The Project Gutenberg EBook of Träume eines Geistersehers, erläutert
durch Träume der Metaphysik, by Immanuel Kant

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Title: Träume eines Geistersehers, erläutert durch Träume der Metaphysik

Author: Immanuel Kant

Release Date: May 10, 2011 [EBook #36076]

Language: German

Character set encoding: UTF-8

*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK TRÄUME EINES GEISTERSEHERS ***




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Anmerkungen zur Transkription:

Der Text stammt aus: Vorkritische Schriften. Band II. Hg. v. Artur Buchenau. Berlin: Bruno Cassirer 1912 (= Immanuel Kants Werke II). S. 329–390 u. 481–484 (Lesarten).

Schreibweise und Interpunktion des Originaltextes wurden übernommen; lediglich offensichtliche Druckfehler wurden korrigiert. Änderungen sind im Text gekennzeichnet, der Originaltext erscheint beim Überfahren mit der Maus. Eine Liste der vorgenommenen Änderungen findet sich am Ende des Textes.

Träume eines Geistersehers,
erläutert
durch

Träume der Metaphysik.

velut aegri somnia, vanae
Finguntur species.
HORAT.

Königsberg
bei Johann Jacob Kanter
1766

Ein Vorbericht,
der sehr wenig vor die Ausführung verspricht.

Das Schattenreich ist das Paradies der Phantasten. Hier finden sie ein unbegrenztes Land, wo sie sich nach Belieben anbauen können. Hypochondrische Dünste, Ammenmärchen und Klosterwunder lassen es ihnen an Bauzeug nicht ermangeln. Die Philosophen zeichnen den Grundriß und ändern ihn wiederum oder verwerfen ihn, wie ihre Gewohnheit ist. Nur das heilige Rom hat daselbst einträgliche Provinzen; die zwei Kronen des unsichtbaren Reichs stützen die dritte, als das hinfällige Diadem seiner irdischen Hoheit, und die Schlüssel, welche die beide Pforten der andern Welt auftun, öffnen zugleich sympathetisch die Kasten der gegenwärtigen. Dergleichen Rechtsame des Geisterreichs, insofern es durch die Gründe der Staatsklugheit bewiesen ist, erheben sich weit über alle ohnmächtige Einwürfe der Schulweisen, und ihr Gebrauch oder Mißbrauch ist schon zu ehrwürdig, als daß er sich einer so verworfenen Prüfung auszusetzen nötig hätte. Allein die gemeine Erzählungen, die so viel Glauben finden und wenigstens so schlecht bestritten sind, weswegen laufen die so ungenützt oder ungeahndet umher und schleichen sich selbst in die Lehrverfassungen ein, ob sie gleich den Beweis vom Vorteil hergenommen (argumentum ab utili) nicht vor sich haben, welcher der überzeugendste unter allen ist? Welcher Philosoph hat nicht einmal zwischen den Beteurungen eines vernünftigen und fest überredeten Augenzeugen und der inneren Gegenwehr eines unüberwindlichen Zweifels die einfältigste Figur gemacht, die man sich vorstellen kann? Soll er die Richtigkeit aller solcher Geistererscheinungen gänzlich ableugnen? Was kann er vor Gründe anführen, sie zu widerlegen?

Soll er auch nur eine einzige dieser Erzählungen als wahrscheinlich einräumen? Wie wichtig wäre ein solches Geständnis, und in welche erstaunliche Folgen sieht man hinaus, wenn auch nur eine solche Begebenheit als bewiesen vorausgesetzet werden könnte! Es ist wohl noch ein dritter Fall übrig, nämlich sich mit dergleichen vorwitzigen oder müßigen Fragen gar nicht zu bemengen und sich an das Nützliche zu halten. Weil dieser Anschlag aber vernünftig ist, so ist er jederzeit von gründlichen Gelehrten durch die Mehrheit der Stimmen verworfen worden.

Da es ebensowohl ein dummes Vorurteil ist, von vielem, das mit einigem Schein der Wahrheit erzählt wird, ohne Grund nichts zu glauben, als von dem, was das gemeine Gerüchte sagt, ohne Prüfung alles zu glauben, so ließ sich der Verfasser dieser Schrift, um dem ersten Vorurteile auszuweichen, zum Teil von dem letzteren fortschleppen. Er bekennet mit einer gewissen Demütigung, daß er so treuherzig war, der Wahrheit einiger Erzählungen von der erwähnten Art nachzuspüren. Er fand – – – wie gemeiniglich, wo man nichts zu suchen hat – – – er fand nichts. Nun ist dieses wohl an sich selbst schon eine hinlängliche Ursache, ein Buch zu schreiben; allein es kam noch dasjenige hinzu, was bescheidenen Verfassern schon mehrmalen Bücher abgedrungen hat, das ungestüme Anhalten bekannter und unbekannter Freunde. Überdem war ein großes Werk gekauft und, welches noch schlimmer ist, gelesen worden, und diese Mühe sollte nicht verloren sein. Daraus entstand nun die gegenwärtige Abhandlung, welche, wie man sich schmeichelt, den Leser nach der Beschaffenheit der Sache völlig befriedigen soll, indem er das Vornehmste nicht verstehen, das andere nicht glauben, das übrige aber belachen wird.

Der erste Teil,
welcher dogmatisch ist.

Erstes Hauptstück.
Ein verwickelter metaphysischer Knoten, den man nach Belieben auflösen oder abhauen kann.

Wenn alles dasjenige, was von Geistern der Schulknabe herbetet, der große Haufe erzählt und der Philosoph demonstriert, zusammengenommen wird, so scheinet es keinen kleinen Teil von unserem Wissen auszumachen. Nichtsdestoweniger getraue ich mich zu behaupten, daß, wenn es jemand einfiele, sich bei der Frage etwas zu verweilen, was denn das eigentlich vor ein Ding sei, wovon man unter dem Namen eines Geistes so viel zu verstehen glaubt, er alle diese Vielwisser in die beschwerlichste Verlegenheit versetzen würde. Das methodische Geschwätz der hohen Schulen ist oftmals nur ein Einverständnis, durch veränderliche Wortbedeutungen einer schwer zu lösenden Frage auszuweichen, weil das bequeme und mehrenteils vernünftige: Ich weiß nicht, auf Akademien nicht leichtlich gehöret wird. Gewisse neuere Weltweisen, wie sie sich gerne nennen lassen, kommen sehr leicht über diese Frage hinweg. Ein Geist, heißt es, ist ein Wesen, welches Vernunft hat. So ist es denn also keine Wundergabe, Geister zu sehen; denn wer Menschen sieht, der sieht Wesen, die Vernunft haben. Allein, fährt man fort, dieses Wesen, was im Menschen Vernunft hat, ist nur ein Teil vom Menschen, und dieser Teil, der ihn belebt, ist ein Geist. Wohlan denn: ehe ihr also beweiset, daß nur ein geistiges Wesen Vernunft haben könne, so sorget doch, daß ich zuvörderst verstehe, was ich mir unter einem geistigen Wesen vor einen Begriff zu machen habe. Diese Selbsttäuschung, ob sie gleich grob genug ist, um mit halboffenen Augen bemerkt zu werden, ist doch von sehr begreiflichem Ursprunge. Denn wovon man frühzeitig als ein Kind sehr viel weiß, davon ist man sicher, späterhin und im Alter nichts zu wissen, und der Mann der Gründlichkeit wird zuletzt höchstens der Sophiste seines Jugendwahnes.

Ich weiß also nicht, ob es Geister gebe, ja, was noch mehr ist, ich weiß nicht einmal, was das Wort Geist bedeute. Da ich es indessen oft selbst gebraucht oder andere habe brauchen hören, so muß doch etwas darunter verstanden werden, es mag nun dieses Etwas ein Hirngespinst oder was Wirkliches sein. Um diese versteckte Bedeutung auszuwickeln, so halte ich meinen schlecht verstandenen Begriff an allerlei Fälle der Anwendung und dadurch, daß ich bemerke, auf welchen er trifft und welchem er zuwider ist, verhoffe ich, dessen verborgenen Sinn zu entfalten.(1)

Nehmet etwa einen Raum von einem Kubikfuß und setzet, es sei etwas, das diesen Raum erfüllt, d. i. dem Eindringen jedes andern Dinges widerstehet, so wird niemand das Wesen, was auf solche Weise im Raum ist, geistig nennen. Es würde offenbar materiell heißen, weil es ausgedehnt, undurchdringlich und wie alles Körperliche der Teilbarkeit und den Gesetzen des Stoßes unterworfen ist. Bis dahin sind wir noch auf dem gebähnten Gleise anderer Philosophen. Allein denket euch ein einfaches Wesen und gebet ihm zugleich Vernunft; wird dies alsdenn die Bedeutung des Wortes Geist gerade ausfüllen? Damit ich dieses entdecke, so will ich die Vernunft dem besagten einfachen Wesen als eine innere Eigenschaft lassen, vor jetzo es aber nur in äußeren Verhältnissen betrachten. Und nunmehro frage ich: wenn ich diese einfache Substanz in jenen Raum vom Kubikfuß, der voll Materie ist, setzen will, wird alsdenn ein einfaches Element derselben den Platz räumen müssen, damit ihn dieser Geist erfülle? Meinet ihr, ja? Wohlan, so wird der gedachte Raum, um einen zweiten Geist einzunehmen, ein zweites Elementarteilchen verlieren müssen, und so wird endlich, wenn man fortfährt, ein Kubikfuß Raum von Geistern erfüllet sein, deren Klumpe ebensowohl durch Undurchdringlichkeit widerstehet, als wenn er voll Materie wäre, und ebenso wie diese der Gesetze des Stoßes fähig sein muß. Nun würden aber dergleichen Substanzen, ob sie gleich in sich Vernunftkraft haben mögen, doch äußerlich von den Elementen der Materie gar nicht unterschieden sein, bei denen man auch nur die Kräfte ihrer äußeren Gegenwart kennet und, was zu ihren inneren Eigenschaften gehören mag, gar nicht weiß. Es ist also außer Zweifel, daß eine solche Art einfacher Substanzen nicht geistige Wesen heißen würden, davon Klumpen zusammengeballet werden könnten. Ihr werdet also den Begriff eines Geistes nur beibehalten können, wenn ihr euch Wesen gedenkt, die sogar in einem von Materie erfüllten Raume gegenwärtig sein können;(2) Wesen also, welche die Eigenschaft der Undurchdringlichkeit nicht an sich haben, und deren so viele, als man auch will, vereinigt niemals ein solides Ganze ausmachen. Einfache Wesen von dieser Art werden immaterielle Wesen und, wenn sie Vernunft haben, Geister genannt werden. Einfache Substanzen aber, deren Zusammensetzung ein undurchdringliches und ausgedehntes Ganze gibt, werden materielle Einheiten, ihr Ganzes aber Materie heißen. Entweder der Name eines Geistes ist ein Wort ohne allen Sinn, oder seine Bedeutung ist die angezeigte.

Von der Erklärung, was der Begriff eines Geistes enthalte, ist der Schritt noch ungemein weit zu dem Satze, daß solche Naturen wirklich, ja auch nur möglich seien. Man findet in den Schriften der Philosophen recht gute Beweise, darauf man sich verlassen kann, daß alles, was da denkt, einfach sein müsse, daß eine jede vernünftigdenkende Substanz eine Einheit der Natur sei, und das unteilbare Ich nicht könne in einem Ganzen von viel verbundenen Dingen verteilt sein. Meine Seele wird also eine einfache Substanz sein. Aber es bleibt durch diesen Beweis noch immer unausgemacht, ob sie von der Art derjenigen sei, die in dem Raume vereinigt ein ausgedehntes und undurchdringliches Ganze geben und also materiell oder ob sie immateriell und folglich ein Geist sei, ja sogar, ob eine solche Art Wesen als diejenige, so man geistige nennet, nur möglich sei.

Und hiebei kann ich nicht umhin, vor übereilte Entscheidungen zu warnen, welche in den tiefsten und dunkelsten Fragen sich am leichtesten eindringen. Was nämlich zu den gemeinen Erfahrungsbegriffen gehört, das pflegt man gemeiniglich so anzusehen, als ob man auch seine Möglichkeit einsehe. Dagegen was von ihnen abweicht und durch keine Erfahrung, auch nicht einmal der Analogie nach, verständlich gemacht werden kann, davon kann man sich freilich keinen Begriff machen, und darum pflegt man es gerne als unmöglich sofort zu verwerfen. Alle Materie widerstehet in dem Raume ihrer Gegenwart und heißt darum undurchdringlich. Daß dieses geschehe, lehrt die Erfahrung, und die Abstraktion von dieser Erfahrung bringt in uns auch den allgemeinen Begriff der Materie hervor. Dieser Widerstand aber, den Etwas in dem Raume seiner Gegenwart leistet, ist auf solche Weise wohl erkannt, allein darum nicht begriffen. Denn es ist derselbe, sowie alles, was einer Tätigkeit entgegenwirkt, eine wahre Kraft, und da ihre Richtung derjenigen entgegensteht, wornach die fortgezogne Linien der Annäherung zielen, so ist sie eine Kraft der Zurückstoßung, welche der Materie und folglich auch ihren Elementen muß beigeleget werden. Nun wird sich ein jeder Vernünftiger bald bescheiden, daß hier die menschliche Einsicht zu Ende sei. Denn nur durch die Erfahrung kann man innewerden, daß Dinge der Welt, welche wir materiell nennen, eine solche Kraft haben, niemals aber die Möglichkeit derselben begreifen. Wenn ich nun Substanzen anderer Art setze, die mit andern Kräften im Raume gegenwärtig sind, als mit jener treibenden Kraft, deren Folge die Undurchdringlichkeit ist, so kann ich freilich eine Tätigkeit derselben, welche keine Analogie mit meinen Erfahrungsvorstellungen hat, gar nicht in concreto denken, und indem ich ihnen die Eigenschaft nehme, den Raum, in dem sie wirken, zu erfüllen, so stehet mir ein Begriff ab, wodurch mir sonsten die Dinge denklich sind, welche in meine Sinne fallen, und es muß daraus notwendig eine Art von Undenklichkeit entspringen. Allein diese kann darum nicht als eine erkannte Unmöglichkeit angesehen werden, eben darum weil das Gegenteil seiner Möglichkeit nach gleichfalls uneingesehen bleiben wird, obzwar dessen Wirklichkeit in die Sinne fällt.

Man kann demnach die Möglichkeit immaterieller Wesen annehmen ohne Besorgnis widerlegt zu werden, wiewohl auch ohne Hoffnung, diese Möglichkeit durch Vernunftgründe beweisen zu können. Solche geistige Naturen würden im Raume gegenwärtig sein, sodaß derselbe demungeachtet vor körperliche Wesen immer durchdringlich bliebe, weil ihre Gegenwart wohl eine Wirksamkeit im Raume, aber nicht dessen Erfüllung, d. i. einen Widerstand als den Grund der Solidität enthielte. Nimmt man nun eine solche einfache geistige Substanz an, so würde man unbeschadet ihrer Unteilbarkeit sagen können, daß der Ort ihrer unmittelbaren Gegenwart nicht ein Punkt, sondern selbst ein Raum sei. Denn um die Analogie zu Hülfe zu rufen, so müssen notwendig selbst die einfachen Elemente der Körper ein jegliches ein Räumchen in dem Körper erfüllen, der ein proportionierter Teil seiner ganzen Ausdehnung ist, weil Punkte gar nicht Teile, sondern Grenzen des Raumes sind. Da diese Erfüllung des Raumes vermittelst einer wirksamen Kraft (der Zurückstoßung) geschieht und also nur einen Umfang der größeren Tätigkeit, nicht aber eine Vielheit der Bestandteile des wirksamen Subjekts anzeigt, so widerstreitet sie gar nicht der einfachen Natur desselben, obgleich freilich die Möglichkeit hievon nicht weiter kann deutlich gemacht werden, welches niemals bei den ersten Verhältnissen der Ursachen und Wirkungen angeht. Ebenso wird mir zum wenigsten keine erweisliche Unmöglichkeit entgegenstehen, obschon die Sache selbst unbegreiflich bleibt, wenn ich behaupte, daß eine geistige Substanz, ob sie gleich einfach ist, dennoch einen Raum einnehme, (d. i. in ihm unmittelbar tätig sein könne), ohne ihn zu erfüllen, (d. i. materiellen Substanzen darin Widerstand zu leisten). Auch würde eine solche immaterielle Substanz nicht ausgedehnt genannt werden müssen, so wenig wie es die Einheiten der Materie sind; denn nur dasjenige, was abgesondert von allem und vor sich allein existierend einen Raum einnimmt, ist ausgedehnt; die Substanzen aber, welche Elemente der Materie sind, nehmen einen Raum nur durch die äußere Wirkung in andere ein, vor sich besonders aber, wo keine andre Dinge in Verknüpfung mit ihnen gedacht werden, und da in ihnen selbst auch nichts außereinander Befindliches anzutreffen ist, enthalten sie keinen Raum. Dieses gilt von Körperelementen. Dieses würde auch von geistigen Naturen gelten. Die Grenzen der Ausdehnung bestimmen die Figur. An ihnen würde also keine Figur gedacht werden können. Dieses sind schwer einzusehende Gründe der vermuteten Möglichkeit immaterieller Wesen in dem Weltganzen. Wer im Besitze leichterer Mittel ist, die zu dieser Einsicht führen können, der versage seinen Unterricht einem Lehrbegierigen nicht, vor dessen Augen im Fortschritt der Untersuchung sich öfters Alpen erheben, wo andere einen ebenen und gemächlichen Fußsteig vor sich sehen, den sie fortwandern oder zu wandern glauben.

Gesetzt nun, man hätte bewiesen, die Seele des Menschen sei ein Geist, (wiewohl aus dem vorigen zu sehen ist, daß ein solcher Beweis noch niemals geführet worden), so würde die nächste Frage, die man tun könnte, etwa diese sein: Wo ist der Ort dieser menschlichen Seele in der Körperwelt? Ich würde antworten: Derjenige Körper, dessen Veränderungen meine Veränderungen sind, dieser Körper ist mein Körper, und der Ort desselben ist zugleich mein Ort. Setzet man die Frage weiter fort: Wo ist denn dein Ort (der Seele) in diesem Körper, so würde ich etwas Verfängliches in dieser Frage vermuten. Denn man bemerkt leicht, daß darin etwas schon vorausgesetzet werde, was nicht durch Erfahrung bekannt ist, sondern vielleicht auf eingebildeten Schlüssen beruhet, nämlich daß mein denkendes Ich in einem Orte sei, der von den Örtern anderer Teile desjenigen Körpers, der zu meinem Selbst gehöret, unterschieden wäre. Niemand aber ist sich eines besondern Orts in seinem Körper unmittelbar bewußt, sondern desjenigen, den er als Mensch in Ansehung der Welt umher einnimmt. Ich würde mich also an der gemeinen Erfahrung halten und vorläufig sagen: Wo ich empfinde, da bin ich. Ich bin ebenso unmittelbar in der Fingerspitze wie in dem Kopfe. Ich bin es selbst, der in der Ferse leidet und welchem das Herz im Affekte klopft. Ich fühle den schmerzhaften Eindruck nicht an einer Gehirnnerve, wenn mich mein Leichdorn peinigt, sondern am Ende meiner Zehen. Keine Erfahrung lehrt mich einige Teile meiner Empfindung von mir vor entfernt zu halten, mein unteilbares Ich in ein mikroskopisch kleines Plätzchen des Gehirnes zu versperren, um von da aus den Hebezeug meiner Körpermaschine in Bewegung zu setzen oder dadurch selbst getroffen zu werden. Daher würde ich einen strengen Beweis verlangen, um dasjenige ungereimt zu finden, was die Schullehrer sagten: Meine Seele ist ganz im ganzen Körper und ganz in jedem seiner Teile. Der gesunde Verstand bemerkt oft die Wahrheit eher, als er die Gründe einsiehet, dadurch er sie beweisen oder erläutern kann. Der Einwurf würde mich auch nicht gänzlich irre machen, wenn man sagte, daß ich auf solche Art die Seele ausgedehnt und durch den ganzen Körper verbreitet gedächte, so ohngefähr wie sie den Kindern in der gemalten Welt abgebildet wird. Denn ich würde diese Hindernis dadurch wegräumen, daß ich bemerkte, die unmittelbare Gegenwart in einem ganzen Raume beweise nur eine Sphäre der äußeren Wirksamkeit, aber nicht eine Vielheit innerer Teile, mithin auch keine Ausdehnung oder Figur, als welche nur stattfinden, wenn in einem Wesen vor sich allein gesetzt ein Raum ist, d. i. Teile anzutreffen sind, die sich außerhalb einander befinden. Endlich würde ich entweder dieses wenige von der geistigen Eigenschaft meiner Seele wissen oder, wenn man es nicht einwilligte, auch zufrieden sein, davon gar nichts zu wissen.

