nieder.

– Himmel! rief die Stimme in der Laube – wer ruft mich?

– Marie, nur ein Wort, ehe ich von Dir scheide!

– Konrad, Du kommst zu mir, zu dem Mädchen, das Du hassen solltest, denn es hielt Dich fähig, ein Verbrechen zu begehen –?

Als ob ihn eine unsichtbare Gewalt dazu antriebe, raffte sich der junge Mann empor, riß die Gartenthür auf und stürzte in die Laube, in der Marie weinend am Boden lag.

– Konrad, rief sie ihm entgegen, ich bin ein elendes, unglückliches Geschöpf! Kannst Du mir verzeihen? Wirst Du mich nicht hassen?

– Nein, Marie, ich beklage Dich und liebe Dich immer noch mit der ganzen Kraft meines Herzens.

Sanft zog er das bebende Mädchen empor und drückte einen innigen, langen Kuß auf ihre glühende Stirn.

– Marie, Dein Schicksal betrübt mich mehr, als das meinige, denn Du mußt den Jugendfreund vergessen, und die Liebe, welche das Glück Deines Lebens machen sollte, wird Dir zur bittersten Qual.

– Konrad! Konrad!

– Sieh, fuhr Konrad fort, indem er seinen Arm um ihren Hals schlang – ich bin glücklicher, als Du, denn mein Herz ist frei, es kann Dir treu bleiben und Dich lieben – mich fesselt kein anderes Band, ich kann meinen letzten Seufzer zu Dir senden, ich kann sterben mit Deinem Namen auf den Lippen – darum weine nicht über mich – ich bin ja weniger zu beklagen, als Du!

Mit bebenden Armen klammerte sich Marie an Konrad und hielt ihn krampfhaft einige Minuten umschlungen.

– Jetzt fasse Dich, sagte Konrad, ich scheide, um Dir die Erfüllung Deiner Pflicht nicht zu erschweren.

– O mein Gott, laß mich sterben, denn das Leben macht mich elend!

– Komm, Marie, in Dein Haus, ehe uns ein Späherauge belauscht – ich begleite Dich bis zur Schwelle, dann lebe wohl!

Langsam gingen beide durch den vom Sternenlichte erhellten Garten. Als sie an der Thür des Hauses waren, drückte Konrad schweigend den letzten Kuß auf Mariens Lippen, entwand sich ihren Armen und eilte in die Nacht hinaus. Ohne eine bestimmte Absicht zu haben, folgte er dem Fußwege, den er betreten, sein Kopf glühte in Fieberhitze, und je mehr er sich von Mariens Wohnung entfernte, je mehr steigerte sich sein Schmerz zum Lebensüberdruß.

Wohl eine Viertelstunde war er durch Gebüsche und Felder geirrt, als ihm plötzlich eine weite Fläche entgegenblinkte. Es war der Teich, dessen Wasser Philipp's Mühle trieb. Mit einem unheimlichen Lächeln blieb er stehen und sah auf den ruhigen Spiegel des schilfbedeckten Weihers. Der Abend war still, nichts regte sich in der schweigenden Natur, das ferne monotone Geklapper der Mühle, deren erleuchtetes Fenster wie ein Stern flimmerte, war das einzige Geräusch, das an das Ohr des unglücklichen Konrad schlug.

– Nein, flüsterte er endlich vor sich hin – ich will die Last des Lebens wenigstens hier nicht von mir werfen, daß Marie sich meinen Tod nicht zum Vorwurf machen kann, sie ist ja schon unglücklich genug. Fort, rief er aus, indem er abwehrend die Hände gegen den Weiher streckte – fort, daß mich der Dämon nicht erfaßt – überall wüthet der Krieg, er nehme mich als sein Opfer, dann sterbe ich einen Tod, den die öffentliche Meinung nicht zum Verbrechen stempelt!

Rasch wandte er dem Ufer den Rücken und eilte einem Gehölze zu, dessen Umrisse sich von dem gelben Stoppelfelde in phantastischen Gestalten absonderten. Das Feld war durchschritten und Konrad stand an einer lebendigen Hecke, die ein freundliches Jägerhaus umschloß. Aus einem Fenster des Erdgeschosses, das bis zur Hälfte von den Blättern und Ranken des Zaunes bedeckt ward, schimmerte ihm ein Licht entgegen.

– Himmel, flüsterte Konrad überrascht – ist das nicht das Haus des Försters Eberhard, des Mannes der unglücklichen Marie? Führt mich der Zufall hierher, oder hat mich die Hand des Schicksals geleitet? Ha, Bube, rief er aus und drohete mit der geballten Faust dem Fenster zu – Du bist der Teufel, der zwei Menschen unglücklich macht, Du trägst die Schuld, daß Marie weint und ich von Verzweiflung getrieben die Welt durchirren muß! Herr Gott im Himmel, hast Du mich hierhergeführt, daß ich Mariens Bande brechen soll, o so gieb mir ein Zeichen und mache mich zum Werkzeuge Deiner Vorsehung!

Ein lautes Klopfen an des Hauses Thür, die sich auf der entgegengesetzten Seite befand, gab dem jungen Manne Antwort auf diese Frage, die ihm die Verzweiflung erpreßt. Lauschend blieb er stehen.

– Wer klopft? fragte Eberhard's Stimme in dem Hause.

– Ich – Graff! war die Antwort an der Thür.

– Wer es auch sei, ich öffne um diese Stunde nicht!

– Eberhard, öffne die Thür!

– Komm morgen wieder!

– Oeffne, ich muß Dich sprechen in Deinem Interesse!

Das Gespräch schwieg. Statt seiner hörte Konrad das Oeffnen der Thüren und Schritte im Innern des Hauses. Von einer Ahnung getrieben, als ob er ein wichtiges für sein Leben entscheidendes Geheimniß entdecken würde, bog er leise die Zweige und Blätter zurück und steckte den Kopf durch eine Oeffnung des Zaunes, daß er durch das Fenster das beleuchtete Zimmer völlig übersehen konnte. Kaum hatte er diese Stellung eingenommen, als er Eberhard und Graff durch die Thür eintreten sah. Eberhard trug einen schlichten Hausrock, Graff war mit Gewehr und Hirschfänger bewaffnet.

Konrad hörte deutlich folgendes Gespräch, das sich zwischen den beiden Jägern entspann.

– Nun, sagte Graff eintretend, Du bist wohl in Deinem Glücke so übermüthig geworden, daß Du den Freund und Genossen im Hofe warten läßt, als ob er Dein Treibjunge wäre? Ich dächte, wenn ich komme, müßten alle Thüren offen stehen!

– Was willst Du? Was führt Dich zu mir? fragte verdrießlich der Revierförster.

– Unsere Sicherheit, und mehr noch ein gutes Geschäft.

– Ein gutes Geschäft – was soll das heißen?

– Du weißt doch, daß der junge Graf Rudolph die Gräfin Emma von Linden heirathet und daß die Braut dem Bräutigam ein beträchtliches Vermögen zubringt?

– Nun? fragte Eberhard.

– Nun, Herr Compagnon, habe ich diesen Nachmittag in Erfahrung gebracht, daß der Graf diese Nacht das Schloß des Barons von H. verläßt und zwanzigtausend Thaler in Golde mit sich führt – dieses Sümmchen soll der Braut den Weg in das Haus des Gemahls bahnen – er will vor der Hochzeit noch einige Wechsel damit einfangen, damit man ihn nicht fängt.

– Was kümmert das mich? sagte Eberhard gleichgültig.

– Gegen Mitternacht wird er in seinem Jagdwagen allein nach Hause zurückkehren – sein Weg führt ihn an den Steinbrüchen vorbei –

– Himmel, rief der Förster, solltest Du vielleicht noch einmal auf den Gedanken kommen – –

– Ah, verstehst Du mich endlich? rief Graff mit heiserm Lachen – Nicht wahr, es wäre doch jammerschade, wenn die schöne Summe mit in den Steinbrüchen begraben würde. Das Geschäft ist von doppeltem Nutzen: wir entledigen uns eines gefährlichen Menschen, der unsere Püffe in den Ruinen der Abtei nicht vergessen kann, und werden auf einmal reich – Du freilich sitzest schon in der Wolle, denn Du heirathest ein niedliches Mädchen und eine eben so niedliche Meierei – aber ich mit meiner Fratze kann an Heirathen nicht denken, ich muß auf ein anderes Mittel sinnen, mir ein Vermögen zu erwerben – und siehe da, meinem Scharfsinn ist es gelungen – Du bist mein Freund, Eberhard, Du sollst von diesem Geschäfte den dritten Theil erhalten, mehr gebrauchst Du nicht, um für einen wohlhabenden Mann zu gelten – ich lade Dich hiermit feierlichst dazu ein.

Dem Lauscher am Fenster erstarrte das Blut in den Adern, ihm war, als ob ein Traum seine Sinne umnebelte. Mit aller Kraft, die ihm zu Gebote stand, behauptete er seine Stellung, um den Ausgang des Gesprächs zu erfahren, denn so viel war ihm trotz seines Zustandes klar, daß eine bloße Anzeige ohne Beweise nicht nur ohne Nutzen, sondern selbst von Nachtheil für ihn sein könnte. Der Gedanke, Marie ist durch die Civilehe an einen Raubmörder gekettet, gab ihm Kraft zur Ausdauer.

– Ich folge Dir nicht, hörte er Eberhard sprechen. Du hast mich einmal zu einem Verbrechen verleitet, aber nie wird es wieder geschehen!

– Beim Himmel, rief Graff, die Civilehe scheint Dein Gewissen sehr zart gemacht zu haben!

– Nicht die Ehe, sondern das geraubte Geld – dort liegt es im Schranke – ich mag es nicht berühren! Könnte ich mit der Zurückgabe desselben meine Ruhe wieder erkaufen, ich würde mich ohne Bedauern davon trennen. O, daß ich Deinen Worten Gehör gegeben habe! Fliehe, Du bist der Teufel, der mein Leben vergiftet!

– Sieh, mein Bürschchen, wie klug Du redest! Das Geld verachtest Du jetzt, weil Du ein reiches Mädchen geheirathet hast – wie aber, mein wackerer Freund, wenn ich nicht auf den Gedanken gekommen wäre, durch die Zurücklassung des Hutes in den Ruinen den Bräutigam Marien's zu verdächtigen, daß sie ihm den Abschied geben und aus Angst Dich heirathen mußte – wie aber, frage ich, stände es jetzt mit Dir? Glaubst Du denn, daß Marie den Konrad hätte fahren lassen, nur um Dir den Vorzug zu geben? Hätte mein Scharfsinn das Netz nicht gewebt, Du hättest sicher den Vogel nicht gefangen, der Dich stolz und Dein Gewissen zart macht – Du säßest jetzt im Schuldgefängnisse und sähest durch die Eisenstäbe Deines Fensters, wie andere Leute sich des Lebens freuen.

– Laß' mich Graff, ich will künftig als rechtlicher Mann leben!

– Ha, ha, ha! lachte der Jäger – glaubst Du denn, daß man nach Belieben aufhören kann, wenn man einmal angefangen hat – das wäre sehr bequem – Nein, mein Junge, ich brauche Dich, und Du mußt mitgehen, oder – –

– Oder? wiederholte Eberhard.

– Oder ich beweise Dir, sagte der Jäger in einem drohenden Tone – daß Du mir Gehorsam schuldig bist!

– Mensch, rief der Förster, laß mich in Ruhe!

– Wenn Du Deine Pflicht gegen mich erfüllt hast!

– So nimm das Geld aus dem Schranke und geh'!

– Wie, den Freund willst Du mit Geld abkaufen?

– Du bist nicht mein Freund, ich schäme mich Deiner!

– Nicht Dein Freund? Oho, wer bin ich denn? fragte Graff mit wutherstickter Stimme.

– Mein Teufel bist Du!

– Aber doch Dein guter Teufel?

– Geh' aus meinem Hause! rief Eberhard, den die Ironie des Jägers fast zur Verzweiflung brachte.

– Höre noch ein Wort, Freund Eberhard, ehe Du mich aus Deinem Hause jagst: Bist Du mit dem Schlage elf Uhr nicht in dem Wirthshause des alten Kaspar, um mich zu begleiten, so gehe ich morgen früh zu Marien und entdecke ihr das süße, unschuldige Geheimniß ihres Mannes – hast Du gehört?

– Allmächtiger Gott, das wolltest Du thun? Graff, nimm jenes Geld aus dem Schranke, es fehlt kein Thaler daran – nimm es, aber laß' mich in Ruhe! Geh, geh, Du fürchterlicher Mensch!

– Ohne Dich keinen Schritt!

– Bedenke, daß wir ein neues Verbrechen auf unsere Seele laden!

– Eins oder zwei – das ist ganz gleich! Feigling, lachte der Jäger, Du fürchtest Dich, ein kluger Mann zu sein?

– Du lachst noch? fragte Eberhard mit Schaudern.

– Ja, ich lache Freund, um Dir meine Achtung zu beweisen! Noch einmal wähle: willst Du zu dem Rendez-vous kommen, oder soll ich gehen – Du weißt wohin?

– Mensch, ist das Dein Ernst?

– Bei meiner Jägerehre, die ich nie verletzte!

– Noch einmal, Graff –!

– Nicht ein Wort – ja, oder nein?

Eine Pause trat ein. Die beiden Jäger in dem Zimmer standen sich einander gegenüber, Konrad am Fenster wagte nicht zu athmen, obgleich ihm ein unnennbares Gefühl die Brust zersprengen wollte.

– Gut, ich komme! sagte endlich Eberhard. Aber nur unter einer Bedingung.

– Nenne sie!

– Daß kein Blut vergossen wird.

– Narr, ein halbes Geschäft ist keins. Wenn uns der Graf nun erkennt? Sieh', ich bin auf Deinen Vortheil bedacht: ich mache mich aus dem Staube, so bald ich das Geld habe, das kannst Du nicht, Du mußt bei Deiner Frau bleiben – mir ist es ganz gleich, ob der Graf mit heiler Haut davon kommt oder nicht – Dir, dem Zurückbleibenden, muß alles daran liegen, die Zeugen bei Seite zu schaffen – also sei gescheit und folge mir!

– O furchtbar, furchtbar! Ich soll einen Mord auf mein Gewissen laden!

– Nein, das sollst Du nicht, das Außerwesentliche ist meine Sache – Du nimmst nur das Geld! Also Schlag elf Uhr an dem Wirthshause – auf der Bank, wo wir den verhängnißvollen Hut mit dem rothen Bande eroberten. Auf Wiedersehen, Kamerad!

Jetzt zog sich Konrad behutsam aus der Hecke zurück, sandte einen Blick des Dankes zum Himmel empor und lief mit einer solchen Schnelle den Weg über das Stoppelfeld zurück, daß er nach kaum zehn Minuten keuchend an Philipp's Mühle stand. Er traf den jungen Müller auf der Bank unter der Linde, wo er einem kleinen Kreise Zuhörer die Scene schilderte, wie Konrad das Leben des Gutsherrn gerettet hatte.

– Willkommen, Konrad! riefen alle, als sie ihn erkannten, und umringten ihn freudig, denn sie wußten um sein hartes, unverdientes Schicksal und beklagten ihn von Herzen.

– Philipp, flüsterte der Angekommene, ich muß Dich allein sprechen!

– Mein Gott, Konrad, Du bist außer Athem – was ist geschehen?

– Noch nichts; doch komm auf einen Augenblick in Dein Haus.

Die beiden jungen Leute verschwanden in der Mühle. Die Zurückgebliebenen unter der Linde äußerten laut ihre Befürchtungen, sie schlossen aus Konrads hastiger Ankunft, Mariens Verlust habe ihm den Verstand zerstört.

Die Uhr im Dorfe schlug zehn und der kleine Kreis der Nachbarn wollte sich eben trennen, als Konrad und Philipp eilig aus der Mühle traten. Letzterer trug die Uniform seines Regiments, einen alten Säbel an der Seite und ein Jagdgewehr auf der Schulter.

– Wohin? riefen die Leute erstaunt.

– Zum Appell! war die Antwort der eilenden Männer, die im nächsten Augenblicke schon in dem Dunkel verschwunden waren. Auf einem Platze im Dorfe trennten sie sich wieder, Konrad, um seine Uniform und Waffen anzulegen, Philipp, um den dritten Kameraden zu holen.

Röschen empfing den Bruder mit einem lauten Freudengeschrei. Dieser grüßte kaum und stürzte in seine Kammer. Die Schwester folgte ihm.

– Konrad, rief Röschen, deren Freude sich in Schreck verwandelt hatte – Du willst doch nicht wieder in den Krieg ziehen, daß Du die Uniform hervorsuchst?

– In den Krieg, war die rasche, freudige Antwort – in den Krieg, um mir meine Marie wieder zu erobern!

Röschen brach in ein lautes Schluchzen aus, denn sie glaubte, der Bruder sei wahnsinnig geworden.

– Bruder, ich lasse Dich nicht von der Stelle!

– Warum nicht? fragte Konrad lächelnd, indem er den Soldatenrock anzog.

– Wie Du glühst – Du bist krank!

– Du irrst, Schwester, ich war in meinem Leben nicht so gesund, als eben jetzt.

– Aber wo willst Du hin?

– In den Krieg!

– Konrad, Konrad, was soll ich glauben? Diese Antwort, – Deine funkelnden Blicke –!

Der junge Mann prüfte indeß den Inhalt einer Jagdtasche. Als er den nöthigen Schießbedarf darin vorgefunden, warf er sie über die Schulter, ergriff ein Gewehr, das an der Wand hing, und trat dann ruhig und freundlich zu seiner Schwester.

– Röschen, sagte er sanft, Du weinst und zweifelst vielleicht an meinem Verstande, weil ich von Dingen rede, die Dir sonderbar erscheinen; aber sei außer Sorge, der Gang, den ich jetzt zu machen gedenke, rettet unserm jungen Grafen das Leben, mir die schwer gekränkte Ehre und Marien die Freiheit. Begreifst Du nun meine plötzliche Umwandelung, liebe Schwester?

– Aber so erkläre mir doch –!

– Soll ich meinen Zweck nicht verfehlen, so laß mich ziehen – bald kehre ich zurück und Du wirst alles erfahren.

– Willst Du allein fort? fragte Röschen besorgt.

– Komm zurück in das Zimmer und Du wirst sehen, wer mich begleitet.

In demselben Augenblicke, als die Geschwister aus der Kammer eintraten, öffnete sich die Thür, die auf die Hausflur führte, und Philipp und ein anderer junger Mann in Uniform und bewaffnet erschienen auf der Schwelle.