Wollte man diesen Gedanken die Unbegreiflichkeit oder, welches bei den meisten vor einerlei gilt, ihre Unmöglichkeit vorrücken, so könnte ich es auch geschehen lassen. Alsdenn würde ich mich zu den Füßen dieser Weisen niederlassen, um sie also reden zu hören: Die Seele des Menschen hat ihren Sitz im Gehirne, und ein unbeschreiblich kleiner Platz in demselben ist ihr Aufenthalt.(3) Daselbst empfindet sie wie die Spinne im Mittelpunkte ihres Gewebes. Die Nerven des Gehirnes stoßen oder erschüttern sie, dadurch verursachen sie aber, daß nicht dieser unmittelbare Eindruck, sondern der, so auf ganz entlegene Teile des Körpers geschieht, jedoch als ein außerhalb dem Gehirne gegenwärtiges Objekt vorgestellet wird. Aus diesem Sitze bewegt sie auch die Seile und Hebel der ganzen Maschine und verursacht willkürliche Bewegungen nach ihrem Belieben. Dergleichen Sätze lassen sich nur sehr seichte oder gar nicht beweisen und, weil die Natur der Seele im Grunde nicht bekannt gnug ist, auch nur ebenso schwach widerlegen. Ich würde also mich in keine Schulgezänke einlassen, wo gemeiniglich beide Teile alsdenn am meisten zu sagen haben, wenn sie von ihrem Gegenstande gar nichts verstehen; sondern ich würde lediglich den Folgerungen nachgehen, auf die mich eine Lehre von dieser Art leiten kann. Weil also nach denen mir angepriesenen Sätzen meine Seele, in der Art wie sie im Raume gegenwärtig ist, von jedem Element der Materie nicht unterschieden wäre, und die Verstandeskraft eine innere Eigenschaft ist, welche ich in diesen Elementen doch nicht wahrnehmen könnte, wenngleich selbige in ihnen allen angetroffen würde, so könnte kein tauglicher Grund angeführet werden, weswegen nicht meine Seele eine von den Substanzen sei, welche die Materie ausmachen, und warum nicht ihre besondere Erscheinungen lediglich von dem Orte herrühren sollten, den sie in einer künstlichen Maschine, wie der tierische Körper ist, einnimmt, wo die Nervenvereinigung der inneren Fähigkeit des Denkens und der Willkür zustatten kommt. Alsdenn aber würde man kein eigentümliches Merkmal der Seele mehr mit Sicherheit erkennen, welches sie von dem rohen Grundstoffe der körperlichen Naturen unterschiede, und LEIBNIZENS scherzhafter Einfall, nach welchem wir vielleicht im Kaffee Atomen verschluckten, woraus Menschenseelen werden sollen, wäre nicht mehr ein Gedanke zum Lachen. Würde aber auf solchen Fall dieses denkende Ich nicht dem gemeinen Schicksale materieller Naturen unterworfen sein und, wie es durch den Zufall aus dem Chaos aller Elemente gezogen worden, um eine tierische Maschine zu beleben, warum sollte es, nachdem diese zufällige Vereinigung aufgehört hat, nicht auch künftig dahin wiederum zurückkehren? Es ist bisweilen nötig, den Denker, der auf unrechtem Wege ist, durch die Folgen zu erschrecken, damit er aufmerksamer auf die Grundsätze werde, durch welche er sich gleichsam träumend hat fortführen lassen.

Ich gestehe, daß ich sehr geneigt sei, das Dasein immaterieller Naturen in der Welt zu behaupten und meine Seele selbst in die Klasse dieser Wesen zu versetzen.(4) Alsdenn aber, wie geheimnisvoll wird nicht die Gemeinschaft zwischen einem Geiste und einem Körper? Aber wie natürlich ist nicht zugleich diese Unbegreiflichkeit, da unsere Begriffe äußerer Handlungen von denen der Materie abgezogen worden und jederzeit mit den Bedingungen des Druckes oder Stoßes verbunden sind, die hier nicht stattfinden? Denn wie sollte wohl eine immaterielle Substanz der Materie im Wege liegen, damit diese in ihrer Bewegung auf einen Geist stoße, und wie können körperliche Dinge Wirkungen auf ein fremdes Wesen ausüben, das ihnen nicht Undurchdringlichkeit entgegenstellet, oder welches sie auf keine Weise hindert, sich in demselben Raume, darin es gegenwärtig ist, zugleich zu befinden? Es scheinet, ein geistiges Wesen sei der Materie innigst gegenwärtig, mit der es verbunden ist und wirke nicht auf diejenige Kräfte der Elemente, womit diese untereinander in Verhältnissen sind, sondern auf das innere Principium ihres Zustandes. Denn eine jede Substanz, selbst ein einfaches Element der Materie muß doch irgend eine innere Tätigkeit als den Grund der äußerlichen Wirksamkeit haben, wenn ich gleich nicht anzugeben weiß, worin solche bestehe.(5) Andererseits würde bei solchen Grundsätzen die Seele auch in diesen innern Bestimmungen als Wirkungen den Zustand des Universum anschauend erkennen, der die Ursache derselben ist. Welche Notwendigkeit aber verursache, daß ein Geist und ein Körper zusammen Eines ausmache, und welche Gründe bei gewissen Zerstörungen diese Einheit wiederum aufheben, diese Fragen übersteigen nebst verschiedenen andern sehr weit meine Einsicht, und wie wenig ich auch sonst dreiste bin, meine Verstandesfähigkeit an den Geheimnissen der Natur zu messen, so bin ich gleichwohl zuversichtlich gnug, keinen noch so fürchterlich ausgerüsteten Gegner zu scheuen, (wenn ich sonsten einige Neigung zum Streiten hätte), um in diesem Falle mit ihm den Versuch der Gegengründe im Widerlegen zu machen, der bei den Gelehrten eigentlich die Geschicklichkeit ist, einander das Nichtwissen zu demonstrieren.

Zweites Hauptstück.
Ein Fragment der geheimen Philosophie, die Gemeinschaft mit der Geisterwelt zu eröffnen.

Der Initiat hat schon den groben und an den äußerlichen Sinnen klebenden Verstand zu höhern und abgezogenen Begriffen gewöhnt, und nun kann er geistige und von körperlichen Zeuge enthüllete Gestalten in derjenigen Dämmerung sehen, womit das schwache Licht der Metaphysik das Reich der Schatten sichtbar macht. Wir wollen daher nach der beschwerlichen Vorbereitung, welche überstanden ist, uns auf den gefährlichen Weg wagen.

Ibant obscuri sola sub nocte per umbras,
Perque domos Ditis vacuas et inania regna.
VIRGILIUS.

Die tote Materie, welche den Weltraum erfüllet, ist ihrer eigentümlichen Natur nach im Stande der Trägheit und der Beharrlichkeit in einerlei Zustande, sie hat Solidität, Ausdehnung und Figur, und ihre Erscheinungen, die auf allen diesen Gründen beruhen, lassen eine physische Erklärung zu, die zugleich mathematisch ist und zusammen mechanisch genannt wird. Wenn man andererseits seine Achtsamkeit auf diejenige Art Wesen richtet, welche den Grund des Lebens in dem Weltganzen enthalten, die um deswillen nicht von der Art sind, daß sie als Bestandteile den Klumpen und die Ausdehnung der leblosen Materie vermehren, noch von ihr nach den Gesetzen der Berührung und des Stoßes leiden, sondern vielmehr durch innere Tätigkeit sich selbst und überdem den toten Stoff der Natur rege machen, so wird man, wo nicht mit der Deutlichkeit einer Demonstration, doch wenigstens mit der Vorempfindung eines nicht ungeübten Verstandes sich von dem Dasein immaterieller Wesen überredet finden, deren besondere Wirkungsgesetze pneumatisch und, soferne die körperliche Wesen Mittelursachen ihrer Wirkungen in der materiellen Welt sind, organisch genannt werden. Da diese immaterielle Wesen selbsttätige Prinzipien sind, mithin Substanzen und vor sich bestehende Naturen, so ist diejenige Folge, auf die man zunächst gerät, diese, daß sie untereinander, unmittelbar vereinigt, vielleicht ein großes Ganze ausmachen mögen, welches man die immaterielle Welt (mundus intelligibilis) nennen kann. Denn mit welchem Grunde der Wahrscheinlichkeit wollte man wohl behaupten, daß dergleichen Wesen von einander ähnlicher Natur nur vermittelst anderer (körperlichen Dinge) von fremder Beschaffenheit in Gemeinschaft stehen könnten, indem dieses letztere noch viel rätselhafter als das erste ist?

Diese immaterielle Welt kann also als ein vor sich bestehendes Ganze angesehen werden, deren Teile untereinander in wechselseitiger Verknüpfung und Gemeinschaft stehen, auch ohne Vermittelung körperlicher Dinge, sodaß dieses letztere Verhältnis zufällig ist und nur einigen zukommen darf, ja, wo sie auch angetroffen wird, nicht hindert, daß nicht eben die immaterielle Wesen, welche durch die Vermittelung der Materie ineinander wirken, außer diesem noch in einer besondern und durchgängigen Verbindung stehen und jederzeit untereinander als immaterielle Wesen wechselseitige Einflüsse ausüben, sodaß das Verhältnis derselben vermittelst der Materie nur zufällig und auf einer besonderen göttlichen Anstalt beruhet, jene hingegen natürlich und unauflöslich ist.

Indem man denn auf solche Weise alle Prinzipien des Lebens in der ganzen Natur als so viel unkörperliche Substanzen untereinander in Gemeinschaft, aber auch zum Teil mit der Materie vereinigt zusammennimmt, so gedenkt man sich ein großes Ganze der immateriellen Welt, eine unermeßliche, aber unbekannte Stufenfolge von Wesen und tätigen Naturen, durch welche der tote Stoff der Körperwelt allein belebt wird. Bis auf welche Glieder aber der Natur Leben ausgebreitet sei, und welche diejenigen Grade desselben seien, die zunächst an die völlige Leblosigkeit grenzen, ist vielleicht unmöglich, jemals mit Sicherheit auszumachen. Der Hylozoismus belebt alles, der Materialismus dagegen, wenn er genau erwogen wird, tötet alles. MAUPERTUIS maß den organischen Nahrungsteilchen aller Tiere den niedrigsten Grad Leben bei; andere Philosophen sehen an ihnen nichts als tote Klumpen, welche nur dienen, den Hebezeug der tierischen Maschinen zu vergrößern. Das ungezweifelte Merkmal des Lebens an dem, was in unsere äußere Sinne fällt, ist wohl die freie Bewegung, die da blicken läßt, daß sie aus Willkür entsprungen sei; allein der Schluß ist nicht sicher, daß, wo dieses Merkmal nicht angetroffen wird, auch kein Grad des Lebens befindlich sei. BOERHAAVE sagt an einem Orte: Das Tier ist eine Pflanze, die ihre Wurzel im Magen (inwendig) hat. Vielleicht könnte ein anderer ebenso ungetadelt mit diesen Begriffen spielen und sagen: Die Pflanze ist ein Tier, das seinen Magen in der Wurzel (äußerlich) hat. Daher auch den letzteren die Organen der willkürlichen Bewegung und mit ihnen die äußerliche Merkmale des Lebens fehlen können, die doch den ersteren notwendig sind, weil ein Wesen, welches die Werkzeuge seiner Ernährung in sich hat, sich selbst seiner Bedürfnis gemäß muß bewegen können, dasjenige aber, an welchem dieselbe außerhalb und in dem Elemente seiner Unterhaltung eingesenkt sind, schon gnugsam durch äußere Kräfte erhalten wird und, wenn es gleich ein Principium des inneren Lebens in der Vegetation enthält, doch keine organische Einrichtung zur äußerlichen willkürlichen Tätigkeit bedarf. Ich verlange nichts von allem diesen auf Beweisgründe; denn außerdem, daß ich sehr wenig zum Vorteil von dergleichen Mutmaßungen würde zu sagen haben, so haben sie noch als bestäubte veraltete Grillen den Spott der Mode wider sich. Die Alten glaubten nämlich dreierlei Art vom Leben annehmen zu können, das pflanzenartige, das tierische und das vernünftige. Wenn sie die drei immaterielle Prinzipien derselben in dem Menschen vereinigten, so möchten sie wohl unrecht haben, wenn sie aber solche unter die dreierlei Gattungen der wachsenden und ihresgleichen erzeugenden Geschöpfe verteileten, so sagten sie freilich wohl etwas Unerweisliches, aber darum noch nicht Ungereimtes, vornehmlich in dem Urteile desjenigen, der das besondere Leben der von einigen Tieren abgetrenneten Teile, die Irritabilität, diese so wohl erwiesene, aber auch zugleich so unerklärliche Eigenschaft der Fasern eines tierischen Körpers und einiger Gewächse, und endlich die nahe Verwandtschaft der Polypen und anderer Zoophyten mit den Gewächsen in Betracht ziehen wollte. Übrigens ist die Berufung auf immaterielle Prinzipien eine Zuflucht der faulen Philosophie und darum auch die Erklärungsart in diesem Geschmacke nach aller Möglichkeit zu vermeiden, damit diejenigen Gründe der Welterscheinungen, welche auf den Bewegungsgesetzen der bloßen Materie beruhen, und welche auch einzig und allein der Begreiflichkeit fähig sind, in ihrem ganzen Umfange erkannt werden. Gleichwohl bin ich überzeugt, daß STAHL, welcher die tierische Veränderungen gerne organisch erklärt, oftmals der Wahrheit näher sei, als HOFMANN, BOERHAAVE u. a. m., welche die immaterielle Kräfte aus dem Zusammenhange lassen, sich an die mechanische Gründe halten und hierin einer mehr philosophischen Methode folgen, die wohl bisweilen fehlt, aber mehrmalen zutrifft, und die auch allein in der Wissenschaft von nützlicher Anwendung ist, wenn anderseits von dem Einflusse der Wesen von unkörperlicher Natur höchstens nur erkannt werden kann, daß er da sei, niemals aber, wie er zugehe und wie weit sich seine Wirksamkeit erstrecke.

So würde denn also die immaterielle Welt zuerst alle erschaffene Intelligenzen, deren einige mit der Materie zu einer Person verbunden sind, andere aber nicht, in sich befassen, überdem die empfindende Subjekte in allen Tierarten und endlich alle Prinzipien des Lebens, welche sonst noch in der Natur wo sein mögen, ob dieses sich gleich durch keine äußerliche Kennzeichen der willkürlichen Bewegung offenbarete. Alle diese immaterielle Naturen, sage ich, sie mögen nun ihre Einflüsse in der Körperwelt ausüben oder nicht, alle vernünftige Wesen, deren zufälliger Zustand tierisch ist, es sei hier auf der Erde oder in andern Himmelskörpern, sie mögen den rohen Zeug der Materie jetzt oder künftig beleben oder ehedem belebt haben, würden nach diesen Begriffen in einer ihrer Natur gemäßen Gemeinschaft stehen, die nicht auf den Bedingungen beruht, wodurch die Verhältnis der Körper eingeschränkt ist, und wo die Entfernung der Örter oder der Zeitalter, welche in der sichtbaren Welt die große Kluft ausmacht, die alle Gemeinschaft aufhebt, verschwindet. Die menschliche Seele würde daher schon in dem gegenwärtigen Leben als verknüpft mit zweien Welten zugleich müssen angesehen werden, von welchen sie, soferne sie zu persönlicher Einheit mit einem Körper verbunden ist, die materielle allein klar empfindet, dagegen als ein Glied der Geisterwelt die reine Einflüsse immaterieller Naturen empfängt und erteilet, sodaß, sobald jene Verbindung aufgehört hat, die Gemeinschaft, darin sie jederzeit mit geistigen Naturen stehet, allein übrig bleibt und sich ihrem Bewußtsein zum klaren Anschauen eröffnen müßte.(6)

Es wird mir nachgerade beschwerlich, immer die behutsame Sprache der Vernunft zu führen. Warum sollte es mir nicht auch erlaubt sein, im akademischen Tone zu reden, der entscheidender ist und sowohl den Verfasser als den Leser des Nachdenkens überhebt, welches über lang oder kurz beide nur zu einer verdrießlichen Unentschlossenheit führen muß. Es ist demnach so gut als demonstriert, oder es könnte leichtlich bewiesen werden, wenn man weitläuftig sein wollte oder noch besser, es wird künftig, ich weiß nicht wo oder wenn, noch bewiesen werden, daß die menschliche Seele auch in diesem Leben in einer unauflöslich verknüpften Gemeinschaft mit allen immateriellen Naturen der Geisterwelt stehe, daß sie wechselweise in diese wirke und von ihnen Eindrücke empfange, deren sie sich aber als Mensch nicht bewußt ist, solange alles wohl steht. Andererseits ist es auch wahrscheinlich, daß die geistige Naturen unmittelbar keine sinnliche Empfindung von der Körperwelt mit Bewußtsein haben können, weil sie mit keinem Teil der Materie zu einer Person verbunden sind, um sich vermittelst desselben ihres Orts in dem materiellen Weltganzen und durch künstliche Organen der Verhältnis der ausgedehnten Wesen gegen sich und gegen einander bewußt zu werden, daß sie aber wohl in die Seelen der Menschen als Wesen von einerlei Natur einfließen können und auch wirklich jederzeit mit ihnen in wechselseitiger Gemeinschaft stehen, doch so, daß in der Mitteilung der Vorstellungen diejenige, welche die Seele als ein von der Körperwelt abhängendes Wesen in sich enthält, nicht in andere geistige Wesen und die Begriffe der letzteren, als anschauende Vorstellungen von immateriellen Dingen, nicht in das klare Bewußtsein des Menschen übergehen können, wenigstens nicht in ihrer eigentlichen Beschaffenheit, weil die Materialien zu beiderlei Ideen von verschiedener Art sind.

Es würde schön sein, wenn eine dergleichen systematische Verfassung der Geisterwelt, als wir sie vorstellen, nicht lediglich aus dem Begriffe von der geistigen Natur überhaupt, der gar zu sehr hypothetisch ist, sondern aus irgendeiner wirklichen und allgemein zugestandenen Beobachtung könnte geschlossen, oder auch nur wahrscheinlich vermutet werden. Daher wage ich es auf die Nachsicht des Lesers, einen Versuch von dieser Art hier einzuschalten, der zwar etwas außer meinem Wege liegt und auch von der Evidenz weit gnug entfernet ist, gleichwohl aber zu nicht unangenehmen Vermutungen Anlaß zu geben scheinet.

* * *

Unter den Kräften, die das menschliche Herz bewegen, scheinen einige der mächtigsten außerhalb demselben zu liegen, die also nicht etwa als bloße Mittel sich auf die Eigennützigkeit und Privatbedürfnis als auf ein Ziel, das innerhalb dem Menschen selbst liegt, beziehen, sondern welche machen, daß die Tendenzen unserer Regungen den Brennpunkt ihrer Vereinigung außer uns in andere vernünftige Wesen versetzen; woraus ein Streit zweier Kräfte entspringt, nämlich der Eigenheit, die alles auf sich beziehet, und der Gemeinnützigkeit, dadurch das Gemüt gegen andere außer sich getrieben oder gezogen wird. Ich halte mich bei dem Triebe nicht auf, vermöge dessen wir so stark und so allgemein am Urteile anderer hängen und fremde Billigung oder Beifall zur Vollendung des unsrigen vor uns selbst so nötig zu sein erachten, woraus, wenngleich bisweilen ein übelverstandener Ehrenwahn entspringt, dennoch selbst in der uneigennützigsten und wahrhaftesten Gemütsart ein geheimer Zug verspürt wird, dasjenige, was man vor sich selbst als gut oder wahr erkennt, mit dem Urteil anderer zu vergleichen, um beide einstimmig zu machen, imgleichen eine jede menschliche Seele auf dem Erkenntniswege gleichsam anzuhalten, wenn sie einen andern Fußsteig zu gehen scheint, als den wir eingeschlagen haben, welches alles vielleicht eine empfundene Abhängigkeit unserer eigenen Urteile vom allgemeinen menschlichen Verstande ist und ein Mittel wird, dem Ganzen denkender Wesen eine Art von Vernunfteinheit zu verschaffen.