– Willkommen, Christian! rief Konrad, beiden die Hand reichend. Siehst Du, wandte er sich zu Röschen, da stehen meine Begleiter – hast Du nun noch Angst? Jetzt bleibe wach, bis wir zurückkehren und sorge für ein gutes Frühstück, denn vor Mitternacht wird unser Geschäft nicht beendet sein. Doch laß kein Wort von unserm Ausmarsche laut werden, sonst ist alles verloren.

– Und Marie wird frei? fragte Röschen noch einmal.

– Frei, antwortete Konrad, um meine Frau zu werden. Adieu, Röschen!

Vorsichtig verließen die drei Soldaten das Haus und das Dorf. Röschen ging zur Küche, schürte Feuer an und begann das ihr aufgetragene Mahl zu bereiten.

8.

Der Jäger Graff hatte wahr gesprochen: Graf Rudolph bestieg in der That im Edelhofe des Barons gegen Mitternacht seinen Wagen, um nach seinem Schlosse zurückzukehren. Nur führte er nicht die Summe Gold mit sich, nach der Graff sich sehnte, die Kunde davon war nichts als ein Domestiken-Geschwätz, das dem wilden Waidmann durch einen Jäger des Barons in der Waldschenke zu Ohren gebracht worden. Der junge Graf, obgleich beglückt durch die Liebe eines schönen, reichen Mädchens, befand sich nicht in der heitersten Laune, Konrad's Unglück, zu dem er willenlos den Grund gelegt, ging ihm tief zu Herzen und erfüllte ihn um so mehr mit Mißmuth und innigem Bedauern, als er nicht im Stande war, durch irgend ein Mittel das Geschehene auszugleichen. Er hatte seiner Braut die Unglücksgeschichte mitgetheilt und diese hatte ihm unter Thränen den Vorschlag gemacht, dem armen Konrad ein kleines Gut als Eigenthum zu überweisen, das sie in der Gegend von B. besaß und durch einen Verwalter bewirthschaften ließ. Rudolph war freudig auf diesen Vorschlag eingegangen, daß er aber dem braven Manne mit der Verleihung der Glücksgüter nicht auch das Glück und die Ruhe des Herzens zurückgeben konnte, deren Verlust er noch vor Kurzem so schmerzlich empfunden, trübte die Freude, die ihm die Umgestaltung seines Geschickes bereitete.

Die Wächter der nahen Dörfer riefen die Mitternachtsstunde und ihre Hörner erklangen hell durch die stille Nacht, als der Graf die weißen Mündungen der Steinbrüche erblickte, an denen eine kurze Strecke seines Weges vorbeiführte. Das Passiren dieses Weges war völlig gefahrlos, da die Abgründe sich in einer Entfernung von mehr als hundert Schritten öffneten und selbst in der größten Dunkelheit sich durch einen weißen Schimmer des Gesteins zu erkennen gaben. Hinter den Steinbrüchen zu beiden Seiten liefen ziemlich hohe Bergrücken hin, welche ein langes, schmales Thal bildeten, das eine Biegung machte, um sich ostwärts fortzusetzen, der Weg aber zum Schlosse schied sich in dieser Biegung und führte südwärts durch einen tiefen Hohlweg wieder in das freie Feld.

Peter, der Kutscher, des Weges kundig, hieb lustig in die Pferde, daß der leichte offene Wagen wie ein Pfeil durch das Thal schwirrte. Als er an die Stelle kam, wo er in den Hohlweg einbiegen mußte, fuhr er vorsichtig etwas langsamer; doch kaum hatte er das tiefe Gleis erreicht, als aus einem an dem Abhange stehenden Haselbusche ein Schuß fiel und dem armen Burschen die Hand verwundete, mit der er die Peitsche schwang. In demselben Augenblicke stürzte ein Mann den Pferden in die Zügel.

Der Graf, seit seinem letzten Anfalle vorsichtig geworden, holte rasch ein Pistol aus der Wagentasche hervor, legte an, ein zweiter Schuß knallte durch das Thal und der Mann, der die sich bäumenden Pferde hielt, stürzte mit einem lauten Schrei zusammen. Die Hufe der scheu gewordenen Pferde zermalmten den tödtlich verwundeten Räuber. Peter behielt indeß so viel Geistesgegenwart, daß er mit der gesunden Hand die Zügel kräftig erfaßte und das Durchgehen der Rosse verhinderte.

Noch stand der Graf aufrecht im Wagen und hielt das abgeschossene Pistol in der Hand, als er von hinten mit einem Hirschfänger angegriffen wurde – ein zweiter Räuber hatte den Wagen erstiegen. Ohne ein Wort zu reden, vertheidigte sich der Angegriffene mit dem umgekehrten Pistol und es entspann sich ein Kampf in dem Wagen, der sich sicher zu Gunsten des stärkeren Banditen entschieden, wenn nicht ein paar kräftige Fäuste den Nichtswürdigen bei den Haaren ergriffen und ihn rücklings von dem Sitze herab in den Hohlweg geschleudert hätten. Unten standen noch zwei Männer und nahmen den wuthknirschenden Räuber mit ihren Gewehrkolben in Empfang.

Der Graf, in der Meinung, er habe den Angreifenden durch einen Schlag seiner Waffe kampfunfähig gemacht, suchte nach einem zweiten Pistol, das er aber nicht gleich erfassen konnte, da es aus der zerrissenen Tasche auf den Boden des Wagens gefallen war.

– Zurück, rief er emsig suchend, oder meine Kugel zerschmettert Euch Banditen den Schädel!

– Herr Graf, rief Konrad's Stimme, die Banditen können nicht mehr zurück, der eine ist todt, der andere geknebelt!

– Himmel – Kinder, wer seid Ihr?

Die drei Männer in ihrer Uniform mit den blinkenden Knöpfen traten heran, und der Mond, der in diesem Augenblicke hinter einer Wolke hervortrat, beschien ihre muthigen Gesichter.

– Soldaten Ihres Bataillons, antworteten sie und streckten dem Grafen die Arme entgegen, um ihm aussteigen zu helfen.

– Konrad, Philipp, Christian! rief fast weinend der Gerettete und schloß einen nach dem andern in seine Arme.

– Nun, rief Peter, wollt Ihr mir denn nicht auch helfen? Ich bin am Arme verwundet –!

Rasch sprang Christian zu den Pferden und Konrad und Philipp nahmen den Kutscher in Empfang.

– Wo bist Du verwundet? fragte theilnehmend der Graf.

– Am rechten Arme; es scheint jedoch nur ein Streifschuß zu sein, denn ich fühle keine Schmerzen.

Graf Rudolph zog sein Taschentuch hervor und verband den Arm des Kutschers, der glücklicher Weise nur leicht gestreift war.

– Wo sind die Räuber? fragte er dann.

– Hier ist der gefährlichste! rief Konrad und schleppte mit Philipps Hülfe den geknebelten Graff herbei, der wie ein zusammengerollter Igel am Boden lag. Es ist derselbe, der in den Ruinen der Abtei schon einmal die räuberische Hand nach Ihnen ausstreckte, derselbe, der meinen Hut mit dem rothen Bande stahl und ihn an dem Orte seines Verbrechens zurückließ, um den Verdacht auf mich zu wälzen – derselbe, der zwanzigtausend Thaler in Ihrem Wagen vermuthet und Sie morden und berauben wollte, um als ein reicher Mann sich aus dem Staube zu machen – ist es nicht so, Herr Graff? Jetzt theilen Sie doch mit Ihrem Kameraden – dort liegt er!

– Ich wollte, ich hätte mit ihm getheilt! murmelte der Geknebelte.

– Wer ist der Andere? fragte der Graf und trat zu dem Todten.

– Sehen Sie ihn an, sagte Philipp, er ist noch zu erkennen.

– Himmel, mein eigener Revierförster! O über den treuen Diener! Konrad, Du hast mir Dein Leben, Dein Glück geopfert – über der Leiche dieses Bösewichts gebe ich Dir Deine Marie zurück – Gott sei gelobet, der alles so gefügt!

– Herr Graf, rief Konrad jauchzend, Marie liebt mich noch, ich kann wieder glücklich werden!

– Wie Du es verdienst, mein braver, guter Konrad! – Kinder, wandte sich der Graf jetzt zu den Soldaten und freudige Rührung machte seine Stimme schwanken – Kinder, ich lade Euch zu meiner Hochzeit ein, die nächsten Sonntag auf dem Edelhofe des Barons gefeiert wird – werdet Ihr mich zu der Kirche begleiten und den Ehrenplatz an der Festtafel einnehmen?

– Herr Graf! riefen Philipp und Christian überrascht.

– Ihr müßt erscheinen, wenn Ihr mir meine Freude nicht stören wollt!

– Wir sind Bauern, sagte Philipp, wir passen nicht in vornehme Gesellschaft.

– Philipp, wo wäre ich und meine Hochzeit, wenn Ihr nicht gewesen wäret?

– Herr Graf, fiel Konrad ein, wenn Sie meine Kameraden einladen, was bleibt mir dann?

– Freund, rief der Graf, ist Deine Hochzeit nicht die meine? Oder soll Marie Deine Frau nicht werden?

– Ja, sie wird meine Frau! aber nicht durch eine Civilehe!

– Nun, Konrad, wir haben Unglückstage zusammen verlebt, wir wollen auch den höchsten Festtag unseres Lebens zusammen begehen, und unsere Kameraden sind unsere gemeinschaftlichen Gäste!

Jetzt warfen die jungen Leute den todten Revierförster in den Wagen, und banden dann den grimmigen Graff mit den Händen an die Hinterachse, daß er nur die Füße zum Gehen bewegen konnte. Peter bestieg seinen Sitz wieder und fuhr langsam dem Dorfe zu. Der Graf und die Soldaten folgten zu Fuß.