Ich übergehe aber diese sonst nicht unerhebliche Betrachtung und halte mich vor jetzt an eine andere, welche einleuchtender und beträchtlicher ist, so viel es unsere Absicht betrifft. Wenn wir äußere Dinge auf unsere Bedürfnis beziehen, so können wir dieses nicht tun, ohne uns zugleich durch eine gewisse Empfindung gebunden und eingeschränkt zu fühlen, die uns merken läßt, daß in uns gleichsam ein fremder Wille wirksam sei, und unser eigen Belieben die Bedingung von äußerer Beistimmung nötig habe. Eine geheime Macht nötiget uns, unsere Absicht zugleich auf anderer Wohl oder nach fremder Willkür zu richten, ob dieses gleich öfters ungern geschieht und der eigennützigen Neigung stark widerstreitet, und der Punkt, wohin die Richtungslinien unserer Triebe zusammenlaufen, ist also nicht bloß in uns, sondern es sind noch Kräfte, die uns bewegen, in dem Wollen anderer außer uns. Daher entspringen die sittlichen Antriebe, die uns oft wider den Dank des Eigennutzes fortreißen, das starke Gesetz der Schuldigkeit und das schwächere der Gütigkeit, deren jede uns manche Aufopferung abdringt, und obgleich beide dann und wann durch eigennützige Neigungen überwogen werden, doch nirgend in der menschlichen Natur ermangeln, ihre Wirklichkeit zu äußern. Dadurch sehen wir uns in den geheimsten Beweggründen abhängig von der Regel des allgemeinen Willens, und es entspringt daraus in der Welt aller denkenden Naturen eine moralische Einheit und systematische Verfassung nach bloß geistigen Gesetzen. Will man diese in uns empfundene Nötigung unseres Willens zur Einstimmung mit dem allgemeinen Willen das sittliche Gefühl nennen, so redet man davon nur als von einer Erscheinung dessen, was in uns wirklich vorgeht, ohne die Ursachen derselben auszumachen. So nannte NEWTON das sichere Gesetz der Bestrebungen aller Materie, sich einander zu nähern die Gravitation derselben, indem er seine mathematische Demonstrationen nicht in eine verdrießliche Teilnehmung an philosophischen Streitigkeiten verflechten wollte, die sich über die Ursache derselben eräugnen könnten. Gleichwohl trug er kein Bedenken, diese Gravitation als eine wahre Wirkung einer allgemeinen Tätigkeit der Materie ineinander zu behandeln und gab ihr daher auch den Namen der Anziehung. Sollte es nicht möglich sein, die Erscheinung der sittlichen Antriebe in den denkenden Naturen, wie solche sich aufeinander wechselsweise beziehen, gleichfalls als die Folge einer wahrhaftig tätigen Kraft, dadurch geistige Naturen ineinander einfließen, vorzustellen, sodaß das sittliche Gefühl diese empfundene Abhängigkeit des Privatwillens vom allgemeinen Willen wäre und eine Folge der natürlichen und allgemeinen Wechselwirkung, dadurch die immaterielle Welt ihre sittliche Einheit erlangt, indem sie sich nach den Gesetzen dieses ihr eigenen Zusammenhanges zu einem System von geistiger Vollkommenheit bildet? Wenn man diesen Gedanken so viel Scheinbarkeit zugesteht als erforderlich ist, um die Mühe zu verdienen, sie an ihren Folgen zu messen, so wird man vielleicht durch den Reiz derselben unvermerkt in einige Parteilichkeit gegen sie verflochten werden. Denn es scheinen in diesem Falle die Unregelmäßigkeiten mehrenteils zu verschwinden, die sonsten bei dem Widerspruch der moralischen und physischen Verhältnisse der Menschen hier auf der Erde so befremdlich in die Augen fallen. Alle Moralität der Handlungen kann nach der Ordnung der Natur niemals ihre vollständige Wirkung in dem leiblichen Leben des Menschen haben, wohl aber in der Geisterwelt nach pneumatischen Gesetzen. Die wahre Absichten, die geheime Beweggründe vieler aus Ohnmacht fruchtlosen Bestrebungen, der Sieg über sich selbst, oder auch bisweilen die verborgene Tücke bei scheinbarlich guten Handlungen sind mehrenteils vor den physischen Erfolg in dem körperlichen Zustande verloren, sie würden aber auf solche Weise in der immateriellen Welt als fruchtbare Gründe angesehen werden müssen und in Ansehung ihrer nach pneumatischen Gesetzen zufolge der Verknüpfung des Privatwillens und des allgemeinen Willens, d. i. der Einheit und des Ganzen der Geisterwelt, eine der sittlichen Beschaffenheit der freien Willkür angemessene Wirkung ausüben oder auch gegenseitig empfangen. Denn weil das Sittliche der Tat den inneren Zustand des Geistes betrifft, so kann es auch natürlicherweise nur in der unmittelbaren Gemeinschaft der Geister die der ganzen Moralität adäquate Wirkung nach sich ziehen. Dadurch würde es nun geschehen, daß die Seele des Menschen schon in diesem Leben dem sittlichen Zustande zufolge ihre Stelle unter den geistigen Substanzen des Universum einnehmen müßte, so wie nach den Gesetzen der Bewegung die Materien des Weltraums sich in solche Ordnung gegeneinander setzen, die ihren Körperkräften gemäß ist.(7) Wenn denn endlich durch den Tod die Gemeinschaft der Seele mit der Körperwelt aufgehoben worden, so würde das Leben in der andern Welt nur eine natürliche Fortsetzung derjenigen Verknüpfung sein, darin sie mit ihr schon in diesem Leben gestanden war, und die gesamte Folgen der hier ausgeübten Sittlichkeit würden sich dort in denen Wirkungen wieder finden, die ein mit der ganzen Geisterwelt in unauflöslicher Gemeinschaft stehendes Wesen schon vorher daselbst nach pneumatischen Gesetzen ausgeübt hat. Die Gegenwart und die Zukunft würden also gleichsam aus einem Stücke sein und ein stetiges Ganze ausmachen, selbst nach der Ordnung der Natur. Dieser letztere Umstand ist von besonderer Erheblichkeit. Denn in einer Vermutung nach bloßen Gründen der Vernunft ist es eine große Schwierigkeit, wenn man, um den Übelstand zu heben, der aus der unvollendeten Harmonie zwischen der Moralität und ihren Folgen in dieser Welt entspringt, zu einem außerordentlichen göttlichen Willen seine Zuflucht nehmen muß, weil, so wahrscheinlich auch das Urteil über denselben nach unseren Begriffen von der göttlichen Weisheit sein mag, immer ein starker Verdacht übrig bleibt, daß die schwache Begriffe unseres Verstandes vielleicht auf den Höchsten sehr verkehrt übertragen worden, da des Menschen Obliegenheit nur ist, von dem göttlichen Willen zu urteilen aus der Wohlgereimtheit, die er wirklich in der Welt wahrnimmt, oder welche er nach der Regel der Analogie gemäß der Naturordnung darin vermuten kann, nicht aber nach dem Entwurfe seiner eigenen Weisheit, den er zugleich dem göttlichen Willen zur Vorschrift macht, befugt ist, neue und willkürliche Anordnungen in der gegenwärtigen oder künftigen Welt zu ersinnen.

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Wir lenken nunmehr unsere Betrachtung wiederum in den vorigen Weg ein und nähern uns dem Ziele, welches wir uns vorgesetzt hatten. Wenn es sich mit der Geisterwelt und dem Anteile, den unsere Seele an ihr hat, so verhält, wie der Abriß, den wir erteilten, ihn vorstellt, so scheinet fast nichts befremdlicher zu sein, als daß die Geistergemeinschaft nicht eine ganz allgemeine und gewöhnliche Sache ist, und das Außerordentliche betrifft fast mehr die Seltenheit der Erscheinungen, als die Möglichkeit derselben. Diese Schwierigkeit läßt sich indessen ziemlich gut heben und ist zum Teil auch schon gehoben worden. Denn die Vorstellung, die die Seele des Menschen von sich selbst als einem Geiste durch ein immaterielles Anschauen hat, indem sie sich in Verhältnis gegen Wesen von ähnlicher Natur betrachtet, ist von derjenigen ganz verschieden, da ihr Bewußtsein sich selbst als einen Menschen vorstellt durch ein Bild, das seinen Ursprung aus dem Eindrucke körperlicher Organen hat, und welches in Verhältnis gegen keine andere als materielle Dinge vorgestellt wird. Es ist demnach zwar einerlei Subjekt, was der sichtbaren und unsichtbaren Welt zugleich als ein Glied angehört, aber nicht ebendieselbe Person, weil die Vorstellungen der einen ihrer verschiedenen Beschaffenheit wegen keine begleitende Ideen von denen der andern Welt sind und daher, was ich als Geist denke, von mir als Mensch nicht erinnert wird, und umgekehrt mein Zustand als eines Menschen in die Vorstellung meiner selbst als eines Geistes gar nicht hineinkommt. Übrigens mögen die Vorstellungen von der Geisterwelt so klar und anschauend sein, wie man will,(8) so ist dieses doch nicht hinlänglich, um mich deren als Mensch bewußt zu werden; wie denn sogar die Vorstellung seiner selbst (d. i. der Seele) als eines Geistes wohl durch Schlüsse erworben wird, bei keinem Menschen aber ein anschauender und Erfahrungsbegriff ist.

Diese Ungleichartigkeit der geistigen Vorstellungen und derer, die zum leiblichen Leben des Menschen gehören, darf indessen nicht als eine so große Hindernis angesehen werden, daß sie alle Möglichkeit aufhebe, sich bisweilen der Einflüsse von seiten der Geisterwelt sogar in diesem Leben bewußt zu werden. Denn sie können in das persönliche Bewußtsein des Menschen zwar nicht unmittelbar, aber doch so übergehen, daß sie nach dem Gesetz der vergesellschafteten Begriffe diejenige Bilder rege machen, die mit ihnen verwandt sind und analogische Vorstellungen unserer Sinne erwecken, die wohl nicht der geistige Begriff selber, aber doch deren Symbolen sind. Denn es ist doch immer ebendieselbe Substanz, die zu dieser Welt sowohl als zu der andern wie ein Glied gehöret, und beiderlei Art von Vorstellungen gehören zu demselben Subjekte und sind miteinander verknüpft. Die Möglichkeit hievon können wir einigermaßen dadurch faßlich machen, wenn wir betrachten, wie unsere höhere Vernunftbegriffe, welche sich den geistigen ziemlich nähern, gewöhnlichermaßen gleichsam ein körperlich Kleid annehmen, um sich in Klarheit zu setzen. Daher die moralische Eigenschaften der Gottheit unter den Vorstellungen des Zorns, der Eifersucht, der Barmherzigkeit, der Rache, u. d. g. vorgestellt werden; daher personifizieren Dichter die Tugenden, Laster oder andere Eigenschaften der Natur, doch so, daß die wahre Idee des Verstandes hindurchscheinet; so stellt der Geometra die Zeit durch eine Linie vor, obgleich Raum und Zeit nur eine Übereinkunft in Verhältnissen haben und also wohl der Analogie nach, niemals aber der Qualität nach miteinander übereintreffen; daher nimmt die Vorstellung der göttlichen Ewigkeit selbst bei Philosophen den Schein einer unendlichen Zeit an, so sehr wie man sich auch hütet, beide zu vermengen, und eine große Ursache, weswegen die Mathematiker gemeiniglich abgeneigt sind, die Leibnizische Monaden einzuräumen, ist wohl diese, daß sie nicht umhin können, sich an ihnen kleine Klümpchen vorzustellen. Daher ist es nicht unwahrscheinlich, daß geistige Empfindungen in das Bewußtsein übergehen könnten, wenn sie Phantaseien erregen, die mit ihnen verwandt sind. Auf diese Art würden Ideen, die durch einen geistigen Einfluß mitgeteilt sind, sich in die Zeichen derjenigen Sprache einkleiden, die der Mensch sonsten im Gebrauch hat, die empfundene Gegenwart eines Geistes in das Bild einer menschlichen Figur, Ordnung und Schönheit der immateriellen Welt in Phantasien, die unsere Sinne sonst im Leben vergnügen, u. s. w.

Diese Art der Erscheinungen kann gleichwohl nicht etwas Gemeines und Gewöhnliches sein, sondern sich nur bei Personen eräugnen, deren Organen(9) eine ungewöhnlich große Reizbarkeit haben, die Bilder der Phantasie dem innern Zustande der Seele gemäß durch harmonische Bewegung mehr zu verstärken, als gewöhnlicherweise bei gesunden Menschen geschieht und auch geschehen soll. Solche seltsame Personen würden in gewissen Augenblicken mit der Apparenz mancher Gegenstände als außer ihnen angefochten sein, welche sie vor eine Gegenwart von geistigen Naturen halten würden, die auf ihre körperliche Sinne fiele, obgleich hiebei nur ein Blendwerk der Einbildung vorgeht, doch so, daß die Ursache davon ein wahrhafter geistiger Einfluß ist, der nicht unmittelbar empfunden werden kann, sondern sich nur durch verwandte Bilder der Phantasie, welche den Schein der Empfindungen annehmen, zum Bewußtsein offenbaret.

Die Erziehungsbegriffe oder auch mancherlei sonst eingeschlichene Wahn würden hiebei ihre Rolle spielen, wo Verblendung mit Wahrheit untermengt wird, und eine wirkliche geistige Empfindung zwar zum Grunde liegt, die doch in Schattenbilder der sinnlichen Dinge umgeschaffen worden. Man wird aber auch zugeben, daß die Eigenschaft, auf solche Weise die Eindrücke der Geisterwelt in diesem Leben zum klaren Anschauen auszuwickeln, schwerlich wozu nützen könne; weil dabei die geistige Empfindung notwendig so genau in das Hirngespenst der Einbildung verwebt wird, daß es unmöglich sein muß, in derselben das Wahre von den groben Blendwerken, die es umgeben, zu unterscheiden. Imgleichen würde ein solcher Zustand, da er ein verändertes Gleichgewicht in den Nerven voraussetzt, welche sogar durch die Wirksamkeit der bloß geistig empfindenden Seele in unnatürliche Bewegung versetzet werden, eine wirkliche Krankheit anzeigen. Endlich würde es gar nicht befremdlich sein, an einem Geisterseher zugleich einen Phantasten anzutreffen, zum wenigsten in Ansehung der begleitenden Bilder von diesen seinen Erscheinungen, weil Vorstellungen, die ihrer Natur nach fremd und mit denen im leiblichen Zustande des Menschen unvereinbar sind, sich hervordrängen, und übelgepaarte Bilder in die äußere Empfindung hereinziehen, wodurch wilde Chimären und wunderliche Fratzen ausgeheckt werden, die in langem Geschleppe den betrogenen Sinnen vorgaukeln, ob sie gleich einen wahren geistigen Einfluß zum Grunde haben mögen.

Nunmehro kann man nicht verlegen sein, von denen Gespenstererzählungen, die den Philosophen so oft in den Weg kommen, imgleichen allerlei Geistereinflüssen, von denen hie oder da die Rede geht, scheinbare Vernunftgründe anzugeben. Abgeschiedene Seelen und reine Geister können zwar niemals unsern äußeren Sinnen gegenwärtig sein, noch sonst mit der Materie in Gemeinschaft stehen, aber wohl auf den Geist des Menschen, der mit ihnen zu einer großen Republik gehört, wirken, so, daß die Vorstellungen, welche sie in ihm erwecken, sich nach dem Gesetze seiner Phantasei in verwandte Bilder einkleiden und die Apparenz der ihnen gemäßen Gegenstände als außer ihm erregen. Diese Täuschung kann einen jeden Sinn betreffen, und so sehr dieselbe auch mit ungereimten Hirngespinsten untermengt wäre, so dürfte man sich dieses nicht abhalten lassen, hierunter geistige Einflüsse zu vermuten. Ich würde der Scharfsichtigkeit des Lesers zu nahe treten, wenn ich mich bei der Anwendung dieser Erklärungsart noch aufhalten wollte. Denn metaphysische Hypothesen haben eine so ungemeine Biegsamkeit an sich, daß man sehr ungeschickt sein müßte, wenn man die gegenwärtige nicht einer jeden Erzählung bequemen könnte, sogar ehe man ihre Wahrhaftigkeit untersucht hat, welches in vielen Fällen unmöglich und in noch mehreren sehr unhöflich ist.

Wenn indessen die Vorteile und Nachteile in einander gerechnet werden, die demjenigen erwachsen können, der nicht allein vor die sichtbare Welt, sondern auch vor die unsichtbare in gewissem Grade organisiert ist, (wofern es jemals einen solchen gegeben hat), so scheint ein Geschenk von dieser Art demjenigen gleich zu sein, womit JUNO den TIRESIAS beehrte, die ihn zuvor blind machte, damit sie ihm die Gabe zu weissagen erteilen könnte. Denn nach den obigen Sätzen zu urteilen, kann die anschauende Kenntnis der andern Welt allhier nur erlangt werden, indem man etwas von demjenigen Verstande einbüßt, welchen man vor die gegenwärtige nötig hat. Ich weiß auch nicht, ob selbst gewisse Philosophen gänzlich von dieser harten Bedingung frei sein sollten, welche so fleißig und vertieft ihre metaphysische Gläser nach jenen entlegenen Gegenden hinrichten und Wunderdinge von daher zu erzählen wissen, zum wenigsten mißgönne ich ihnen keine von ihren Entdeckungen; nur besorge ich, daß ihnen irgendein Mann von gutem Verstande und wenig Feinigkeit ebendasselbe dürfte zu verstehen geben, was dem TYCHO DE BRAHE sein Kutscher antwortete, als jener meinte, zur Nachtzeit nach den Sternen den kürzesten Weg fahren zu können: Guter Herr, auf den Himmel mögt Ihr Euch wohl verstehen, hier aber auf der Erde seid Ihr ein Narr.

Drittes Hauptstück.
Antikabbala. Ein Fragment der gemeinen Philosophie, die Gemeinschaft mit der Geisterwelt aufzuheben.

ARISTOTELES sagt irgendwo: Wenn wir wachen, so haben wir eine gemeinschaftliche Welt, träumen wir aber, so hat ein jeder seine eigne. Mich dünkt, man sollte wohl den letzteren Satz umkehren und sagen können: wenn von verschiedenen Menschen ein jeglicher seine eigene Welt hat, so ist zu vermuten, daß sie träumen. Auf diesen Fuß, wenn wir die Luftbaumeister der mancherlei Gedankenwelten betrachten, deren jeglicher die seinige mit Ausschließung anderer ruhig bewohnt, denjenigen etwa, welcher die Ordnung der Dinge, so wie sie von WOLFFEN aus wenig Bauzeug der Erfahrung, aber mehr erschlichenen Begriffen gezimmert oder die, so von CRUSIUS durch die magische Kraft einiger Sprüche vom Denklichen und Undenklichen aus Nichts hervorgebracht worden, bewohnet, so werden wir uns bei dem Widerspruche ihrer Visionen gedulden, bis diese Herren ausgeträumet haben. Denn wenn sie einmal, so Gott will, völlig wachen, d. i. zu einem Blicke, der die Einstimmung mit anderem Menschenverstande nicht ausschließt, die Augen auftun werden, so wird niemand von ihnen etwas sehen, was nicht jedem andern gleichfalls bei dem Lichte ihrer Beweistümer augenscheinlich und gewiß erscheinen sollte, und die Philosophen werden zu derselbigen Zeit eine gemeinschaftliche Welt bewohnen, dergleichen die Größenlehrer schon längst innegehabt haben, welche wichtige Begebenheit nicht lange mehr anstehen kann, woferne gewissen Zeichen und Vorbedeutungen zu trauen ist, die seit einiger Zeit über dem Horizonte der Wissenschaften erschienen sind.

In gewisser Verwandtschaft mit den Träumern der Vernunft stehen die Träumer der Empfindung, und unter dieselbe werden gemeiniglich diejenige, so bisweilen mit Geistern zu tun haben, gezählt und zwar aus dem nämlichen Grunde wie die vorigen, weil sie etwas sehen, was kein anderer gesunder Mensch sieht, und ihre eigene Gemeinschaft mit Wesen haben, die sich niemanden sonst offenbaren, so gute Sinne er auch haben mag. Es ist auch die Benennung der Träumereien, wenn man voraussetzt, daß die gedachte Erscheinungen auf bloße Hirngespenster auslaufen, insoferne passend, als die eine so gut wie die andere selbst ausgeheckte Bilder sind, die gleichwohl als wahre Gegenstände die Sinne betrügen; allein wenn man sich einbildet, daß beide Täuschungen übrigens in ihrer Entstehungsart sich ähnlich gnug wären, um die Quelle der einen auch zur Erklärung der andern zureichend zu finden, so betrügt man sich sehr. Derjenige, der im Wachen sich in Erdichtungen und Chimären, welche seine stets fruchtbare Einbildung ausheckt, dermaßen vertieft, daß er auf die Empfindung der Sinne wenig achthat, die ihm jetzt am meisten angelegen sind, wird mit Recht ein wachender Träumer genannt. Denn es dürfen nur die Empfindungen der Sinne noch etwas mehr in ihrer Stärke nachlassen, so wird er schlafen, und die vorige Chimären werden wahre Träume sein. Die Ursache, weswegen sie es nicht schon im Wachen sind, ist diese, weil er sie zu der Zeit als in sich, andere Gegenstände aber, die er empfindet, als außer sich vorstellt, folglich jene zu Wirkungen seiner eignen Tätigkeit, diese aber zu demjenigen zählet, was er von außen empfängt und erleidet. Denn hiebei kommt es alles auf das Verhältnis an, darin die Gegenstände auf ihn selbst als einen Menschen, folglich auch auf seinen Körper gedacht werden. Daher können die nämliche Bilder ihn im Wachen wohl sehr beschäftigen, aber nicht betrügen, so klar sie auch sein mögen. Denn ob er gleich alsdenn eine Vorstellung von sich selbst und seinem Körper auch im Gehirne hat, gegen die er seine phantastische Bilder in Verhältnis setzt, so macht doch die wirkliche Empfindung seines Körpers durch äußere Sinne gegen jene Chimären einen Kontrast oder Abstechung, um jene als von sich ausgeheckt, diese aber als empfunden anzusehen. Schlummert er hiebei ein, so erlischt die empfundene Vorstellung seines Körpers, und es bleibt bloß die selbstgedichtete übrig, gegen welche die andre Chimären als in äußerer Verhältnis gedacht werden und auch, solange man schläft, den Träumenden betrügen müssen, weil keine Empfindung da ist, die in Vergleichung mit jener das Urbild vom Schattenbilde, nämlich das Äußere vom Innern, unterscheiden ließe.

Von wachenden Träumern sind demnach die Geisterseher nicht bloß dem Grade, sondern der Art nach gänzlich unterschieden. Denn diese referieren im Wachen und oft bei der größten Lebhaftigkeit anderer Empfindungen gewisse Gegenstände unter die äußerliche Stellen der andern Dinge, die sie wirklich um sich wahrnehmen, und die Frage ist hie nur, wie es zugehe, daß sie das Blendwerk ihrer Einbildung außer sich versetzen und zwar in Verhältnis auf ihren Körper, den sie auch durch äußere Sinne empfinden. Die große Klarheit ihres Hirngespinstes kann hievon nicht die Ursache sein; denn es kommt hier auf den Ort an, wohin es als ein Gegenstand versetzt ist, und daher verlange ich, daß man zeige, wie die Seele ein solches Bild, was sie doch als in sich enthalten vorstellen sollte, in ein ganz ander Verhältnis, nämlich in einen Ort äußerlich und unter die Gegenstände versetze, die sich ihrer wirklichen Empfindung darbieten. Auch werde ich mich durch die Anführung anderer Fälle, die einige Ähnlichkeit mit solcher Täuschung haben und etwa im fieberhaften Zustande vorfallen, nicht abfertigen lassen; denn gesund oder krank, wie der Zustand des Betrogenen auch sein mag, so will man nicht wissen, ob dergleichen auch sonsten geschehe, sondern wie dieser Betrug möglich sei.