Ein weißer Wolkenstreif im Osten kündete den jungen Tag an, als der Zug vor dem Hause des Ortsrichters anhielt.


Wir übergehen den Schmerz des Richters Valentin – nicht über den Tod seines Neffen, sondern über das Geld, das er für ihn in der Stadt bezahlt, und über den Verlust der fetten Wiese; wir übergehen aber auch die Seligkeit Mariens, als der Graf mit dem Ortsrichter in ihr Zimmer trat und Letzterer ihr den Ehecontract mit der Anzeige zurückgab, sie sei frei und könne dem Manne ihrer Liebe die Hand reichen – wir berichten nur noch, daß Konrad und Marie denselben Tag in Gegenwart des jungen Grafen und des Richters Valentin einen neuen Contract für Zeit und Ewigkeit schlossen und daß am nächsten Sonntage in der mit Blumen und Kränzen geschmückten Dorfkirche unter dem Gesange der andächtigen Gemeinde zwei Brautpaare die Weihe des Priesters erhielten – es waren der Graf Rudolph und Emma, geführt von den adelichen Verwandten, und Konrad und Marie, begleitet von Röschen, Philipp und Christian.

Graff ward dem Arme der Gerechtigkeit übergeben und Eberhard in einem Winkel des Kirchhofs dem Schooße der Erde.

Acht Tage später hielt ein Reisewagen vor Mariens Meierei – er war bestimmt, das junge Ehepaar nach dem Gute zu führen, das die Gräfin dem Retter ihres Gatten als Eigenthum überwiesen hatte.

Zu spät!


Novelle
von
August Schrader.

1.

Zwischen den hohen mit ehrwürdigen Eichen geschmückten Bergrücken des Teutoburger Waldes hat der Schöpfer ein kleines Thal ausgebreitet, in welchem die Natur mit ihren Reizen förmlich zu kokettiren scheint. Wohin das Auge blickt, gewahrt man nur sanft ablaufende Wiesen, von einem rauschenden Bächlein durchschnitten, dessen Ufer mit Haselgesträuch und schlanken Rüstern so dicht bewachsen sind, daß das Moosbette desselben von einem herrlichen Laubdache überschattet wird. Kein Felsen, keine Mauer, kein alter Thurm unterbricht die Lieblichkeit und Anmuth dieser Landschaft – nirgends zeigt sich etwas wildes oder verfallenes, überall Reiz und üppiges Gedeihen, junges Leben und zauberische Fülle. Die Frömmigkeit eines Einsiedlers oder der Schmerz eines unglücklichen, verlassenen Liebenden würde hier kein Asyl finden, denn wie kann man im Angesichte einer lachenden Natur, die durch duftende Blumen und würzige Früchte zu den Freuden des Lebens einladet, beten oder weinen? Dieses Thal ist vom Himmel mit einem solchen Segen überschüttet, daß man vergebens nach einem unfruchtbaren Landstriche späht, selbst die Wege sind mit fettem Grase und duftenden Blumen bewachsen. Wohin soll man sich wenden, um einsam zu weinen, wenn alles grünt und lacht, wenn aus den Zweigen auf den Schwingen einer balsamischen Luft der Gesang munterer Vögel herniedersäuselt und zur Freude auffordert? Man würde das trübe Auge vergebens durch die Landschaft schweifen lassen, einem Bilde des Todes zu begegnen; überall sprießt das Leben, selbst auf dem Friedhofe, der von einer blühenden Weißdornhecke umgeben ist und mehr Apfelbäume als Grabsteine zählt. Doch nein! der Schmerz ist ein Kind aller Länder, er trifft seine Beute im stolzen Pallaste, wie in der Hütte auf blühender Flur.

Es war im Jahre 1839 gegen das Ende des Monats Mai, als ein junger Mann, mit Reisetasche und Wanderstab ausgerüstet, dieses herrliche Thal betrat. Die Fruchtbäume und Hagedornhecken standen in voller Blüthenpracht, die grünen Wege deckte ein frisch gefallener Blüthenschnee und verhüllte den blauen Veilchenflor, der lieblich duftete unter seiner süßen Bürde. Langsam schritt er dahin, das Bild der Jugend und Poesie wollüstig einsaugend, als plötzlich auch die Liebe auftrat, dem Ganzen die Weihe der Vollendung aufzudrücken. Aus einer Baumgruppe, die vor dem jungen Wanderer lag, klang ihm nämlich eine Mädchenstimme entgegen, welche an Anmuth und Frische mit der ihn umgebenden Natur wetteiferte; lieblich wie die Töne einer Nachtigall, und ohne sich der Wirkung bewußt zu sein, mischte sich der Gesang in das große Concert des Universum, und wahrlich, es war nicht der schlechteste Ton in der himmlischen Harmonie! Entzückt stand der Jüngling einige Minuten still und lauschte mit angehaltenem Athem.

Plötzlich trat aus einem Seitenwege ein schönes Mädchen von siebzehn bis achtzehn Jahren hervor. In der linken Hand trug sie ein kleines Fischnetz und in der rechten ein hölzernes Gefäß, worin die gefangenen Forellen so laut plätscherten, daß mitunter das Wasser über den Rand spritzte. Bei dem Anblicke des jungen Reisenden schwieg die Jungfrau und eine hohe Röthe überzog ihr liebliches Gesicht. Dieser setzte sich auf einem am Wege stehenden Baumstamme nieder und ließ die holde Fischerin in kurzer Entfernung an sich vorübergehen. Hatte ihn die Stimme entzückt, so that es die Gestalt noch mehr. In der ganzen Erscheinung war der Frühling mit seinen Veilchen und Rosen ausgedrückt, die Frische des jungen Morgens strahlte auf ihren Wangen und Unschuld und kindliche Fröhlichkeit auf der weißen Stirn. Eine Schnur milchweißer Zähne, eingerahmt von ein paar Purpurlippen, wurden sichtbar, als sie kaum vernehmbar und fast ängstlich grüßte; lange blonde Haare, zu natürlichen Locken geformt, entquollen rebellisch dem kleinen Sammtmützchen, das bei dem Ziehen des Netzes verschoben, schalkhaft auf einer Seite hing. Ein niedliches schwarzes Mieder umschloß den schlanken, zarten Leib, der eher einer Juno, als einer Bewohnerin dieses Thales anzugehören schien. Weder ein Ohrgehänge noch ein Halsband war zu bemerken, nicht einmal eine Rose oder ein Strauß Veilchen schmückten den züchtig verhüllten Busen und dennoch erschien das Mädchen dem entzückten Beschauer so schön, daß er eine Fee zu sehen und sich in dem Lande der Wunder zu befinden wähnte.

Als die Erscheinung hinter der nächsten Baumgruppe verschwunden war, erklang der Gesang wieder, der jetzt durch nichts mehr gehemmt, laut durch das üppige Thal ertönte. Wie von einer Zaubermacht geleitet, erhob sich der junge Mann und schlug willenlos den Weg ein, den ihm der Gesang des lieblichen Mädchens bezeichnete. Aus den Baumstämmen hervortretend, sah er die ländliche Hebe vor einer kleinen Wassermühle stillstehen, die wie das Nest eines Vogels unter den starken Zweigen einer gigantischen Eiche in kurzer Entfernung vor ihm lag. Mit der Behendigkeit der Jugend hing die Fischerin das Netz an einem Holzhaken neben der niedrigen von Mehlstaub weiß gefärbten Hausthür zum Trocknen auf und die gefangenen Fische nahm sie aus dem kleinen Behälter, um ihnen einen größeren, ebenfalls mit Wasser gefüllten anzuweisen, der im Hofe stand. Dann ergriff sie einen Rechen, trat zu dem plätschernden Mühlrade, und zog das Kraut an das Ufer, das sich während ihrer Abwesenheit vor einem im Wasser angebrachten Holzgitter aufgehäuft hatte.

Als sie diese Arbeit vollendet, war auch der junge Mann vor der Mühle angelangt. Er wollte reden, aber ein unerklärliches Etwas band ihm die Zunge, daß er keines Wortes mächtig war. Die hübsche Müllerin – denn die Mühle war das Eigenthum ihrer Mutter – schien von dem Benehmen des Fremden überrascht zu sein, verwundert sah sie ihn einen Augenblick an, dann entfernte sie sich mit einer Miene, als ob sie sagen wollte: ist der Mensch nicht bei Sinnen? An der Thür eines kleinen Gartens, der mit Sallat und einigen Frühlingsblumen bepflanzt war, blieb sie stehen und ordnete die auf dem Zaune zum Trocknen ausgebreitete Wäsche. Diesmal faßte sich der Fremde ein Herz und trat ihr mit den Worten näher:

– Wenn ich nicht irre, bin ich von dem Wege nach D. abgekommen?

– Ja, sprach das Mädchen mit einer lieblichen Stimme, denn der Fußweg endet hier bei der Mühle meiner Mutter.

Eine neue Pause trat ein. Die Müllerin fuhr erröthend in ihrer Beschäftigung fort.

– So muß ich wohl denselben Weg wieder zurückgehen, den ich gekommen bin? fragte endlich der junge Mann weiter.

– Wenn Sie wieder auf die Straße nach D. wollen, giebt es kein anderes Mittel, antwortete lächelnd das Mädchen.

– Sie tragen die Schuld, mein liebes Kind, daß ich jetzt einen Umweg zu machen habe. Ihr schöner Gesang verlockte mich und ich folgte.