Wir finden aber bei dem Gebrauch der äußeren Sinne, daß über die Klarheit, darin die Gegenstände vorgestellt werden, man in der Empfindung auch ihren Ort mit begreife, vielleicht nicht allemal mit gleicher Richtigkeit, dennoch als eine notwendige Bedingung der Empfindung, ohne welche es unmöglich wäre, die Dinge als außer uns vorzustellen. Hiebei wird es sehr wahrscheinlich, daß unsere Seele das empfundene Objekt dahin in ihrer Vorstellung versetze, wo die verschiedene Richtungslinien des Eindrucks, die dasselbe gemacht hat, wenn sie fortgezogen werden, zusammenstoßen. Daher sieht man einen strahlenden Punkt an demjenigen Orte, wo die von dem Auge in der Richtung des Einfalls der Lichtstrahlen zurückgezogene Linien sich schneiden. Dieser Punkt, welchen man den Sehepunkt nennt, ist zwar in der Wirkung der Zerstreuungspunkt, aber in der Vorstellung der Sammlungspunkt der Direktionslinien, nach welchen die Empfindung eingedrückt wird (focus imaginarius). So bestimmt man selbst durch ein einziges Auge einem sichtbaren Objekte den Ort, wie unter andern geschieht, wenn das Spektrum eines Körpers vermittelst eines Hohlspiegels in der Luft gesehen wird, gerade da, wo die Strahlen, welche aus einem Punkte des Objekts ausfließen, sich schneiden, ehe sie ins Auge fallen.(10)

Vielleicht kann man ebenso bei den Eindrücken des Schalles, weil dessen Stöße auch nach geraden Linien geschehen, annehmen, daß die Empfindung desselben zugleich mit der Vorstellung eines foci imaginarii begleitet sei, der dahin gesetzt wird, wo die gerade Linien des in Bebung gesetzten Nervengebäudes, im Gehirne äußerlich fortgezogen, zusammenstoßen. Denn man bemerkt die Gegend und Weite eines schallenden Objekts einigermaßen, wenn der Schall gleich leise ist und hinter uns geschieht, obschon die gerade Linien, die von da gezogen werden können, eben nicht die Eröffnung des Ohrs treffen, sondern auf andere Stellen des Haupts fallen, sodaß man glauben muß, die Richtungslinien der Erschütterung werden in der Vorstellung der Seele äußerlich fortgezogen und das schallende Objekt in den Punkt ihres Zusammenstoßes versetzt. Ebendasselbe kann, wie mich dünkt, auch von den übrigen drei Sinnen gesagt werden, welche sich darin von dem Gesichte und dem Gehör unterscheiden, daß der Gegenstand der Empfindung mit den Organen in unmittelbarer Berührung stehet, und die Richtungslinien des sinnlichen Reizes daher in diesen Organen selbst ihren Punkt der Vereinigung haben.

Um dieses auf die Bilder der Einbildung anzuwenden, so erlaube man mir dasjenige, was CARTESIUS annahm und die mehresten Philosophen nach ihm billigten, zum Grunde zu legen: nämlich daß alle Vorstellungen der Einbildungskraft zugleich mit gewissen Bewegungen in dem Nervengewebe oder Nervengeiste des Gehirns begleitet sind, welche man ideas materiales nennt, d. i. vielleicht mit der Erschütterung oder Bebung des feinen Elements, welches von ihnen abgesondert wird, und die derjenigen Bewegung ähnlich ist, welche der sinnliche Eindruck machen könnte, wovon er die Kopie ist. Nun verlange ich aber, mir einzuräumen, daß der vornehmste Unterscheid der Nervenbewegung in den Phantasien von der in der Empfindung darin bestehe, daß die Richtungslinien der Bewegung bei jenem sich innerhalb dem Gehirne, bei diesem aber außerhalb schneiden; daher, weil der focus imaginarius, darin das Objekt vorgestellt wird, bei den klaren Empfindungen des Wachens außer mir, der von den Phantasien aber, die ich zu der Zeit etwa habe, in mir gesetzt wird, ich, solange ich wache, nicht fehlen kann, die Einbildungen als meine eigene Hirngespinste von dem Eindruck der Sinne zu unterscheiden.

Wenn man dieses einräumt, so dünkt mich, daß ich über diejenige Art von Störung des Gemüts, die man den Wahnsinn und im höhern Grade die Verrückung nennt, etwas Begreifliches zur Ursache anführen könne. Das Eigentümliche dieser Krankheit bestehet darin, daß der verworrene Mensch bloße Gegenstände seiner Einbildung außer sich versetzt und als wirklich vor ihm gegenwärtige Dinge ansieht. Nun habe ich gesagt, daß nach der gewöhnlichen Ordnung die Direktionslinien der Bewegung, die in dem Gehirne als materielle Hülfsmittel die Phantasie begleiten, sich innerhalb demselben durchschneiden müssen, und mithin der Ort, darin er sich seines Bildes bewußt ist, zur Zeit des Wachens in ihm selbst gedacht werde. Wenn ich also setze, daß durch irgendeinen Zufall oder Krankheit gewisse Organen des Gehirnes so verzogen und aus ihrem gehörigen Gleichgewicht gebracht seien, daß die Bewegung der Nerven, die mit einigen Phantasien harmonisch beben, nach solchen Richtungslinien geschieht, welche fortgezogen sich außerhalb dem Gehirne durchkreuzen würden, so ist der focus imaginarius außerhalb dem denkenden Subjekt gesetzt,(11) und das Bild, welches ein Werk der bloßen Einbildung ist, wird als ein Gegenstand vorgestellt, der den äußeren Sinnen gegenwärtig wäre. Die Bestürzung über die vermeinte Erscheinung einer Sache, die nach der natürlichen Ordnung nicht zugegen sein sollte, wird, obschon auch anfangs ein solches Schattenbild der Phantasie nur schwach wäre, bald die Aufmerksamkeit rege machen und der Scheinempfindung eine so große Lebhaftigkeit geben, die den betrogenen Menschen an der Wahrhaftigkeit nicht zweifeln läßt. Dieser Betrug kann einen jeden äußeren Sinn betreffen; denn von jeglichen haben wir kopierte Bilder in der Einbildung, und die Verrückung des Nervengewebes kann die Ursache werden, den focum imaginarium dahin zu versetzen, von wo der sinnliche Eindruck eines wirklich vorhandenen körperlichen Gegenstandes kommen würde. Es ist alsdenn kein Wunder, wenn der Phantast manches sehr deutlich zu sehen oder zu hören glaubt, was niemand außer ihm wahrnimmt, imgleichen wenn diese Hirngespenster ihm erscheinen und plötzlich verschwinden, oder indem sie etwa einem Sinne, z. E. dem Gesichte, vorgaukeln, durch keinen andern, wie z. E. das Gefühl, können empfunden werden und daher durchdringlich scheinen. Die gemeine Geistererzählungen laufen so sehr auf dergleichen Bestimmungen hinaus, daß sie den Verdacht ungemein rechtfertigen, sie könnten wohl aus einer solchen Quelle entsprungen sein. Und so ist auch der gangbare Begriff von geistigen Wesen, den wir oben aus dem gemeinen Redegebrauche herauswickelten, dieser Täuschung sehr gemäß und verleugnet seinen Ursprung nicht, weil die Eigenschaft einer durchdringlichen Gegenwart im Raume das wesentliche Merkmal dieses Begriffes ausmachen soll.

Es ist auch sehr wahrscheinlich, daß die Erziehungsbegriffe von Geistergestalten dem kranken Kopfe die Materialien zu den täuschenden Einbildungen geben, und daß ein von allen solchen Vorurteilen leeres Gehirn, wenn ihm gleich eine Verkehrtheit anwandelte, wohl nicht so leicht Bilder von solcher Art aushecken würde. Ferner siehet man daraus auch, daß, da die Krankheit des Phantasten nicht eigentlich den Verstand, sondern die Täuschung der Sinne betrifft, der Unglückliche seine Blendwerke durch kein Vernünfteln heben könne, weil die wahre oder scheinbare Empfindung der Sinne selbst vor allem Urteil des Verstandes vorhergeht und eine unmittelbare Evidenz hat, die alle andre Überredung weit übertrifft.

Die Folge, die sich aus diesen Betrachtungen ergibt, hat dieses Ungelegene an sich, daß sie die tiefe Vermutungen des vorigen Hauptstücks entbehrlich macht, und daß der Leser, so bereitwillig er auch sein mochte, denen idealischen Entwürfen desselben einigen Beifall einzuräumen, dennoch den Begriff vorziehen wird, welcher mehr Gemächlichkeit und Kürze im Entscheiden bei sich führet und sich einen allgemeineren Beifall versprechen kann. Denn außer dem, daß es einer vernünftigen Denkungsart gemäßer zu sein scheint, die Gründe der Erklärung aus dem Stoffe herzunehmen, den die Erfahrung uns darbietet, als sich in schwindlichten Begriffen einer halb dichtenden, halb schließenden Vernunft zu verlieren, so äußert sich noch dazu auf dieser Seite einiger Anlaß zum Gespötte, welches, es mag nun gegründet sein oder nicht, ein kräftigeres Mittel ist als irgend ein anderes, eitele Nachforschungen zurückzuhalten. Denn auf eine ernsthafte Art über die Hirngespenster der Phantasten Auslegungen machen zu wollen, gibt schon eine schlimme Vermutung, und die Philosophie setzt sich in Verdacht, welche sich in so schlechter Gesellschaft betreffen läßt. Zwar habe ich oben den Wahnsinn in dergleichen Erscheinung nicht bestritten, vielmehr ihn, zwar nicht als die Ursache einer eingebildeten Geistergemeinschaft, doch als eine natürliche Folge derselben damit verknüpfet; allein was vor eine Torheit gibt es doch, die nicht mit einer bodenlosen Weltweisheit könnte in Einstimmung gebracht werden? Daher verdenke ich es dem Leser keinesweges, wenn er, anstatt die Geisterseher vor Halbbürger der andern Welt anzusehen, sie kurz und gut als Kandidaten des Hospitals abfertigt und sich dadurch alles weiteren Nachforschens überhebt. Wenn nun aber alles auf solchen Fuß genommen wird, so muß auch die Art, dergleichen Adepten des Geisterreichs zu behandeln, von derjenigen nach den obigen Begriffen sehr verschieden sein, und da man es sonst nötig fand, bisweilen einige derselben zu brennen, so wird es jetzt gnug sein, sie nur zu purgieren. Auch wäre es bei dieser Lage der Sachen eben nicht nötig gewesen, so weit auszuholen und in dem fieberhaften Gehirne betrogener Schwärmer durch Hülfe der Metaphysik Geheimnisse aufzusuchen. Der scharfsichtige HUDIBRAS hätte uns allein das Rätsel auflösen können; denn nach seiner Meinung: wenn ein hypochondrischer Wind in den Eingeweiden tobet, so kommt es darauf an, welche Richtung er nimmt, geht er abwärts, so wird daraus ein F–, steigt er aber aufwärts, so ist es eine Erscheinung oder eine heilige Eingebung.

Viertes Hauptstück.
Theoretischer Schluß aus den gesamten Betrachtungen des ersten Teils.

Die Trüglichkeit einer Wage, die nach bürgerlichen Gesetzen ein Maß der Handlung sein soll, wird entdeckt, wenn man Ware und Gewichte ihre Schalen vertauschen läßt, und die Parteilichkeit der Verstandeswage offenbaret sich durch ebendenselben Kunstgriff, ohne welchen man auch in philosophischen Urteilen nimmermehr ein einstimmiges Fazit aus den verglichenen Abwiegungen herausbekommen kann. Ich habe meine Seele von Vorurteilen gereinigt, ich habe eine jede blinde Ergebenheit vertilgt, welche sich jemals einschlich, um manchem eingebildeten Wissen in mir Eingang zu verschaffen. Jetzo ist mir nichts angelegen, nichts ehrwürdig, als was durch den Weg der Aufrichtigkeit in einem ruhigen und vor alle Gründe zugänglichem Gemüte Platz nimmt; es mag mein voriges Urteil bestätigen oder aufheben, mich bestimmen oder unentschieden lassen. Wo ich etwas antreffe, das mich belehrt, da eigne ich es mir zu. Das Urteil desjenigen, der meine Gründe widerlegt, ist mein Urteil, nachdem ich es vorerst gegen die Schale der Selbstliebe und nachher in derselben gegen meine vermeintliche Gründe abgewogen und in ihm einen größeren Gehalt gefunden habe. Sonst betrachtete ich den allgemeinen menschlichen Verstand bloß aus dem Standpunkte des meinigen: jetzt setze ich mich in die Stelle einer fremden und äußeren Vernunft und beobachte meine Urteile samt ihren geheimsten Anlässen aus dem Gesichtspunkte anderer. Die Vergleichung beider Beobachtungen gibt zwar starke Parallaxen, aber sie ist auch das einzige Mittel, den optischen Betrug zu verhüten und die Begriffe an die wahre Stellen zu setzen, darin sie in Ansehung der Erkenntnisvermögen der menschlichen Natur stehen. Man wird sagen, daß dieses eine sehr ernsthafte Sprache sei vor eine so gleichgültige Aufgabe, als wir abhandeln, die mehr ein Spielwerk als eine ernstliche Beschäftigung genannt zu werden verdient, und man hat nicht unrecht, so zu urteilen. Allein ob man zwar über eine Kleinigkeit keine große Zurüstung machen darf, so kann man sie doch gar wohl bei Gelegenheit derselben machen, und die entbehrliche Behutsamkeit beim Entscheiden in Kleinigkeiten kann zum Beispiele in wichtigen Fällen dienen. Ich finde nicht, daß irgendeine Anhänglichkeit, oder sonst eine vor der Prüfung eingeschlichene Neigung meinem Gemüte die Lenksamkeit nach allerlei Gründen vor oder dawider benehme, eine einzige ausgenommen. Die Verstandeswage ist doch nicht ganz unparteiisch, und der eine Arm derselben, der die Aufschrift führet: Hoffnung der Zukunft, hat einen mechanischen Vorteil, welcher macht, daß auch leichte Gründe, welche in die ihm angehörige Schale fallen, die Spekulationen von an sich größeren Gewichte auf der andern Seite in die Höhe ziehen. Dieses ist die einzige Unrichtigkeit, die ich nicht wohl heben kann, und die ich in der Tat auch niemals heben will. Nun gestehe ich, daß alle Erzählungen vom Erscheinen abgeschiedener Seelen oder von Geistereinflüssen und alle Theorien von der mutmaßlichen Natur geistiger Wesen und ihrer Verknüpfung mit uns nur in der Schale der Hoffnung merklich wiegen; dagegen in der der Spekulation aus lauter Luft zu bestehen scheinen. Wenn die Ausmittelung der aufgegebenen Frage nicht mit einer vorher schon entschiedenen Neigung in Sympathie stände, welcher Vernünftige würde wohl unschlüssig sein, ob er mehr Möglichkeit darin finden sollte, eine Art Wesen anzunehmen, die mit allem, was ihm die Sinne lehren, gar nichts Ähnliches haben, als einige angebliche Erfahrungen dem Selbstbetruge und der Erdichtung beizumessen, die in mehreren Fällen nicht ungewöhnlich sind.

Ja, dieses scheint auch überhaupt von der Beglaubigung der Geistererzählungen, welche so allgemeinen Eingang finden, die vornehmste Ursache zu sein, und selbst die erste Täuschungen von vermeinten Erscheinungen abgeschiedener Menschen sind vermutlich aus der schmeichelhaften Hoffnung entsprungen, daß man noch auf irgendeine Art nach dem Tode übrig sei, da denn bei nächtlichen Schatten oftmals der Wahn die Sinne betrog und aus zweideutigen Gestalten Blendwerke schuf, die der vorhergehenden Meinung gemäß waren, woraus denn endlich die Philosophen Anlaß nahmen, die Vernunftidee von Geistern auszudenken und sie in Lehrverfassung zu bringen. Man sieht es auch wohl meinem anmaßlichen Lehrbegriff von der Geistergemeinschaft an, daß er ebendieselbe Richtung nehme, in den die gemeine Neigung einschlägt. Denn die Sätze vereinbaren sich sehr merklich nur dahin, um einen Begriff zu geben, wie der Geist des Menschen aus dieser Welt herausgehe,(12) d. i. vom Zustande nach dem Tode; wie er aber hineinkomme, d. i. von der Zeugung und Fortpflanzung, davon erwähne ich nichts; ja sogar nicht einmal, wie er in dieser Welt gegenwärtig sei, d. i. wie eine immaterielle Natur in einem Körper und durch denselben wirksam sein könne; alles um einer sehr gültigen Ursache willen, welche diese ist, daß ich hievon insgesamt nichts verstehe und folglich mich wohl hätte bescheiden können, ebenso unwissend in Ansehung des künftigen Zustandes zu sein, wofern nicht die Parteilichkeit einer Lieblingsmeinung denen Gründen, die sich darboten, so schwach sie auch sein mochten, zur Empfehlung gedienet hätte.

Ebendieselbe Unwissenheit macht auch, daß ich mich nicht unterstehe, so gänzlich alle Wahrheit an den mancherlei Geistererzählungen abzuleugnen, doch mit dem gewöhnlichen, obgleich wunderlichen Vorbehalt, eine jede einzelne derselben in Zweifel zu ziehen, allen zusammengenommen aber einigen Glauben beizumessen. Dem Leser bleibt das Urteil frei; was mich aber anlangt, so ist zum wenigsten der Ausschlag auf die Seite der Gründe des zweiten Hauptstücks bei mir groß gnug, mich bei Anhörung der mancherlei befremdlichen Erzählungen dieser Art ernsthaft und unentschieden zu erhalten. Indessen da es niemals an Gründen der Rechtfertigung fehlt, wenn das Gemüt vorher eingenommen ist, so will ich dem Leser mit keiner weiteren Verteidigung dieser Denkungsart beschwerlich fallen.

Da ich mich jetzt beim Schlusse der Theorie von Geistern befinde, so unterstehe ich mir noch zu sagen, daß diese Betrachtung, wenn sie von dem Leser gehörig genutzt wird, alle philosophische Einsicht von dergleichen Wesen vollende, und daß man davon vielleicht künftighin noch allerlei meinen, niemals aber mehr wissen könne. Dieses Vorgeben klingt ziemlich ruhmredig. Denn es ist gewiß kein den Sinnen bekannter Gegenstand der Natur, von dem man sagen könnte, man habe ihn durch Beobachtung oder Vernunft jemals erschöpft, wenn es auch ein Wassertropfen, ein Sandkorn oder etwas noch Einfacheres wäre; so unermeßlich ist die Mannigfaltigkeit desjenigen, was die Natur in ihren geringsten Teilen einem so eingeschränkten Verstande wie der menschliche ist zur Auflösung darbietet. Allein mit dem philosophischen Lehrbegriff von geistigen Wesen ist es ganz anders bewandt. Er kann vollendet sein, aber im negativen Verstande, indem er nämlich die Grenzen unserer Einsicht mit Sicherheit festsetzt und uns überzeugt, daß die verschiedene Erscheinungen des Lebens in der Natur und deren Gesetze alles seien, was uns zu erkennen vergönnet ist, das Principium dieses Lebens aber, d. i. die geistige Natur, welche man nicht kennet, sondern vermutet, niemals positiv könne gedacht werden, weil keine Data hiezu in unseren gesamten Empfindungen anzutreffen seien, und daß man sich mit Verneinungen behelfen müsse, um etwas von allem Sinnlichen so sehr Unterschiedenes zu denken, daß aber selbst die Möglichkeit solcher Verneinungen weder auf Erfahrung, noch auf Schlüssen, sondern auf einer Erdichtung beruhe, zu der eine von allen Hülfsmitteln entblößte Vernunft ihre Zuflucht nimmt. Auf diesen Fuß kann die Pneumatologie der Menschen ein Lehrbegriff ihrer notwendigen Unwissenheit in Absicht auf eine vermutete Art Wesen genannt werden und als ein solcher der Aufgabe leichtlich adaequat sein.

Nunmehro lege ich die ganze Materie von Geistern, ein weitläuftig Stück der Metaphysik, als abgemacht und vollendet beiseite. Sie geht mich künftig nichts mehr an. Indem ich den Plan meiner Nachforschung auf diese Art besser zusammenziehe und mich einiger gänzlich vergeblichen Untersuchungen entschlage, so hoffe ich meine geringe Verstandesfähigkeit auf die übrige Gegenstände vorteilhafter anlegen zu können. Es ist mehrenteils umsonst, das kleine Maß seiner Kraft auf alle windichte Entwürfe ausdehnen zu wollen. Daher gebeut die Klugheit sowohl in diesem als in andern Fällen, den Zuschnitt der Entwürfe den Kräften angemessen zu machen und, wenn man das Große nicht füglich erreichen kann, sich auf das Mittelmäßige einzuschränken.

Der zweite Teil,
welcher historisch ist.

Erstes Hauptstück.
Eine Erzählung, deren Wahrheit der beliebigen Erkundigung des Lesers empfohlen wird.

Sit mihi fas audita loqui. – – –
VIRG.