Eine brennende Röthe überzog Gesicht und Hals der Müllerin; um diese zu verbergen, hob sie ein weißes Tuch, das sie eben in der Hand hielt, hoch vor sich empor, als ob sie den Zustand desselben prüfen wollte. Auch der junge Mann erröthete als er sie so sah, denn er glaubte sie verletzt zu haben.

– Ich bin jedoch nicht böse darüber, fuhr er in der Angst seines Herzens fort. Wollen Sie mir indeß eine kleine Entschädigung dafür gewähren, so verehren sie mir einen Strauß von den Veilchen, die zu Ihren Füßen blühen.

Rasch hing sie das Tuch auf den Zaun zurück und kniete in das Gras nieder, um die verlangten Veilchen zu pflücken. Wie es aber schien, that sie es mehr, durch diese Beschäftigung ihre Verlegenheit zu verbergen, als dem Wunsche des Fremden zu entsprechen. Dieser war seiner Sinne kaum noch mächtig, und hätte ihn der niedere Gartenzaun nicht von der lieblichen Jungfrau getrennt, er wäre neben ihr niedergekniet, um einen Strauß von diesen sinnigen Blümchen für die reizende Fee des Thales zu pflücken. Die Schmeicheleien, die ein junger Mann von Bildung einem jungen liebenswürdigen Mädchen unter solchen Umständen zu machen pflegt, erstarben ihm im Munde, stumm folgte er mit den Blicken den Fingern des Mädchens, welche die Veilchen dicht bei der Wurzel aus dem grünen Rasenteppich holten und zu einem Strauße bildeten.

– Marie! Marie! rief plötzlich eine Stimme aus dem Innern der Mühle.

– Meine Mutter ruft! sprach das Mädchen, indem es sich rasch emporrichtete und mit zitternder Hand dem Fremden die Veilchen überreichte. Ohne ein Wort weiter zu sagen, flog sie wie ein Vogel durch den Hof und verschwand in der kleinen Thür. Mit einem Blicke, in dem deutlich zu lesen stand, was in seinem Herzen vorging, sah der Reisende dem Flüchtling nach und lauschte einige Minuten auf das eintönige Geklapper der Wassermühle, das mit dem Klopfen seines Herzens Takt hielt.

Als er über den Hof schritt, um den Fußweg wieder zu gewinnen, sah er das Gesicht eines jungen, rothbackigen Bauernburschen unter einer weißen Mütze aus dem Fenster des Häuschens blicken. Wäre er nicht zu sehr mit seinen Gedanken beschäftigt gewesen, so hätte er in diesem Gesichte Unwillen, vielleicht auch Eifersucht lesen können; so aber drückte er den Veilchenstrauß an seine Lippen und setzte, das Bild des jungen Mädchens in seinem Herzen tragend, seufzend seinen Weg fort. Das lachende Thal schien ihm jetzt ein anderes zu sein, die Blumen und Blüthen waren farblos: Mariens Rosen auf den Wangen überstrahlten den Glanz der ganzen Schöpfung.

2.

Ein heißer Julitag lag brennend auf der Erde, wie ein dunkelblaues Tuch, von keinem Wölkchen getrübt, spannte sich der Horizont über das Thal, dessen frisches Rasengrün verschwunden und in eine falbe Farbe umgewandelt war. Kein Lüftchen milderte die drückende Hitze, die Sonne neigte sich ihrem Untergange zu, aber keine Veränderung der Atmosphäre gab Hoffnung auf Labung. Wir erblicken unsern Wanderer auf demselben Baumstamme wieder, auf dem er einst saß, als der Frühling mit seinem Hauche das Thal durchwehete, als Blumen und Blüthen einen erquickenden Duft verbreiteten, und ein holdes Mädchen den Fußsteig einschlug, der sich hier von dem Hauptwege scheidet. Die Sonne hatte sein Gesicht gebräunt, große Schweißtropfen perlten auf seiner hohen, jugendlichen Stirn und ein längst verdorrter Veilchenstrauß, mit einem weißen Bändchen befestigt, schmückte die weiße geöffnete Weste, die aus einem grauen, leinenen Staubhemde hervorsah.

Wohl eine Viertelstunde hatte der junge Mann hier geruht, als er noch einmal sorgfältig mit einem Tuche sein Gesicht von Schweiß und Staub säuberte, dann erhob er sich rasch, als ob plötzlich ein Entschluß in ihm zur Reife gediehen sei, warf die Reisetasche über seine Schultern, und schlug den Fußweg zur Mühle ein.

Wie hatte sich alles rings um ihn verändert! Der kleine Teich, in welchem das Wasser des Baches gesammelt wurde, war fast ausgetrocknet, das Mühlrad stand still und das Geklapper der Mühle schwieg; nur das Klopfen seines Herzens, das mit jedem Schritte heftiger wurde, fühlte und hörte er.

Als er aus der kleinen Baumgruppe trat, sah er die Bewohner der Mühle auf einer Wiese, welche an den Teich grenzte, mit Heumachen beschäftigt. Auch Marie, einen großen Strohhut auf dem erhitzten Köpfchen, war unter ihnen. Unser Freund, fast erschreckt über diesen Anblick, trat in die Dämmerung des Gebüsches zurück und verbarg sich hinter einem Strauche, der unfern der arbeitenden Leute am Ufer des Teiches stand. Ungesehen konnte er nun die Gruppe beobachten und jedes ihrer Worte vernehmen. Neben Marien bemerkte er, nicht ohne ein bitteres Gefühl, jenen jungen Bauern wieder, dessen Gesicht er schon einmal gesehen hatte. Der Bauer arbeitete rüstig mit seinem Rechen fort und eine fast ausgelassene Fröhlichkeit sprach sich in seinen Zügen und seinen Geberden aus. Marie hingegen war nachdenkend, ruhig, fast träge führte sie ihre Arbeit aus und schien nur theilnahmlos, wohl gar mit Widerwillen auf die Scherze zu hören, die der fröhliche Bauer mit ihr trieb, so oft er mit seinem Rechen in ihre Nähe kam.

– Flink, flink! rief die alte Müllerin; der Abend bricht schon an. Marie aber, ihren Hut tiefer in das Gesicht rückend, arbeitete nicht langsamer und nicht schneller, wie träumend bewegte sie den Rechen in dem knisternden Grase. In dem Gebüsche am Ufer des Teiches saß der junge Mann auf seiner Reisetasche und vergaß bei diesem Anblicke die Beschwerlichkeiten einer Fußreise im heißen Sommer; unverwandt waren seine Blicke auf Marien gerichtet, und nur wenn der junge Bauer sich einen Scherz mit ihr erlaubte, blickte er, vor sich selbst erröthend, einen Augenblick zur Seite.

Endlich hatten die Arbeiter die letzten Streifen zu Haufen geformt und der Glanz der Abendsonne, die wie eine große dunkelrothe Kugel durch die Waldung des am Horizonte hinlaufenden Bergrückens leuchtete, beschien nur noch matt die hochrothen Gesichter derselben.

– Tante, begann jetzt der junge Bauer, indem er nach der einen Seite der Wiese sah – als Lohn für unsere Arbeit wollen wir das Vesperbrod auf der Insel genießen. Nicht wahr, Marie?

– Ja, ja! antwortete Marie leise und verlegen.

– Das ist wohl recht schön, sprach mürrisch die alte Müllerin; wir haben diesen Abend aber noch viel zu schaffen. Die Kühe kommen heim, wir müssen noch melken und buttern. Nach der Insel geht man nur an Sonntagen.

– Aber Tante –!

– Auch müssen wir noch Bohnen pflücken, denn morgenfrüh giebt es mehr zu thun!

– Die Bohnen werde ich pflücken, und das Buttern werde ich auch besorgen – entgegnete rasch der Vetter – aber seien Sie gut, liebe Tante, und geben Sie uns nur eine Viertelstunde, daß wir als gute Christen unser Vesperbrod ruhig verzehren können. Sehen Sie, dort liegt der Kahn, ich habe ihn heute Mittag schon vorbereitet. Der Teich enthält noch Wasser genug, um Marien und mich zu tragen.

Die Tante, oder vielmehr die Mutter, antwortete mit einem trübseligen Lächeln, mit einem Lächeln, das dem Lauscher in seinem Verstecke das Herz durchschnitt. Der Vetter verstand dieses Lächeln, fröhlich ergriff er die Hand seiner Base und zog sie dem Ufer zu. Marie fügte sich; als ob sie dem Vetter entgehen wollte, sprang sie leicht wie ein Reh in den kleinen Kahn; in der Hand hielt sie ein Stück Brod mit Käse. Der Bauer folgte ihr, stieß bei dem Hineinspringen das winzige Fahrzeug durch einen kräftigen Fußtritt vom Ufer ab, daß es rauschend nach der Mitte des Teiches fuhr, und nahm singend neben der jungen Müllerin Platz, welche ruhig ihr Vesperbrod verzehrte. Nach einigen Minuten hatten sie ihr Ziel erreicht, nämlich eine kleine Insel, auf deren Moosboden eine Gruppe wilder Rosen und Akazien sich erhob. Da, wo der Kahn an das Ufer stieß, hing eine Thränenweide ihre trauernden Zweige auf den Wasserspiegel herab.

Marie stieg zuerst an das Ufer und setzte sich an dem Stamme der Thränenweide in das Moos. Den Rest ihres Brodes, von dem sie nur wenig gegessen, zerbrach sie in kleine Stücke und warf eins nach dem andern in den Teich. Nicht lange, so hatte sich eine Heerde Fische versammelt, welche sich munter nach den Bissen herumtummelten, daß der ruhige Wasserspiegel in weiten Kreisen erglänzte.

– Nun, Marie, sprach der Vetter, als er neben ihr saß und mit Appetit zu essen begann, Du giebst den Fischen Dein Brod; hast Du keinen Hunger?

– Nein, antwortete das Mädchen, die Hitze ist so groß, daß ich nicht essen kann. Und dabei sah sie träumend dem Spiele der Fische zu.

– Ich werde Dir Appetit machen! rief der junge Bauer und wollte einen Kuß auf den blühenden Mund der Jungfrau drücken.

– Vetter, zürnte das Mädchen mit drohender Geberde, noch bin ich nicht Deine Frau!

– Aber in acht Wochen spätestens wirst Du es sein, und darum denke ich – –

– Höre, Vetter, wir sind jetzt allein, begann ernst das Mädchen, darum wollen wir einmal ernstlich darüber reden.

– Rede, liebe Marie, ich bin ganz Ohr.

Der Lauscher am jenseitigen Ufer wagte nicht zu athmen; mit vorgebogenem Haupte saß er da und lauschte der Worte, die deutlich durch den stillen Abend an sein Ohr schlugen.

– Du weißt, daß Du diesen Herbst Soldat werden mußt, sprach Marie in einem bedächtigen Tone; dringe also nicht darauf, daß unsere Hochzeit angesetzt werde. Wir wollen sie verschieben, bis Deine Dienstzeit vorüber ist.

– Wer sagt Dir denn, antwortete lachend der Vetter, daß man mich nimmt? Ich habe hundert Thaler zu meiner Loskaufung bestimmt, und mit einer solchen Summe kann sie mir nicht fehl schlagen. Außerdem nimmt man einen verheiratheten Mann auch nicht gleich zum Soldaten. Bin ich verheirathet, habe ich einen Grund mehr, auf meine Freilassung zu dringen.

– Aber bedenke, fuhr Marie in einem betrübten Tone fort, wenn man Dich dennoch nimmt!

– Man wird mich nicht nehmen, mein liebes Bräutchen, sondern ich nehme Dich. Deine Mutter will es, und wir müssen gehorchen. Laß Dir kein graues Haar wachsen, Dein Mann wird kein Soldat!

Marie stand auf und bestieg schweigend den Kahn wieder. Der Vetter folgte und ruderte singend dem Ufer zu. Als beide über die Wiese der Mühle zuschritten, an deren Thür die Mutter ihrer wartete, trat der Fremde, seine Reisetasche über den Schultern, aus dem Wäldchen hervor und schritt hastig den Fußsteig entlang. Indem er an dem Baumstamme vorüberging, rollte eine Thräne über seine gebräunte Wange. Noch ehe die Nacht zur Erde niedersank, hatte er das nächste Städtchen erreicht; eine Extrapost nahm ihn auf, um ihn nach B. zu führen, wo der Vater seiner Rückkehr harrte.

3.

Julius F. war einer der wenigen jungen Männer, welche bei ziemlich bedeutendem Vermögen und in unabhängigen Verhältnissen aus reiner Liebe zu den Wissenschaften selbst auf der Universität H. zwei Jahre lang ernsten Studien obgelegen hatte. Sein fester Charakter, gepaart mit einem echt poetischen Gemüthe, trug das Wesentliche dazu bei, daß er nach vollbrachter Studienzeit mit einem nicht gewöhnlichen Schatze von Kenntnissen in seine Vaterstadt zurückkehrte, wo er einige Wintermonate hindurch dem Dienste der Musen lebte. Als der Mai mit seinen schönen Tagen in das Land kam, litt es ihn nicht länger in seinem Studirzimmer, er folgte dem Drange seines Herzens, und unternahm eine größere Fußreise durch die schönsten Gauen seines deutschen Vaterlandes. Auf dieser Reise war es, als wir den für die Schönheiten der Natur begeisterten jungen Mann in dem Eingangs beschriebenen Thale antreffen, als er die schöne Müllerin singen hörte, sie bewunderte, ihr folgte und entzückt von ihrem Anblicke um einen Strauß Veilchen bat, den sie ihm, wie wir bereits wissen, auch willig mittheilte. Mit dem Bilde des jungen Mädchens im Herzen, das seine Phantasie, jemehr sie sich mit ihm beschäftigte, nach und nach zur Göttin gestaltete, die von dem Heiligenscheine der entzückenden Natur des Thales umgeben, ihn im Wachen und im Traume beschäftigte, durchwanderte er Westphalen und kam an die romantischen Ufer des Rheins. Erstaunt betrachtete er die großartige Landschaft von felsiger Höhe herab, die Brust hob sich begeistert bei dem Rauschen der mächtigen Wogen und der Geist schweifte in das Mittelalter zurück, in dem die jetzt nur bemoos'ten Ruinen noch prächtige Schlösser waren, weit und breit den Rheingau beherrschend. Doch überall belebte die schöne Müllerin die Landschaft, er sah sie als Lorelei auf dem grauen Felsen sitzen und ihr Syrenenlied singen; er sah sie als schmuckes Burgfräulein aus dem hohen Thore der Ruine treten, oder auf dem hohen Söller lustwandeln – wohin er blickte, stand die liebliche Dirne, und eine Sehnsucht wurde in ihm wach, die nur der kennt, der in den Fesseln der ersten Liebe schmachtete.

So wanderte er die Ufer des Rheinstromes hinauf bis zum Bodensee, er durchmaß die Thäler und bestieg die Berge der Schweiz, er sah auf dem Rigi das großartigste Naturschauspiel der Welt, den Aufgang und Untergang der Sonne: überall ward sein Geist zum Staunen, zur Bewunderung hingerissen, doch das Herz blieb theilnahmlos, es trauerte. Nur wenn Abends der Kuhreigen durch das Alpthal erklang, wenn das feierliche Geläut der Vesperglocken durch die stille Luft zitterte und der Senne am Arme einer schmucken Sennerin in seine Hütte heimkehrte, dann malte sich seine Phantasie ein Bild, an dem das Herz theilnahm, denn es konnte sich in Wehmuth und Sehnsucht ergießen.

Fast unwillkührlich kehrte er denselben Weg zurück, den er gekommen war, und ehe er es sich versah, saß er wieder auf dem Baumstamme, der an dem Fußsteige zur Mühle stand. Was dann geschah, wissen wir: er belauschte die Scene auf der kleinen Insel, erfuhr das Heirathsprojekt der alten Müllerin, und verließ mit noch schwererem Herzen das Thal seiner Träume, als er es betreten hatte.

Mit geschlossenen Augen in die Ecke seines Postwagens gelehnt, wiederholte er in Gedanken noch einmal alles, was er bei der Mühle gesehen und gehört. Es stand noch so deutlich vor seinem Gedächtnisse, daß er an der Wahrheit desselben zu zweifeln durchaus keinen Grund hatte. Der bausbackige Vetter trat jetzt wie ein zerstörender Dämon in alle seine Bilder und je fürchterlicher ihm dieser Mensch wurde, desto reizender erschien ihm Marie, desto größer ward seine Sehnsucht nach ihr. Der Gedanke, sie wird in kurzer Zeit das Weib eines andern, das Weib eines so materiellen Menschen, als dieses Vetters, fiel mit Centnerlast auf seine Brust, und wie alles, was schon halb oder ganz verloren ist, den Reiz, zu besitzen, stets verdoppelt, so gesellte sich zu der Sehnsucht auch noch Eifersucht, den qualvollen Zustand seines Herzens zu erhöhen.

– Nein, nein, rief er halblaut aus und warf sich in die andere Ecke des Wagens, Marie liebt ihn nicht! Wie kann ein Engel sich zu einem Dämon gesellen, wie kann ein Lamm mit einem Wolfe in einer Hütte wohnen? Und Marie ist schön wie ein Engel, unschuldig wie ein Lamm! Diese zarte Blume darf nicht von rohen Händen gepflückt werden, der Schöpfer hat sie erschaffen für den, der sie versteht, der ihre Schönheit begreift und den Schatz zu würdigen weiß!

Sinnend blickte er in die prachtvolle Sommernacht hinaus, die ruhig über der schlummernden Landschaft lag. Würzige Düfte, durch die Kühle des Nebels der üppigen Saatflur entlockt, schwängerten die stille Luft, einige zackige und durchsichtige Wolken bedeckten das melancholische Licht des Mondes, der wie ein stiller Wächter am Firmamente schwebte und die fernen Gebirgsketten in phantastischen Gestalten erscheinen ließ. Es war eine Nacht, wie sie sein muß, um die süße Qual der Liebe auf den höchsten Gipfel zu steigern. Eine feierliche Ruhe lag über der ganzen Natur ausgegossen, die nur von dem eintönigen Rollen der Räder und von Zeit zu Zeit durch die rauhe Stimme des Postillons unterbrochen wurde.

– Aber würdest Du auch glücklich mit ihr werden, fragte er sich plötzlich, würde Marie, das einfache Müllermädchen, das Wesen sein, das Dich beglücken kann? O gewiß, fuhr er nach einer Pause fort, sie wird mich beglücken, denn sie ist unschuldig und schön, schön wie die Engel des Paradieses!