Die Philosophie, deren Eigendünkel macht, daß sie sich selbst allen eiteln Fragen bloßstellet, siehet sich oft bei dem Anlasse gewisser Erzählungen in schlimmer Verlegenheit, wenn sie entweder an einigem in denselben ungestraft nicht zweifeln oder manches davon unausgelacht nicht glauben darf. Beide Beschwerlichkeiten finden sich in gewisser Maße bei den herumgehenden Geistergeschichten zusammen, die erste bei Anhörung desjenigen, der sie beteurt, und die zweite in Betracht derer, auf die man sie weiter bringt. In der Tat ist auch kein Vorwurf dem Philosophen bitterer, als der der Leichtgläubigkeit und der Ergebenheit in den gemeinen Wahn, und da diejenigen, welche sich darauf verstehen, gutes Kaufs klug zu scheinen, ihr spöttisches Gelächter auf alles werfen, was die Unwissenden und die Weisen gewissermaßen gleichmacht, indem es beiden unbegreiflich ist, so ist kein Wunder, daß die so häufig vorgegebene Erscheinungen großen Eingang finden, öffentlich aber entweder abgeleugnet oder doch verhehlet werden. Man kann sich daher darauf verlassen, daß niemals eine Akademie der Wissenschaften diese Materie zur Preisfrage machen werde; nicht als wenn die Glieder derselben gänzlich von aller Ergebenheit in die gedachte Meinung frei wären, sondern weil die Regel der Klugheit denen Fragen, welche der Vorwitz und die eitle Wißbegierde ohne Unterscheid aufwirft, mit Recht Schranken setzet. Und so werden die Erzählungen von dieser Art wohl jederzeit nur heimliche Gläubige haben, öffentlich aber durch die herrschende Mode des Unglaubens verworfen werden.

Da mir indessen diese ganze Frage weder wichtig noch vorbereitet gnug scheint, um über dieselbe etwas zu entscheiden, so trage ich kein Bedenken, hier eine Nachricht der erwähnten Art anzuführen und sie mit völliger Gleichgültigkeit dem geneigten oder ungeneigten Urteile der Leser preiszugeben.

Es lebt zu Stockholm ein gewisser Herr SWEDENBORG ohne Amt oder Bedienung von seinem ziemlich ansehnlichen Vermögen. Seine ganze Beschäftigung besteht darin, daß er, wie er selbst sagt, schon seit mehr als zwanzig Jahren mit Geistern und abgeschiedenen Seelen im genauesten Umgange stehet, von ihnen Nachrichten aus der andern Welt einholet und ihnen dagegen welche aus der gegenwärtigen erteilt, große Bände über seine Entdeckungen abfaßt und bisweilen nach London reiset, um die Ausgabe derselben zu besorgen. Er ist eben nicht zurückhaltend mit seinen Geheimnissen, spricht mit jedermann frei davon, scheint vollkommen von dem, was er vorgibt, überredet zu sein ohne einigen Anschein eines angelegten Betruges oder Charlatanerei. So wie er, wenn man ihm selbst glauben darf, der Erzgeisterseher unter allen Geistersehern ist, so ist er auch sicherlich der Erzphantast unter allen Phantasten, man mag ihn nun aus der Beschreibung derer, welche ihn kennen oder aus seinen Schriften beurteilen. Doch kann dieser Umstand diejenige, welche den Geistereinflüssen sonst günstig sind, nicht abhalten, hinter solcher Phantasterei noch etwas Wahres zu vermuten. Weil indessen das Kreditiv aller Bevollmächtigten aus der andern Welt in den Beweistümern besteht, die sie durch gewisse Proben in der gegenwärtigen von ihrem außerordentlichen Beruf ablegen, so muß ich von demjenigen, was zur Beglaubigung der außerordentlichen Eigenschaft des gedachten Mannes herumgetragen wird, wenigstens dasjenige anführen, was noch bei den meisten einigen Glauben findet.

Gegen das Ende des Jahres 1761 wurde Herr SWEDENBORG zu einer Fürstin gerufen, deren großer Verstand und Einsicht es beinahe unmöglich machen sollte, in dergleichen Fällen hintergangen zu werden. Die Veranlassung dazu gab das allgemeine Gerüchte von denen vorgegebenen Visionen dieses Mannes. Nach einigen Fragen, die mehr darauf abzielten, sich mit seinen Einbildungen zu belustigen, als wirkliche Nachrichten aus der andern Welt zu vernehmen, verabschiedete ihn die Fürstin, indem sie ihm vorher einen geheimen Auftrag tat, der in seine Geistergemeinschaft einschlug. Nach einigen Tagen erschien Herr SWEDENBORG mit der Antwort, welche von der Art war, daß solche die Fürstin ihrem eigenen Geständnisse nach in das größeste Erstaunen versetzte, indem sie solche wahr befand und ihm gleichwohl solche von keinem lebendigen Menschen konnte erteilt sein. Diese Erzählung ist aus dem Berichte eines Gesandten an dem dortigen Hofe, der damals zugegen war, an einen andern fremden Gesandten in Kopenhagen gezogen worden, stimmt auch genau mit dem, was die besondere Nachfrage darüber hat erkundigen können, zusammen.

Folgende Erzählungen haben keine andere Gewährleistung als die gemeine Sage, deren Beweis sehr mißlich ist. Madame MARTEVILLE, die Witwe eines holländischen Envoyé an dem schwedischen Hofe, wurde von den Angehörigen eines Goldschmiedes um die Bezahlung des Rückstandes vor ein verfertigtes Silberservice gemahnet. Die Dame, welche die regelmäßige Wirtschaft ihres verstorbenen Gemahls kannte, war überzeugt, daß diese Schuld schon bei seinem Leben abgemacht sein müßte; allein sie fand in seinen hinterlassenen Papieren gar keinen Beweis. Das Frauenzimmer ist vorzüglich geneigt, den Erzählungen der Wahrsagerei, der Traumdeutung und allerlei anderer wunderbarer Dinge Glauben beizumessen. Sie entdeckte daher ihr Anliegen dem Herrn SWEDENBORG mit dem Ersuchen, wenn es wahr wäre, was man von ihm sagte, daß er mit abgeschiedenen Seelen im Umgange stehe, ihr aus der andern Welt von ihrem verstorbenen Gemahl Nachricht zu verschaffen, wie es mit der gedachten Anforderung bewandt sei. Herr SWEDENBORG versprach solches zu tun und stellte der Dame nach wenig Tagen in ihrem Hause den Bericht ab, daß er die verlangte Kundschaft eingezogen habe, daß in einem Schrank, den er anzeigte und der ihrer Meinung nach völlig ausgeräumt war, sich noch ein verborgenes Fach befinde, welches die erforderliche Quittungen enthielte. Man suchte sofort seiner Beschreibung zufolge und fand nebst der geheimen holländischen Correspondence die Quittungen, wodurch alle gemachte Ansprüche völlig getilgt wurden.

Die dritte Geschichte ist von der Art, daß sich sehr leicht ein vollständiger Beweis ihrer Richtigkeit oder Unrichtigkeit muß geben lassen. Es war, wo ich recht berichtet bin, gegen das Ende des 1759ten Jahres, als Herr SWEDENBORG, aus England kommend, an einem Nachmittage zu Gotenburg ans Land trat. Er wurde denselben Abend zu einer Gesellschaft bei einem dortigen Kaufmann gezogen und gab ihr nach einigem Aufenthalt mit allen Zeichen der Bestürzung die Nachricht, daß eben jetzt in Stockholm im Südermalm eine erschreckliche Feuersbrunst wüte. Nach Verlauf einiger Stunden, binnen welchen er sich dann und wann entfernte, berichtete er der Gesellschaft, daß das Feuer gehemmet sei, imgleichen wie weit es um sich gegriffen habe. Ebendenselben Abend verbreitete sich schon diese wunderliche Nachricht und war den andern Morgen in der ganzen Stadt herumgetragen; allein nach zwei Tagen allererst kam der Bericht davon aus Stockholm in Gotenburg an, völlig einstimmig, wie man sagt, mit SWEDENBORGS Visionen.

Man wird vermutlich fragen, was mich doch immer habe bewegen können, ein so verachtetes Geschäfte zu übernehmen, als dieses ist, Märchen weiter zu bringen, die ein Vernünftiger Bedenken trägt, mit Geduld anzuhören, ja solche gar zum Text philosophischer Untersuchungen zu machen. Allein da die Philosophie, welche wir voranschickten, ebensowohl ein Märchen war aus dem Schlaraffenlande der Metaphysik, so sehe ich nichts Unschickliches darin, beide in Verbindung auftreten zu lassen; und warum sollte es auch eben rühmlicher sein, sich durch das blinde Vertrauen in die Scheingründe der Vernunft, als durch unbehutsamen Glauben an betrügliche Erzählungen hintergehen zu lassen?

Torheit und Verstand haben so unkenntlich bezeichnete Grenzen, daß man schwerlich in dem einen Gebiete lange fortgeht, ohne bisweilen einen kleinen Streif in das andre zu tun; aber was die Treuherzigkeit anlangt, die sich bereden läßt, vielen festen Beteurungen selbst wider die Gegenwehr des Verstandes bisweilen etwas einzuräumen, so scheint sie ein Rest der alten Stammehrlichkeit zu sein, die freilich auf den jetzigen Zustand nicht recht paßt und daher oft zur Torheit wird, aber darum doch eben nicht als ein natürliches Erbstück der Dummheit angesehen werden muß. Daher überlasse ich es dem Belieben des Lesers, bei der wunderlichen Erzählung, mit welcher ich mich bemenge, jene zweideutige Mischung von Vernunft und Leichtgläubigkeit in ihre Elemente aufzulösen und die Proportion beider Ingredienzien vor meine Denkungsart auszurechnen. Denn da es bei einer solchen Kritik doch nur um die Anständigkeit zu tun ist, so halte ich mich gnugsam vor dem Spott gesichert, dadurch daß ich mit dieser Torheit, wenn man sie so nennen will, mich gleichwohl in recht guter und zahlreicher Gesellschaft befinde, welches schon gnug ist, wie FONTENELLE glaubt, um wenigstens nicht vor unklug gehalten zu werden. Denn es ist zu allen Zeiten so gewesen und wird auch wohl künftighin so bleiben, daß gewisse widersinnige Dinge selbst bei Vernünftigen Eingang finden, bloß darum weil allgemein davon gesprochen wird. Dahin gehören die Sympathie, die Wünschelrute, die Ahndungen, die Wirkung der Einbildungskraft schwangerer Frauen, die Einflüsse der Mondwechsel auf Tiere und Pflanzen u. d. g. Ja, hat nicht vor kurzem das gemeine Landvolk denen Gelehrten die Spötterei gut vergolten, welche sie gemeiniglich auf dasselbe der Leichtgläubigkeit wegen zu werfen pflegen? Denn durch vieles Hörensagen brachten Kinder und Weiber endlich einen großen Teil kluger Männer dahin, daß sie einen gemeinen Wolf vor eine Hyäne hielten, obgleich jetzo ein jeder Vernünftiger leicht einsieht, daß in den Wäldern von Frankreich wohl kein afrikanisches Raubtier herumlaufen werde. Die Schwäche des menschlichen Verstandes in Verbindung mit seiner Wißbegierde macht, daß man anfänglich Wahrheit und Betrug ohne Unterschied aufraffet. Aber nach und nach läutern sich die Begriffe, ein kleiner Teil bleibt, das übrige wird als Auskehricht weggeworfen.

Wem also jene Geistererzählungen eine Sache von Wichtigkeit zu sein scheinen, der kann immerhin, im Fall er Geld gnug und nichts Besseres zu tun hat, eine Reise auf eine nähere Erkundigung derselben wagen, so wie ARTEMIDOR zum Besten der Traumdeutung in Kleinasien herumzog. Es wird ihm auch die Nachkommenschaft von ähnlicher Denkungsart davor höchlich verbunden sein, daß er verhütete, damit nicht dereinst ein anderer PHILOSTRAT aufstände, der nach Verlauf vieler Jahre aus unserm SWEDENBORG einen neuen APOLLONIUS von Tyane machete, wenn das Hörensagen zu einem förmlichen Beweise wird gereifet sein, und das ungelegene, obzwar höchstnötige Verhör der Augenzeugen dereinst unmöglich geworden sein wird.

Zweites Hauptstück.
Ekstatische Reise eines Schwärmers durch die Geisterwelt.

Somnia, terrores magicos, miracula, sagas,
Nocturnos lemures, portentaque Thessala –.
HORATIUS.

Ich kann es dem behutsamen Leser auf keinerlei Weise übelnehmen, wenn sich im Fortgange dieser Schrift einiges Bedenken bei ihm gereget hätte über das Verfahren, das der Verfasser vor gut gefunden hat, darin zu beobachten. Denn da ich den dogmatischen Teil vor dem historischen und also die Vernunftgründe vor der Erfahrung voranschickte, so gab ich Ursache zu dem Argwohn, als wenn ich mit Hinterlist umginge und, da ich die Geschichte schon vielleicht zum voraus im Kopfe gehabt haben mochte, mich nur so angestellet hätte, als wüßte ich von nichts, als von reinen, abgesonderten Betrachtungen, damit ich den Leser, der sich nichts dergleichen besorgt, am Ende mit einer erfreulichen Bestätigung aus der Erfahrung überraschen könnte. Und in der Tat ist dieses auch ein Kunstgriff, dessen die Philosophen sich mehrmalen sehr glücklich bedient haben. Denn man muß wissen, daß alle Erkenntnis zwei Enden habe, bei denen man sie fassen kann, das eine a priori, das andere a posteriori. Zwar haben verschiedene Naturlehrer neuerer Zeiten vorgegeben, man müsse es bei dem letzteren anfangen, und glauben den Aal der Wissenschaft beim Schwanze zu erwischen, indem sie sich gnugsamer Erfahrungskenntnisse versichern und denn so allmählich zu allgemeinen und höheren Begriffen hinaufrücken. Allein ob dieses zwar nicht unklug gehandelt sein möchte, so ist es doch bei weitem nicht gelehrt und philosophisch gnug; denn man ist auf diese Art bald bei einem Warum, worauf keine Antwort gegeben werden kann, welches einem Philosophen gerade so viel Ehre macht als einem Kaufmann, der bei einer Wechselzahlung freundlich bittet, ein andermal wieder anzusprechen. Daher haben scharfsinnige Männer, um diese Unbequemlichkeit zu vermeiden, von der entgegengesetzten äußersten Grenze, nämlich dem obersten Punkte der Metaphysik, angefangen. Es findet sich aber hiebei eine neue Beschwerlichkeit, nämlich, daß man anfängt, ich weiß nicht wo, und kömmt, ich weiß nicht wohin, und daß der Fortgang der Gründe nicht auf die Erfahrung treffen will, ja, daß es scheinet, die Atomen des EPIKURS dürften eher, nachdem sie von Ewigkeit her immer gefallen, einmal von ungefähr zusammenstoßen, um eine Welt zu bilden, als die allgemeinsten und abstraktesten Begriffe, um sie zu erklären. Da also der Philosoph wohl sahe, daß seine Vernunftgründe einerseits und die wirkliche Erfahrung oder Erzählung andererseits, wie ein Paar Parallellinien wohl ins Undenkliche nebeneinander fortlaufen würden, ohne jemals zusammenzutreffen, so ist er mit den übrigen, gleich als wenn sie darüber Abrede genommen hätten, übereingekommen, ein jeder nach seiner Art den Anfangspunkt zu nehmen und darauf, nicht in der geraden Linie der Schlußfolge, sondern mit einem unmerklichen Clinamen der Beweisgründe, dadurch daß sie nach dem Ziele gewisser Erfahrungen oder Zeugnisse verstohlen hinschieleten, die Vernunft so zu lenken, daß sie gerade dahin treffen mußte, wo der treuherzige Schüler sie nicht vermutet hatte, nämlich dasjenige zu beweisen, wovon man schon vorher wußte, daß es sollte bewiesen werden. Diesen Weg nannten sie alsdenn noch den Weg a priori, ob er wohl unvermerkt durch ausgesteckte Stäbe nach dem Punkte a posteriori gezogen war, wobei aber billigermaßen der, so die Kunst versteht, den Meister nicht verraten muß. Nach dieser sinnreichen Lehrart haben verschiedene verdienstvolle Männer auf dem bloßen Wege der Vernunft sogar Geheimnisse der Religion ertappt, so wie Romanschreiber die Heldin der Geschichte in entfernete Länder fliehen lassen, damit sie ihrem Anbeter durch ein glückliches Abenteuer von ungefähr aufstoße: et fugit ad salices et se cupit ante videri. VIRG. Ich würde mich also bei so gepriesenen Vorgängern in der Tat nicht zu schämen Ursache haben, wenn ich gleich wirklich ebendasselbe Kunststück gebraucht hätte, um meiner Schrift zu einem erwünschten Ausgange zu verhelfen. Allein ich bitte den Leser gar sehr, dergleichen nicht von mir zu glauben. Was würde es mir auch jetzo helfen, da ich keinen mehr hintergehen kann, nachdem ich das Geheimnis schon ausgeplaudert habe? Zudem habe ich das Unglück, daß das Zeugnis, worauf ich stoße und was meiner philosophischen Hirngeburt so ungemein ähnlich ist, verzweifelt mißgeschaffen und albern aussieht, sodaß ich viel eher vermuten muß, der Leser werde um der Verwandtschaft mit solchen Beistimmungen willen meine Vernunftgründe vor ungereimt, als jene um dieser willen vor vernünftig halten. Ich sage demnach ohne Umschweif, daß, was solche anzügliche Vergleichungen anlangt, ich keinen Spaß verstehe, und erkläre kurz und gut, daß man entweder in SWEDENBORGS Schriften mehr Klugheit und Wahrheit vermuten müsse, als der erste Anschein blicken läßt, oder daß es nur so von ohngefähr komme, wenn er mit meinem System zusammentrifft, wie Dichter bisweilen, wenn sie rasen, weissagen, wie man glaubt, oder wenigstens wie sie selbst sagen, wenn sie dann und wann mit dem Erfolge zusammentreffen.

Ich komme zu meinem Zwecke, nämlich zu den Schriften meines Helden. Wenn manche jetzt vergessene oder dereinst doch namenlose Schriftsteller kein geringes Verdienst haben, daß sie in der Ausarbeitung großer Werke den Aufwand ihres Verstandes nicht achteten, so gebühret dem Herren SWEDENBORG ohne Zweifel die größeste Ehre unter allen. Denn gewiß, seine Flasche in der Mondenwelt ist ganz voll und weicht keiner einzigen unter denen, die ARIOSTO dort mit der hier verlornen Vernunft angefüllet gesehen hat, und die ihre Besitzer dereinst werden wiedersuchen müssen, so völlig entleert ist das große Werk von einem jeden Tropfen derselben. Nichtsdestoweniger herrscht darinnen eine so wundersame Übereinkunft mit demjenigen, was die feineste Ergrübelung der Vernunft über den ähnlichen Gegenstand herausbringen kann, daß der Leser mir es verzeihen wird, wenn ich hier diejenige Seltenheit in den Spielen der Einbildung finde, die so viel andere Sammler in denen Spielen der Natur angetroffen haben, als wenn sie etwa im fleckichten Marmor die heilige Familie oder in Bildungen von Tropfstein Mönche, Taufstein und Orgeln, oder sogar wie der Spötter LISCOW auf einer gefrorenen Fensterscheibe die Zahl des Tieres und die dreifache Krone entdecken; lauter Dinge, die niemand sonsten sieht, als dessen Kopf schon vorher damit angefüllet ist.

Das große Werk dieses Schriftstellers enthält acht Quartbände voll Unsinn, welche er unter dem Titel: Arcana caelestia, der Welt als eine neue Offenbarung vorlegt, und wo seine Erscheinungen mehrenteils auf die Entdeckung des geheimen Sinnes in den zwei ersten Büchern Mosis und eine ähnliche Erklärungsart der ganzen H. Schrift angewendet werden. Alle diese schwärmende Auslegungen gehen mich hier nichts an; man kann aber, wenn man will, einige Nachrichten von denenselben in des Herrn Doctor ERNESTI Theol. Bibliothek im ersten Bande aufsuchen. Nur die audita et visa, d. i. was seine eigne Augen sollen gesehen und eigene Ohren gehört haben, sind alles, was wir vornehmlich aus denen Beilagen zu seinen Kapiteln ziehen wollen, weil sie allen übrigen Träumereien zum Grunde liegen und auch ziemlich in das Abenteuer einschlagen, das wir oben auf dem Luftschiffe der Metaphysik gewagt haben. Der Stil des Verfassers ist platt. Seine Erzählungen und ihre Zusammenordnung scheinen in der Tat aus fanatischem Anschauen entsprungen zu sein und geben gar wenig Verdacht, daß spekulative Hirngespinste einer verkehrt grüblenden Vernunft ihn bewogen haben sollten, dieselbe zu erdichten und zum Betruge anzulegen. Insoferne haben sie also einige Wichtigkeit und verdienen wirklich, in einem kleinen Auszuge vorgestellet zu werden, vielleicht mehr, als so manche Spielwerke hirnloser Vernünftler, welche unsere Journale anschwellen, weil eine zusammenhängende Täuschung der Sinne überhaupt ein viel merkwürdiger Phaenomenon ist, als der Betrug der Vernunft, dessen Gründe bekannt genug sind, und der auch großenteils durch willkürliche Richtung der Gemütskräfte und etwas mehr Bändigung eines leeren Vorwitzes könnte verhütet werden, da hingegen jene das erste Fundament aller Urteile betrifft, dawider, wenn es unrichtig ist, die Regeln der Logik wenig vermögen! Ich sondere also bei unserm Verfasser den Wahnsinn vom Wahnwitze ab und übergehe dasjenige, was er auf eine verkehrte Weise klügelt, indem er nicht bei seinen Visionen stehen bleibt, ebenso wie man sonst vielfältig bei einem Philosophen dasjenige, was er beobachtet, von dem absondern muß, was er vernünftelt, und sogar Scheinerfahrungen mehrenteils lehrreicher sind, als die Scheingründe aus der Vernunft. Indem ich also dem Leser einige von denen Augenblicken raube, die er sonst vielleicht mit nicht viel größerem Nutzen auf die Lesung gründlicher Schriften von eben der Materie würde verwandt haben, so sorge ich zugleich vor die Zärtlichkeit seines Geschmacks, da ich mit Weglassung vieler wilden Chimären die Quintessenz des Buchs auf wenig Tropfen bringe, wovor ich mir von ihm ebensoviel Dank verspreche, als ein gewisser Patient glaubte den Ärzten schuldig zu sein, daß sie ihn nur die Rinde von der Quinquina verzehren ließen, da sie ihn leichtlich hätten nötigen können, den ganzen Baum aufzuessen.

Herr SWEDENBORG teilet seine Erscheinungen in drei Arten ein, davon die erste ist, vom Körper befreiet zu werden: ein mittlerer Zustand zwischen Schlafen und Wachen, worin er Geister gesehen, gehört, ja gefühlt hat. Dergleichen ist ihm nur drei- oder viermal begegnet. Die zweite ist, vom Geiste weggeführt zu werden, da er etwa auf der Straße geht, ohne sich zu verwirren, indessen daß er im Geiste in ganz anderen Gegenden ist und anderwärts Häuser, Menschen, Wälder u. d. g. deutlich sieht, und dieses wohl einige Stunden lang, bis er sich plötzlich wiederum an seinem rechten Orte gewahr wird. Dieses ist ihm zwei- bis dreimal zugestoßen. Die dritte Art der Erscheinungen ist die gewöhnliche, welche er täglich im völligen Wachen hat, und davon auch hauptsächlich diese seine Erzählungen hergenommen sind.

Alle Menschen stehen seiner Aussage nach in gleich inniglicher Verbindung mit der Geisterwelt; nur sie empfinden es nicht, und der Unterscheid zwischen ihm und den andern besteht nur darin, daß sein Innerstes aufgetan ist, von welchem Geschenke er jederzeit mit Ehrerbietigkeit redet (datum mihi est ex divina Domini misericordia). Man siehet aus dem Zusammenhange, daß diese Gabe darin bestehen soll, sich derer dunkelen Vorstellungen bewußt zu werden, welche die Seele durch ihre beständige Verknüpfung mit der Geisterwelt empfängt. Er unterscheidet daher an dem Menschen das äußere und innere Gedächtnis. Jenes hat er als eine Person, die zu der sichtbaren Welt gehört, dieses aber kraft seines Zusammenhanges mit der Geisterwelt. Darauf gründet sich auch der Unterschied des äußeren und inneren Menschen, und sein eigener Vorzug besteht darin, daß er schon in diesem Leben als eine Person sich in der Gesellschaft der Geister sieht und von ihnen auch als eine solche erkannt wird. In diesem innern Gedächtnis wird auch alles aufbehalten, was aus dem äußeren verschwunden war, und es geht nichts von allen Vorstellungen eines Menschen jemals verloren. Nach dem Tode ist die Erinnerung alles desjenigen, was jemals in seine Seele kam und was ihm selbst ehedem verborgen blieb, das vollständige Buch seines Lebens.

Die Gegenwart der Geister trifft zwar nur seinen innern Sinn. Dieses erregt ihm aber die Apparenz derselben als außer ihm und zwar unter einer menschlichen Figur. Die Geistersprache ist eine unmittelbare Mitteilung der Ideen, sie ist aber jederzeit mit der Apparenz derjenigen Sprache verbunden, die er sonst spricht, und wird vorgestellt als außer ihm. Ein Geist liest in eines andern Geistes Gedächtnis die Vorstellungen, die dieser darin mit Klarheit enthält. So sehen die Geister in SWEDENBORGEN seine Vorstellungen, die er von dieser Welt hat, mit so klarem Anschauen, daß sie sich dabei selbst hintergehen und sich öfters einbilden, sie sehen unmittelbar die Sachen, welches doch unmöglich ist; denn kein reiner Geist hat die mindeste Empfindung von der körperlichen Welt; allein durch die Gemeinschaft mit andern Seelen lebender Menschen können sie auch keine Vorstellung davon haben, weil ihr Innerstes nicht aufgetan ist, d. i. ihr innerer Sinn gänzlich dunkele Vorstellungen enthält. Daher ist SWEDENBORG das rechte Orakel der Geister, welche ebenso neugierig sind, in ihm den gegenwärtigen Zustand der Welt zu beschauen, als er es ist, in ihrem Gedächtnis wie in einem Spiegel die Wunder der Geisterwelt zu betrachten. Obgleich diese Geister mit allen andern Seelen lebender Menschen gleichfalls in der genauesten Verbindung stehen und in dieselbe wirken oder von ihnen leiden, so wissen sie doch dieses ebensowenig, als es die Menschen wissen, weil dieser ihr innerer Sinn, welcher zu ihrer geistigen Persönlichkeit gehört, ganz dunkel ist. Es meinen also die Geister, daß dasjenige, was aus dem Einflusse der Menschenseelen in ihnen gewirkt worden, von ihnen allein gedacht sei, so wie auch die Menschen in diesem Leben nicht anders glauben, als daß alle ihre Gedanken und Willensregungen aus ihnen selbst entspringen, ob sie gleich in der Tat oftmals aus der unsichtbaren Welt in sie übergehen. Indessen hat eine jede menschliche Seele schon in diesem Leben ihre Stelle in der Geisterwelt und gehört zu einer gewissen Sozietät, die jederzeit ihrem innern Zustande des Wahren und Guten, d. i. des Verstandes und Willens, gemäß ist. Es haben aber die Stellen der Geister untereinander nichts mit dem Raume der körperlichen Welt gemein; daher die Seele eines Menschen in Indien mit der eines andern in Europa, was die geistige Lagen betrifft, oft die nächste Nachbaren sein, und dagegen die, so dem Körper nach in einem Hause wohnen, nach jenen Verhältnissen weit gnug voneinander entfernet sein können. Stirbt der Mensch, so verändert die Seele nicht ihre Stelle, sondern empfindet sich nur in derselben, darin sie in Ansehung anderer Geister schon in diesem Leben war. Übrigens, obgleich die Verhältnis der Geister untereinander kein wahrer Raum ist, so hat dieselbe doch bei ihnen die Apparenz desselben, und ihre Verknüpfungen werden unter der begleitenden Bedingung der Naheiten, ihre Verschiedenheiten aber als Weiten vorgestellt, so wie die Geister selber wirklich nicht ausgedehnt sind, einander aber doch die Apparenz einer menschlichen Figur geben. In diesem eingebildetem Raume ist eine durchgängige Gemeinschaft der geistigen Naturen. SWEDENBORG spricht mit abgeschiedenen Seelen, wenn es ihm beliebt, und liest in ihrem Gedächtnis (Vorstellungskraft) denjenigen Zustand, darin sie sich selbst beschauen, und siehet diesen ebenso klar als mit leiblichen Augen. Auch ist die ungeheure Entfernung der vernünftigen Bewohner der Welt in Absicht auf das geistige Weltganze vor nichts zu halten, und mit einem Bewohner des Saturns zu reden, ist ihm ebenso leicht, als eine abgeschiedene Menschenseele zu sprechen. Alles kommt auf das Verhältnis des innern Zustandes und auf die Verknüpfung an, die sie untereinander nach ihrer Übereinstimmung im Wahren und im Guten haben; die entferntere Geister aber können leichtlich durch Vermittelung anderer in Gemeinschaft kommen. Daher braucht der Mensch auch nicht in den übrigen Weltkörpern wirklich gewohnt zu haben, um dieselbe dereinst mit allen ihren Wundern zu kennen. Seine Seele lieset in dem Gedächtnisse anderer abgeschiedenen Weltbürger ihre Vorstellungen, die diese von ihrem Leben und Wohnplatze haben, und siehet darin die Gegenstände so gut wie durch ein unmittelbares Anschauen.

Ein Hauptbegriff in SWEDENBORGS Phantasterei ist dieser. Die körperliche Wesen haben keine eigene Subsistenz, sondern bestehen lediglich durch die Geisterwelt, wiewohl ein jeder Körper nicht durch einen Geist allein, sondern durch alle zusammengenommen. Daher hat die Erkenntnis der materiellen Dinge zweierlei Bedeutung, einen äußerlichen Sinn in Verhältnis der Materie aufeinander und einen innern, insoferne sie als Wirkungen die Kräfte der Geisterwelt bezeichnen, die ihre Ursachen sind. So hat der Körper des Menschen eine Verhältnis der Teile untereinander nach materiellen Gesetzen; aber insoferne er durch den Geist, der in ihm lebt, erhalten wird, haben seine verschiedene Gliedmaßen und ihre Funktionen einen bezeichnenden Wert vor diejenige Seelenkräfte, durch deren Wirkung sie ihre Gestalt, Tätigkeit und Beharrlichkeit haben. Dieser innere Sinn ist den Menschen unbekannt, und den hat SWEDENBORG, dessen Innerstes aufgetan ist, den Menschen bekannt machen wollen. Mit allen andern Dingen der sichtbaren Welt ist es ebenso bewandt; sie haben, wie gesagt, eine Bedeutung als Sachen, welches wenig ist und eine andere als Zeichen, welches mehr ist. Dieses ist auch der Ursprung der neuen Auslegungen, die er von der Schrift hat machen wollen. Denn der innere Sinn, nämlich die symbolische Beziehung aller darin erzählten Dinge auf die Geisterwelt, ist, wie er schwärmet, der Kern ihres Werts, das übrige ist nur die Schale. Was aber wiederum in dieser symbolischen Verknüpfung körperlicher Dinge als Bilder mit dem innern geistigen Zustande wichtig ist, besteht darin: Alle Geister stellen sich einander jederzeit unter dem Anschein ausgedehnter Gestalten vor, und die Einflüsse aller dieser geistigen Wesen untereinander erregen ihnen zugleich die Apparenz von noch andern ausgedehnten Wesen und gleichsam von einer materialen Welt, deren Bilder doch nur Symbolen ihres inneren Zustandes sind, aber gleichwohl eine so klare und dauerhafte Täuschung des Sinnes verursachen, daß solche der wirklichen Empfindung solcher Gegenstände gleich ist. (Ein künftiger Ausleger wird daraus schließen, daß SWEDENBORG ein Idealist sei, weil er der Materie dieser Welt auch die eigne Subsistenz abspricht und sie daher vielleicht nur vor eine zusammenhängende Erscheinung halten mag, welche aus der Verknüpfung der Geisterwelt entspringt). Er redet also von Gärten, weitläuftigen Gegenden, Wohnplätzen, Galerien und Arkaden der Geister, die er mit eigenen Augen in dem kläresten Lichte sähe, und versichert, daß, da er mit allen seinen Freunden nach ihrem Tode vielfältig gesprochen, er an denen, die nur kürzlich gestorben, fast jederzeit gefunden hätte, daß sie sich kaum hätten überreden können, gestorben zu sein, weil sie eine ähnliche Welt um sich sähen; imgleichen, daß Geistergesellschaften von einerlei innerem Zustande einerlei Apparenz der Gegend und anderer daselbst befindlichen Dinge hätten, die Veränderung ihres Zustandes aber sei mit dem Schein der Veränderung des Orts verbunden. Weil nun jederzeit, wenn die Geister den Menschenseelen ihre Gedanken mitteilen, diese mit der Apparenz materieller Dinge verbunden sind, welche im Grunde nur kraft einer Beziehung auf den geistigen Sinn, doch mit allem Schein der Wirklichkeit sich demjenigen vormalen, der solche empfängt, so ist daraus der Vorrat der wilden und unaussprechlich albernen Gestalten herzuleiten, welche unser Schwärmer bei seinem täglichen Geisterumgange in aller Klarheit zu sehen glaubt.

Ich habe schon angeführt, daß nach unserm Verfasser die mancherlei Kräfte und Eigenschaften der Seele mit denen ihrer Regierung untergeordneten Organen des Körpers in Sympathie stehen. Der ganze äußere Mensch korrespondiert also dem ganzen innern Menschen, und wenn daher ein merklicher geistiger Einfluß aus der unsichtbaren Welt eine oder andere dieser seiner Seelenkräfte vorzüglich trifft, so empfindet er auch harmonisch die apparente Gegenwart desselben an denen Gliedmaßen seines äußeren Menschen, die diesen korrespondieren. Dahin bezieht er nun eine große Mannigfaltigkeit von Empfindungen an seinem Körper, die jederzeit mit der geistigen Beschauung verbunden sind, deren Ungereimtheit aber zu groß ist, als daß ich es wagen dürfte, nur eine einzige derselben anzuführen.

Hieraus kann man sich nun, wofern man es der Mühe wert hält, einen Begriff von der abenteuerlichsten und seltsamsten Einbildung machen, in welche sich alle seine Träumereien vereinbaren. So wie nämlich verschiedene Kräfte und Fähigkeiten diejenige Einheit ausmachen, welche die Seele oder der innere Mensch ist, so machen auch verschiedene Geister, (deren Hauptcharaktere sich ebenso aufeinander beziehen, wie die mancherlei Fähigkeiten eines Geistes untereinander), eine Sozietät aus, welche die Apparenz eines großen Menschen an sich zeigt, und in welchem Schattenbilde ein jeder Geist sich an demjenigen Orte und in den scheinbaren Gliedmaßen sieht, die seiner eigentümlichen Verrichtung in einem solchen geistigen Körper gemäß sind. Alle Geistersozietäten aber zusammen und die ganze Welt aller dieser unsichtbaren Wesen erscheinet zuletzt selbst wiederum in der Apparenz des größesten Menschen. Eine ungeheure und riesenmäßige Phantasie, zu welcher sich vielleicht eine alte kindische Vorstellung ausgedehnt hat, wenn etwa in Schulen, um dem Gedächtnis zu Hülfe zu kommen, ein ganzer Weltteil unter dem Bilde einer sitzenden Jungfrau u. d. g. den Lehrlingen vorgemalt wird. In diesem unermeßlichen Menschen ist eine durchgängige innigste Gemeinschaft eines Geistes mit allen und aller mit einem, und wie auch immer die Lage der lebenden Wesen gegeneinander in dieser Welt oder deren Veränderung beschaffen sein mag, so haben sie doch eine ganz andere Stelle im größesten Menschen, welche sie niemals verändern und welche nur dem Scheine nach ein Ort in einem unermeßlichen Raume, in der Tat aber eine bestimmte Art ihrer Verhältnisse und Einflüsse ist.

Ich bin es müde, die wilden Hirngespinste des ärgsten Schwärmers unter allen zu kopieren oder solche bis zu seinen Beschreibungen vom Zustande nach dem Tode fortzusetzen. Ich habe auch noch andere Bedenklichkeiten. Denn obgleich ein Natursammler unter den präparierten Stücken tierischer Zeugungen nicht nur solche, die in natürlicher Form gebildet sind, sondern auch Mißgeburten in seinem Schranke aufstellt, so muß er doch behutsam sein, sie nicht jedermann und nicht gar zu deutlich sehen zu lassen. Denn es könnten unter den Vorwitzigen leichtlich schwangere Personen sein, bei denen es einen schlimmen Eindruck machen dürfte. Und da unter meinen Lesern einige in Ansehung der idealen Empfängnis ebensowohl in andern Umständen sein mögen, so würde mir es leid tun, wenn sie sich hier etwa woran sollten versehen haben. Indessen, weil ich sie doch gleich anfangs gewarnet habe, so stehe ich vor nichts und hoffe, man werde mir die Mondkälber nicht aufbürden, die bei dieser Veranlassung von ihrer fruchtbaren Einbildung möchten geboren werden.

Übrigens habe ich den Träumereien unseres Verfassers keine eigene unterschoben, sondern solche durch einen getreuen Auszug dem bequemen und wirtschaftlichen Leser, (der einem kleinen Vorwitze nicht so leicht 7 Pfund Sterlinge aufopfern möchte), dargeboten. Zwar sind die unmittelbare Anschauungen mehrenteils von mir weggelassen worden, weil dergleichen wilde Hirngespinste nur den Nachtschlaf des Lesers stören würden; auch ist der verworrene Sinn seiner Eröffnungen hin und wieder in eine etwas gangbare Sprache eingekleidet worden; allein die Hauptzüge des Abrisses haben dadurch in ihrer Richtigkeit nicht gelitten. Gleichwohl ist es nur umsonst, es verhehlen zu wollen, weil es jedermann doch so in die Augen fällt, daß alle diese Arbeit am Ende auf nichts herauslaufe. Denn da die vorgegebene Privaterscheinungen des Buchs sich selbst nicht beweisen können, so konnte der Bewegungsgrund, sich mit ihnen abzugeben, nur in der Vermutung liegen, daß der Verfasser zur Beglaubigung derselben sich vielleicht auf Vorfälle von der oben erwähnten Art, die durch lebende Zeugen bestätigt werden könnten, berufen würde. Dergleichen aber findet man nirgend. Und so ziehen wir uns mit einiger Beschämung von einem törichten Versuche zurück mit der vernünftigen, obgleich etwas späten Anmerkung, daß das Klugdenken mehrenteils eine leichte Sache sei, aber leider nur, nachdem man sich eine Zeitlang hat hintergehen lassen.

* * *

Ich habe einen undankbaren Stoff bearbeitet, den mir die Nachfrage und Zudringlichkeit vorwitziger und müßiger Freunde unterlegte. Indem ich diesem Leichtsinn meine Bemühung unterwarf, so habe ich zugleich dessen Erwartung betrogen und weder dem Neugierigen durch Nachrichten, noch dem Forschenden durch Vernunftgründe etwas zur Befriedigung ausgerichtet. Wenn keine andre Absicht diese Arbeit beseelte, so habe ich meine Zeit verloren; ich habe das Zutrauen des Lesers verloren, dessen Erkundigung und Wißbegierde ich durch einen langweiligen Umweg zu demselben Punkte der Unwissenheit geführet habe, aus welchem er herausgegangen war. Allein ich hatte in der Tat einen Zweck vor Augen, der mir wichtiger scheint als der, welchen ich vorgab, und diesen meine ich erreicht zu haben. Die Metaphysik, in welche ich das Schicksal habe verliebt zu sein, ob ich mich gleich von ihr nur selten einiger Gunstbezeugungen rühmen kann, leistet zweierlei Vorteile. Der erste ist, denen Aufgaben ein Gnüge zu tun, die das forschende Gemüt aufwirft, wenn es verborgenern Eigenschaften der Dinge durch Vernunft nachspähet. Aber hier täuscht der Ausgang nur gar zu oft die Hoffnung und ist diesmal auch unsern begierigen Händen entgangen.

Ter frustra comprensa manus effugit imago
Par levibus ventis volucrique simillima somno.
VIRG.

Der andre Vorteil ist der Natur des menschlichen Verstandes mehr angemessen und besteht darin einzusehen, ob die Aufgabe aus demjenigen, was man wissen kann, auch bestimmt sei und welches Verhältnis die Frage zu denen Erfahrungsbegriffen habe, darauf sich alle unsre Urteile jederzeit stützen müssen. Insoferne ist die Metaphysik eine Wissenschaft von den Grenzen der menschlichen Vernunft, und da ein kleines Land jederzeit viel Grenze hat, überhaupt auch mehr daran liegt, seine Besitzungen wohl zu kennen und zu behaupten, als blindlings auf Eroberungen auszugehen, so ist dieser Nutze der erwähnten Wissenschaft der unbekannteste und zugleich der wichtigste, wie er denn auch nur ziemlich spät und nach langer Erfahrung erreichet wird. Ich habe diese Grenze hier zwar nicht genau bestimmt, aber doch insoweit angezeigt, daß der Leser bei weiterem Nachdenken finden wird, er könne sich aller vergeblichen Nachforschung überheben in Ansehung einer Frage, wozu die Data in einer andern Welt, als in welcher er empfindet, anzutreffen sind. Ich habe also meine Zeit verloren, damit ich sie gewönne. Ich habe meinen Leser hintergangen, damit ich ihm nützete, und wenn ich ihm gleich keine neue Einsicht darbot, so vertilgte ich doch den Wahn und das eitele Wissen, welches den Verstand aufblähet und in seinem engen Raume den Platz ausfüllt, den die Lehren der Weisheit und der nützlichen Unterweisung einnehmen könnten.

Wen die bisherigen Betrachtungen ermüdet haben, ohne ihn zu belehren, dessen Ungeduld kann sich nunmehro damit aufrichten, was DIOGENES, wie man sagt, seinen gähnenden Zuhörern zusprach, als er das letzte Blatt eines langweiligen Buchs sah: Courage, meine Herren, ich sehe Land. Vorher wandelten wir wie DEMOKRIT im leeren Raume, wohin uns die Schmetterlingsflügel der Metaphysik gehoben hatten und unterhielten uns daselbst mit geistigen Gestalten. Jetzt, da die stiptische Kraft der Selbsterkenntnis die seidene Schwingen zusammengezogen hat, sehen wir uns wieder auf dem niedrigen Boden der Erfahrung und des gemeinen Verstandes; glücklich, wenn wir denselben als unseren angewiesenen Platz betrachten, aus welchem wir niemals ungestraft hinausgehen, und der auch alles enthält, was uns befriedigen kann, solange wir uns am Nützlichen halten.

Drittes Hauptstück.
Praktischer Schluß aus der ganzen Abhandlung.

Einem jeden Vorwitze nachzuhängen und der Erkenntnissucht keine andre Grenzen zu verstatten als das Unvermögen, ist ein Eifer, welcher der Gelehrsamkeit nicht übel ansteht. Allein unter unzähligen Aufgaben, die sich selbst darbieten, diejenige auswählen, deren Auflösung dem Menschen angelegen ist, ist das Verdienst der Weisheit. Wenn die Wissenschaft ihren Kreis durchlaufen hat, so gelanget sie natürlicherweise zu dem Punkte eines bescheidenen Mißtrauens und sagt, unwillig über sich selbst: Wieviel Dinge gibt es doch, die ich nicht einsehe! Aber die durch Erfahrung gereifte Vernunft, welche zur Weisheit wird, spricht in dem Munde des SOKRATES mitten unter den Waren eines Jahrmarkts mit heiterer Seele: Wieviel Dinge gibt es doch, die ich alle nicht brauche! Auf solche Art fließen endlich zwei Bestrebungen von so unähnlicher Natur in eine zusammen, ob sie gleich anfangs nach sehr verschiedenen Richtungen ausgingen, indem die erste eitel und unzufrieden, die zweite aber gesetzt und gnügsam ist. Denn um vernünftig zu wählen, muß man vorher selbst das Entbehrliche, ja das Unmögliche kennen; aber endlich gelangt die Wissenschaft zu der Bestimmung der ihr durch die Natur der menschlichen Vernunft gesetzten Grenzen; alle bodenlose Entwürfe aber, die vielleicht an sich selbst nicht unwürdig sein mögen, nur daß sie außer der Sphäre des Menschen liegen, fliehen auf den Limbus der Eitelkeit. Alsdenn wird selbst die Metaphysik dasjenige, wovon sie jetzo noch ziemlich weit entfernet ist, und was man von ihr am wenigsten vermuten sollte, die Begleiterin der Weisheit. Denn solange die Meinung einer Möglichkeit, zu so entfernten Einsichten zu gelangen, übrigbleibt, so ruft die weise Einfalt vergeblich, daß solche große Bestrebungen entbehrlich seien. Die Annehmlichkeit, welche die Erweiterung des Wissens begleitet, wird sehr leicht den Schein der Pflichtmäßigkeit annehmen und aus jener vorsetzlichen und überlegten Gnügsamkeit eine dumme Einfalt machen, die sich der Veredelung unserer Natur entgegensetzen will. Die Fragen von der geistigen Natur, von der Freiheit und Vorherbestimmung, dem künftigen Zustande u. d. g. bringen anfänglich alle Kräfte des Verstandes in Bewegung und ziehen den Menschen durch ihre Vortrefflichkeit in den Wetteifer der Spekulation, welche ohne Unterschied klügelt und entscheidet, lehret oder widerlegt, wie es die Scheineinsicht jedesmal mit sich bringt. Wenn diese Nachforschung aber in Philosophie ausschlägt, die über ihr eigen Verfahren urteilt, und die nicht die Gegenstände allein, sondern deren Verhältnis zu dem Verstande des Menschen kennt, so ziehen sich die Grenzen enger zusammen, und die Marksteine werden gelegt, welche die Nachforschung aus ihrem eigentümlichen Bezirke niemals mehr ausschweifen lassen. Wir haben einige Philosophie nötig gehabt, um die Schwierigkeiten zu kennen, welche einen Begriff umgeben, den man gemeiniglich als sehr bequem und alltägig behandelt. Etwas mehr Philosophie entfernet dieses Schattenbild der Einsicht noch mehr und überzeugt uns, daß es gänzlich außer dem Gesichtskreise der Menschen liege. Denn in den Verhältnissen der Ursache und Wirkung, der Substanz und der Handlung dient anfänglich die Philosophie dazu, die verwickelte Erscheinungen aufzulösen und solche auf einfachere Vorstellungen zu bringen. Ist man aber endlich zu den Grundverhältnissen gelangt, so hat das Geschäfte der Philosophie ein Ende, und wie etwas könne eine Ursache sein oder eine Kraft haben, ist unmöglich jemals durch Vernunft einzusehen, sondern diese Verhältnisse müssen lediglich aus der Erfahrung genommen werden. Denn unsere Vernunftregel gehet nur auf die Vergleichung nach der Identität und dem Widerspruche. Soferne aber etwas eine Ursache ist, so wird durch Etwas etwas Anders gesetzt, und es ist also kein Zusammenhang vermöge der Einstimmung anzutreffen; wie denn auch, wenn ich ebendasselbe nicht als eine Ursache ansehen will, niemals ein Widerspruch entspringt, weil es sich nicht contradicieret, wenn etwas gesetzt ist, etwas anderes aufzuheben. Daher die Grundbegriffe der Dinge als Ursachen, die der Kräfte und Handlungen, wenn sie nicht aus der Erfahrung hergenommen sind, gänzlich willkürlich sind und weder bewiesen noch widerlegt werden können. Ich weiß wohl, daß das Denken und Wollen meinen Körper bewege, aber ich kann diese Erscheinung als eine einfache Erfahrung niemals durch Zergliederung auf eine andere bringen und sie daher wohl erkennen, aber nicht einsehen. Daß mein Wille meinen Arm bewegt, ist mir nicht verständlicher, als wenn jemand sagte, daß derselbe auch den Mond in seinem Kreise zurückhalten könnte; der Unterschied ist nur dieser, daß ich jenes erfahre, dieses aber niemals in meine Sinne gekommen ist. Ich erkenne in mir Veränderungen als in einem Subjekte, was lebt, nämlich Gedanken, Willkür etc. etc., und weil diese Bestimmungen von anderer Art sind als alles, was zusammengenommen meinen Begriff vom Körper macht, so denke ich mir billigermaßen ein unkörperliches und beharrliches Wesen. Ob dieses auch ohne Verbindung mit dem Körper denken werde, kann vermittelst dieser aus Erfahrung erkannten Natur niemals geschlossen werden. Ich bin mit meiner Art Wesen durch Vermittelung körperlicher Gesetze in Verknüpfung, ob ich aber auch sonst nach andern Gesetzen, welche ich pneumatisch nennen will, ohne die Vermittelung der Materie in Verbindung stehe oder jemals stehen werde, kann ich auf keinerlei Weise aus demjenigen schließen, was mir gegeben ist. Alle solche Urteile, wie diejenige von der Art, wie meine Seele den Körper bewegt oder mit andern Wesen ihrer Art jetzt oder künftig in Verhältnis steht, können niemals etwas mehr als Erdichtungen sein und zwar bei weitem nicht einmal von demjenigen Werte als die in der Naturwissenschaft, welche man Hypothesen nennt, bei welchen man keine Grundkräfte ersinnt, sondern diejenige, welche man durch Erfahrung schon kennt, nur auf eine den Erscheinungen angemessene Art verbindet, und deren Möglichkeit sich also jederzeit muß können beweisen lassen; dagegen im ersten Falle selbst neue Fundamentalverhältnisse von Ursache und Wirkung angenommen werden, in welchen man niemals den mindesten Begriff ihrer Möglichkeit haben kann und also nur schöpferisch oder chimärisch, wie man es nennen will, dichtet. Die Begreiflichkeit verschiedener wahren oder angeblichen Erscheinungen aus dergleichen angenommenen Grundideen dienet diesen zu gar keinem Vorteile. Denn man kann leicht von allem Grund angeben, wenn man berechtigt ist, Tätigkeiten und Wirkungsgesetze zu ersinnen, wie man will. Wir müssen also warten, bis wir vielleicht in der künftigen Welt durch neue Erfahrungen und Begriffe von denen uns noch verborgenen Kräften in unserm denkenden Selbst werden belehrt werden. So haben uns die Beobachtungen späterer Zeiten, nachdem sie durch Mathematik aufgelöset worden, die Kraft der Anziehung an der Materie offenbaret, von deren Möglichkeit, (weil sie eine Grundkraft zu sein scheint), man sich niemals einigen ferneren Begriff wird machen können. Diejenige, welche, ohne den Beweis aus der Erfahrung in Händen zu haben, vorher sich eine solche Eigenschaft hätten ersinnen wollen, würden als Toren mit Recht verdienet haben, ausgelacht zu werden. Da nun die Vernunftgründe in dergleichen Fällen weder zur Erfindung noch zur Bestätigung der Möglichkeit oder Unmöglichkeit von der mindesten Erheblichkeit sind, so kann man nur den Erfahrungen das Recht der Entscheidung einräumen, so wie ich es auch der Zeit, welche Erfahrung bringt, überlasse, etwas über die gepriesene Heilkräfte des Magnets in Zahnkrankheiten auszumachen, wenn sie ebensoviel Beobachtungen wird vorzeigen können, daß magnetische Stäbe auf Fleisch und Knochen wirken, als wir schon vor uns haben, daß es auf Eisen und Stahl geschehe. Wenn aber gewisse angebliche Erfahrungen sich in kein unter den meisten Menschen einstimmiges Gesetz der Empfindung bringen lassen und also nur eine Regellosigkeit in den Zeugnissen der Sinne beweisen würden, (wie es in der Tat mit den herumgehenden Geistererzählungen bewandt ist), so ist ratsam, sie nur abzubrechen, weil der Mangel der Einstimmung und Gleichförmigkeit alsdenn der historischen Erkenntnis alle Beweiskraft nimmt und sie untauglich macht, als Fundament zu irgendeinem Gesetze der Erfahrung zu dienen, worüber der Verstand urteilen könnte.

So wie man einerseits durch etwas tiefere Nachforschung einsehen lernet, daß die überzeugende und philosophische Einsicht in dem Falle, wovon wir reden, unmöglich sei, so wird man auch andererseits bei einem ruhigen und vorurteilfreien Gemüte gestehen müssen, daß sie entbehrlich und unnötig sei. Die Eitelkeit der Wissenschaft entschuldigt gerne ihre Beschäftigung mit dem Vorwande der Wichtigkeit, und so gibt man auch hier gemeiniglich vor, daß die Vernunfteinsicht von der geistigen Natur der Seele zu der Überzeugung von dem Dasein nach dem Tode, diese aber zum Bewegungsgrunde eines tugendhaften Lebens sehr nötig sei; die müßige Neubegierde aber setzt hinzu, daß die Wahrhaftigkeit der Erscheinungen abgeschiedener Seelen von allem diesen sogar einen Beweis aus der Erfahrung abgeben könne. Allein die wahre Weisheit ist die Begleiterin der Einfalt, und da bei ihr das Herz dem Verstande die Vorschrift gibt, so macht sie gemeiniglich die große Zurüstungen der Gelehrsamkeit entbehrlich, und ihre Zwecke bedürfen nicht solcher Mittel, die nimmermehr in aller Menschen Gewalt sein können. Wie? ist es denn nur darum gut, tugendhaft zu sein, weil es eine andre Welt gibt, oder werden die Handlungen nicht vielmehr dereinst belohnt werden, weil sie an sich selbst gut und tugendhaft waren? Enthält das Herz des Menschen nicht unmittelbare sittliche Vorschriften, und muß man, um ihn allhier seiner Bestimmung gemäß zu bewegen, durchaus die Maschinen an eine andere Welt ansetzen? Kann derjenige wohl redlich, kann er wohl tugendhaft heißen, welcher sich gern seinen Lieblingslastern ergeben würde, wenn ihn nur keine künftige Strafe schreckte, und wird man nicht vielmehr sagen müssen, daß er zwar die Ausübung der Bosheit scheue, die lasterhafte Gesinnung aber in seiner Seele nähre, daß er den Vorteil der tugendähnlichen Handlungen liebe, die Tugend selbst aber hasse? Und in der Tat lehret die Erfahrung auch, daß so viele, welche von der künftigen Welt belehrt und überzeugt sind, gleichwohl dem Laster und der Niederträchtigkeit ergeben nur auf Mittel sinnen, den drohenden Folgen der Zukunft arglistig auszuweichen; aber es hat wohl niemals eine rechtschaffene Seele gelebt, welche den Gedanken hätte ertragen können, daß mit dem Tode alles zu Ende sei, und deren edle Gesinnung sich nicht zur Hoffnung der Zukunft erhoben hätte. Daher scheint es der menschlichen Natur und der Reinigkeit der Sitten gemäßer zu sein, die Erwartung der künftigen Welt auf die Empfindungen einer wohlgearteten Seele, als umgekehrt, ihr Wohlverhalten auf die Hoffnung der andern Welt zu gründen. So ist auch der moralische Glaube bewandt, dessen Einfalt mancher Spitzfindigkeit des Vernünftelns überhoben sein kann, und welcher einzig und allein dem Menschen in jeglichem Zustande angemessen ist, indem er ihn ohne Umschweif zu seinen wahren Zwecken führet. Laßt uns demnach alle lärmende Lehrverfassungen von so entfernten Gegenständen der Spekulation und der Sorge müßiger Köpfe überlassen. Sie sind uns in der Tat gleichgültig, und der augenblickliche Schein der Gründe vor oder dawider mag vielleicht über den Beifall der Schulen, schwerlich aber etwas über das künftige Schicksal der Redlichen entscheiden. Es war auch die menschliche Vernunft nicht gnugsam dazu beflügelt, daß sie so hohe Wolken teilen sollte, die uns die Geheimnisse der andern Welt aus den Augen ziehen, und denen Wißbegierigen, die sich nach derselben so angelegentlich erkundigen, kann man den einfältigen, aber sehr natürlichen Bescheid geben, daß es wohl am ratsamsten sei, wenn sie sich zu gedulden beliebten, bis sie werden dahin kommen. Da aber unser Schicksal in der künftigen Welt vermutlich sehr darauf ankommen mag, wie wir unsern Posten in der gegenwärtigen verwaltet haben, so schließe ich mit demjenigen, was VOLTAIRE seinen ehrlichen CANDIDE nach so viel unnützen Schulstreitigkeiten zum Beschlusse sagen läßt: Laßt uns unser Glück besorgen, in den Garten gehen und arbeiten!

Lesarten

Drucke:

Über die Originaldrucke berichtet Kehrbach (S. X f. seiner Ausg.), der erste Herausgeber, der seiner Neu-Ausgabe der »Träume« den eigentlichen Originaldruck zugrunde gelegt hat, folgendes.

1. Träume | eines Geistersehers, | erläutert | durch | Träume der Metaphysik. | Titelvignette (einen nackten sitzenden Genius darstellend, der in der linken Hand eine Leier hält.) | Motto: velut aegri somnia, vanae | Finguntur species. Hor. Königsberg, | bey Johann Jacob Kanter | 1766. 8, 128 S. (Unten als A1 bezeichnet.)

2. Träume | eines Geistersehers, | erläutert | durch | Träume der Metaphysik. | Titelvignette (Rosenzweige darstellend). Motto wie A1. | Riga und Mietau, | bey Johann Friedrich Hartknoch | 1766. 8, 128 S. (Unten als A2 bezeichnet.)

3. Träume | eines Geistersehers etc.

Die Ausgabe 3. unterscheidet sich in Bezug auf das Titelblatt nur durch die Titelvignette und den zwischen Ortsangabe und Motto angebrachten Strich. Die Titelvignette besteht aus einem sitzenden nackten Genius, der in den Händen einen Blumenstock hält. Der Querstrich zwischen Motto und Ortsangabe besteht aus aneinandergereihten – – – –, während er in A2 aus *** besteht. Auch auf der ersten Seite des Textes ist die Verschiedenheit der beiden Drucke 2. und 3. sofort sichtbar. Die Randleiste, welche über dem Texte steht, ist in 2. eine andere als in 3. Ferner, um noch ein Beispiel der in die Augen tretenden Differenz zu geben, hat 2. auf der letzten Zeile der ersten Seite: »die beyden Pforten«, 3. dagegen hat wie 1.: »die beyde Pforten«. (Unten als A3 bezeichnet.) Welche Ausgabe von den beiden Hartknochschen die ältere ist, wird sich schwer nachweisen lassen.

Nach der von Menzer vorgenommenen Vergleichung der beiden Drucke A2 und A3 (s. Ak. II, 503) ist es wahrscheinlich, daß A3 der zweite, A2 der dritte Druck ist. A3 wird wohl als Druckvorlage für A2 gedient haben.

4. Träume eines Geistersehers, erläutert durch Träume der Metaphysik, in: I. Kants sämmtliche kleine Schriften. Nach der Zeitfolge geordnet. Königsberg und Leipzig 1797/8. Bd. II, S. 379–478.

5. Träume eines Geistersehers, erläutert durch Träume der Metaphysik, in: I. Kants vermischte Schriften. Halle (Renger), 1799. (Tieftrunk.) Bd. II, S. 247–346.

6. Träume eines Geistersehers, erläutert durch Träume der Metaphysik, in: Kants populäre Schriften, hrsg. von Paul Menzer. S. 117–202.


331, 12 v. u. und wenigstens (A)] Wille möchte lesen: »oder wenigstens«. Unnötig. 332, 3 hinaus (A1)] hieraus (A2 A3) 334, 10 v. u. errichtet (A1)] erreichet (A2. A3). 334, 4 v. u. entfaltet (A3)] A1. A2 haben den Druckfehler: »entfalten«. 336, 24 Entscheidungen (A1)] Entschließungen (A2. A3). 337, 6 Zurückstoßung] erst von Ak. gesperrt. 338, 4 desselben (Wille)] derselben (A) 339, 13 schmerzhaften (A1, A3)] schmerzhaftesten A2. Danach die andern Hsgg., außer Ak. 340, 4 d. Anm. ein Atomus (A)] Wille: »nur ein Atomus«. Unnötig. 340, 15 v. u. diesen (T)] dessen (A1–3). 340, 14 v. u. Grad Klarheit (A). So auch Kehrb. Ak.] T, Ros, H, Vorl. lesen: »Grad der Klarheit«. 340, 11 v. u. Wille möchte lesen: welche beide Sinne durch die Eindrücke Stellen im Gehirne bewegen werden. – Eher eine Verschlechterung! 342, 1 d. Anm. auch wohl so (A1)] auch so A2, A3; Voigt, T, Starke, R, H1, H2 (alle nach A2! Kehrb. und Ak. lesen nach A1). 343, 2 d. Anm. ohne allem inneren Zustande (A1, A2)] Ak: »ohne allen inneren Zustand«. Die Lesart von A. entspricht wohl Kants Sprachgebrauch, daher Änderung unangebracht. 344, 1 sola (A1)] fehlt A2, A3. Ebenso in T, H, Ros., die nach A2 gedruckt haben. Auch bei Kehrbach, obwohl dieser A1, A2, A3 verglichen hat. Wiederhergestellt ist es in Ak. und Vorl. 344, 14 v. u. immaterielle (A1)] immateriale (A2) 344, 7 v. u. deren (A)] dessen (Vorl.) Zunächst wahrscheinlich, aber bei Kant gerade diese lose Beziehung (auf Welt) beliebt. Änderung daher unnötig. 344, 4 v. u. wo sie auch (A1, A2)] wo es auch (Ak). Unnötig. 345, 27 Wurzel (A)] Vorl.: »Wurzeln«. Unnötig. 345, 1 v. u. allem diesen A1, T, H, K] allem diesem A2, A3, Ak. 346, 1 auf Beweisgründe] auf Beweisgründen (A1, A2); K: »aus Beweisgründen«. (In A1 steht irrtümlich »Beweiegründen«.) 347, 20 mir (A)] fehlt in Ak. (Druckfehler.) 348, 21 ihnen (Wille)] ihr (A) 348, 15 v. u. andere (Ak)] andern A1 A2 349, 3 die Eigennützigkeit (A1–3)] Vorl.: »Eigennützigkeit«. Unnötig. 349, 13 vor] von (A) 349, 18 um (A1 A3)] und (A2). Dieser Sachverhalt von Vorl. nicht erkannt, er schreibt im Text »und« und bemerkt: Akademie »um«. 350, 2 jede (A)] Kehrbach (in den Lesarten) »jedes«. Unnötig. In Kehrbachs Text steht der Druckfehler: »jeder«. Danach ist auch Vorl.s Anm. zu der Stelle zu berichtigen. 350, 6 Beweggründen (A1, K)] Bewegungsgründen A2, A3. Voigt, T, Starke, H1, H2, R lesen mit A2! 350, 14 derselben (A1, A2)] Menzer (in Ak) ändert in: »desselben«. Erhardt (a. a. O. S. 446) bemerkt dazu mit Recht, daß sich dieses Wort »ohne Schwierigkeit auf Erscheinungen beziehen lasse« und daher die Änderung nicht richtig sei. Die Änderung von Ak. also unangebracht. 350, 15 Materie (A)] Materien? (Menzer). Unnötig. 351, 21 Materien (Ak)] Materie (A1 A2) 351, 26 darin (A1)] darein (A2) 352, 7 v. u. in (A)] fehlt bei T, Ros., H. Der Tieftrunksche Druckfehler ist von R. und H. übernommen worden. 353, 10 v. u. ob sie gleich (A)] ob sie sich gleich (K). Unnötig. 353, 9 v. u. bestätigen (Kehrb.)] bestätigt (A1, A2) 353, 1 v. u. werden (T)] wird (A) 354, 7 vergesellschafteten (A1)] A2 hat: »vergesellschaftenden«; A3: »vergesellschaftenten«. 354, 10 deren (A)] Vorländer möchte lesen: »dessen«. Beides möglich. 355, 15 zum (A)] dem? Vorl. 356, 5 vorgaukeln] A1, A2 haben den Druckfehler: »vergaukeln«. 356, 20 dieses (A)] Vorl. liest: »durch dieses«, wodurch indes der Sinn der Stelle unnötig geändert wird. 357, 10 v. u. bewohn(e)t (H)] bewohnen (A1, A2) 358, 22 am meisten (A)] am wenigsten ?Vorl. 358, 12 v. u. sich] erst in der obigen Ausgabe gesperrt, vgl. Z. 13 v. u. »in sich«. 359, 9 Träumern (A1)] Träumen (A2) 359, 9 v. u. vielleicht (Wille)] vielleicht bisweilen (A)] Wille vermutet, wohl mit Recht, daß »bisweilen« nur durch ein Versehen stehen geblieben ist. 360, 2 in der Wirkung (A)] »in der Wirklichkeit« möchte Wille lesen (ihm folgt Vorl.), weil als Gegensatz folgt: »in der Vorstellung«. Da der Text von A. einen guten Sinn gibt, Änderung unnötig. 361, 13 f. jenem – diesem (A)] Ak: jener (Nervenbewegung) – dieser (Empfindung). Statt »jener« liest Vorl. jenen (sc. den Phantasien!). Eine Änderung ist wohl überhaupt nicht notwendig. 361, 27 die (A1, T)] »der« Druckfehler in A2, A3, Kehrbach gibt vorne S. XXIII das Richtige (die) an, hat aber S. 36 Z. 12 dann selbst im Text das falsche »der«! 361, 37 denkenden] A1: »denkendes« (Druckfehler); A2 hat: »denkendem«. 362, 18 A2 hat den sinnstörenden Druckfehler: »Gesicht«. 363, 4 Es ist … die Erziehungsbegriffe von Geistergestalten … Einbildungen geben (A)] Vorl. möchte »von Geistergestalten« nach »Einbildungen« setzen. Wohl nicht nötig. 363, 19 Entwürfen (H)] Einwürfen (A) 365, 25 der eine] »eine« A1 »ein« A2 und die Ausgaben. Wahrscheinlicher ist einfach »der« ausgefallen. 365, 6 v. u. der der (A1)] der (A2, A3) 367, 26 negativen (T)] negativem (A) 367, 4 v. u. der (Ak)] denen (A) 369, 11 denselben (T)] demselben (A) 370, 11 Swedenborg] in A steht durchweg: »Schwedenberg«. 370, 18 abfaßt (A1)] abgefaßt (A2) 370, 3 v. u. gerufen (A1)] berufen (A2, A3) 371, 5 v. u. sich (A1, A3)] sie (A2) 372, 9 eine (A2)] ein (A1) 372, 23 voranschickten (A1)] voranschicken (A2, A3) 373, 5 dem (Ak)] den (A1, A2) 373, 11 v. u. im (A2)] in (A1) 374, 4 portentaque (T) Thessala (H)] protentaque Tessala (A1, A2) 374, 24 genugsamer (A1)] grausamer (A2 A3) »grausamer Erfahrungskenntnisse«! Diesen offenbaren Druckfehler von A2 drucken Voigt, T, Starke, Ros., H1 und H2 nach! Erst von Kehrb. verbessert. 374, 10 v. u. bei (A1)] auf (A2, A3). Druckfehler. 375, 19 ob er wohl (A)] H: »ob er gleichwohl«. Unnötig. 375, 11 v. u. meiner (H)] meine (A1, Ak) 376, 19 derselben (Wille)] desselben (A1, A2, H) 378, 1 nur (A1, A3)] nun (A2). A2 folgen die Hsgg. bis auf Kehrb. 378, 3 verwirren (A)] T: »verirren«. Der Druckfehler ist von R. u. H. übernommen. 379, 10 v. u. Lagen (A1, A3)] Lage (A2). Die meisten Hsgg. (T, Starke, H1, H2, R) wieder nach A2! 381, 10 erregen (H)] erregt (A1 A2 A3) 381, 17 Subsistenz (A1, A3)] Substanz (A2). Alle Hsgg. bis auf H2 nach A2! 381, 21 er (A1)] fehlt in A2 382, 23 gemäß sind (Ak)] gemäß ist (A) 382, 9 v. u. allen (T)] allem (A) 383, 25 gangbare (A)] gangbarere Vorl.? Nicht unbedingt nötig. 385, 11 eines (A3)] einiges (A1) (Druckfehler). 385, 16 f. zusammengezogen] A1 liest: zusammenzogen (Druckfehler?). 386, 12 des (A1)] der (A2, A3) 386, 7 v. u. ihrem] Zus. H. 386, 6 v. u. Schwierigkeiten (H)] Schwierigkeit (A) 388, 18 neue Erfahrungen und Begriffe] A: »neue Erfahrungen neue Begriffe«. Das zweite »neue« wahrscheinlich ein Satzfehler für »und«. R. und Kehrb. lesen: »Erfahrungen über neue Begriffe«; Ak: »neue Erfahrungen und neue Begriffe«. 389, 1 ist (A)] »ist es« Vorl. Unnötig. 389, 4 als (Kehrb.)] ein (A); als ein (Wille).

(1) Wenn der Begriff eines Geistes von unsern eignen Erfahrungsbegriffen abgesondert wäre, so würde das Verfahren, ihn deutlich zu machen leicht sein, indem man nur diejenigen Merkmale anzuzeigen hätte, welche uns die Sinne an dieser Art Wesen offenbareten, und wodurch wir sie von materiellen Dingen unterscheiden. Nun aber wird von Geistern geredet, selbst alsdenn, wenn man zweifelt, ob es gar dergleichen Wesen gebe. Also kann der Begriff von der geistigen Natur nicht als ein von der Erfahrung abstrahierter behandelt werden. Fragt ihr aber: Wie ist man denn zu diesem Begriff überhaupt gekommen, wenn es nicht durch Abstraktion geschehen ist? Ich antworte: Viele Begriffe entspringen durch geheime und dunkele Schlüsse bei Gelegenheit der Erfahrungen und pflanzen sich nachher auf andere fort ohne Bewußtsein der Erfahrung selbst oder des Schlusses, welcher den Begriff über dieselbe errichtet hat. Solche Begriffe kann man erschlichene nennen. Dergleichen sind viele, die zum Teil nichts als ein Wahn der Einbildung, zum Teil auch wahr sind, indem auch dunkele Schlüsse nicht immer irren. Der Redegebrauch und die Verbindung eines Ausdrucks mit verschiedenen Erzählungen, in denen jederzeit einerlei Hauptmerkmal anzutreffen ist, geben ihm eine bestimmte Bedeutung, welche folglich nur dadurch kann entfaltet werden, daß man diesen versteckten Sinn durch eine Vergleichung mit allerlei Fällen der Anwendung, die mit ihm einstimmig sind oder ihm widerstreiten, aus seiner Dunkelheit hervorzieht.

(2) Man wird hier leichtlich gewahr, daß ich nur von Geistern, die als Teile zum Weltganzen gehören und nicht von dem unendlichen Geiste rede, der der Urheber und Erhalter desselben ist. Denn der Begriff von der geistigen Natur des letzteren ist leicht, weil er lediglich negativ ist und darin besteht, daß man die Eigenschaften der Materie an ihm verneinet, die einer unendlichen und schlechterdings notwendigen Substanz widerstreiten. Dagegen bei einer geistigen Substanz, die mit der Materie in Vereinigung sein soll, wie z. E. der menschlichen Seele, äußert sich die Schwierigkeit, daß ich eine wechselseitige Verknüpfung derselben mit körperlichen Wesen zu einem Ganzen denken und dennoch die einzige bekannte Art der Verbindung, welche unter materiellen Wesen stattfindet, aufheben soll.

(3) Man hat Beispiele von Verletzungen, dadurch ein guter Teil des Gehirns verloren worden, ohne daß es dem Menschen das Leben oder die Gedanken gekostet hat. Nach der gemeinen Vorstellung, die ich hier anführe, würde ein Atomus desselben haben dürfen entführt oder aus der Stelle gerückt werden, um in einem Augenblick den Menschen zu entseelen. Die herrschende Meinung, der Seele einen Platz im Gehirne anzuweisen, scheinet hauptsächlich ihren Ursprung darin zu haben, daß man bei starkem Nachsinnen deutlich fühlt, daß die Gehirnnerven angestrengt werden. Allein wenn dieser Schluß richtig wäre, so würde er auch noch andere Örter der Seele beweisen. In der Bangigkeit oder der Freude scheint die Empfindung ihren Sitz im Herzen zu haben. Viele Affekten, ja die mehresten, äußern ihre Hauptstärke im Zwerchfell. Das Mitleiden bewegt die Eingeweide, und andre Instinkte äußern ihren Ursprung und Empfindsamkeit in andern Organen. Die Ursache, die da macht, daß man die nachdenkende Seele vornehmlich im Gehirne zu empfinden glaubt, ist vielleicht diese. Alles Nachsinnen erfordert die Vermittelung der Zeichen vor die zu erweckende Ideen, um in deren Begleitung und Unterstützung diesen den erforderlichen Grad Klarheit zu geben. Die Zeichen unserer Vorstellungen aber sind vornehmlich solche, die entweder durchs Gehör oder das Gesicht empfangen sind, welche beide Sinne durch die Eindrücke im Gehirne bewegt werden, indem ihre Organen auch diesem Teile am nächsten liegen. Wenn nun die Erweckung dieser Zeichen, welche Cartesius ideas materiales nennt, eigentlich eine Reizung der Nerven zu einer ähnlichen Bewegung mit derjenigen ist, welche die Empfindung ehedem hervorbrachte, so wird das Gewebe des Gehirns im Nachdenken vornehmlich genötiget werden, mit vormaligen Eindrücken harmonisch zu beben und dadurch ermüdet werden. Denn wenn das Denken zugleich affektvoll ist, so empfindet man nicht allein Anstrengungen des Gehirnes, sondern zugleich Angriffe der reizbaren Teile, welche sonst mit den Vorstellungen der in Leidenschaft versetzten Seele in Sympathie stehen.

(4) Der Grund hievon, der mir selbst sehr dunkel ist und wahrscheinlicherweise auch wohl so bleiben wird, trifft zugleich auf das empfindende Wesen in den Tieren. Was in der Welt ein Principium des Lebens enthält, scheint immaterieller Natur zu sein. Denn alles Leben beruhet auf dem inneren Vermögen, sich selbst nach Willkür zu bestimmen. Da hingegen das wesentliche Merkmal der Materie in der Erfüllung des Raumes durch eine notwendige Kraft bestehet, die durch äußere Gegenwirkung beschränkt ist; daher der Zustand alles dessen, was materiell ist, äußerlich abhangend und gezwungen ist, diejenige Naturen aber, die selbst tätig und aus ihrer innern Kraft wirksam den Grund des Lebens enthalten sollen, kurz diejenige, deren eigene Willkür sich von selber zu bestimmen und zu verändern vermögend ist, schwerlich materieller Natur sein können. Man kann vernünftigerweise nicht verlangen, daß eine so unbekannte Art Wesen, die man mehrenteils nur hypothetisch erkennt, in den Abteilungen ihrer verschiedenen Gattungen sollte begriffen werden; zum wenigsten sind diejenige immaterielle Wesen, die den Grund des tierischen Lebens enthalten, von denenjenigen unterschieden, die in ihrer Selbsttätigkeit Vernunft begreifen und Geister genannt werden.

(5) Leibniz sagte, dieser innere Grund aller seiner äußeren Verhältnisse und ihrer Veränderungen sei eine Vorstellungskraft, und spätere Philosophen empfingen diesen unausgeführten Gedanken mit Gelächter. Sie hätten aber nicht übel getan, wenn sie vorhero bei sich überlegt hätten, ob denn eine Substanz, wie ein einfacher Teil der Materie ist, ohne allem inneren Zustande möglich sei, und wenn sie denn diesen etwa nicht ausschließen wollten, so würde ihnen obgelegen haben, irgend einen andern möglichen innern Zustand zu ersinnen als den der Vorstellungen und der Tätigkeiten, die von ihnen abhängend sind. Jedermann sieht von selber, daß, wenn man auch den einfachen Elementarteilen der Materie ein Vermögen dunkler Vorstellungen zugesteht, daraus noch keine Vorstellungskraft der Materie selbst erfolge, weil viel Substanzen von solcher Art, in einem Ganzen verbunden, doch niemals eine denkende Einheit ausmachen können.

(6) Wenn man von dem Himmel als dem Sitze der Seligen redet, so setzt die gemeine Vorstellung ihn gerne über sich, hoch in dem unermeßlichen Weltraume. Man bedenket aber nicht, daß unsre Erde, aus diesen Gegenden gesehen, auch als einer von den Sternen des Himmels erscheine, und daß die Bewohner anderer Welten mit ebenso gutem Grunde nach uns hin zeigen könnten und sagen: Sehet da den Wohnplatz ewiger Freuden und einen himmlischen Aufenthalt, welcher zubereitet ist, uns dereinst zu empfangen. Ein wunderlicher Wahn nämlich macht, daß der hohe Flug, den die Hoffnung nimmt, immer mit dem Begriffe des Steigens verbunden ist, ohne zu bedenken, daß, so hoch man auch gestiegen ist, man doch wieder sinken müsse, um allenfalls in einer andern Welt festen Fuß zu fassen. Nach den angeführten Begriffen aber würde der Himmel eigentlich die Geisterwelt sein oder, wenn man will, der selige Teil derselben, und diese würde man weder über sich noch unter sich zu suchen haben, weil ein solches immaterielle Ganze nicht nach den Entfernungen oder Naheiten gegen körperliche Dinge, sondern in geistigen Verknüpfungen seiner Teile untereinander vorgestellt werden muß, wenigstens die Glieder derselben sich nur nach solchen Verhältnissen ihrer selbst bewußt sind.

(7) Die aus dem Grunde der Moralität entspringende Wechselwirkungen des Menschen und der Geisterwelt nach den Gesetzen des pneumatischen Einflusses könnte man darin setzen, daß daraus natürlicherweise eine nähere Gemeinschaft einer guten oder bösen Seele mit guten und bösen Geistern entspringe, und jene dadurch sich selbst dem Teile der geistigen Republik zugeselleten, der ihrer sittlichen Beschaffenheit gemäß ist, mit der Teilnehmung an allen Folgen, die daraus nach der Ordnung der Natur entstehen mögen.

(8) Man kann dieses durch eine gewisse Art von zwiefacher Persönlichkeit, die der Seele selbst in Ansehung dieses Lebens zukommt, erläutern. Gewisse Philosophen glauben, sich ohne den mindesten besorglichen Einspruch auf den Zustand des festen Schlafes berufen zu können, wenn sie die Wirklichkeit dunkeler Vorstellungen beweisen wollen, da sich doch nichts weiter hievon mit Sicherheit sagen läßt, als daß wir uns im Wachen keiner von denenjenigen erinnern, die wir im festen Schlafe etwa mochten gehabt haben, und daraus nur soviel folgt, daß sie beim Erwachen nicht klar vorgestellt worden, nicht aber, daß sie auch damals, als wir schliefen, dunkel waren. Ich vermute vielmehr, daß dieselbe klärer und ausgebreiteter sein mögen, als selbst die kläresten im Wachen, weil dieses bei der völligen Ruhe äußerer Sinne von einem so tätigen Wesen als die Seele ist, zu erwarten ist, wiewohl, da der Körper des Menschen zu der Zeit nicht mit empfunden ist, beim Erwachen die begleitende Idee desselben ermangelt, welche den vorigen Zustand der Gedanken als zu ebenderselben Person gehörig zum Bewußtsein verhelfen könnte. Die Handlungen einiger Schlafwanderer, welche bisweilen in solchem Zustande mehr Verstand als sonsten zeigen, ob sie gleich nichts davon beim Erwachen erinnern, bestätigen die Möglichkeit dessen, was ich vom festen Schlafe vermute. Die Träume dagegen, das ist, die Vorstellungen des Schlafenden, deren er sich beim Erwachen erinnert, gehören nicht hieher. Denn alsdenn schläft der Mensch nicht völlig; er empfindet in einem gewissen Grade klar und webt seine Geisteshandlungen in die Eindrücke der äußeren Sinne. Daher er sich ihrer zum Teil nachhero erinnert, aber auch an ihnen lauter wilde und abgeschmackte Chimären antrifft, wie sie es denn notwendig sein müssen, da in ihnen Ideen der Phantasie und die der äußeren Empfindung untereinander geworfen werden.

(9) Ich verstehe hierunter nicht die Organen der äußeren Empfindung, sondern das Sensorium der Seele, wie man es nennt, d. i. denjenigen Teil des Gehirnes, dessen Bewegung die mancherlei Bilder und Vorstellungen der denkenden Seele zu begleiten pflegt, wie die Philosophen davor halten.

(10) So wird das Urteil, welches wir von dem scheinbaren Orte naher Gegenstände fällen, in der Sehekunst gemeiniglich vorgestellt, und es stimmt auch sehr gut mit der Erfahrung. Indessen treffen ebendieselbe Lichtstrahlen, die aus einem Punkte auslaufen, vermöge der Brechung in den Augenfeuchtigkeiten nicht divergierend auf den Sehenerven, sondern vereinigen sich daselbst in einem Punkte. Daher, wenn die Empfindung lediglich in diesem Nerven vorgeht, der focus imaginarius nicht außer dem Körper, sondern im Boden des Auges gesetzt werden müßte, welches eine Schwierigkeit macht, die ich jetzt nicht auflösen kann, und die mit den obigen Sätzen sowohl als mit der Erfahrung unvereinbar scheint.

(11) Man könnte als eine entfernte Ähnlichkeit mit dem angeführten Zufalle die Beschaffenheit der Trunkenen anführen, die in diesem Zustande mit beiden Augen doppelt sehen, darum weil durch die Anschwellung der Blutgefäße eine Hindernis entspringt, die Augenachsen so zu richten, daß ihre verlängerte Linien sich im Punkte, worin das Objekt ist, schneiden. Ebenso mag die Verziehung der Hirngefäße, die vielleicht nur vorübergehend ist und, solange sie dauert, nur einige Nerven betrifft, dazu dienen, daß gewisse Bilder der Phantasie selbst im Wachen als außer uns erscheinen. Eine sehr gemeine Erfahrung kann mit dieser Täuschung verglichen werden. Wenn man nach vollbrachten Schlafe mit einer Gemächlichkeit, die einem Schlummer nahekommt und gleichsam mit gebrochnen Augen die mancherlei Fäden der Bettvorhänge oder des Bezuges oder die kleinen Flecken einer nahen Wand ansieht, so macht man sich daraus leichtlich Figuren von Menschengesichtern und dergleichen. Das Blendwerk hört auf, sobald man will und die Aufmerksamkeit anstrengt. Hier ist die Versetzung des foci imaginarii der Phantasien der Willkür einigermaßen unterworfen, da sie bei der Verrückung durch keine Willkür kann gehindert werden.

(12) Das Sinnbild der alten Ägypter vor die Seele war ein Papillon, und die griechische Benennung bedeutete ebendasselbe. Man siehet leicht, daß die Hoffnung, welche aus dem Tode nur eine Verwandlung macht, eine solche Idee samt ihren Zeichen veranlaßt habe. Indessen hebt dieses keinesweges das Zutrauen zu der Richtigkeit der hieraus entsprungenen Begriffe. Unsere innere Empfindung und die darauf gegründete Urteile des Vernunftähnlichen führen, solange sie unverderbt sind, ebendahin, wo die Vernunft hinleiten würde, wenn sie erleuchteter und ausgebreiteter wäre.

Anmerkungen zur Transkription:

Im folgenden werden alle geänderten Textstellen angeführt, wobei jeweils zuerst die Stelle wie im Original, danach die geänderte Stelle steht.






End of the Project Gutenberg EBook of Träume eines Geistersehers, erläute
t durch Träume der Metaphysik, by Immanuel Kant

*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK TRÄUME EINES GEISTERSEHERS ***

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forth in this agreement, you must obtain permission in writing from
both the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and Michael
Hart, the owner of the Project Gutenberg-tm trademark.  Contact the
Foundation as set forth in Section 3 below.

1.F.

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Section  2.  Information about the Mission of Project Gutenberg-tm

Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of
electronic works in formats readable by the widest variety of computers
including obsolete, old, middle-aged and new computers.  It exists
because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from
people in all walks of life.

Volunteers and financial support to provide volunteers with the
assistance they need, are critical to reaching Project Gutenberg-tm's
goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will
remain freely available for generations to come.  In 2001, the Project
Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations.
To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4
and the Foundation web page at http://www.pglaf.org.


Section 3.  Information about the Project Gutenberg Literary Archive
Foundation

The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
Revenue Service.  The Foundation's EIN or federal tax identification
number is 64-6221541.  Its 501(c)(3) letter is posted at
http://pglaf.org/fundraising.  Contributions to the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent
permitted by U.S. federal laws and your state's laws.

The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S.
Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered
throughout numerous locations.  Its business office is located at
809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887, email
[email protected].  Email contact links and up to date contact
information can be found at the Foundation's web site and official
page at http://pglaf.org

For additional contact information:
     Dr. Gregory B. Newby
     Chief Executive and Director
     [email protected]


Section 4.  Information about Donations to the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation

Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide
spread public support and donations to carry out its mission of
increasing the number of public domain and licensed works that can be
freely distributed in machine readable form accessible by the widest
array of equipment including outdated equipment.  Many small donations
($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
status with the IRS.

The Foundation is committed to complying with the laws regulating
charities and charitable donations in all 50 states of the United
States.  Compliance requirements are not uniform and it takes a
considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
with these requirements.  We do not solicit donations in locations
where we have not received written confirmation of compliance.  To
SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any
particular state visit http://pglaf.org

While we cannot and do not solicit contributions from states where we
have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
against accepting unsolicited donations from donors in such states who
approach us with offers to donate.

International donations are gratefully accepted, but we cannot make
any statements concerning tax treatment of donations received from
outside the United States.  U.S. laws alone swamp our small staff.

Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation
methods and addresses.  Donations are accepted in a number of other
ways including checks, online payments and credit card donations.
To donate, please visit: http://pglaf.org/donate


Section 5.  General Information About Project Gutenberg-tm electronic
works.

Professor Michael S. Hart is the originator of the Project Gutenberg-tm
concept of a library of electronic works that could be freely shared
with anyone.  For thirty years, he produced and distributed Project
Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support.


Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed
editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S.
unless a copyright notice is included.  Thus, we do not necessarily
keep eBooks in compliance with any particular paper edition.


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