Aus dem ganzen Benehmen Marien's gegen den Bräutigam, den die Mutter für sie bestimmt, glaubte Julius annehmen zu können, daß sie gegen ihre Neigung in die Verbindung einwilligen würde. Suchte sie nicht den Vetter zu bewegen, noch so lange zu warten, bis seine Befreiung von dem Soldatenstande entschieden sei? Ein Mädchen, das wahrhaft liebt, sucht die Heirath mit dem Manne ihres Herzens nicht zu verschieben, es sucht sie zu beschleunigen. Und vor allen Dingen, warum war sie so traurig und nachdenkend? Warum verweigerte sie dem Bräutigam einen Kuß? Sollte sie eine andere Neigung, die sie geheim zu halten Gründe hatte, veranlaßt haben? – Julius fühlte eine brennende Hitze sich über sein ganzes Gesicht verbreiten, als der Gedanke, aber nur ganz leise, in ihm auftauchte: wenn Du die Veranlassung dazu wärst? Wenn auch bei Marien die wenig Minuten der Unterhaltung, wie bei Dir, hingereicht hätten, eine ernste Leidenschaft zu entzünden? Bildet sich nicht in einem Augenblicke der Funke, der ein großes Feuer anfacht?

Diese Reflexion erzeugte in dem jungen Manne den festen Vorsatz, noch vor Ablauf der acht Wochen, welche nach des Vetters Aussage bis zur Hochzeit verstreichen könnten, in das Thal zurückzukehren und Marien's Herz zu ergründen, denn er hielt es für Pflicht, das arme Mädchen dem Verderben zu entreißen, das ihm ein vielleicht eigennütziger Plan der Mutter bereitete.

Beruhigt setzte er seine Reise fort und langte am dritten Tage in seiner Heimath an. Doch ein neuer Schlag des Schicksals erwartete ihn an der Schwelle des väterlichen Hauses. Der Vater lag an einem schleichenden Fieber schwer krank darnieder und die Aerzte fürchteten, daß er seiner vor einigen Jahren vorangegangenen Gattin folgen würde. Trostlos warf sich Julius an dem Krankenbette des geliebten Vaters nieder und vergaß über den heftigen Schmerz die Neigung seines Herzens. Tag und Nacht widmete er dem theuern Kranken die zärtlichste Sorgfalt und Pflege, die Aerzte erschöpften ihre Kunst; doch umsonst: als die ersten Herbstnebel die Fluren deckten, stand Julius weinend an der Bahre seines Vaters.

Julius hatte sein fünfundzwanzigstes Jahr zurückgelegt, er war volljährig und konnte als einziger Sohn über das nicht unbedeutende Vermögen des Verstorbenen verfügen. Als die Wunden des Schmerzes einigermaßen verharrscht waren, ordnete er die Angelegenheiten seines Hauses; da er dies um so lieber that, als die Beschäftigung ihm Zerstreuung gewährte, hatte er in kurzer Zeit alles beendet, was ihm zu thun oblag, und sein Studirzimmer empfing ihn wieder. Doch bald tauchte auch die Erinnerung an Marien wieder auf und die sonst allmächtigen Musen vermochten sie nicht zu verbannen, selbst des Vaters Angedenken trat zurück vor dem lichtumflossenen Bilde der Fee des Thales.

– Was hindert mich, sprach er zu sich selbst, der Neigung meines Herzens zu folgen? Warum trage ich die Schmerzen, deren Heilung in meiner Macht steht? Fort in das Thal, vielleicht ist das Geschick mir hold!

4.

Der Herbst mit seinen Stürmen hatte den Sommer vertrieben und auch er schickte sich bereits an, dem Winter das Feld zu räumen, als ein eleganter Reisewagen mit zwei Postpferden bespannt durch das Thal bei D. fuhr. Wo der Fußweg zur Mühle sich von der Hauptstraße scheidet, hielt er still und ein junger Mann, in einen blauen Mantel gehüllt, stieg aus. Nachdem er dem Postillon einige Befehle ertheilt, verfolgte er langsam den schmalen Pfad. Als er einige Minuten fortgeschritten war, konnte er durch die blätterlosen Zweige der vor ihm liegenden Baumgruppe das Dach und den Schornstein der Mühle gewahren, aus dem ein weißer Rauch in den schweren, trüben Himmel emporwirbelte. Als ob ihm eine große Angst die Brust beengte, blieb er stehen und betrachtete die Mühle, deren Rad, obgleich der Bach mit Wasser überfüllt war, still stand. Julius – denn dieser war der Mann im Mantel – konnte sich den Grund davon nicht erklären, wie von einer bösen Ahnung durchbebt, blickte er seufzend empor. Einzelne große Schneeflocken fielen ihm in das brennende Gesicht und ein kalter Wind, der in kurzen Zwischenräumen traurig durch die kahlen Baumwipfel seufzte, spielte mit seinem flatternden Haare. Eine bittere Melancholie bemächtigte sich seiner, zusammenschauernd warf er den Mantel fester um sich, dem Schnee und dem Todeshauche der Natur zu wehren. Dann setzte er seinen Weg fort.

Die Wiese neben der Mühle war mit Wasser überschwemmt, sie bildete eine Fläche mit dem Teiche, in welchem die kleine Insel lag. Julius mußte einige Augenblicke forschen, ehe er sie erblicken konnte, denn nur die Spitzen der Gesträuche und die kahlen, dünnen Zweige der Thränenweide ragten aus der trüben Wasserfläche empor. Der kleine Kahn, der Marien gewiegt, lag zerschellt an einem Stamme der Baumgruppe, welche den jungen Mann verborgen gehalten, als er das Gespräch auf der Insel belauschte. Die Oberfläche des Wassers war mit schwarzen abgebrochenen Zweigen und schmutzig grünem Schilf bedeckt.

– Wie, rief Julius, überwältigt von diesem traurigen Anblicke, ist denn der Winter auch hier so schrecklich? Hält der rauhe Gast denn überall schonungslos seinen Einzug? Nirgend, setzte er seufzend hinzu, ist ein Andenken an die Rosen des Frühlings geblieben! Er hat alles zerstört!

Als er emporblickte, sah er eine weiße Wolke, die sich über der Mühle gelagert hatte – es war der Rauch aus dem Schornsteine, den die schweren Winterwolken niederdrückten.

Während dieser Zeit war er langsam in den kleinen Hof getreten. Das Fischnetz hing wieder an derselben Stelle neben der Thür, wohin es Marie gehangen, als er sie das erstemal sah. Betreten blieb er plötzlich stehen, als sich seine Blicke auf die halbgeöffnete Hausthür richteten: der Platz vor derselben war mit weißem Sande und Blättern von Immergrün bestreut; an dem Balken über derselben hing ein großer Kranz von gelben Strohblumen und Buchsbaum. Julius zitterte, er vermochte nicht weiter zu gehen.

– Was bedeutet das, stammelte er vor sich hin, hat der Tod oder die Freude hier Einzug gehalten?

Ein Blick nach dem kleinen Gärtchen gab ihm Antwort auf diese Frage. Marie, festlich geschmückt, mit dem Brautkranze im Haare, stand an der dürren Hecke und betrachtete sinnend die Stelle, wo sie im Frühlinge für Julius die Veilchen gepflückt hatte. Sie schien die Ankunft des Fremden nicht zu bemerken; mit der einen Hand auf den Zaun gestützt und mit der andern an einem blätterlosen Epheu spielend, stand sie da und betrachtete das erstorbene Gras, aus welchem im Frühlinge die Veilchen dufteten.

Julius war seiner Sinne nicht mächtig, als er ihr in's Angesicht blickte, die Rosen auf ihren Wangen waren verschwunden, statt ihrer deckte eine Blässe das liebliche Gesicht, die von einem herben Seelenschmerze Kunde gab. War sie unter den Rosen des Frühlings schön gewesen, so war sie in ihrem Schmerze noch tausendmal schöner. Und diese Schönheit wurde durch den grünen Myrthenkranz noch erhöht, denn er umstrahlte sie mit der Glorie der Braut, mit der Glorie, die keine Krone der Erde zu überstrahlen vermag. Ein blaues Mieder umschloß den schlanken, zarten Leib und eine kleine goldene Kette mit einem Kreuz, die vielleicht die Mutter schon am Traualtare getragen, lag auf dem Schnee ihres Halses. Ein Myrthenstrauß, worin eine weiße Monatsrose, schmückte das Mieder am Busen.

Plötzlich wandte sich die bleiche Braut, um in das Haus zurückzukehren. Ein unterdrückter Schrei entschlüpfte ihrem Munde, als sie den Fremden im Mantel erblickte. Bebend schritt dieser ihr entgegen, so daß er auf derselben Stelle stand, wo er sie zum erstenmale gesprochen.

– Marie, stammelte Julius und Thränen traten ihm in die Augen – Marie, ich komme zu spät!

An dem Tone der Stimme hatte ihn Marie erst erkannt, sie mußte sich an der kleinen Gartenthür halten, um nicht zu Boden zu sinken.

– Mein Herr, sprach sie leise und eine leichte Röthe erschien auf den bleichen Wangen, heute früh wurde ich getraut –!

– Marie, Marie! rief eine Stimme aus dem Innern der Mühle.

– Mein Mann ruft, sprach die junge Frau, leben Sie wohl!

Zitternd nahm sie den Strauß von ihrem Busen und reichte ihn Julius; dann verschwand sie in der Thür des Hauses.

– Zu spät! rief Julius, indem er den Strauß an seine Lippen drückte und mit einem Strome von Thränen benetzte, der über die Wangen rann. Zu spät, die rauhe Hand des Winters hat auch mein Glück zerstört!

Hastig verließ er den kleinen Hof der Mühle, schlug den Fußpfad ein und gelangte nach einigen Minuten bei dem Baumstamme an, wo sein Wagen hielt.

– Den Weg zurück! rief der junge Mann und warf sich weinend in die Polster des Reisewagens.

Wie der Dichter ein poetisches Gebild, betrachtete Julius die Erscheinung Mariens, er liebte sie mit der ganzen Glut seines Herzens und betete zu ihr, wie zu seiner Madonna. Zwar geschieden durch eherne Verhältnisse, die das Schicksal feindlich herbeigeführt, konnte er sich ihr nicht mehr nahen; aber jener Geist, der die Welten durchkreis't, der Geist der wahren, ewigen Liebe verband ihn mit ihr.

Mariens Strauß bewahrte er in einem kostbaren Rahmen auf. Darunter standen die Worte eines alten persischen Dichters:

»Glücklich, dreimal glücklich die Menschen, welche nach einem süßen Liebestraume am eisigen Busen des Todes erwachen!«


Druck der C. H. Voigt'schen Offizin in Rochlitz.

In gleichem Verlage und von dem Verfasser dieses Werks sind ferner erschienen:

Aug. Schrader.

Die Braut von Louisiana.

Roman.

3 Bände. 3 Thlr.


Die Ideale der Liebe.

Erste Abtheilung:

Das graue Schloß.

2 Bände. 2 Thlr.

(Die 2. Abtheilung: Die Doppelehe 2 Bde. wird nächstens erscheinen.)


Das Staatsgefängniß.

Roman aus der neuesten Geschichte.

4 Bände. 4 Thlr.

(Hierzu bildet die Gräfin Thekla Andrasy einen Epilog.)


Der
Graf von Lalli-Collendal.

Roman.

2 Bände. 2 ⅓ Thlr.


Druck der C. H. Voigt'schen Offizin in Rochlitz.

Hinweise zur Transkription

Das Originalbuch ist in Frakturschrift gedruckt.

Abschnitte, die abweichend in Antiqua gesetzt wurden, sind in der Transkription in kursiver Schrift dargestellt.

Der Text des Originalbuches wurde grundsätzlich beibehalten, mit folgenden Ausnahmen:

Seite 7:
"während hatte," geändert in "hatte, während"
(ihrer Gesinnungsgenossen entzogen hatte, während ihre Güter)

Seite 14:
"." eingefügt
(daß sie einer gründlichen Durchsicht bedürfen.)

Seite 36:
"Niclas" vereinheitlicht zu "Niklas"
(Niklas, der Apothekergehülfe)

Seite 37:
"abgetrageuen" geändert in "abgetragenen"
(angethan mit abgetragenen bürgerlichen Kleidern)

Seite 37:
"Niclas" vereinheitlicht zu "Niklas"
(Netti kannte die zarten Gefühle des langen Niklas)

Seite 37:
"Niclas" vereinheitlicht zu "Niklas"
(– Was meinen Sie, lieber Herr Niklas?)

Seite 38:
"sie" geändert in "Sie"
(wenn Sie anders gekommen sind, mit mir zu reden)

Seite 38:
"–" eingefügt
(– Glauben Sie denn, daß ein Apotheker)

Seite 40:
"Nicklas" vereinheitlicht zu "Niklas"
(– Herr Korporal, fuhr Niklas fort)

Seite 42:
"sie" geändert in "Sie"
(daß Sie für den Ruhm geschaffen sind)

Seite 46:
"Görgei" geändert in "Görgey"
(Und des wackern Generals Görgey!)

Seite 56:
"angeküpft" geändert in "angeknüpft"
(hatte mit der schönen Köchin eine Unterredung angeknüpft)

Seite 60:
"sie" geändert in "Sie"
(daß er Sie retten wird!)

Seite 67:
"Staße" geändert in "Straße"
(eilig von der Straße hereintrat)

Seite 72:
"Vattrlande" geändert in "Vaterlande"
(in der Armee des treuen, braven Görgey seinem Vaterlande geleistet)

Seite 76:
"nieder" geändert in "wieder"
(Vorsichtig schloß er die Thür wieder.)

Seite 79:
"fürchliche" geändert in "fürchterliche"
(wir haben eine fürchterliche Entdeckung gemacht)

Seite 79:
"," eingefügt
(welche Frechheit, rief erstaunt der Apotheker)

Seite 89:
"–" eingefügt
(– Ich bitte Dich, schweig! antwortete Konrad)

Seite 89:
"daß" geändert in "das"
(sich auf sein Schloß zurückgezogen, das dort so freundlich)

Seite 97:
"." eingefügt
(Du, lüderlicher Neffe.)

Seite 102:
"," eingefügt
(nicht einmal einen Vetter, fügte Eberhard lächelnd hinzu)

Seite 106:
"," eingefügt
(Ob Jungfer Marie das wohl rathen kann, antwortete lachend)

Seite 118:
"," eingefügt
(– Deine Ungeschicklichkeit, mein bester Freund!)

Seite 119:
"." eingefügt
(wenn ich nicht in kurzer Zeit ein reicher Mann wäre.)

Seite 121:
Absatz eingefügt
(– So laß sie laufen, was kümmert es Dich!)

Seite 123:
"in" geändert in "im"
(im Osten aber stieg der Mond herauf)

Seite 133:
"sie" geändert in "Sie"
(von der Sie stets mit so großer Liebe sprachen)

Seite 140:
"Marfch" geändert in "Marsch"
(die Dorfmusiker begannen einen neuen Marsch)

Seite 153:
"neue" geändert in "neuer"
(unser neuer Ortsrichter wundert sich)

Seite 170:
"Ehekontrakt" vereinheitlicht zu "Ehecontract"
(als in Mariens Wohnung der Ehecontract unterzeichnet ward)

Seite 180:
"–" eingefügt
(– Konrad, sagte sie endlich und deutete nach der Thür)

Seite 187:
"zn" geändert in "zu"
(um Vorbereitungen zu einer glänzenden Hochzeit zu treffen)

Seite 192:
"unwillkürlich" vereinheitlicht zu "unwillkührlich"
(– Marie! Marie! rief Konrad unwillkührlich)

Seite 197:
"b!ieb" geändert in "blieb"
(Lauschend blieb er stehen.)

Seite 208:
"Le-" geändert in "Leben"
(ich war in meinem Leben nicht so gesund)

Seite 209:
"uud" geändert in "und"
(und sorge für ein gutes Frühstück)

Seite 226:
"die die" geändert in "die"
(ließ die holde Fischerin in kurzer Entfernung)

Seite 233:
"Vietelstunde" geändert in "Viertelstunde"
(Wohl eine Viertelstunde hatte der junge Mann hier geruht)

Seite 240:
"sein s" geändert in "seines"
(er folgte dem Drange seines Herzens)

Seite 249:
"seinem" geändert in "seinen"
(Dann setzte er seinen Weg fort.)






End of the Project Gutenberg EBook of Thekla, oder die Flucht nach der
Türkei., by August Schrader

*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK THEKLA, ODER DIE FLUCHT NACH ***

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Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of
electronic works in formats readable by the widest variety of computers
including obsolete, old, middle-aged and new computers.  It exists
because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from
people in all walks of life.

Volunteers and financial support to provide volunteers with the
assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's
goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will
remain freely available for generations to come.  In 2001, the Project
Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations.
To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4
and the Foundation information page at www.gutenberg.org


Section 3.  Information about the Project Gutenberg Literary Archive
Foundation

The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
Revenue Service.  The Foundation's EIN or federal tax identification
number is 64-6221541.  Contributions to the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent
permitted by U.S. federal laws and your state's laws.

The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S.
Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered
throughout numerous locations.  Its business office is located at 809
North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887.  Email
contact links and up to date contact information can be found at the
Foundation's web site and official page at www.gutenberg.org/contact

For additional contact information:
     Dr. Gregory B. Newby
     Chief Executive and Director
     [email protected]

Section 4.  Information about Donations to the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation

Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide
spread public support and donations to carry out its mission of
increasing the number of public domain and licensed works that can be
freely distributed in machine readable form accessible by the widest
array of equipment including outdated equipment.  Many small donations
($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
status with the IRS.

The Foundation is committed to complying with the laws regulating
charities and charitable donations in all 50 states of the United
States.  Compliance requirements are not uniform and it takes a
considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
with these requirements.  We do not solicit donations in locations
where we have not received written confirmation of compliance.  To
SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any
particular state visit www.gutenberg.org/donate

While we cannot and do not solicit contributions from states where we
have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
against accepting unsolicited donations from donors in such states who
approach us with offers to donate.

International donations are gratefully accepted, but we cannot make
any statements concerning tax treatment of donations received from
outside the United States.  U.S. laws alone swamp our small staff.

Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation
methods and addresses.  Donations are accepted in a number of other
ways including checks, online payments and credit card donations.
To donate, please visit:  www.gutenberg.org/donate


Section 5.  General Information About Project Gutenberg-tm electronic
works.

Professor Michael S. Hart was the originator of the Project Gutenberg-tm
concept of a library of electronic works that could be freely shared
with anyone.  For forty years, he produced and distributed Project
Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support.

Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed
editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S.
unless a copyright notice is included.  Thus, we do not necessarily
keep eBooks in compliance with any particular paper edition.

Most people start at our Web site which has the main PG search facility:

     www.gutenberg.org

This Web site includes information about Project Gutenberg-tm,
including how to make donations to the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to
subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks.