The Project Gutenberg EBook of Rudolph von Habsburg., by Ladislav Pyrker

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Title: Rudolph von Habsburg.
       Ein Heldengedicht in zwölf Gesängen.

Author: Ladislav Pyrker

Release Date: July 20, 2009 [EBook #29465]

Language: German

Character set encoding: UTF-8

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Inhalt
Rudolph von Habsburg
Nachtrag
Anmerkungen

Pyrker. Rudolph von Habsburg.


Johann Ladislav Pyrker’s

sämmtliche Werke.

Neue durchaus verbesserte Ausgabe.

Zweiter Band.


Stuttgart und Tübingen.
J. G. Cotta’scher Verlag.
1855.

Buchdruckerei der J. G. Cotta’schen Buchhandlung in Stuttgart
und Augsburg.

1

Rudolph von Habsburg.

Ein Heldengedicht in zwölf Gesängen.

3

Inhalt der zwölf Gesänge.


Erster Gesang.

Eingang. Drahomira entfährt der Hölle, sich an Ottgar zu rächen. Er lagert vor Dürnkrut. Aufzählung der böhmischen Völker. Ottgar im Kriegsrath mit seinen Feldherrn. Kunegunde, von Drahomira empört, erfüllt ihn mit unversöhnlicher Rachgier. Meinhard von Görz, und Lichtenstein, die Gesandten Rudolphs, kommen, ihm Frieden zu biethen, und zugleich, als sie ihn zum Turniere laden, um die Hand seiner Tochter für Rudolphs Sohn zu frei’n. Wallstein, Ottgars Liebling, trägt heimliche Liebe zu ihr. Ottgar entläßt die Gesandten mit zweifelhaften Worten. Beschließt den Kampf. Gesichte der Zukunft.

Zweiter Gesang.

Rudolph zieht seinem Sohn Albrecht bis Lilienfeld entgegen. Besteigt die Alpenhöhen, wo ein frommer Klausner ihm seines Hauses künftige Größe verkündet. Schlägt Müller, den Zürcher, zum Ritter. Sonnenaufgang, und herrliche Aussicht. Albrecht nah’t von Zell heran, und stellt dem Kehrenden die Schweizer- und die schwäbischen Scharen vor. Er zieht mit ihnen g’en Wien. Hedwig.

Dritter Gesang.

Marbod, einst König der Markmannen, und ein jetzt dem Kaiser gewogener Geist, eröffnet dem Feldherrn Hugo von Tauffers, in einem Traum, den Verrath, den Waldram, Bürgermeister zu Wien, an dem Kaiser sinnt. Rudolph kommt mit seinen Scharen heran, und nimmt an der Wien von seiner Gemahlinn Abschied. Sendet Hugo von Tauffers an den König der Ungern, Ladislav. Ernennt an dessen Stelle seinen Sohn, Hartman, zum Festungs­gebiether, und eilt in das Lager am Tabor. Aufzählung seiner Völker. Hugo von Tauffers im Lager der Kumanier und Ungern. Diese setzen die March herüber.

4
Vierter Gesang.

Morgen. Turnier am Tabor. Von Drahomira erregt, höhnt Wallstein Hartman, Rudolphs Sohn; kommt unerkannt in schwarzer Rüstung Ottgar heran; widersteht ihrer Einflüsterung, den Kaiser zu morden; ersticht Hartmans Roß; wirft den Fehdehandschuh Rudolph, zum Kampf auf Tod und Leben, hin, und entflieht im schrecklichen Donnergewitter.

Fünfter Gesang.

Ottgar gebiethet in der Nacht dem Heere den Aufbruch, dem er mit schwachem Geleit folgt. Aus dem Hinterhalt fallen ihn die Kumanier an. Er schlägt sich mit Wallstein durch. Milota führt ihn auf Irrwegen von dem Heer ab, und quält ihn mit Rück­erinnerungen verübter Frevelthaten. Von Drahomira bethört, hält Wallstein um die Hand seiner Tochter an. Er mißhandelt ihn.

Sechster Gesang.

Czernin dringt, mit Waldram verstanden, in der Mitternachtsstunde, an der Spitze einer Schar Böhmen in die Veste Wien ein, als Hartman eben wegen der schwerkranken Mutter sich nach dem Kahlenberg begab. Ihm, und den Aufrührern, setzen sich die Schweizer standhaft entgegen. Der Kaiser zieht, auf Marbods Wink, mit Hugo von Tauffers vor die Thore. Hartman sprengt herbei, und tödtet Waldram; worauf die Böhmen sich eilig wieder über die Donau zurückzieh’n. Hugo abermals zum Festungs­gebiether ernannt. Tod der Kaiserinn. Todtenfeier und Begräbniß. Der Kaiser sendet Albrecht nach Heunburg, eine Brücke über die Donau zu erbauen. Hartman eilt nach dem Rhein fort.

Siebenter Gesang.

Der Kaiser setzt mit dem Heere bei Heunburg über die Donau, und rückt g’en Marcheck vor. Wallstein, dem Wahnsinn nahe, tödtet einen seiner Krieger. Der Kaiser entläßt ihn schonend. Kaduscha, ein Führer der Kurmanier meldet ihm die Nähe des Königs, und die Sendung des Geschenks mit den Köpfen der, im nächtlichen Ueberfall, getödteten Böhmen. Der Kaiser sendet Schwarzenberg dem König entgegen, und heißt ihn, jene begraben zu lassen. Die Geister: Marbod und Inguiomar auf Rudolphs, und Katwald auf Ottgars Seite. Zusammenkunft Rudolphs mit dem König Ladislav. Ottgar rückt mit dem Heer’ an. Der Kaiser stellt seine Völker in Schlachtordnung. Marbod treibt Schörlins Roß gegen die Böhmen. Der Kampf beginnt. Ottgar tödtet in der Vorhuth zwei Trautmansdorfe. Pfannberg wird verwundet. Die Steyrer weichen. Der Kaiser hält die Flüchtenden vor Marcheck auf.

5
Achter Gesang.

Nacht. Von Drahomira verleitet, setzt Wallstein, mit kumanischen Kriegern vereint, ein Städtchen in Mähren in Brand, und tödtet einige böhmische Reiter. Kommt zu sich. Eilt in das Lager Rudolphs, und erbiethet sich, Ottgarn heimlich zu tödten. Der Kaiser heißt ihn reuig zu Jenem zurückkehren. Drahomira drängt ihn umsonst, den schlummernden König zu morden. Er fällt in sein eigenes Schwert. Drahomira fährt zur Hölle. Wallsteins Grab. Der Kaiser stellt in der Morgendämmerung sein Heer in Schlachtordnung. Ottgar, in Gram versunken, säumt. Ernennt Milota zum Anführer des Haupttreffens. Worauf die Meißner und Thüringer von seinem Heer heimlich abziehen; so auch Kunring. Doch Ottgar gebiethet den Angriff.

Neunter Gesang.

Morgen. Der Kaiser verschiebt die Hauptschlacht auf den folgenden Tag. Sendet Trautmansdorf mit seinen Söhnen, es Ottgarn kund zu thun, und ihm nochmals Frieden zu biethen. Dieser wird von ihm schnöde abgefertigt. Von den feindlichen Reitern gehöhnt, kehren fünf seiner Söhne, kämpfen, und fallen. Der Kaiser stellt sein Heer dem anstürmenden Feind, vor des Lagers Wall, entgegen. Angriff, und hartnäckiger Kampf. Milota tödtet die beiden Führer Berchtold und Col von Seldenhofen. Capellen entflammt die Oestreicher. Die Mährer weichen. Katwald ermuntert den Herbot von Füllenstein, daß er vor Allen auf den Kaiser eindringe. Meinhard, Graf von Görz und Tyrol, ringt gegen die Bayern und Sachsen, und erlegt den Feldherrn Czernin; Heunburg den Markgrafen Pfeil, Feldherrn der Sachsen. Da dringt Herbot von Füllenstein auf den Kaiser los, und ersticht ihm das Pferd unter dem Leib. Sechs Trautmansdorfe kämpfen um ihn herum, und fallen. Der Kaiser reißt Herbot mit dem Speere von dem Pferd herunter, und macht ihn gefangen. Heißt dort Albrecht mit den Schweizern vordringen, hier Matthias von Trentschin mit den Ungern dem Feind’ in die Seite stürmen. Lobkowitz ruft Ottgar auf, daß er mit ganzer Macht sich auf den Feind werfe. Er gibt ihm kein Gehör. Auf den Ruf „die Feinde fliehen!“ weichen seine Völker, und er führt sie bis Dürnkrut zurück. Der Kaiser lagert vor Ebenthal. Nacht.

Zehnter Gesang.

Hartman ertrinkt in dem Rhein. Der Kaiser hält mit seinen Feldherrn erst Kriegsrath; dann die Abendmahlzeit. Horneck der Sänger tritt ein, und singt die fromme Handlung des Kaisers, als er dem Priester sein Roß 6 both. Entläßt die Feldherrn. Dem Entschlummerten erscheint sein Sohn Hartman. Ottgars Abschied von Kunegunden.

Eilfter Gesang.

Morgen. Schlachtordnung der Böhmen. Der Kaiserlichen. Gottesdienst. Vorbereitung zur Schlacht. Die Ritter buhlen um die Ehre, die Sturmfahne zu tragen. Ottgar, von Katwald erregt, nah’t mit seinem Heer. Hundert Zürcher erhalten vom Kaiser den Ritterschlag. Trautmansdorfs letzter Sohn fällt. Die Kumanier stürmen sonder Ordnung. Lobkowitz bringt sie und die Steyrer, zum Weichen. Verstärkter Angriff. Die Kaiserlichen allenthalben zurückgedrängt. Der Kaiser steigt vom Pferd, bethet zum Himmel, und macht ein Gelübde. Ein Unsterblicher stärkt ihn, und heißt die Geister entflieh’n. Erneuerter Kampf. Albrecht, sein Sohn, trägt ihm die Kreuzesfahne vor. Nach schrecklichem Gewürg’, wo, mit den Rittern, die Schweizer und Schwaben entscheidend vordringen, weicht Ottgar auf den Spannberg zurück. Heißt Milota mit dem Nachhalt vorgeh’n. Allein dieser flieht, ihn höhnend, mit seinen Scharen vom Schlachtfeld. Letzter mörderischer Kampf. Ottgar von den Merenbergern vom Pferde gestochen. Sein zerstreutes Heer bis g’en Laa verfolgt.

Zwölfter Gesang.

Ottgars Leiche wird in der Nacht auf einen Trauerwagen gehoben. Hornecks Klaggesang. Des Kaisers Einzug in Wien. Dankgebeth. Der Wagen mit Ottgars Leiche nah’t. Lobkowitz führt dessen Sohn Wenzel herbei, daß er um selbe flehe. Der Kaiser entläßt sie. Endet seinen Siegeseinzug in die Burg. Nimmt den König Ladislav, und Wenzel an Sohnes statt an, und verheißt diesem seine jüngste Tochter Gutha. Belehnt seinen Sohn Albrecht mit Oestreich, und zieht sich dann in das Trauergemach, wo die Kaiserinn starb, zurück.


7

Erster Gesang.

Tön’, o Heldengesang, von den schmetternden Kriegesdrometen

Wieder geweckt, von Rudolph nun, dem Kaiser der Deutschen,

Der obsiegend der Macht des Böhmenköniges, Ottgar,

Wahrte die Rechte des Reich’s, und, kehrend vom blutigen Schlachtfeld,

Gründete Habsburgs Thron an den Ufern der mächtigen Donau,

Seinem Geschlechte zum Ruhm, und unzähligen Völkern zum Segen!

Wer empörte sofort, nach dem jüngsterrungenen Frieden,

Wieder die Fehd’ und das Grau’n der menschen­vertilgenden Feldschlacht?

Ein unseliger Geist, Drahomira.1 Die Herrscherinn Böhmens

War sie, und noch ist ihr Nahme mit Schauder genannt in dem Land dort:

Denn Wratislav, dem christlichen Fürsten, vermählet als Heidinn,

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Trug sie den Christen Haß in der schrecklichen Brust, und verfolgte

Sie mit Feuer und Schwert. Sie waffnete selbst den Erzeugten,

Boleslav, daß er Wenzel ermorde, den eigenen Bruder,

Weil er dem Heiland getreu, festhielt an dem heiligen Glauben,

Und verübt’ auch sonst an dem Volk’ entsetzliche Frevel:

Zaubergewaltig, ergeben dem Trug der Hölle — der Schwarzkunst;

Bis urplötzlich die berstend’ Erde zu Prag, am Hradschin, sie,

Lebend, verschlang. Noch jüngst ausspie der klaffende Felsen

Dort bald finsteren Rauch, bald bläuliche Flammen: denn oft kam

Noch in der Neumondsnacht (so heischt’ es die Sag’) ihr zu opfern,

Mancher, vom Wege des Heils Verirrter, dahin, und Verdammniß

Ward ihm zu Theil. D’rum hieß, als früher geweihetes Wasser

Sprengte der Priester umher, und stehende Worte zu Gott rief,

Ottgar füllen den Zauberschlund mit dem lastenden Felsblock

So, daß auf immer verhüllt die Spur des unseligen Raum’s sey.

Unten im Höllenpfuhl, der außer des kreisenden Weltalls

Gränzen sich noch unendlich erstreckt, erhob Drahomira

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Jetzt, verwundert, ihr Haupt, und sprach wuthfunkelnden Blickes:

„Ha! wie kommt es, daß heut der betäubende Rauch, und die Flamme,

Die ich genährt in dem Schlund’, in welchem ich schrecklichen Tod fand,

Qualmend herab sich wälzt, und keiner der Sterblichen seither,

Opfernd vor ihm, die Schar der Unseligen mehrt in dem Pfuhl hier?

Meister, ist dir’s genehm, daß ich eile hinauf nach des Erdballs

Fluren, und forsche, wie solches gescheh’n? Bald öffnet Verführten

Wieder der Schlund sich weit; ich sende sie, dir zu Gefallen!“

Sagt’ es, und blickte nach Satan hin, der, riesengestaltet

Saß auf dem glühenden Thron’, und die furchtbarn Augen zum Boden

Heftete, so die unendliche Qual des zerrissenen Herzens

Durch empörenden Trotz und erheuchelte Ruhe zu bergen;

Aber umsonst: denn nimmer birgt er das innere Weh’ mehr,

Das von der finsteren Stirn’ und den zuckenden Wangen sich kund thut.

Nicht erhob er auch jetzt den Blick von dem Boden: er winkte

Nur mit dem Haupt, daß die Höll’ erzitterte, jener den Beifall:

Alsbald fuhr sie in brausender Hast von dem schrecklichen Wohnsitz

All der Unseligen auf, und nahte dem Lande der Böhmen.

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Kaltverachtenden Blicks gewahrte sie dort auf den Fluren

Reiches Gedeih’n, und rings die freundlichen Städt’ und die Dörfer;

Aber vor allen, am Moldaustrom’ erglänzend die Hauptstadt,

Praga, im lieblichen Reiz erst jüngstentfalteter Blüthen.

Sieh’, und ein Pilger kam vom Gelobten-Lande gezogen,

Der vor Jahren die Heimath verließ! Er blickte mit Staunen

Lang’ um sich her: da naht’ ihm, lächelnd, ein Greis, und im Beiseyn

Jener Verworf’nen zugleich, die ihm leis’ aufhorchte, begann er:

„Fremdling, suchst du den Mann, der hier ein Eden erschaffend,

Wie durch Wundergewalt das Leben der Menschen verschönt hat?

Nun ist er fern: denn wiss’ es, der Held und erhabene König,

Ottgar, streute mit Liebe die Saat, und ihm reifte zum Segen

Wohlstand unter dem Volk’ in des Landes erfreuender Schönheit.

Auch erlagen die Gegner ihm stets, und es kündiget allwärts

Seines Nahmens Unsterblichkeit der herrlichste Siegsruhm.

Dennoch hielt er so gern in der dunkelen Scheide das Eisen,

Frieden ersehnend, zurück, und entblößt’ es auch jetzt, nur gezwungen,

Gegen des streitbarn Rudolphs Macht. Er wird sie für immer

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Bändigen: denn er zog, gar furchtbargerüstet, zum Kampf’ aus.

Ach, ihn drängte zum Friedensbruch Kunegunde, die Gattinn!

Grimmvoll ist ihr Gemüth, und ihr Herz verwildert durch Herrschsucht,

Die ihm das Böse vergilt, das er Margarethen, der frommen,2

Einst als Gatt’ erwies! Dieß Eine verdunkelt den Hochglanz

Seines Ruhms: ihn lenket ein Weib, das, Böhmen zum Jammer,

Selbst Drahomiren gleich, der Unheilstifterinn, wüthet,

Die für den schnöden Gewinn: zu gebiethen des Himmels Gewittern;

Auf den Flügeln des Sturms einher zu fahren im Luftraum,

Oder unsichtbar Menschen zu nah’n — zu schau’n, und zu horchen

Dort in dem traulichen Kreis’ der Versammelten, und zu verderben

Alle, die auch mit lispelndem Laut, mit umschauendem Blick nur

Ihrer gedacht, und tadelnde Worte gesprochen: für solches

Hatt’ einst diese verkauft die unsterbliche Seele der Hölle;

D’rauf noch Schuld gehäufet auf Schuld, bis schrecklicher Tod ihr

Macht und Leben entriß, und die Böse dem Bösen gesellte,

Als urplötzlich die berstend’ Erde zu Prag, am Hradschin, sie,

Brausend, verschlang: zur Strafe der wildumtobenden Blutgier,

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Frevelnden Götzendienst’s, und schrecklicher Christenverfolgung.

Aus dem furchtbarn Schlund aufquoll noch in unseren Tagen

Finsterer Rauch; doch Ottgar barg ihn, den Menschen zur Rettung,

Die, vom Satan bethört, leichtgläubigen Sinnes, ihr nächtlich

Opferten, dort ihr Geschick in kommender Zeit, zu erfragen,

Oder sich trüglichen Glücks zu erfreu’n zu unendlichem Jammer.“

Sagt’ es, und ging. Da flog, von der Schmähung empört, Drahomira

Ihm auf dem Heerweg nach, und haucht’ ihm Gift in das Antlitz:

Alsbald stand er, erbleicht, und sank, vergehend, zusammen —

Lag, und stöhnte vor Schmerz, bis endlich der Zauber entfloh’n war.

Aber sie starrete jetzt, tiefsinnend, und sonder Bewegung

Wie der Aar, der erst die mächtigen Flügel geschlagen,

Regungslos hinschwebt in der bläulichen Luft, in des Schlundes

Grauen hinab. Das Aug’ ihr rollete wild in den Kreisen;

Knisternd sträubt’ ihr Rabenhaar sich empor von der Scheitel,

Und voll Grimms erzitterten ihr die Lippen; sie sagte:

„Ottgar, Fluch sey dir! Du vernichtest des felsigen Schlundes

Zaubergewalt, die Viele nach mir in’s Verderben hinabriß?

Gläubig nahten ihm oft die Verblendeten, welche, des Schicksals

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Dunkeln Pfad zu erkunden, auf ihm, des dräuenden Himmels

Warnung zum Trotz, der drückenden Last des Lebens entledigt,

Gerne für trügliches Erdenglück das ewige böthen.

Aber von diesem verbannt durch eisernrichtenden Machtspruch,

Sollt’ ich den glühenden Durst nach Rache, durch Trug und Verblendung,

Ich nicht löschen am Volk, das, gläubig, der Täuschung sich hingab?

Trost ist’s, wenn in der Brust der Unseligen solchem noch Raum blieb,

Mit in dem ähnlichen Jammergeschick die Gefährten zu sehen.

Wie, du entziehst, ein Thor, durch höhnenden Frevel auch die mir?

Ha, dir sey jetzt Rache geschworen! Nicht will ich mehr rasten,

Bis dein Heldenweib — ihr werde der Thron und die Herrschaft,

Ja, sie herrsche nach dir, mir ähnlich an Kraft und Gesinnung,

Gegen den Feind dich reizt, und du in dem Kampfe, besiegt, fällst;

Also büße den Ruhm, der dir Drahomiren empörte.“

Und sie flog nun hin, wo im weitverbreiteten Marchfeld

Ottgars furchtbares Heer von Dürnkruts3 Hügeln hinunter,

Lagerte, dort mit höllischer Lust ihm, verderbend, zu nahen.

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Leise schwebte die Nacht auf den ringsverstummenden Erdkreis

Nieder. Aus Süden erbraus’te der Sturm, und jagte die Wolken

Auf an des Himmels Zelt. Sie rissen im eilenden Zug’ oft

Weit entzwei: da blickte der volle Mond aus des Himmels

Bläue so düster herab, und die Stern’, in Nebel sich hüllend,

Trauerten: denn ein Unhold naht’ auf den Flügeln der Windsbraut.

Jetzt, wie die ragenden Wäll’ und die Häuser der mächtigen Hauptstadt,

Meilenlang bedecken den Plan, und oben zum Bergrand

Aus der Tiefe herauf dem Wanderer, düsteren Schimmers

Glänzet der Lampen Schein in der Nacht, unzählig und endlos:

Also erschien ihr das Heer des Königes, das er erst gestern,

Nach der Eroberung Drosendorfs, des trotzenden Städtchens,

Am Gestade der March, auf Dürnkruts Fluren vereinte.

Bald erspähte sie dort in des Lagers Mitte, vor allen,

Ottgars hochgewölbetes Zelt, das schimmernde Leinwand

Außen umhüllte; von innen hing, zur Erde herunter,

Scharlachgeröthetes Tuch, verbramt mit goldenen Fransen.

Sieh’, in dem grasumwucherten Raum’, ihm zur Linken und Rechten,

Ragten die Zelt’, erhöht, der Kunring’, tapferer Ritter,

Die in dem Kreis’ östreichischer Herrn, wie der Mond in der Sternflur,

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Glänzten an ad’liger Macht und weitverbreitetem Eigen:

Denn Hadmar, und Leutold, die Zwillinge, haus’ten zu Dürnstein

Bald, und bald zu Weitra und Horn; in des rollenden Jahres

Monden wechselnd die Burg; doch immer in trauter Gemeinschaft:

Sonder Gattinn und Kind, des Waffengemenges sich freuend.

Aber mit feindlichem Sinn, von dem Kaiser gewendet, vereinten

Sie mit des Königs Panier jetzt zwanzig flatternde Fähnlein.

Jeglichem folgte die Zahl von fünfzig bepanzerten Reitern,

Die mit dem Schild’ und dem Helme bewehrt, und der Lanze bewaffnet,

Feurige Rosse zum Kampf vortummelten, siegenden Muths voll.

D’rauf g’en Idungsbeug, auf dem sandumhülleten Blachfeld,

Welchen die schwellende Fluth der March seit Jahren gehäuft hat,

War des Fußvolks Macht, zehntausend tapferer Männer —

Waren die Reiter gestellt, an der Zahl zweitausend und fünfzig,

Die sich der König in Böhmen erlas, und mit trefflichen Waffen

So, wie jene, versah. Die muthigen, löwenbeherzten,

Lenkten die Rosse mit Kraft und Geschick, die, feurigen Blutes,

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Wild umtobten im Kampf’, und die Reihen der Feinde zerstampften.

Lobkowitz führte sie an, der ruhmgekrönete Feldherr.

Aber vor Ebenthal, der freundlichen Burg, an des Hügels

Abhang, lagerten sich des vielbevölkerten Mährens

Tapfere Söhn’: an der Zahl achttausend erlesenes Fußvolk,

Die, mit dem Panzerhemd’ und der eisernen Haube bewehret,

Führten im Kampfe den Speer und den breitgehämmerten Säbel.

Milota rief sie in’s Feld, ein Ritter, der Ersten des Landes.

Sonst zur Freude gestimmt, als liebender Vater und Gatte,

Sah er des Lebens Blüthenjahr’ und die reifere Mannszeit

Schwinden im Glück. Nur als ihm die zarteste Tochter, Ludwinen,

Sie mit täuschender Huld in den Schimmer des Hofes verlockend,

Ottgar schnöde verführt’, und der Schmach die gefallene Preis gab:

Da verscheuchte der Menschenhaß und die brütende Rachgier

Jegliche Freude vor ihm. Nur Weniges sprach er, und das noch

Sprach er mit bitterem Hohn’ und wildauflachendem Ingrimm;

Aber nicht mied er des Herrschers Näh’, und harrte des Tages,

Der ihm den Durst nach Rach’ einst kühlete schrecklich und furchtbar.

17

Dort dem König zur Linken, hinab sich dehnend bis Stillfried,

Stand Klein-Reussens Volk, das jüngst an den Ufern des Peltew,

Lembergs Mauern nicht fern, zu Fuß und zu Pferd sich vereinte:

Jenes, geübt, von der Armbrust, schnell­vorschreitend im Schlachtfeld,

Mitten in Feindes Brust den schwirrenden Pfeil zu entsenden;

Dieses, im Waffengemeng’ schnellfußige, hurtige Rosse

Spornend, vorzusenken den Speer aus der Röhre des Bügels:

Dann mit des Fußes Druck und dem Stoße der nervigen Rechten

Einzustürmen im sausenden Flug’ in die feindlichen Reihen.

Beide, gleich an der Zahl, dreitausend tapfere Mannen,

Folgeten Herbot von Füllenstein, der riesengestaltet,

Ragte vor allen hervor in dem Heer’, und rühmlich bekannt war

Ob des unbändigen Muths, und der ritterlichsiegenden Thatkraft.

Doch auch der Meißner kam und der Thüringer jüngst aus der Heimath,

Ottgars Recht zu verfechten im Kampf’, als Bundesgenoß her!

Muth in der Brust, und Kraft in der Rechten, die Lanze zu schwingen

Brachten sie mit, und beiden geboth der tapfere Markgraf

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Dietrich, Heinrichs Sohn, des Erleuchteten, mächtigen Ansehn’s.

Jenen vereint, stand auch des korngesegneten Bayerns,

Also auch Sachsens Volk in dem Vorderzuge geordnet:

Gierig des Kampfs, und geübt, die tödlichen Lanzen zu schwingen.

Heinrichs schaltendem Wink, des Herzogs, folgten die Bayern;

Markgraf Pfeils die Sachsen mit Lust in die furchtbare Feldschlacht.

Gegen den Weidenbach, in des weitgedehneten Thalbrunns

Niederung hin, erhöht auf vierzig ragenden Schaften,

Flatterten hoch in der Luft, verschieden an Farb’ und an Zeichen,

All des erlesenen Vorderzugs kampfdrohende Fähnlein.

Jeglichem waren gesellt fünfhundert tapfere Krieger,

Welche das Panzerhemd, und der Helm im Felde beschirmte.

Aber im Rücken des Heers, nicht ferne dem schimmernden Marchfluß,

War noch die Wagenburg, Feldzeug, und Geräthe des Lagers

Aufgehäuft, wie auch Mundvorrath für die dauernde Kriegszeit.

Also lagerten dort des Königs versammelte Scharen.

All’ umhüllete jetzt der Schlaf mit bleiernem Fittig

Schon. Sie errangen zuvor, nach schrecklichem Kampfe, die Mauern

Drosendorfs, von dem Hohenberger, dem tapferen Feldherrn

Rudolphs, der sie mit Macht und entflammendem Muthe beschirmte.

19

Aber noch wacht’ im Gezelt der König der Böhmen. Zum Kriegsrath

Rief er um Mitternacht die Feldherrn: denn von dem Kaiser

Waren die Friedensbothen zu ihm, in das Lager gesendet:

Meinhard, Graf von Tyrol, und Lichtenstein: in den Waffen

Beide berühmt. Nicht dacht’ er zwar, den friedlichen Oehlzweig,

Den sein Gegner ihm both, mit versöhnlicher Rechten zu fassen:

Denn er sann nur blutigen Kampf, nur Tod, und Verderben

Ueber Rudolphs Haupt zu wälzen im Felde der Waffen;

Aber es sollte der Helden Verein, was er in dem Busen

Heimlich beschloß, nun künden mit lautentscheidendem Ausspruch.

Siehe, vor allen kam der Führer des reisigen Volkes,

Lobkowitz, ein gewaltiger Greis, deß’ leuchtender Aarblick

Unter den buschigen Brau’n den Muth im Herzen verkündet,

Der auf die Waffenbahn ihn schon als blühenden Jüngling

Trieb, und das Herz ihm gewann des schlachtruhm­dürstenden Königs!

Doch umwölkt war jetzt ihm die Stirne von inniger Trauer,

Und zur Erde geheftet sein Aug’, da er dort vor dem Herrscher,

Schweigend, stand. Alsbald, obgleich von heimlichem Unmuth

Selber gebeugt, begann, mit erzwungenem Lächeln der König:

„Wahrlich, nicht wirst du den Feldherrn heut, mit dem Gram in den Augen,

Muth einflößen im Rath! Hat dir das treffliche Streitroß,

20

Das zum Siege dich schon in zwanzig Schlachten getragen,

Und aus Feindes Gedräng’ oft rettete, heute das Futter,

Aechzend, verschmäht, und du sorgest vielleicht um den Liebling im Herzen?

Wie, verfehlte der Spürer im Wald des flüchtigen Rehbocks,

Oder des Hirsches Spur, mit dem sechzehnendigen Hauptschmuck?

Fasse dich, tapferer Greis! Bald wird der Braune genesen;

Bald erfreut uns der Fried’, und du streckst in fröhlichen Stunden,

Draußen am Rasengrund der waldumränderten Hügel,

Wieder im Hörnerklang’ und Gebell verfolgender Spürer

Raschanstürmendes Wild mit sausenden Lanzen zu Boden.

Denke des Worts: bald sind wir heimisch im Lande von Oestreich.“

„Herr,“ sprach jener bewegt, „gewartet mit emsiger Sorgfalt

Wiehert das Roß, das mich in zwanzig Schlachten getragen,

Und aus dräuender Todesgefahr oft rettete, muthig

Drüben im Zelt! Nicht denk’ ich des Weidwerks jetzt in den Tagen

Ernsten Kriegs, deß’ Bild uns jenes, im sanfteren Frieden

Oft ergetzt, und die Kraft uns stählt in erhöhter Gesundheit.

Ja, du sprachst es im Scherz nur, o Herr! Doch dünkt es mich selber:

Nicht wohnt Heiterkeit dir in den tieferglühenden Augen.

Möge die dunkle Nacht verborgenen Strebens enthüllen

Jetzo der Wahrheit leuchtender Strahl! Zum wichtigen Kriegsrath

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Riefst du die Feldherrn: denn die Friedensbothen des Kaisers

Harren der Antwort im fernen Gezelt. Des Friedens erwähnst du?

Heischest Rath, und ach, beschlossen im heimlichen Busen

Hast du den Krieg auf Leben und Tod! O, möchte des Friedens

Freundlicher Ruf den Haß aus deinem empöreten Herzen

Nun verscheuchen, und dir und dem Volk die Fülle des Segens

Schaffen hinfort! Erfüllt hast du mit unendlichem Kriegsruhm

Weithin die Erd’ umher; allüberall preisen die Völker

Deine Weisheit und Kraft. Zieh’ heim nach dem herrlichen Erbreich,

Das dir gehorcht — nach Böhmen und Mähren: die trefflichsten Völker

Nährt es im blühenden Schooß. Dort lebe dem Glücke der Deinen,

Und unsterblicher Ruhm harrt dein, in der spätesten Zeit noch.

Hast du nicht jüngst mit Siegel und Schrift und mit heiligem Eidschwur,

Oestreich, Kärnthen, und Krain, als Lehen, entsagt vor dem Kaiser

Selber, auf Glauben und Treu’, und im Treubruch hoffst du zu siegen?

Bebe der That: schwer rächte den Bruch geschworenen Eides

Stets an den Sterblichen noch die ewigwaltende Vorsicht.“

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Ottgar stand, erschüttert im Geist vor dem Schreckensgedanken;

Sprechen wollt’ er schnell, und es bebten die Lippen ihm leis’ nur.

Doch nun drang ihm das Wort aus den festgeklammerten Zähnen:

„Ha, sey nun, und auf immerhin, der Leib und die Seel’ auch

Mit in dem Spiele gewagt! Nicht kann ich mehr weichen: die Gattinn —

Ja, das schreckliche Weib, hat mich zu dem Schritte gezwungen.

Da ist kein Rückgang mehr: ich folg’, ein Opfer des Schicksals!“

„Wie,“ so sprach, ihm freundlicher nahend, der Greis, „um die Herrschaft

Stritten des Reiches Hort und der König von Böhmen; im Frieden

Schieden sie erst, und die rach’empörende Zunge der Gattinn

Drängte sie wieder zum Würgen zurück? Nicht mühen die Frau’n sich

Ab in dem Feld. Wenn wir erlagen, erkiesen sie wieder

Sich den neuen Gemahl, und erfreu’n sich im Kreise des Lebens;

Doch uns lass’ das Wohl und das Wehe des Landes bedenken.

Ottgar, stolz und tapfergesinnt, gehorchte dem Weib’ nun?“4

Also der Greis; doch, da er es sprach, entflammte des Königs

Niedergeheftetes Auge sich stets zu größerer Wuth noch.

23

Wie der Drache mit glühendem Blick von dem finsteren Felsschlund

Aufschaut, wenn ein Ruf ihn empört; dann zischend dem Eingang

Nah’t, und, das Haupt zum Boden krümmend, den furchtbaren Rachen

Weit vorstreckt, den Feind zu verschlingen, begierig: so sah er

Jetzo dem Greis’ in das Aug’, und stöhnte vor heimlichem Ingrimm.

Endlich rief er, bewegt: „Halt ein! O tadle den Gatten

Nicht, der solchem Weibe gehorcht: Margarethen, der Frauen

Sanfteste, stieß ich von mir: da sandte der Rächer im Himmel

Mir Kunegunde. Sie hat, ja, bebe dem schrecklichen Wort nur,

Ueber mich Macht und Gewalt. Wie ein Geist des ewigen Abgrunds

Steht sie vor mir ... mich schrecken entsetzliche Träume. Verschließe

Das in der redlichen Brust. Sieh’, hätt’ ich auch tausend und tausend

Eide geschworen: umsonst! Nicht kann ich zurück in dem Kampf mehr

Weichen: ich muß ihn mit Habsburgs Leu’n nun enden für immer.“

Jetzo winkt’ er dem Greis’: denn, eilenden Schrittes, genahet

Waren die Feldherrn all’, und einten sich ihm in dem Kriegsrath.

24

Neben ihm saß zur Rechten der Hort und Gebiether der Bayern,

Heinrich; zur Linken ihm Pfeil, der Markgraf; d’rauf um den Tisch her,

Der, nach Lagers Gebrauch, von niederen Bänken umstellt war,

Lobkowitz, Czernin, Zierotin; dann Milota, Dietrich,

Herbot von Füllenstein, und die Kunring’, tapfere Helden.

Doch von der Mitte herab des hochgespannten Gezeltes

Hing die flammende Lamp’, endlos vom Oehle genähret,

Und erhellte den Tisch in des Zeltraums düsterem Schimmer.

Eben hatt’ er die Helden begrüßt, und wollte beginnen:

Sieh’, da scholl’s von Hufen der Roß’ in der nächtlichen Stille

Näher und näher, und jetzt absaßen die Reiter am Zeltthor.

Ottgar winkte sogleich dem blühenden Jünglinge, Wallstein,

Der ein Liebling ihm war, schon seit der zartesten Kindheit.

Alsbald eilt’ er hinaus, und faßte vom niederen Gluthherd

Einen leuchtenden Span, den dort ein Krieger entflammte:

Schürend die Gluth, und häufend zugleich das harzige Kienholz.

Mächtiger flammte der Span, da ihn über dem Haupt in die Graunnacht

Wallstein hob, und schauete: wer die Versammelten störe?

Staunend, sah er die Königinn selbst, Kunegunde, sich schwingen

Aus dem Sattel, im Kreis’ erlesenen Reitergefolges;

D’rauf durcheilte sie rasch den Zelteingang, und, den Vorhang

25

Schleudernd entzwei, schritt sie, mit stolzer Geberde, zum Sitz hin,

Den der Jüngling verließ, an der Seite des Königes selber.

Ueber ihr schwebte mit grimmerfülletem Blick Drahomira

Leise herein. Sie trieb die Königinn eilig von Drösing

Her in der dunkelen Nacht, daß sie erst durch schmähende Reden

Reize den Gatten, und dann entflamme zur Gier nach des Krieges

Schrecknissen, mehr denn je, in des Raths entscheidendem Zeitraum.

Wehe, sie forscht’, auf Arges bedacht, im Kreise der Helden

Gierig herum, wie die Schlange verhüllt in dem laubigen Zweig lauscht:

Ob ein Vögelchen ihr zur Beute sich bieth’? — und sie fand noch

Dort den Ersehneten nicht; doch, als der blühende Jüngling

Eintrat, dachte sie schnell dieß Herz zu berücken durch Ehrsucht,

Und zu verderben mit ihm den, ihr verhaßten Beherrscher!

Als der König die Gattinn ersah, da erblaßten die Wangen

Ihm vor Zorn; doch schwieg er, und ließ die Stolze gewähren,

Auf daß keiner im Rath’ ihn verachtete — jeglicher dachte:

Jetzt erschiene sie hier, ersehnet von ihm, und gerufen.

Rasch war ihr Drahomira genaht: in dem Hauche des Unholds

Ward ihr Busen empört, und alsbald rief sie verhöhnend:

26

„Ha! welch’ Wunder geschah? Schon heut erfreuen die Böhmen

Sich der Eroberung Drosendorfs, der mächtigen Festung,

Nach den Tagen unendlichen Müh’ns? O, schändliche Thorheit

War es: vor ihr die goldene Zeit zu vergeuden — zu harren,

Bis der klügere Feind, noch arm an Kriegern und Waffen,

Sich verstärket’, und euch des Eisens Spitze wohl biethet!

Schnell, mit würgender Hand euch bahnend den Weg in die Hauptstadt,

Mußtet ihr folgen der Stimme des Ruhms, und dem dringenden Aufruf

Rüdiger Waldrams5 dort, des muthigen Meisters der Bürger,

Der nun bald, ein schmähliches Opfer, dem Feinde verrathen,

Fällt durch euere Schuld, durch eure Verblendung, und Feigheit.“

Siehe, da grins’te vor Lust Drahomira den Helden in’s Antlitz;

Doch jetzt fuhren empor von dem Sitz die Versammelten alle;

Ballten die Faust vor Zorn, und wollten enteilen: nur einer,

Milota, regte sich nicht, und lächelt’ unheimlich für sich hin.

„Faßt euch,“ rief der König, bewegt, „die Königinn duldet

Schon seit jenem unseligen Tag, der uns, und die Völker

Böhmens beschimpft — dem Tage der Huldigung,6 nagenden Kummer

Und zerrüttendes Weh’ in den Tiefen des Herzens. Ihr Helden,

Dessen gedenkt, und achtet den Schmerz des unglücklichen Weibes:

Denn nicht wägt er genau das raschverwundende Wort oft,

27

Das der Zung’ entflieh’t im Sturm der empörten Empfindung.

Aber vernehmt es, was ihr in der Stille der nächtlichen Stunden

Jetzo mit uns erwägen soll’t nach euerer Weisheit:

Rudolph sandte zuvor zwei tapfere Ritter in’s Lager

Her, uns dringender noch als jüngst, die Hand zur Versöhnung

Biethend. Erneuend sodann den Wunsch: durch unserer Kinder

Wechselheirath das Band der Freundschaft für immer zu gründen,

Ladet er uns g’en Wien, zu turnei’n; die Speere zum Scherz nur,

Nicht zum Ernst zu versuchen, und dann die ersehnte Verlobung

Durch ein gastlich Mahl zu feiern im schimmernden Prunksaal.

Solches verkündete heut’ in geheim uns Rüdiger Waldram;

Aber zugleich: g’en Lilienfeld7 hin ziehe der Kaiser

Albrecht, seinem Erzeugten, mit hundert Reitern entgegen,

Der in den schwäbischen Gau’n die Krieger ihm warb, und vom Aargau

Her die tapfersten führt, die ihm oft errangen den Lorber,

Altgedient, und versucht im Grau’n der eisernen Feldschlacht.

Soll mein Volk vorstürmen bis Wien, daß unser Vertrauter,

Waldram, ihm eröffne das Thor in der nächtlichen Stille,

Wie er es eben verhieß, mit den treuen Bürgern verstanden?

Ist’s wohl räthlicher noch, mit Kunrings Reitergeschwadern

Ueberzusetzen in Fähren den Strom der mächtigen Donau,

28

Und aus dem Hinterhalt den Kaiser zu fah’n in der Waldschlucht,

Welche sich links und rechts an dem Kaumberg, trüglich herumschlingt?

Nie versagt’ ich das Ohr dem Rathe der Männer: was dünkt euch?“

Herbot schrie zugleich mit dem Kunring, lärmend, und laut auf:

„Fort nach Wien! Bald sinkt mit der kühnerrungenen Hauptstadt

Rudolphs Macht in den Staub: wir bürgen für herrlichen Sieg dir!“

Lobkowitz fuhr von dem Sitz’, des Friedens Ruf zu erneuern;

Aber ihm kam Kunegunde zuvor, und sagte dem König:

„Wie, du spähest noch jetzt nach schlauverhülleten Pfaden,

Thöricht verlassend die kühnere Bahn, die schnell zu dem Ziel führt?

Ist denn völlig gewichen von dir der Muth und die Kühnheit,

Die von Siegen zum Sieg dich leitete, Schlachtenberühmten?

Zahllos warben die Freier um mich. Masowiens8 Herzog

Ließ auf dem glänzenden Thron mir Macht und Reichthum zur Erbschaft;

Aber ich achtete keinen Mann, im stolzen Bewußtseyn

Herrschender Geisteskraft, und lautgepriesener Schönheit.

Auch du bothst mir die Hand. Der Ruf erscholl in den Ländern:

29

Ottgar trug des Sieges Panier zu dem Belt hin; erbaute

Dort noch Königsberg,9 und schlug, heimkehrend, die Scharen

Ungerns im Feld auf das Haupt. Er einte die Steyer- und Ostmark

Dann, als Sieger, mit Kärnthen und Krain dem böhmischen Erbreich,

Und errang die Bewunderung so der entlegensten Völker.

Ha, da sank mein Stolz, beschämt, vor dem Helden! Ich gab mich

Eiteler Täuschung dahin: mit der königlichsieghaften Rechten

Würd’ er auch mich erheben im Glanz’ unsterblichen Ruhmes.

Weh’, nun steh’ ich gebeugt, entehrt, und fruchtlos geopfert!

Aber, denkst du der Ehre nicht mehr, so gedenke der Schmach doch!

Soll ich den Mann, den König, und ach, den Gatten noch mahnen

Dort an den graunerregenden Tag, wo gegen den Eidschwur,

Der dich bewog, dem Kaiser zu huldigen heimlich im Zeltraum,

Er, o schreckliche Schau! auf des Eilands ragendem Hügel,

Das die Donau umschlingt mit weitgedehneten Armen,

Plötzlich am listiggestalteten Zelt den rauschenden Vorhang

Fallen hieß, und dich vor den Augen unzähliger Krieger,

Die an dem Strom sich dieß- und jenseits, feindlichgesondert,

Lagerten, wies zum Hohn’ — auf die Kniee gesunken, o schändlich,

Ottgar, dich, dem er an dem Hof’ einst dienet’, als Marschalk,10

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Huldigend dort, in dem Staub’! O, könntest du solches vergessen?“

Ottgar preßte die Stirn’ in die Fläche der Linken, und glühend

Rann ihm die Thrän’ an der Wange herab. Er sucht’, es zu bergen;

Blickte grimmiger auf, und rief: „Nicht werd’ ich’s vergessen!“

Doch nun drang Drahomira noch mehr in die Fürstinn. Sie hob sich

Eilig vom Stuhl’ empor, und sagte mit leuchtenden Augen:

„Ha, die Dromet’ erklinge dem Volk’, und gebiethe den Aufbruch

Nach den Mauern von Wien; in die Luft hoch flatt’re die Sturmfahn’

Vor den Scharen einher, und leite sie glücklich zum Sieg’ hin!“

Rief’s; doch Ottgar sprach nun so zu dem tapferen Helden,

Lobkowitz: „Wie, du schweigst mein sieggekröneter Feldherr?

Nie ermangelt’ ich deines Raths, und deiner Erfahrung,

Weisheit, Treue und Kraft verdank’ ich, was rühmlich gescheh’n ist.“

Lobkowitz wiegte das Haupt, und sprach eintönig und trocken:

„Haben doch and’re vor mir, dem wankenden Greise, gesprochen,

Die das heißere Blut, wie im Sturm, fortreißt auf des Ruhmes

Glänzender Bahn — weit blieb ich zurück’, und bin es zufrieden.

31

Sieh’, ich wähnte, wir lieh’n ein Ohr des Kaisers Gesandten?

Doch vor dem zürnenden Blick der Königinn? Sey es denn morgen!“

Also der Held. Da sprach Kunegunde voll Wuth zu dem König:

„Wohl, ich weiche zurück bis Drösing. Sinnst du auf Frieden

Noch mit dem Kaiser, so sey’s; doch nimmer siehst du mich lebend

Wieder: nur mord’ ich zuvor mit Freuden die blühende Tochter,

Eh’ ein schmählicher Bund dem verhaßtesten Feind sie vereine.“

Rief’s hinschreitend; erhob sich auf’s Roß, und eilte nach Drösing,

Das sie den Abend zuvor mit ihren Erzeugten bezogen.

Jetzt ließ Ottgar schnell die Gesandten des Kaisers entbiethen,

Die schon lange voll Gier in dem fernen Gezelte des Rufes

Harrten. Meinhard, Graf von Tyrol, erschien, und zur Seit’ ihm

Nahete Lichtenstein: des Heer’s erlesene Zierden.

Stattlich traten sie ein, und setzten sich würdig zum Tisch hin,

Grüßend den König zuvor, und d’rauf, die versammelten Feldherrn.

Meinhard neigte das Haupt, und begann mit edelem Anstand:

„Rudolph, mein erlauchtester Herr, und Kaiser der Deutschen,

32

Sendet uns, Meinhard und Lichtenstein, nicht unwürdige Bothen,

Freundlich zu dir, erhabener Herr, und König der Böhmen!

Wollest darum uns hören mit Huld, und unsere Reden

Nicht verachten, da wir, nur arm an zierlichen Worten,

Stets mit dem rauheren so, wie mit unserem blinkenden Eisen,

Das wir zu führen gelernt, zum Ziel vorstreben, und treffen.

Frieden beut er dir mit leichtversöhnlichem Herzen;

Doch er beut ihn im Augenblick, wo er völlig gerüstet,

Nicht, wie jüngst in dem Land’, entblößt von Kriegern und Waffen,

Sollte schon fast ihn erflehen von dir — nein, wo er im Kriegsbund,

Mächtige Völker vereint, und der Treue der Völker gewiß ist.

Daß du, als Kaiser ihn anerkenn’st; ihm Böhmen und Mähren

Tragest zu Leh’n; auf die ost- und die steyrische Mark, so auf Kärnthen,

Krain, entsag’st: das ist des Friedens enthüllte Bedingniß.

Drei gewaltige Vesten im Land: hier Drösing im Marchfeld,

Dort Pöchlarn, und Enns sollst du mit starker Besatzung

Halten zum Unterpfand durch drei der Jahre, von heut’ an.

Ha! du erstaunest? So ist’s; ihr sollt euch finden in Freundschaft.

Heilig ist Rudolphs Wort, du kannst ihm sicher vertrauen.“

Als er die Rede voll Kraft jetzt endete, herrscht’ in dem Zeltraum

33

Stille umher: doch Lichtenstein, gewahrend den Vortheil,

Grüßte den König zuvor, und begann mit heiterem Blick so:

„Ernstes sagte der Graf. Mit Gott und eurem Gewissen

Werdet ihr solches erwägen zum Glück und zum Segen der Völker,

Die ihr beherrscht; doch leiht auch mir ein günstiges Ohr noch.

Nicht vom blutigen Kampf: von der Minne ersehneten Freuden,

Von Turnei’n, und dem festlichen Mahl gedenk’ ich, zu sprechen.

Allwärts ist es bekannt, daß Herr Rudolphus, der Kaiser,

Ein Turnei, bei’m Tabor,11 am kommenden Donnererstag schon,

Der Sanct Rochus geheiliget wird, zu halten, gesinnt ist:

Denn nach Frieden verlangt sein Herz, und er hat dich geladen.

Solcher Ehre Gewinn verschmäht kein tapferer Mann je.

Sieh’, d’rum harret er dein und deines so edeln Gefolges,

Das den Herrscher umglänzt, wie die Stern’ umglänzen den Vollmond!

Aber noch höhere Freuden gedenkt, nach vollendetem Festmahl,

Oben im prunkenden Saal der Kaiser mit dir zu bestellen:

Lieblich erblüheten dir die schönsten der Töchter — in Söhnen

Ihm sein Glück: zum Bund der Einigung beut er die Hand dar:

Hartmann führ’ als Braut sich Hedwig, voll siegender Schönheit,

Thekla, voll zartester Huld, sein Rudolph heim. So ersehnt er’s.“

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Als er gesprochen das Wort, und noch weiter gedachte zu reden:

Sieh’, da warf sich in brausender Hast der muthige Jüngling,

Wallstein vor! Er stand, und hielt sich die Brust mit der Rechten;

Athmete tiefer, begann zu sprechen, vermocht’s nicht; er stürzte

Dann zum Gezelte hinaus, und verschwand im nächtlichen Dunkel.

Ottgar blickt’ ihm, erstaunt, jetzt nach. Er wähnte: sein Liebling

Sey urplötzlich erkrankt, und von wüthenden Schmerzen befallen;

Doch Drahomira durchschaute sein Herz; sie lächelte grimmig;

Jubelte dann laut auf, und folgte dem fliehenden Jüngling:

Ihm für Hedwig die liebende Brust noch mehr zu entflammen,

Und zu verderben mit ihm den, ihr verhaßten Beherrscher.

Im erleuchteten Zelt verstummten von neuem die Helden;

Gar nicht wollten von Ottgars Mund’ die Worte sich lösen.

Endlich hob er sich auf, und sagte den Beiden zum Abschied:

„Wahrlich, nicht ahnete mir’s, so glühend verlange der Kaiser

Uns bei festlichem Turnkampf, Tanz, und Gelagen zu sehen!

Aber wohlan — das kündet ihm nur, so er etwa daheim ist:

Ottgar werdet ihr schau’n im Gefolge der Edeln, und hören,

Was er vom Frieden gedacht, und der Kinder ersehnter Verlobung!

35

Aber, ihr Herrn, gehabt euch wohl; der Himmel geleit’ euch!“

Beid’ erstaunten der Red’, und eilten unmuthig von dannen.

Draußen sagte zu Lichtenstein der tapfere Meinhard:

„Ritter, sprecht, was dünkt euch? Nicht einmal die Krume zum Imbis,

Nicht des Weines so viel, das unsere Lippen benetzte,

Reicht’ er zum Trunk’ uns dar. Ich meine: von Heirathsgedanken

Ist er so fern, wie dort von mir Veiths glänzender Wagen,

Der an des Himmels Rand zum eisigen Norden hinabsinkt.

Ha! und merktet ihr nicht, wie schnell der arge Verräther

Rudolphs nächtlichen Ritt g’en Lilienfeld ihm enthüllte?

Ach, er zog nur mit schwachem Geleit! Kommt: gut ist die Vorsicht!“

Rasch aufschwangen sie sich in den Sattel, und flogen nach Wien hin.

Aber der König entließ die Versammelten. Jetzo noch einmal

Blickt’ er Jedem in’s Aug’, und sagte mit rauherer Stimme:

„Mir zerwühlet die Wuth das Herz. Wie kecklich die Ritter

Sprachen, als sey ich im Feld nicht fürder zu scheu’n, und, dem Ball gleich,

Nun rechts hin, dann links im schwebenden Fluge zu wenden;

Aber es zehr’ ihr Hort sich zu Tod’ an seinen Gelüsten.

Mein Entschluß ist gefaßt: am Morgen gebiethet den Aufbruch

Euerem Volk. Wir ziehen entlang den schlängelnden Marchfluß

36

Bis an den Weidenbach, wo, erhöht, des räumigen Lagers

Wall uns schirmt g’en List und Gewalt. Verstanden mit Waldram,

Sey in dem Ueberfall nur „Rache“ der Würgenden Schlachtruf!

Ruhet ein Weniges noch: bald rufen euch laut die Drometen.“

Jene gehorchten dem Wort’, und eilten nach ihren Gezelten.

Aber der König ging noch lang’ im Schimmer des Nachtlichts,

Sinnend umher. Oft seufzt’ er laut; er ballte die Faust oft

Vor Erbitterung; stand, ging wieder, und hatte nicht Frieden.

Endlich warf er sich hin auf das Lager, und schlummerte leis’ ein.

Ueber dem Haupt des Schlummernden hing sein schützender Engel,

Trauernd. Verglommen war sein Glanz. Wie auf thürmender Alpen

Ewigbeschneiten Höh’n der rosigglühende Schimmer

In ätherischer Bläue verglimmt in der sinkenden Dämm’rung:

Also auch er, den Schwermuthsblick auf den armen gerichtet,

Den ein furchtbarer Traum umfing. Margarethe, die Gattinn,

Welch’ er schnöde verstieß, naht’ ihm, und sah ihn so trauernd

37

An, aus dem hüllenden Leichentuch: er wandte sich, schaudernd,

Weg, und hieß sie entflieh’n. Nicht lang’, und in hoher Verklärung

Schwebt’ auf schimmernden Au’n, und bekränzt mit himmlischen Rosen,

Sie vor ihm hin. Er folgte — sie floh; doch jetzt, an dem Ufer

Eines unendlichen Stroms hielt sie den eilenden Flug an;

Sah, huldflehenden Blicks, zu dem Himmel empor, und entschwand ihm,

Schatten gleich, wenn Nebelgewölk umhüllet die Sonne.

Wieder umfing ihn des Todes Nacht. Um sich her auf dem Schlachtfeld

Sah er unzählige Leichen gehäuft: bis endlich ihm selber

Dort zwei Würger genah’t, mit rach’ausblitzenden Augen,

Tief in die Brust einstürmten den Speer, und höhnten im Tod noch.

Stöhnend wand er sich dann im Schlaf, und in mächtigen Tropfen

Stand ihm der Schweiß auf der Stirn’ und den hochgerötheten Wangen.

Doch nicht völlig verhüllt den Augen des Himmelsbewohners

War des schlummernden Königs Geschick. Er sah Drahomira

Walten um ihn, und Gefahr ihm bereiten auf schlüpfrigem Pfad hier,

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Der zum Verderben führt, und zu nieversiegendem Jammer.

Flehend faltet’ er jetzo die Händ’, und blickte mit Ehrfurcht

Auf zu dem Thron des Ewigen, der in des kreisenden Weltalls

Hehrstem Raum’, auf lichtausströmenden Sonnen erhöht steht.

Dorthin drang sein Blick, wo Cherub- und Seraphim selber

Sich in der Nähe des Throns mit den Fittigen hüllen die Augen,

Dreimal Heilig singend dem Herrn, der herrscht von dem Thron dort,

Hehr, allmächtig, weis’, und gerecht, barmherzig und gnädig!

Ueber die Himmel hinauf erhebt er das Haupt; auf dem Abgrund

Ruht sein Fuß, und sein Arm umfaßt das kreisende Weltall.

Als er gewürdigt ward, die Blicke zum Thron zu erheben,

Sah er, schauernd vor Ehrfurcht, dort enthüllet die Zukunft:

„Ottgar, der nun bald mit reuigem Sinn um Erbarmen

Fleh’n wird, büßet die Schuld vergangener Jahre: den Feinden

Fällt er besiegt in dem Kampf’, und verlieret das Reich und das Leben;

Aber sein Gegner wird ein Vater des Herrscher­geschlechtes,

Das in die fernste Zukunft hinab unzähliger Völker

Glück zu fördern, erwählt, im Segen der Erde genannt sey.“

D’rauf gewahrt’ er den Wink des Herrn: „daß es also gescheh’n wird!“ 

Sieh’, da flammten, und floh’n, und kehrten in Eile die Sonnen

39

Wieder zur Bahn! Der Donner rollte hinunter am Weltrand,

Kreisende Monden und Sterne vorbei; die Vesten des Erdballs

Zitterten; hoch aufrauschte das Meer, und die Ström’ und die Flüsse

Braus’ten wirbelnd zurück, und schäumten empor in den Luftraum.

Aber die Himmlischen feierten nun der unendlichen Allmacht

Huldausstrahlenden Wink. Auf Erden erglühte das Frühroth.

40

Zweiter Gesang.

Siehe, wer reitet den Wald entlang? Vom felsigen Boden

Tönet der eiserne Huf. Wer zieht im Schatten der Thäler

Fort im eilenden Trab? Doch dort, wo am lichteren Waldsaum

Weitgesondert, die Tannen steh’n, und der sonnige Bergpfad

Schlängelnd sich hebt, erblitzt es von hellgeglätteten Waffen

Quer in die Eb’ne herab. Jetzt näher und näher erschallet

Munterer Reiter Gespräch, und das Schnauben und Wiehern der Rosse.

Doch wer ist’s, der allen voran den feurigen Rappen

Reitet, so freundlich und mild, so bar all’ prunkenden Schmuckes?

Zwar erhellt die, in Rosengluth versinkende Sonne

Kein’ unedele Stirn’, und Ehrfurcht heischen die Augen

Dieses Gewaltigen, der ein Fürst, ein Kaiser von Anseh’n

Scheinet? Er ist’s — ha, Rudolph ist’s, der Kaiser der Deutschen!

Gestern zog er im Abendlicht mit hundert Erwählten

Eilig zum Kärnthnerthore hinaus nach dem herrschenden Hügel,

41

Wo (so kündet die Sag’) in grau’numhülleter Vorzeit

Eine Spinnerinn saß, und bettelte, reichliche Spenden

Sammelnd: ein Kreuz zu erbau’n von zartdurchlichtetem Stein dort,

Wo das hölzerne, morsch, zerfiel, an welchem sie lebte.

Aber es wurde zugleich ihr Grab, von dem Fremdling bewundert:

Denn erblickt er die Stadt, die weit auf Erden gerühmt wird,

Vor sich in schimmernder Pracht der Thürm’ und unzähliger Häuser,

Zollt er vor allem der sinnigen Wahl der Spinnerinn Beifall,

Und erquickt sein Aug’ an dem wunderherrlichen Anblick.

D’rauf einlenkt’ er zum Fuß’ der traubengesegneten Hügel:

Petersdorf, und Brunn am Gebirg, wo der emsige Winzer

Keltert den kräftigen Most für die spätnachfolgende Zeit noch,

Und durchtrabte die Stadt von Mödeling.1 Mächtigen Anseh’ns,

Schaut in das düstere Felsenthal, durch welches der Waldbach,

Eingezwängt, sich windet, und rauscht, die ragende Felsburg,

Mödling herab (ein Eigen des babenbergischen Herzogs,

Heinrich) und lieh auch zugleich dem Städtchen den Nahmen. Die Nacht hing

Dunkel herab; nicht erspähte der Wart von dem ragenden Wartthurm

Rudolphs hohe Gestalt: d’rum scholl die Dromete zum Gruß nicht.

42

Doch jetzt zog er am Tannberg fort,2 wo im ruhigen Thalgrund

Schimmert das Gotteshaus zum Heiligen-Kreuz mit dem Kloster.

Herzog Leopold baut’ es, der Heilige. Mönche von Cisterz

Rief er dahin, daß dies’ in Saatengefilde die Wildniß

Wandelten, und im Gesange des Chors lobpriesen den Schöpfer.

Manches Helden Gebein’, auch Friedrichs, des streitbaren Herzogs,

Letzten seines Geschlechts, deckt dort der ehrende Denkstein.

Aber es sandte darauf vom Heiligen-Kreuze der Stiftsabt

Auch nach Lilienfeld die Brüder: so wollt’ es der Herzog

Leupold, der Glorreiche, selbst, als er an dem Fuße der Alpen

Im bezaubernden Thal das Gotteshaus und das Kloster

Stiftete, dem jetzt Rudolph naht’. Schon ließ er auch Kaumbergs

Marken zurück, und als die Sonne im rosigen Schimmer

Sich in Osten erhob, da zog er durch’s liebliche Hainthal,

Und erkor’s in des Mittags Stunde zur Rast. An dem Göls’bach

Weideten frei die Rosse hinab. Die tapferen Krieger

Saßen im Kreise herum: sie sättigten sich an des Weizens

Goldener Frucht, zum nährenden Brote gebacken, und löschten

Dann an der Quelle den Durst. Inmitten der fröhlichen Männer

Saß der Kaiser im Gras’; er rief den Einen und Andern

Auf zu ergetzlichem Schwank’, und zuletzt den redlichen Knappen

43

Müller, den Zürcher, der ihm das Leben gerettet, und seither

Stets zu getreulichem Dienst’ ihm stand, im Krieg’ und im Frieden.

„Künde“, so sprach er zu ihm, „den Kriegern das lustige Mährchen:

Wie du mich, den Zürnenden, einst auf der Straße begegnend,

Sühntest, listengeübt: denn manchen von meinen Getreuen

Hast du niedergeworfen zuvor, ein frevelnder Raufbold.“

„Mit Vergunst, Herr Kaiser,“ begann der fröhliche Kriegsmann,

Schlaugewendeten Blicks, „so ich ruhmbegierig, und eitel,

Meinen Gefährten des Zugs verkünde zuvor, daß ich Habsburgs

Grafen im Kampf mit dem Regensberg das Leben gerettet!

Edle von Toggenburg, und Homburg; jene von Nidov,

Palm, und Warth mit Eschenbach vereinten dem Ritter

Regensberg, den er gewaltig bedrängte, die Scharen;

Doch er dachte der List, kriegskundig, dem Feinde zu schaden.

Oft ritt Regensberg mit zwölf weißschimmernden Rossen,

Welchen voran mit lautem Gebell zwölf ähnliche Doggen

Sprangen, zur Jagd, von dem Uttliberg, stolzirend, herunter.

Rudolph lag in dem Hinterhalt: die Ross’ und die Doggen

Hatt’ er, wie jener gewählt. Mein Volk, die muthigen Zürcher

Brachen hervor, mit ihm in dem Handel verstanden, und als er

Nahte der Burg in verstellter Flucht, da meinte der Wächter,

Oeffnend das Thor voll Hast, sein feindbedroheter Herr sey’s

44

Alsbald ward erobert die Burg, und zerstöret von Grund aus.

Ist’s nicht also gescheh’n, mein hocherlauchter Gebiether?

Aber da stellten sie euch, auf offnen und heimlichen Wegen

Nach. So geschah’s, daß einst, auf einsamer Fährt’ in dem Wald ihr,

Nur mit schwachem Geleit dem Feind’ in die Hände gefallen,

Rang’t auf Leben und Tod, als bügellos in den Staub euch

Warf das getödtete Roß. Ihr waret erlegen der Mehrzahl;

Doch der Seinen gedenket der Herr: er sandte den Müller

Euch zu Hülf’. Er kam auf dem Pfade geritten, und sah euch

Kämpfen, ähnlich dem Leu’n, den wüthende Tiger umringen;

Naht’ im Flug, und ihr, in den Sattel gehoben, entrannet

So der Gefahr. Doch Müller ist euer getreuester Jünger

Seitdem — rühmt sich denn auch des edelsten Meisters auf Erden.

Ihr erlaßt mir vielleicht für heute das lustige Mährchen:3

Denn, mich dünkt, es entfielen, wie Perlen gestaltete Tropfen

Eueren Wangen. Mich drängte früher die Noth, und euch später:

Alles auf Erden eint der Liebe geschäftige Sorgfalt.“

Innig gerührt ergriff ihm der Kaiser die Hand, und begann so:

„Edel hast gehandelt an mir, mein trefflicher Jünger!

Doch die Capelle winkt auf den Alphöh’n: heute noch sollst du

Ernten herrlichen Lohn, der Heldenthaten gebühret.

Jetzt rasch auf, ihr Reisigen: rasch zu dem winkenden Ziel hin!“

45

All’ erhoben sich nun voll Muths; sie zäumten die Rosse,

Jauchzend, auf, und es ging dann weiter der fröhliche Zug fort.

Siehe, nicht lang’, und sie sah’n jetzt schon die bläulichen Alphöh’n

Oben, und tiefer den Kulm und den kegelgestalteten Spitzbrand,

Freudigen Blicks, als unter dem Huf der gewaltigen Rosse,

Drönend, die Brück’ erscholl, die, stets von den Fluthen der Traisen

Unten durchrauscht, im Grund die rasche Forelle beschattet.

Weit gerühmt ist die Traisen im Land (daß beide den Ursprung

Sich bestreiten, die Hohenberg-, und die Lilienfelder)

Sprudelnd hervor aus dem Schooß des Traisenberges im Waldthal,

Und enteilend voll Hast, sich dem Donaustrome zu einen.4

Freundlich blickten die Sterne bereits vom Gewölbe des Himmels,

Wieder zur Erde herab; schon hauchten die würzigen Matten

Kühlung umher; es verglommen die ragenden Höh’n, und die Fluthen

Dampften im Thal, als jetzt mit seinem Gefolge der Kaiser

Nahe vorüber an Lilienfeld, dem herrlichen Kloster,5

Eilete: denn zum Abendgebeth’ ertönte das Glöckchen

Schon von dem Thurm’; es lud zu des Chors Vollendung die Brüder,

46

Und erweckte zugleich, mildklagend, die Wonne der Wehmuth

Tief in der fühlenden Brust, die leise nach Ruhe sich sehnet

Nach den verschollenen Stürmen des Tags, auf irdischer Wand’rung.

Nahend dem Ziele, durch’s Thal, geboth der Herrscher den Reitern,

Längs dem Bach zu erringen den Kulm, auf dem breiteren Saumpfad;

Aber er selber klomm, des Weg’s wohlkundig, mit Müllern

Dort, wo ein lieblicher Wasserfall, von schroffer Gebirgswand

Plätschernd herab, zerstäubt die silbernblinkenden Fluthen,

Schweigend, die Höhen empor. Er sah nach den lichten Gefilden

Ferner Ebenen, jetzt aus der nächtlichdämmernden Waldung,

Jetzt vom schwindligen Fels mit thauendem Blick’, und errang so

Früher den Kulm; doch dort, vereint mit seinen Erwählten

Wieder, rastet’ er nicht, und stieg, stets höher und höher,

Bis er, den dunkelen Wald entlang, auf blühenden Matten

Wandelnd, schimmern sah im Schooße der luftigen Alphöh’n,

Aus dem Gezweig umhüllender Tannen der kleinen Capelle

Heiligthum, wo das Licht, in der Lampe genährt von dem Klausner,

Sandte die fächelnde Flamm’ empor aus goldenem Oehlduft.

Dorthin wies ein Gesicht, im mitternächtlichen Grauen

Ihm aufsträubend das Haar vor Furcht und Erstaunen, ihn heut’ erst.

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Wichtiges sollt’ ihm, dort enthüllt nach des Ewigen Rathschluß,

Mächtig erheben das Herz in der Stunde des nahenden Kampfes.

Jetzt verließen auf seinen Wink die Reiter den Sattel,

Daß, freiweidend im Feld, die Pferde sich letzten. Des Zaumes

Ledig, sprangen sie wiehernd davon, und wälzten im Gras’ sich

Links und rechts, die Gluth des gepreßten Rückens zu kühlen.

Auch die Reiter gesammt ausruheten dort von der Wand’rung.

Aber der Klausner, ein Greis, von neunzig entflohenen Jahren,

Trat aus der Hütt’, im barnen Gewand’, und führte den Kaiser,

Schweigender Ehrfurcht voll, zur Capelle. Der silberne Bart floß

Ihm zu dem hanfenen Gürtel herab. Von den lastenden Jahren

Wenig gebeugt, sah noch aus seinen erglühenden Augen

Jugendkraft, die manchmal in sinnender Trauer am Boden

Hafteten. Doch jetzt traten sie ein, und beugten die Knie’ dort,

Wo gesegnetes Brot, der Seelen Speise, verwahrt war;

Wo das Bild des Gekreuzigten stand, und die Mutter das Kindlein

Wies in dem hehren Gemähld’, voll Lieb’ an den Busen es drückend,

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Und, den wonn’ausstrahlenden Blick auf die Menschen gerichtet,

Allen zu rufen schien: „O liebt den Liebenden mir gleich!“

Aber der Greis, als wär’ es zum legten Male hienieden,

Sah zu ihr lang’ empor, und wandte sich dann zu dem Pilger:

„Herr“, sprach er, „blick’ auf zu der Himmlischen! Früh in des Lebens

Blüthenzeit hast du die Verehrung der seligsten Jungfrau

Dir erkoren zum wahrenden Schild’, und dem Schiffer nicht ungleich,

Der in der Sturmnacht fest aufschaut zu dem rettenden Leuchtthurm,

Dadurch bewahrt im reinen Gemüth Vertrauen und Demuth:

Jenes zu Gott und auf Menschenwerth, und dies’ auch im Glück’ noch.

Also wandeltest du, ein Seliger, fort auf des Lebens

Dornenpfad mit heiterem Muth: der göttliche Sohn hört

Gerne der Mutter Fleh’n, in ihrem Schutze geborgen.

Jetzt auch wirst du gewiß, in dem furchtbarn Kampf der Entscheidung,

Huldbeglückt, erringen den Sieg, wenn dir auf dem Schlachtfeld,

In umdrängender Noth vom Munde des Herzens Gelübd’ tönt:

„Fromme Jungfrau’n einst zu versammeln zum Zeichen des Kreuzes.“6

Höre, demnach was mir mein Meister und Herr in Gesichten

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Dunkeler Zukunft wies: Ein Vater unzähliger Fürsten

Wirst du seyn, und so oft auch hier auf irdischer Laufbahn

Wechselt des Menschen Geschick vom Guten zum Schlimmen: so wird doch

Treu’, und Redlichkeit stets in deinem Geschlechte noch dauern.“7

„Ernsten Gemüths, herrscht einst dein ältester über die Völker,

Die dein heitres gewann, und fesselte. Ob er auch mannhaft

Steht in der Männerschlacht, und vor ihm die Feinde, besiegt, flieh’n;

Ob er auch ehret das Recht, und Gerechtigkeit übet als Richter,

So auch die Wissenschaften, die Kunst’, und den frohen Gewerbsfleiß

Blühen heißt mit dem Ackerbau, ein sorgsamer Herrscher:

Dennoch mißt er die Liebe. Die Hand der ewigen Vorsicht

Waltet über des Menschen Geschick’. In Dunkel gehüllet

Möge sein Ende dir seyn. Ihn rächen entsetzlich die Seinen.“

„Schön an Gemüth und Körper, die Lust des Menschen­geschlechtes,

Faßt mit unstraflicher Hand die Kaiserkrone dein Enkel.

Aber, ihm gleich, ein Held, vom feindlichen Schicksal zum Feind’ ihm

Auserkoren, entwindet sie ihr auf dem rauchenden Blutfeld

Mühldorfs; doch entreißt er, erst nur der Rache gedenkend,

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Auch in der Kerkerluft der Trausnitz dem edelsten Manne

Nicht den unsterblichen Kranz, der, lohnend, dem Guten zu Theil wird.

Sieh’, er steht, erschütternd, vor ihm, da er Ehre viel höher,

Denn des Lebens erlesenstes Glück, die goldene Freiheit,

Achtet, und wiedergekehrt, die Hände noch selber den Fesseln

Beut: ein Muster der deutschen Treu’ auf Wort und auf Handschlag!

Innig ehrt er ihn d’rauf, und theilt das nächtliche Lager,

Ja, auch den Purpurthron mit dem Freund, der Erde zum Staunen.“

„Ha, schon winket des Theuerdanks unsterblicher Held mir

Aus dem strahlenden Licht des thaten­verherrlichten Lebens!

Sein erbarmt sich der Herr, und rettet ihn, wunderbar oft so,

Wie auf der Martinswand, aus unsäglicher Noth und Gefahren,

Welch’ ihm fortan drau’n auf des Herrschers dornigen Pfaden.

Hoch erhebt er den Ruhm von Oestreich: kühn auf dem Schlachtfeld,

Weis’ im Rath; ein Liedergewaltiger, Held, und Beherrscher.“

„Aber ihm folgt, o Habsburgs Stolz, sein größerer Enkel!

Sein Zeitalter leuchtet in wunderherrlichem Glanz’ auf.

Jugendlich regt sich die Erd’, und treibt den erfreuenden Keim schon

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Jedes Großen und Schönen hervor. Erhabene Geister

Wandeln auf ihr zum Ziel — der Höchst’ er unter den Hohen!

Ha, wie würdig er herrscht, wie kraftvoll! Fern in die Zukunft

Schaut sein Blick: er sinnt auf Deutschlands Größe durch Einung,

Auf Hispania’s Macht, und Italia’s, daß er die Rettung

Schaffe dem Christenvolk g’en wildempörter Osmanen

Allverheerende Wuth, die er tapfer bekämpft, und besieget.

Auch jenseits dem unendlichen Meer’ erbeben die Völker

Seiner Gewalt: nie geht die freundlich­leuchtende Sonne

Unter in seines umuferten Reichs endlosen Bezirken.

Also die alt’ und die jüngere Welt im Segen zu einen,

Strebt sein hohes Gemüth. Wie dunkel die Wege der Vorsicht!

Deutschlands Gau’n durchtobt die Neuerung. Feindlichgeschieden,

Schaut urplötzlich der Mensch dem Menschen in’s Aug: ihn verwildert

Schrecklicher Sectenhaß: denn Mord, und Brand, und Empörung

Würgt Jahrhunderte fort, und verscheucht bald jegliche Hoffnung,

Die so herrliche Früchte verhieß. Vergeblich versucht er,

Heimzuführen den scheuentflohenen Frieden: auf immer

Scheint er entfloh’n. Ihn ergreift unendlicher Schmerz, und er endet,

Freientsagend dem Thron, in einsamer Zelle sein Leben.“

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„Ha, nach neun, durch Weisheit, Mild’, und Gerechtigkeit ruhmvoll

Herrschenden Männern deines Stamms, erseh’ ich im Thronsaal

Eine gewaltige Frau, die im Sturm umdrauender Nöthen,

Gottvertrauenden Muths, die Lieb’ und Bewunderung aller,

Eintritt dort, mit dem Sohn’ auf dem Arm, in die hohe Versammlung

Eines edelen Volks, und tausend Stimmen erschallen,

Als der ehernen Scheid’ entrissen der blitzende Stahl fleugt:

„Laßt uns sterben für Sie, die, als Königinn, uns ist ein König!“

Glücklich als Gattinn und Mutter zugleich, und als Herrscherinn würdig

Ewigen Ruhms, entschlummert sie sanft in den Armen des Todes.“

„Lange zum Manne gereift, nachfolgt ihr spät ihr Erzeugter:

Herrschend des Volks Abgott, dem er nur Gutes gewillt ist.

Aber ihm stürmts in der Brust: was kommenden Zeiten noch dau’re,

Müsse sorgsam gepflegt, und festgegründet der Bau seyn,

Das bedenket er nicht, und sieht noch sterbend, verwelket

Was er gepflanzt, und im Sand, sturzdrohend, was er gebaut hat;

Dennoch beut ihm die Liebe den Kranz niewelkenden Nachruhms.“

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„Siehe den Weisen, in dessen Hand dann erglänzet der Zepter,

Reißt des Todes Geschick aus der Zahl der Lebenden schnell fort!

Wohl ihm: denn früher erringt er das Ziel der herrlichsten Laufbahn

Auf hesperischer Flur, wo er Glück ausspendet, und Segen!“

„Jetzt entschwinden die hehren Gesichte vor mir wie in Nebeln.

Furchtbar steigt Geschrei in die Luft. Des alternden Erdballs

Vesten wanken; es scheint, als sollt’ ein neues Geschlecht sich

Heben empor aus dem gährenden Grund, doch früher die alten

Ganz hinschwinden in Nichts: so entsetzlich schwelgt die Empörung

Fort an den Strömen vergossenen Bluts. Der tauschenden Gleichheit

Mordruf schallt: hinschwindelt das Volk, und reißt mit des Thrones

Stürzendem Heiligthum’ auch sich selber hinunter zum Abgrund,

Wo in dem nächtlichen Grau’n sein Wuthgestöhne verhallet.

Aber ich sehe den Schiffer im Sturm, der, blickend zum Himmel,

Unerschütterten Muths, durchfleugt die empörten Gewässer;

Sehe den Sohn vor mir des Verblichenen, wie er im Nachtgrau’n

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Fortgewogt auf der Fluth, nun sinkt, nun steigt, bis er endlich,

Lautumjauchzt, einfährt in den volkerfülleten Hafen,

Und noch höher als erst, nach zwei Jahrzehenden aufragt:

Denn ihn lenkt in den Tagen der Noth stets sicher der Tugend

Heiliger Wink, und sein ist die Lieb’ und die Treue der Völker,

Die er, ein Vater, beherrscht mit mildvorsorgender Weisheit.

Heißt auch mancher Gewaltige „Groß“ in Geschichten der Menschen,

Ihn wird einst die Nachwelt laut den Edelsten nennen.“

„Dunkler ward’s ... mir schwand in verworrenen Bildern die Zukunft.

Doch nun hast du vernommen, was mir, unwürdigem Diener

Heute der Herr enthüllt’. Leb’ wohl! Vollbracht ist des Lebens

Weitumirrender Lauf — er endete, deiner gewärtig.

Denk’ auch mein im Gebeth. Stets sey der Himmel dir gnädig!“

Sagt’ es, und wankte hinaus, der Klaus’ entgegen. Er warf sich

Dort auf die Knie’, und bethete leis’ mit erblassenden Wangen.

Aber auch Rudolph lag mit tiefgesunkenem Antlitz

So, daß die stürzende Thrän’ auf die Marmorstufe hinunter

Ihm aus den Wimpern sank, mit hörbarem Laut in der Stille,

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Vor dem Altar auf den Knie’n. Sein Dank auf den Fittigen tiefer,

Inniger Andacht flog empor zu dem Vater im Himmel.

Als er den Blick zu dem Bild’ erhob, und das Aug’ auf die Augen

Heftete, die so mild den frommhinwandernden Pilger

Wecken zur Liebe des Sohn’s, da erblaßt’ er betroffen. Ihn dauchte:

Daß sie in himmlischem Glanz’ erglühten, und schaudernder Angst voll,

Wich er zurück vom Altar — bis jetzt in der Lampe der Lichtdocht

Hell aufflammt’, und sanft, wie zuvor, die Mutter ihn ansah.

Jetzo rief er Müllern herbei, der draußen im Vorhof

Harrte; legte die Hand ihm fest auf die Schulter, und sagt’ ihm:

„Hole die Waffen schnell: den Degen, den Helm, und den Harnisch;

Auch die Spor’n, die wir mitführeten: leg’ sie in Demuth

Auf den Altar; dann fasse den Speer, die Wache zu halten,

Bis zum Morgen. Ich geh’, ein Weniges draußen zu schlummern.“

Also geschah’s. Der Knappe ging, und holte, verwundert,

Alles und Jedes herbei; dann faßt’ er den Speer, und erging sich

Dort, gemessenen Schritts, die Wach’ an dem Heiligthum haltend.

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Doch als jetzt an des Himmels Rand der erwachende Morgen

Wie der purpurne Kelch der frischentfalteten Rosen

Glühete, hieß der Kaiser sein Volk der kleinen Capelle

Nahen, und dort im Kreis’ umgeben den heiligen Altar.

Anbethend stand er selber vor ihm; dann wandt’ er sich freundlich

Gegen den Kreis; rief laut dem Knappen Müller, und winkt’ ihm,

Niederzuknieen vor Gott auf die Marmorstufe. Den Wammsrock

Nahm er ihm erst von dem Leib’, und umgab mit dem glänzenden Harnisch

Ihm die Brust: er reicht’ ihm die Sporn’ und den trefflichen Degen

Dar mit dem Wehrgehang; bedeckte sein Haupt mit dem Festhelm,

Riß dann schnell das Eisen hervor aus der Scheid’, und begann so:

„Weil du, tapfergesinnt, obgleich als Bürger geboren,

Habsburgs Herrn, der jetzt des heiligen, römischen Reiches

Kaiser sich rühmt, das Leben gerettet, und stets auf dem Schlachtfeld

Ritterlich’ Ehre gewannst durch heldenmütige Thaten:

Will ich dich hier, vor Gottes Altare, den Edeln gesellen.

Aber bedenke denn auch, daß dir hinfort auf des Ritters

Ehrenbahn gezieme, zu schirmen das Recht und die Unschuld;

Schützer zu seyn des zarten Geschlechts in Zucht und in Ehren;

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Nie zu meiden den Kampf, in die Schranken durch Edle gefordert;

Nie zu dulden die Schmach, und zu rächen erlittenes Unrecht,

Kräftig und ohne Verzug, so dir’s nicht wehrt das Bewußtseyn:

Hierauf schlag’ ich dich Gott, und Maria, der heiligen Jungfrau,

Auch Sanct Görgen, des Ritters Patron, zu Ehren, zum Ritter.“8

Sagt’ es, und führte den Streich kreuzweis mit dem tönenden Schwertstahl

Ihm die Schulter hinab, erhob den Edeln, und küßt’ ihn.

Laut aufschrie die Schar der Versammelten. Jeglicher staunte,

Forschte zuvor, wohin sich wende das ernste Beginnen?

Doch, nun schüttelt’ ihm jeder die Hand, und lächelt’ ihm Beifall.

Schon erglühte das zarte Gewölk im lichteren Osten,

Das dem erwachenden Tag das Nahen der herrlichen Sonne

Kündete: sieh’, da führte sein treues Gefolge der Kaiser

Schnell zum ersehneten Alpenrand, wo jetzo die Aussicht

Unermeßlich groß, vor den Augen der Männer sich aufthat!

Aber sie bebten zurück vor freudigem Schreck und Erstaunen:

Erst zur Tiefe hinab, wo auf duftigen Schwingen die Nebel,

Zögernden Flugs, bald hier, bald dort nach entfernteren Thälern

Flatterten, sank ihr Blick. Wie staunt’ er: gewaltige Berghöh’n

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Nun zu Hügeln versunken, zu schau’n, und auf jeglichem ringsher

Wiesen, und Ackergründ’, und waldumsäumtes Gehöftland;

Unten am hellen Teich das Gotteshaus, und des Klosters

Riesengebäude; das Thal entlang, an der schimmernden Traisen

Hin, aufwirbelnden Rauch von den Eisenhämmern und Hütten — Dann

unendlich hinaus vom Gebirg verbreitet die Fluren;

Doch als jetzt aus dem Nebelmeer ihr breiteres Antlitz,

Dunkelgeröthet, die Sonn’ erhob, und ringsum der Erdkreis

Jubelte: reich mit Perlen geschmückt, und begrüßt von den Scharen

Zahlloser Vögel im Wald’, in den Thälern, und hoch in den Lüften,

Wo sich empor unsichtbar schwangen die wirbelnden Lerchen:

Ha, da erglühte die Brust der Männer vor tiefem Entzücken!

Mancher faltete, bethend, die Händ’, und blickte hinunter,

Rings umher, dann himmelwärts, mit Thränen der Wonne.

Keiner hatte zuvor erstiegen die Höh’n, und gesehen

Dorther tausendfaltig besä’t mit schimmernden Städten,

Dörfern, und Klöstern das Land, und hochaufragenden Burgen;

Nur der erhabene Kaiser allein erlabte schon oft sich

Dort an der seligen Schau, und begann jetzt freudigen Blickes:

„Seht, wo nördlich hinaus sich die Straße, wie schimmernde Leinwand,

Dehnt, Sanct-Pölten, die Stadt voll trefflicher Bürger und d’rüben

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Herzogburg mit dem Gotteshaus’ im lieblichen Aufeld.

Seht dort links, erbaut auf dem weitgesehenen Berggrath,

Göttweih herrschen im Donauthal, das herrliche Kloster;

Doch, nicht ferne der Burg des Hoheneckers am Wald dort,

Herrlicher Mölk: bewohnt von Benedicts Söhnen die beiden;

D’rauf die Stadt’ auch: Krems, Und, Stein, von Traubengebirgen

Rings umgrünt, an dem Ufer der hellerglänzenden Donau.

Doch, o! wer erspäht’, auch schärferen Blickes, noch jenseits,

Bis zu dem bläulichen Kranz der Karpathen hin, und den Marken

Mährens der Menschen Wohnungen all’ in unendlicher Landschaft?

Seh’t, g’en Westen, den Traunstein dort: er senket den Felsfuß

Tief in den Gmundner See: die Zierde des Oberen-Oestreichs.

Näher erglänzet die Tillisburg, die im ruhigen Thalgrund

Birgt Sanct Florians Stift, das Haus ruhmwürdiger Chorherrn.

Dann erhebt der mächtige Briel, und drüben der Oetscher

Noch das Haupt zum Gewölk, und rings bis zum östlichen Schneeberg,

Der nach der Wiener-Neustadt schaut, der Immer-Getreuen,9

Sehet ihr Berg’ auf Berge gethürmt, erschütternden Anblicks.

Nur verhüllt uns der Kahlenberg mit seiner Karthause

Wien, die Kaiserstadt, und das weitverbreitete Marchfeld,

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Wo jetzt Ottgar lagert, und dort auf blutigen Kampf sinnt;

Doch wir biethen ihm lieber die Hand mit dem friedlichen Oehlzweig,

Als daß er fühle den Schlag der eisernen, niedergeschmettert.

Ha, dieß Bild entschwind’ euch nie, das heute so wonnig

Uns enthüllten die Höh’n des Lilienfelder-Gebirges!“

Eiliger wandt’ er jetzt die Schritte zurück, in der Hütte

Noch dem frommen Klausner zu nah’n — zu vernehmen des Segens

Laute von ihm, und ach, wie ergriff ihn Angst und Entsetzen,

Als er geöffnet die Thür’, und ihn, vor dem Bild des Erlösers

Auf den Knie’n, im Gebeth, mit gesunkenem Haupt und zum Boden

Starrendem Aug’, ersah — doch stumm, und erblasset im Tod schon!

Lange staunt’ er, bewegt, den Verblichenen an, und enteilte

Dann der Hütt’. In des Augenblicks entschwindendem Zeitraum

Schwangen die Reiter sich all’ in den Sattel, und trabten ihm, schweigend,

Nach, zum Kloster hinab, wo er, tieferschüttert im Geist noch,

Anbethend, weilt in dem Gotteshaus’, und dann in dem Kreuzgang

Wandelnd, hinauf in das Schlafhaus stieg in der Stunde des Mittags.

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Hundert Schritt’ entlang, auf mächtige Säulen gegründet,

Wölbete dreifach die Halle sich auf: nur dämmerndes Zwielicht

Brach durch farbiges Glas der zierlichgestalteten Fenster.

Ernst ergriff ihn das Bild der Vergänglichkeit, als er mit Ehrfurcht

Staunte dem Bau. „Du sollst“, so lispelt’ er leise für sich hin,

„Eiserngefügt, mit Stolz auf die wechselnden Zeiten herabschau’n;

Aber vielleicht, daß nach sechs Jahrhunderten, oder nach sieben

Du in dem Schutte versinkst, wenn dort die prasselnde Flamme

Ueber dir braust, und vergeblich des Wanderers Auge dich suchet!“10

Sieh’, da nahte des Klosters Abt mit den Brüdern, und sagte:

„Herr, du zürnest uns wohl? Wir säumten den Herrscher zu grüßen!“

Doch der Kaiser begann: „Nicht euere Schuld ist es, wahrlich:

Denn ich schlich gar leise herein, als käm’ ich, ein Späher.

Jetzo gedenkt, Herr Abt, mit sorglicher Liebe zu einen

Staub dem Staub’, aus welchem er kam: die Leiche des Klausners,

Der in dem Herrn entschlief, in der einsamen Hütte der Alphöh’n.“

„Weh’,“ entgegnete jener bestürzt, „so schwand auch der Segen

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Von den Alpen mit ihm: denn seinen erhörten Gebethen

Dankten sie ihr Gedeih’n, und des Segens Fülle die Hirten!

Aber nicht zeitlichen nur, auch ewigen wußt’ er zu spenden.

Liebend brach er das Brot den Großen und Kleinen — versteht mich

Wohl, erlauchtester Herr: das Brot des göttlichen Wortes,

Das die Seel’ ernährt, und stärket für immer und ewig!

Aber woher er kam; weß’ Landes und Stamm’s er gewesen,

Hat noch keiner enthüllt. Versenkt in düstere Schwermuth,

Kam er in frühester Jugendzeit auf die Alp’, und erbaute

Dort die Capelle, geweiht dem Dienste der seligsten Jungfrau.

Weniges sprach er nur, mit den Worten geizend — mit Werken

Himmlischen Wohlthuns nicht: ein Heiliger allen verehret.

Morgen wollen wir ihn mit der Seelenmeß’ und dem Bußpsalm

Würdig zur Erde bestatten, und ihm erhöhen den Denkstein.“

Jetzo erscholl mit freudigem Ruf Drometengeschmetter

Von dem Wege heran, der Zell’ entgegen — der Jungfrau

Gnaden-Zelle, führt, wohin, wie der Hirsch nach dem Bronnen

Schmachtet, unzählige Pilger zieh’n mit sehnendem Herzen

Nach dem Segens-Born der göttlichen Huld und Erbarmung.

Hell erglänzte das Aug’ und die Wange des Kaisers. Er eilte

Rasch die Stufen herab: denn Albrecht, sein ältester, kam jetzt

Her aus den rheinischen Gau’n mit tapferen Scharen gezogen.

Laut begrüßt’ er den nahenden Sohn, und both ihm die Hand dar,

Freundlich und mild; doch warm erwiedert’ es dieser, und innig,

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Obschon er düstern Gemüths nie lächelte. Siehe, zur Heerschau

Hatt’ er die Krieger in Reihen gestellt! Mit stolzem Vertrauen

Wies er ihm erst fünfhundert aus Zürch, die im Kampfe der Markgraf

Hochberg lenkt; dann jene von Kyburg, Salm und Luzern her:

Dreimal so viel’ an der Zahl, die Nürnbergs tapferer Burggraf,

Friedrich, erkiesend, im Felde beherrscht, und wies ihm dann endlich

Jene, den ersteren gleich an der Zahl, die er selber in Schwabens

Heiteren Gau’n jüngst warb, und jetzo zum Kampf und zum Sieg führt:

Lanzengewaltiges Volk, mit Helmen bewehrt und mit Schilden.

Aber hinab und herauf vor den Reih’n erging sich der Kaiser

Dort mit zögerndem Schritt’. Er sah mit freundlichen Blicken

Jedem Krieger in’s Aug’; erzwang ihm ein Lächeln, und fragt’ ihn:

Wie’s ihm erging seither? — bei’m Nahmen die Tapferen rufend.

Manchem strich er das rauhe Gesicht mit der Rechten; dem andern

Faßt’ er die Hand, und verhieß ihm des Kampfs Arbeiten die Fülle:

Da er schon alle zuvor im furchtbarn Felde der Waffen

Sah, und erprobte den Muth und die Kraft des einen und andern.

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Jetzo begann der Sohn dem herrschenden Vater zu künden:

Wie er das Kriegsvolk warb in der Heimath — d’rauf an den Marken

Schwabens vereinte zum Heer’; wie er schnell g’en Ulm an der Donau

Zog, wo zuerst der Strom den breiteren Rücken zur Fahrt beut;

Dann’ in Schiffen herab, durch Bayerns gesegnete Fluren,

Also durch Oestreichs obere Gau’n nach Enns, und gelandet,

Nach Stadt-Steyer geeilt, die am hellerglänzenden Waldstrom

Vielfach den Wand’rer ergetzt durch eisengestaltender Meister

Sinnigen Fleiß, und jetzt unwegsame Schluchten durchirrend,

Kam nach Zell, wo sich an der Gnadenquelle die Krieger

Alle reinten von Schuld, und des himmlischen Brotes genossen.

„Doch,“ so erzählt’ er fort, „wie erhob mich, nicht ferne dem Ziel mehr,

Heut’ in dem dunkeln Oetscherthal’ ein Wunder der Allmacht!

Vor mir sprang ein flüchtiger Gemsbock fort in des Weges

Krümmungen. Ich, von Jagdlust heiß, verfolgte den Kühnen

Seitab, bis er vom Rand der steilabgleitenden Felswand

Stürzte zur Tiefe hinab, und zerschmetterte dort die Gebein’ all’.

Aber der Rückgang schien auch mir versagt, und ich wand mich

Mühesam nur, die Schluchten entlang, zu lichteren Stellen.

Plötzlich ergriff mein Ohr ein Donnergetümmel: die Felsen

Drönten umher; stets furchtbarer scholl aus der Schlucht, wie ich nahte,

Stürzender Fluthen Gerausch’, und erfüllte die Thäler mit Schauder.

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Doch nun war errungen der Stand. Von des schwindligen Felsens

Schmalvorragendem Riff’ ersah ich, vor freudigem Schrecken

Selber zum Stein erstarrt, des Waldstroms Fall in den Abgrund:

Denn vor mir aufthürmte sich hoch der gespaltene Felsberg

Oben am Rand nur sanft zur Rechten gebogen, und dorther

Stürzt, ein raschvorstürmendes Ungethüm, nieder die Lasing.11

Ha, wie Fluth auf Fluth und Wog’ auf Woge sich dränget,

Rastlos; dann, erbebend dem Sturz’, aufheult, und die Stimme

Aller, vereint, zum furchtbarn, schrecklichen Donnergetös’ wird!

Wie sie sich fassen im Flug, mit eh’rnem Geprassel die Klippen

Schlagen, und schäumen vor Wuth; wie sie von dem Felsen herunter

Fort und fort, den jähabrollenden Schnee-Lawinen

Gleich, im kreisenden Schwung sich wälzen, und stürzen, und ewig

Rauschen, und brausen, daß rings die waldigen Höhen erzittern.

Ueber die Berg’ empor, in die hehren Gefilde der Wolken

Fleugt der glänzende Staub zerschellter Gewässer, und dreht sich,

Wirbelnd, im eisigen Hauch des stromgeborenen Windes.

Doch als dort in die Felsenschlucht, am glänzenden Mittag,

Freundlich die Sonne schaut, da haucht sie in vielfacher Wölbung

Hin auf das wirbelnde Naß den siebenfarbigen Bogen,

Der die stürmende Brust mild sänftiget: so wie er Noah

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Einst erquickte das Herz, ein Zeichen der hohen Verheißung.

Wahrlich, entzückend schön, und erhebend dem fühlenden Menschen,

Pranget der Lasingfall in Oestreichs hehrem Gebirgsthal!“

Aber er horchte den Worten des Sohn’s mit Lust, und geboth dann,

Laut, dem Volke zu Fuß und den Reitern den eiligen Aufbruch.

Staunend ersah’n die Krieger zuvor, an der Seite des Kaisers

Müllern im Ritterschmuck — den ebenbürtigen Bürger

Zürcher Stadt; sie sah’n es, und lispelten, wiegend das Haupt noch,

Einer dem andern die Frag’ in’s Ohr: „was solches bedeute?“

Jener gewahrt’ es, und, sich im kreisenden Schwung in den Sattel

Hebend, lenkte den Rappen herbei; dann heischt’ er von Diesem,

Jenem die Rechte zum Gruß, und preßte sie, heiß in der seinen.

Aber da kam, erglühenden Blicks, der Kaiser, und sagte:

„Staunt nicht fürder, daß ihr im Ritterschmucke den Bürger

Euerer Stadt erblickt. Allmänniglich ist es bekannt ja,

Wie er in großer Gefahr mit tapferem Muth mir das Leben

Rettete: d’rum auch werth und würdig des Standes der Edeln;

Aber nicht Müllern nur, auch jeglichem steh’ ich als Schuldner,

Der so, wie er dem Kaiser und Reich sich verdingte: Rudolphus,

Kaiser des Reichs, wird ihm die Schuld mit Wucher bezahlen.“

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Sagt’ es, und schwang sich auf’s wiehernde Roß. Zum freudigen Aufbruch

Scholl die Dromet’, und schnell g’en Wien bewegte der Zug sich.

Sieh’, in des Abends Grau’n, gewiegt von gaukelnden Lüftchen,

Rauschte das Laub in dem Weidenhain, der nahe den Mauern

Drösings, am Hügel empor sich hob, und im schlängelnden Waldbach,

Längs dem duftenden Thal sich spiegelte! Völlig verhallt war

Nun des Kampfes Getös’ — erstürmt die Veste. Die Gegner

Wichen, bezwungen, zurück, und Ottgars furchtbare Gattinn

Sah schon stolz auf das Land, das bald (so wähnte sie thöricht)

Oestreichs Aar’ entrissen, dem Leu’n von Böhmen zu Theil wird.

Doch wer ist die holde Gestalt, die, zögernden Schrittes,

Drüben, den Bach entlang, hinwandelt in sinniger Schwermuth?

Hedwig, ihr’ Erzeugte, die Wonne des herrschenden Vaters,

Und der Liebling des Volks, geliebt, und bewundert von allen.

Aber warum erbebt ihr hochgesinnetes Herz nun

Unter der sanftvorwölbenden Brust? Entlockte der Thränen

Hellerglänzendes Paar, das über die rosige Wang’ ihr

Träufelte, tiefverborgener Gram, und die Einsame geht nun

Solches dem spähenden Blick der furchtbarn Mutter zu bergen?

Ach, nicht der Mutter allein — auch allen den Sterblichen ringsum,

Ja, sich selbst, und sogar dem Allerforscher im Himmel,

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Bärge sie gerne den Gram, dem heute die Thränen geflossen!

Doch nun hemmt sie den Schritt. An den Stamm des schattenden Baumes

Stützend den Arm, und pressend die Wang’ in die Höhle der Linken,

Hebt sie das Aug’, voll Himmelsbläu’, empor zu den Sternen.

Seitwärts sank von der hellen Stirn’ ihr des bräunlichen Haupthaars

Ringelnde Meng’, und hing von den Schultern zugleich, und des Nackens

Schöner Säul’ an dem schneeigen Faltengewande hinunter,

Das dicht unter der schwebenden Brust der goldene Gürtel

Lieblich umfing. Nicht kam von den funkelnden Sternen ein Lichtstrahl

Ihr in die grau’numnachtete Brust. Sie starrte, verstummend,

Lange vergeblich empor; doch jetzt mit lispelndem Laut nur,

Und umschauend mit Angst, begann das jammernde Fräulein:

„Ha, vernichtendes Bild — entsetzlich, und furchtbar, und dennoch

Himmlisch zugleich aufschwebst du vor mir, umgaukelst mich rastlos,

Und bethörst mir den Geist mit tiefverwirrendem Schwindel!

Wallstein — Gott! Wen nannt’ ich? Sein Nahm’ entriß sich den Lippen

Mir, der Unglücklichen jetzt, und ach, der holdeste Laut wär’s;

Süßer als Harfengetön’ in des Mondlichts freundlichem Schimmer,

Klang’ er mir in dem Ohr’, dürft’ ich ihn nennen — ich darf nicht!

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Glückliche Menschen ihr, die ihr dort in der niedrigen Hütte

Wohnt, wo des Throns augblendender Glanz nicht das Herz von dem Herzen

Trennt, dem ihr’s auf immer geweiht: wie zög ich so freudig

Hin den dunkeln Pfad, der euch beglückend zum Ziel führt!

Weh’, wie sprach ich? Wohin entschwand mir jede Besinnung!

Grünende Matten, du murmelnder Bach, und ihr Sterne da oben

Sagt es nicht, was ihr gehört. Du Mutter des Heiligsten, Besten,

Huldvolle Maid, nah’ mir, der armen Verirrten, zur Rettung!

Billig haßt’ ich ihn. Ha, wie verwegen er jüngst zu den Knie’n mir

Sank — ich bebte vor Angst, in des Gartens umschattendem Laubgang;

Wie er mir faßte die Hand, an die glühenden Lippen sie pressend,

Bleich aufstarrte zu mir! Nicht soll er fürder mir nahen.

Doch wer eilt im Dunkel daher? Ich stürbe vor ihm jetzt.“

Sagt’ es, und wollt’ entflieh’n: da trat ein edeler Ritter,

Schimmernd im tönenden Waffenschmuck’, in der Stille des Abends

Ihr in den Weg, und sprach: „Gönnt mir, holdseliges Fräulein,

Freundlich Gehör! Von Eginhards Geschlechte geboren,

Folg’ ich, ein Rittersmann, der Fahne des Königs von Böhmen,

70

Eures Erzeugers, und doch, erschrecket nicht, steh’ ich, ein Anwald

Seines Gegners, vor euch. Ich komme, gesendet von Hartmann,

Rudolphs Sohn’, der euch schon lange zum Gatten erwählt ist:

Denn in dem rosigdämmernden Licht unschuldiger Kindheit

Wollten zu eh’lichem Bund’ euch die liebenden Aeltern vereinen,

Ehe des schrecklichen Jammers Grund, die Krone der Kaiser,

Feindlich die Fürsten schied, und her auf das eiserne Schlachtfeld

Zog. Doch hört: mich hob er zuvor mit dem Speer’ aus dem Sattel,

Als ich die flüchtende Schar aus den kühneroberten Mauern

Drosendorfs verfolgt’, und ihn selber bestand auf dem Heerweg.

Aber er schenkte das Leben mir, und die Freiheit — auf Ritters

Redliches Wort d’rob heischend die Pflicht: daß ich brächte die Bothschaft

Her, und zurück, wie es euch Bescheid zu geben, genehm ist.

Ach, er hat euch jüngst, so sprach er mit leuchtenden Augen,

Wiedergeseh’n nach Jahren voll Grams, und nimmer entschwindet

Mehr ihm das Bild der holderblüheten Jugendgefährtinn!

Nicht entfloh ihm die Hoffnung noch des ersehneten Friedens.

Mild schlägt Rudolphs Herz: er biethet dem tapferen Ottgar

Freundlich die Hand. Vielleicht, daß bald die gesonderten Krieger,

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Die jetzt noch, blutdürstenden Blicks, nach den Lagern hinüber

Schau’n, und, geballt, erheben die Faust: voll dräuenden Ingrimms

Gegen einander zu wüthen bereit, vernehmend des Friedens

Fröhlichdrometenden Ruf, in die Scheid’ ihr blitzendes Eisen

Bergen, und mitten im Feld mit lautem Gejauchz’ sich die Rechten

Schütteln, und ganz vergessen des Grimms in froher Umarmung.

D’rauf zerstreuen sich all’. Auf den stäubenden Straßen erschallet

Sang und Klang. Bekränzt mit grünenden Reisern, enteilen

Sie zur heimischen Flur, um dort in den Blicken der Lieben

Jetzo des Wiedersehn’s erschütternde Wonne zu lesen.

Dann aufdämmert auch ihm, dem euch die liebenden Aeltern

Einst verlobten, der Tag ersehnter, unendlicher Wonne.

Doch so ihn tröge der Hoffnungs-Strahl, und die waltenden Herrscher

Sich bekämpften mit eisernem Trotz’ — o, hört ihn! Er frägt euch:

Wollt ihr auch dann noch treu dem geschlossenen Bund euch erweisen?

Fromm, und gut ist des Kaisers Erzeugter gesinnt: auf dem Schlachtfeld

Hob sich sein Ruhm, und Deutschlands throngeborene Jungfrau’n

Schau’n mit sehnlichem Blick nach dem herrlichgestalteten Mann hin.

72

Nur kargt er mit den Worten: es wohnt stets düstere Schwermuth

Ihm auf der Stirn’ — und im Herzen nach euch unendliche Sehnsucht.“

Also sprach er, und harrte, bewegt, der entscheidenden Antwort.

Hedwig sann für sich hin; nach dauerndem Schweigen begann sie:

„Wohl ist Rudolphs trefflicher Sohn, der tapfere Hartmann,

Mir bekannt — ich ehre den edelgesinnten Jüngling;

Aber getrennt hat uns des Schicksals eherner Rathschluß,

Wandelnd in Haß, und nieversöhnliche Feindschaft der Aeltern

Herzen um uns: ich steh’, entledigt der frühen Verlobung.

Ach, und sollt’ in dem Kampf auch mein Erzeuger dem seinen

Unterliegen, und ich, die Tochter des mächtigen Ottgar,

Dem Europa’s Völker umher sich beugen, voll Ehrfurcht,

Stürzen hinab in den Staub der schmachbelasteten Armuth:

Dennoch würd’ ich nicht Rudolphs Sohn zum Gatten mir kiesen!

Und, da nur ein einziges Wort entscheidet für immer,

Künd’ ihm: ich hätte gewählt — für den Einen gelobt’ ich zu leben.“

Also floh ihr das Wort von den zitternden Lippen. Sie wandte

Heim nach der Stadt die furchtbeflügelten Schritt’, und der Ritter

Eilte davon, beschwert mit der trauererregenden Bothschaft.

73

Dritter Gesang.

Ha, schon lockte der Kampf des Geisterreiches Bewohner

Aus dem übersinnlichen Raum’, und den Tiefen des Erdballs,

Mächtigen Zaubers herbei! Auch Marbod,1 der edele Markmann,

Kam. Nicht im übersinnlichen Raum ergetzte das Licht ihn

Seither: denn er saß, versunken in düstere Schwermuth,

Dort in des Erdballs Schooß wohl zwölf Jahrhunderte lang schon,

Seit er getrennt sich sah von der liebenden Gattinn, Erwine,

Die, in dem Todeskampf’, ihm die Hände mit weinenden Blicken

Reichte zum letzten Mal’, und dann, viel reineren Herzens

Denn ihr Gemahl, empor zu glänzenden Räumen sich aufschwang.

Marbod herrschte, von Kraft und glühendem Muthe beseelet,

Ueber ein tapferes Volk: Markmannen genannt in den Reihen

74

Mächtiger Stämme des deutschen Vereins. Von Schwabens Gefilden

Her, die norischen Alpen entlang, Pannonien nahend,

Wo in der Ostmark sich am Ufer der mächtigen Donau

Vindobona erhebt, bis hin zu den Höhen der Heünburg2

Schirmten gegen den Feind, im Rücken der Berge, die Marken,

Sie des gemeinsamen Vaterlands, als mannhafte Streiter.

Aber dem schrecklichsten dort, der allzermalmenden Roma,

Ferne zu stehen, und ihm einst kühn zu begegnen im Schlachtfeld,

Zog er nach Bojenheim; verjagte den Gothen-Beherrscher

Katwald; gründete sich ein Reich und die Stadt an der Moldau,

Marobud,3 und ward gefürchtet umher in den Ländern.

Inguiomar, der Ohm des tapfern, cheruskischen Hermann,

Floh, von diesem gehaßt, zu Marbod. Sie kämpften im Marchfeld

Lange die blutige Schlacht, und es rühmten sich beide des Sieges.

Aber an Hermanns Macht, des glücklichen, schlossen die Scharen

Marbods sich an. Da entriß, mit den Römern verbündet, ihm Katwald,

Stürmend, die Burg Mar’bud, und entthront’ ihn. Ach, er vertraute

Roma’s täuschender Huld, und starb in den Mauern Ravenna’s

Arm — ein Zeuge des wechselnden Glücks auf irdischer Laufbahn!

75

Doch nun kam er herauf, und wandte sich rasch nach den Fluren

Oestreichs, das er mit Bojenheim sein nannt’ in der Vorzeit.

Bald gewahrte sein Aug’ auf des Lilienfelder Gebirgs Höh’n

Drüben die Ritterschar blondhaariger Deutschen. Er schwebte

Jetzt in sausender Eile dahin, und so, wie der Geier

Schnell von dem Felsenhorst nach dem dunkeln Thale herabfährt,

Weil er im Laub hellschwirrende Vögel erspähte: so blitzschnell

Fuhr er herab. Er staunte: wie hier die ermüdeten Krieger

Schlummerten; dort, zu dem Bild des Gekreuzigten, einer der Helden

Flehend rang, und ein Greis ihm naht’ in erschütternder Hoheit;

Hörte: wie jenem der Greis der tiefverborgenen Zukunft

Dunkel enthüllt’, und Habsburgs Ruhm mit unzähliger Völker

Glück in seinem Geschlecht verkündete: schauend im Geist dort

Oestreichs Größ’, und in Wonn’ erbebend den hehren Gesichten.

Aber vor allem ergriff des stattlichragenden Herrschers

Näh’ ihn, der, entsprossen aus seinem Stamm’, in des Aargau’s

Thälern die Burge der Ahnen bewohnt’, und von allen gepriesen

Als der Schirmer des Rechts, zum erhabenen Kaiser der Deutschen

Jauchzenden Rufes erwählet ward. „Doch biethet ihm jetzo,“

Also sagte zuvor der Greis auf den luftigen Alphöh’n,

76

„Ottgar furchtbarn Kampf, und er soll in dem Waffengefild nur

Dann erringen den Sieg, wenn ihm“ — welch’ dunkele Reden! — „In

umdrängender Noth vom Munde des Herzens Gelübd’ tönt?“

Dacht’ es, und eilte, die Heeresmacht des gewaltigen Königs

Drüben am Ufer der March, durchdringenden Blick’s, zu erforschen;

Rudolph helfend zur Seite zu steh’n; in dem Seelenverein ihm

Stets zu erregen das Herz zu ruhmverherrlichten Thaten,

Und zu enthüllen die List auflauernder Feind’ in dem Feldzug.

Dort, wo im schimmernden Zelt’, umfangen von nächtlichen Schatten,

Ottgar eben, vereint mit den tapferen Helden, zu Rath saß,

Hielt er, schwebend, und sank, wie der Aar, der hoch aus dem Luftraum

Auf die kreischenden Jungen sich senkt, vor dem Zelte herunter;

Doch wie erwachte sein Zorn, als jetzt Drahomira die Recht’ ihm

Lächelnd both, im Wahn: er nah’ als Verbündeter Freund ihr.

Grimmig sah er sie an; sie lächelte wieder, und sagte:

„Ha, nicht hast du die Knie’ vor des Menschen-Sohne gebeugt einst,

Du, in dem Lande der Frei’n Geborener: hast in des Eichwalds

Schauriger Nacht, noch triefend von Blut, geopfert den Göttern —

77

Zwar erschuf sie der Wahn, doch hatten wir Schuld an dem Irrwahn

Dort? Jetzt nähr’ ich ihn kühn — will nie dem stolzen Gewaltspruch

Huldigen. Komm, und stehe mit mir im Bund des Verderbens.

Stark ist mein unbändig Gemüth: dir will ich auf immer

Thatengenossinn seyn auf der Bahn, die Empörung genannt wird

Von dem Beherrscher des All’s. Wir wandeln sie muthig und kühn fort,

Wie er es will, uns fern von des Lichtreichs Gränze verbannend.

Uns vereine das gleiche Geschick und die gleiche Gesinnung:

Ottgar falle besiegt; Kunegund’ sey Herrscherinn! Mir gleich

Trägt sie im Busen ein Herz, voll Kraft, und unbändiger Kühnheit.“

Aber sie lockt’ ihn umsonst: aus der Bläue der trotzigen Augen,

Die, vom röthlichen Haar umwallt, einst, Gegnern zum Schrecken,

Glüheten, sah er, verachtenden Blicks, auf die Zauberinn nieder;

Wandt’ ihr den Rücken, und fuhr in den Raum des Zeltes herunter:

Denn ihm schwebt’ Erwinens Bild vor den Augen, und Thränen

Trübten sie schnell, da er jetzo, bewegt, der Sanften gedachte.

Doch als sie in dem Kreis’ der Versammelten hier Kunegundens

Herz mit verblendendem Zorn und Haß zu erfüllen bedacht war;

78

Ottgar selbst, von dem Weib’ empört, dem Herrscher der Deutschen

Grause Vernichtung sann; Verrath in den Mauern der Hauptstadt

Gegen ihn dräuend sich hob, und, „Rache,“ die Losung des Heers war:

Ha, da flog der entrüstete Geist in Eile von dannen!

Eben erglühte das Morgenroth, erneut, wie der Hoffnung

Herzerheiternder Strahl, an dem östlichen Himmel. Er fühlte

Ruh’ in der stürmischen Brust, und schwebte hinan zu den Zinnen

Wiens, wo er bald mit ringsumspähendem Blick im Gebein-Haus,

Unter der wölbenden Gruft der Kirche Maria-Stiegen,

Rüdiger Waldram fand, der dort mit den Bürgern zu Rath saß:

Rudolphs Feinden die Veste noch heut zu verrathen, entschlossen.

„Seht,“ so sprach er, „uns frommt’s des ruhmverherrlichten Ottgars

Herrscherthron zu erhöhen in Oestreichs blühender Hauptstadt.

Wir sind Bürger der Stadt, und erfuhren es all’ in der Wahrheit,

Daß uns Rudolphs Macht, des stolzaufstrebenden Fremdlings,

Schon in dem früheren Völkerkampf nicht zu schirmen vermochte.

Seine Heimath ist fern — ein Aargau’r bleibt er noch immer.

Flieht den Leu’n im güldenen Feld: roth glüht er vor Ingrimm;4

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Aber euch sey in dem Purpurfeld der weiße5 willkommen,

Selbst vor dem Doppelaar, den Kaiser Friedrich, der And’re,6

Hier zum Wapen uns gab. Nun hört’, ihr Getreuen! Erschallen

Wird vor dem Stubenthor im mitternächtlichen Grauen

Dreimal ein Glöckchen. Es ruft uns zur That: denn kühne Gesellen,

Von dem König der Böhmen gesandt, durcheilen den Wehr-Gang

Außer der Veste, wo ich in Menge die tödlichen Waffen

Heute gehäuft. Wir öffnen das Thor, und, wißt es: verrathen,

Oder errungen im Blut — uns gleich! wir biethen die Stadt ihm

Morgen zum Unterpfand des jüngstbeschworenen Bundes.

Eilt nun heim, und gedenket des Muths, und des herrlichsten Lohn’s nur!“

Schweigend reichten ihm jene die Hand, und eilten von dannen.

Aber mit Schrecken vernahm den schnöden Verrath an dem Kaiser

Marbod im schwebenden Flug’, und sann, wie er solchen vereitle.

Jetzt entschloß er sich rasch, zu nah’n im warnenden Traumbild

Hugo von Tauffers, dem Greis’ unbändigen Muthes im Schlachtfeld,

Dessen gewaltiger Feldherrnkraft die Veste vertraut war.

Wie sich ein Nebelgewölk hersenkt auf die dämmernden Berghöh’n:

80

Also nahet’ er ihm, und wies in der Tiefe des Grabens,

Außer dem Stubenthor’, ein Heer von Wölfen: sie folgten

Eilig dem Weidmann nach, der wildanlockenden Köder

Trug in der Hand, und Waldram glich, voll triegender Arglist.

D’rauf durchstürmten sie das eröffnete Thor, und erwürgten

Ringsum Kinder und Greis’, und lautaufheulende Mütter

So, daß das Blut durchwogte die Stadt, wie ein brausender Gießbach,

Der im regnigen Herbst mit schäumenden Fluthen daherfleugt.

Stöhnend entwand sich der Held dem Traum’, und sagte, verwundert:

„Wahrlich, mir führte die Nacht noch nie so klar und lebendig

Gaukelgebilde des Schlafs an der Seele vorüber. Mich dünket,

So ich es recht erwäg’ im Gemüth: ein warnender Traum seys!“

Und er erhob sich behend’, um die Veste besorgt in dem Herzen.

Jetzt erscholl ringsher von den hochaufragenden Wällen,

Mächtiger stets Drometengetön’, und unzählige Glocken

Weckten mit ehernem Schall des Volks unendlichen Jubel:

Denn von des Berges Höh’n, wo die Spinnerinn saß an dem Kreuzbild,

Kam Kriegsvolk, und vor ihm der erhabene Kaiser. Die Sonne,

Die sich im rosigen Osten erhob, sog blitzende Strahlen

Aus dem stählernen Kleid der Gewaffneten, herrlich zu schauen!

Rührend zugleich, und herrlicher noch: wie, inmitten des Volkes,

Das entgegen ihm zog, im Geleit zwo lieblicher Töchter,

81

Agnes und Adelheid, und Hartmann, ihres Erzeugten,

Man die Kaiserinn trug in der Sänfte. Die Mutter der Armen

Hieß sie dem Volk’, und hieß die trefflichste Mutter und Gattinn:

Mild sich bewährend an allen zugleich, ein Engel an Sanftmuth;

Doch sie naht’, abzehrend, des Lebens Ziel’, und auf einmal

Welket sie hin wie die Blume, versengt vom giftigen Mehlthau.

Draußen in Matzleinsdorf, wo fromme Verehrer ein Standbild

Weihten dem Sankt Florian, dort hob Jahrhunderte lang schon

Eine Linde sich auf, die mächtigen Zweige verbreitend

Rings, und biethend in Sommers Zeit umschattende Kühlung

So dem Pilger zugleich, wie dem schwerarbeitenden Löhner.

Dort geboth er die Rast, und grüßte die nahende Volksschar

Freundlichen Blicks. Doch jetzt, die treffliche Gattinn gewahrend,

Trat er zu ihr, und führte sie sanft zum beschatteten Sitz hin.

Wie ihm die liebende Brust auch blutete, sie an des Lebens

Kraft so erschöpft, und ach, dem Tode verfallen zu schauen;

Dennoch bezwang er den Schmerz, und sah ihr noch heiter in’s Antlitz!

Aber das liebliche Paar der Töchterchen legt’ ihr das Kissen,

Unter den Füßen zurecht, und wand das Tuch ihr mit Sorgfalt,

Um die erschütterte Brust: der dräuenden Kühle gedenkend.

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Doch sie sprach zu dem trauten Gemahl, verweisend mit Sanftmuth:

„Gar nicht erwägest du, ach, wie des Vaters die Kinder bedürfen —

Meiner, der Mutter, nicht mehr: denn schon gewahr’ ich sie mündig

Alle vor mir, und bewahrt, mit Gott, in jeglichem Guten!

Rastlos sucht dein Geist nur Müh’ und Arbeit: die Tag all’

Schwinden dir hin, und die Nächte, gesammt, in ewigem Streben

Nach dem erkorenen Ziel’, und die Ruh’ erquicket dich nimmer.

Auch bestehst du zu oft und zu kühn die Gefahren, als Herrscher;

Zogst auch jetzo hinauf g’en Lilienfeld in dem Waldthal

Nur mit schwachem Geleit, und leicht wohl hätte die Heimkehr

Dir der Böhme verwehrt, so ein arger Verräther es kund that.

Weh’, und neu entflammt sich der Krieg! Von neuem beginnst du

Wieder den blutigen Lauf, und, ob auch die liebende Gattinn,

Ob die Mutter vergehe vor Angst, und die Kinder, verwaiset,

Schreien nach dir — umsonst: du kennst, Tollkühner, die Furcht nicht!

Ach, erhob dich die Huld der ewigwaltenden Vorsicht

Nicht auf den Thron, daß du beglückest unzählige Völker;

Führest den Frieden zurück’ in die sturmerschütterten Gauen

Deutschlands, unseres Vaterlands, und erhebest die Ostmark,

Deinem Geschlechte zum Ruhm — zum Sitz’ unendlichen Segens?“

83

Jener entgegnet’ ihr sanft: „Nicht also gedacht, und gesprochen

Hast du, Theure, zuvor in den blühendentfalteten Jahren,

Als in den Kampf dein Held auszog. Du reichtest die Waffen

Selber ihm dort, vom Staub sie reinigend, oder vom Blutrost

Oft mit dem Hauche des Mund’s und den zartgestalteten Fingern,

Und umgürtetest ihn mit dem Schwert, nach ad’liger Sitte.

Zwar dir pochte die Brust, und die rosigerglühenden Lippen

Zitterten ob den Gefahren des Kampfs; doch immer bezwangst du,

Schweigend, die Angst, und theiltest die Freude des kehrenden Siegers:

Denn nicht eitelen Ruhm, nicht schnöden Besitz zu erjagen,

Lag ich draußen im Feld; nie schaffte mein Eisen das Eigen

Armer und Waisen mir heim: nur diese zu schirmen — zu rächen

Unterdrückung und Schmach der Unschuldigen, zog ich mit Macht aus,

Wie es die Ritterehre geboth. Auch jetzo, gezwungen

Nur, entreiß’ ich das Schwert der rostenden Scheide. Des Friedens

Bothen, erhaben an Rang und Verdienst, entsandt’ ich in’s Lager

Ottgars erst: wohl mir, so er beiden ein günstiges Ohr leiht!

Doch so er taub verschmäht den ein- und den anderen: dann sey

Gott befohlen mein Haupt. Ich muß ja leben, und sterben,

Wie es der Völker Wohl und des Herrschers heilige Pflicht heischt.

84

Mög’ er Tröster dir seyn, und das Leben noch lange dir fristen

Mir zur Freud’, und den Kindern zum Glück’, auf immer und ewig!“

Jetzo erhob er sich rasch von der steinernen Bank mit der Gattinn;

Winkt’, und reicht’ ihr, zum Scheiden, die Hand. Durch quellende Zähren

Sah’n sie lang’ einander in’s Aug’: die Zitternde sank ihm

Dann, voll Hast, an die Brust, und küßte das pochende Herz ihm.

Angst ergriff das Volk, und ihr’ Erzeugten verhüllten,

Weinend, das Aug’: sie kehrete heim nach der einsamen Hofburg.

Ach, nicht sieht er sie mehr, die holde Geliebte der Jugend,

Nicht die erlesenste Gattinn mehr, nicht die beste der Mütter:

Denn ihr Lebenslicht soll nun, wie die Lampe verlöschen,

Die, des Oehles beraubt, nur matt aufflimmert noch einmal!

D’rauf an der Wien, die träg in den buschigen Ufern sich fortwälzt,

Führt’ er die Heerschar schnell den Mauern der Veste vorüber:

Denn nicht wollt’ er die Burg in den Tagen des Kampfes beschreiten,

Wählend das Zelt zur Wohnung im Kreise der tapferen Krieger.

Außer dem Stubenthor naht’ ihm mit eilenden Schritten

Hugo von Tauffers, er, des treuen, tyrolischen Berglands

85

Heldensohn, der, jüngst erkoren zum Schirmer der Festung

Tausend trefflichen Schützen geboth, die er warb in der Heimath.

„Herr,“ so sprach er ihm leis’ in das Ohr, „nicht wollest du Hugo’s,

Deines Getreu’n, der lange, fürwahr, den Schuhen des Jünglings

Schon entwuchs, jetzt höhnen, als aberwitzigen Träumers!

Wohl ist des Menschen Geschick, zu spielen als Kind an dem Morgen;

D’rauf an dem Mittag ernst zu wandeln als Mann, — wie ein Kind fast

Sich zu geberden als Greis, an dem Abend des wechselnden Lebens;

Doch, getrost: noch sitzet das Haupt mir fest auf den Schultern;

Schaue noch scharf in die Fern’, und mir entgehet der Laut nicht,

Der zu Thaten mich ruft im rühmlichen Felde der Waffen!

So verkünd’ ich dir jetzt, wie heute am dämmernden Morgen

Mir ein Wundertraum das Geheimniß enthüllte, daß Gegner

Drinnen im Schooße der Stadt gehägt, gleich giftigen Nattern,

Sinnen auf Mord und Verrath. Ich sah an dem heimlichen Wehr-Gang,

Der, verborgen im dichten Gesträuch, vom Ufer der Donau,

Vielverschlungenen Zugs, zu dem inneren Graben heraufführt,

Listigeröffnet die Thür’, und gehäuft unzählig die Waffen:

Sie zu vertrau’n der würgenden Faust verruchter Gesellen.

Auch entnahm ich zuvor aus dunkelen Zeilen, daß Waldram,

86

Gestern um Mitternacht Rath hielt im grausen Gebeinhaus

Unter der wölbenden Gruft der Kirche Maria-Stiegen.

Solches erwäg’, o Herr, und begegne dem schnöden Verrath jetzt!“

„Horch,“ so gab ihm der Kaiser zurück, „der Huth in der Festung

Eine sich hier die Schar zweitausend gewaltiger Schweizer

Heute noch, die, so heiß’ es, erschlaffte die dauernde Heersfahrt!

Hartmanns Muthe vertraut sey dann die Vest’ und die Hofburg;

Doch du schwinge dich hurtig auf’s Roß, und reite g’en Theben,

Wo schon Ladislav, mit der Krone des heiligen Königs

Jüngst geschmückt, als Freund und verbündeter Kriegesgenosse,

Unser mit Sehnsucht harrt im Kreise der tapfer’n Magyaren.

Ihm entbiethe denn unsern Gruß: er solle bereit steh’n,

Bis von dem Kahlenberg’, in dem mitternächtlichen Grauen

Hoch die Lohe sich hebt: des Kampfs bedeutender Wink; dann

Eil’ er herüber die March mit den schrecklichen Reitern, und berge

Sie in dem trocknen Geröhr’, an dem Weidenbache vor Marchek.

Auch ich werde nicht fern mehr seyn, und ihm einen die Scharen

Dort zu gemeinsamer That in des blutigen Kampfes Entscheidung.“

Hugo vernahm das Wort — nicht zweimal braucht’ er’s zu hören:

Denn er hob sich, behend’, im kreisenden Schwung in den Sattel,

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Jagte davon — ihm nach der rüstige Knapp’, und in Säulen

Hob sich der Staub empor in die Luft vom schimmernden Heerweg.

Doch nun theilten die Schützen Tyrols mit den tapferen Schweizern

Wiens ruhmwürdige Huth, wie solches der Kaiser gebothen,

Der das Schwert von der Hüfte sich nahm, und dem tapferen Hartmann,

Seinem Erzeugten, es gab mit sanftermahnenden Worten:

„Deinem Muthe vertraut sey jetzo die Burg und die Festung

Wiens, der herrlichen Stadt. Ein rettender Schild der Bedrängten

Mögest du seyn, und den Ruhm von deinem Geschlechte bewahren,

Das von der Habsburg kam, und Oestreich, liebend, zur Heimath

Sich erkor: ihr Glück auf immer zu gründen, entschlossen!“

Sagt’ es, und Hartmann trat mit schweigendem Ernst in die Vest’ ein,

Dort zu gebiethen der Schar wallschirmender, muthiger Völker.

Trauer umwölkte sein stilles Gemüth. Von den Sterblichen einer,

Die, durch Prüfung bewährt, des Herrn verborgener Rathschluß

Wandeln heißt auf der Dornenbahn in die ewige Heimath,

Wuchs er in Schwermuth auf. Den Gegnern gefürchtet im Schlachtfeld,

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Und von Jeglichem ob des Wissens Reichthum bewundert,

War er der Aeltern Stolz, und die Freude der edelsten Menschen;

Doch mißlang ihm oft sein Müh’n und Streben, und ach, erst

Kündet’ ihm Eginhard des stolzgesinneten Fräuleins

Liebeverschmähendes Wort. Er hielt sich die Brust mit der Rechten,

Wo das Herz empörter ihm schlug, und sah zu dem Himmel

Düsteren Blicks, empor; doch bald bezwang er sich wieder:

Mit Ergebung vor Gott, und den Menschen zu wandeln, entschlossen.

Jetzt, so hoch ihn der Ruf des Heldenvaters auch ehrte,

Inner den ragenden Mauern Wiens dem Feinde zu trotzen,

Und zu entreißen den Sieg, nicht weckt’ er ihm Freud’ in dem Herzen:

Denn ihn hieß auf den Kahlenberg zur stillen Karthause

Pilgern ein frommes Gelübd’, und, wie es nun lösen? — nicht wußt’ er’s.

Aber es zog auf der Brücke dort, die, einigend Leupold’s

Außen- und Inselstadt7 mit dem Land’ und der Vest’, in dem Grund fußt,

Eilig der stattliche Kaiser einher vor den muthigen Scharen.

Schmal, und getrennt von dem Riesenarm der herrschenden Donau,

Wogt in der Tiefe der Strom, und umfaßt ein mächtiges Eiland,

Das im Schooße die Außenstadt und umschattende Auen

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Lieblich vereint, zur Lust des wandelnden Städtebewohners.

D’rauf im Eilschritt ritt er hinaus auf den schwankenden Bohlen,

Wo auf dem Riesenstrom sich die Fähren an Fähren, im Halbkreis

Reihten, dem wachsenden Mond’ an dem Sternenhimmel nicht ungleich,

Wenn er auf dunkeles Nebelgewölk im Westen hinabsinkt.

Angelangt an der Spitze, vom Tabor hinaus, wo im Aufeld

Links an der Straß’, und rechts sein Heer das Lager bezogen,

Sah er zum Ehrenempfang die Scharen geordnet, und winkte

Beifall den Amtnern8 zugleich, und den muth­begeisterten Kriegern:

Denn schon hob sich ihr Freuden-Geschrei die Reihen hinunter,

Endlosdauernd im Ruf: „Hoch lebe der Kaiser Rudolphus!“

Allen voran stand dort der Hauf’ östreichischer Krieger,

Ober’n und unteren Lands; die letzteren führte Capellen,

Jene Dietrichstein in das Feld: zehntausend der Männer,

Die mit dem Panzerhemd, mit dem Helm’, und dem Schilde bewehret,

Kämpfend zu Fuß, aufschwangen im Feld die tödlichen Lanzen.

Aber das muthige Volk der Steyrer, der Krainer, und Kärnthner

Stand an jene gereiht, und, wahrt’ auch der Helm nicht das Haupt ihm,

Nicht der eiserne Harnisch die Brust; doch würd’ es, den Degen

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Schwingend, durchbrechen im Sturm, und erringen den blutigen Kampfpreis.

Pfannberg, Meinhard, und Ortenburg die untad’ligen Feldherrn,

Riefen die Völker in’s Feld: dreitausend erlesene Reiter.

Auch der Schweizer gewaltiges Volk, und der heiteren Schwaben

Heldenschar stand dort, gesellet der lagernden Heersmacht;

Dies’ empörte zur Schlacht der Burggraf, Friedrich von Nürnberg,

Rudolphs Schwestersohn, und ein tapferer Degen im Schlachtfeld,

Albrecht jene, der edele Sohn des edelsten Kaisers;

Doch den beiden vereinten sich noch tyrolische Schützen,

Die, gerufen erst jüngst aus den Thälern der Heimath, die Armbrust

Auf der Schulter — die Pfeil’, im Bündel geschnürt, auf dem Rücken

Trugen; umspähenden Blicks, wie dem Wild’ auf der Fährte die Jäger,

Fernhin sah’n, und, kühn, nicht in Stahl und Eisen sich hüllten.

Tauffers war ihr Hort im Gewühle der Schlachten. Er flog jetzt

Unaufhaltsam dahin, des Kaisers erlesener Herold.

Sieh’, und schon gewahrt’ er das Ziel! Die sinkende Sonne

Stand an dem Abendthor’, umhüllt von rosigem Schimmer.

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Heller glüht’ ihr scheidender Blick; ihr goldenes Haupthaar

Flammt’ empor, da in hehrem Glanz sie noch einmal herüber

Winkt’ ihr Lebewohl! dem sanft entschlummerten Erdkreis.

Aber die Kühlung sank auf den Fittigen schmeichelnder Lüftchen

Leise herab, und erquickte die schweraufathmende Schöpfung.

Jetzt vollbrachte den Ritt sein feuriger Renner; es flogen

Dampfend und triefend von Schweiß ihm die Seiten; der Hals und der Rücken

Schäumt’, und ihm wankten die Füß’, da er stand vor dem Zelte des Königs.

Dort den Hügel empor, wo jetzt nur Trümmer des Schlosses

Weitumkreisenden Hof bezeichneten, das in der Vorzeit

Herrschend hinuntersah auf das Land, aus dem in die Donau

Drüben die March sich ergießt, und, von ihren gewaltigen Fluthen

Stolz zurückgedrängt, seegleich bedecket die Fluren:

Dort, auf Pfähle gespannt, erhoben sich tausend und tausend

Schimmernde Zelte des Volks der Kumanier und der Magyaren.9

Jene rühmten sich gleichen Geschlechts und Ursprungs mit diesen;

Doch der edlere Stamm der ahnenstolzen Magyaren

Hielt Jahrhunderte schon, aus Scythiens grasiger Steppe

Kommend (Tanfu, Zuard, Lehel, und der tapfere Almus,

Waren die Führer des Volks) Pannoniens herrliche Fluren

Im Besitz’, errungen im Sieg ruhmdürstender Ahnen.

92

Jüngst erst kam der Kune heran, dem wilden Tartaren

Folgend im Schreckenszug, und, als er, verwilderter heimzog,10

Nach entsetzlichem Mord’ und Gewürg’ unzähliger Christen,

Blieb er im Lande zurück: inmitten der Theyß und der Donau,

Sich erwählend ein Sandgefild zum dauernden Wohnsitz,

Welches der Steppe gleich, unendlicher Fläche sich ausdehnt,

Und Kumanien heißt. Ihn nennt der Unger den Kun nur.

Eisern hielt er noch fest an der Sitte der Heimath; auch Götzen

Dienet’ er, so vermengend das Wort der ewigen Wahrheit

Mit entehrendem Wahn: denn kaum erkannte des Heilands

Rettenden Weg sein Geist, und roh bewahrt’ er das Herz noch.

Aber entsetzlich wüthet der grimmige Kun’ in der Feldschlacht.

Ordnungslos, bald links, bald rechts sich wendend, im Eilflug,

Braus’t er heran wie der Sturm. Er schnellt von dem tönenden Bogen

Durch die heulende Luft den befiederten Pfeil, und verfehlt nie,

So er den Gegner in’s Auge gefaßt, in die Brust ihn zu treffen.

Aber von diesem bedrängt, entflieht, und kehret er wieder,

Listengeübt; läßt oft dem fliehenden Rosse den Zügel;

Wendet sich hurtig im Sattel herum, und schleudert des Tschakans

Eisengewichtige Last dem Nahenden mächtig entgegen.

Sieh’, und hatt’ er ihn etwa verfehlt, da setzt er sich wieder

Rasch, im Schwunge, zurecht in dem Sattel; ergreifet die Zügel;

Lenkt im kreisenden Lauf mit eisernem Drucke der Schenkel

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Eilig den Renner heran, und so der entflogenen Waffe

Nahend, schwebt er mit einem Fuß noch im Riemen des Bügels;

Beugt sich nieder im Flug’, und hebt sie empor von dem Boden,

Ehe der Feind sich gestellt, und des Fliehenden Jauchzen vernommen.

Dort schwang Hugo sich jetzt mit forschendem Blick’ aus dem Sattel,

Und vertraute das Roß dem redlichen Knappen zur Pfleg’ an.

Fernher scholl an sein Ohr des Lagers Getöse: dem Meersturm

Gleich, der himmelan braus’t, erfüllt’ ein dumpfes Gemurmel

Drüben die Nacht. Stets glühender schien der wolkige Himmel

Ueber dem Lager, erhellt von unzählbarlodernden Feuern.

Dorther kam auftobender Männer Geschrei, und der Weiber

Lautes Kreischen, vermengt dem Gebrüll’ und dem Wiehern des Lastthiers:

Denn von den Zelten hinaus umgrasete rings in dem Blachfeld

Breitgehörnetes Rind und der Ross’ unendliche Mehrzahl,

Die nur klein von Gestalt, und unscheinbar dünken dem Fremdling,

Aber, von feurigem Muth’ erfüllt, und dauernder Kraft voll,

Tragen den Reiter so schnell wie der Blitz an den Feind, und erretten

Oft ihn im Schlachtengemeng, schnellfüßig zum Sprung und zum Laufen.

Also lagerten hier die Kumanier. Doch in des Heeres

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Rücken ruhte das Reitervolk der edelen Ungern,

Kummererfüllt: denn Ladislav, der König, erkor sich

Jene zu Lieblingen, so der Ahnenehre vergessend.

Als nun Hugo dem Zelt des Königes nahte, vermeint’ er,

Zithergetöne zu hören; ihm schien: kumanische Mädchen

Sangen dazu, nach Heidenbrauch, unziemliche Weisen.

Ach, und so war’s! Doch bald verstummte der Sang und die Zither,

Als der Fremdling, in Eisen gehüllt, ihm näher getreten.

All’ erhoben sich schnell von dem Boden — die bärtigen Männer

Und die rosigen Mädchen, und jetzt der fürstliche Jüngling,

Anmuthstrahlenden Blicks, an dem Haupte von bräunlichen Haaren

Lieblich umlockt, voll Jugendkraft und blühender Schönheit.

Aber er stand verwirrt, und wußte nicht, wie er beginne,

Bis er sich wieder ermannt’, und d’rauf mit kräftigem Laut rief:

„Sprich: weß’ Landes du bist, o Fremdling? Triegt uns die Ahnung

Nicht, so kommst du gesandt von dem Kaiser der Deutschen, Rudolphus,

Der uns vielleicht des Saumsals zeiht, und unrühmlicher Trägheit,

Weil wir ruhen dahier, bei Saitenspiel und Gesängen

Uns ergetzend, und sein’, des feindbedrängten nicht achten?

Doch wir harreten nur des Winks, den er uns verheißen,

Und gedenken, ihm treu und redlich zu Hülfe zu stehen!“

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Hugo beugte das Haupt, und sagte mit edelem Anstand:

„Herr, du ahnetest recht! Hier steht des Kaisers Gesandter,

Hugo von Tauffers genannt, vor dir, und, wahrlich, ein Krieger,

Seit er der Schul’ entlief: ein Taug’nichts ist er am Schreibtisch!

Aber nicht rostete noch in der Scheide sein trefflicher Degen;

Gerne stellt er sich ein, wo es gilt ihm Ruhm zu gewinnen,

Und hoch ehrt ihn die Sendung auch jetzt: denn Wichtiges soll er

Dir kund thun; doch, Herr, verzeih’ — in dieser Gesellschaft?“

Sagt’ es, und lächelte fast; der König entgegnete leiser:

„Ritter, mir scheint dein lächelndstrafendes Auge zu sagen,

Was dem Könige ziemt, was nicht! Erfahrenes Alter

Richtet streng; doch sieh’, noch blüht mir der fröhlichen Jugend

Rosenhain, und ich wandle in ihm mit heiterem Sinn fort;

Weile so gerne dahier im Kreis’ des unschuldigen Volkes,

Das, von der Urzeit her die ererbeten Sitten bewahrend,

Frei, die Fessel nicht kennt, die uns engt im verfeinerten Leben!

Aber tritt in mein Zelt, und vergnüge dein Herz an dem Spätmahl,

Das ich dir biethe nach Lagers Brauch; dann will ich dich hören.“

Eilig traten sie ein. Die finsteren Scharengebiether

Folgten dem Könige nach, und setzten sich rings um den Tisch her,

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Sonder Ordnung, noch Wahl. In zottige Pelze gehüllet,

Sah’n sie stolz aus den tiefvergrabenen Augen dem Fremdling

Jetzt in das heitre Gesicht, und strichen den Bart an der Lippe.

Bald erschienen im Zelt’ auch die rosigblühenden Mädchen,

Tragend in Körben Pferdfleisch auf, das unter dem Sattel

Barg der Reiter, und dann hinflog, bis solches im Ritte

Heiß geworden, und mürb’, des Volks ersehntes Gericht war;

Auch gebratenes Fleisch vließtragender Lämmer, mit Knoblauch

Vielgewürzt; dann Brot aus dem feinsten Mehle gebacken,

Hochgewölbet und weiß, nach Art magyarischer Backkunst,

Und die mächtigen Krüge, gefüllt mit den edelsten Weinen.

Alle schmaus’ten nach Lust; doch Hugo verschmähte des Kunen

Lieblingsgericht — nicht des Weins, des trefflichen, schonend: unendlich

Gab er bei Humpen Bescheid, und blieb stets seiner noch Meister.

Siehe, von neuem erscholl der Zither Getön’, und der Herrscher

Mahnte die Männer und Mädchen zum Tanz’, dem Gaste zu Ehren!

Jene stellten sich ernsten Blicks, dem König gehorchend,

Draußen in Doppelreih’n, und hoben den werbenden Tanz an,

Der in das Feld den Jüngling ruft, und Gefühle der Wehmuth,

Ihm in der Brust aufregt, an die Zeiten der Väter ihn mahnend,

Mit wehklagenden, tief das Herz bestürmenden Weisen.

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Aber sie schlugen die Hand an die Hand, und die Sporn’ an die Spornen;

Stampften zugleich, rasch hin und daher sich wendend, den Boden;

Stöhnend vor Lust, und ihr Aug’ erfüllten oft schimmernde Thränen,

Plötzlich geweckt von dem Sturm der empörten Herzensempfindung.

Doch als d’rauf zu dem Wechseltanz der erfahrene Künstler

Rasch in die Saiten griff, mit dem Fuße der schnelleren Weisen

Zeitmaß schlug: da faßte die Tänzerinn jeglicher Tänzer

Um den blühenden Leib, und schwang sie umher an der Stelle,

Bald mit dem linken, und bald mit dem rechten Arme sie drehend

Fort im verengenden Kreis’. Dann riß er sich wieder von ihr los;

Hüpfte schnell vor ihr hin, und schlug die klingenden Spornen,

Jauchzend, zusammen, und schlug die Wade mit wechselnden Händen.

Aber sie folgt’ ihm entfernt. Die Recht’ an die Seite sich stemmend,

Hielt sie die Schürze am Saum’ sich stolz vom Leib’ mit der Linken,

Wandte sich links und rechts, mit niedlichen Sprüngen, und mied ihn

Scheinbar, bis sie, ersehnt, urschnell in die Arme des Tänzers

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Flog, und von neuem das Paar in schwindelnden Kreisen sich drehte.

Doch nun winkte der König zum Schluß: die Saiten verstummten;

Hoch erhob der Tänzer die Tänzerinn noch, und entließ sie;

Kam dann, triefend von Schweiß, und setzte sich wieder zum Tisch hin.

Jene entfloh’n, und der König sprach, mildlächelnd, zu Hugo:

„Ritter, du hast magyarische Tänze geseh’n, und ergetzet

Dich bei’m fröhlichen Mahl’, obgleich du ein nüchterner Gast bist!

Nun ersehnte mein Geist zu vernehmen, wie Kaiser Rudolphus,

Unser Bundesgenoß’ und Freund, zum Throne gelangt ist —

Er, einst Habsburgs Graf? Doch künde zuvor uns die Abkunft

Und die muthigen Thaten des huldbeseligten Herrschers,

Die mit unsterblichem Ruhm’ ihm zieren die Stirne. Der Morgen

Graut: bald steht ihm Ungerns Macht zu Geboth’ in der Feldschlacht.“

„Zwar verweigerst du noch,“ so entgegnete jener, „des Kaisers

Herold’ ein willig Gehör, und lullst ihn bei Tänzen und Mahlen,

Zaubernd, ein, daß er ganz vergesse der wichtigen Sendung.

Aber, weil dich verlangt, von meines erlauchten Gebiethers

Abkunft, Muth und Heldenkraft, die Carol des Großen

Glänzenden Thron ihm errang, zu hören, so will ich mich fügen

In Geduld, und harren: es gilt ja die Ehre des Kaisers!“

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„Wisse demnach! Stolz hebt sich vom Fels die mächtige Habsburg

Aus umdämmerndem Wald, an der Aar in die bläuliche Luft auf.

Dort, so kündet die Sag’, erschien in grauender Vorzeit

Rudolphs edles Geschlecht, aus fränkischem Stamm, und erbaute

Jene, wie auch Aarburg, und Brugg, die gewaltigen Vesten.

Aber vor allen hieß die „Herrliche“ jene von Habsburg:

Denn mildherzige That an den Dürftigen, eisernes Schirmrecht

Gegen die freche Gewalt des Unterdrückers der Schwachen,

Uebten aus ihr, gebührend, die weitgerühmten Gebiether.

Dort erwuchs, entflammt von dem Ruhm gefeierter Ahnen,

Rudolph, Albrechts Sohn, des Weisen, und Hedwig, der Frommen,

Lernend durch Gottesfurcht und Weisheit frühe des Lebens

Höchstes Glück in der eigenen Brust zu gründen für immer.

Doch wo wäre Beginn und Ende? so Alles und Jedes

Ich dir kündete: wie an den Hof ihn Friedrich, der Kaiser,

Der zu der heiligen Tauf’, als Path’ ihn führte, gerufen,

Daß er ihn lehrte mit Rittersmuth nach rühmlichen Thaten

Streben; wie er im sicilischen Krieg’, und in jenem von Oestreich,

Gegen den Streitbar’n focht, und miterstürmte die Stadt Wien,

Die, vor allen beglückt, ihn einst als Herrscher begrüßet;

D’rauf in der Ahnen-Burg11 zugleich mit dem Vater das Kreuz nahm;

Nach dem Gelobten-Land, die Feinde des Kreuzes bekämpfend,

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Wallete; dort den Vater begrub, und, als er zur Habsburg

Heimzog, freudig zu eh’lichem Bund sich Annen erkies’te,

Hochbergs Kind, voll Huld, und die tugendreichste der Frauen —

Auch, allmänniglich werth, ein trefflicher Ritter und Herr war.

Wohl gebräch’ es mir auch an der Zeit und an Odem, geziemend

Nun zu schildern die sieg- und ruhmverherrlichten Krieg’ all’,

Die er geführt in den zweimal eilf unseligen Jahren,

Wo das verwaisete Reich nach Friedrichs Tode, des Kaisers,

Voll von Mord und Plünderung war, da in grauser Verwild’rung

Aus der thürmenden Burg ein jeglicher Ritter, nach Willkühr

Schaltend, Sitten, Gesetz’, und allem Heiligen Hohn sprach;

Wie er beschirmte das Recht und die Unschuld stets, und das Banner

Habsburgs ward dem Schwachen zum Trost’, und den Räubern zum Schrecken.

Aber vernimm dieß einzige nur, wie kühn, wie entschlossen,

Und wie edel er ist! Ihm stand der Abt zu Sanct-Gallen,

Der, ein Falkensteiner, das Schwert und den hirtlichen Krummstab

Kundig zu führen gelernt, gar feindlich entgegen; sie quälten

Tapfer sich ab. Da brach sein Zorn auf die Baseler Bürger

Los, die ihm, wildempört, erschlugen die Freund’ und Verwandten:

Denn mit wenigen Reisigen hielt er still vor den Thoren

Wyls, des Städtchens, und heischte noch Einlaß dort zu dem Stiftsabt,

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Der bei dem nächtlichen Imbiß saß, und, erstaunet, ihn ansah.

Aber er both ihm die Hand, und sprach: „Daß ich also zu dir kam,

Diene zum Zeichen dir: ich achte dich, redlichgesinnet,

Wie ich es bin, und vertraue dir kühn so Leben und Freiheit.

Höre, viel besser wär’s, daß wir uns in Rechten vertrügen,

Heute noch; dann die Waffen vereint, nach den Baselern kehrten,

Die mir erschlugen die Freund’, und erwürgten die theuern Verwandten!“

Also geschah’s: sie schmaus’ten versöhnt. Am kommenden Abend

Zogen sie rasch auf die Baseler los, und fürchterlich brannt’ es

Bald von der Stadt auf; bald versöhnete Blut die Erschlag’nen,

Und die Gegner umfing der Friede mit traulichen Armen.

D’rauf durchschwamm er die Furt, die noch „habsburger“ im Land dort

Heißet, des mächtigen Rheins mit reisigem Volk’, und erstürmte

Breisach kühn, mit dem Stahl in der Faust, ein trefflicher Stürmer!“ 

Laut aufjubelten jetzt die Kumanier, preisend des Ritters

Heldenmuth, und, ergreifend, voll Hast, den irdenen Weinkrug,

Der vor jeglichem stand, mit edelem Moste gefüllet,

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Leerten sie ihn bis zum Boden hinab auf seine Gesundheit

Aus, auf einen Zug: daß ihr Haupt mit dem steigenden Weinkrug

Weit zurücke sich bog, und stellten ihn dann auf den Tisch dort

Nieder mit ohrerschütterndem Schlag. Doch wieder begann er:

„Also erscholl sein Ruhm zu den fernentlegensten Ländern

So, daß der Böhmen-König sogar, der jetzt in dem Feld uns

Biethet die Fehd’ auf Leben und Tod, mit schimmernder Goldschrift

Ihn an den Hof zu sich lud, und zum Marschalk, ehrend, ernannte.

Ha, nicht reut’ ihn die Wahl! Er focht ihm zur Seite mit Siegsruhm,

Gegen die Heiden im Preußenland’, und errang ihm den Lorber

Auch im Vernichtungskampf g’en Bela’s schreckliche Heersmacht.

D’rum kein Wunder, daß er, nach dem Wink der erbarmenden Vorsicht,

Die des gemeinsamen Vaterlands unendlichem Jammer

Setzen wollt’ ein Ziel, von den sieben glänzenden Sternen

Unser’s heiligen Reichs zur herrschenden Sonne gewählt ward:

Daß er im goldenen Schmuck der Kaiserkrone des Segens

Strahlen über die Gau’n des deutschen Landes versende.

Sieh’ er lag vor Basel mit Macht; da brachte die Bothschaft

Ihm der Pappenheimer! Er stand, und wankt’, und besann sich;

Aber, auf Gott vertrauend, geboth ihm das Herz in dem Busen

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Freudigen Muth. Er ging, und bald vereinte der Krönung

Allerfreuendes Fest die Völker der Deutschen zu Aachen.

Dort heischt’ er, im Dome gekrönt, den Eid von den Fürsten:

Daß sie verschafften nach Recht dem heiligen, römischen Reich’ jetzt,

Was ihm die Faust entriß.12 Sie ersannen, zaudernd, die Ausflucht:

„Noch vermiss’ er zum Königseid’ den Zepter der Ahnen.“

Doch er wandte sich schnell; hob selbst das Kreuz von dem Altar;

Hielt es empor, und rief: „Wer kennt ein schöneres Zeichen,

Kraft zu verleihen dem Eid’, denn dieses, woran der Erlöser

Sterbend hing, und uns errettete, heilig und wahrhaft?“

Und sie schwuren darauf: erbebend dem herrschenden Manne,

Der so kräftig gesprochen — so fest- und so muthiggesinnt war.

Dir, und manniglich ist es bekannt, wie der Kaiser, Rudolphus,

Redlich gehalten sein Wort, und treu gelöset den Schwur hat:

Bannend den Uebermuth, und des Faustrechts wildes Gewaltreich

Muthig aus Deutschlands Gau’n — an Leib und an Seel’, er, ein Deutscher,

Der bald unserer geist- und herzerhebenden Sprach’ auch

Sinnig zu Ehren half: in den Kanzeleien den Vorzug

Ihr vor dem todten Latein, dem schwer­verständlichen, gönnend.13

Also geschah es, daß, dankerfüllt, ein jegliches Herz ihm

Huldigte: denn ihm zürnet allein der König der Böhmen,

Weil er, thörichten Sinns, die Kaiserkrone verschmähend,

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Sie auf dem Haupte des Mannes sah, der einst ihm als Marschalk

Dienete. Doch umsonst bestürmt er die Erd’ und den Himmel,

Sie zu entreißen dem Haupt, dem Gott sie gegeben, zum Segen

Gegenwärtiger Zeit und endlos dauernder Zukunft.

Ha, schon winket das Morgenroth! So höre mit Huld nun,

Was mein Kaiser und Herr zum freundlichen Gruß dir entbiethet:

Wenn von dem Kahlenberg in dem mitternächtlichen Grauen

Hoch die Loh’ auffleugt: dann eil’ aus dem schirmenden Lager

Schnell hinüber die March mit den schrecklichen Reitern, und berge

Sie in dem trocknen Geröhr’ an dem Weidenbache bei Marcheck:

Denn auch er wird also dir nah’n, und die Hände dir reichen

Dort zu gemeinsamer That in des blutigen Kampfes Entscheidung.“

Und er erhob sich nun, schnell heimzukehren, entschlossen.

Glühenden Blickes sah aus dem schimmernden Thore des Morgens

Nach dem Zelteingang die Sonne herüber, und hauchte

Hüpfende Funken in’s bleiche Gesicht der schläfrigen Krieger,

Die um den König herum sich lagerten. Aber er hob jetzt,

Stillhinbrütend, vom Stuhle sich auf. Zur glänzenden Heerschau

Dacht’ er zu wecken sein Volk, dem scheidenden Fremdling zum Staunen.

„Gern,“ so entgegnet’ er, „will ich mich ganz dem Winke des Kaisers

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Fügen, und eilen in’s Feld, sein redlicher Bundesgenosse;

Aber nicht wollest du scheiden zuvor, eh’ dir nicht zur Heerschau

Draußen mein Volk sich wies: nicht soll sich’s lange verziehen.“

Sagt’ es; riß sich das Schwert von der Hüft’, und schlug in die Tafel

Dann mit der Klinge so stark, daß die ird’nen Gefäße zum Boden

Taumelten: ein’s das and’re im Flug zu Scherben zerschmetternd.

Wunder zu schau’n! Da fuhr in brausender Eile der Feldherrn

Leise zum Schlaf hinnickende Schar von den Sitzen, und leer war’s

Bald in dem weiten Gezelt. Dem Könige folgte der Ritter

Staunend nach. Doch jetzt erschollen von grausem Gebrülle

Tausend Hörner, die einst die mächtige Stirne des Pflugstiers

Ziereten, breitgestellt, daß kaum der größte der Männer

Sie mit den Armen ermaß von einer Spitze zur andern.

Schon erhob sich Geschrei und Getös’, und das Wiehern der Rosse

Rings in dem Lager, und füllte mit Angst und Entsetzen die Umwelt.

Hoch auf fuhr der finstere Staub, und dicht, wie der Krähen

Wimmelnde Schar durchstürmt den nebligen Himmel, so flogen,

Schnell gewahrend den Wink des Königs, unzählige Haufen,

Sich in den Sattel schwingend, voll Hast, nach dem Ufer der March hin.

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Dort, auf dem sandigen Feld’, in fernhinschwindenden langen,

Drei Mann tief, geordneten-Reih’n aufritten die Kunen:

Lenkend hurtige Rosse vor und zurück mit des Schenkels

Mächtigem Druck, den, weitumflatternd, das leinene Beinkleid

Hüllete bis zu der Ferse hinab, und den ledernen Bundschuh’n.

Sonst ihr Kleid: ein Pelz von dem zottigen Vließe des Widders,

Ueber dem kürzeren Hemd’, das halb des Niedergebeugten

Rücken entblößt — doch weit die Arme umwallt, und, der Scheitel

Zur Bedeckung, die Mütze von Filz, mit der wallenden Feder.

Zehnmal tausend’ erhoben zur Luft den blitzenden Säbel,

Der der Sichel des Neumonds glich in der Krümm’, und es führten,

Eben so viele den Bogen und Pfeil mit dem hämmernden Tschakan.

Diese lenkte Suhol, der Eber genannt von den Seinen,

Ob des unbändigen Muths, und der Blitzstrahl, Kaduscha, jene:

Denn er flog so schnell wie der Blitz im Sturme der Schlacht hin.

Aber der Ungern edeles Volk beherrschte Matthias

Von Trentschin, der schlachterfahrene, tapfere Feldherr,

Dessen gewaltige Burg an den schimmernden Fluthen des Waagstroms,

Dräuend, in’s Waag-Thal schaut, und Schrecken gebiethet den Feinden.

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Auch er führte heran zehntausend muthige Reiter,

Welchen der Kalpag zierte das Haupt mit des Reihers Gefieder;

Aber der Pelz, am Rücken hinab an goldenen Schnüren

Hängend, von hellblau’m Tuch, verbrämt mit schwärzlichem Lammsfell,

Und gelbschimmernden Knöpfen besetzt; dann, ähnlich, der Dolman,

Schimmernd von Gold an der Brust, vom seidenen Gürtel umfangen,

Ziert’ ihm den Leib, und der Bein’ anschmiegende, gleiche Bekleidung

Zierte die Füße zugleich mit den spornenbewaffneten Tschismen.

Jeglicher hielt in der Faust, an die Schulter gelehnet, des Säbels

Krummgehämmerten Stahl, der, sausend, die Feinde zerschmettert.

Als nun Hugo die Völker geseh’n, da sprach zu Matthias

Von Trentschin der König, ihm selbst und den Seinen zur Trauer:

„Tapferer, weile dahier mit deinen Geschwadern, des Lagers

Mächtiger Hort: denn bald, erbaut auf schwankende Fähren,

Einet die Brücke des Flusses Gestad’, und all das Geräth hier

Schaffest du dann noch heute hinüber, dem Heere zum Vortheil!

Aber, o freundlicher Greis, du, Hugo von Tauffers, der Ritter

Edelster, folg’ mir nach, und künde dem mächtigen Herrscher,

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Heimgekehrt in die Kaiserburg, was du an der March hier,

Staunend, gewahren wirst; künd’ ihm: wir stehen den Feinden

Jenseits nahe genug; zum würgenden Kampfe gerüstet!“

Sagt’ es, und sprengte voraus: ihm nach die Kumanier alle,

Mitten hinein in den Fluß, hinüber zu schwimmen, entschlossen.

Hochaufspritzte die Fluth dem gewaltigen Drange; die Wässer

Brauseten laut von unzähligen Hufen der Rosse geschlagen;

Brandend flogen die Wellen zum Land’, und schäumten, und zischten

Endlos. Wie in dem eisigen Belt keckmuthige Fischer,

Eilend zum Wallfischfang’ in schaukelnden Booten, auf einmal

Nahe des Unthiers Riesengestalt, das Heere der Fischchen

Vor sich jagt, erseh’n: da werfen sie schnell die Harpun’ aus,

Die zweizackig gespitzt, einstürmt in die Weiche des Bauches,

Oder in’s breite Genick des riesigen Fisches, und Blut färbt

Alsbald ringsum das Meer: denn eilig hinunter zum Abgrund

Fährt er, und eilig herauf, und peitscht mit dem Schweife die Meerfluth,

Daß sie himmelan fleugt, und röchelt mit dumpfem Gebrülle

Durch den schrecklichen Sturm der empörten Gewässer: so wogte,

Schäumt’, und braus’te die March, als jetzo die Kunen hinüber

Mit gewaltigem Lärm und Geschrei, die wiehernden Rosse

Spornten, und all’ das Heer errang, durchschwimmend, das Ufer.

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Hugo saß in dem Sattel, und schwieg; doch jetzo besann er

Sich nicht lang’, und schwamm (ihm folgte der redliche Knappe)

Eisenbewehrt, wie er war, auf dem mächtigen Gaule hinüber;

Schwang das Schwert in die Luft, und flog entgegen der Hauptstadt.

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Vierter Gesang.

Leis’ entschwebte die Nacht; aus dem hehren Gewölbe des Himmels

Schwanden die Sternenheere dahin, und auf gaukelnden Lüftchen

Schien ein freundlicher Tag sich herab auf die Fluren zu senken:

Doch, es erhob vor dem Morgenroth am östlichen Erdrand

Sich ein Nebelgewölk, das, eiligen Flugs, sich verbreitend,

Mehr und mehr den hochaufwölbenden Himmel befleckte.

Sieh’, als jetzo dem Saum der lichtergewordenen Höhen

Näher die Sonne kam: da erglühten im bläulichen Luftraum

Rings die zerrissenen Wolken umher, blutröthlichen Schimmers.

Jetzt erhob sie das Haupt; nur sparsam scholl aus den Lüften

Und aus dem Wald, der Morgengruß der befiederten Sänger

Ihr entgegen: sie sah mit trauerndem Blicke herüber.

Schwül umwogte die Luft; erboßter quälten die Fliegen

Menschen und Thiere zugleich; dumpf klang der wechselnde Windstoß

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Ueber die Heid’: er kräuselte weit den Rücken des Stroms hin,

Und erhob in Wirbeln den Staub. Kein kühlender Nachtthau

Hatte die Fluren erquickt, und die Schöpfung trauerte ringsum:

Zeichen all’ annähernden Sturms und gewaltigen Regens.

Aber im Zelteingang, verlassend das nächtliche Lager,

Saß der Kaiser, und sah mit düsterem Blick’ in des Morgens

Dräuende Gluth. Er dacht’ im Geiste das dunkele Schicksal

Tausender, bis zu dem Abendlicht’ entschieden zum Leben,

Oder zum Tode, mit Angst! Bald sollten die Lose, so grau’nvoll,

Fallen des blutigen Kriegs — des holdumlächelnden Friedens,

Wie es dem mächtigen Feinde gefiel, dem er ihn gebothen.

Ach, der Jammer des Volks durchdrang ihm die Seele! Zum Himmel

Hob er den Blick, und lispelte so mit gefalteten Händen:

„Laß den Frieden, o Herr, ihm mild erscheinen im Frühroth,

Und erwärmen sein Herz mit den huldausspendenden Strahlen,

Daß er erkenne die eigene Schuld, entsage der Rachgier,

Und, als Herrscher versöhnt, heimkehre den Seinen zum Segen!“

Aber mit Staunen vernahm’s der, einst kampfdürstende Marbod,

Als er umschwebte das Haupt des Bethenden, wie er dem Gegner

Frieden gelobte, versöhnlich und mild, und konnt’ es nicht fassen —

Er, der stets nur Schlachten ersehnt’, und glühenden Muths voll,

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Selber aufreizte den Feind auf den Pfaden des irdischen Lebens.

Zweifelnd stand er lange vor ihm. Er wähnte, bekümmert:

Ihm gebrech’ es an Kraft und an raschvordringender Kühnheit

(Nicht begreifend sein Herz, ein Irrender, Lichtesberaubter)

Wiegte das Haupt, und fuhr, verstört, zu dem Morgengewölk auf.

Siehe, der Kaiser trat alsbald erheiterten Blickes

Aus dem Gezelt, und hörte mit Lust, unferne dem Lager,

Walten geschäftig das Volk der Zimmerer, Schmied’, und der Schreiner.

All’ die Nacht forthämmerten sie bei dem Scheine der Kesseln,

Die mit schwärzlichem Pech und duftendem Harze genähret,

Weit erhellten die Au an des Heerwegs schlängelndem Zug hin.

Draußen bei Floridsdorf am Donaustrande, wo dreifach,

Strahlen gleich, fortzieh’n die länderverbindenden Straßen:

Diese nach Ungerland — nach Böhmen und Mähren die andern,

Eileten sie, zu erbau’n die Gerüst’ und die Schranken der Turnbahn.

Hundert Schritte, die Straß’ entlang, und der Breite nach fünfzig,

Ebneten sie den Grund schnurgleich, und bestreuten ihn zolltief

Dann mit dem schimmernden Sand, der drüben am Ufer gehäuft lag;

Fügten auf Säulen die Balken umher, und trennten mit Absicht

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So von dem Wiesengrund das langgedehnete Viereck.

Aber es wich an dem unteren Rand des umschrankten Gebiethes

Quer ein Balken zurück, so er Einlaß both den Erwählten,

Und an dem oberen stand, gar herrlich gestaltet, die Prachtlug1

Oben verziert mit dem Doppelaar, mit der Kron’ und dem Zepter,

Und von Innen geschmückt mit Sammtvorhängen von Purpur,

Die an dem Saum’ umher von goldnen Blumen erglänzten.

Dort dem Herrscher und seinem Gefolg’, erles’nen Geschlechtes,

Standen die Sitz’ erhöht, und emporgereihet im Halbkreis’;

Doch ein breites Gerüst, entlang die Schranken der Turnbahn,

Bauten sie auch; versahn’s mit emporgereiheten Sitzen

Für schaulustiges Volk aus den nahen und fernen Gefilden,

Und erhöhten die luftigen Zelt’, entgegen der Prachtlug:

Tapferen Rittern zur Rast, die her zu turneien gekommen.

Als der Krieger dem Zelt’ enteilete, stand er, vor Staunen,

Plötzlich verstummt; er rieb sich die Augen im dämmernden Frühroth;

Sann: ob Träume der Nacht ihn äfften, oder von fern her

Irgend ein Zauberer kam, und die Luftgebilde zur Schau gab?

Doch bald lacht’ er des eitelen Wahns: hochrühmend die Meister

Des, mit Geschick und regsamer Kraft geförderten Werkes;

Eilte hinaus, sein Roß an dem Standpfahl, wo es die Nacht durch

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Ruhete, jetzt mit sorglicher Treue zu warten, und klopft’ erst

Selbes am mähnigen Hals’ mit der Hand, im freundlichen Zuruf;

Aber es scharrt’ in dem Grund’, und wieherte, gierig des Futters.

Rings erwachte Getös’ und unendlicher Lärm in dem Lager.

Jetzo erscholl Getrab anstürmender Rosse, den Ohren

Hörbarer stets; dann sah das Aug’, umspähend, von fern her

Blitzen die Harnisch und Helm’, und endlich erkannte der Kaiser

Meinhard, und Lichtenstein, die er, Frieden zu biethen, gesendet.

Angelangt im Gewölk’ umwirbelnden Staubs vor dem Herrscher

Rissen die beiden das Roß am Zügel zurücke. Sie sprangen

Aus dem Sattel behend’, und nahten ihm, grüßend mit Ehrfurcht.

Aber er rief erstaunt: „Wie, Meinhard kehrt uns, empört heim?

Lichtenstein, was bringt ihr zurück aus dem böhmischen Lager?

Sanft ist des Friedens Hand: sie streut in des Lebens Gefilden

Blumen umher — die in Eisen gehüllete Rechte des Krieges

Trieft vom Blut der Erschlagenen; doch, wenn eben dem Unhold

Heiliges Recht das Schwert vertraut, da bringt er vom Schlachtfeld

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Muth, selbstständige Kraft, und Sicherheit unter die Völker:

D’rum auch der Krieg erwünscht, wenn nur das Recht ihn gebiethet.

Jetzt, fürwahr ersehnte mein Herz den Frieden, und wohl mir,

Wenn der König, versöhnt, zum gebothenen selber die Hand reicht!“

Meinhard sagte darauf: „Nicht hat uns der König von Böhmen

Ritterlich’ Ehre gewährt — gastfreundlich das Herz uns erheitert:

Grimm bewölkte sein Aug’, da er sprach, und finster uns ansah.

Wie der furchtbare Leu’ mit glühenden Blicken des Gegners

Harrt auf dem Plan, daß er ihm zermalme die Knochen: so dünkt mich

Sah der König uns an, und schwerlich sinnt er auf Frieden.

Aber vielleicht, daß Lichtenstein, der glückliche Freier,

Frohere Kunde gebracht: deß’ will ich mich gerne bescheiden.“

„Zwar,“ so begann jetzt Lichtenstein, „versprach uns des Königs

Zornumwölketer Blick des Guten nicht viel, und ich bürgte

Für den Frieden nicht mehr mit dem Kopf: er möchte nicht fest steh’n;

Aber noch stehet das Spiel, und es fällt der entscheidende Würfel

Heute noch nicht. Ich sehe dahier mit unsäglicher Hochlust

Schon die Schranken gefügt zum Turnei, und bald, in dem Prunksaal,

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Den von der Decke herab unzählige Kerzen erleuchten,

Minniglich schöne Frau’n und Fräulein, an gastlichen Tafeln

Würdiggepaart umher mit den sieggekröneten Rittern.

Welche Beseligung, mich in dem lärmenden Kreise zu treffen:

Denn auch trägere Zungen bewegt die fröhliche Mahlzeit!

Höre mich Jung und Alt; nicht spricht ein faselnder Seher!

Daß des Königs verdüsterter Geist noch heute sich aufhellt,

Künd’ ich zuvor: denn wißt es, er kommt, und nah’ ist die Zeit schon,

Zum dankbiethenden Turnkampf her, mit erlesenen Rittern.

„Dort,“ so sprach er vor uns, „soll’s bald allmänniglich kund seyn,

Was er vom Krieg und Frieden gedacht, und der Kinder Verlobung.“

„Gott befohlen das Ein’ und das Andere!“ sagte, gen Himmel

Schauend, der Kaiser, und wandte sich; dann begann er von neuem

Wieder, mit sorglichem Blick: „Wo weilt mein tapferer Hugo?

Das sey ferne, daß ihm was Leides geschehen: mir bräche

Wahrlich vor Kummer das Herz um den treugesinneten Helden.“

Kaum entfloh ihm das Wort, da tönte von ferne der Hufschlag

Brausender Rosse die Straße heran, die entgegen den Marken

Ungerns führt am linken Gestad der mächtigen Donau.

Hugo war’s, der kam (weit hinter ihm folgte der Knappe,

Schlechter beritten, denn er) die stäubende Straße herüber;

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Doch nun hemmt’ er das Roß, und die Wange, wie Flammen geröthet,

Lächelt’ ihm, als er gegrüßt. Er schwang sich vom Sattel, und sagte:

„Herr, nicht hast du umsonst die Gäste geladen: erhellt sind

Weit die Straßen hinaus von schimmernden Kleidern und Waffen.

Trog nicht der Schein, so trabt von dem Bisamberg an der Donau,

Deß’ unendlicher Ruhm an köstlichem Moste bewährt ist,

Ein gar stattlicher Haufe heran: die flatternden Fähnlein,

Weiß, wie des Schneebergs Haupt, verkünden uns böhmische Kämpen.

Aber, als sie dahier zum Scherz nur brechen die Lanzen,

Harren ihrer im Hinterhalt gar ernste Gesellen,

Und ersehnen den Kampf. Der Ungern blühender König —

Blühend, und jung fürwahr! verhieß dir Hülf’, und gewährt sie:

Denn vor mir durchschwamm sein furchtbares Reitergeschwader,

Jauchzend, die March, und steht auf Oestreichs Erde, vor Marcheck

In dem Geröhr’, längs hin dem Weidenbache, verborgen.

Zürne nicht, daß ich zu kommen verzog. Viel hatt’ ich zu reden, —

Von dem Kaiser zumal, und dem Greif’, wenn alles ihm abstirbt,

Wird die Zung’ allein stets rühriger noch mit den Jahren.

Auch gebrach’s nicht an köstlichem Trank’, an magyarischer Tänzer

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Fröhlichem Lärm, und du weißt, dein Haug ist freudig gestimmet,

Sieht er die Humpen gefüllt, und um ihn lebendig die Jugend:

Dennoch stellt er sich ein, wo es gilt, und die Klingen entscheiden.“

„Ruhe,“ so sprach mit lächelndem Blick der erhabene Kaiser,

„Raschvorstürmender Greis, in dem Zelt’ auf das Lager gesunken!

Aber euch beid’, obgleich ermüdet vom dauernden Ritte,

Lockt, deß’ bin ich gewiß, Drometengeschmetter zur Turnbahn,

Rüstet euch denn. Mir ziemt, hausväterlich sorgend, im Lugsaal

Fertig zu stehen, und dort die Gäste mit Huld zu begrüßen.

Meinhard, zieh’ im festlichen Schmuck, mit flatternden Fähnlein,

Zinken, und Paukengetön’, und hundert erlesenen Reitern

Bis zu des Lagers Rand’ entgegen dem Herrscher von Böhmen:

Ihn zu begrüßen nach Würd’, und des Turnspiels Sitte geziemend!“

Also entließ er mit heiterem Muth die gewaltigen Helden.

Aber er stieg die Stufen empor in die herrliche Prachtlug,

Eilete vor, und sieh’, ihm nahten die theuren Erzeugten

Albrecht, Hartmann, und Adelheid: nur blieb in der Hofburg

Agnes, die holde, daheim, die leidende Mutter zu pflegen.

Alsbald scholl aufjubelnder Pauken Getön’, und Drometen

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Schmetterten laut in des wimmelnden Volks unendliches Jauchzen:

Denn, wie der Bienen unzähliger Schwarm in des kehrenden Frühlings

Milderem Hauch, fortzieht in die lieblichduftenden Fluren,

Gierig des Honigseims, und rings umsummet die Blüthen:

Also zog aus der Stadt, von dem nahen und fernen Gebieth her,

Zahllos, Jung und Alt, im Schmucke der festlichen Kleider,

Und erfüllte die hohen Gerüst’, augblendenden Schimmers.

Mitten im dichten Gedräng’ erglänzten, vor allen, die Edeln,

Die im glühenden Muth vortummelten feurige Rosse:

Herrlich geschmückt der Reiter zugleich, und das wiehernde Schlachtroß.

Doch wer könnte die Zahl, und den Ruhm der Tapferen künden?

Otto von Meißau kam: Feldoberster war er des Kaisers,

Reich in dem Land umher an Gütern und Mannen, und reicher

Noch an errungenem Ruhm’ im dräuenden Felde der Waffen.

Blau, wie des Himmels Zelt, mit Gold umrändert, und seiden,

Floß ihm der Mantel am Rücken hinab von dem Harnisch, und blau war

Auch sein Wehrgehäng mit der seidenen Schärp’ und dem Helmbusch;

Also des Rosses Hauptzier, Zaum, und die schuppigen Decken

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Vorn an der Brust und den Seiten herum, von Eisen gefüget.

Aber das Einhorn wies sein Schild im goldenen Feldraum,

Wie es zum muthigen Kampf von dem schroffen Felsen sich aufbäumt.

Solchen trug ein Knapp ihm nach, und der andere folgt’ ihm,

Haltend die zween hochragenden Speer’ in der nervigen Rechten.

Pauk’ und Dromet’ erklang, da er jetzt vor den rühmlichen Schranken

Hemmte sein feuriges Roß, absaß, und in’s dunkele Zelt ging.

Bald nachfolgte dem Helden zuerst der kühne Capellen:

Oberster Führer auch er im Heere des Kaisers, und werth ihm

Ob der beständigen Treu’, und des nie zu erschütternden Muthes.

Meergrün hatt’ er zur Farbe gewählt, und verzieret mit Silber

Seine Rüstung zugleich, und des Rosses herrliches Reitzeug.

Aber den Schild, wo ein Wehrgehäng den silbernen Feldraum

Dreimal durchschlingt, und vom Helm sich des Adlers Fittig erhebet,

Trug ihm der Knappe nach, und ein anderer brachte die Waffen.

Freudig ersah ihn das Volk, und als er mit edelem Anstand

Sich vor dem Schrankenthor von dem schnaubenden Rosse herabschwang,

Rief erneueten Gruß der Klang der Drometen und Pauken.

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Nun kam Trautmansdorf, von acht selbst-eigenen Söhnen —

Angeeigneten sechs, umringt, vor die Schranken. Des Bruders

Ehrenreich, den einst ein wüthender Eber zerrissen,

Als er im Walde des Weidwerks pflog, verlassene Waisen

Waren die sechs, und er, ein liebender Vater den einen,

Wie den andern; doch sie lohnten ihm herrlich die Sorgfalt:

Wohlgesittet, fromm, und im blühendentfalteten Leben

Alle, voll Heldenmuths, nachfolgend dem edelsten Vater.

Nicht entbehrt’ er im Krieg, nicht daheim, nicht an heiliger Stätte

Selber ihres Gefolg’s, und lächelte, stolz in dem Herzen

Seines Glücks, das höher denn all’ sein Reichthum ihn dünkte,

Wenn ihm das Volk, erstaunt, nachsah, und den Segen ihm zurief.

Aber nicht lang’, da sinkt, wie, vom sausenden Hagel zerschmettert,

Halmfrucht draußen im Feld, die herrliche Schar in das Grab hin —

All’, erschlagen vom Feind, und einsam kehret der Vater

Heim in die Ahnen-Burg: ihn tröstet ihr rühmlicher Tod nur.

Doch jetzt naht’ er vor seinen, ihm gleich gerüsteten Söhnen:

Denn von Silber blank war Harnisch, und Helm, und der Helmbusch;

Also das Wehrgehäng, die Schärpe, der seidene Mantel,

Und der glänzende Schild, (den, goldengehörnet, ein Widder

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Zierete) weiß wie der Schnee, mit der Wehre des stattlichen Rosses.

Jubelnd im Paukenklang’, erschollen die eh’rnen Drometen.

Doch jetzt naht’ ein Paar der Edelgestein’ in dem Adel

Oestreichs: Lichten- und Dietrichstein. Aus der steyrischen Mark stammt

Jener (Ulrichs Sohn, des trefflichen Ritters und Sängers,

Der sein Leben der Frauen-Ehr’ und dem Degen verschrieben)2

Dieser aus Oesterreich, ein Sohn ruhmwürdiger Aeltern:

Er, stets düstern Gemüths, da jener des heiteren Vaters

Frohsinn geerbt; doch einte schon frühe der trautesten Freundschaft

Unauflösliches Band die Herzen der tapferen Ritter.

Hochroth zierte des Lichtenstein, und seines Gefährten

Waffengeschmeid Kornblumenblau. Im grünlichen Feldraum

Wies des Winzers Messer sein Schild, und im goldenen zeigte

Jener des Lichtenstein zwei schrägablaufende Balken.

Schmetternd klang die Dromet’, und die Pauken donnerten laut auf.

Sieh’ auch die beiden Demantberg’, auf welche sich Oestreich

Ruhig stützt: der Schwarzen- und Stahrenberg (in des Ruhmes

Ehernen Tafeln genannt, und hochgepriesen für immer)

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Sprengten eilig heran! In des Schildes goldenem Feldraum

Führete jener den Aar und das Hüfthorn; dieser im lichtblau’n

Einen geschnabelten Wolf, und kor sich zur Farbe der Ehren

Blaßgelb, silbergeschmückt, da jener mit goldenem Zierrath

Wählte das dunkele Kirschenroth, erfreulich zu schauen.

Mächtiger hob sich zur Luft der Pauk’ und Dromete Getön’ auf.

Kurd von Haselau, der achtzigjährige Ritter,

Naht’ im Fluge heran. Noch rüstig und Kampfes begierig,

Stieg er vom Roß, und ging, den ehrenden Sitz an der Prachtlug

Einzunehmen: erwählt zum Turnvogt heut von dem Kaiser.

Ihm nachfolgten zugleich der Seldenhofer, der Pfannberg,

Hardeg, Hohenberg, und der Wildon: treffliche Kämpen!

Jetzt anlangten im Ehrengeleit die böhmischen Ritter:

Lobkowitz, Czernin, Zierotin; dann Milota, Wallstein,

Dann auch Herbot von Füllenstein, der reußische Kampfheld,

Riesengestaltet, im Trotz allbeugender Stärke sich rühmend,

Den sich Ottgar jüngst zum Feldherrn kor, und als Herrscher

Einst in der steyrischen Mark dem Volk aufstellte zum Zwingherrn.

Sieh’, gar herrlich geschmückt erschienen die Ritter, als sollte

Oestreichs ad’ligen Glanz heut jener von Böhmen verdunkeln!

Tausende wandten den Blick nach den Fremdlingen, alle voll Sehnsucht:

Ottgarn dort zu schau’n, als Freund: er säumte zu kommen.

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Dreimal, und lauter stets erhob sich der donnernden Pauken

Und Drometen Getön, den nahenden Fremden zu Ehren.

Doch, vernehmend den jubelnden Schall, enteilten die Helden

Oestreichs hurtig dem Zelt’, und schwangen sich auf in den Sattel.

Meinhard, führend die Böhmen heran, verlangte vom Thorwart,

Da er den Degen erhob, Einlaß in die rühmlichen Schranken.

Alsbald wich der Riegel zurück, und in Reihen geordnet

(Jene zuerst, und drauf die Heldensöhne des Landes)

Ritten entlang die Turnbahn all’, in der nervigen Rechten

Hebend den Speer in die Luft, mit zögerndem Schritt nach der Prachtlug,

Wo der erhabene Kaiser saß, und der Kommenden harrte.

Als sie gegrüßt — er gedankt, da sprach der tapfere Meinhard:

„Mein durchlauchtigster Kaiser, und Herr! Des böhmischen Reiches

König entbiethet dir Gruß und Freundschaft zuvor, und erkläret:

Ihm selbst wehrt es ein böses Geschick des fröhlichen Turnspiels

Zeuge zu seyn; doch sendet er dir die tapfersten Ritter,

Hier den Ruhm des Vaterlands zu erhöhen als Sieger!“

„Wahrlich,“ so rief der Kaiser ihm zu, „nicht dacht’ ich: entrissen

Werde mir heut’ ein Glück, das ich ersehnt’ in dem Herzen

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Aber wohlan: werth seyen uns auch die tapferen Ritter,

Die uns der König gesandt! Der Kampf beginne. Turneivogt,

Handle dein Amt! Der Herold rufe, der Sitte geziemend.

Grieswart sey für heut der edle Wildonier, Berchtold,

Breuner, und Pottendorf, die Kämpfer zu schirmen vor Unbill,

Ordnungbedacht: ihr Wink sey heilig geachtet von allen.“

Sagt’ es, und setzte sich dann auf den schwellenden Pfühl. Da erhob sich

Haselau, der Greis, und ging nach der räumigen Halle,

Die sich unter der Lug aufwölbte, mit Purpur behangen,

Dort zu beginnen die Waffenschau. Die erlesenen Ritter

Legten sogleich den Speer und das Schwert, kampfgierigen Muths, hin.

Sorgsam prüfte der Greis die gebothenen: stumpf und gefahrlos

Sollten sie seyn — zum Scherz, nicht zum Ernst gebraucht in dem Turnkampf.

Zween der Grieswärt’ hoben den Helm von dem Haupt’, und empfiengen,

Schreitend umher links, rechts, ein bezeichnendes Los von den Rittern:

Jeglicher gab’s, mit dem Nahmen verseh’n. D’rauf schüttelten mehrmal

Jene die Zeichen umher in dem Helm’, und bothen (die Ordnung

Wechselnd) sie dar: der rechts, wo links der and’re gefordert,

Also wählte sich dort ein jeglicher Kämpe den Gegner.

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Jetzt erhob der Herold den Stab, und Tausende schwiegen;

Zog ein Blatt aus dem Busen heraus, das, rauschendentfaltet,

Glänzte von goldener Schrift, und las mit gewaltiger Stimme,

Allen verständlich, vor: „Wie der mächtigste Kaiser, Rudolphus,

Jüngst auf den heiligen Rochus Tag, des Jahrs der Erlösung:

Tausend zweihundert und siebenzig-acht, der heute gezählt wird,

Alle die Edeln, von Nah’ und von Fern, zu turneien am Tabor

Aufboth, die nach dem Recht’ und nach Rittersitte gemeint sind.

Weiche darum von hier, der bar ist der ad’ligen Ahnen-

Reih’ erhärtender Zahl, und der unehlich geboren;

Der in den Kirchenbann, in die Acht des Kaisers und Reiches

Fiel ob schändlicher That, ob Mord und Gottesverläugnung;

Der die Wittwen und Waisen bedrückt’, und das zarte Geschlecht nicht

Schirmt’ in Gefahr, nicht rächt’, als Mann, g’en schnöde Verläumdung;

Der Meineides und Trugs, und unedlen Gewerbs sich bewußt ist,

So er dem Schild und dem Schwerte zur Schmach, einst Handel getrieben:

Ferne mögen sie stehen, sie all’, und ermangeln des Vorzugs,

Der nur Edeln gebührt, in des Turnkampfs rühmlichem Feld hier!“

Rief’s; dann faltet’ er wieder das Blatt, und barg’s in dem Busen.

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Jetzt aufpflanzten, voll Hast, die hurtigen Knappen die Fähnlein

Ihrer Ritter so hier, als drüben, die Schranken hinunter,

Und die Grieswärt’ theilten sich links und rechts an der Bahn hin,

Tragend den Stab in der Hand, zum Zeichen des heiligen Gastrechts.

Doch nun kehrten zugleich, im zögernden Schritte, die Kämpen

Wieder zurück, vor dem Schrankenthor sich fertig zu stellen.

Als der Kaiser die Kehrenden sah — dann vor sich das Volk dort,

Dann im Rücken die Bänke gedrängt voll grauender Ritter,

Edeler Herrn, und Frau’n, und zartaufblühender Fräulein:

Ach, da füllten sich fast ihm die Augen mit Thränen! Er wandte

Halb nach den Kindern sich um, und sprach mit inniger Rührung:

„Welch unzähliges Volk: nur die Ein’ ersehen wir hier nicht —

Euere Mutter ist fern, und Agnes, als Pflegerinn wechselnd

Heute mit euch! Auch wir entbehreten freudig des Schauspiels —

Weilten so gerne daheim bei der Leidenden; aber die Pflicht ruft

Ehernen Lauts, und heißt all’ and’re im Herzen verstummen.

Weh’, daß ich auch die Kunringe hier vermiß’, und der Helden

Einige, die verlockt auf trugverhülleten Pfaden

Sich zu den Feinden gesellt, und im Schooße der eigenen Mutter,

Jenen gleich mit der grimmigen Faust zu wühlen bereit steh’n;

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Aber vielleicht gelingt es mir noch die Verirrten zu sammeln!“

Jene schwiegen, und hielten die Hand vor die thränenden Augen:

Ob der Mutter betrübt; doch Hartmann vor allen: ein Liebling

War der Trauernde stets der holden Mutter gewesen.

Sieh’, nun schwebt’ auf dem Wettergewölk des umnachteten Himmels

Marbod daher! Er sah Drahomira vorüber im Eilflug

Ziehen, und folgen der Spur des schwarzgerüsteten Ritters,

Der mit geschlossenem Helm’ aus dem böhmischen Lager herüber

Spornte den Rappen im Donnergalopp’, an die Schranken der Turnbahn.

Nicht wie den Sterblichen war dem Geiste der Ritter verhüllet:

D’rum erbangt’ ihm die Brust vor Angst ob seinem Erwählten,

Rudolph, dem er sich liebend geweiht: denn siegenden Hohn sah

Er in dem Blick Dahomira’s, und kam, ihm rettend zu nahen,

Wenn sie, höllischen Trugs, Gefahr ihm sann, und Verderben.

Immer schneller verschlang des Tages Heit’re der Wolken

Finstere Nacht. An dem Himmel herauf, und hinunter zum Erdrand

Zuckte der röthliche Blitz, und von fern her murrte der Donner:

Kommend auf Flügeln des Sturms, vom dräuenden Süden herüber.

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Jetzt erscholl drometender Ruf, dreimaligen Stillstands,

Tief, eintönig, gedehnt: des Kampfs ersehnetes Zeichen.

Alsbald braus’te der Riegel zurück: in die rühmlichen Schranken

Ritt, gemessenen Schritts, hellstrahlend von Purpur und Goldschmuck,

Lobkowitz ein; den Schild ihm ziert’ ein fliegender Adler.

Ganz durchmaß er die Bahn bis vor in die Nähe der Prachtlug;

Wandte das Roß, und harrete dort des würdigen Gegners,

Den das Los ihm beschied, und sieh’, ihm nahte Capellen,

Muthigen Blicks! Da rief ihm Lobkowitz freundlich entgegen:

„Nun geschlossen den Helm, und fest in dem Sattel gesessen!

Schon viel Rühmens hört’ ich von euch, Capellen! So laßt uns

Heut’ erseh’n: ob mir, ob euch die Krone bestimmt sey,

Welche zum Dank uns beut die Erzeugte des edelsten Kaisers,

Adelheid, voll Engelshuld und himmlischer Schönheit.“

„Wohl,“ entgegnete jener mit Trotz, „das laßt uns erproben,

Lobkowitz! Rasch seyd ihr, böheimische Kämpen, und dennoch

Sollt ihr Oestreichs Söhnen den Kranz nicht rauben im Turnkampf.“

Aber sie schlossen den Helm, und setzten sich fest in dem Sattel.

D’rauf, mit gewaltiger Faust vorsenkend den Speer aus des Bügels

Röhr’, und den ehernen Schild vorhaltend dem Feinde zur Abwehr,

Spornten beide das Roß, das, weitvorgreifenden Sprunges,

Schnell, wie der Blitz, auf dem Plan mit tönendem Hufe dahinflog,

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Bis inmitten der Bahn, urplötzlich, ein jeder der Gegner

Traf des anderen Schild mit des Speers abprallendem Eisen

So, daß der mächtige Schaft, in tausende Splitter zertrümmert,

Hoch empor in die Luft und umher auf dem zischenden Sand flog,

Und die Rosse, zurück’ auf die Hinterfüße gesunken,

Noch dem gewaltigen Stoß’ erzitterten, schreckenerfüllet.

Lautaufjauchzte den Kämpen das Volk; unzählige Stimmen

Zollten im tausendfältigen Ruf den Trefflichen Beifall.

Jetzt gedachten sie schon, aus dem Sattel sich schwingend, zu zeigen

Auch in dem zweiten Gang mit dem blinkenden Schwert die Gewandtheit,

Schnelle, und Kraft; doch laut rief dort der herrschende Turnvogt:

„Helden, es ist euch Siegesruhm die Fülle geworden!

Ruht von dem Scheinkampf jetzt! Vielleicht, so Gott es nicht wendet,

Werdet ihr bald zum Ernst, nicht zum Scherz, in schrecklicher Feldschlacht

Richten das blitzende Schwert auf die Brust anstürmender Gegner!

Ihr brach’t zierlich den Speer: aus der Hand der holden Erzeugten

Rudolphs, wird euch herrlicher Lohn noch heut’ in dem Turn-Dank!“

Jene kehrten zurück, in dem hohen Gezelte zu ruhen.

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Stille wurd’ es umher, und es faßt’ ein heimlicher Schauder

Manchem die Brust bei’m ernsteren Wort des prophetischen Greises.

Doch nun braust’ im Sturm der schwarzgerüstete Ritter

Näher, und riß den Rappen zurück’ an dem leitenden Zügel,

Sonst durchbrach er im Sprung die hemmenden Schranken. Er nagte,

Wüthenden Grimms, am Gebiß’, und schnob, und streute den Schneeschaum

Hin auf den Sand, den er mit den scharrenden Hufen umherwarf.

Edelem Stamm’ entsprossen schien der gewaltige Reiter;

Aber noch barg der geschlossene Helm ihn den Augen des Volkes.

Stolz erhob er die Hand, und hieß mit stummen Geberden

Milota nah’n. D’rauf zog er ein Blatt aus den Fugen des Panzers,

Reicht’ es ihm dar, und wies nach des Turnvogts herrschendem Sitz hin.

Milota lächelte Hohn, da er, spornend sein Roß, an den Schranken

Hinflog, und darreichte das Blatt dem staunenden Alten.

Dieser entfaltet’ es schnell, und las mit vernehmlicher Stimme:

„Euch entbiethet zuvor, ihr edelen Herren und Ritter,

Ihren freundlichen Gruß Kunegunde, des böhmischen Reiches

Königinn! Dann verlangt sie, daß ihr den Ritter in Trauer

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Nicht verschmäht, der glänzenden Stamms sich rühmt, und im Turnkampf

Heute, vor euch, ihr herrlichen Ruhm zu ersiegen, bereit ist.

Aber ihm werde nach Wunsch der letzte der Kämpfe gewähret!“

Stumm verneigte der Greis sein Haupt, und Milota kehrte

Wieder zurück. Da lispelte leis’ in die Ohren des Nachbars

Ein Barfüßermönch, der jüngst aus Böhmen gekommen,

Und auf dem volkerfüllten Gerüst schaulustig sich einfand:

„Seh’ ich den Ritter dort, gehüllt in die finstere Rüstung,

Will es mich fast bedünken: er sey der Königinn Liebling,

Zawiß von Rosenberg,3 der weitgepriesener Anmuth,

Blühender Jugendkraft, und tapferen Muthes, ihr Herz schon

Völlig gewann, das leis’ in heimlichen Flammen sich abzehrt.

Also rächt sich die Schuld! Ein Gleiches mit Gleichem vergolten

Wird dem Könige, der Margarethen verstieß, und den Unhold

Sich beilegte zum Weib: Kunegund’ ersehnt sich den Buhlen.“

Also das Mönchlein sprach. Doch feuriger stets, und entflammter,

Zuckten die Blitz’ umher im Gewölk’, und auf ehernen Rädern

Sank stets tiefer herab des Donners rollender Wagen

So, daß die Menge mit Angst aufsah, und, des strömenden Regens

Denkend, nur an dem Leinendach des Gerüstes noch Trost fand.

Wieder erscholl gar feierlich ernst die Dromete. Zum Turnkampf

Rief sie ein Heldenpaar: da flog der muthige Wallstein,

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Herrlich glänzend von Gold auf dem perlen-farbigen Sammttuch,

Ueber die Pläne hinab, und wandte sich, harrend des Gegners.

Sieh’, ihm fiel das Los, mit dem Stahrenberg in den Schranken

Heute zum erstenmal, sich zu messen: zum Ritter geschlagen

Jüngst durch Ottgar selbst, der ihn vor jeglichem liebte!

Jugendlich hüpfte das Blut in den Adern des feurigen Helden

Noch. Er lechzte nach Ruhm; doch wüthete jetzt in der Brust ihm

Furchtbare Liebesgluth, seit er vernommen, daß Hedwig —

Sie, die Zierde der Welt, für welch’ er thöricht entbrannt war,

Reichen sollte die Hand zum eh’lichen Bund dem Erzeugten

Rudolphs, Hartmann, und ach, Verzweiflung faßt’ ihn erneut an!

Ungeheueres sann er empört im Gemüth, und nicht wußt’ er

Wie er’s vollbringe dereinst. Da sprach ihm jetzt Drahomira,

Die, nur auf Arges bedacht, auflauerte, leis’ an das Ohr so:

„Denke des Muths: vielleicht gelingt es dir heut, den Verhaßten

Dort mit höhnendem Blick zu reizen, und Rache zu üben!“

Alsbald wandt’ er das Haupt, und sah mit höhnenden Blicken,

Lang’ nach dem tapferen Hartmann hin, als hätt’ er gefrevelt.

Zorngluth schoß in das bleiche Gesicht des Edeln: er hob sich

Hastig vom Sitz, ihn laut zur Rede zu stellen, entschlossen.

Doch schon nahete Stahrenberg, im feurigen Vorschritt

Zügelnd das Roß, und rief dem Gegner, lächelnd, entgegen:

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„Erst so beweglich, und nun säumst du den Kampf zu beginnen?“

„Nein, ich säume nicht!“ sprach alsbald der Zürnende, wähnend:

Jener zeihe der Feigheit ihn. Er ahnte nicht, wer ihm

Also empörte die Brust durch dunkle Gebilde der Rachgier.

Trotzig schloß er den Helm; ließ sinken den Speer in der Rechten;

Gab dem Rosse den Sporn, und flog dem Ritter entgegen,

Der nicht müßig geharrt: denn sieh’, jetzt trafen die beiden

Sich inmitten des Plans, an dem Schilde die Speere zu brechen,

Wie es der Turnbahn Sitte geboth, und trefflich erzielte

Stahrenberg den Gewinn: sein Speer zerbrach an dem Turnschild

Wallsteins, den ein glänzender Stern erhellete, krachend;

Schlug auch den Stern entzwei, und zerstob in unzählige Trümmer!

Aber nicht so sein Gegenpart. Von stachelnder Rachgier

Glühend, nahm er das Abseh’n hoch nach dem Helm’, und er stieß ihm

Solchen vom Haupt mit festnachstürmender Rechten, daß alsbald

Ihm an dem Kinn der Riemen zerriß, und im Sande der Helm hin

Kollerte. Zornerfüllt gewahrten die älteren Ritter

Wallsteins Frevelthat, und murreten. Aber dem Turnvogt

Schien gleichmäßig des Kampfes Gewinn: weil jener den Schild ihm,

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Schmetternd, zerbrach, und dieser den Helm von dem Haupt ihm gehoben.

Stille herrscht’ umher; kein Beifall krönte die Kämpen.

Stahrenberg ritt eilig zurück; doch zögerte Wallstein

Noch auf dem Plan, und sah von neuem mit höhnendem Ingrimm

Nach der Lug empor, wo Hartmann im glänzenden Harnisch,

Lieben Geschwistern vereint, sich fand an der Seite des Kaisers.

Ihn verhöhnet’ er frech, und begann mit stachelnden Worten:

„Kühlere Lüftchen umweh’n dich dort; hier fühlt es sich heißer:

Komm, und versuch’s! Der Jugend Kraft zu erproben, ist rühmlich.“

Stöhnend vor edelem Zorn erhob sich der Jüngling, und forschte

Einen Augenblick in dem Antlitz des herrschenden Vaters.

Aber er saß in erschütternder Hoheit dort in der Mitte

Seiner Erwählten, und sah, verstummend, hinab auf den Ritter.

Jenem genug: er sprang die Stufen herunter, und warf sich

Schnell auf das wiehernde Roß, das draußen der Knappe gehalten;

Faßte, zitternd vor Hast, den Speer, und flog auf die Turnbahn.

Doch schon hatte zuvor von dem trugverblendeten Wallstein

Sich Drahomira gewendet, und hing mit flammenden Blicken

Ueber Ottgars Haupt. Er war’s, der heute des Nachtgrau’ns

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Farbe zur Rüstung sich wählt’, als jene, voll höllischer Arglist,

Ihn zu dem Kampf hertrieb: nur Jammer zu schaffen, entschlossen.

Wie auf dem trüglichen Netz die giftige Spinne dahinfährt,

Wo die Beute sich fing, und diese mit klebrigen Fäden

Dicht umstrickt, daß kein’ Errettung mehr von dem Tod ist:

Also ließ sie nicht ab von dem unglückseligen Herrscher,

Deß’, sonst edele, Heldenbrust in wilder Empörung

Schrecklicher Ehrsucht gohr, und allein nach Rache sich sehnte.

Siehe, wie zween geschweifte Kometen am nächtlichen Himmel

Glüh’n, und in blutiger Kriegeszeit den zagenden Völkern

Dräu’n Pest, Hungersnoth, und Theurung: also erglühten

Jetzt Drahomira’s zur Wuth empörete Blicke; sie hauchte

Ottgars horchendem Ohr den seelenverderbenden Rath ein:

„Pfeilschnell naht, und entfliehet das Glück: d’rum hasch’ es im Flug jetzt,

Eh’ es auf immer entweicht, und nicht wiederkehret dem Trägen:

Tritt mit Hartmann du in den Kampf; dir weiche dein Liebling

Wallstein. Thöricht vergaß der waffenbeschauende Turnvogt

Deine zu prüfen: du führst verderbliche. Schleudre den Jüngling

Erst in den Staub; dann wende dich, nah’ ist der Kaiser, durchbohr’ ihm

Kühn die verräth’rische Brust, und entflieh’. Dein schreckliches Reitroß

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Trägt dich schnell aus umdrängender Noth: denn höllische Macht tobt

Ihm in den Adern. Auf, und räche dich jetzt an dem Gegner.“

Wild aufbäumte sich Ottgars Rapp’, als jene gesprochen;

Scharrt’ in dem Sand, und schnob, und drehte sich, wüthend, im Halbkreis’:

Denn sie erregte das Thier durch Gaukelgebilde der Hölle.

Heimlicher Schauder ergriff das Volk und die edelen Ritter.

Ottgars Aug’ umdüsterte Nacht: gleich Meeresorkanen,

Wühlten in seiner Brust die Empfindungen streitender Rachgier,

Ehre, und Pflicht. Doch jetzt besann er sich; sprengte den Rappen

Ueber die Schranken, und rief dem kampfbeginnenden Helden

Laut, im Brausen des nahenden Sturms und Donnergewitters:

„Wallstein, halt! Zieh’ hin zu dem Schrankenthor’, und vergönne

Mir in des Kampfs Entscheidung den Sieg. Kunegunde geboth mir

Sie zu rächen, und dich an dem schmähungliebenden Buben

Deß’, der Kaiser sich nennt des heiligen, römischen Reiches.“

Wallstein eilte zurück; doch Hartmann rief ihm entgegen:

„Ha, du lügst! Nie hat mein Mund Kunegunden, noch jenen,

Der so frech sich erweis’t, so unritterlich handelt, geschmähet,

Weder heimlich, noch offenbar: das sollst du mir büßen.“

Rief’s, und senkte den Speer, nicht erwägend, daß solchen der Knappe,

138

Nicht zum Kampf auf Leben und Tod — nur zum rühmlichen Scheinkampf

Ihm darreichte zuvor, in drängender Hast und Verwirrung.

Zwar erhob den Stab und die herrschende Stimme der Turnvogt;

Zwar abmahnten vom Streit die Grieswart’ dieß und auch jenseits;

Aber sie achteten’s nicht. Von dem lautaufheulenden Sturmwind

Ward verschlungen ihr Ruf, und die rachebefeuerten Gegner

Bringt zur Ruhe kein Stab jetzt mehr, noch zu klarer Besinnung.

Aber schon war, voll sorglicher Hast, dem erhabenen Kaiser

Marbod genaht. Nicht entging dem liebenden Geist Drahomira’s

Unheilschwangerer Blick, die, beiden: dem Kaiser und Böhmens

Könige, Tod und Verderben sann, und in wilder Verwirrung

Leichen auf Leichen gehäuft, der Hölle zur frevelnden Lust, sah.

Jetzt umfaßt’ er ihn heiß, und rief im Geistergelispel:

„Auf, und ziehe dein blinkendes Schwert, zur Wehre dich stellend!

Dir droht Mord und Verrath, und deinem Sohne Verderben

Von dem Fremdlinge. Horch, und verschmähe des Warnenden Rath nicht!“

Alsbald hob, von dem Geist erregt, der gewaltige Herrscher

Von dem Stuhle sich auf; entblößte das Eisen, und eilte

Schnell die Treppe herab auf die Plane, den theuern Erzeugten

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Gegen die Wuth des rascheindringenden Gegners zu schirmen,

Der so frech verhöhnte den Ruf des heiligen Gastrechts.

Jetzo sporneten, laut mit Geschrei, die erbitterten Helden

Gegen einander die Ross’ auf dem Plan; doch, brausenden Fluges,

Trieb in dem Augenblick das entsetzliche Donnergewitter

Näher, und stäubte den Sand in wirbelnden Säulen vom Grund auf.

Blitz auf Blitz, und Schlag auf Schlag urplötzlichen Donners

Flammt’, und krachte herab aus dem finsteren Schooße der Wolken,

Die, gewitterschwer, tiefhangend, zum Boden gesunken,

Jetzo des Mittags Hell’ in Nacht verwandelten ringsum.

Angst ergriff das versammelte Volk. Dem Schreckensgedanken

Bebte das Herz, als sey der Tag’ allletzter gekommen.

Wie, und dennoch ruhten die zween erbitterten Gegner

Von dem Kampfe noch nicht? Sie sprengten die Läufer im Flug fort.

Jetzo, wo Ottgars Speer mit tödlicher Spitze dem Turnschild,

Harnisch, und Herzen zugleich des harmloskämpfenden Hartmann

Nahete, fuhr ein Blitz, an der Breite dem stürzenden Waldstrom

Aehnlich, zwischen die beiden herab, und entsetzlicher Donner

Rollte, betäubenden Schlags, erschütternd ringsum die Gegend,

Plötzlich ihm nach; doch Marbod sprang urschnell in den Blitz hin.

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Sein entrüsteter Blick entflammte sich hell, und er schreckte

Hartmanns wildanstürmendes Roß vor dem Rosse des Gegners.

Bäumend hob es sich auf: da drang ihm der Speer so gewaltig

Ein in die Brust, daß der Schaft, erkrachend, sich bog, und entzwei brach.

Stöhnend sank das Roß auf den Rücken. Der Reiter entzog ihm

Schnell das Bein, und stand, ergriffen von inniger Wehmuth:

Schauend sein treues Thier, das jetzt mit den vorderen Hufen,

Jetzt mit den hinteren scharrt’ in dem Sand — dann todt, und erstarrt lag.

Ottgar saß, geblendet vom Blitz’, und schnaubend vor Ingrimm

Ob des gebrochenen Speers. Er hörte den schrecklichen Donner,

Hörte die lärmenden Ritter nicht mehr, die, empört von dem Frevel,

Naheten; doch er sann im schnell­hinschwindenden Zeitraum

Eines Augenblicks. Drahomira empörte zur Wuth ihn,

Als der Kaiser zur Rettung des Sohns in Eile dahersprang;

Aber umsonst: denn stolz- und tapfergesinnet war Ottgar;

Feig ihm dünkte der Mord. Er riß von der Rechten den Handschuh,

Warf ihn entgegen dem Feind’, entblößte das Eisen, und rief ihm:

„Rudolph, heb’ ihn nur auf: denn es biethet auf Tod und auf Leben

Ottgar, zitt’re vor ihm, dir Fehde für jetzt, und für immer!

141

Nichts von Frieden darum, und nichts von der Kinder Verlobung:

Rach’ allein ist die Losung hinfort: das soll ich dir kund thun!“

Rief’s, und gab dem Rosse den Sporn. Die Schranken hinüber

Trug es ihn fort im Sprung; dann, sausend, im Donnergaloppe

Weiter und weiter hinaus auf der staubenden Straße nach Stillfried,

Und ihm sprengte sein Ehrengefolg’ im eiligen Flug nach.

Aber in wilder Verwirrung schrie’n, und entstürzten die ander’n

Rings den Sitzen, und floh’n durch Sturm und Gewitter voll Angst heim.

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Fünfter Gesang.

Schüttelnd die triefenden Schwingen, erhob nach unendlichem Regen

Sich der Abendwind, und warf von dem rauschenden Hochwald

Und dem ersäuselnden Hain’ gewichtige Tropfen zum Boden.

Trauernd senkten den lastenden Kelch in dem Felde die Blumen

Noch, und das blinkende Gras bewegte sich langsam und schwer nur.

Kein Gesang der Vögel erscholl; nur fern in dem Sumpfrohr

Quackte der Frosch, und die finstere Luft durchkrächzten die Raben:

Denn noch deckte Gewölk des Himmels Bogen; der Donner

Rollte noch fort, und der leuchtende Blitzstrahl fuhr noch im Süden

Flatternd umher: als droht’ er entsetzlicher wiederzukehren.

Da gelangte, von Wuth und gährender Rache getrieben,

Ottgar heim vor das Lagerzelt, und schwang sich vom Sattel

Hastig herab. Ihm kam der Kunring, Leutold, entgegen,

143

Der mit Schmerzen daheim sein harrete. Jetzo begann er:

„Wahrlich, du kommst ersehnt, und glühender noch, als am Abend

Unsers mit Blut gefertigten Bund’s: an dem Kaiser — an Rudolph,

Rache zu üben — an ihm, der nach den geheiligten Rechten

Altehrwürdiger Ritterzeit im empörenden Hochmuth

Greift mit gewaffneter Hand; der Deutschlands Edeln der Knechtschaft

Fesseln beut, da er schon gar viele der Vesten zu Boden

Schmettert’, und allen ein Gleiches droht: daß nimmer die Freien

Uebten ihr Recht an dem Volk, dem niedriggebornen, nach Willkühr.

Nicht so wurden wir einst lehnpflichtig dem König. Der Leh’nsherr

Rang um sein Eigen im Feld; sein ist’s, was dort ihm zu Theil ward —

König auch er: ihm huldigt zur Frohne der Hold und der Sasse.

Wie, mir würd’ es verwehrt zu erbauen die Burg auf dem Felsen,

Der aus dunkelem Wald’ aufragt, und zum schwindelnden Abgrund,

Senkrecht bis zu dem Wildbach hin die Wände hinabsenkt,

Unnahbar dem Feind? Nicht sollt’ ich dort von den Zinnen,

Oder des Wartthurms Höh’n mit herrschendem Blick in des Abends

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Goldenem Schein’ erforschen die Gau’n: ob, lauernd, der Gegner

Nahe den Thalweg her? Nicht sein, des ohnmächtigen, spotten,

Der, mit blutigen Köpfen zurück von der Veste gewiesen,

Schamroth flieht? Nicht von ihr zum Kampf mit den Reisigen auszieh’n,

Kennend der Mauern Gefüg’, und in selben geschirmt nach dem Heimzug?

Rechte nur immerhin der Unfreie mit mir, daß ich, Freier,

Niederwerfe nach Lust auf der Straße den wandernden Kaufmann,

Der, ein Bürger der Stadt, dem Juden zugleich und dem Wechsler

Treuverbündet, mein Volk betriegt, deß’ Habe doch mein ist?

Nur in der Ritterburg, der Wieg’ erhebender Thatkraft,

Heldensinnes, und Muths wohnt auch das häusliche Glück noch.

Wenn ich schaue die Hausfrau dort, wie sie schaltet mit Sanftmuth

Ueber das rohe Gesind’, und die züchtigen Töchter, den Rosen

Gleich aufblühend, erwerben die Huld und die Würde der Mutter;

Wenn ich vom Fenster hinab an des Hofraums rasigem Abhang

Ringen sehe den Sohn mit den Knappen: wie diesem den Bart er,

Lachend, zerrauft, und den anderen schlägt mit den winzigen Fäustchen,

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So vorübend die Kraft auf die herrlichsten Jahre des Lebens:

Nicht für die goldene Kron’ eintauscht’ ich die goldene Freiheit.

Sieh’, auch der Sänger spricht dort ein, und läßt in dem Hofraum,

Nachtumhüllt, gar mild ertönen die lieblichen Saiten,

Eh’ er beginnet sein Lied; doch sitzen wir bald in des Saales

Schimmerndem Licht um ihn her, und horchen den zaub’rischen Tönen

Von der Minne Leiden und Glück; von den Wundergeschichten

Grauender Heldenzeit, und den Thaten gewaltiger Ahnen

So, daß in wonniger Lust, wie im Flug’, uns die Stunden entschwinden!

Ha, und dessen gedenkt der Habsburg uns zu berauben?

Künftig sollen wir feig, erschlafft, und völlig verweichlicht,

Wohnen in dumpfiger Stadt, und der Ritterehre vergessend,

Höflingen gleich, uns bücken vor ihm? Doch, König, verzeihe,

Wenn vor dir nicht Gefälliges spricht ein wackerer Deutscher!

Wie habt ihr turneit? Ward Habsburgs Löwe gebändigt?

Hast du Rache geübt? — denn Schreckliches kündet dein Aug’ an.“

Sagt’ es, erstaunt; doch Ottgar sah mit den flammenden Augen

Ihn noch schrecklicher an, und rief: „Ja, Rache geübet

Offen vor allem Volk! Wohl sagt’ ein höllischer Geist mir

Heimlich in’s Ohr: „Durchbohr’ ihn!“ doch mich dünkt’ es zu niedrig:

Morden! Ein Leichtes war’s, auf dem Plan das blinkende Schwert ihm

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In die verräth’rische Brust — er zitterte! heute zu tauchen;

Doch nur in offener Schlacht, das Aug’ auf das Auge geheftet,

Soll er mir steh’n, und, fallend, im Staub’ aushauchen das Leben.“

Vor, aus seinem Gefolg trat Milota jetzt, und begann so:

„König, verzeih’: er zitterte nicht! Dich täuschte der Rachgier

Seelenverwirrende Gluth. Wohl staunt’ ich, als er so muthvoll

Dir entgegen trat auf dem Plan: du sporntest den Rappen

Weise davon. Gut war’s: nicht wehrlos falle der Gegner,

Tapferen Herzens, dem tapferen Mann; das hast du erwogen:

Selber beut sich ja oft nur klügeren Seelen das Glück an.“

Sprach so, kaum bekämpfend die Wuth, die ihm heimlich des Herzens

Tiefen zerriß, und er lächelte nur. Doch jener zernagte,

Schweigend, die Lippen vor Zorn: denn Spott verriethen die Augen

Milota’s. Jetzt entblößt’ er das Schwert, und flehte zum Himmel:

„Ewiger, der du schirmst das Recht, und bestrafest das Unrecht;

Auch in der Vorzeit oft in die Hände der Führer des Volkes

Gabst dein Rächerschwert, zu vertilgen Israels Gegner,

Höre mein Fleh’n, und laß’ mich jetzt vergelten im Vollmaß

Dem, der, frevelnd an mir, verletzte die Treu’ und die Wahrheit,

Mich beschimpfend vor allem Volk, da er laut es gebilligt:

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Heimlich im Zelt sollt’ ich ihm huldigen — schändlicher Trug war’s!

Mich verachtet das Volk seitdem, und die jammernde Mutter

Meiner Erzeugten weis’t die unschuldigen Opfer des Truges

Mir, im verzweifelnden Schmerz. O, gib mir den Sieg in dem Kampf jetzt!“

„Ihr,“ so rief er den Feldherrn laut, „erhebet die Banner

Eurer geordneten Schar! Wir ziehen noch heute nach Thalsbrunn:

Dort von dem Weidenbach g’en Wien zu dringen, entschlossen.“

Jene gehorchten sogleich, und gebothen dem Heere den Aufbruch.

All’ die geordneten Reihen hinab ertönte das Rufen

Tausender: „Auf! In den Kampf! Wir geh’n den Feinden entgegen.“

Trommeln rasselten dumpf, und das Schmettern eh’rner Drometen

Scholl aus dem Waffen-Geklirr mit dem Wiehern unbändiger Rosse.

Bald schwand rings die wandernde Stadt der Gezelt’ aus den Fluren,

Und die unendliche Wagenburg nachfolgte der Heer’smacht

Langsamen Schritts, von dem Lastvieh fort auf der Straße gezogen.

Siehe, in drei Heersäulen ging des gewaltigen Königs

Furchtbare Macht jetzt vor! Er hemmte sein Roß an dem Heerweg;

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Sah die Tausende zieh’n, und heischte von Diesem und Jenem,

Schnelleren Gang mit erhobener, oft schrittweisender Rechten.

Lobkowitz führt’ in dem Vorderzug die böhmischen Reiter;

Mährens Volk, das muthig zu Fuß anstürmt in der Feldschlacht,

Milota, der in der Mitt’ einher vor den Reussen, den Meißnern,

Und den Thüringern zog. Doch Czernin lenkt’ in dem Nachzug

Sachsens reisiges Volk, dem rasch die Mannen der Kunring’,

Und die Bayern zugleich voreileten, fröhlichen Muthes.

Als das geordnete Heer aufbrach, da schloß mit Gefolg auch

Ottgar sich, hinbrütend, ihm an. Der tapfere Wallstein

Ritt ihm zur Seit’ — auch er versunken in düstere Schwermuth:

Denn nicht brachte der Tag ihm Gewinn; nicht die schönere Hoffnung

Blüht’ ihm darum, weil er sie dem Gegner entriß auf der Turnbahn.

Ach, sie stand ihm zu hoch, des Königs Erzeugte! Nicht wagt’ er,

Ihm zu eröffnen das Herz, obgleich er liebend an ihm hing.

Jetzo schwand das hüg’lige Matz zur Rechten, und Angerns

Weidenreiches Gefild zur Linken dem Heere vorüber.

Ottgars Blick hing starr an der March, die rauschend hinunter,

G’en Marcheck und Kressenbrunn die dunkelen Fluthen

Wälzte. Der herrlichen Zeit errungenen Ruhmes gedacht’ er

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Jetzo mit pochender Brust, und sprach zu dem sinnenden Jüngling:

„Eilt nicht der Strom, wie die Zeit, in ewigwechselndem Lauf fort?

Bald erglänzt er im sonnigen Licht, bald wogt er im Sturmhauch,

Trübaufschäumend, umher: sein voriger Reiz ist entschwunden.

Siehe, wie düster die March jetzt fließt, und wie herrlich erschien sie

Dort an dem Tage von Kressenbrunn,1 wo im Siegesgefild mir

Ungerns Macht erlag, die Bela, der tapfere König,

Zahllos, wie der Heuschrecken Heer’, uns entgegengeführt hat!

Jenem Siegestag zur Erinnerung gründet’ ich dankbar

Dann Marcheck, die blühende Stadt, am Gestade des Flusses.

Ha, dort scholl mir die Stimme des Glücks in dem Sieges-Gefild noch,

Und ich folgt’ ihr beherzt! Vielleicht erschallt sie mir nimmer.

So ist des Menschen Geschick, des sterblichen, hier auf des Lebens

Pilgerpfad’ empor zu schießen, voll üppigen Wuchses;

Doch gestellt ist das Maß, und er schrumpft dann wieder zusammen,

Wie die thürmend’ Eich’, die ihr Haupt in die Lüfte gehoben,

Nun zu Moder zerfällt: die, ach, Jahrhunderten trotzte,

Liegt in dem Staub! So schreiten auch Reich’ und gewaltige Völker

Plötzlich wieder zurück von den kaum errungenen Höhen,

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Und mir ahnet es fast, ich hab’ sie errungen: zum Abend

Neigt sich mein Strahlengestirn, und bald versinkt es in Nachtgrau’n.“

„Das sey ferne,“ so rief den schwärmerischtrüben Gedanken

Sich entreißend mit Macht, der feurige Jüngling, „das Dunkel

Kennt dein Glücksgestirn nicht mehr: erst jetzo beginne

Solches den schöneren Lauf zu des Ruhms hellleuchtender Sonne!

Fällt der Kaiser besiegt, und das soll er! dann ist die Welt dir

Unterthan. Wie dort nach dem herrlichen Sieg’ im Triumphzug

Du hinführtest dein Volk an Italiens Gränze:2 so winkt jetzt,

Ueber sie hin dein Siegespfad. Weltherrschend, eröffnet

Roma dir die Thor’, und erblickt die Krone der Kaiser

Schimmernd auf deinem Haupt, die Carol der Große getragen.

Stark bist du, und noch stärker, so dir ein tapferer Eidam —

Doch nicht aus Rudolphs Stamm, den du geziemend verschmähtest,

Sich in dem Schlachtfeld eint, als Gatte der himmlischen Hedwig!“

Ottgar schwieg, und das Heer zog weiter in täuschender Stille,

Wie er gebothen zuvor. Doch sieh’, aus den nächtlichen Wolken

Senkte sich Arpad3 jetzt in Eile herunter! Ein Vater

Ward er genannt dem Magyaren-Volk’, und aus seinem Geschlecht her

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Sproßte der Segenszweig: der erste, der heilige König

Ungerns, der, sein Volk auf des Heilands Pfade geleitend,

Ihm der Menschlichkeit beglückende Recht’, und der Sitten

Mildere Form kund gab, auch Gesetz’ ihm schenkte zur Wohlfahrt.

Arpad, schauend den Kun, im Rohrgefilde verborgen,

Sann alsbald nur Thaten des Muths, und er nahete pfeilschnell

Ladislav, dem Könige, der, entschlummert im Zeltraum

Lag auf dem Bärenfell’ im grasumwucherten Aufeld;

Beugte sich über ihn hin, und preßte den Mund auf den Mund ihm

So, daß er ängstlich sich wand, und stöhnete, bis er die Augen

Aufschlug, schrie, und im finsteren Zelt’, entrüstet, umher sah.

Arpad haucht’ ihm Muth in die Brust mit dem Seelengelispel:

„Also bezwungen vom Schlaf, dehnst du die blühenden Glieder,

Eingelullt vom Gesang kumanischer Frau’n und der Zither

Sanftem Getön? Wach’ auf, du Weichlicher! Denke der Ahnen

Weitgefeierten Heldenruhms, und des feurigen Muthes,

Der sie beseelte beim Klang des furchtbarbrüllenden Rindhorns,

Wenn die Feinde sich trafen im Feld’, und der Würgenden Ruf scholl.

Wachen muß dort stets für alle der Herrscher, und rastlos

Walten bei Tag und bei Nacht, in gefahrumdräuender Kriegszeit.

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Horch dem Gewirr! Schon zieht der Böhm’ in täuschender Stille

Eilig die Straße hinab g’en Thalsbrunn, dort in des Lagers

Weitumkreisendem Raum, von dem Rasenwall’ und dem Graben

Mächtig geschirmt, dem Feinde sich rasch entgegen zu werfen.

Zahllos regten sich dort viel’ Tag’ und Nächte die Gräber,

Die er entboth in dem Land’ umher voll schrecklicher Drohung;

Doch im Rücken des eilenden Heers, nichts Arges vermuthend,

Kommt mit schwachem Gefolg’ auch der König vorüber, und langsam

Folgt ihm die Wagenburg: d’rum schnell an das muthige Werk jetzt!

Sende hinaus in den Hinterhalt der bewährtesten Reiter

Tausend, die, verborgen im trocknen Geröhr’, an dem Heerweg

Harren, bis Ottgar naht: gleich weit entfernt von den Scharen

Und von der Wagenburg; dann all’, im sausenden Eilflug,

All’ auf ihn los, und erhascht ihr ihn, schnell in Geschrei und Getümmel

Wieder zurück in das Lager gejagt mit dem werthen Gefang’nen.

So beginne den Kampf, ein Sieger, zur Freude dem Kaiser —

Dir, und dem Vaterlande zum Ruhm, dem Lande der Helden!“

Sagt’ es mit lispelndem Laut. Da trat ein Kun in das Zelt ein,

Athemberaubt vor Hast, und verkündete: daß auf dem Heerweg

Zahllos, Schar auf Schar, der Böhme vorübergezogen.

Feuriger hauchte der Geist, da er sprach, dem horchenden König

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Noch in die Seele den kühnen Entschluß. Sieh’, eilig erhob er

D’rauf sich vom Lager, und rief nach dem tapferen Führer der Kunen,

Kaduscha, der, von Gestalt nur klein, und häßlich von Anseh’n,

Doch unbändiger Kraft, und flammenschnaubenden Muths war.

„Eile,“ so sprach er zu ihm, „mit tausend erlesenen Reitern

Bis an den Rand des Geröhres hinaus, und harre mit Vorsicht

Dort in dem Hinterhalt, bis Ottgar selber dir nah’ ist:

Weit getrennt von der Wagenburg, und den eilenden Scharen;

Dann im Fluge hinaus, zu erhaschen den Herrscher der Böhmen!

Fünfzig Rosse sind dein, und zehn goldschimmernde Sättel,

Auch der Waffenschmuck des Königes, kehrst du als Sieger.“

„Ich vernahm es,“ entgegnete stolz der muthige Feldherr,

Als er das Roß bestieg. Er jagte mit tausend Erwählten

Bis an den Saum des Geröhres hinaus, und warf sich, des Königs

Harrend, in’s Gras. Wie in dunkeler Nacht der schreckliche Rohrwolf

Lauscht an der Trift, und dort auf die Hinterfüße gesunken,

Winselnd vor Gier nach Blut, mit glühenden Augen umherschaut:

Ob nicht der Rinder Schar vorüber wandere, grasend?

So der Kune dahier. Doch sieh’, bald wogten des Feindes

Reihen vorbei, und im Zwischenraum, nichts Arges vermuthend,

Naht’ auch Ottgar jetzt, als Kaduscha, sich in den Sattel

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Hebend, den Kunen zu stürmen geboth. Vor dem wilden Getümmel

Klirrender Waffen, und brausender Ross’, und der stürmenden Krieger

Lautem Gejauchz’ erbebte die Nacht, und des Königs Geleitschar

Starrte vor Angst: denn schnell, weit vorgebeugt aus dem Sattel,

Schwingend mit wildem Gebrüll den krummgehämmerten Säbel,

Jagten die Kunen heran, und drohten ihm Tod und Verderben.

Wallstein rief alsbald dem Gefolg’: „O, schließt um den Herrscher

Einen ehernen Kreis mit der Brust, und fielen im Kampf wir

Alle zugleich, nur sey des Herrn Gesalbter errettet!“

Aber nicht säumten die Tapferen: denn dreihundert aus Böhmen,

Bayern, und Sachsen, erwählt zum Geleit’, umringten den König

Schirmend, und kehrten die Brust nach dem Feind, der, ähnlich dem Sturmwind,

Naher und naher im Flug, herbraust’ auf dem staubenden Heerweg.

Kaduscha hieb der erst’ in den Kreis des kühnen Gefolgs ein.

Er zerschmetterte schnell zwei muthigen Bayern, von Törings

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Mannen, die Stirn’, und erhob sein Eisen, noch fürder zu wüthen.

Töring, der edele Ritter, der, ausziehend aus Seefelds

Ragender Burg, dort sieben unmündige Kinder zurückließ:

Denn ihm raubte der Tod erst jüngst die treffliche Hausfrau,

Senkte den Speer auf den Wüthenden; ritt rasch an, und durchstieß ihm

Also die Rechte, daß ihr alsbald entschlüpfte der Säbel.

Jetzo hatt’ er gerächt die Ermordeten; aber es barg sich

Jener sogleich im Gedräng’, und rief nach dem Führer des Volkes,

Zobor, ihm vertrauend des Kampfs entscheidende Leitung —

Ihm, dem Riesen an Kraft: er lockte den grimmigen Bären

Aus der Höhle heraus, und erwürgte ihn, ringend, am Boden.

Seitwärts drang er auf Töring ein, der, schnaubend vor Rachgier

Reiter auf Reiter herab aus dem Sattel warf mit dem Speerschaft.

Vier’ erwürgt’ er schon: da stieß ihm die Spitze des Eisens

Zobor tief in’s Genick’, als er nach dem Gegner sich beugte.

Töring sank in den Staub, und hauchte den muthigen Geist aus.

Ach, und die Amme führt, wie die liebvollsorgende Mutter,

Jeglichen Morgen die Kinder heraus auf die Zinnen der Felsburg;

Zeigt dort allen den Weg, den jüngst der Vater gezogen,

„Und euch allen,“ so sprach sie, „ein schönes Geschenk aus der Hauptstadt

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Heimbringt, so ihr euch fromm und gut, wie er’s heischte, benehmet.“

Doch nicht kehret er heim; sein harren die Kinder vergeblich:

Denn er liegt getödtet im Staub! So fielen noch hundert,

Unter der würgenden Faust der Kunen, gebändigte Krieger,

Und Verderben umgab stets näher und näher den König.

Wie wenn nächtlich im Wald’ ein wandernder Fleischer, von Räubern

Angefallen, mit tapferem Muth’ sich wehrt, und der Gegner

Manchen erlegt; doch wäre noch all sein Mühen vergeblich,

So das menschengetreueste Thier ihm nicht fest an den Seiten

Kämpfte: sein mächtiger Hund, der rasch im Kreise sich wendend,

Diesem die Kehle durchhaut mit den tödlichen Zähnen; den andern

Niederreißt am Genick’, und, würgend, nicht ruhet, nicht rastet,

Bis er errettet schaut den Gebiether: so stritt für das Leben

Ottgars, häufend die Leichen umher, der tapfere Wallstein.

Doch, als jetzt die Gefahr ihm noch gewaltiger drohte,

Schrie er ihm zu: „Mir nach, mein König und Herr!“ und er bahnte

Sich mit dem sausenden Stahl durch Feindeshaufen den Blutpfad.

Ottgar folgt’ ihm beherzt, und hieb die Umstürmenden nieder.

Ha, nach entsetzlichem Mord und Gewürg, durchhau’n, und gesprengt war

Endlich der Todesring, und ihm entrannen die beiden,

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Brausenden Flugs, auf dem Heerweg fort! Im nächtlichen Dunkel

Schwanden sie bald aus den Augen der weitnachfolgenden Gegner;

Doch die kehrten zurück’, und des Königs treue Geleitschar

Fiel nach tapferer Gegenwehr (denn Keiner ergab sich)

Hier erschlagen im Kampf mit den herzblutdürstenden Kunen.

Ach, wie grausam wütheten jetzt die Schrecklichen: hauend

Allen das Haupt von dem Rumpf’, und es dann auf die Spitze des Säbels

Pflanzend, zogen sie heim, siegtrunken und rachegesättigt:

Denn sie sahen zuvor wohl doppelt die Zahl der Gefährten

Hingestreckt im Staub’, und erwürgt von den tapferen Feinden.

Fort, und fort im Galopp war Ottgar schon in des Heeres

Nähe gelangt; nur die Höh’n von Prottes, dem ruhigen Dörfchen,

Lagen noch, trennend, vor ihm, und hinter den eilenden Scharen.

Milota trabte die Höhen herab. Mit ängstlicher Sorgfalt

Forschte sein Auge zuvor nach dem König: er hatt’ ihn dem Tod schon

Lange geweiht, und harrete nur des ersehneten Tages,

Wo er nach Rache die Gier an ihm sättigte, schrecklich und furchtbar!

D’rum verlor er ihn nie aus den Augen, und so, wie der Kater,

Grausamer Lust, freigibt das erst gefangene Mäuschen:

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Da folgt ihm sein glühender Blick, und will es entrinnen,

Streckt er sogleich ihm nach die klau’nbewaffneten Pfoten —

Reißt es zurück in den Todes-Kreis, und weidet die Augen

So an dem armen, voll Grimms: nicht anders verfolgten die Augen

Milota’s Ottgarn stets, der Rach’ ihn zu opfern, entschlossen.

Jetzo gewahrend: er sey’s, begann er von weitem zu rufen:

„Wahrlich, du wagtest viel, mein König, so fern dich zu halten

Von dem schnellvoreilenden Heer! Wer so die Gefahr sucht,

Wandelt auf glattem Geröll’, an des Abgrunds schwindligem Rand hin:

Denn in den Auen der March droht uns der schrecklichen Kunen

Leis’umspähendes Volk: du warst die erwünschteste Beut’ ihm,

So es dich traf. Doch sprich, wo weilt dein Reitergefolg noch?“

„Mein Gefolg ist todt,“ entgegnete jener, „gefallen

Unter des Feindes würgender Faust. Dem tapferen Jüngling

Hier verdank’ ich das Leben allein; stets hielt er im Leben

Treulich an mir; er sey, wie ein Sohn, mir geliebt in der Zukunft.“

D’rauf hinbeugt’ er nach Wallstein sich von dem Sattel; er küßt’ ihn

Auf die glühende Stirn, und drückt’ ihm die Rechte noch freundlich.

Jener, mit Freudenthränen im Blick’, erwiederte, hebend

Ottgars Hand an den Mund, der Liebe beglückendes Zeichen.

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Plötzlich sah er im Geist der wahnsinngenähreten Hoffnung

Truggestalt in der Wirklichkeit, hellschimmernden Glanzes,

Ihm genaht, und gestillt des Herzens unendliche Sehnsucht.

Wehe, daß Drahomira so nah’ ihm war in des Nachtgrau’ns

Schrecklicher Stund’, und stets auflauerte, daß sie, verderbend

Ihn, sich räche zugleich an Ottgarn, höllischer Lust voll!

Hufesgerassel erscholl: denn Milota’s Reitergeschwader

Jagte heran. Sie schrie ihm ins Ohr: „Der Feind ist im Anzug!“

„Ha, der Feind!“ rief Milota laut, und in wilder Verwirrung

Jagt’ er nach Ebenthal, woher sie gekommen, das Roß hin.

Ottgar folgt’ ihm schnell; nur Wallstein hemmte den Läufer

Oft: um den König besorgt, und für ihn zu sterben, entschlossen.

Aber ihm däuchte das nahe Gebirg, und drüben das Blachfeld

Jenes von Ebenthal an der freundlichen Burg, wo er seicher

Oft sich erging, des Weidwerks Lust ergeben im Feld’ auch.

Ottgar hörete jetzt den Ruf des warnenden Jünglings;

Tobte vor Zorn, und sprach zu Milota grimmigen Blickes:

„Hat dich mein böses Geschick mir entgegengeführt an dem Kreuzweg,

Wo in dem nächtlichen Grau’n nur menschenfeindliche Geister

Hausen, daß du dem Heer mich entrückst, und verleitest zum Irrgang?

Wahrlich, der Himmel straft heut Nacht die Vergehungen alle,

Die mich erniedrigten einst auf des Lebens verlockenden Bahnen!

160

Fort, g’en Stillfried jetzt, wo die Wagenburg und der Nachhuth

Tapfere Schar mich schirmt, bis wir dem Heere vereint sind!“

Finster umhüllete noch das Gewölk den nächtlichen Himmel;

Noch aufriß der entfliehende Blitz zuweilen die Lieder,

Zürnend, und sah mit feurigem Blick aus Osten herüber.

Bergan hob sich der Weg, und Milota sagte, verhöhnend,

Als die Ross’, oft zögernden Gang’s, aufschritten den Bergpfad:

„Hoffst du, Herr! vor des Ewigen Richterstuhle so leicht dich

Abzufinden dereinst mit dem schreckengerüsteten Engel,

Der dein Blatt dir weis’t in dem Buche des Lebens und Todes?

Wähnst noch gar, du habest gebüßt für Alles und Jedes,

Was du verübt seither, schon heut’ im nächtlichen Irr-Ritt?

Grauses vernahm mein Ohr. Ist’s Wahrheit, oder nur Täuschung,

Was die Sag’ uns gab von dem blutbesudelten Handel

Dort? Daß die Ost- und die steyrische-Mark dir bleibe zu Eigen,

Hast du Schätze gesandt nach Wälschland — heimlich verbündet

Rom und Neapel dir, und Konradin, Friedrich von Oestreich4

Hingeopfert des Henkers Schwert, die blühenden Fürsten?

Hast nicht Erbarmen geübt, als d’rauf die Mutter des letztern,

Gertrud,5 sanften Gemüths, aus dem Erbe der Väter vertrieben,

Fliehen hieß dein Wüthrich fort in stürmischer Nachtzeit?

161

Bist du rein von Schuld an dem Tod der verstoßenen Gattinn,

Margareth?6 Ward der edele Herr und Ritter von Meißau

Nicht in unwürdiger Haft von dir verbrannt in dem Schloßthurm?7

Nicht die Heldenschar, von dem Pettau’r,8 niedrigen Herzens,

Angeschwärzt, jahrlang’ in schmählichen Banden gehalten —

Ihrer gewaltigen Vesten beraubt? Sieh’ dort auf dem Hügel

Drüben den Rabenstein: wie im Wind sich die dürren Gerippe

Dreh’n nun hin, nun her, und im Schwung lautächzen die Ketten!

Hu, aufsträubt sich mein Haar — und dennoch lieber gehenkt dort,

Als daß ich übte, wie du, an dem Merenberger9 den Frevel!

Aber horch! Da er nun, das Haupt an die Füße gebunden,

Zweimal den Morgen und Abend sah, in schrecklichen Qualen

Hängend am Rabenstein, war nur der geschändeten Schwester

Bild — geschändet von dir, vor seinem Gemüthe! Dir flucht’ er,

Eh’ er starb, durchbohrt von einem der wilden Szupanen.

Wie, du erschrickst? Nein, fürchte nichts, Herr! Daß ich jetzo der Tochter,10

Meines geliebtesten Kindes, gedacht, nicht verdenk’ es dem Vater,

Der nicht weinen mehr kann um sie, die schändlich verführt ward.

Ihre die Schuld, der Metze: sie gab sich wohl selber der Schmach hin!“

162

Ottgar schlug sich die Brust, und wimmerte: „Vater, Verzeihung;

Mein ist die Schuld allein: den Himmlischen glich sie an Reinheit!“

„So?“ — sprach dann mit gedehnetem Laut der entsetzliche Vater.

Ottgar stöhnte vor Angst, daß es jener vernahm; mit den Zähnen

Knirscht’ er; sah empor, und rief mit ersterbender Stimme:

„Milota, sieh’, wie es über den armen Sündern erblitzet!“

Sagt’ es, und stützte das Haupt, vergehend, auf Milota’s Schulter.

Jetzt in der geistverzückenden Zeit todähnlicher Ohnmacht

Sah, wie entkörpert, er dort an dem Rabenstein, Drahomira

Schweben umher, und oft hellstrahlen von röthlichen Flammen.

Ihr nachfolgten zum Dienst drei Mißgestalten der Hölle

So, daß der Halbentseelte noch zuckt’, und bebte vor Schrecken,

Als er die Furchtbar’n sah. Aus schwarzumhüllendem Schleier

Starrten mit weitgeöffnetem Aug’ todblasse Gesichter,

Und ihr Leib, durchblinkt von der Flammengestalt Drahomira’s,

Floß, wie ein Trauerflor, hinaus in das finstere Nachtgrau’n.

Doch, nach dem Wink der Gebietherinn, auf, und hinunter sich schwingend

Dicht an dem Rabenstein, wie der Mauerspecht am Gemäuer,

Der mit kläglichem Ruf nach Gewürm’ und Käferchen spähet,

Nagten sie dort ein Giftgewächs und das Moos mit den Zähnen

Ab von dem Stein und Gehölz, und schwebten hinab auf den Heerweg.

163

(Zwischen Ottgar hier, und Milota — aber vor Wallstein

Dort, der zögernd folgt’: in täuschende Träume versunken

Künftigen Glücks) und hauchten zugleich auf die Erde den Unrath.

Doch Drahomira kam, vorhaltend in glühender Rechten

Einen Becher, in dem verderbliche Säfte von Kräutern

Gähreten: erst entpreßt dem Eisenhütchen und Schierling,

Dann Tollkirschensäfte vermengt, der plötzlich des Menschen

Sinne verwirrt. Sie goß mit zaubergewaltigen Worten,

Vor den Drei’n, die sie nachmurmelten, wie aus der Felskluft

Grimmvoll murrt ein Drach’, das Gift auf den furchtbaren Unrath

Aus; zertrümmerte schnell den Becher auf ihm, und erhob sich

Dann im Weh’ausruf des Höllengefolg’s in den Luftraum.

Alsbald schwamm ein bläulicher Duft, des giftigen Pfuhles

Nebel gleich, umher: dem nahenden Jüngling zum Falle

Hingebannt von der Macht Drahomira’s, des schrecklichen Weibes.

Ha, schon naht’ er heran! Noch brannte der glühende Kuß ihm

Auf der Stirn’; noch scholl in das Ohr ihm der schmeichelnde Zuruf

Ottgars: „Daß er ein Sohn ihm sey — dem liebenden Vater.“

„Wie, ein Sohn? Dann ... ja, wenn Hedwig die Rechte mir reichet!

Himmlische Hoffnung!“ Rief’s; da bäumte schnaubend sein Reitroß

164

Dort an der furchtbarn Stelle sich auf. Ihn däuchte der Wehruf,

Den er jetzo vernahm, aufhorchend mit pochendem Herzen,

Hedwigs Stimm’: alsbald vorspornend den hurtigen Läufer,

Stand er gebannt in dem Zauberkreis’, und urplötzlich, so wähnt’ er,

Ward ihm zur Gegenwart die nimmergeahnete Zukunft.

Hochbeglückt hielt er die Ersehnete jetzt in den Armen:

Ihm schwand Himmel und Erde dahin! Doch flatterte blitzschnell

Weiter der täuschende Spuk, da, schnaubend vor Angst und Entsetzen,

Nun das Roß fortsprang aus dem Zauberkreise der Hölle.

Stöhnend sah er zurück, und die Blässe des Todes bedeckte

Seine Wangen: ein Traum, so schien es ihm, flüchtig entronnen,

Wies ihm des Erdenglücks Erwünschtestes. Wehe, nicht schwand jetzt

Mehr des Gesehenen Bild aus seinem Gemüth’. In den Adern

Kocht’ ihm das Blut, und im kreisenden Schwung’ umgaukelte jenes

Rastlos ihn, da er flog, getrieben von höllischem Zauber,

Abzufordern die Hand der Königstochter dem Vater;

So zu empören des Herrschers Stolz, und, von diesem gehöhnet,

Racherfüllt, sich selber und ihn zu verderben auf immer.

165

Siehe, voll Himmelshuld war ihm sein schützender Engel

Wieder genaht, und rief in sanftverweisenden Lauten:

„Wie, umsonst ertönte dir erst mein warnender Zuruf?

Wehe dir, Jüngling, ach, wenn Schuld verdunkelt die Reinheit

Deines Gemüths! Wie ein Spiegel, noch erst im herrlichsten Lichtglanz

Schimmernd, schnell abstirbt, so ihn feuchtannahender Hauch deckt:

Also umwölkt es die Schuld. Bald scheint die blühende Schöpfung

Dir verwelkt, und erstarrt ringsum das regsame Leben:

Nichts des Hohen vollführest du mehr, von irdischen Banden

Niedergehalten. Verzieh’; o denke des Ewigen, reuig;

Kehre zurück, und beherrsche mit Kraft die Gelüste des Herzens,

Daß du nicht Schmach dir jetzt durch thörichte Worte bereitest!“

Sagt’ es, und schwang sich empor zu dem Vater im Himmel, deß’ Antlitz

Er mit dem Seraph und Cherub schaut für immer und ewig.

Aber der Jüngling rief: „Ward erst der Seligen Wonne

Mir von dem Himmel gewährt? Vernahm ich jetzo der Hölle

Täuschenden Ruf? Nicht weiß ich’s — will es nicht wissen; es dreht sich

Schwindelnd die Welt um mich her; sie reiße mich mit in den Abgrund!“

166

Sieh, und er hieb in den Bauch des ächzenden Läufers den Sporn ein:

Brausenden Sprung’s trug fort ihn das Thier, bis er’s vor dem Herrscher,

Der mit dem Feldherrn, ernst und schweigend die nächtliche Bahn zog,

Jetzt festhielt, nach gewaltigem Müh’n: denn wüthenden Ingrimms

Flog es dahin! Nun sprach mit sanfterheitertem Antlitz,

Nach dem Jüngling gekehrt, der weitgefürchtete König:

„Wallstein, ha, wo weilst du? Komm, und rette den Vater

Dir, dem liebenden Sohn, von diesem entsetzlichen Manne!

Milota, fort! Entfleuch! Du warst mir treulich ergeben,

Du, des Herrschers Vasall; doch hast du mit blutiger Faust ihm

Heut’ in dem Herzen gewühlt — frechlautende Worte gesprochen.

Gott ist gerecht. Die Schuld, vergrößert von feindlicher Mißgunst,

Mindert vor ihm ein reuiges Herz: er wird’s nicht verschmähen!

Halte dich künftig entfernt von mir — auch jetzt in dem Feldzug,

Daß nicht mein Zorn, erwacht, dich noch verderbend ereile.“

Jener lächelte grimmig, und rief: „Recht hast du gesprochen:

Weichen will ich — im Kampf’ entfernt dir stehen; der Tochter

Stets gedenken, und flieh’n die Nähe des dräuenden Herrschers.“

D’rauf entschwand er im Feld; doch Ottgar sagte dem Jüngling:

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„Wallstein, höre mich nun! Stets warst du mir theuer vor Allen

Ob des Heldenmuths und der Treue, mit welcher du, liebend,

Hingest an mir: doch heut, wie lohn’ ich geziemend die Thaten

Ewigen Ruhms? Erst rächtest du mich an Rudolphs Erzeugtem;

D’rauf hast du mich entrissen der Wuth umdrängender Gegner.

Sieh’, am kommenden Tag sollst du durch würdigen Lobspruch

Hochverherrlichet steh’n vor meiner versammelten Heersmacht;

Auch den Feldherrn dort, als Führer des böhmischen Fußvolks,

Beigesellt, ein Zeuge der Huld und des Glückes erscheinen!“

Jener entgegnete schnell, von dem Höllenzauber getrieben:

„Herr! du nanntest mich Sohn zuvor, und ein liebender Vater

Willst du mir seyn? Wohlan! Ich rühme mich edlen Geschlechtes,

Ja, des edelsten, das in dem Vaterlande genannt ist:

Reich an Schätzen und Land, gleich Fürstensöhnen geachtet!

Vater, mein höchstes, mein einziges Glück harrt deiner Entscheidung!

Gib mir Hedwigs Hand, des angebetheten Fräuleins:

Dann wird überschwenglicher Lohn mir zu Theil, und ein Eidam

Steht dir dankbar bereit — für dich zu sterben, entschlossen,

Tapferen Muth’s im Feld’, ein mächtiger Schirmer des Thrones,

Den du zierest, und Wenzeslav, dem Erzeugten, vererbest.

168

Hörst du mich nicht: dann fort an die fernsten Gränzen des Weltmeers;

Dann aus dem Leben fort, dann wähle dir treuere Diener!“

„Tod und Hölle!“ so rief entrüstet der König, „wie ward mir

Heut das Geschick, Wahnsinnigen hier zum Spotte zu dienen?

O Verblendeter! Wie? so täuschest du frech und verwegen,

Meine Hoffnungen all’, auf dich gegründet, und trotzest

Auf die erworbene Herrscherhuld? Du erkühnst dich um Ottgars

Tochter zu frei’n — um Hedwig, nach welcher sich Könige sehnten?

Schwind’ aus dem Glanz der Sonn’, aufdämmernder Stern, und durchlaufe

Fern mit jenen die dunkele Bahn, die selber dir gleichen!

Ehren sollte des Königs Ruf dich am kommenden Morgen?

Sieh’, ich schlage dich jetzt — doch, wiss’ es, Bube, zur Schmach nur:

Daß du gedenkest hinfort, wie frech du ihn eben gehöhnt hast!“

Rief’s, von der Hüfte sich reißend das Schwert. Er schlug mit der Kling’ ihn,

Wüthend, über den Helm, und jagte hinüber zur Heersmacht,

Der er genaht, in des Morgenroths erglühendem Lichtstrahl.

Wallstein zog bei dem Schlag schon halb aus der Scheide das Eisen,

Hielt’s so, fest umspannt, hinbrütend, die Augen zum Boden

Heftend, erblaßt, und starrete noch mit entsetzlichen Blicken

Lang’ um sich her; dann stieß er das Eisen zurück, und verlor sich

Von dem Pfad seitab, in des Hains umschattendem Dunkel.

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Sechster Gesang.

Sieh’, im rosigen Duft versank die glühende Sonne

Hinter dem fernen Gebirg; die Nacht umschleierte ringsum

Schon die Gefild’, als jetzo von Neuburg her an der Donau,

Czernin kühn vordrang mit tausend tapferen Böhmen,

Die er, unferne dem Bisamberg, in räumigen Fähren

Uebergesetzt, nach Waldrams Wink, des frechen Empörers.

Dort in verengender Schlucht, die am Fuße des Kahlen- und Leupold-

Berges ein Dörfchen birgt in gebüschumhüllender Bergschlucht,

Lagen die Böhmen im schlauen Versteck, sich Reiter von Oestreich

Rühmend, und hielten das Volk in den Hütten fest, nach des Krieges

Eisernem Brauch, daß kein Verräther dem Feinde zum Dienst sey.

Doch als jetzo der Mitternacht ersehneter Zeitraum

Nah’ war, brachen sie auf, und schlichen am Ufer der Donau

Leise hinab, den Füchsen gleich, die so den Gehöften

170

Nah’n, aus den Ställen umher, raschwürgend, die Beute zu holen.

Als sie Nußdorf links, durch freundliche Traubengeländer

Wandernd, und d’rauf rechts Heiligenstadt, und Döbling erblickten,

Lenkten sie wieder behend zu dem lautaufrauschenden Strom ein,

Bis sie erreichten den Weidenhain unferne der Steinwehr,

Welche das Neuthor schirmt, und harrten, im Dickicht verborgen,

Dort des verheißenen Winks, durch List zu erringen die Festung.

Doch nun klirrten des Thors gewaltige Riegel, und Czernin

Wähnte: verrathen sey dem Feinde sein kühnes Beginnen.

Weniges sprach er nur: der Schweigende hieß er den Kriegern;

Aber das Wenige sprach er mit Kraft; so rief er auch jetzo:

„Männer, fasset das Schwert! Wir wollen dem Feinde das Leben

Theuer verkaufen im Handgemeng’: ein schrecklicher Kampf sey’s!“

Siehe, da ritt aus dem Thor, das aufflog, brausend ein Ritter

Näher, und jagte dem Haine vorbei. Ihm folgte der Knappe.

Hartmann, Wiens erlesener Hort, verließ mit dem Treuen

Eben die Mauern der Burg: er war’s, der näher gesprengt kam.

Alsbald wäre der Feind ihm hier in den Rücken gefallen:

Ihn, der Rettung bedacht, zu erlegen zugleich mit dem Knappen;

171

Aber es schwang sich Marbod jetzt aus dem finsteren Luftraum,

Hastig an Czernins Seit’, und hemmt’ ihn mit täuschenden Worten:

„Czernin, halte die Krieger zurück, nicht siehst du den Feind hier,

Sondern die Freund’, entsandt durch Rüdiger, daß sie im Rundgang

Zieh’n an der Vest’ umher, und erforschen: ob nicht die Gegner

Euerer Macht, auflauernden Blicks, entgegen sich stellen?

Bald ist die Runde vollbracht, euch öffnet sich leise das Neuthor.“

Sagt’ es, voll Hast; dann flog er dem Jünglinge nach, und begann so:

„Hartmann, kehre zurück! In dem Hinterhalte verborgen,

Lauert dir, mit Verräthern im Bund, der listige Feind auf.

Kehre durchs Schottenthor in die Burg, und beschirme die Festung,

Dir von dem Herrscher vertraut mit wichtigem Worte: gehorch’ ihm!“

Aber der Eilende sprach: „Mich däucht, ein Höllengeflister

Hält von der Wallerfahrt mich zurück? Ich gehe, zu bethen

Auf dem Kahlenberg für die schwachaufathmende Mutter:

Ob nicht Gott sich erbarmt; mein Fleh’n die heilige Jungfrau —

Mutter auch sie! voll Huld, dem liebenden Sohn’ an das Herz legt,

Und das erfüllte Gelübd’ erringt der Mutter Genesung?“

172

Als er es rief, da gab er dem Pferde die Spornen, und brausend

Trug es ihn fort im Galopp’ auf die Höh’n des umnachteten Berges.

Dort, zu dem Kloster gelangt, vertraut’ er dem Knappen den Renner;

Zog an dem ehernen Pfortenring, und klingelte. Dreimal

Scholl in der einsamen Nacht, entlang den finsteren Kreuzgang

Hin, der Glocke Getön. Bald klirrte der eiserne Riegel,

Von dem Pförtner getrieben, im Schloß’, und in schweigender Ehrfurcht

Ließ er den Ritter, der „Gelobt sey Jesus!“ ihm rief, ein.

„Ewig!“ gab er zurück’, und verschloß die Thüre mit Sorgfalt:

Denn nicht war er ihm fremd; er kannte des Kaisers Erzeugten.

Aber er schritt entlang die weitgesonderten Zellen,

Die ein freundliches Gärtchen schied, die Reihe hinunter,

Bis zu dem Fenster des Bruders Ernst, und klopfte, nur halblaut

Rufend: „Vater, komm! Schon floh die zwölfte der Stunden,

Komm, und lese die Messe sogleich in der heiligen Halle,

Wo vor dem Kreuz-Bild schon unzählige Kranke genasen.

O, daß dein frommes Gebeth uns erflehte die liebende Mutter!“

„Jüngling!“ so rief der Erwachende jetzt, „was treibest du rastlos

Durch die dunkele Nacht? Der Himmel erhöret das Flehen

Sterblicher mild bei Tag und Nacht, wenn solches der Seelen

173

Heil’ entspricht: stell’s heim, wie es kömmt, der ewigen Vorsicht.“

Sagt’ es, erhob sich, und trat aus der nächtlichen Kammer. Er schlief dort

Immer im härnen Gewand’: um das Grab sein Lager zu tauschen

Jeglichen Augenblick, mit gottergebenem Herzen.

Schauer durchfuhr den Geist, der schnell dem Ritter gefolgt war,

Als er des Bruders bleiches Gesicht, und das Auge, voll Demuth

Stets zur Erde geheftet, ersah; die himmlische Weisheit

Klar an der Stirn’ ihm las, und, vereint abtödtendem Bußsinn

Seelenfrieden und Ruh’ in seinen erhelleten Zügen

Wahrnahm. Dennoch wagt’ er es nicht, ihm zu folgen in Gottes

Heiligthum; nur entfernt und schüchtern sah er hinüber,

Als er dort vor dem Bild des Gekreuzigten, würdigbekleidet,

Stand in dem hellen Schein sechs strahlender Kerzen: sie ragten

Aus den silbernen Leuchtern, geteilt, vom Marmor-Altar auf;

Sah, wie ihm diente der Ritter selbst, auf die Kniee gesunken:

Jetzt ihm brachte das Buch, und er bethete; jetzo, die Gaben

Opfernd, Brot und Wein darreicht’; er Worte des Segens

Ueber sie sprach, dann auf zur Anbethung hob, und, in Demuth

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Klopfend die Brust vorher, genoß: ein hehres Geheimniß

Feiernd. Er staunte noch mehr: wie dort der muthige Jüngling

Ganz in heiliger Gluth und in herzdurch­schauernder Andacht

Aufgelös’t, mit gesenktem Haupt und gefalteten Händen

Bethete; auch den thränenden Blick von der Erde nicht aufhob,

Bis das Opfer vollbracht, und gestillt das sehnende Herz war.

Graunvoll stand ihm Odins1 Altar vor den Augen, und Sclaven

Blutend darauf, die, im Kampf gefangen, als Opfer ihm büßten.

Ach, er preßte sie fest in die Fläche der Hände, nicht wagend,

Sie jetzt himmelempor zu dem furchtbarn Richter zu heben!

Doch schon führte der Mönch den Ritter zur Pforte hinüber,

Schüttelt’ ihm traulich die Hand, und sagte beklommen zum Abschied:

„Gottes Friede mit dir! Vollbracht ist die heilige Handlung,

Wie du gewünscht. In dem Wink des Ewigen liegt die Genesung,

Liegt das Leben, der Tod, und seine Gerichte sind dunkel.

Laß nur walten die Huld: die hier Getrennten vereint sie

Jenseits wieder im Glück’, im ewigen, wahren, und einen!“

Als er sich wandte, zu geh’n, da ergriff ihm Hartmann die Hand noch,

Drückte sie glühend an’s Herz, und rief mit thauenden Wimpern:

175

„Ernst, nicht lebt dir der Vater mehr, nicht die Mutter: zur Kriegszeit

Haben die grausamen Feind’, unmenschlich vor Wuth, in der Kammer

Beid’ erwürgt vor dir, dem scheuverkrochenen Knaben!

Nimmer wurdest du froh seitdem, und wohnst in des Klosters

Einsamer Zell’. Ach, komm, und sey mir ein Stab auf des Lebens

Dunkelem Pfad, mein Lehrer und Freund, und mit dankbarem Herzen

Will ich die Freundesliebe dir treu durch Liebe vergelten!“

Ernst fuhr, schaudernd, zusammen, und rief: „Der Freundschaft erwähnst du?

Ja, mir ward ein Freund von treuem und redlichem Herzen;

Aber er wanderte fort, weit über das Meer, und nach Jahren

Schmerzlicher Trennung — sieh’, drei Schritte von hier, an der Mauer

Dort, erkannt’ ich den Kehrenden schon: da zuckte der Blitzstrahl

Her aus dem Wettergewölk’, und todt, und erstarrt in den Armen

Hielt ich ihn! Ach, nicht färbten sich mehr, und färben sich nimmer

Meine Wangen, vom Schrecken erbleicht, und entsetzlichem Jammer!

Laß mich im Frieden dahier. Geschürzt zur endlichen Wand’rung

Hab’ ich mein Kleid, und ich halte den Stab bereit in der Rechten,

176

Wann, und wie es dem Himmel gefällt: du thue deßgleichen

Hartmann, eile hinab in die Burg: ich höre der Glocken

Stürmenden Ruf im Geschrei und Getös’ lauttobender Menschen!“

Jener horchte, bestürzt; dann warf er sich schnell in den Sattel;

Spornte sein Roß, und flog, lautathmend, den Wällen entgegen.

Dort gebar einstweilen die Nacht entsetzliche Thaten.

Rüdigers horchendem Ohr’ entging das warnende Wort nicht,

Das erst Hugo zuvor dem Kaiser vertraute. Die Sohlen

Fremder Männer gewahrete bald sein spähender Scharfblick

Unten im Felsengang, wo er häuft’ in Menge die Waffen,

Und er sandte den Bothen sogleich an den König von Böhmen,

Daß er ihm eine die Macht. Den Schirmern der Veste zur Täuschung,

Wandt’ er den Blick von dem Stubenthor nach dem stilleren Neuthor,

Wo nur selten erscholl der Fußtritt wandelnder Menschen,

Nie des rollenden Wagens Getös’: nur jenen zum Frommen

Früher erbaut. Dort sah er das Werk der frechen Empörung

Schon gelungen, und harrete nur der verheißenen Hülfsschar.

Jetzt erscholl die Glock’ aus den Fenstern des ragenden Kirchthurms,

Zwölfmal dumpferdrönend dem Schlag des gewichtigen Hammers,

Und ummurrend lang’ in dem leis’entschlummerten Luftraum.

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Alsbald regten im Weidenhain sich die Krieger aus Böhmen —

Traten, in Eisen gehüllt, und mit schneidenden Lanzen bewaffnet,

Aus den Häusern hervor die Verschworenen (siebenmal hundert

An der Zahl) und entlang den Tiefengraben zum Neuthor

Standen die frechen geschart, des Wink’s von Rüdiger Waldram

Harrend. Er zögerte nicht, und kam, und sprach zu dem Amtner:

„Günther, muthig an’s Werk! Mit Hundert deiner Erwählten

Hin zu der Burg: dort stoßt mit würgender Rechte die Wachen

Nieder, und wahret das Thor an der Kaiserstiege mit Sorgfalt!

Hundert send’ ich sogleich in die Runde mit tapferen Führern,

Die auf den Wällen erwürgen die Huth. Ist solches geschehen,

Dann ertöne Geschrei; dann reißt an den Strängen; der Glocken

Sturmruf schalle; das Schlangenhaar aufsträubend, die Augen

Drehend vor blutiger Gier, und schwingend die flammende Fackel,

Tobe der Aufruhr fort in den Straßen, und brülle die Menschen

Wach aus dem Schlaf’ zum Kampf g’en Rudolphs bebende Söldner!

Ottgars harren wir dann: bald kömmt er, und wird ihn zermalmen;

Doch, so er siegt’? — ein Unterpfand ist unser: die Mutter,

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Und die Töchter zugleich: denn Hartmann eilte von hinnen,

Das euch sichere Bürgschaft sey ersehnter Verzeihung.

Nur mir werde sie nicht. Ha, lieber zum eisigen Nordpol

Will ich, ein Bettler zieh’n, als Rudolphs Zepter gehorchen!

Kommt; viel lieber den Tod, als solch’ unwürdiges Leben!“

Rief’s, empört, und alsbald eileten jene dem Amtner

Nach. So wäre die Huth auf den ragenden Mauern erlegen;

Doch auf dem Rasenwall an der Burg, wo im Süden des Schneebergs

Heitere Stirn’ der Wandelnde stets mit Freuden gewahret:

Da er ihm so viel sonn’erhellete Tage vorhersagt,

Ging, gemessenen Schritts, Bertrand, der tapfere Schweizer,

Hüthend umher. Als jetzt zum zwölften Mal von dem Kirchthurm

Dumpf die Glock’ ausklang, von dem eisernen Hammer geschlagen,

Sieh’, da stand er erstarrt! Ein Schrei — doch schrecklich zu hören,

Scholl ihm vom Mund; sein Haar aufsträubte sich; laut, wie im Fieber,

Klapperten ihm die Zähn’. Er sah zwölf Schattengestalten:

Häßliche Weiber der Stimm’, und wankende Greise dem Gang’ nach,

Kommen, in Leichentücher gehüllt, todbleich und den Nacken

Altersschwer gebeugt: die Klag’ genannt von dem Volk dort,

Welche, vereint (sechs hie, und drüben so viel’) auf der Schulter

Trugen die Bahre heran, und stöhneten. Aber sie zogen,

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Sein nicht achtend, vorbei; dann fort, an der Mauer der Hofburg

Steilrecht schwebend empor — fort über das Dach, und verschwanden

Fern in der finsteren Luft mit kläglichem, leisem Gewimmer.

Weiber, so sagt sich das Volk mit schaudernder Angst in die Ohren,

Die auf der irdischen Bahn sich unnennbarem Frevel ergaben,

Gingen im mitternächtlichen Zug einher auf dem Erdkreis;

Klagten, und ächzten, und trügen die Bahr’ an der Kammer vorüber,

Wo, zumal bei den Fürsten des Volks — bei den Mächtigen, Hohen,

Bald anklopfet der Tod: sie sterben, und Weinen erschallet.

Jetzt vernahmen den Schrei die Gefährten des Kriegers. Sie blößten

Hurtig das Schwert; erkletterten schnell die ragende Mauer;

Schrie’n von fern: „Wer da?“ und fragten zugleich um die Losung.

Zwar nicht kam aus dem Mund des Kriegers das heimliche Wort jetzt:

Denn noch stand er verstört, und zitterte; aber sein Hauptmann

Sah die nahende Schar bewaffneter Bürger: ihm ahnte

Schnöder Verrath. Alsbald erhob er die mächtige Stimme;

Schrie an die Nachbarhuth, und diese der nächsten, und nächsten

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So, daß der Lärmruf rings umtönte die Veste: den Kriegern

Nun zum Glück’ erregt von dem angstergriffenen Mann dort.

Als der Ueberfall dem Hort der empöreten Bürger,

Günther, mißlang: da mahnt’ er sogleich die Seinen zur Rückkehr,

Sich mit Rüdiger Waldrams Macht zu vereinen am Neuthor.

Schon begann er den Kampf. In des weitgewölbeten Thorwegs

Mauern sah er die Stub’ erhellt, und die Krieger entschlummert.

Nur die Wach’ allein ging inner dem Thore den gleichen,

Ernstgemessenen Schritt herauf und hinab. An die Schulter

Hatt’ er die Lanze gelehnt, und summte zuweilen ein Liedchen.

Schnell, wie der Blitz, flog Rüdiger vor, und setzte dem Krieger,

Dräuend, das Schwert auf die Brust, so er schrie, ihn zu tödten, entschlossen.

Ach, an dem Zürcher-See ließ Wolf in der reinlichen Hütte

Gattinn und Söhnchen zurück: denn kaum entschwand ihm ein Jahr erst

Glücklicher Ehe, als ihn zu den Waffen der tapfere Herzog,

Albrecht, rief! Er sann, des Kind’s und der Gattinn gedenkend,

Einen Augenblick; dann dacht’ er der Pflicht und der Rettung

Seiner Gefährten: er schrie — der edelmüthige Krieger

Schrie, und sank, von Rüdigers Schwert durchbohrt, auf den Sand hin.

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Wildes Getümmel erscholl. Hervor aus der dämmernden Wachtstub’

Stürmten Wolfs Gefährten, voll Hast, und Rüdiger Waldram

Hob das blutige Schwert mit gellendem Ruf in die Luft auf.

Alsbald trafen sich, im Gemeng, die empöreten Bürger

Und die Krieger zugleich. Wie Nachts von der eichenen Tenne

Lautes Gepolter erschallt, wenn emsige Löhner des Weizens

Goldene Frucht entdreschen dem Halm: so tönte der Waffen

Hämmernder Schlag von dem Schild’ und dem Helm der kämpfenden Männer.

Nur Gestöhne der Wuth erscholl in den Hallen, und Blut floß

Rings in Strömen umher. Die Krieger des Kampfes geübter,

Würgten die größere Zahl; doch so, wie die Stier’ auf dem Schauplatz

Von unzähligen Rüden umstürmt, mit furchtbaren Hörnern

Manchen der Feinde, durchbohrt, hinstrecken, und wüthend sich wehren,

Bis sie zuletzt erliegen der stets ergrimmteren Mehrzahl:

Also, nach tapferer Gegenwehr, erlag an dem Neuthor,

Ueberwältigt, die Huth von fünfzig tapferen Kriegern.

Ha, da flogen sogleich des Thors gewaltige Flügel,

Heulend, auf eisernen Angeln entzwei! Mit traulichem Handschlag,

Grüßte die böhmische Schar, die draußen, mit steigender Kampfgier,

Harrete, hier das verbündete Volk, und stürzte, dem Mühlbach

Gleich, der schäumender Hast, durch weiteröffnete Schleußen

182

Wild herrauscht, in die Stadt, und Rüdiger jauchzete laut auf:

„Eilt zum Kampf, Gefährten des Siegs! Schon seh’ ich erfüllet,

Was wir sehnlich gehofft: den Sturz des verhaßten Geschlechtes.

Unser die Stadt, das Volk empört. Auf, laßt uns die Söldner

All’ erwürgen im Schlaf, die jetzt auch des Führers beraubt sind —

Hartmanns: denn er floh, feig bebend, zuvor aus der Festung!

Schließet die Flügel sogleich des festeinfugenden Thores,

Und erweckt die Bewohner der Stadt zum Kampf der Errettung.“

Czernin jubelte nicht. „Fürwahr,“ so sprach er bedeutsam,

„Viel ist gescheh’n, und mehr, als die Hoffnung verhieß zum Beginne:

Nahe der Kaiserburg erblitzen die böhmischen Waffen;

Aber ich scheue des Glücks und des leicht zu bethörenden Volkes

Wankelmuth! Gar mächtig bewegt des herrschenden Stammes

Fromme Liebe die Brust: der Zauber, welchem die Herzen

Huldigen, kalt vom Erob’rer gekehrt — nicht selten auf immer.

Zwar verheißt uns die Schreckensnacht in dem Kampfe den Vortheil;

Doch uns bleibe dieß Thor. Des Rückzugs denke der Feldherr

Auch in dem Sieg, sonst gleitet sein Fuß auf schlüpfrigem Pfad’ aus.“

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Sagt’ es, und ließ an dem Thor zweihundert tapfere Krieger,

Sorgend, zurück: Bolest, dem Amtner, die Kühnen vertrauend,

Der, in dem Felde bewährt, mit festausdauerndem Kampfmuth

Schirmer ihm sey, und dereinst, so es also des Krieges Geschick will,

Seinem Volk’ es eröffne zur heißersehneten Rettung.

D’rauf vordrang er zugleich mit Rüdigers jauchzenden Scharen:

Denn schon hob aus der Stadt unendlicher Lärm und Getümmel

Sich in die Luft. Von den Thürmen umher ertönten die Glocken

Stürmenden Rufs; unzählige Feuer, mit hastigen Händen,

Rings auf den Zinnen entflammt, erleuchteten schrecklich die Umwelt,

Und Gebrülle der Wuth, unsinniger, frecher Empörung,

Scholl die drönenden Straßen hinab. Da fuhren die Mütter

Auf aus dem ruhigen Schlaf’, und stürzten herbei an das Fenster,

Weinten, und rangen die Händ’, umschart von heulenden Kindern.

Zitternd stand der Greis an der Thür: sein silbernes Haupthaar

Schlug ihm der Wind um die Stirn’ und die toderblasseten Wangen —

Sah den eilenden Sohn, und schrie, daß er kehre, vergeblich.

Aber es mehrte die Schar der Verblendeten weniges Volk nur,

Das, unstät und heimathlos, in die Veste gekommen

Ehedem: treu verharrt’ in der Pflicht die bessere Mehrzahl.

184

Doch schon trafen, voll Wuth, die Empörer und ihre Genossen

Auf das muthige Schweizervolk, das kühn im Verein stand.

„Hartmann!“ scholl’s in der Burg, und „Hartmann!“ rings in den Straßen

Aengstlich und laut — umsonst: er weilte noch fern auf den Berghöh’n.

Da gedachten der Gegenwehr die Obersten: Arnold,

Flüe, und Hohenried, und stellten die Scharen im Halbmond,

Der sein Horn hier rechts, dort links in die Straßen hinausschob,

Gegen den wildempöreten Feind, vor der ragenden Burg auf:

Also vor ihr in dem Kampf, pflichttreu, zu sterben entschlossen.

Rüdiger stürmt’ auf Hohenried, der vorne die Scharen

Ordnete, los, und schrie: „Dich, Rudolphs treuen Gesellen,

Will ich allen zuvor, als heulenden Bothen, zur Hölle

Senden: verkünd’ es nur dort, daß sie folgen, und keiner entrinnt mehr!“

Rief’s, vorschreitend, und jener begann: „Gewaltiger Prahler,

Wärst du so tapfer, als frech mit der tönenden Zunge: mir würde,

Trau’n, erbangen die Brust; doch komm, und büße den Frevel,

Den du verübst g’en Treu’, und Pflicht, und den heiligen Eidschwur!“

So wortwechselten sie in dem Augenblick der Entscheidung.

Allen zuvor kam Hohenried, den blinkenden Degen

Schwingend, und drang grad’ aus auf Rüdigers pochende Brust ein.

185

Aber er hielt ihm entgegen den Leun, von Silber gestaltet,

(Ottgars Löwen zum Ruhm’) auf dem Schild von mächtiger Wölbung:

Dieser wehrte dem Stoß’, und der sprödere Stahl, auf des Leu’n Haupt

Treffend, brach, wie unbeugsames Glas, mit kreischendem Mißlaut

Mitten entzwei. Da stieß, in des Gegners erschütterndem Unfall

Kühner geworden, ihm Waldram schnell die Spitze des Degens

Durch die erhobene Hand, daß ihr auch das umklammerte Heft noch,

Blutumhüllt, entsank — er wehrlos stand vor dem Gegner.

Sieh’, er hätt’ ihn durchbohrt: doch rissen hurtige Krieger

Ihn aus umdrängender Todesnoth, und führten ihn sorglich

Hinter die Reih’n, wo ihm Hülf’ und erquickende Pflege zu Theil ward.

Waldram schrie: „Getreue, nun vor! Des Führers beraubet,

Wanken die Feinde. Hinauf in die Burg, wo, sehnend, die Gattinn

Rudolphs harrt mit den Töchtern des Siegs und der fröhlichen Heimkehr

Ihres Gemahls. Vergeblich harre sie. Eilt, und geleitet

Sie in das Kloster Sanct Dorothe’; doch führet sie sanft hin:

Denn sie that uns kein Leid, und nah’t, abzehrend, dem Grab schon.

186

Nur dem Herrscher allein, der seither Kaiser sich nannte,

Zeiget euch unversöhnlich, und schont ihn selbst in dem Tod nicht!“

Also rasete Waldram hier. Die frechen Empörer

Griffen wüthender an, und drängten die mittlere Kriegsschar,

Ihres Gebiethers beraubt, stets weiter zurück in den Burghof.

Czernin spornte sein Roß nun links, nun rechts, und entflammte

Laut mit Geschrei sein Volk, in die Feinde zu stürmen. Es kämpften

Flüe dahier, und Arnold dort, voll eisernen Muthes,

Gegen ihn an, und zu schwach, der Menge die Spitze zu biethen,

Zog sich Flüe, im schräggedehneten Zuge, vom rechten

Eilig zum linken Horn, um, vereint dem kühnen Gefährten,

Arnold, dort zu steh’n, und zu fallen im rühmlichen Kampf nur.

Dichtgedrängt in Reih’n, vorhielten die Schweizer die Lanzen

Hier dem stürmenden, reisigen Volk; die verwundeten Rosse

Wütheten — d’rauf noch mehr mit dem würgenden Eisen die Reiter

So, daß das Blut aufwogt’, und die starrenden Leichen bewegte:

Dennoch wichen nicht hier, nicht dort die erbitterten Gegner.

Doch von dem Kahlenberg, voreilend dem fürstlichen Jüngling,

Nahete Marbod erst, und sah mit Schrecken des Kaisers

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Schirmende Burg von der Macht des argen Verräthers gefährdet.

Nicht besann er sich lang’, und eilte hinaus nach dem Tabor,

Wo der Kaiser im Zelt sanft schlummerte, mitten im Lager

Seines erlesenen Heers. Dort fand er auch nahe das Schlafzelt

Hugo’s, den er erst gestern warnt’. Ihn dacht’ er zu wecken,

Senkte den Flug rasch hin, und begann im Geistergelispel:

„Auf, erhebe dich, Greis! Bald schaust du die Flamme des Aufruhrs

Leuchten heran von den Thürmen der Stadt, und hörest von dorther

Stürmenden Glocken-Klang und Gebrüll empörter Gesellen.

Wie, so schnell vergaßest du nun des warnenden Traumes:

Lachtest wohl fein? Auf, säume nicht hier zu erwecken den Herrscher!“

Eben rief auch die Vorhuth schon an dem Rande des Lagers

All’ das entschlummerte Volk stets lärmender auf zu den Waffen.

Aber der Greis erhob sich, voll Hast, und sah in der Wahrheit

Jenes erfüllt, was ach, nur ein Traum noch gestern ihn dünkte!

Eilig trat er sofort zu dem Herrscher, und sagte beklommen:

„Herr! unglaublich erschien dir vielleicht des träumenden Greises

Warnung? Tritt vor das Zelt, und vernimm mit Staunen des Aufruhrs

Wuthgeschrei in der Stadt, empört durch Rüdiger Waldram.

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Willst du’s, Herr, so eil’ ich mit reisigem Volk vor das Burgthor,

Einlaß heischend, und dämpfe die Gluth, eh’ ihr Flammen entfahren!“

„Nein, ich fürchte sie nicht,“ so entgegnete jener, „den Auswurf

Meines Volks empörte der Rasende nur, und die Bessern

Hängen noch redlich an mir. Und wie, ist mein tapferer Sohn nicht

Wiens Besatzung ein schirmender Hort? Sind Mutter und Schwestern

Ihm nicht ein heiliges Pfand, und es wagten die frechen Empörer,

Ungestraft, mit frevelnder Hand an die Theuern zu tasten?

Hundert Reiter allein genügen mir, sie zu vernichten.

Komm, wir zertreten die Gluth gar leicht im niedrigen Staub noch:

Denn ich bau’ auf die Hülfe des Herrn und die Liebe des Volkes.“

Heiter schwang er sich jetzt auf das Roß, und flog mit dem Helden

Hugo, im sicher’n Geleit erlesener Reiter zur Stadt hin;

Dann an dem Walle herum, bis er endlich des finsteren Burgthors

Graben ersah. Dort hemmt’ er das Roß, und winkt’: ein Drometer

Stieß in das schmetternde Rohr, und sieh’, bald riefen die Krieger,

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Kletternd herauf an dem Wall’: „Ist’s Hartmann, unser Gebiether?

Kommt er, ein Retter, heran in der Stund’ entsetzlicher Nothwehr?

Laßt uns vernehmen des Freundes Ruf, und wir senken das Fallthor!“

„Gott, und das Vaterland!“ so gab mit gewaltiger Stimme

Hugo zurück, „ist Freundesruf in dem Lager von Oestreich:

Aber nicht Hartmann — nein, den Kaiser gewahrt ihr als Retter!“

Laut erhob sich ihr Jubelgeschrei; doch näher und nähere

Scholl von der Roß-Au her, wo sonst die Rosse der Krieger

Weideten, schon das Getrab und das Klirren des Waffengeschmeides

Auf in der Nacht. Ach, Hartmann war’s! Ihn erkannte der Vater —

Ihn, den Vater, der Sohn. Verwirrung, Angst und Entsetzen

Faßten wechselnd ihn an; nur leis’ und furchtsam begann er:

„Vater, ich ging, auf dem heiligen Berg für die Mutter zu bethen,

Wie ich es jüngst verhieß der Flehenden: denn nicht entfernt mehr

Scheint ihr des Lebens Ziel; doch ach, entsetzlichen Frevel

Seh’ ich indessen verübt von den Meuterern hier, in dem Zeitraum

Einer entflohenen Stund’! Ich räch’ ihn, und sollt’ ich auch fallen.“

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Aber der Vater schwieg. Erschütternd zu schau’n, wie er vor sich

Hinsah, schweigend und ernst. Da flog der unglückliche Jüngling

Ueber das Thor, das erst mit Getös’, auf den Graben gesenkt, fiel,

Durch die finsterumwölbende Halle hinaus auf des Burghofs

Räumigen Platz. Er sah, wie auf Leichen erschlagener Brüder,

Rüdiger Waldrams siegender Macht, ein tapferes Häuflein

Muthig entgegenrang, der jetzt, Entsetzliches sinnend,

Ueber die Stufen hinauf in die Kammer zu dringen gedachte,

Wo die Fürstinn sich fand mit den lieblichen Töchtern: entschlossen,

Sie mit frevelnder Hand in des Klosters Gewahrsam zu bringen:

Denn er wähnt’ errungen die Burg, und dem böhmischen Löwen

Unterthan die Stadt mit Oestreichs herrlichen Fluren.

„Halt, Verruchter!“ so rief, aus dem Sattel gestiegen, ihm Hartmann

Donnernd zu. Er entblößte das Schwert, und kam wie ein Rohrwolf,

Der in des Winters Frost, vom Hunger getrieben, voll Blutgier,

Ein in die nächtlichen Hürden stürmt, und die blöckenden Lämmer

Würgt mit zerfleischendem Zahn: so kam er in Eile gesprungen.

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Flammen sprühte sein Aug’, und aus seiner erhobenen Rechten

Zuckte der Blitz gen Waldram hin; doch als er ihm nahte,

Wandte sich dieser, und rief: „Ha, du, Verhaßter vor Allen;

Jetzo nur muthig heran: euch all’ entsend’ ich zur Hölle!“

Flog, so rufend, ergrimmt, dem Feind’ entgegen, und strebte,

Stöhnend vor Hast, das Schwert in die tapfere Brust ihm zu stoßen;

Aber er schlug, vorschauenden Blicks, den nahenden Mordstahl

Seitwärts; führte den Todesstreich; zerschmetterte Waldrams

Helmdach tief in die Stirne hinab, und warf ihn entseelt hin.

Doch nicht rastet’ er noch: er saß blitzschnell in dem Sattel

Wieder: erhob das blutige Schwert; ritt glühend vor Mordgier

Mitten hinein in die Schar der Empörer, und wüthete links, rechts

Dort mit würgender Faust, daß Leichen auf Leichen sich häuften.

Ihres Gebiethers beraubt, und entmuthiget, warfen die andern,

Schnell die Waffen von sich, und floh’n, im Verborgenen Rettung

Suchend, davon. Die Burg ward frei durch den tapferen Jüngling.

Czernin drängte zuvor die hauptverwaiseten Scharen

Arnolds: ihm wichen die Krieger nur Schritt für Schritt in dem Wuthkampf,

Bis zu dem Schottenthore hinab. Sie schlossen sich eng’ an

Dort vor dem Gotteshaus’, und wehrten sich: alle für Einen,

Einer für alle zu sterben bereit, im rühmlichen Tod nur.

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Keiner wär’ ihm entfloh’n, wenn jetzo nicht, keuchend im Eilflug,

Näher der Reisige kam, und schrie: „Erschlagen ist Waldram:

Denket der Flucht! Er fiel in dem Kampf mit des Kaisers Erzeugtem;

Aber er selber, so jubelt das Volk, hält draußen am Burgthor.“

„Freunde,“ so rief ihr Hort den Reisigen, „Rüdiger Waldram

Hat uns schnöde getäuscht; nicht des Kampfes Gefahren — der Festung

Leichten Besitz verhieß er uns jüngst, da er stolz sich des Antheils

Aller Bewohner vermaß! Mit Recht wohl büßt’ er den Frevel.

Unser, zum Glück, das Thor: nun laßt uns gedenken der Rückkehr!“

Rief’s, und den Tiefengraben entlang, zu dem stilleren Neuthor

Jagt’ er das Roß: ihm nach die Reisigen alle. Die Flügel

Theilten sich heulend entzwei, und nicht rastet’ er, bis er die Fähren

Wieder ersah an dem Ufer der weithinrollenden Donau.

Doch nicht füllte den Raum der schwankenden jetzo die Last mehr,

Wie zuvor: erwürgt in den Straßen der mächtigen Festung

Lag die Hälfte des reisigen Volks, das gestern herankam.

Aber mit Trauer im Blick, obgleich ein Sieger, und Retter

In der Gefahr, kam Hartmann jetzt aus dem finsteren Burgthor,

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Langsam geritten heraus, wo sein der liebende Vater

Harrte; trauernd auch er, ob solchem Vergehen des Sohnes.

Dieser begann: „Verhallt ist der Sturm unsinnigen Aufruhrs:

Waldram büßte die Schuld: von meinem vernichtenden Eisen

Liegt er, durchbohrt, an der Treppe der Burg, die er, frevelnden Fußes,

Erst zu betreten gewagt; die Verbündeten schützte die Flucht nur.

Dennoch steh’ ich vor dir, ein Schuldiger. Soll ich auch büßen —

Denke des dunkeln Geschicks, das oft auf irdischer Laufbahn

Auch die Besseren feindlich ereilt! Nie mög’ es dich treffen!“

Und er senkte das Haupt. Doch Rudolph sah ihn, bewegt, an,

Hob die Rechte empor, und sagte mit rührender Stimme:

„Treu erfülltest du dein Wort, als edeler Ritter,

Mildgesinnet, und fromm, der sterbenden Mutter gehorsam;

Aber dich sollte die Pflicht mit eiserner Macht an die Festung

Bannen: ihr solltest du steh’n ein Hort in dräuender Kriegszeit,

Und ein wehrsamer Schild in der Noth. Wer darf sich erkühnen,

Das, was höher ihm schien, vor jener zu wählen nach Willkühr?

Herrndienst rief dich hier zu dem Dienste des Herrn, und du fehltest

Gegen das göttliche Wort des welterleuchtenden Lehrers.

Dein Vergeh’n, unglücklicher Sohn, soll keinem der Krieger

Künftig zum Beispiel seyn, zur Ermunterung, Gleiches zu wagen!

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So wie ich jüngst, der Veste zum Schirm, das Schwert dir vertraute,

Stellst du’s wieder zurück’, in die Hände des Helden von Tauffers.“

Jener reichte das Schwert ihm dar, erblassend, und schweigend.

Sieh’, jetzt kam aus dem Thor’ ein Jüngling gelaufen, und rief so:

„Herr, voll Angst erschein’ ich, ein Both’ aus des Jammers Behausung.

Deine Gattinn verschied in den Armen der liebenden Töchter

Sanft und ruhig um Mitternacht, noch ehe der Hammer

Zwölf’ ausschlug; o komm, und sey den armen ein Tröster!“

Hartmann warf sich vom Roß, und flog — ihm folgte der Vater,

Langsam und wankend vor Schmerz, die Stufen hinauf in die Kammer,

Wo die Heilige sanft entschlummerte: schnell zu erwachen

Wieder zum ewigen Glück’ und nie vergänglicher Wonne.

Ihr zu dem Haupt’ und den Füßen, die Stirn’ in die Hände geheftet,

Saßen die Töchter umher: gleich Marmorgestalten am Grabmaal,

Die zur herzerschütternden Schau der Künstler gebildet.

Hartmann beugte sich über sie hin; er küßte, noch stöhnend,

Ihr die erkaltete Hand, und der leis’aufweinende Vater

Warf sich im stillen Gebeth’ auf die Knie’. Nur Seufzer erschollen;

Thränen regten sich nur an den schmerzerstarreten Wangen.

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Aber am Morgen wie dumpf und bang ertönen die Glocken

Von den Thürmen der Stadt! Was läuft, und drängt sich das Volk jetzt,

Thränenumflossenen Blicks, in die heiligen Hallen des Domes,

Den, wie im Dunkel der Nacht, unzählige Kerzen erhellen?

Feierlich schallt ein Wehe-Getön’ aus der Orgel: Posaunen

Heulen, gedämpft, in den Sterbegesang vielstimmigen Chores,

Der von dem Tage des Zorns, von dem unerbittlichen Richter,

Von dem Gericht und dem Ende der Welt in Feuer und Flammen,

Spricht mit erschütterndem Laut. Doch jetzt gewahren die Augen

Mitten das Trauergerüst, auf drei, sich verjüngenden Stufen

Sinnig erbaut, und umher mit schwarzem Tuche behangen.

Ueber den Stufen gesammt ruht dort die sterbliche Hülle

Jener Verewigten schon, mit der Stirn’ zum Altare gewendet,

In dem geräumigen, sammt- und goldbekleideten Bleisarg.

Oben ziert ihn die Krone von Gold; die schimmernden Wapen

Sind an dem Trauergerüst ringsher auf Säulen geheftet,

Und auf silbernen Leuchtern erhöht die flammenden Kerzen.

Weihrauch wallt empor in die heiligen Hallen; die Priester

Feiern das Seelen-Amt am Altar, und die bethende Volksschar

Liegt auf den Knieen, und schluchzt: um die Beste der Fürstinnen trauernd,

Die nur zum Segen gelebt, als Mutter der Armen und Waisen.

Aber, erschütternd zu schau’n: nicht fern dem heiligen Altar,

Knie’t, von den Seinen umringt, und im Trauergewand auch der Kaiser:

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Alle zugleich vor Schmerz erblaßt — wie gealtert seit gestern!

Ach, sie starren zuweilen mit rothgeweineten Augen

Nach dem Sarg’, und sehnen sich, ihr, der selig Erhöhten,

Wieder vereinet zu seyn schon dort auf immer und ewig!

Als nun alles erfüllt, und die heilige Handlung vollbracht war,

Schwebte der Sarg, vom Gerüst’ auf kräftige Schultern gehoben,

Langsam hinab in die Fürstengruft. Zu Paaren geordnet,

Gingen die Priester ihm vor, und beteten leise den Bußpsalm;

Ihm nachfolgten die Ihren mit wankendem Schritt. Und so ward dort

Beigesetzt in der Gruft die Leiche der edelsten Fürstinn.2

Aber der Kaiser sprach zu dem ältesten seiner Erzeugten,

Albrecht: „Glühender Schmerz nagt tief in dem Herzen des Vaters

Und der Erzeugten zugleich, die jetzo der Mutter beraubt sind.

Ach, mich zög’ es wohl hin, in der einsamen Kammer zu trauern,

Jahrlang: denn nicht sehe ich mehr die holde Genossinn

Meines Lebens vor mir; nicht hör’ ich die Worte des Trostes

Aus dem Munde der Gattinn hinfort, wenn Tage des Kummers

Nah’n! So lösen sich hier die trautesten Bande des Lebens,

Die uns umfingen mit Lieb’, und wir steh’n am errungenen Ziel oft,

Wie der pilgernde Fremdling, allein. Doch sey es, wie Gott will!

197

Jetzt, wo das Glück der Völker, der Ruhm, und das Beste des Landes,

Uns’rer Ehre vereint, von des blutigen Kampfes Entscheidung

Abhängt, laß uns das Leid, das eigene, tief in des Herzens

Unterstem Grund verschließen, und stark und kräftig einhergeh’n,

Wie es dem Manne geziemt, der würdig zu handeln, bestimmt ist.

Höre denn, was ich zuvor erwog im Gemüth’, und getreulich

Dann zu erfüllen beschloß! Jüngst wüstete weit in dem Marchfeld,

Wege und Stege gesammt, das entsetzliche Donnergewitter

So, daß dem Heereszug Gefahren entgegen sich thürmen

Sonder Zahl, die ein Feldherr nie hochmüthig verachte.

Ich geleite das Heer gen Heunburg heute noch, morgen

Ueberzusetzen, gesinnt, den Strom auf künstlichen Brücken,3

Die uns, auf Flöß’ erbaut, und mit lastenden Ankern gefesselt,

Dienen zur Bahn. Schon sah ich am Ufer unzählige Stämme,

Wohl behau’n, und gefügt von den werkbeflissenen Löhnern.

Eile mir vor im Gefolg fünfhundert erlesener Krieger,

Dort zu gebiethen den Bau, mit kundiger Sorgfalt. Ich folge

Rasch mit dem Heere dir nach, und steh’ an dem kommenden Morgen

Drüben am Ufer der March, vereint mit des Königs von Ungern

Tapferem Volk, im Rücken des Feind’s, und im mächtigen Vortheil.

Rühmt er der Menge sich gleich, doch siege die Treu’ und das Recht nur.“

198

Jener begann alsbald: „Mit Freuden gehorch’ ich dir, Vater!

Aber, o sieh’, da sprengt dein Hartmann, eilenden Fluges,

Mit dem getreuen Kurd, der einst in den Jahren der Kindheit

Ihn auf den Armen trug, und den blühenden Jüngling das Reitroß

Bändigen lehrt’ auf der Ritterburg, ein tapferer Degen,

Näher; mich dünkt: zu weiterer Fahrt, mit dem Treuen, gerüstet!“

Hartmann hemmte den Lauf, und sagte, herüber gewendet:

Denn schon stand sein Roß auf dem Sprung, zu den Staunenden also:

„Leb’ wohl, Vater, und ihr, Geschwister mein, auch ihr alle,

Lebet auf lange denn wohl! Gar viele der Wege hienieden

Sind’s, die Gott die Seinigen führt; doch bringt er uns einst dann

Wieder zusammen im Glück von unvergänglicher Dauer!

Fort an den vaterländischen Rhein — hinüber nach Aargau,

Führt mich der Weg: denkt mein, des Entfernten, mit Liebe zuweilen!“

Rief’s; dann gab er dem Pferde den Sporn, und schwand auf dem Heerweg

Plötzlich dahin: ihm sah’n die Beiden mit thränendem Blick nach.

199

Siebenter Gesang.

Marbod sah aus den Wolkenhöh’n, verglommenen Blickes,

Wie der Mond, umflort von herbstlichen Nebeln am Morgen,

Lang’ auf die dämmernden Fluren herab. Er dachte des Bruders

Ernst auf dem Kahlenberg, der kriegrische Thaten verschmähend,

Froh in der Einsamkeit verharrete: selbst, da ihm Hartmann

Ehre und Vortheil both in des Throns hellschimmerndem Umkreis.

Völlig fremd erschien ihm die Erd’, und verändert der Menschen

Leben und Geist. Nur Feindes-Gewürg im Schlachtengetümmel

Sann er sein Lebenlang; nur Kampfmuth heisch’t er vom Manne,

Und, ergrimmt, so ihm einst das heiß Ersehnte versagt war,

Schlug er den Stein mit dem Schwert’, und spaltete Bäume des Waldes —

Ja, was jetzt ihn zermalm’t, unschuldigen Menschen die Scheitel:

200

Denn jetzt hört’ er von Liebe des Feinds, versöhnender Sanftmuth,

Schonung, und froher Geduld, und des Friedens sanften Gebothen.

Feig und entnervt erschien ihm fürwahr dieß Volk, so er seither

Nicht mit staunendem Blick sein Heldenleben gewahrte:

Seinen Muth in dem Kampf’ und im Tod, der Helden zu Theil wird.

Doch nun horcht’ er, erstaunt: im lauten Getöse der Waffen

Kam des Kaisers gewaltige Macht auf dem stäubenden Heerweg

Näher. So, wie der Sturm, empört, hersaust, und die Blätter,

Tausendfältig bewegt, aufrauschen im finsteren Waldthal:

Also klang in sein Ohr des kommenden Heeres Getümmel.

Alsbald schwebt’ er vom Morgengewölk nach den Zinnen der Heunburg

Hin: einst Attila’s Burg, der sich, als König der Heunen,

Furchtbarn Ruhm gewann, da er Gottes Geißel genannt ward;1

Doch verödet aufragte die Burg in die Lüfte; der Epheu

Kroch an der Mauer umher, und durch weitgehöhlete Fenster

Sah der bläuliche Himmel herab in den grasigen Hofraum,

Wo vom zerschlag’nen Gesims’ ureinst verfallener Bögen

Sich der Dornstrauch hob, und im Windesgesäusel sich wiegte.

Dort von des Wartthurms schwindliger Höh’ ersah er des Kaisers

Nahende Macht, und ihn selbst inmitten der tapferen Scharen:

201

Wie auf dem feurigen Roß er schaltete, hin und herüber

Eilend, sie in geordneten Reih’n zum Ziele zu leiten.

Unabsehlich hinab auf der Straße war reges Gewimmel,

Lärm, und Getös’. Im Lichte der hellaufstrahlenden Sonne

Lachten die Fluren rings, und sie sog aus den blanken Gewehren,

Aus dem Harnisch und Helm, wie der Blitz augblendend, die Funken.

Jetzt, wo am Fuße des Bergs sich weit hinüber, im Halbkreis

Windet der Donaustrom, anlangten des Heeres Geschwader.

Zweifach theilt er sich dort, und streckt ein liebliches Eiland,

Gegen die breiteinmündende March zum linken Gestad hin.

Sieh’, und all’ die Nacht anschwammen die mächtigen Stämme

Wolkengethürmter Fichten, gesandt aus dem südlichen Forstland

Oestreichs, das im Gebirg, unendlicher Fülle, sich ausdehnt!

Dort, gehorchend dem Wink des hohen Erzeugers, erbaute

Albrecht nun die Brücke dem Heer’. Der Stämme je sechzehn

Hatt’ er zu Flößen vereint, und über des eilenden Stromes

Rücken, im kiesigen Grund mit lastenden Ankern gefesselt:

D’rauf erhöht das Säulengebälk’; unendliche Stämme

Ueber ihn hin gefügt, und sie in die Quere mit Bohlen

Dicht bedeckt: dem Mann’ und dem Rosse zum sicheren Heerweg,

Den an jeglichem Rand’ ein leichtes Geländer begränzte.

Doch vom Gestade, wohin mit duftenden Matten das Eiland

202

Sich erstreckt, hieß Albrecht dann die Brücke noch schneller

Ueber den schmälern Arm erbau’n: denn längliche Fähren

Reihten, über der Fluth von gewichtigen Ankern gehalten,

Sich hinüber den Strom, und einten die ragenden Ufer:

Sicheren Uebergang dem eilenden Heere zu bahnen.

„Trefflich hast du, mein Sohn,“ so rief ihm der Kaiser entgegen,

„Alles und Jedes vollbracht, und bezwungen die Fluthen des Stromes

So, daß wir hinziehn auf ihm, und, des furchtbaren Abgrunds

Achtlos, freudig zum Ziel, dem ersehneten, fördern die Schritte:

Drüben dem stolzvertrauenden Feind’ in den Rücken zu stürmen.

Dein gedenken mit Ruhm noch kommende Menschen­geschlechter.“

„Vater,“ so sagte darauf der Tapfere, „nimmer geahnet

Hättest du wohl: ich sey jetzt eigennützig, und harre

Gierig des Lohnes? So ist’s: mir wollest du solchen gewähren

Bald in der Schlacht: daß ich dort das Zeichen des Sieges vor dir her

Tragend, kämpfe zugleich für den edelsten Herrscher und Vater!“

Rudolph legte die Hand ihm sanft auf die Schulter, und sah ihm,

Beifalllächelnd in’s Aug’: ein zartgesinneter Vater!

203

D’rauf erhob er das Schwert, und ritt, der erste vor allen

Ueber die Brücke, das Roß kurz haltend am Zaum’, und ihm folgten

So im gehalt’nen Schritt die Reisigen — folgte das Fußvolk

Rastlos nach. Sie donnerte laut, von unzähligen Hufen

Wiehernder Rosse gestampft; doch unter des eilenden Fußvolks

Ehernem Schritt’, erdrönte sie dumpf nur, und schwankte der Last nach.

Also zog er den breiteren Arm, des grünenden Eilands

Augefild’, und den schmäleren Arm der mächtigen Donau

Freudig hinüber zum linken Gestad’, am unendlichen Marchfeld.

Dort aufstellt’ er das Heer, und rief dem kühnen Capellen:

„Tapferer, sey mit der Schar fünfhundert erlesener Reiter

Heute der Führer des Vorderzugs, schlagfertig und wachsam

Jeglichen Augenblick, so Gefahr uns drohte vom Gegner!

Otto von Meißau lenkt die Reisigen; doch vor dem Fußvolk

Ziehe nun Meinhard, herrschend, einher; ich gebiethe dem Nachzug.

Rastlos wollen wir bald des Feindes Lager uns nähern.“

Also geschah’s: Capellen ging an der Spitze der Reiter

Vorwärts. Hoch in der Luft, vom säuselnden Winde gehoben,

Flatterte, grün, sein Fähnlein vor in der Farbe der Hoffnung.

Otto’s Fähnlein, blau, die Farb’ ausdauernder Thatkraft,

Folgte mit neun- und zwanzigen noch, die im Lichte des Morgens

Schimmerten, vielfach an Farb’, wie solche dem Ritter genehm war,

204

Der sie gewählt, ihm nach, und mit jeglichem kamen der Reiter

Hundert. D’rauf erschien, blutroth, des unbändigen Muthes

Farbe verrathend, die Fahne der görz- und tyrolischen Herrschaft:

Meinhards Siegespanier! Ihr reihten der schimmernden Fähnlein

Fünfzig sich an, und nach jeglichem eileten hundert der Krieger:

Alle mit Helmen und Schilden bewehrt, und mit Lanzen bewaffnet.

Aber nach ihm, umringt von der Schar der edelen Ritter,

Führte der Kaiser selbst in dem Nachzug jene zum Kampf vor,

Die aus den rheinischen Gau’n nach Oestreichs Fluren gekommen,

Und ihm folgte das Kriegs-Gezeug’ im unendlichen Zug nach.

Schnell g’en Hof an der March vordrangen die muthigen Völker,

Sonder Trommelgetön und Drometengeschmetter: dem Gegner

Weislich zu bergen die Macht, die ihn bald umstürmet im Schlachtfeld;

Naheten dann Schloß-Hof, wo empor aus den düsteren Mauern

Einer verödeten Burg der Wartthurm sich in die Luft auf,

Dräuenden Anseh’ns, hob.2 Nur Molch’ und giftige Nattern

Haus’ten in ihrem unheimlichen Raum. Mit rieselndem Schauder

205

Eilte der Wand’rer vorbei, und der Hirt hielt ferne die Heerden

Von den Mauern, wo einst (so kündet die Sage) die Hausfrau,

Eitelen Sinnes, der Wangen Paar in dauernder Schönheit

Sich zu bewahren, in’s Burgverließ die Kinder verlockte,

Schlachtete, dann mit dem Blute sich wusch, unmenschlichen Herzens;

Aber sie starb durchs Schwert, und die Burg vermieden im Land dort

Rings die Bewohner umher — zumal in den Stunden des Abends,

Wo, so kündeten sie, ein Werfen mit Steinen im Hofraum,

Lautes Zischen vom Wartthurm her, und ein Stöhnen und Aechzen

Aus dem Verließ erscholl. Doch sieh’, als jetzo vorüber

Eilte das Heer, da gewahrete Jörg, der muthige Reiter

Steyrischen Oberlands, auf den Zinnen des ragenden Wartthurms

Sitzend ein Wesen von Menschengestalt, von Bewegung, und Leben!

Alsbald sprang er vom Sattel, und rief, verhöhnend: „Nicht furchtbar

Sind die Geister bei Tageslicht; ich wette, die Böhmen

Sandten den Späher heran: ich will es ihm tapfer gesegnen!“

Rasch enteilt’ er, und klomm an der Mauer, der Gemse nicht ungleich,

Die an der Felswand schwebt, empor, bis über dem Fallthor

Er die Stufen gewann, und schnell zu den Zinnen hinaufstieg.

206

Schon entfuhr ihm ein höhnender Ruf, da wankt’ er voll Schrecken

Wieder zurück: so grausenhaft erwies sich der Fremdling,

Der ein Jüngling ihm schien. Sein losgewühletes Haupthaar

Flog ihm wild um die Stirn’; an dem blutigen Wamms und den Schenkeln

Hingen nur Trümmer des Riemwerks noch vom zerschmetterten Panzer,

Wie auch der Schienen am Bein’. Er zitterte: Wuth und Verzweiflung,

Rach’ und Schmerz verrieth sein tieferglühendes Antlitz,

Als er, den Degengriff mit krampfhaftzuckender Rechten

Haltend, nach Jörg umsah, der jetzt ihm wieder genaht war.

Aber dem dräuenden faßt’ er die Brust, und warf, mit des Riesen

Kraft gestählt, von des Wartthurms Rand’ ihn hinab in den Abgrund:

Seinem Volke zur Schau, das eben voll Muthes heran kam.

Siehe, da liefen sogleich die Gefährten des sterbenden Kriegers

Hin nach dem Thurm, voll Gier, den schrecklichen Frevel zu rächen;

Doch schon eilt’ er die Stufen herab, und sprang wie der Steinbock,

Den der Schütze verfolgt von Klippe zu Klippe hinunter,

Mit erhobenem Schwert, von der Mauer der Burg auf den Vorgrund,

Gegen die Rächerschar, sich wüthend zu wehren, entschlossen!

Aber es sprengte der Kaiser das Roß in Eile herüber,

207

Und, vernehmend die That des grimmerfülleten Jünglings,

Hemmt’ er die Krieger, und rief dem Nahenden: „Halt, ich gebieth’ es!“

Jenem sank der dräuende Arm bei den Worten des Herrschers

Plötzlich hinab, daß am Stein die Spitze des funkelnden Eisens

Klirrete: denn er besann, die Augen erhebend, sich jetzo:

Ob er die Stimme gekannt, die ihm also gerufen? Er starrte

Schweigend ihn an; die Wuth entschwand, wie schneeige Flocken

Vor dem mächtigen Strahl der wolkenenthülleten Sonne

Schwinden, aus feinem Gesicht’, und im Kreise der zuckenden Wimpern

Wies sich nun herzinniges Leid, das nahe der Thränen

Leis’aufstrebenden Quell verkündete. Mild, und versöhnend

Sagte der Kaiser: „Verschonet ihn doch: nicht mit hellem Bewußtseyn

Hat er Arges verübt. Kein größerer Jammer auf Erden,

Denn des Unglücklichen Schau, deß’ edelster Vorzug: des Geistes

Licht, verdunkelt ward; der unter den Lebenden weilet,

Aber, entfremdet dem holden Verkehr’ und der trauten Gemeinschaft

Seiner Lieben, zum Grab fortwankt im finsteren Wahnsinn.

Wahrlich mich däucht, als hätt’ ich ihn jüngst gesehen: ein Zerrbild

Jenes Ritters, der so feindlich am Tabor turneyte!“

Pferdegetrab erscholl jetzt laut in der Nähe: des Reiters

208

Ledig, kam mit verhängtem Zaum der Braune gesprungen;

Lief dem erkannten Jünglinge zu, und fuhr mit dem Hals’ ihm,

Wiehernd, unter den Arm, daß er über den Mähnen herabhing.

Alsbald faßt’ er dies’, auf des treu erfundenen Thieres

Rücken sich schwingend in Hast, und flog nach dem Ufer der March hin.

Nicht besann er sich dort: er schwamm die Fluthen hinüber,

Und entschwand den Augen der stummnachstarrenden Krieger.

Ach, und der Jüngling war’s, der jüngst so feindlich turneyte:

Wallstein! Als in der Schreckensnacht, vernichtet von Ottgars

Wüthendem Zorn, er, allein, gehöhnt, und urplötzlich aus Edens

Rosenau’n, wohin ihn Hedwigs Engelgestalt rief,

Rauhverstoßen sich sah: da warf er die Blicke, mit Ingrimm,

Schweigend noch, um sich her; erhob sie g’en Himmel; zerwühlte

Sich mit der Rechten das lockige Haar an der Stirn’, und besann sich:

Was ihm gescheh’n? Jetzt trieb er das Roß mit schrecklichem Ruf’ an;

Riß aus der Scheide den Stahl, und schlug, und bohrte dem armen,

Immer tiefer den Sporn in den Leib, daß er blutet’ im Lauf hin.

Also wohl Stunden lang, fort über die Hügel und Thäler

Trieb er hinaus und herein, voll Wuth, bis athemberaubet,

209

Endlich das Roß hinsank am hainumränderten Blachfeld.

Lange stand er dort, wie erstarrt. Der nahenden Sonne

Rosiger Strahl, nach welchem er sonst mit Liebe sich sehnend,

Rasch die Höhen erklomm, und dort aufjubelte, wenn er

Ihm die Stirn’, die umliegende Flur, und der wirbelnden Lerchen

Zartes Gefieder beschien, die hoch vom Gewölk’ ihn begrüßten —

Ha, wie trüb erglüht’ er ihm jetzt! Wie schrecklich ertönt’ ihm

Heut der sonst entzückende Ruf der befiederten Sänger

Drüben im schauernden Wald, und wie schal erschien ihm das Leben

Ringsum! Furchtbar schwoll ihm die Brust von unsäglichen Qualen:

Lichtleer dünkt’ ihn der Tag, und die Sonne verloschen. Er warf sich

Dann auf die Erde; verbarg im thauenden Grase das Antlitz;

Lag schwerathmend noch, und weinte mit leisem Gestöhn’ fort.

Doch nun fuhr er empor (ihn faßt’ unbändige Zornwuth)

Riß sich vom Haupte den Helm, den Panzer vom Leib’, und die Schienen,

Hastig, von Arm und Bein’, und verstreute sie, schmetternd, im Staub dort,

Weil ihn solche nicht schirmten, zuvor, g’en Schmach und Entehrung.

Jetzt mit dem Schwert in der Faust, und dem einen Gedanken im Herzen:

210

„Ottgars Tod!“ hinbraus’t’ er im Feld’, ihm zu nahen, entschlossen.

Also den Tag und die Nacht fortras’t’ er, und kam an dem Morgen,

Wutherschöpft, g’en Hof an der March zu dem einsamen Schloß her;

Klomm den Thurm empor, und forschte herum in der Dämm’rung.

Stille herrscht’. Er sah hinab in den schwindelnden Abgrund:

Einen Schritt von dem Rand — kopflangs hinunter, und stumm war

Plötzlich der schreiende Schmerz in der Brust, und verschollen der Menschen

Liebehöhnender Ruf. Doch Ottgar lebend auf Erden

Noch? Nur jenen erwürgt zuvor: dann sterben wie immer!

Nun, vor den Kaiser geführt, und dort nur Worte der Sanftmuth

Hörend von ihm, den er erst jüngst, ein eifernder Ritter

Ottgars, offen gehöhnt: das brach ihm das Herz, und mit Thränen

Hätt’ er, liegend im Staub’, ein Reuiger, jetzt ihn gesöhnet;

Doch ihm folgte sein treues Thier, und er jagte von dannen.

Sieh’, und rastlos fort g’en Marcheck zogen die Scharen

Weiter im fröhlichen Muth, nicht achtend des sengenden Mittags,

Noch des qualmenden Staubs, entlang den unendlichen Heerweg!

Aber vor Marcheck kam ein Häuflein kumanischer Reiter

211

Näher gesprengt: wohl fünfzig Mann, und der Führer des Volks war

Kaduscha. Ihm ertönte der Gruß der Kampfesgenossen.

Auch er schwang den blitzenden Stahl, den Freunden zum Dank, auf,

Und erkundet’ im Flug: wo er treffe den mächtigen Kaiser?

Aber ihn führte das Volk stets weiter zurück’ in den Reihen,

Bis er im Waffenschmuck die Schar der erlesenen Ritter

Drüben ersah, und gerad’ dorthin den schnaubenden Läufer

Spornte. Umforschend im Kreis’, begann er, und sagte, verwundert:

„Traun, ich schaue vor mir vereint gewaltige Männer;

Doch nach dem Herrscher des deutschen Volks, dem Kaiser Rudolphus,

Forsch’ ich umsonst! Erkennbar leicht ist der König der Ungern

Schon an dem Purpurpelz, der, rings mit Zobel verbrämet,

Ihm von den Schultern fließt; an dem Stern, voll Edelgeschmeides,

Der an der Brust den Pelz festschlingt mit der goldenen Kette;

Auch an dem Reiher, des Kalpags Zier, entschwebend des Demants

Funkelnder Ros’, und dem Stab, den er in der Rechten, zum Zeichen

Heerebewegender Macht, und erhabener Herrschergewalt führt:

Denn nur kurz ist der Stab, von Golde getrieben, und oben

Noch mit der Kugel verseh’n: ein Abbild furchtbarer Waffe,

Die in des Ungern Faust zerschmettert dem Feinde die Scheitel;3

212

Doch wen grüß’ ich als Herrscher hier mit meines Gebiethers

Freundlichem Wort? Verzeiht, so ich irre! Mich dünket, der Ritter

Dort in der einfachen Wehr’, ob seines erhabenen Anseh’ns

Und der Macht in dem Blick’, ist der Herrscher, zu dem ich gesandt bin.“

„Wohl, er ist’s,“ entgegnete jener, „du hast ihn gefunden!

Aber verkünde nur schnell: was uns der tapfere König,

Unser Freund und Bundesgenoß’, Erfreuliches darbringt?“

„Heil und Segen zum Gruß,“ sprach Kaduscha, heimlich erschüttert,

„Sendend zugleich mit der Siegesbothschaft Zeichen des Glückes

Dir zum Geschenk! Den Kampf begann der Kune mit Ruhm schon.

Längs dem Ufer der March, im Hinterhalte verborgen,

Lag mein Volk: da zog des Weges vorüber der Böhmen

Streitgerüstetes Heer. Wir harrten, lauernd im Dunkel,

Bis der größere Hauf’ hinschwand, und die Beute so herrlich

Dar sich both. Fürwahr, ein blutiger, schrecklicher Kampf war’s!

Dennoch entkamen der Feinde nur zween aus hunderten: alle

Lagen erwürgt. Wir hieben sogleich von dem Rumpfe die Häupter,

Sie, auf die Säbel gespießt, nach dem Lager zu tragen, und eben

Bringt in Körben von Schilf dir solche mein Volk zum Geschenk her,

213

Drüben am schlängelnden Weidenbach, wo dein der Beherrscher

Ungerns harrt mit gewaltiger Macht. Das soll ich dir künden.“

Heimlicher Schauder ergriff, bei der Red’ entsetzlichem Inhalt,

Rudolphs mildgesinnetes Herz, er wandte sich seitab,

Barg die Stirn’ in die Hand, und rief nach erschütterndem Schweigen:

„Furchtbar habt ihr gesiegt, und dem Feinde Verderben bereitet,

Uns voreilend sogar. O möchte die Liebe des Heilands,

Möchte sein hohes Gesetz in euren verwilderten Herzen

Eingang finden, daß ihr entsagtet für immer der Ahnen

Schmählichem Götzendienst: nicht würd’ unmenschlicher Kriegsbrauch

Schänden den Sieg, den ihr mit tapferem Muthe gewonnen!

Biethet der Krieg nicht genug des Furchtbaren dar, und ein Jammer,

Schrecklich, wie der, soll ihn noch entsetzlicher, wilder gestalten?

Wehe, daß oft nur aus Blut des Friedens lieblicher Oehlzweig

Keimt, und, mit glühenden Thränen benetzt, die Blüthen entfaltet!

Schwarzenberg, gib jetzo Geleit den muthigen Kunen;

Zieh’ uns voran, und verkünde mit Huld, wie es Rittern geziemet,

Unsern Freundesgruß dem Könige! Aber ich folge,

Tapferer, dir auf dem Fuß, mit dem muthbegeisterten Heer nach!“

214

D’rauf noch sagt’ er ihm leis’: „O schaffe die Reste der Todten

Schnell bei Seite, daß solch’ ein frommer Priester begrabe,

Würdig, nach Christenbrauch: denn unsere Brüder begräbt er!

Hohn, an den Todten verübt, erfüllet die Seele mit Schauder.“

Sagt’ es, und jen’ entschwanden im Flug auf dem stäubenden Heerweg.

Ottgar rückte mit Heer’smacht an. Nur das Auge der Geister

Dringt in die weiteste Fern’: entflohen der sterblichen Hülle

Schau’n sie vom Nord- zu dem Südpol hin des kreisenden Erdballs

Vielbevölkerten Raum; sie schau’n des unendlichen Weltmeers

Schwankende Wüsten, und dort, wohin kein segelndes Fahrzeug

Je noch Sterbliche trug, auf weitentlegenen Inseln,

Sonder Zahl, gar seltsamgestaltete Thier’ und auch Menschen.

Marbod sah aus den Wolkenhöh’n des entrüsteten Ottgars

Nahende Heeresmacht mit heimlichem Schauder: unzählbar

Schien sie ihm gegen des Kaisers Heer an Mannen und Rossen;

Auch nicht ferne zugleich der wildumwüthende Kampf mehr.

Alsbald sann er besorgt, ob einer der Lüftebewohner

Nahe sich fände, mit ihm vereint, in blutiger Feldschlacht

Beizustehen dem Hort der edelmüthigen Deutschen?

Schauend umher vom Gewölk nach den fernentlegensten Ländern,

215

Drang sein forschender Blick von dem Rücken des sanften Gebirges,

Wo, beginnend vom Donaustrom’, an dem freundlichen Preßburg

Höher und höher empor sich hebt, und thürmt der Karpathen

Mächtige Kett’ (entlang die silesisch- und polnischen Länder,

Eine schirmende Mark für die reichen Gefilde von Ungern)

Bis zu dem Riesen der Lomnitz hinauf, der, schneeigen Hauptes,

Hoch aus den Wolkenhöh’n in die lieblichen Thäler der Zips schaut:4

Dorthin drang sein Blick. Auf der Scheitel des Riesen gewahrt’ er

Jetzo, erstaunt, den, einst gewaltigen Führer der Gothen,

Katwald, hingestreckt mit Inguiomar, dem Cherusker,5

Hermanns Ohm, der, zürnend dem heftigen Varus-Besieger,

Ihn zum Bundesgenossen erkor in den Tagen der Nothwehr.

Schüchtern naht’ er den Höh’n: denn Katwald, finstern Gemüthes,

Trug ihm Haß in der Brust. Er hatt’ ihn vertrieben aus Böheim;

Jener rächte sich d’rauf, mit den Römern im Bund’, und vertrieb ihn

Wieder aus Marobud, der Stadt, die er gründete, machtvoll

So, daß er dann ein Flüchtling starb in den Mauern Ravenna’s.

Dennoch bezwang er sein sträubendes Herz, und schwang sich hinüber

216

Von dem Gewölk. So lang’, als hier, aus der Schleuder geworfen,

Fleugt der sausende Stein, und fern zur Erde herabsinkt,

Währte sein Eilflug nur, und er stand vor den Beiden, und sagte:

„Ha, ihr weilet dahier, entzückt von der reizenden Ansicht,

Die dieß Land gewährt im Schooß’ umragender Berghöh’n?

Schön ist es: wie nach den vier Weltgegenden, mächtige Flüsse,

Ewig genährt von dem sprudelnden Quell, aus dem hohen Gebirgsthal

Wälzen die silberne Fluth; wie solches, mit Städtchen und Dörfern

Rings besäet, die blühende Flur dem Auge zur Lust beut!

Aber ein wichtiger Streit entzweit die mächtigsten Fürsten:

Welchem die östliche Mark, die ich einst beherrschte, zum Eigen

Werde noch heut’: denn nah’ ist der Kampf, dem Kaiser der Deutschen,

Oder dem König des Lands, das ach, von Rache getrieben,

Katwald, du, mir entrissest im Kampf — dem König von Böhmen?

Habt ihr völlig vergessen des Muths, der schnell in dem Busen

Aufflammt, wenn die Dromet’ erschallt, das wiehernde Schlachtroß

Steigt, und der blitzende Stahl in der Rechten des Helden umhersaus’t?

217

Kommt, mit thatenerregendem Wort’ und stachelndem Zuruf

Anzufeuern die Kraft der, uns abstammenden Deutschen,

Und zu verherrlichen heut’ in dem Feld den erhabensten Kaiser!“

Inguiomar erhob bei den Worten sich schnell von des Felsens

Schneeigem Kulm, wo er saß (er ragte noch höher denn Marbod,

Riesengestaltet, auf), ergriff ihm die Hand, und begann so:

„Trauter, nicht sah dich mein Aug’ seitdem, als, flüchtig des Landes,

Du nach dem herrlichen Wälschland zogst: mehr Jahre, denn tausend,

Sind den Menschen entfloh’n, seit solches geschehen! Ich weilte

Unten im Schooße der Erd’, in düstere Träume versunken;

Plötzlich rief es mich fort. Wer rief? nicht wußt’ ich es — folgte.

Doch nun zieh’ ich mit dir: ein Freund der Söhne von Deutschland!“

Also gesellt’ er sich ihm; doch Katwald starrt’ in den Abgrund

Finster hinab, und verschloß den mildversöhnenden Worten

Marbods feindlich das Ohr: da entschwanden die beiden Vereinten,

Arm in Arm. Er hob mit Grimm in den bläulichen Augen —

Trotz in dem blassen Gesicht’, um welches der säuselnde Westwind

Wiegte das röthliche Haar, sich vom Boden, und folgte nur zögernd

Jenen nach, die rasch nach Oestreichs Fluren enteilen.

218

Aber auch Marcheck lag im Rücken des ziehenden Heers schon.

Von Baumgarten herab, in der Au feldlagerte weithin

Ungerns Macht, verhüllt von schattenden Weidengebüschen.

Dorther jagt’ im Gefolg der Reisigen jetzt auf dem Heerweg

Ladislav, der König, heran: er dachte dem Kaiser

Würdig zu nahen, und hielt, als Staub aufwallte zum Himmel.

Schwarzenberg mit Kaduscha war’s, der eilig daherkam.

Jener entblößte den Stahl, und senkt’ ihn zum Zeichen der Ehrfurcht,

Vor dem Könige; d’rauf erhob er ihn wieder, und sprach so:

„Mein erhabener Kaiser und Herr entbiethet dir, Hoheit,

Seinen Gruß! Er kommt, dein redlicher Bundesgenosse,

Dich an die sehnende Brust vor dem Heere zu drücken. Nicht fern mir

Folgte der Vorderzug: bald siehst du ihn schalten im Nachzug.“

„Herr,“ sprach Kaduscha jetzt, „erblickst du sein Heldengefolg dort,

Forsche mit Fleiß, daß vor Allen sogleich dein Aug’ ihn erspähe:

Denn nicht glänzt er im Waffenschmuck; nur magst du ihn kennen

An der erhabenen Stirn’, der wölbenden Nase des Adlers,

Und an dem Herrscherblick in der Himmelsbläue der Augen!

Fremd ist die Furcht dem Kaduscha, doch erbebt’ er, ihm nahend.“

219

„Freude mit ihm,“ entgegnete schnell der König, „und Glück uns

Beiden Verbündeten, da sich Ottgars furchtbare Heersmacht

Gegen uns wälzt wie die Fluth, die aus ihren Gestaden getreten!

Aber er komme nur: bald begegnen wir ihm in den Feldern

Ewigen Ruhms, vereint mit Rudolphs tapferen Scharen.

Unser Stahl ist geschärft, und die Rechte gar mächtig zum Einhau’n.“

Sieh’, da hob sich erneut von der Straße der wirbelnde Staub auf,

Und der Rosse Getrab ertönete näher und näher!

Rudolph jagte heran im Gefolg’ erlesener Ritter:

Denn ihn drängte das Herz, den verbündeten König zu grüßen!

Aber noch standen die Ross’ an dem Weg, tiefhangenden Hauptes

Tragend den Siegespreis unmenschlicher Krieger. Nicht säumte

Schwarzenberg, und begann mit eiferndem Laut vor dem König:

„Schnell g’en Zwerndorf hin, da es also dem Kaiser genehm ist,

Trage die Last der wohlverhülleten Körbe das Saumthier:

Ihm ein werthes Geschenk, weil dort der redliche Priester

Solche nach heiligem Christenbrauch der Erde vertrau’n wird.“

Sagt’ es, und rief Luitold, dem muthigen Knappen. Er nahte

220

Folgsam, und führte die Schar der Treiber zurück mit den Rossen.

Ringsum staunte das Volk, und sah bald seinen Beherrscher,

Bald den Fremdling an; doch, tieferglühenden Blickes,

Saß der König im Sattel, und schwieg, und ließ ihn gewähren.

Allen zuvor kam jetzt der Kaiser gesprengt, daß ihn alsbald

Ladislav erkenne, der Hort der tapfern Magyaren.

Beide sprangen behend’ aus dem Sattel. Sie streckten die Rechten,

Einer dem andern im schnelleren Gang, begrüßend, entgegen;

Hielten mit heißem Druck die verschlungenen; standen, und blickten

Lange, staunend sich an. Dem Auge des einen entstrahlte

Feuriger Muth; entscheidende Kraft, und Würde des andern.

Als sie jetzo gesättigt das Herz in freundlicher Anschau,

Schweigend, begann voll Hast der jugendlichblühende König:

„Werth sey mir der heutige Tag, und theuer vor allen,

Wo ich, Erhabener, dir, deß’ Ruhm erfüllet den Erdkreis,

Nahete, bund’svereint: denn lang ersehnt’ es mein Herz schon!

Siehe, nicht riefst du umsonst: ich zog aus den unteren Landen

Meines Reichs mit Heeresmacht dir zu Hülfe! Des Ungern

Flammenden Muth kennst du, wie er einstürmt rasch in die Schlachtreih’n;

221

Aber der Kun’ ist schrecklicher: denn ihm wohnet die Wildheit

Seiner, erst jüngst verlassenen Stepp’ an des Tanais Ufern,

Ungezähmt in der Brust; du sollst uns loben im Schlachtfeld.

Ha, dort fleugt Staub auf! Fürwahr der Feind ist im Anzug;

Solches verkündeten mir zuvor Eilbothen, aus Weiden

Kommend, voll Angst: das Volk ersehnet den Retter Rudolphus!“

Als der Kaiser die Worte vernahm, da wandt’ er die Augen

Schnell g’en Oberweiden zurück, das über den Sandhöh’n

Einsam liegt: ein hainumsäuseltes Dörfchen. Von dorther

Hob sich der Staub zum Gewölk. Wie nach glühenden Tagen des Sommers,

Hinter dem fernen Gebirg’, empor die schwärzlichen Wölkchen,

Gleich dem, gebläht, in die Lüft’ aufsteigenden Balle sich heben,

Bis sie im höheren Raum mit den weitgedehneten, lichten,

Aestigen plötzlich vereint, den wetterleuchtenden Schleier

Auf an den heiteren Himmel zieh’n: so flog auf dem Heerweg

Sparsamer erst, dann häufiger, hoch der qualmende Staub auf,

Der, von der Abendsonne durchblinkt, wie vom Blute geröthet,

Ottgars nahende Macht verkündete. Jener begann so:

„Ha, Beherrscher der Ungern, du bist zur Stunde des Glückes

Jetzt mit dem Heldenheer’ als Bundesgenoß mir erschienen!

222

Säumen wir nicht. Nur einmal beut auf entscheidender Bahn dir

Freundlich die Hand das Geschick: ergreifst du sie nicht, so entzieht es

Selbe für immer vielleicht. D’rum sey in gebiethender Hast nun

Unsere Macht zum Wohl unzähliger Menschen vereinigt.

Frisch an die That! Wir ordnen das Heer sogleich in dem Feld hier.“

Alsbald schwang er sich rüstiger auf in den Sattel, und sprengte

Hin, und herüber im Flug, mit des Feldherrn Auge die Gegend

Rings erforschend, zum Kampf den günstigen Raum zu erlesen.

D’rauf entboth er vor sich die Herolde: hieß von des Heeres

Rechtem Horn, g’en Zwerndorf hin Oestreicher und Steyrer

Zieh’n; von dem linken die Macht der Kärnthner und Krainer, nach Marchecks

Fluren hinab. Capellen geboth den ersteren; diesen

Meinhard, Graf von Görz und Tyrol, als oberster Feldherr.

Aber im mittleren Raum, Baumgarten nicht ferne, des Dörfchens

Früchtegesegneter Flur, vereinte sein Wink die Tyroler,

Schwaben, und Schweizer zugleich, gar tapfere Scharen im Schlachtfeld.

Also in fünf Heersäulen stand des gewaltigen Kaisers

Macht zu dem Kampfe bereit. Vor jeglicher wehten die Fähnlein

223

Edeler Ritter empor in die Luft, und die sinkende Sonne

Leuchtete hell aus den Helmen und Harnischen, furchtbar zu schauen!

Reisige folgten den Rittern nach, und, diesen im Rücken,

Trefflich geordnet, die Reih’n des lanzentragenden Fußvolks,

Wo vor jeglicher, schimmernd im Licht, ein mächtiges Banner

Flatterte, dort den Kriegern Verein in dem Kampfe gebiethend.

Aber vor allen empor, aus dem Kern des stattlichen Heeres

Hob sich die Reichsfahn’ auf: wie des Meerschiffs mittleres Segel,

Flatternd umher im Hauch des leis’umschmeichelnden Westwinds,

Und enthüllend den Doppelaar, mit der Kron’ und dem Zepter

Herrlich geziert, nun rechts, nun links auf dem goldenen Feldraum;

Immer wies sie dem Heer’ die Nähe des waltenden Herrschers.

Aber er sagte darauf zu dem Könige, schnell und entschlossen:

„Sey dort hinter Capellens Macht, zur Rechten, der Kunen

Furchtbare Schar gestellt, die Kaduscha’s Winken gehorchet;

Aber zur Linken, verhüllt von der schattenden Au’, und des Meinhards

Völkern zur Stütze gespart, erwarte die tapfere Heerschar,

Die Trentschins Gebiether beherrscht, den ehrenden Aufruf:

Loszubrechen mit Macht auf die wildanstürmenden Gegner;

Doch du weiche zurück: denn also gebiethet die Sitte

Deines Landes dem Könige — fern von dem blutigen, Schlachtfeld

224

Sitzend auf einer der ragenden Höh’n, auf dem rollenden Wagen,

Oder dem feurigen Roß, des Kampfmuths seiner Erwählten

Zeuge zu seyn!6 Schon neigt sich der Tag. Nicht wird uns der Feind mehr

Heute begegnen im Feld; doch sey’s: er komme! Mit Freuden

Wollen wir entgegen ihm zieh’n, und der Ehre gedenken.“

Sagt’ es, und bald stand jegliche Schar, in Reihen geordnet,

Nach dem schaltenden Wink des erhabenen Kaisers. Der König

Ungerns gewann mit Gefolg die aufragende Wart’ auf dem Hügel,

Die in der Vorzeit einst zur Gränzmark diente den Völkern.

Doch g’en Westen hinab, nach des Abends goldenen Fluren

Senkte die Sonne den Flug, und sah vom Rande des Himmels

In das erhellete Nebelgewölk, das, duftigem Schleier

Gleich, empor sich hob, sie in lieblicher Ruh zu umfangen;

Rosig die Brust erhellt von ihren verglühenden Strahlen,

Wanderten hoch in dem Wolkenreich nach entfernteren Zonen

Singende Schwäne dahin; im Saatfeld zirpten die Heimchen;

Leise verhallte des Tages Geräusch, und das Leben verstummte.

Aber die Höhen entlang, die rechts von Weiden nach Marcheck,

Weitgedehnt, sich zieh’n, und des Marchthals Fluren beherrschen,

Tönete jetzt Getrab anstürmender Rosse, der Waffen

225

Helles Geklirr, und das Schrei’n und Rufen unzähliger Krieger.

D’rauf erschien, dem Gewittergewölk’ im Sommer nicht ungleich,

Das, von gährendem Donner schwer, am Himmel heraufschwebt,

Drüben am Rande der Höh’n die schlachtgerüstete Heersmacht

Ottgars: gierig des Kampfs, und zu muthigen Thaten entschlossen.

Noch empört’ ihn der Zorn ob jenes verwegenen Jünglings

Frechenthülleter Gluth zu seiner Erzeugten, und dennoch

Sehnt’ er sich herzinnig nach ihm, in dem einsamen Kriegszelt

Sitzend, und schlug sich die Stirn’, und jammerte laut um den Liebling.

Also kam er heran, und hoffte, des lechzenden Herzens

Heißen Durst im Blut’ und Gewürge der Feinde zu stillen.

Doch nicht rastete jetzt Drahomira, die schreckliche Feindinn

Ottgars: denn sie sah, wie Marbod und Inguiomar erst

Sich vereinten, im Kampf zu entflammen die Deutschen. Sie nagte

Heimlich vor Wuth an den Lippen, und hätte mit schmähenden Worten

Jene gehöhnt; doch schwang sich nun, verdüsterten Blickes,

Katwald her in der Luft, und sah nach der Erde herunter.

Alsbald hob sie zu ihm sich empor, und rief, ihn erforschend:

„Ha, du sahst es, wie Marbod, der schrecklichste dir in des Lebens

226

Langentschwundener Zeit, auch Inguiomar zum Gehülfen

Sich erkor, heut’ Oestreichs Volk zu entflammen im Schlachtfeld!

Komm, und eine dich mir! Erst will ich den König der Böhmen,

Stürzen: denn mir zur Schmach verübt’ er entsetzlichen Frevel;

Aber erliegt er im Kampf, dann sey Kunegunde, des Zepters

Würdig, erhöht auf den Thron; ihr laß uns erringen den Vortheil.

Hoch erhebe sich Böhmens Ruhm, des trefflichen Landes,

Das dir gehorcht’, eh’ Marbod dir’s mit den Waffen geraubt hat.“

Sagt’ es mit stachelndem Wort; doch jener entgegnete zürnend:

„Weiche von mir, du fluchbeladene, daß nicht dein Odem

Noch verpeste die Luft, die mir umsäuselt die Wangen!

Kein Verein, Drahomira, mit dir! So willst du mit Marbod

Und mit Inguiomar, des Kaisers verbündeten Freunden,

Ottgars Haupt gefährden im Kampf’? Ich nah’ ihm, als Helfer,

Schon dem Lande zum Ruhm, wo ich herrschend lebt’ in der Vorzeit,

Ha, und lache des Zorns, der, so wie zum Strande die Meersfluth

Brausend fleugt, und zurück, der Ohnmacht eiteles Bild, sinkt,

Dir empöret die Brust, und dräuet in nichtiger Ohnmacht!“

Rief’s, und stürzte herab vom Gewölk’ an die Seite des Königs,

227

Der das Roß anhielt, und des Kaisers geordnete Völker

Staunend ersah, wie solche den Plan erfülleten weithin.

Jetzo noch einmal, quer von dem Saum der Erde herüber,

Blickte die Sonn’, und verschwand; die Dämmerung zog von dem Thal her.

Nicht gedacht’ er des Kampfs für heut’; an dem kommenden Morgen

Wollt’ er dem Feind’ ihn biethen auf Tod und Leben, den Herold

Sendend zuvor, nach des Kriegs herkömmlicher, edeler Sitte.7

Katwald war ihm genaht, und haucht’ ihm vor allem den Rath ein:

„Ottgar, wie, du willst, nachtlagernd, des dämmernden Morgens

Harren dahier? Schnell vor, eh’ dunkel die Nacht sich herabsenkt:

Schleudre die feindlichen Reihen entzwei! So machst du dir heut’ noch,

Schrecken verbreitend, Bahn zu des Siegs erhellten Gefilden:

Denn der erste Gewinn in dem eisernen Feld ist ein Hagel,

Der die Halmen der Hoffnung zerschlägt; ein brausender Sturmwind,

Der des Athems beraubt den Wanderer, und ihn ermattet.

Alsbald biethet der Feind dir selbst ein Zeichen des Angriffs.“

Jener verschloß ihm das Ohr. Doch wer entflammt’ an dem Abend

Schon den noch nicht ersehneten Streit im tosenden Schlachtfeld?

228

Marbod, der muthige that’s. In den Reih’n der stürmischen Reiter

Spornt’ ein munterer Held bischöflicher Leute von Salzburg,

Schörlin, ein unbändiges Roß heran in dem Kriegszug.8

Ihm nicht fern, ersah das Nest pferdstachelnder Bremsen

Marbods spähendes Aug’: er eilte dahin, und empörte

Mit gewaltigem Geisterhauch die entschlummerten Quäler:

Denn er brannte vor Gier des Kampfs Arbeiten zu schauen.

Sieh’, und, also geweckt, im heulenden, wilden Gesumme

Fuhr der Schwarm empor; er flog dem muthigen Rosse

Schörlins unter den Bauch, und stachelte solches, erboßt, wund.

Schrecklich tobt’ es umher, schlug aus, bog, stöhnend, die Ohren

Gegen die Brust, und rannte dahin: nicht achtend des Rufens,

Nicht des Schrei’ns, das Schörlin erhob, da er, rücklings gebogen,

Zog an dem Zügel, es noch im wüthenden Laufe zu hemmen.

Schnurgerad auf Ottgar hin losrannte das Thier jetzt.

Zorn erfüllte sein Herz; er rief den staunenden Feldherrn:

„Wahrlich, nicht dacht’ ich mehr den Stahl an dem heutigen Abend

Feindlich zu zieh’n; doch seht, die Unsinnigen stürzen sich selber

Ihm entgegen, voll Wuth! Sie sollen mir büßen die Kühnheit.

Fort! Wir greifen sie an mit den schwergeharnischten Reitern,

229

Welch’ uns Böhmen gesandt, den tapfersten Männern auf Erden,

Und im gemessenen Schritt’ uns folge das Heer auf dem Fuß nach.“

Alsbald gab er dem Pferde den Sporn, und jagte die Höhen

Brausend herab. Ihm nach, mit dem kampferfahrenen Helden

Lobkowitz, flog die Schar zweitausend geharnischter Reiter.

Wie, wenn unterirdische Gluth aus den Tiefen des Erdballs

Aufwärts braus’t, und gehemmt, weithin erschüttert die Gegend

So, daß vom stürzenden Felsengebirg’ unzählige Trümmer

Schnell in’s drönende Thal herrollen mit wildem Getümmel,

Krachend der Wald entsinkt, und Staub auffleugt in die Wolken:

Also stürmt’ auch hier der König mit seinen Erwählten

Von den Höhen herab. Vor den Kommenden stürzte das Reitroß

Schörlins zusammen. Kein Leid ihm geschah: die furchtbaren Reiter

Setzten über ihn hin; er lag, listsinnend, im Scheintod

Dort bis Mitternacht, und kehrete heim zu den Seinen.

Ottgar nahete schon den äußersten Wachen der Steyrer.

„Auf, zu den Waffen!“ so schrie Wildon, der tapfere Hauptmann

(Pfannberg weilte noch fern bei Capellen, dem obersten Feldherrn,

Drüben im luftigen Zelt, des Kriegs Arbeiten erwägend,

230

Die der Morgen verhieß) und das Fußvolk eilt’ aus dem Lager:

Denn nicht dachten des Streites mehr die erlesenen Ritter

Jetzt, in der sinkenden Nacht. Wohl mancher saß in dem Gras’ noch,

Haltend das Roß an dem Zaum’, und beredete Dieses, und Jenes;

Doch nun fuhren sie all’ empor, von dem feurigen Marbod

Aufgestürmt mit empörendem Ruf. Bald schwang in den Sattel

Jeder sich auf, erhob den Speer in der Rechten, und senkte

Sein Helmgitter herab, das Roß zu dem Kampfe bewegend.

Ha, und der Kampf begann! In dem Vorderzuge, des Feindes

Dräuende List zu erspähen gesandt von dem sinnigen Feldherrn,

Stand ein Brüderpaar der Trantmannsdorfe beisammen:

Heinrich, und Götz, von der Schar der Verwaiseten. Laut, und mit Nachdruck

Hieß sie des Hauptmanns Ruf in die Reih’n der Versammelten kehren:

Aber sie hörten ihn nicht, von glühendem Muthe getrieben.

Ottgar fuhr auf den älteren los, und, ob er den Speer schon

Ihm entgegen streckt’, und des Kampfs wohl kundig sich zeigte,

Schlug er ihm doch mit dem Heldenschwert den nahenden Speerschaft

Seitwärts, und durchstieß ihm den Hals, wo, gleitend, vom Harnisch

231

Sich der Helm verschob: er sank, und verhauchte das Leben.

Götz drang muthig auf Lobkowitz ein; verwundete, jauchzend,

Sein aufbäumendes Roß, und stürmte noch feuriger vorwärts;

Aber ihm bohrte, von jenem gekehrt, der empörete König

Sein, von des Bruders Blut geröthetes Schwert in die Brust ein

So, daß er rücklings vom Sattel sank, und dicht an dem Bruder

Ruhete, langgestreckt, und erblassend im Tode. Sie lagen

Dort wie jährige Leu’n im Staub, die, grausam, ein Tiger

Eben erwürgt’ im Gebüsch’, als Beut’ aufsuchte die Mutter.

Doch der feurige Katwald sprach, umschwebend, in’s Ohr ihm:

„Ottgar, flüchtig enteilet das Glück: erhasch’ es im Flug jetzt!

Werfe den Feind, eh’ Rudolphs Schwert dir nah’t. Ich gewahrte

Helfende Geister um ihn, die ihn warneten: eile, zu siegen!“

„Ha, wer drängt mich so muthig, und kühn?“ sprach zürnend der König,

„Muthig, und feig zugleich, mit Rudolphs Schwert mir zu drohen:

Denn er komme nur, bald entreißt ihm das meine das Leben!“

Rief’s, und jagte dahin wie der brausende Sturm auf den Heiden.

Welchen erlegt’ er zuerst aus den Reih’n der tapferen Ritter?

Sieh’, ihm warf sich Stubenberg vor allen entgegen:

232

Weit vorhaltend den Schild, deß’ Zier, im Ringe der Anker,

Schlangenumwunden, sich wies, und strebte, das muthige Herz ihm

Durchzubohren im Wuthanlauf mit dem blinkenden Speerstahl;

Doch in des Rosses Bauch stieß Ottgar, stachelnd, den Sporn ein

So, daß es seitwärts sprang, und er drängte dem Gegner den Degen

Tief in die Brust, als ihm die entblößte Höhle der Schulter

Räumigen Eingang both: er sank, und athmete nicht mehr.

D’rauf erwürgt’ er auch noch urschnell den redlichen Knappen

Edelred, der jetzt dem Ritter zu Hülfe geeilt war.

Czernin stellte sich g’en Wildon zur Wehre: sie kämpften

Lange mit wechselndem Glück; verwundeten: jener des Gegners

Bein, und dieser den Arm, und schieden mit dräuendem Ingrimm

Mitten im Kampf: denn schon herstürmten im Felde die Reiter

Ottgars, welchen das Fußvolk rasch nachdrang, und urplötzlich

Hob sich der schwellende Ruf mit dem Waffengetöse der Würger

Himmelempor, und erfüllte die Welt mit Entsetzen und Schauder.

Jetzo vernahm in der zweiten der fünf Heersäulen Capellen

Kämpfender Krieger Geschrei, das drüben, am Rande der ersten,

233

Stets vernehmlicher scholl in der Dämmerung. Eifernd besprach er

Eben mit Pfannberg dort, dem Führer des steyrischen Volkes,

Für den kommenden Tag des Angriffs muthige Weisen;

Auch die verstellete Flucht: den wechselnden Kampf, und den Rückzug,

So des Krieges Geschick ihn gebeut: da verstummt’ er auf einmal,

Horchte dem Lärm, und sprach, voll Hast, zu dem Scharengebiether:

„Pfannberg, eile zurück! Der Feind, so sagt uns der Lärm dort,

Wagte den Ueberfall in der Dämmerung; eile zur Rettung

Deines Volks: ich folge dir schnell mit erlesenen Scharen.“

Also geschah’s. Im Flug’ erreichte der tapfere Feldherr

Sein gefährdetes Volk, und warf, mit dem Schwert’ in der Faust, sich,

Allen voran, als sie nachbraus’ten im stäubenden Saatfeld,

Rasch auf die furchtbare Macht der Geharnischten, die zu dem Angriff

Ottgar selber geführt, und jetzt umtobte, voll Mordwuth.

Ihm selbst hätt’ er die Brust durchbohrt, so plötzlich erschien er

Mitten im Waffengemeng; doch schlug ihm der muthige Ritter,

Zawiß von Rosenberg, der schönste der Männer im Kriegsheer

Böheims, sein erhobenes Schwert aus der Faust, und durchstieß ihm

Schnell mit dem Speere den Arm, daß er, stöhnend, vom Sattel herabsank.

234

Ottgar rühmte gerührt den Tapferen; doch Drahomira

Lächelte Hohn aus den Lüften herab: sie erspähte die Neigung

Schon, die verborgene, jüngst in der Brust Kunegundens für Zawiß,

Und gedachte mit Lust der unheilschwangeren Zukunft.

Pfannbergs Volk, den Sturz des tapferen Führers gewahrend,

Drang jetzt eilender vor, und kämpfte, der Löwinn nicht ungleich,

Die vor der Höhle die Jungen, umringt von Pardeln erblicket,

Um den Verwundeten dort, und es hätte gesiegt mit den Scharen

Oestreichs, die Capellen zu Hülfe geführet, und jenen,

Die aus dem Hinterhalt’ auch Kaduscha, hörend im Nachtgrau’n

Feindlicher Waffen Getös’, ihm, lautaufjauchzend, vereinte:

Hemmt’ es nicht Katwalds List. Er sah in der Reihe der Edeln

Einen, mit bleichem Gesicht’ und scheuumirrenden Augen,

Träg vorschreiten im Kampf: den Pettauer, der vor dem König

Ottgar, einst die Ritter der steyrischen Mark des Verrathes

Zieh, und dieser verhängte sogleich entsetzliche Strafen;

Aber er hatte nicht Ruhe noch Rast seitdem, und im Herzen

Trug er die Strafe der Schuld, da er jeglichen Trostes beraubt war.

235

Diesem nahete Katwald jetzt, und schrie in das Ohr ihm:

„Horch, dir drohet Verrath und Mord! Unseliger, fliehe!“

Schauer durchlief ihm die Haut, da er solches im Geiste vernommen:

Alsbald wandt’ er das Roß, und rief, entfliehend: „Verrath! Mord!“

Wilde Verwirrung begann: das vorgedrungene Fußvolk

Wankte zuerst; ihm folgten die Reisigen — dann auch die Ritter.

Tausendzüngig erhob sich der Ruf: „Entflieht dem Verrath! Fort!“

Aus den flüchtenden Reih’n. Auch Kaduscha wich mit den Seinen

Lärmend zurück, und entsetzlich erscholl in der Nacht das Getümmel.

Doch in dem fernen Gezelt vernahm der erhabene Kaiser

Jetzo den Lärm, und geboth den Mannen die Rosse zu zäumen:

Denn schon lagerten sich die Tapfern ruhig im Saatfeld,

Reichend den Rossen das Futter zuvor, und stillten den Hunger

Dann mit Brot, und den Durst mit des Quellbachs kühlenden Fluthen:

Alsbald waren die Pferde gezäumt, und die Muthigen saßen

Sattelfest. Da kam vor allen, gesprengt, auf dem Pfad her

Oestreichs Reiterschar. Mit zürnendem Ernst in den Blicken

236

Ritt ihr der Kaiser entgegen. Sie stand von Schauer ergriffen:

Denn kein Vorwurf kam aus dem Mund des erhabenen Herrschers.

Also gehemmt, wuchs stets zu dichteren Haufen die Heersmacht,

Und er kehrte mit ihr g’en Marchecks sandige Fluren.

237

Achter Gesang.

„Ha, was röthet den Himmel fern im nächtlichen Dunkel?

Welch’ Geschrei erfüllt urplötzlich mit Angst und Entsetzen

Drüben die Stadt? Ein Jüngling sitzt, verwilderten Ansehn’s,

Dort auf des Felsens Höh’n, und schaut auf die schreckliche Brandstätt’

Grinsend herab, wo ruhig noch erst unschuldige Menschen

Schlummerten, jetzt Gewürg’ erschallt, und in Strömen das Blut fließt?

Furchtbare Schau! Darf also der sterbliche Mensch an dem Menschen

Wüthen, daß sanfterer Art der grausame Tiger erscheinet?

Wehe, wie fiel er so tief! Wie entwürdigt ihn Laster und Thorheit!

Doch ich nah’ ihm schnell, zu erkunden, wie solches geschehen?“

So sprach Inguiomar, das gluthverheerete Städtchen

Schauend, und eilt’ im Fluge dahin, wo, schrecklichen Blickes

Jener hinuntersah nach der Stätte des Jammers. Er saß dort

238

Schauerlich in sich gekehrt, und ihm zuckten die schneeigen Wangen

Leise vor ungesättigtem Grimm, da er, vorwärtsgebogen,

Stützend das Kinn auf die krampfhaft­geschlossene Faust, in die Flammen

Starrete. Doch es stockte das Wort in dem Munde des Geistes,

Als er ihn näher geseh’n. Er bebte dem Jammer, und eilte

Fort nach den Ufern der March, wo heut’, unferne dem Städtchen

Marcheck, nach unrühmlicher Flucht sich die Krieger vereinten.

Wallstein war’s, der dort auf dem Felsriff saß, und hinunter

Starrte, voll Grimms. Sein war die entsetzliche That, und der Hölle

Jüngstentlaufene Brut, Drahomira, hauchte die Wuth ihm

In die empfängliche Brust, aus welcher des warnenden Engels

Bild entfloh, da er sich der Sinneschmeichlerinn hingab.

Sieh’, er eilte zuvor aus der Nähe des Kaisers, und setzte,

Schwimmend, die Fluthen der March mit dem schnaubenden Rosse hinüber;

Flog dann, Auen und Wälder entlang, an Moravia’s Marken

Rastlos fort, bis endlich das Roß am dämmernden Abend

Stöhnend zu Boden sank. Er entschlummerte neben dem Thier dort;

239

Aber ihm war Drahomira gefolgt. Wie der feurige Schweißhund1

Angeschossenes Wild, so heiß es auch strebt, zu entkommen,

Durch des umschattenden Waldes Nacht verfolgt auf den Fährten,

Rastlos, bis es ermattet ihm fällt: so ließ Drahomira

Ihn aus den Augen nicht mehr: denn Ottgar sollte getödtet

Fallen durch ihn, und ihr Herz sich ersättigen dort an des Jammers

Grau’nerregender Schau — an dem Fall des unglücklichen Jünglings.

Einen täuschenden Traum ersann, und bannte sie, zaubernd,

Vor den Entschlummerten hin. Er sah im Geiste das Städtchen,

Kostel in Mähren, vor sich, und dort sein Alles auf Erden,

Hedwig, gefesselt im Thurm, weil sie nicht verhüllte die Neigung,

Die sie ihm still genährt in dem treuergebenen Herzen;

Sah, wie sie, jammernd, ihm mit den kettenbelasteten Händen

Winkt’, und so bleich her sah von des Fensters eisernen Stäben,

„Hülfe!“ schreiend, und „Rach’ an Ottgar!“ Aber er stöhnte

Laut in dem Schlaf’, und schlug sich die Brust vor unsäglichem Herzleid.

Bald erweckt’ ihn Geschrei anstürmender Krieger. Der Kunen

Tausend, vereinten sich erst: Weglagerer, Räuber, und Mörder,

Von dem Heere getrennt, auf Raub zu ziehen, entschlossen,

Die Drahomira noch mehr empörte zu schrecklichen Thaten.

240

Als sie jetzt den Schlummernden sahn, der, blühender Jugend,

Noch im Schlafe das Schwert umklammert hielt mit der Rechten;

Durch die gesenkten Brau’n Wuth kündet’, und, stöhnend, von Rachgier

Mit den verzerreten Lippen sprach, da riefen sie freudig:

„Seht, den sandt’ uns Tyr,2 der Gott des Kriegs und Verderbens:

Ihm gleich, hält er das Schwert umfaßt, und drohet im Schlaf noch

Schrecken dem Feind’. Er sey uns Führer im nächtlichen Raubzug!“

Also erweckt’ ihn ihr wildes Geschrei; sie faßten, und hoben

Ihn von der Erd’ empor; umhingen in Eile die Schulter

Ihm mit dem Pelz, der, marderumbrämt, zur Ferse hinabhing;

Setzten die Mütz’ auf sein Haupt, mit dem schwebenden Reiher, und bothen

Ihm das erlesenste Pferd. D’rauf sagte noch Sikra, der Hauptmann:

„Komm, und führ’ uns im sausenden Ritt nach Kostel, dem Städtchen

Drüben im Mährenland, voll reichthumstolzer Bewohner,

Die, dem Böhmenkönig getreu, zum Kampfe sich rüsten.

Unser König bekriegt ihn selbst auf den Feldern von Oestreich:

Wir erhoben uns hier, ihm Schaden zu thun, und zu rächen

Plünderung, Mord, und Brand, mit welchen er Ungern vor Jahren

241

Wüstete: ha, nun Rache dafür an dem grausamen Ottgar!“

Also tobten sie fort. Der Jüngling ließ sie gewähren,

Stand verstört, und wußte nicht, wie ihm geschehen? Er sann jetzt:

Ottgar ward ihm genannt — der Grausame hieß er den Räubern

Selbst? Da jauchzet’ er laut; entblößte das Eisen; erhob sich

Schnell in den Sattel, und rief: „Mir nach, wir rächen die Unthat!“

D’rauf ging’s fort, im sausenden Ritt nach Kostel in Mähren.

Vor ihm flog Drahomira einher, und lächelte grimmig:

Denn sie sah das Entsetzliche dort vollbracht, und Verderben

Ueber des Jünglings Haupt, und Ottgars schweben im Vollmaß.

Tief entschlummerten schon des ummauerten Städtchens Bewohner.

Ach, oft ahnet der Sterbliche nicht, der ruhig dem Schlaf sich

Noch an dem Abend ergibt, welch’ Jammer ihn weckt vor dem Morgen!

Früher erspähten die Räuber schon des friedlichen Städtchens

Schwachverriegeltes Thor und die leichtersteigbare Mauer,

Die sie, keuchend vor Hast, erkletterten. Aber das Reitroß

Spornte Wallstein rasch umher: denn hoch in die Nacht auf

Ragte der Thurm, der dort die holde Geliebte (so wähnt’ er

Noch, getäuscht von dem Traum) von ihm für immer getrennt hielt.

Wehe, und bald aufflammte die Gluth, an die breternen Dächer

242

Durch die entsetzlichen Kunen gelegt, und erhellete weithin

Rings die schweigende Nacht! Nicht säumte der lauernde Nachtwind,

Lauterbrausenden Flug’s annahend, die Flamme zu wälzen

Hin und daher, an den Häusern der engverschlungenen Straßen.

Wildes Geheul erscholl: aus den Stuben hervor auf den Marktplatz

Flüchteten jetzt die Bewohner, um dort die Väter, und Mütter,

Kinder, und Greise zu seh’n, wie sie bluteten unter dem Schwerthieb

Wüthender Räuber, und bald, erwürgt mit den andern, zu fallen

Rettungslos: denn Niemand war, der half in dem Jammer.

Wohl anlangten den Abend zuvor zwölf muthige Reiter

Ottgars, über die March, von Drösing herüber gesendet:

Mundvorrath aus dem Städtchen hier, in das Lager der Böhmen

Heut noch zu schaffen mit Waffenmacht: denn schreckengerüstet

Herrscht in des Krieges Zeit die Gewalt: nur Laute des Ingrimms

Treffen das Ohr, das sonst des Friedens sanfte gewohnt war.

Als der feindliche Lärmruf scholl, da schwangen die Reiter

Sich auf das Roß, zu entflieh’n der wuthempöreten Mehrzahl;

Doch sie waren umringt, und nun, mit dem Schwert’ in der Rechten,

243

Kämpfend, zu sterben bereit. Sie stellten sich fest und entschlossen,

Vor dem Thurm dort auf, und harrten des nahenden Feindes.

Allen zuvor kam Wallstein, jauchzt’, und hieb in den Haufen,

Blindumwüthend, ein: denn Ottgars kenntliche Reiter

Sah er vor sich, und schnob nur Rache, nur flammende Sehnsucht

Hedwigs Retter zu seyn aus den Händen unmenschlicher Krieger.

Jetzt auflachte voll Hohn Drahomira, und hob sich von dannen:

Denn jetzt klebte das Blut des eigenen Volks an dem Schlachtschwert,

Das ihm Ottgars Rechte vertraut’, und sie dachte: nicht fern mehr

Sey ihm das Ziel, zu fallen mit ihm, unrühmlich, und furchtbar!

Siehe, die Reiterschar, umstürmt von den wüthenden Räubern,

Fiel nach tapferer Gegenwehr auf die Leichen des Feindes,

Die sie gehäuft! Doch Veith, der jetzt aus dem Sattel geworfen,

Sank, rief sterbend ihm noch: „Ha, Wallstein: bist du ein Gegner

Deines eigenen Vaterlands? Du ermordest die Böhmen?“

Wallstein horchte bestürzt: er erkannte den redlichen Krieger,

Der in der Ahnen-Burg gedient, und in zartester Kindheit

244

Oft ihm Mährchen erzählt’: ein treugesinneter Reiter;

Hob die Blick’ empor, und sah, durch des ragenden, leeren,

Halbverfallenen Thurms verwitterte Fenster den Himmel,

Sternenhell, herab auf das Blut der Reisigen starren;

Sah, erstaunt, um sich her die Leichen der Greis’ und der Kinder

Schwimmen im Blut’ — all’ überall Blut, und die wüthenden Kunen

Nur erpicht auf Raub und Plünderung. Plötzlich ergriff ihn

Seelenangst: er gab dem Rosse die Sporen, und jagte

Durch das offene Thor hinaus auf den einsamen Heerweg;

Dann seitab den Hügel empor, der, nahe dem Städtchen,

Jäh sich erhebt. Dort saß er am Rand’, aus dem Sattel gestiegen,

Haltend das Roß am Zaum’, und sah nach dem schrecklichen Jammer

Drüben hinab. Bald wühlt’ er, ergrimmt, sich die Brust mit den Nägeln

Wund; bald stützt’ er das Kinn auf die Recht’, und starrte hinunter,

Starrte hinauf zu dem tiefverstummenden Himmel, und rang nur

Einem Schreckensbild zu entflieh’n, das fieb’risch die Brust ihm

Schüttelte: denn er dachte, wie frech er die freundliche Warnung

Von sich stieß in der Nacht, welch’ über ihn schrecklich entschieden.

Doch als jetzt ihm ein Thränenpaar heiß über die Wangen

245

Träufelte, hob er sich auf von dem Boden, und plötzlich verscheuchte

All die Bilder ein kühner Entschluß. Er sagte für sich hin:

„Ottgar, kein Verein ist zwischen uns mehr! Ich gehöre

Deinem Gegner hinfort: denn sieh’, ich erwürgte die Böhmen —

Ach, mein Volk, mit den Kunen im Bund! Dieß blutige Schwert lechzt

Jetzo nach deiner Brust, und nach meiner: wir fallen zugleich — bald!“

Stöhnend schwang er sich dann auf’s Roß, und jagte herüber

Immer den Fluß entlang, im Galopp, die lagernde Heersmacht

Rudolphs noch vor dem Morgenroth zu erreichen vor Marcheck.

Sieh’, und es rief in der Stadt, in den weitgetrennten Gehöften,

Und in den Dörfern umher der Hahn, des dämmernden Morgens

Muthiger Herold, sein „wach’ auf“ das andere Mal schon,

Als er die seichtere Furt durchwatete; d’rauf vor dem Lager,

Laufend, erschien, das Kunenroß heimjagend vom Ufer.

„Wer da?“ rief ihm die Huth vom Wall’ entgegen, und zielte

Dann mit der Lanze zugleich nach der Brust des nahenden Jünglings:

Aber er sprach ergrimmt: „Zu Rudolph, eurem Gebiether

Führet mich schnell! Hochwichtiges muß ich sogleich ihm enthüllen.“

Jener sah ihn zuvor mit Staunen vom Kopf bis zum Fuß’ an,

246

Eh’ er die Freund’ entboth, ihm sich’res Geleite zu geben:

Denn unglücklich nur — nicht verdächtig erschien er von Anseh’n,

Und sie führten ihn jetzt nach des Kaisers ragendem Zelt hin.

Aber der liebliche Schlaf (ein Balsam für blutende Herzen,

Welcher so mild den Schmerz beschwinget, der in des Lebens

Dornengefilden sie grausam zerriß) war eben auf Rudolphs

Lieder gesunken, und er floh vor dem Fußtritt nahender Krieger

Wieder hinweg. Oft wacht’ er im Feld mit heiterem Antlitz

Tag’ und Nächte hindurch, zu des Kriegs Beschwerden gestählet.

Als in das einsame Zelt der Jüngling getreten, da däucht’ ihn:

Jener Unglückliche sey’s, der jüngst den muthigen Reiter

Von dem Thurm in den Abgrund warf, und nicht irrte sein Scharfblick.

Freundlich winkt’ er ihm jetzt mit der Hand, und jener begann so:

„Meine Rede sey kurz! Der Sterbende muß sich beeilen,

Daß er enthülle das Wort, das lastend die Brust ihm beschweret.

Höre mich, Herr! Ich war dein Feind, und hätte den Sohn dir

Gern durchbohrt auf dem Plan, vom wüthenden Hasse getrieben;

Aber es zieht das Geschick gar wunderbar oft in des Lebens

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Irre den Pfad: mich führt es als Freund dir zurück. Mit den Kunen

Hab’ ich, dein Dienstmann, erst gesengt, und gebrannt in dem Städtchen

Drüben im Mährenland’, und die Bürger zugleich mit den Kriegern

Muthig erwürgt: all’ Ottgars Schuld, des grausamen Wüthrichs,

Der auch dir nach dem Leben strebt, und die Mörder bereit hält.

Aber ich eil’ ihm zuvor, willst du’s, und raub’ ihm das Leben

Heut’ noch. Dir ist dieß Schwert geweiht; nicht soll es ihn fehlen:

Denn er verübt’ an mir Entsetzliches. Sprich, und ich mord’ ihn!“

„Wie,“ so begann, aufjammernd, der Kaiser, „Unselige, habt ihr

Ruhige Menschen erwürgt, und gesengt, und gebrannt in dem Städtchen

Drüben nach schrecklichem Kriegsbrauch? O, der Völkerbeherrscher

Trauriges Los, daß ihr Streit auch Räuberhände bewaffnet,

Ungezügelt und frech, dem Gesetz hohnsprechend, zu wüthen!

Herr, nicht gehe mit mir in’s Gericht: denn mein ist die Schuld nicht!

Doch du kehre zurück, Unglücklicher! Kehre zu Ottgar,

Der ein liebender Vater dir war, nun zurück, ihn zu söhnen,

Ihn mit reuigem Sinn um den Segen zu fleh’n — zu erwiedern

248

Ihm verzeihende Huld, so er dich einst kränkte mit Unrecht!

Also hat es der Herr uns gelehrt: er möge dir helfen!“

Wallstein stürzte hinaus, und flog nach dem feindlichen Lager,

Rastlos, bis er erreichte die Huth der böhmischen Reiter.

Schnell erkannten sie ihn, der oft im Gewühle der Schlachten

Sie zum Siege geführt, und jubelten laut in die Nacht auf.

Einer begann: „Kehrst du zur Freude des Heers und des Königs

Wieder zurück, der, wisse es nur, mit unsäglicher Sehnsucht

Nach dem verlorenen Sohn sich abhärmete? Wahrlich, er nannte

Heute dich so, und verhieß allmanniglich reiche Belohnung,

Der dich führte zurück in die Arme des liebenden Vaters!“

Doch, es erwiederte Wallstein ihm den freundlichen Gruß nicht;

Eilete vor, und erreichte das Zelt des entschlummerten Königs.

Jetzo murrete Greif, der mächtige Hund, vor dem Eingang:

Ottgars Liebling, ein Schrecken des Volks, das nächtlicher Stund’ ihm

Nahete, wo er, der Kette los, umwandelte wachsam:

Denn er bewältigte leicht den stärksten der Reisigen; hielt ihn

Nieder, und bellete, bis ein Hausgenosse daherkam.

Wallstein zischte nur leis’, und rief ihn bei’m Nahmen: da sprang er,

Heulend, herbei; erhob sich mit freudigem, lautem Gewinsel

Ihm auf die Schulter, lang wie er war, und leckt’ ihm die Wangen;

249

Lief dann kreisend umher, und kehrete wieder, vor Freuden

Bellend, und heulend zugleich: denn Wallstein war ihm seit Jahren

Hold, und quälet’ ihn einst im jugendfröhlichen Muth’ oft.

Doch er streichelte jetzt den Treu’n mit unwilliger Hand nur;

Trat in das Zelt, wo im Lampenschein, auf das Lager gesunken,

Ottgar schlummerte: ganz in die Waffen gehüllt, und zu kämpfen

Wieder am Morgen bereit, und schauderte, wie er den Mann dort

Schlummern sah, der einst ihm vor allen Sterblichen werth war —

Jetzt, ohnmächtig im Schlaf’, ihm Preis gegeben zur Willkühr.

Grauer schien ihm sein grauendes Haupt seit Tagen geworden,

Blässer sein blasses Gesicht. Er stöhnete laut vor dem Traum’ auf,

Der ihn umfing, und wand sich, und rief, fast wimmernd, nach Wallstein.

Dieser entblößte das Schwert. Noch einmal stand ihm des Jammers

Grau’ngestalt, den Ottgar schuf, vor den Augen; er eilte

Vorwärts, schwang das Eisen, und sann. Drahomira durchschwebte

Jetzo den Zelteingang; umflog in furchtbaren Kreisen

Schneller und schneller des Jünglings Haupt, und hauchte des Abgrunds

Gifte umher, daß er, schwindelnd, den Mord verübt’ an dem König;

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Aber er hatte zuvor, vom Kaiser, mit Schrecken, des Heilands

Worte gehört. Wie dort im Fiebertraum sich ein Kranker

Freut, da ein Freund ihm naht, und nachsinnt: ob er ihn kenne?

Also nur dunkel vernahm der zerrüttete Jüngling die Warnung;

Dennoch bezwang er sich jetzt, trat näher, und stampfte den Boden.

Auffuhr Ottgar schnell, und starrte dem Starrenden, schweigend,

In das Gesicht. Ein ganzes, im Glück’ entschwundenes Leben

Eilete schnell, wie der Blitz, den Beiden noch einmal vorüber,

Und die Vergangenheit warf, hellleuchtend, viel grausere Schatten

Noch auf die dunkele Gegenwart. Doch jetzo begann er:

„Wallstein, kommst du zurück’? Ich wußt’ es: ein edeles Herz schlägt

Dir in der Brust. O, schwer hast du mich betrübt, und des Abgrunds

Seelenverwirrende Macht empörte die Wuth mir im Busen

So, daß ich, nicht durch eigene Schuld — von der Hölle betäubt nur,

Dir das liebende Herz verwundete! Wohl sind die Menschen

Sich zu betrüben, geneigt; doch Reue versöhnt, und Verzeihung

Windet den schöneren Kranz um die friedenbiethenden Herzen.

Du nun wieder mein Sohn, und ich — dein liebender Vater ...“

251

Jener naht’ ihm, und rief ergrimmt: „Halt ein, und erhebe

Nicht den Vorhang mehr, der zwischen uns dunkel herabsank!

Was du ersehntest — es sey: ich verzeihe dir! Aber dem Bogen

Furchtbarer Rach’ entschwirrte der Pfeil; nicht reißt ihn des Schützen

Hand mehr zurück. Weh’ dir, Unglücklichem: denn ich entsandt’ ihn!

Böhmisches Blut benetzte dieß Schwert: mit den Kunen verbunden,

Hab’ ich zuvor dein Volk erwürgt, wie ein Söldner des Kaisers.

Du hast ihm nach dem Leben gestrebt: ich both mich, als Rächer,

Dir zu durchbohren die Brust; doch, sieh’, dein edeler Gegner

Achtet dein Haupt, und gab mir sanftversöhnende Lehren:

Solchem fällst du besiegt — ich meinem unglücklichen Schicksal!“

Sagt’ es, und kehrte das Schwert urplötzlich von unten nach oben

Gegen die Brust, und sank in den Stahl, der, zischenden Lautes,

Ihm das pochende Herz durchfuhr. Er verhauchte das Leben

Lautlos. Jammernd erhob sich jetzt, ihn zu retten, der König:

Aber umsonst: er lag entseelt, und regte sich nicht mehr!

Schon aufjauchzte vor Lust Drahomira, der That sich zu rühmen:

252

Da durchblitzt’ ein Glanz den Raum des Gezeltes; ein Flehen

Nach erbarmender Huld erscholl. Von Schauder ergriffen

Wollte sie flieh’n, um fern in den übersinnlichen Räumen

Noch zu entgeh’n dem Zorn der Himmlischen; aber unendlich

Rauscht’ Entsetzen ihr vor — ihr nach: sie sank in den Abgrund

Außer den Gränzen der Welt, betäubt vom Schrecken, hinunter,

Und erkannte sich erst in den Jammergefilden der Hölle.

Draußen im Schattenkreis’ des hochaufragenden Eichbaums

Gruben die Krieger ein Grab. Der Entseelte lag auf dem Rasen

Dort in den Lagermantel gehüllt: da hinkte sein Reitroß,

Völlig des Anseh’ns bar, aus der Au herüber, und senkte,

Leise genaht, das Haupt zu ihm hin, daß die wallende Mähn’ ihm

Dann mit dem Zaum nachsank, und des Todten Antlitz bedeckte.

Jahr’ entfloh’n: da hieß es, am Grabe des böhmischen Kriegers

Liege das bleiche Geripp von seinem verschmachteten Roß noch!

Als aus Osten der Hauch des hellaufdämmernden Morgens

Ueber die frischbethauete Flur den kühleren Frühwind

Sendete; rings im Gefild sich die wiedererwachten Geschlechter

Regten, mit gleichgeschäftigem Drang zu durchlaufen des Tages

253

Kreisende Bahn, bis ihr Ziel, nun bald, nun später erreicht ist;

Als in den Städten und Dörfern umher, in den Hainen und Wäldern

Munterer Laut sich erhob: da hatte der Kaiser im Lager

Schon die Scharen vereint, und zu drei Heersäulen geordnet,

Sie in geschlossenen Reih’n dem Feind’ entgegen zu stellen.

Aber der Ost- und der Steyer-Mark geworfene Scharen

Schob er den andern vor in der Mitte, daß sie in dem Schlachtfeld

Sich den entwundenen Kranz jetzt herrlicher wieder erkämpften.

Heiter saß er zu Pferd’, und sprengte hinauf und hinunter

Vor den Reih’n, zu entflammen den Muth der schweigenden Krieger:

Denn sie schwiegen, beschämt von des Rückzugs quälendem Vorwurf.

„Männer, wohlan,“ so ermahnt’ er sie laut, „steht heut’ in dem Schlachtfeld

Fest zusammengedrängt — euch tapfer zu wehren, entschlossen:

Denn bald dürfte der Feind, noch stolz auf errungenen Vortheil,

Mit gesteigertem Muth vorstürmen zum blutigen Angriff!

Ha, schon seh’ ich den Siegeskranz, mein edler Capellen,

Dir an der Stirn! Dir, Trautmansdorf, dem Vater der Helden,

Glühen die Wangen vor Gier, zu rächen im Blute des Feindes

254

Die, nur mit Uebermacht erschlagenen Söhn’ in dem Vorkampf.

Oestreichs Edelstein’ und Demantberge, verdunkelt

Heute sogar den Ruhm der thatengewaltigen Ahnen:

Denket des Siegs! Doch, Lichtenstein, wie? Soll ich dich schelten?

Nicht die gewohnte Heiterkeit färbt mit Freude dein Antlitz

Heut’: erbebst du dem Feind? Der Tapfere scheuet den Tod nicht.“

So, vortummelnd das Roß, erregte der Kaiser die Helden.

Aber dem Eilenden rief der Lichtensteiner im Scherz nach:

„Mit Vergunst! Ihr irrt, erlauchtester Kaiser! Den Feinden

Bebt kein Lichtenstein; doch, fröhlicher Dinge zu scheinen

Noch, da uns Ottgar jüngst des Turnmahls schnöde beraubte,

Gestern nicht gönnte die Zeit, an dem trockenen Brot’ uns zu letzen,

Auch den Schlaf uns stahl? Das möchte nicht allen genehm seyn!

Doch wir tischen ihm bald die Mahlzeit auf, und verhelfen

Ihm zu dem furchtbarn Schlaf, dem er gar freudig entrönne.“

Lächelnd hörte das Volk den Munteren. Aber der Kaiser

Flog zur Rechten hinauf, wo Schweizer, Tyroler, und Schwaben,

Muthbeseelt, sich eineten; schwang das Eisen, und rief dann

Laut zu dem Sohn, den jüngst er jenen erwählte zum Feldherrn:

„Albrecht, halte dich wohl! Stets warst du im Schlachtengewitter,

255

Leuchtend, ein Stern; dir gleich der Burggraf Friedrich und Hochberg,

Und mein Müller dort, der redliche, treue Geselle!

Auf, ihr seyd mein Volk, ihr sollt mir Ehre gewinnen!

Dietrichstein, du Hort der Helden Tyrols, wie erhebt dich

Jetzo die Stelle, nach welcher mein Haug in der Veste sich sehnet!“

Rief’s; dann flog er zur Linken hinab, und ermahnte die Feldherrn:

„Meinhard, trefflicher Held, nicht harrst du erregenden Aufrufs

Muthig zu steh’n im Kampf: denn immer wird dir im Schlachtfeld

Nur der herrlichste Lorber zu Theil; nun führe die Kärnthner,

Führe die Krainer zum Sieg! Dir folgen die Tapferen: Heunburg,

Albert von Görz, und der Ortenburg auf der rühmlichen Bahn nach.“

Und er entflammte zugleich mit mutherregenden Worten

Kaduschas Brust, und die Kraft des Trentschiner Helden Mathias.

D’rauf entsandt’ er die Herolde, noch in der Stunde des Morgens

Aufzubiethen sein Volk: die heilige Sühne zu feiern.

Aber noch säumte daheim in dem Lager der König der Böhmen;

D’rob der Kaiser sich hoch verwunderte: denn nicht enthüllt war

256

Ihm des Jünglings Tod, und der Gram des erschütterten Königs,

Ottgars. Katwald fuhr um ihn her, und erregte das Herz ihm:

Jetzt auf des Siegs betretener Bahn mit gewaltiger Thatkraft

Vorzudringen. Umsonst! Er saß, hinstarrenden Blickes,

In dem Gezelt, und regte sich nicht — wie ein Marmorgebild dort,

Wo an der Urne des Sohn’s, des frühverblich’nen, der Vater,

Sitzt gesenketen Haupt’s, und die Thrän’ entlocket dem Wand’rer.

D’rauf entschwang sich der Geist, und rief den muthigen Feldherrn:

Lobkowitz, Czernin, Zierotin; dann Milota, Herbot,

Heinrich, dem Hort der Baiern, und Pfeil, dem Gebiether der Sachsen,

Die zu erneuertem Kampfe bereit, des mächtigen Königs

Harrten, schwebend umher von einem zum andern, ergrimmt, zu:

„Eilt, und erweckt aus Gram und Verzweiflung euren Beherrscher:

Denn er brütet erstarrt für sich hin, und verschließet des Glückes

Stimme sein Ohr, das flüchtig entweicht! O nichtige Hoffnung:

Als den geworfenen Feind nur die Nacht den vernichtenden Blitzen

Eures Arms entriß, da flucht’ er dem nächtlichen Dunkel

257

Laut, und ersehnte des Morgens Strahl; nun weilet er müßig,

Und versäumt des Schlachtengeschicks entscheidenden Zeitraum!“

Also der Geist, und sie eilten sogleich nach dem Zelte des Königs;

Doch, eintretend voll Hast, erbebten die Tapferen alle;

Allen erstarb der Laut in dem Mund: so schrecklich zu schauen

War die Gestalt, die jüngst noch in jeglichem Busen den Muth hob.

Lange starreten sie, von Schauern ergriffen, dem König

In das entseelte Gesicht; doch jetzt erhob er sich. Plötzlich

Färbte glühendes Roth ihm die Wangen, und hell, wie im Nachtgrau’n

Flammt der Essen zerschmelzende Gluth, von mächtigen Bälgen

Brausend empört, ihm glänzten die zornausblitzenden Augen,

Als er den Helden genaht, mit geballter Faust, und, den Boden

Stampfend, das Kleid aufriß, und die Brust voll rühmlicher Narben

Rasch entblößend, rief: „Habt ihr ihn getödtet, den Jüngling

Voll gewaltiger Kraft, voll edelen Muthes und Sinnes?

Nein, ihr nicht: denn ihr seyd feig! Doch heimlich empöret

Habt ihr das edle Gemüth, daß er frech des Kindes Gehorsam

Mir versagte, mich floh, und selbst mein schrecklichster Feind ward.

Aber er stieß den Dolch, den ihr ihm gereicht, nicht dem Vater

258

Hier in die liebende Brust: er durchbohrte sein eigenes Herz nur.

Ha, was säumt ihr fürder? Entblößt — dem meuchelnden Dolchstoß

Offen seht ihr die Brust, in der ein tapferes Herz schlägt!

Wohl bekannt ist mir’s, daß ihr nach dem Leben mir strebet;

Auf, vollführet es hier, eh’ draußen noch tausende fallen,

Opfer des Kriegs, des furchtbarn, der mir nimmer zum Heil wird!“3

Dann verstummt’ er, erblaßt, vor den Tapferen. Lobkowitz wiegte

Trauernd, das Haupt: erhob g’en Himmel den Blick, und begann so:

„Welchen Jammer verhängt der Ewige über die Völker

Böheims! Herr, droht Krankheit dir? Ach, immer zum Herzleid

Deines getreuesten Volks geschäh’s — doch jetzt zur Verzweiflung:

Wo der Sieg uns winkt, und die Feinde, vom Schrecken gebändigt,

Zitterten! Hab’ ich, dem Streit abhold, nicht des segnenden Friedens

Worte gesprochen im Rath’? Umsonst: du wolltest den Krieg nur!

Nun vollführ’ es mit Muth, was du so kräftig begonnen.“

Ottgar wandte sich schnell zu Milota: „Führe,“ so sprach er,

„Heute den Kern des Heers rasch vor zu des Kampfes Entscheidung.

259

Hast du die dunkele Brust mir jüngst auf dem nächtlichen Irrpfad,

Höhnend, enthüllt — zerfleischt mit blutigen Krallen das Herz mir:

Traun, kühn war’s! so wirst du auch jetzt unbändigen Muthes

Stehen im Waffenfeld’, und erringen den Sieg mit Gewißheit:

Denn erprobt bist du in des Feldherrn wichtiger Stelle.

Lobkowitz weile mit mir, der Thaten gewärtig, im Rückhalt.“

Katwald hört’, erstaunt, die Rede des Königs, und rief ihm

Angstvoll: „Welch’ entsetzliche Wuth verblendet dich vollends,

Daß du den Kern des Heers dem heimlichen Gegner vertrau’n willst?

Immer lächelt er Hohn, und sinnt verderbliche Tücken.

Auf, ermunt’re dich jetzt, und führe das Heer in die Feldschlacht,

Selber, sogleich; wo nicht, so vertrau’ es dem tapferen Helden

Lobkowitz, eh’ denn ihm, der dir zum Jammer erseh’n ist!“

Aber er ballte die Faust, und wankte nicht, eiserngesinnet.

Ihm sah Milota kalt in das Aug’, und entgegnete trotzig:

„Keinem Schwachen vertraust du den Stab, die Zierde des Feldherrn,

Ueber den Kern des Heers: ich werde mir Ehre gewinnen!

Zwar verbanntest du mich erst jüngst auf dem nächtlichen Irrpfad

Ferne von dir: ich weilete heut’, und in kommender Zeit noch

Gern in dem Nachhalt nur: den hatt’ ich mir heimlich ersehnet!“

260

Sprach’s mit bedeutendem Blick’, und eilte hinaus in der Dämm’rung

Schnell zu entbiethen des Vorderzugs beritt’ne Geschwader.

Draußen am Lagerrand, vor allen dem feindlichen näher,

Saßen die Meißner und Thüringer noch, erlesen zur Vorhuth,

An den Feuern umher, und verkürzten in frohen Gesprächen,

Oft aufjauchzend zugleich, sich die nächtlichen Stunden. Nur, als jetzt

Milota, schaltend, vorüberzog, verstummte des Kriegers

Lautes Geschrei. Auch Inguiomar kam, eilenden Fluges,

Näher, und rief dem Führer des Volks, dem tapferen Dietrich:

„Ha, was sagte wohl jetzt der hochgesinnete Kaiser,

Heinrich, der Finkler genannt, der herrliche Vesten-Erbauer,4

Der auch Meißen erbaute, die Burg, und der Eurigen Ahn ist,

So er euch sah’ im Bund mit den Böhmen, als Deutsche den Deutschen

Feindlichentgegengestellt, und gehorchend dem Fremdling’ als Söldner

Hier in dem Kampf, der euch nicht Ruhm gewähret, nicht Vortheil?

Jetzt soll Milota’s Wink, der euch nie günstig gesinnt war,

Gegen den Feind mit dem Kern des Heer’s euch drängen, und treiben:

Denn hochwerth ist ihm, und noch mehr dem Könige selber,

261

Deutscher Muth, und der Arm, der stets in dem Schlachtengefild noch

Ihm den Sieg errang; doch bald vergißt er des Schweißes,

Und des Bluts, das ihr vergeudet, im eisernen Feld’ euch

Mühend für ihn, und ehrt, wie jetzt, nur die Seinen als Feldherrn.

Männer, besteiget das Roß, und zieht in der Stille, des Lagers

Wall entlang, nach der Heimath fort, wo die einsame Gattinn

Eurer mit Sehnsucht harrt, im Kreis’ umlärmender Kinder!

So nicht einet ihr euch, dem Eid’ untreu, mit den Feinden

Ottgars; aber auch ihm nicht fröhnet ihr mehr in dem Kriegszug.“

Also der Geist. Da erhob sich schnell Herr Dietrich, und rief so:

„Männer, hört, was dünkt euch? Ha, was sagte wohl jetzo

Unser erlauchter Ahn, der treffliche Vesten-Erbauer,

Heinrich, so er uns sah’ im Bund mit den Böhmen, den Deutschen

Feindlichentgegenstellt? Wie, Ottgar soll uns zum Kampf hier

Drängen, daß wir mit dem Muth, der deutsche Herzen beseelet,

Und noch stets ihm den Sieg errang in dem eisernen Schlachtfeld,

Enden den Krieg, der uns nicht Ruhm gewähret, nicht Vortheil?

Ha, er vergißt nur zu bald des Bluts, und des strömenden Schweißes,

262

Den wir unverzagt ihm spendeten! Lieblinge sind ihm

Nur die Slaven allein: denn Milota soll uns gebiethen.

Brüder, sitzen wir auf, schnurstracks, und zieh’n in der Stille

Fort, nach der Heimath fort: g’en Thüringen, Meißen, wo, liebend,

Unser die Gattinn harrt im Kreis’ umlärmender Kinder!

Zwar stamm’ ich aus der Ostmark her5: denn wisset es, Leupolds

Tochter, des Herzogs, war’s, die mich mit Schmerzen geboren,

Und mit Lieb’ erzog, zur Freude des sieghaften Vaters;

Doch nicht einen wir uns, dem Wort’ untreu, mit den Feinden

Ottgars — zieh’n nur heim, daß wir nicht die Brüder bekämpfen.“

Lautumjauchzender Schrei verschlang ihm das Ende des Zurufs.

Zitternd vor freudiger Hast, aufzäumte der Krieger sein Reitroß;

Hing das Schwert mit dem Wehrgehäng’ um die Schulter, und schwang sich

Auf in den Sattel, den eilenden Ritt zu beginnen, unmerkbar

Milota’s Falkenblick: denn als er wieder zur Rechten

Kehrte, ritten sie links Herrn Dietrich nach in der Stille,

Außer dem Rasenwall, thaleinwärts, bis sie den Heerweg

Wieder gewannen, entfernt dem Heer’, und für jetzo geborgen:

Denn hier wähneten all’: ein feindverderbender Zug sey’s —

Milota’s Werk. Doch jen’ enteilten, voll Hast, nach der Heimath.6

263

Ottgar saß noch im Zelt vereint im Rath mit den Feldherrn.

Milder schlug sein stürmisches Herz, und er sagte mit Sanftmuth

Manches freundliche Wort den Tapferen. Aber vor allen

Rühmt’ er Czernin: ob des entschlossenen Zugs vor die Mauern

Wiens, des Ueberfalls, und des kluggeordneten Rückzugs

Nach dem rühmlichbestandenen Kampf mit unzähligen Gegnern.

„Ha,“ rief Czernin jetzt mit zweifelndem Blick, „noch entrann ich

Glücklich des Kaisers Gewalt: denn hatte der Vater des Sohns nicht,

Schonend, geharrt, der erst in nächtlicher Stunde die Festung,

Für die sterbende Mutter besorgt, verließ: das Entrinnen

Wäre nicht leicht, und sicher das Grab in dem Zug uns geworden.

Jetzt nur schnell in den Kampf! Nicht in dumpfeinengenden Mauern,

Und Spießbürgern vereint, behagt mir, zu streiten; in Freiheit,

Draußen im Feld mir nahe der Feind: ich werd’ ihm begegnen!“

Als er geendet das Wort, da hob sich zur Decke des Zeltes

Herbot von Füllenstein, der riesengestaltete Ritter,

Der den reussischen Scharen geboth, in feuriger Hast auf,

Blößte sein mächtiges Schwert, und sagte mit donnernder Stimme:

264

„Nehmt, o König, zum Unterpfand des kühnen Versprechens,

Herbots eidliches Wort: nie zieht er hinfort in das Feld mehr,

So er nicht eueren Feind, der Kaiser sich nennet, gefangen,

Oder todt, euch schafft: dann möget ihr würdig ihm’s lohnen!“

„Dann,“ so höhnt’ ihn Zierotin, „dann werd’ ihm als Siegspreis,

So er es kühn vollführt, was er so muthig verheißen,

Böhmens Hälfte zu Theil — vielleicht verhieß ich zu wenig!

Aber, wohlan, wir all’ erringen gewiß in dem Feld dir

Heut’ unendlichen Ruhm, so uns dein gewaltiger Wink nur

Lenkt, und dein Siegesblick uns leuchtet im furchtbaren Schlachtgrau’n!“

Sprach’s mit Kraft. So riefen zugleich der tapfere Heinrich,

Bayerns Herzog, und Pfeil, des Sachsen-Volkes Gebiether.

Nun trat Zawiß von Rosenberg, der blühende Ritter,

Hastig in’s Zelt. Ihm sah wildstarrender Grimm aus den Augen,

Als er zu reden begann: „Nicht Erfreuliches werdet ihr hören:

Fort ist Meißens und Thüringens Volk, das reisige. Treulos

Zog es davon, und ihm liegt das Lager schon fern in dem Rücken,

Da es im Flug’ enteilt, zu erreichen die Fluren der Heimath.“

All’ aufschrie’n, von Zorn g’en jen’ empöret; nur Ottgar

Hob sich, schweigend, vom Stuhl. Wie des Vollmonds zitternder Schimmer

Fern auf dem dunkelen Teich’ erglänzt: so erhellt’ ihm die Augen,

265

Welche die Trauer umfing, des Muths aufdämmernder Lichtstrahl.

Langsam trat er heraus vor das Zelt; ihm folgten die Feldherrn.

Dort ersah er das Heer in der rosigen Frühe. Geschäftig,

Wie auf gehügeltem Laub’ im Walde die Ameisen rastlos

Kommen, und geh’n: so regte sich schon, die Rosse besorgend,

Rings das reisige Volk; der Waffen Glanz und des Lagers

Dumpfauftosender Lärm erfüllt’ ihm die Brust mit Vertrauen.

Doch stets lauter ertönete jetzt des eisernen Hufes

Schmetternder Schlag. Ein Ritter kam in brausendem Eilflug

Näher, und hielt das Roß vor dem Könige, trotzigen Blicks, an.

Leutold, der Kunring, war’s. Auch ihn empörte so eben

Inguiomar, daß er stolz entsage dem Waffenverein hier

Mit dem Beherrscher des Böhmenvolks. Nun sprach er ergrimmt so:

„Lang ersehnte mein Herz des furchtbarn Kampfes Entscheidung;

Aber umsonst: noch zauderst du stets, und versäumest des Glückes

Schnellentfliehende Zeit. Erst sah ich hinaus aus dem Lager

Ziehen die Meißner zugleich, und die Thüringer. Also bewährt sich

Mir die Sage: du biethest die Hand zum schmählichen Frieden,

Auf des Sohnes Verlobung bedacht, dem Grafen von Habsburg?

266

Sey’s, ich tadle dich nicht: du magst verfahren nach Willkühr!

Aber ich ziehe g’en Dürrenstein mit meinen Getreuen.

Kommt dann, beide, vereint! Gar viel’ erblickt ihr der Euren

Liegen, entseelt, an dem Wall’ umher, eh’ Leutold, der Kunring,

Fällt: nicht besiegt durch euch — von dem Schutt der Veste begraben.“

Stöhnend gab er dem Rosse den Sporn, und entschwand aus den Augen

Ottgars schnell. Er griff an die Stirn’, um welche der Frühwind

Wiegte sein grauendes Haar, und sprach zu dem sinnenden Feldherrn

Lobkowitz: „So ist des Menschen Geschick! In kräftiger Jugend

Hüpft der muntere Bach hervor aus grünenden Thälern;

Eilet dem freundlichen Land’ und den schimmernden Städten entgegen,

Stets gewinnend an Kraft, als sich unzählige Flüsse,

Huldigend, ihm anreih’n: er rauscht, ein mächtiger Strom, fort.

Doch nicht ferne dem Ziel’, eh’ er matt versinkt in des Meeres

Dunkelen Schooß, reißt hier und dort sich in sandigen Eb’nen

Wieder ein Arm nach dem andern von ihm, und er endet verloren

Dann in dem allverschlingenden dort, auf immer die Laufbahn!

Aber, wohlan, nicht klage der Feind: mit unzähligen Scharen

267

Hätt’ ich errungen den Sieg! Die treu verharren, genügen

Mir noch, Oestreichs Thron zu erkämpfen im Felde der Ehren.

Auf, wir ziehen dahin! Die Dromet’ erschalle; die Trommel

Rufe zur Schlacht, und im Wind entfalte sich winkend die Sturmfahn’!“

Also geschah’s: denn rasch vordrangen die muthigen Scharen.

268

Neunter Gesang.

Sanft verhallete jetzt der Gesang zu der heiligen Feier,

Die der Priester des Herrn vollendete, kreisendumgeben

Von des Heeres geordneten Reih’n. Im räumigen Lager

Stand der Altar erbaut vor dem Bild des erlösenden Kreuzes

Schnell, wie die Zeit es heischt’, im Schmuck hellgrünender Reiser;

Aber im Augenblick, wo nahe des Lebens und Todes

Würfel fallen, aufschwang sich das Herz in heißerer Andacht

Mit dem Gesange zu Gott: gar feierlich schlug’s in dem Busen!

Jetzt vom Staub, wo er bethend kniet’, erhob sich der Kaiser.

Himmlische Ruh’ erhellte sein Aug’, und, heiteren Muthes

Pochte sein Heldenherz, da im Feld die kehrenden Scharen

Schnell sich ordneten: denn schon riefen zum Kampf die Drometen.

Hell aufflammte des Morgens Strahl. Die freundliche Sonne,

Die den Abend zuvor in Westen ermüdet hinabsank,

269

Hob sich in Osten jetzt, als unter dem kreisenden Erdball

Sie die heimliche Bahn vollendete, schöneren Anblicks,

Wieder herauf, und erweckte die Welt zu erneuertem Leben.

Frischer grünte das Feld, und glänzender hüpfte der Strom hin;

Voll war Himmel und Erde vom Laut der verjüngeten Schöpfung;

Nur aus dem Waffenschmuck des versammelten Heers in dem Lager,

Sog die Sonn’, im Lauf, toddräuenden Glanz, und erfüllte

Rings die Völker umher mit Angstgebilden der Zukunft.

Aber den Kaiser umgab ein Kranz erlesener Feldherrn;

Alle horchten auf ihn, und harrten freudig des Winkes,

Der zu Thaten sie rief. Da sprach er, finsteren Blicks, so:

„Ottgar säumt, uns hier, wie er gestern gedroht, zu vernichten.

Schmach der That: nicht der Sitte gemäß, die aus grauender Vorzeit

Wir ererbten, uns both er den Kampf; nein, heimlich, im Dunkeln

Fiel er, dem Währwolf gleich, der nächtlich die Hürde bestürmet,

Ueber uns her. Es gelang dem Kühnen, zerstreute Geschwader

Niederzuwerfen: sie trugen die Schuld und hatten den Lohn hin,

Allen zum warnenden Wink, daß nimmer ein Gleiches geschehe!

Aber vernehmt, was mir zuvor an heiliger Stätte

270

Mächtig die Seel’ ergriff. Der entschwundenen Tage des Lebens

Dacht’ ich im stillen Gemüth: kein dauerndes Glück ist auf Erden.

Als ich Gutes und Schlimmes erwog, da fand ich, verwundert,

Daß ich am Freitag, an dem der Welterlöser für uns starb,

Stets mit Vortheil focht, und den Sieg errang in der Feldschlacht.

D’rum, nicht aus Feigheit, nein, aus herzentspross’ner Verehrung

Für das geheiligte Kreuz, will ich den Kampf der Entscheidung

Morgen kämpfen, am Tag des heiligen Bartholomäus —

Heute, gefaßt, nur kühn abwehren den feindlichen Angriff

Ottgars, so er ihn wagt. Wir wollen sogar ihm versöhnend

Nah’n vor des furchtbaren Kampfes Beginn. Hervor aus den Reihen,

Trautmansdorf! Zieh’ hin zu dem Könige; bieth’ ihm des Friedens

Oehlzweig noch einmal aus meiner versöhnlichen Rechten.

Mögen auch dein’ Erzeugten, wie sonst, dir folgen, daß etwa

Solches den Trotz ihm beugt, und das Herz zur Milde beweget:

Denn tief rührt uns die Schau des söhn’umgebenen Helden!“

Also geschah’s. Hervor aus den Reihen der tapferen Ritter

Kam nun Trautmansdorf mit den zwölf ruhmdürstenden Söhnen —

Zwei entraffte der grimmige Tod schon gestern im Nachtgrau’n,

Als sie im Ueberfall dort Ottgars Rechter erlagen.

271

Ach, nicht lange, so fallen auch sie, auf dem eisernen Schlachtfeld

Kämpfend, und einsam kehrt der trauernde Vater zur Burg heim!

Jetzt entblößt’ er den Stahl, und sagte mit sinnigen Blicken:

„Hart ertönet dem Vater der Ruf, daß er nahe dem Gegner,

Dessen Rechte noch roth vom Blut der erschlagenen Söhn’ ist:

Denn er könnte den Streit, obgleich ein Bothe des Friedens,

Heißer entflammen. Wohlan, wir wollen des Friedens gedenken!“

Sagt’ es, und sprengte davon, umringt von den tapferen Söhnen.

Siehe, nicht fern von Zwerndorf theilt, von trüben Gewässern

Schwer, sich der Weidenbach, und eint sich nur wieder vor Marcheck.

Links hin streckt er im Augefild den schlängelnden Arm aus,

Während, die Straß’ entlang, er rechts die tieferen Fluthen

Träg fortwälzt. In dem Eiland dort, Baumgarten vorüber,

Traf nun Trautmansdorf auf die Reisigen, welche der Gegner

Sandt’, umspähenden Blicks, zu erkunden die Nähe des Gegners:

Denn es erlies’t auf der Kriegslaufbahn ein jeglicher Feldherr

Waghäls’ sich, die im Grau’n des feindbedroheten Vorschritts,

Als Erleuchter ihm zieh’n, und Sicherheit schaffen der Heersmacht.1

Schon von ferne die Schar, die Rudolph sandte, gewahrend,

272

Ritten sie, brausenden Flugs, zu den Mähnen gebeugt, und den Degen

Schwingend auf in die Lüfte, heran: sie wähnten, des Gegners

Vorhuth sey’s, und brannten vor Gier, sie niederzuschmettern.

Laut schrie Trautmansdorf: „Halt ein! Als Herolde nah’n wir:

Blutigen Kampf — will’s Gott, noch lieber den Frieden zu biethen!“

Jen’, unmuthigen Blicks (denn beutebegierig) ihm winkten

Stille zu halten am staubenden Weg’, und sendeten alsbald

Zween der Reiter zurück, des Feldherrn Sinn zu erforschen,

Milota’s; doch er that, des Herolds Worte bedenkend,

Solches dem Herrscher kund, und er säumte nicht: denn mit den Reitern

Seines Gefolgs und Milota’s, kam er heran zu dem Vor-Zug;

Hemmte den Rappen, und hieß, mit zorngerötheten Augen,

Gegen ihn stolzausstreckend den Arm, den Redner beginnen:

„Mein erlauchtester Kaiser und Herr,“ so sagte der Ritter,

„Sendet dir freundlichen Gruß, und thu’t dir kund, und zu wissen:

Nicht nach edelem Brauch — unritterlich hast du sein Volk ihm

Ueberfallen bei dunkeler Nacht, und zu weichen, gezwungen.

Dennoch biethet er jetzt, hier unter des wölbenden Himmels

Heiterem Blau, und im Angesicht des versammelten Heeres,

Dir an dem Fest des heiligen Bartholomäus, auf morgen,

Offen die Feldschlacht an; obgleich gerüstet, entschlossen

Heut’ in dem Lager zu ruhn, und abzuwehren den Angriff

273

Deiner Gewaltigen, wenn — doch, das sey ferne, sie stürmten.

Aber er heißt dich zugleich das Wohl und das Wehe bedenken

Tausender. Seyd versöhnt! Du vernahmst des Friedens Bedingniß.“

Ottgar schwieg erstaunt. Ihn erschütterte heimlich die Bothschaft.

Auch ergriff ihn mit Zaubergewalt ein flüchtiger Anblick

Jener blühenden Schar, die um ihren Erzeuger zu Pferd saß.

Bald auf dem einen und bald auf dem anderen hing mit Gefallen

Sein gemilderter Blick: er dachte des Sohnes, und — Wallsteins!

Schon gewahrete jetzt auch Lobkowitz, daß ihm der Unmuth

Wich aus der Brust: er kam, des Friedens Ruf zu erneuern;

Aber da naht’ ihm Katwald schnell, und haucht’ ihm, vor allem,

Trotz in das Herz. Er sagte: „Du sollst für den blühenden Oehlzweig

Tauschen heute dein Schwert im furchtbarn Felde der Waffen,

Wo der Sieg dich erhöht’? Ein Thor wär’s, der es nicht sähe,

Daß nur die Angst vor dir ihm solches gerathen; zerschmettr’ ihn!“

Also der Geist. Auch Milota rief ihm, verhöhnend, entgegen:

„Ha, du sollest vielleicht neu huldigen, wie auf dem Eiland

274

Kamberg? Steht das dunkle Gezelt, mit dem trüglichen Vorhang,

Dich zu beschimpfen, bereit, daß rings die Völker dich schauen,

Dich, den König von Böheim, dort auf den Knie’n vor dem Kaiser?“

Ottgar ballte die Faust; er sah mit grimmigen Augen

Um sich her, und begann voll Wuth: „Wer wagt es, vom Frieden

Hier zu sprechen? Hinweg auf immer mit jeglicher Einung

Zwischen Habsburgs Grafen und mir, dem Könige! Weichet,

Zitternde Memmen, nur wieder zurück’, und entbiethet von Ottgar

Ihm die Fehd’ auf Leben und Tod! Zieht hurtig von hinnen,

Alle, daß euch nicht ereile mein Zorn schon hier, vor dem Angriff.“

Rasche Bewegung erhob sich im Kreis’ der gesendeten Helden:

Manchem zuckt’ es im Arm, aus der Scheide sein blinkendes Eisen

Gegen den König zu zieh’n; doch schnell bezwang sie der Vater:

„Denket,“ so rief er gefaßt, „wir kamen als Herolde Rudolphs,

Unsers erhabenen Kaisers, gesandt: nicht ziemt es uns, jetzt hier

Rächer der Unbill zu seyn; doch bald, in dem Felde der Waffen

275

Laßt uns gedenken der Schmach, und sie rächen im Blute mit Nachdruck.“

Rief’s, und jagte den Renner zurück’. Ihm folgten die Seinen

Zögernd, vor Ingrimm, nur, und wandten die flammenden Augen

Häufig zurück: denn ach, die raschnachstürmenden Reiter

Höhnten sie noch mit Geschrei und mit schallendem, lautem Gelächter!

Sieben gehorchten, und folgten ihm nach; doch lenkten die andern

Fünf’, aus der Zahl der eigenen Söhn’, unbändiger Wuth voll,

Plötzlich die Rosse herum, und flogen zurück auf dem Heerweg.

„Brüder,“ so rief der älteste laut, „kommt, lasset uns sterben,

Eh’ wir dulden die Schmach, die uns also die Seele betrübet!“

So mit empörendem Ruf’ enteilete Hartwig, den Degen

Schwingend zur Luft. Ihm nach, mit Eckhard, Walther, und Siegfried,

Folgte sein Zwillingsbruder und Freund, der tapfere Dietbert,

Bis sie erreichten die Schar der Reisigen, die zu dem Angriff

Herbot von Füllenstein, der riesengestaltete, führte:

Denn er warb sie entlang die grünlichen Fluthen des Peltew,

Jüngst: Klein-Reussens Volk, zu des Kriegs Beschwerden gestählet,

Wie auch geübt in dem Schlachtengedräng, schnellfüßige Rosse

Spornend, vorzusenken den Speer aus der Röhre des Bügels;

Dann mit des Fußes Druck’ und dem Stoße der nervigen Rechten

Einzustürmen im sausenden Flug’ in die feindlichen Reihen.

276

Siehe, so weit ein Pfeil, von der Sehne geschnellt, in den Lüften

Herfleugt, hemmte schon Hartwig das Roß, und harrte, dem Leu’n gleich,

Der in der Hetz’, umringt von emporgereiheten Sitzen

Voll schaulustigen Volkes, allein, der entfesselten Rüden

Heulender Schar, wie sie kommen, mit todandräuenden Augen

Harrt, und vor Grimm dumpf murrt: so Hartwig, als ihm die Reiter

Naheten; doch er rief mit gewaltiger Stimme noch laut so:

„Ha, ihr brüstet euch wohl, auf die zierlichgestalteten Mützen

Wie auf das wallende Kleid und die fähnleintragenden Lanzen

Stolz, in dem Vor-Zug oft, in vielumstürmender Mehrzahl,

Niederzustoßen den einzelnen Mann? — so gar nicht geachtet,

Weder dem Feinde noch Freund’: denn bar all’ edler Gesinnung,

Die des Kriegers Brust, des tapferen, füllet mit Großmuth!

Euere Zung’ ist kühn, die Helden zu schmähen; so kommt denn,

Zeiget den Muth, uns hier zu besiegen im rühmlichen Vorkampf!“

Also drang er im Eilflug vor; ihm folgten die Brüder

Alle, zur Wuth empört. Den Schaft der feindlichen Lanzen

Jetzt aufschleudernd zugleich mit dem Schwert’, erwürgten der Gegner

Dreizeh’n sie, voll Hast, und wandten dann fliehend den Rücken.

Fort nur ein Weniges noch, und sie waren entrückt dem Verderben:

277

Da fiel Dietberts Roß, und begrub mit dem Rücken den Reiter.

Hartwig ersah’s, wie er lag in dem Staub: denn immer nach ihm hin

Wandt’ er den lächelnden Blick; urplötzlich verscheuchte das Lächeln

Jetzo die Angst: er stieg nicht, er stürzte vom Pferde herunter;

Lief, erhob ihn, und strebt’, auf den Rücken des rasch und behend sich

Wieder erhebenden Thiers, ihm, lautermunternd, zu helfen.

Doch schon nahten im Flug die erbitterten Feinde. Die Lanzen,

Lechzend nach Blut, voreileten weit, zugleich von der Rechten

Und vom kräftigen Fuße gedrängt, zum schrecklichen Mordstoß.

Sieh’, und, als den Zaum und die Mähn’ erfassend, sich Dietbert

Auf in den Bügel schwang, da bohrten der feindlichen Reiter

Zween ihm die Lanz’ in die Brust: er sank, und verhauchte das Leben,

Eh’ aufschreiend vor Angst um den liebenden Bruder, ihm Hartwig

Hülfe geschafft, und Eckhard, fern mit Walther und Siegfried,

Sich des Jammers versah’n im lauterbrausenden Heimritt.

Zwar sie kehrten zurück’; auch Hartwig saß in dem Sattel

Wieder, und so wie der wüthende Bär, dem drüben der Weidmann

278

Schon das zweite Geschoß in die Seite getrieben, sich brüllend,

Auf den hinteren Beinen erhebt, und rasch auf den Schützen

Losstürmt: drang auch er, ergrimmt, auf die feindliche Schar ein.

Nur die Zween im Aug’, die ihm erst erwürgten den Bruder,

Gab er dem Rosse den Sporn, und warf sich inmitten der beiden:

Einem im Flug zerschmetternd die Stirn’, und dem andern die Scheitel

So, daß sie lautlos jetzt, und auf einmal dem Sattel entstürzten!

Hoch aufflatterte noch, im Sturz, von dem Schafte das Fähnlein,

Das, geröthet vom Blut des erschlagenen Bruders, ihn reizte.

Lang’ noch, hätt’ er zugleich mit den drei kampfmuthigen Brüdern,

Sich, unbändiger Kraft, gewehrt, und noch manchen der Gegner

Hingewürgt; doch schrie, vor Wuth sich die Lippen zernagend,

Jaroslav, der Führer des Volks, mit entsetzlicher Stimme:

„Schließt, ihr Memmen, den Kreis um die Rasenden; stoßet sie nieder!“

Also geschah’s: denn jetzt, umringt von dichteren Haufen,

Sanken sie dort, mit nie zu erschütterndem Muthe sich wehrend,

279

Alle, vom Sattel herab, und verhauchten auf Leichen der Gegner,

Die sie im Kampf’ erwürgten zuvor, die tapferen Seelen.

Doch der unglückliche Vater flog auf dem schnaubenden Rosse

Nach dem Lager zurück. Den Herrscher zu treffen, verlangend,

Daß er ihm künde sogleich das Nahen der feindlichen Heersmacht,

Sprengt’ er, die Scharen entlang, dorthin, wo im Hauche des Windes

Sein Panier aufflatterte, schön und erhaben vor allen.

Eilig sprach er vor ihm, um die fünf gefährdeten Kinder,

Die ihm nicht folgten, besorgt: „Umsonst ersehnst du den Frieden

Jetzt mit dem Könige: denn nur des Kampfs und der Rache gedenkt er.

Wisse, dir nah’t sein Heer; nicht fern mehr streifen die Reiter

Milota’s. Ach, mir gönne die Huld, vor des Lagers Umwallung,

Kehrend in Eile, zu schau’n: ob mein’ Erzeugten mir folgen?

Denn sie sanken vielleicht, empört von unwürdiger Schmähung,

Die von dem Feind’ uns ward, als Opfer unbändiger Rachgier!“

Sagt’ es, und eilete dann, von den tapferen Söhnen umgeben,

280

Wieder hinaus vor des Lagers Wall, wo Lärm und Getümmel

Unter dem Volk sich erhob: denn Milota’s furchtbare Reiter

Jagten herbei, wie am grau’numhülleten Morgen des Winters

Mit endlosem Geschrei unzählige Krähen heranzieh’n;

Schwangen die Lanzen zur Luft, und bothen dem Heere des Kaisers

Kampf auf Leben und Tod, mit wildverhöhnendem Trotz’, an.

D’rauf nachbrausten sie wieder im Flug den Kriegesgefährten,

Sich auf des Feldherrn Wink schnell aufzustellen im Saatfeld.

Aber der Lärmruf scholl nun rings in dem Lager. Die Trommel

Wirbelte; stets empörender klangen die hellen Drometen;

Herolde flogen voll Hast umher; die Stimme der Führer

Rief gebiethend zur Schlacht; das Fußvolk schloß sich in Reihen;

Rasch auf das Pferd aufschwang sich der Reisige; schimmernden Anblicks

Zogen die Ritter allen voran, und herrlich geordnet

Ging jetzt Rudolphs Heer in festausdauernder Abwehr

Außer des Lagers Wall, dem Feinde die Spitze zu biethen.

Ach, dort starrete noch auf die fünf erschlagenen Brüder

Trautmansdorf, der tapfere Held, mit erschütternder Fassung,

Schweigend, hinab! Es sandte zuvor der schreckliche Feldherr,

281

Milota, der auf dem Feld den angstergriffenen Landmann

Zwang, das gehörnete Rind, in Eil’, an den Karren zu spannen,

Sie nach dem feindlichen Lager heran. Da enthoben die Krieger

Jenem die traurige Last, und legten sie dort auf den Boden.

Aber er trieb sein Gespann, schnell wieder zurück’ auf dem Heerweg.

Siehe, schon wandte sich Trautmansdorf von den theueren Todten

Nach den Lebenden um, und gewahrte mit steigender Rührung

Jetzt, daß sie all’, ihm gleich, bezwangen die Thräne. Nur Erdwin

Hielt sich nicht länger, der jüngst’, und der theuerst’ ihm seiner Erzeugten:

Denn er sprang von dem Roß’, und warf mit schallendem Wehruf

Sich auf die Brüder hin: nun dem — dann wieder dem andern

Küssend die blasse Stirn’ und die toderstarreten Lippen.

Schnell umzog ein glänzender Thau die Augen des Vaters

Und der Söhne zugleich; sie weineten, über die Todten

Hingebeugt. Doch jetzo begann der tapfere Feldherr:

„Keiner tadle den Schmerz, der uns bei den jammernden Tönen

Meines geliebtesten Sohnes ergriff. Vielleicht, daß ihn auch bald

282

Grausam der Tod entrafft. Daß mir doch solches geschähe,

Eh’ denn ihm — zu entsetzlich wär’ des Getödteten Anblick!

Aber so will es des Kriegers Los: er sterbe der Pflicht treu!

Nur beschirmt, als Brüder, ihn kühn! Im Gemenge der Waffen

Möge der eine die Brust für den andern biethen, und Rettung

Schaffen sich selber und ihm, der Wechselhülfe gedenkend!

Erdwin, auf! Gebieth’, und schnell gehorchen die Krieger

Dir: nach Marchecks heiligem Grund die gefallenen Helden

Heimzutragen, daß dort der Priester mit Grabesgesängen,

Segnend, vertraue dem Staube den Staub; du folge dem Zug’ nach!“

Erdwin winkte den Kriegern stumm: sie erhoben die Leichen

Auf langschaftige Speer’, und trugen sie schnell nach den Mauern

Jener, unferne gelegenen Stadt, daß Alles und Jedes

Nach dem Willen geschah des mildgesinneten Vaters.

Durch das geordnete Heer ging nun der trauernde Zug fort:

Denn nach dem Rasenwall, den gestern unzähliges Landvolk

Baute, und d’rauf mit dem Graben umzog, dem Lager zur Schutzwehr,

Kam es heran: in den blutigen Kampf mit dem Feinde zu treten.

Aber, nicht rastete Katwald jetzt im höheren Luftraum:

Denn voll Muthes empört’ er die Kraft des nahenden Feldherrn,

283

Milota’s. Sieh’, als dieser die furchtbarn Reisigen Herbots

Eilen hieß in dem Vorderzug, nach dem muthigen Fußvolk

Mährens, dem er geboth, nachdrang ihm zur Rechten der Baiern

Treffliche Schar, geführt von Heinrich dem edelen Herzog,

Jetzt mit den Sachsen vereint, den tapferen, welche der Markgraf

Pfeil (ein Pfeil in der Schlacht!) im Sturmschritt lenkte: den beiden

Herrschte noch Czernin ob, als Feldherr. Aber zur Linken

Drang der Böhmen erlesenes Volk, gehorchend dem Helden

Lobkowitz, vor, und nach diesem kam das kühne Geschwader,

Welches sich Ottgar heut’ erlas, gleich loderndem Feuer,

Rasch aus dem Nachhalt vor, in die Reihen der Feinde zu stürmen.

Katwald eilte, voll Hast, vom Einen zum Andern, und weckte

Mächtig in jeglicher Brust des Kampfs entsetzliche Sehnsucht.

Horch, schon tönt drometendes Erz; schon wirbelt die Trommel,

Schreit der Krieger, und wiehert das Roß; schon zittert der Boden

Unter dem stampfenden Huf; des Blachfelds Weite bewegt sich

Vorwärts. Doch, wie im Hauch zwei streitender Wind’ an den Ufern

Wogen die Fluthen des See’s herauf und hinunter: so trat auch

Rudolphs tapferes Heer vor dem Wall den Feinden entgegen,

284

Und, wie der thürmende Wald erkracht, den plötzlich aus Süden

Und aus Norden zugleich, Orkane zerschmettern im Spätherbst:

Zahllos liegen umher die unendlichen Stämme geworfen

Durcheinander hinab in den Staub: so lagen die Reiter

Dort mit den Rossen, erwürgt, und des Fußvolks Reihen vermenget.

Furchtbar wüthete heut vor allen der tapfere Feldherr,

Milota, so daß Ottgar selbst den gewaltigen Thaten

Staunte, die er vollbracht’ in des Todes erkorenem Saatfeld.

Ach, er ahnete nicht, wie der Rachebrütende jetzt auch

Arges sann im Gemüth — daß er ihm vertraue, die Scheingluth

Heuchelte, bald Verrath nur an ihm zu verüben, entschlossen!

„Herbot,“ so rief er „hin, wo in keilgestalteter Ordnung

Oestreichs Heerschar naht — die Ritter für jetzo vermeidend,

Eile zuerst, und stürm’ im Flug’ in die Seite des Volks ein!“

Also geschah’s: denn schmetternd erklangen die eh’rnen Drometen;

Schnell, wie das Wetter fleugt, vorbraus’ten die reussischen Reiter,

Und die gesenkte Lanz’ aus der Röhre des eisernen Bügels

Festnachdrängend, erkor ein jeder von ferne den Mann schon,

Dem er die Brust zu durchbohren beschloß. Wohl sechzig erlagen

Also dem tödlichen Stahl der wildanprallenden Reiter,

285

Die in des oberen Oestreichs Gau’n der tapfere Hauptmann

Berchthold, warb, und lautes Geschrei auftobte zum Himmel.

Jene wichen zurück’, um schnell zu erneuerndem Anlauf

Sich zu stellen im Feld’, und die mordende Lanze zu senken;

Aber Capellen, der oberste Hort des Volks, wie des Ober-

Also des Unterlands, flog her, und empörte sie laut so:

„Denket der Ehr’ und des Vaterlands, östreichische Männer,

Jetzt in dem Kampf. Nur fest die Reihen geschlossen; die Lanzen

Kühn dem Feind’ entgegengesenkt, und, nah’t er, zur Erd’ euch

Hurtig gebeugt; dann auf, zu durchbohren dem schnaubenden Rosse,

Oder dem Reiter, die Brust! Bald schaut ihr sie fliehen im Schlachtfeld.“

Auch die Steyrer entflammt’ er, und rief: „Heut sollt an dem Feind’, ihr,

Krieger der Steyermark, euch rächen, der Schande gedenkend,

Wie ihr gewichen vor ihm mit Lärm und Getös’ in dem Nachtgrau’n,

Fortgerissen durch Schuld des Pettau’r, der, von dem Kaiser

Heimgesandt, hinfort zur Flucht euch nimmer verlocket!

Jetzo nur kühn an den Feind! Uns lohnt der herrlichste Sieg bald.“

Sagt’ es, und sprengte zurück: da braus’ten die furchtbaren Reiter

Herbots wieder heran, zu erneuen den muthigen Angriff.

Jene senkten das Haupt, ausbeugend, zum Knie’ hin, und bohrten

286

Hier dem Reiter, und dort dem Roß den Stahl in die Brust ein,

Als weit über ihr Haupt die feindliche Lanze dahinfuhr.

Aber der Boden, mit Leichen bedeckt, verwandelte ringsher

Sein erfreuendes Grün in die gräuliche Farbe des Blutes.

Milota sah den wankenden Sieg mit Staunen: er sandte

Schnell die Reiter zurück, und führte die mährischen Krieger

Gegen das Fußvolk, das aus dem ober’n und unteren Oestreich

Kam, und den Steyrern vereint, ihm entgegen stand in dem Schlachtfeld.

Gleich den Wogen des Meers, die ein Sturm aus Süden daherrollt,

Eilten die Reih’n jetzt vor; doch so, wie jene zum Strand sich

Stürzen mit lautem Gebrüll’, und im schäumenden Zorne zerschellen:

Denn nicht wanket der Fels: so trafen sie auch an den Kriegern

Oestreichs ehernen Widerstand im Gemenge der Waffen.

Schrecklich ertönte der Schrei der Würgenden, schrecklich der Lanzen

Kreischender Schlag, als sie den eisernen Helm und den Harnisch,

Oder das Panzerhemd zerschmetterten, wüthend geschwungen.

Gleich dem Orkan, flog jetzt auch Milota hin, und, ersehend,

Wie die Führer des Volks: der Seldenhofen die Steyrer —

Berchthold Oestreichs Krieger zum Kampf’ empöreten, schwur er

287

Beiden den Tod. Urschnell auf Berchthold drängt’ er das Streitroß,

Und als dieser, erhebend das Schwert, die muthigen Krieger

Oestreichs jetzt noch mehr vortummelte, siehe, da bohrt’ er

Ihm den Stahl in den Hals, daß alsbald ihm auf den Lippen

Starb das Wort, er taumelnd sank, und das Leben verhauchte!

Schmerz durchzuckte die Brust des Volks bei dem schrecklichen Anblick,

Da er, so mildgesinnt, ein Vater der Krieger genannt ward.

Doch mit erneuerter Wuth flog Milota hinter den Reihen

Seines Volkes hinab; drang wieder hervor, und durchrannte

Col von Seldenhofen das Herz, der weit vor den Seinen,

Die er entboth, hersprang, und nach ihm sein blutiges Eisen

Zuckte, die Stirn’ ihm zu spalten, gesinnt. Nun brachen die Knie’ ihm,

Schlotternd, ein, und er fiel, im Tod’ erbleicht, auf das Eisen.

Ach, bald jammert daheim die alterserblindete Mutter,

Deren einziger Sohn und Trost er war in den Jahren

Trauerbelasteter Witwenzeit auf der einsamen Felsburg:

Denn nicht kehrt er zurück, wie ein täuschender Traum ihr verheißen —

Er, den Traum ihr deutend, verhieß, die Gute zu trösten,

Als er zum letzten Mal’ auszog von dem rühmlichen Stammhaus!

288

Hier erlag er zugleich mit fünf erlesenen Kriegern

Milota’s Schwert, der furchtbarn Muths, umtobt’ in dem Schlachtfeld.

Ottgar wandte sich jetzt nach Lobkowitz um, und begann so:

„Nie war Milota’s Seele mir hold: ich kenne der Menschen

Trugverhüllende Brust; doch sieh’, ein schrecklicher Krieger

Ist er im Feld’: ich vertraute mit Recht ihm die rühmliche Stelle!“

Jener entgegnete schnell: „D’rum vor mit den Reitergeschwadern

Jetzt, wo die Feind’ erbeben vor ihm, sie niederzuwerfen,

Und zu entscheiden den Kampf in der heiteren Stunde des Glückes.“

„Nein,“ so sagte der König ergrimmt, „noch laß uns verziehen,

Bis er noch mehr aufflammt, und wir ihn entscheiden für immer!“

Also die beiden dahier. Capellen, der Edle, gewahrend

Drüben im Feld den Tod der muthigen Scharengebiether,

Sandte den Oesterreichern den Meißauer hier, und den Steyrern

Dort den Lichtenstein, aus der Schar der Ritter, als Feldherrn.

Schnell gehorchten die zwei Feldobersten jetzo Capellens

Ruf; denn jener erkor, an Berchtholds Stelle, den Helden

Summerau, und Lichtenstein den furtbaren Ritter

Merenberg, an jene des Seldenhofen, zu Führern.

289

Hoch schwang Merenberg sein Schwert in die Luft, und er rief dann:

„Ha, nun endlich dem Ziel, dem schrecklichen, näher und näher

Schreit’ ich den dunkelen Pfad! Komm, Richard, und stehe dem Bruder

Treu zur Seite, mit ihm die entsetzliche That zu vollführen,

Die sich der Merenberger ersehnt! O denke des Bruders:

Wie er am Galgen hing — das Haupt zu den Füßen gebunden,

Dreimal schreckliche Tage sich wand! Wie, leben soll Ottgar?“

Alsbald einte sich ihm in dem Kampf sein finsterer Bruder.

Doch mit erneuetem Muth vorstürmten die beiden Geschwader,

Und ermordeten, was sich entgegenstemmt’ in den Reihen.

Also gedrängt von den Stürmenden, wich Morawia’s Fußvolk

Langsam zurück’, und stand, und wehrte sich wieder: nicht anders

Weicht der gewaltige Felsenblock, nach dauerndem Regen

Losgewühlt vom Gebirg’, an des Bergs abgleitendem Rand hin;

Bis nachströmend die Fluth ihn bewegt, und er in den Abgrund

Stürzt im sausenden Sprung’ und Getös’, unhemmbaren Fluges.

Doch der erhabene Kaiser sah mit Freude die Seinen

Ringen im Feld, die im Vorkampf schon die gesunkenen Lorbern

290

Ihrer Heldenstirn’ jetzt herrlicher wieder erhöhten.

Schnell entboth er zu sich Trentschins Gebiether, der Ungern

Muthigen Hort, und sprach: „Noch ward dir, tapferer Feldherr,

Nicht eröffnet das Thor an der siegsruhmbiethenden Laufbahn;

Aber ich kenne den Muth, der dich und die Deinen beseelet.

Zieh’ g’en Schönfeld hin mit den furchtbarn Reitern, und harre

Drüben des Winks: urschnell dem Feind’ in die Seite zu fallen.

Aber der Wink sey dir: wenn, blutrothschimmernd, von Marchecks

Ragendem Thurm die Sturmfahn’ weht, und die Glocken erschallen.

Also erringst du dir Ruhm, und mir den herrlichsten Vortheil.“

Jenem erglänzten die Augen wie Gluth; er strich mit der Rechten

Sich den mächtigen Bart, und sprach: „Glorwürdiger Kaiser,

Gleich dem Morgenthau, der schmachtende Fluren erquicket,

Hat dein ehrendes Wort das Herz mir gelabt, und des Unmuths

Wolken entflieh’n mir jetzt vor den lang’umdüsterten Augen!

Tödtendem Blitz und verheerenden Stürmen gleich ist im Schlachtfeld

Ungerns tapferes Volk: ich will sie dir lenken zum Vortheil,

291

Mir zum Ruhm: weil mich des edelsten Kaisers Vertrau’n ehrt.“

Sagt’ es, und ritt im Flug, mit den jauchzenden Scharen nach Schönfelds

Auen hinab, ersehnend den Wink zu dem schrecklichen Angriff.

Aber der Kaiser entsendete links und rechts an die Feldherrn:

Albrecht hier, und Meinhard dort, die Herolde; stehen

Hieß er sie noch vor dem Wall’, und festabwehren des Gegners

Furchtbardrängende Wuth, bis, blutrothschimmernd, von Marchecks

Ragendem Thurm die Sturmfahn’ weht, und die Glocken erschallen:

Denn er ordnete dort die zeichenerspähenden Männer.

Marbod nahte heran. Er schwebte zuvor in dem Zeitraum

Eines entfliehenden Augenblicks nach den schimmernden Mauern

Drüben der Wunderstadt, Venezia,2 die aus des Meeres

Fluthen sich hebt, und des Fremdlings Brust erfüllet mit Staunen,

Dort das ehrende Maal des Heldengreises zu schauen,

Dandolos, der mit den Franken im Bund’, ersiegte die Hauptstadt

Constantins, erst jüngst, mit nie zu erschütternder Thatkraft.

292

Doch nun kehrt’ er zurück’, und staunte der Menge der Leichen,

Die in der Männerschlacht schon weit bedeckten die Felder.

Wie den Wanderer Grau’n befällt, der plötzlich ereilet

Von dem sausenden Sturm’, in den tiefergesunkenen Wolken

Weißherschimmernden Hagel ersieht, und drüben im Wald’ ihn

Wüthen hört, wo er bald, entstürzend mit lautem Geprassel,

Blühende Zweige zerschlägt, und zu Boden schmettert die Wipfel:

Also befiel ein Schauder auch ihn. Im Fluge vernahm er

Katwalds Ruf, wie er hier empörte den mächtigen Herbot.

„Ha,“ so sprach er, „du prahltest zuvor: du wollest lebendig,

Oder todt, aus der Schlacht heimführen den Kaiser der Deutschen?

Eitler Schwätzer, wie werden dereinst dein spotten die Helden!

Reite zur Rechten hinab, und versuche denn quer in die Reihen

Einzudringen, wo Rudolph weilt, und keine Gefahr ahnt.“

Herbot besann sich schnell; fünfhundert Reisigen rief er:

„Folgt mir!“ und jagte zur Rechten hinab, wo, nahe dem Herrscher,

Meinhards Heldenruf die Krieger zum Kampfe bewegte:

Denn schon maßen im Waffengemeng’ auch die Bayern und Sachsen

Sich mit den Tapferen Krains und Kärnthens. Dicht, und unzählbar

Lagen die Leichen im Gras’. Doch Czernin führte die Völker

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Gegen Meinhards Macht, der jetzt ihn näher gewahrend,

Schnell vordrang, und, genaht, ihm rief: „Du hast dich vermessen,

Nächtlich, im Ueberfall, Vindobona, die herrliche Festung

Zu betreten; gehofft, als Sieger, herunter zu schauen,

Stolzen Blicks, aus der Kaiserburg: nun sollst du es büßen,

Was du frevelnd gedacht, und gewollt, und nimmer erreicht hast.“

Czernin schwieg, ergrimmt. Er senkte den Speer, und erreichte,

Sausenden Flugs, den Mann, der also ihn schalt vor den Scharen,

Ihm die Brust zu durchbohren, gesinnt; doch fehlt’ er des Zieles,

Zitternd vor glühender Hast, und der blutgeröthete Speerstahl

Streifte nur, zwischen dem Leib’ und dem Arm, durchfahrend, den Harnisch.

Meinhard säumte nicht, hob, und senkte das Schwert, und zerschlug ihm

Jetzo den Helm und die Stirne zugleich, daß er rücklings vom Rosse

Sank, und, gestreckt lang hin, in Todesschauern erblaßte.

So vor den äußersten Reih’n stritt auch der muthigen Sachsen

Feldherr, Pfeil, mit dem weitgefürchteten Grafen von Heunburg,

Der den Kärnthnern geboth, und der Hort der krainischen Scharen,

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Ortenburg, mit Bayerns gewaltigem Herzoge, Heinrich,

Jetzo auf Leben und Tod: da Scharen des einen und andern

Sich bekämpften, und rings nur Mord und Gewürge zu schau’n war.

Heunburgs blitzendem Stahl’ erlag der tapfere Markgraf

Pfeil, nicht des Todes Pfeil, von des Gegners Rechte geschleudert,

Mehr vermeidend, nach schrecklichem Kampf’, und hauchte den Geist aus.

Heinrich gelang’s, den Ortenburg aus dem Sattel zu heben,

Ihm durchstoßend den Arm, daß er dort im knisternden Sandstaub

Blutete, kriegsgefangen sich sah, doch wieder gerettet

Heim in das Lager kam, und dem kundigen Arzte sich hingab.

Sieh’, als hier in dem Streit die erbitterten Völker sich maßen;

Schlachtruf scholl; Drometen schmetterten; Trommelgewirbel

Klang: der Würger Geschrei und Verwundeter Aechzen ertönte,

Jagte Herbot von Füllenstein mit seinem Geschwader

Durch den sondernden Raum, der zwischen der mittleren Heersmacht

Und dem Flügel zur Linken sich fand, in Eile hinunter —

Dann auf den Kaiser los, den Katwald ihm, wie der Gemsaar

Fernhin schauend, verrieth mit empörendem Geistergelispel.

Rudolph kam, im Gefolge der Trautmansdorfe (nur Erdwin

295

Weilte noch, frommbesorgt, in Marchecks schattigem Freythof)

Eben heran, gelockt von des raschvorstürmenden Meinhards

Lautem Siegesgeschrei, und ahnte die nahe Gefahr nicht;

Doch nun hemmt’ er mit zweifelndem Blick das Roß, und erforschte

Gierig: ob Freund’, ob Feind’ ihm naheten? bis er des Ritters

Riesengestalt ersah, der kennbar im feindlichen Heer war.

„Ha,“ so rief er, „erlag mein Volk? Entsetzliches Unglück

Droht: denn, seht, uns kommt ein feindlich Geschwader entgegen!“

Doch schon war er umringt. Laut schrie zu seinen Erzeugten

Trautmansdorf: „Kommt, laßt uns sterben für unseren Kaiser:

Rettet ihn, kämpft, und ersiegt euch hier unsterblichen Nachruhm!“

Alsbald kehrten die sechs untad’ligen Brüder den Feinden

Kämpfend, entgegen die muthige Brust, vom rühmlichen Beispiel

Ihres Erzeugers entflammt, den edelsten Herrscher zu retten.

Aber auch Marbod sah die Gefahr, die jetzo dem Leben

Rudolphs droht’; er umfing mit heißumschlingenden Armen,

Flehend, Capellens Brust, und rief: „Zur Linken hinüber

Eil’ im sausenden Flug’, und errette den Kaiser vom Tod jetzt!“

Jener staunte bei sich, wie ihn solche Gedanken bestürmten?

Gab dem Rosse den Sporn, und jagte herüber im Blachfeld.

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Schon umhäuften die Brüderschar in Menge die Leichen;

Schon war Edelred mit Erhard gefallen: die andern

Bluteten; doch ermahnte sie laut ihr edeler Vater

Noch mit dem Schwert’ in der Faust, zum Kampf für den edelsten Kaiser.

Sie gehorchten ihm all’, und erlagen nach schrecklichem Mord nur:

Kurd, Agilolf, und zuletzt mit Otto der heitere Winfried.

Jetzt drang Herbot schnell mit dem Speer, der hoch wie ein Mastbaum

Sich in die Lüft’ erhob, auf Rudolphs tapfere Brust ein.

Siehe, nicht traf er die Brust des kampferfahrenen Herrschers;

Doch dem steigenden Roß durchstieß er die Stirn, daß es stöhnend

Sank, und zugleich in den Staub den trefflichen Reiter herabwarf!

Ha, wer rettet ihn mehr? Zwar nahte Capellen; die Ritter

Naheten; links und rechts herstürmten die muthigsten Krieger:

Dennoch war es um ihn gescheh’n, und die Hülfe vergeblich,

Wenn nicht hurtig er selbst, mit dem mordenden Speer in der Rechten,

Auf den schrecklichen Mann losfuhr; unbändigen Muthes

Ihn bekämpfte; den Streich nach seinem geschlossenen Schlachthelm

Führend, mit solcher Gewalt ihn traf, daß die Augen ihm alsbald

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Dunkelten — Seh’n und Hören verging. Auch erhob er urplötzlich

Wieder den Speer: durchstach dicht unter dem Kinne den Riemen,

Der den Helm an das Haupt ihm festigte; drehte den Schaft noch

Hurtig herum, und riß blitzschnell ihn vom Sattel herunter.

Wie die Zinne der Burg, vom Orkan zur Erde geschleudert,

Fällt mit Gekrach, und der Grund weit hin erbebet: so fiel dort

Herbot zur Erde: sie bebte dem Fall’, und Gerassel der Waffen

Scholl im Gefild’ umher. Laut schnaubend vor Angst und Entsetzen

Jagte Capellen herbei. Er both, vom Pferde gesprungen,

Solches dem Kaiser, und half ihm hinauf in den Sattel, er selber

Schwingend das Schwert mit Trautmansdorf, dem tapferen Helden,

G’en die umdrängende Feindesschar sich zur Wehre zu stellen.

Schon entfloh die Gefahr: ein Jauchzen erscholl um den Herrscher,

Als jetzt Herbots Volk sich ergab an die drängenden Scharen.

Aber er stand, und zitterte. Schnell, empört von dem Anblick

Dieses Gewaltigen, der das Leben des Kaisers bedrohte,

Sprengten die zürnenden Krieger herbei, an ihm Rache zu üben;

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Doch der Erhabene rief: „Zurück, verschont ihn: er lebe!

Das sey ferne, daß ich bestrafe den tapferen Ritter,

Der so kühn sich erwies, nicht Tausende scheuend, im Angriff:

Heute noch komm’ er nach Wien in ehrenvolle Gewahrsam.

Trautmansdorf, dir dank’ ich das Leben, nach Gott! Nicht zum Boden

Wende den Blick jetzt mehr, noch einmal die Opfer zu sehen,

Die es dich kostete! Fort, zur Rechten hinab, und entbiethe

Albrecht schnell: er stürm’ in den Feind; du stehe zur Seit’ ihm

Dann mit gewaltigem Arm, ein rettender Schild in Gefahren!

Eilt nun all’ an’s Werk! ich bin geborgen; erhebt euch!“

Alle jagten davon; nur einer — unglücklicher Vater,

Nur du allein verweiletest noch, und sah’st auf die Todten,

Uebergebogen, hinab; dann gabst du dem Rosse die Spornen!

Ach, und das Augenpaar des umschauenden Kaisers erglänzte,

Thränenumhüllt! Doch jetzt aufschwang er den Degen: von Marchecks

Thurm ertönten mit stürmendem Ruf die Glocken, und blutroth

Flatterte dort in die Luft die thatengebiethende Sturmfahn’;

Bald erscholl ringsum Geschrei und verwirrtes Getümmel.

Ottgar zögerte noch. Umsonst ermahnte der Greis ihn,

Jammernden Lauts, getäuscht von Herbots Kühnheit, und sagte:

„Sieh’, wie dort rechts hin die Reisigen stürmen, das Fußvolk

Rasch vordringt! Nun gilt’s: entscheide den schrecklichen Kampf du!“

Aber der König begann: „Fürwahr, wir tauschten für heut schon

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Art und Gemüth: du kühltest die Gluth sonst mir in dem Busen,

Kaltvorschauend, und heut’, empört zu Feuer und Flammen,

Hast du nicht Ruhe, nicht Rast. Bald tönt der ersehnete Ruf dir.“

Dann begann er noch leise für sich in sinnender Schwermuth:

„Wallstein, ach, ich schau’ in des Sieges Gefilden dich nimmer!“

Lobkowitz schwieg. Doch sieh’, nun hemmte die stürmenden Krieger

Milota’s Feldherrnwink! Er dacht’, ergrimmend im Geist, so:

„Jetzo der Thaten genug, daß mir vertraue der König.

Ist’s nicht klar? Er sann mir heute den sicheren Tod nur,

Als er mich ehrend erkor: ich lebe noch, ihm zum Verderben.“

Dacht’ es, und zog alsbald, schwachkämpfend, mit zögernden Schritten

Sich auf des Nachhalts Reihen zurück. Ihn empörete Katwald,

Tapfer zu steh’n: umsonst, er wich! Doch, sausenden Flugs, war

Marbod den Völkern genaht, die am rechten Flügel, gehorchend

Albrechts Stimme, voll Heldenmuths, nach dem Kampfe sich sehnten.

Hochberg, der den Zürchern geboth, ersah er, und rief ihm:

„Schreie: „Der Feind entflieht!“ Gar mächtig ertönet dein Ausruf.“

Hochberg schrie: „Der Feind entflieht“ mit gewaltiger Stimme,

Die zum Kern des Heers, und hinaus zum äußersten Flügel

300

Donnerte. Bald erscholl’s von tausenden Stimmen auf einmal:

„Holla, die Feind’ entflieh’n! Sie flieh’n — die Feinde, sie fliehen!“ 

Ottgar horchte dem Ruf mit kalthinstarrendem Blick’ auf;

Wandte das Roß, und sprach zu Lobkowitz: „Wahrlich, vermuthend

War ich des Unfalls mir: denn höre des Herzens Geheimniß!

Jüngst, in der furchtbarn Zeit des mitternächtlichen Grauens

Hieß ich, im dunkelen Eichenhain, die Alrune,3 des Schicksals

Hehre Verkündigerinn durch Bothen befragen; sie gab mir

Antwort: Ottgarn winkt an Stillfrieds Marken das Ziel schon!

Dort ist der Sieg mir gewiß; wir wollen uns fechtend zurückzieh’n!“

„Herr, nicht der Hölle vertrau’,“ so rief der jammernde Greis auf,

„Gott vertraue — dir selbst, und deinen gewaltigen Kriegern!

Noch steht Sachs und Bayer im Kampf; noch nichts ist verloren.

Wolle mit Ernst den Sieg, er ist dein: o komm’, und erring’ ihn!“

Aber er trabte zurück. Ihm folgten am Fuße die Scharen

Milota’s, der in dem Nachzug noch voll täuschenden Eifers,

Selbst abwehrte, zum Schein, die raschnachrückenden Gegner.

301

Bald erscholl auch drüben Geschrei, wo Bayern und Sachsen

Kämpften im Waffengefild, geführt von dem tapferen Herzog

Heinrich, und Zierotin, dem kraftgerüsteten Helden:

Denn Matthias, der Hort magyarischer Krieger, ersehend

Oben am ragenden Thurm die blutrothflatternde Sturmfahn’ —

Hörend der Glocken Getön’, erhob sich in Eile von Schönfeld,

Mit zermalmender Macht dem Feind’ in die Seite zu fallen.

Vor zu des Rosses Mähne gebeugt, den blitzenden Säbel

Schwingend in kräftiger Faust, hinbraus’ten die Reiter, und hieben

Links, rechts, ein: bald lagen die Leichen gesä’t in dem Blutfeld,

Wankten die Gegner, und floh’n, verfolgt von den Gegnern in Hast fort.

Rastlos eilte der König dahin im sinkenden Nachtgrau’n,

Bis er nach Dürnkrut kam in das Lager, das er noch letzthin,

Stolz vor Siegeshoffnung, verließ — nun trotzig begrüßte:

Denn er dachte des Siegs am nächst­aufstrahlenden Morgen.

Doch bis Ebenthal, dem einsamen Schloß’ an dem Waldthal,

Führte der Kaiser sein Heer, und ruht’, umlagernd, im Feld dort.

Ganz verhallte des Tages Lärm, und vom nächtlichen Himmel

Sah’n die Sternenheer’ auf die schlummernden Völker herunter.

302

Zehnter Gesang.

Abendröthlich erglänzt der schnellentgleitende Rheinstrom;

Völlig verhallte der Sturm; nur liebliche Lüftchen bewegen

Manchmal, leis’umsäuselnden Flugs den ergossenen Spiegel

Seiner Gestade, wo links und rechts, von dunklen Gebüschen,

Wäldern, und Höh’n, nun hochaufragende Thürme der Burgen,

Nun hellschimmernde Städt’ und Gotteshäuser sich heben,

Und ihr Bild in die spiegelnde Fluth von oben nach unten

Kehren, gewiegt von dem Zuge der raschforteilenden Wellen.

Wechselnd, von einem zum andern Gestad’ durchkreuzen der Vögel

Singende Scharen die Luft, und ziehen dem schauernden Wald zu.

Abendglockengetön, vermengt dem Blöcken der Heerden

Schallet die Ufer entlang, als jetzt an dem wölbenden Himmel

Auf sich schwingen die goldenen Stern’; umschattendes Dunkel

Ruh’ auf die Welt umher verbreitet, und jeglicher Laut stirbt.

Von Schafhausen allein tönt Donnergetös’, in des Abends

Stille hörbarer noch dem Ohr: wo im schwindelnden Jähsturz

303

Sich von dem Klippendamm hinab zum versunkenen Strombett

Stürzt die gewaltige Fluth, aufschäumt an den Felsen, und dorther

Schauernden Nebelqualm in die Haine hinaus, und die Thäler

Sendet im Windeshauch’, unendlichen, ewigen Eilflugs.

Sieh’, ein Ritter kam aus fremden Landen gezogen!

Eilig trabt’ er die Straße herab, und ihm folgte der Knappe

Fern, ermattet der Last der Wanderung. Aber den Ritter

Trieb herzinniges Leid und der Heimath glühende Sehnsucht.

Als er im Abendlicht, hervor aus dem dunkelen Eichwald

Kommend, vor sich das weitverbreitete Land, und inmitten

Fluthen sah den ersehneten Rhein, da hielt er das Roß an;

Sprang aus dem Sattel herab, warf sich, erschüttert, zum Boden,

Netzt’ ihn mit Thränen, und stand, in des Anschau’ns Wonne versunken.

Hartmann war’s, der jetzo dem Strom sich nähernd, und kehrend

Heim in das Vaterland, die trauten Gefilde begrüßte.

Drüben am linken Gestad’, ersah er das freundliche Städtchen

Rheinau, welches der Rhein im kreisenden Lauf, sich nach Osten

Wendend, umfließt. Dort baute (so künden die Sagen der Vorzeit)

Sorglich das Gotteshaus Funtan, der Heilige,1 Schottlands

Königen blutsverwandt, den Brüdern von Monte-Cassino,

Als er, ein Pilger, dort die Stelle, vom Geiste getrieben,

304

Endlich fand, wo allein der Strom nach Osten den Lauf kehrt.

Hartmann sah vom Gestad mit bewegtem Herzen hinüber —

Sah im Geist noch hinaus weit über die Berge, des Aargau’s

Liebliches Thal, und dort von dem Felsenhügel die Habsburg

Ragen aus dunkeln Tannen empor in die Luft, und herunter

Schau’n auf die Fluthen der Aar, die ihr, eilenden Laufes vorbeirauscht.

Zwar vermißte sie jetzt die trauten Gebiether: der Vater

Fern (er tauschte den Grafenhut mit der Krone der Kaiser)

Todt die Mutter — von ihm die holden Geschwister geschieden.

Er, der Unglückliche, kehrt allein, in einsamer Stille

Dort zu erreichen das tröstende Ziel der irdischen Wand’rung.

Doch nun rief er, bewegt, dem spätnachfolgenden Knappen:

„Mangold, fasse das Roß an dem Zaum’, und führ’ es mit Vorsicht

Ueber die Brücke zur Stadt; bald folg’ ich dir nach in die Herberg!“

Mangold faßte das Roß an dem Zaum, und führt’ es mit Vorsicht

Nebenher, dem seinen gesellt, hinüber nach Rheinau

So, daß die Brück’, entlang, erst laut, dann leiser und leiser

Unter dem eisernen Huf fortpolterte, bis zu dem Land hin.

Hartmann weilete noch. Er saß in Trauer versunken,

Dort auf dem Felsenriff, das sich auf die Fluthen hinüber

Beugt; sah oft nach den Wellen hinab, wie sie rollten, und eilten

305

Rastlos fort in des ewigen Meers verschlingende Tiefen,

Und gedachte mit Trost der eilenden Tage des Lebens.

Sieh’, nun hob sich vor ihm der Mond in des Himmels Gezelt auf;

Hellte die Nacht, und zog in grünlichen Goldes Gefunkel

Quer auf dem dunkelen Strom die flimmernde Straße hinunter,

Der er, bewegt, nachsah, bis dort zu dem äußersten Rand hin,

Wo das Gestirn sich scheitelrecht in den helleren Fluthen

Spiegelte. Dort winkt’ ihm (so däucht’ es ihn) freundlichen Blickes,

Jenseits her aus ätherischem Glanz die liebende Mutter.

Ach, er streckte die Arme nach ihr mit stöhnender Brust aus;

Beugte die Stirn’, und ihm sank die heimliche Thrän’ aus den Augen!

Jetzo fuhr ein Kahn rasch über den schimmernden Mondpfad;

Muntere Stimmen erreichten sein Ohr. Herüber von Rheinau

Kehrte nach Eglisau, der Vater mit seinem Erzeugten,

Der, ein Fischer, dahin die Beute der Netze getragen,

Und seit Jahren umher auf dem fischdurchwimmelten Rheinstrom

Ruderte. Nun verfehlt’ er, getäuscht, des Zieles: der Kahn schlug,

Von der Strömung gerafft, an dem Joch der gewaltigen Brück’ um,

Barst entzwei, und die Zween verschlang, so mächtig sie kämpften,

306

Schrie’n, und riefen, die Fluth. Nicht der lastenden Rüstung gedenkend,

Nicht der grausen Gefahr, aufsprang der edele Ritter

Auf das Angstgeschrei nach Rettung jammernder Menschen;

Lief das Ufer entlang, und warf sich hinab in die Strömung,

Als der Junge hervor aus der Fluth die Rechte gehoben;

Aber nicht rettet’ er ihn, und fand in dem brausenden Abgrund

Dort das Ziel des schwermuthvoll entschwundenen Lebens.2

Ach, nicht ahnte des theueren Sohns unglückliches Schicksal

Rudolph noch, der fern im Zelt, von den Helden umgeben,

Saß beim erquickenden Mahl, nach unsäglicher Mühe des Tages!

Draußen, von Lagerfeuern erhellt, verlor sich des Himmels

Nächtliches Grau’n; Geschrei und Gelärm erscholl mit dem Wehruf

Blöckender Lämmer und Schaf’, und des dumpfaufbrüllenden Rindes:

Denn die Krieger besorgten das Mahl in geschäftiger Sorgfalt:

Jetzo das Fleisch in der siedenden Fluth, die im räumigen Kessel

Brodelte, wohl mürbkochend, und jetzt es auf kreisenden Spießen

Bratend so, daß der Wohlgeruch weit das Lager erfüllte.

Auch ermangeln sie nicht des herzerfreuenden Weines,

307

Oder des Brots; nicht des Habers und Heu’s die munteren Rosse:

Denn des Heers Marschalk, der Breuner, hatte genügend

Alles und Jedes zur Stelle geschafft für die dauernde Kriegszeit,

Und stets lauter erscholl auftobende Freud’ in dem Lager.

Drinnen im hellerleuchteten Zelt, von den Helden umgeben,

Harrte der Kaiser zuvor des blühenden Königs der Ungern,

Dem er den Herold gesandt, als dort vom Lager vor Marcheck

Sich das siegende Heer erhob, die geworfenen Scharen

Ueber den Weidenbach voll drängender Hast zu verfolgen.

An dem Gestade der March, wo, g’en Hochstätten, im Halbkreis

Sich hinwindet der Fluß, aufragte die Kuppe des Felsens,

Der vor grau’n Jahrhunderten schon den Völkern zum Markstein

Dienete, jetzt dem Zelt des lebensfreudigen Königs

Kühlenden Schatten both, und, ferne geseh’n, in der Umwelt

Alles dem spähenden Auge verrieth. Dort fand ihn der Herold

Sitzend im munteren Kreis’ der Zitherspieler und Sänger,

Die von dem Heldenzug der Ahnen herüber nach Ungerns

Reichem Gefild’ und der Thatenkraft gepriesener Führer

Sprachen im jubelnden Lied’; auch rühmten darauf: wie im Feld’ erst,

Kämpfend mit nieu erschütterndem Muth, des verbündeten Kaisers

308

Macht die Feinde bestand, und, gleich dem brausenden Sturmwind,

Der auf der Heid’ im Herbst die verdorrten Disteln dahinjagt,

Trentschins ruhmverherrlichter Held dann ihnen im Rücken

Lag mit mordendem Stahl, als all die Scharen zerstoben.

Aber so laut der König sich d’rob erfreute, so gönnt’ er

Dennoch dem Kunen den Ruhm vor dem Unger im heimlichen Busen,

Und ergrimmte noch mehr, daß ihm Kaduscha heute zurückstand.

Hastig nahet’ ihm Meyenberg, der Herold, und sprach so:

„Herr, dein Herz erfreue der Ruhm des herrlichsten Sieges,

Den dein tapferes Volk mit raschentscheidender Thatkraft

Uns erringen half. Zum Kriegsrath ruft dich der Kaiser,

Und zu dem fröhlichen Mahl nach des Tags ermüdender Arbeit.“

„Gern,“ erwiederte jener, voll Hast, „hineil’ ich in’s Lager

Meines erlauchten Verbündeten, der so edel gesinnt ist.“

Sagt’ es, und schwang sich auf’s Roß, im Gefolg kumanischer Reiter,

Ebenthal zu erreichen im Flug, wo im schimmernden Zeltraum

Rudolph, heldenumschart, sein harrete. Wie er dahinflog,

Fuhr der Staub zum Gewölk, erregt von den stampfenden Hufen.

Alle gehorchten dem Ruf des erhabenen Kaisers: nur Einer —

Kaduscha war nicht zu schau’n. Empört von dem Glücke des Helden

309

Von Trentschin, entboth er zu sich zweitausend der Reiter:

„Ha,“ so sprach er, „was sollen wir hier, mit den Deutschen verbündet,

Nutzlos opfern das Blut, da jüngst den lohnenden Woldan3

Wie er den Raubritt hieß, uns grausam der Kaiser verwehrte?

Auf, wir zieh’n nach Günß, den tapferen Iwan4 zu retten,

Den jetzt Bertholdsdorf, der Kammerer, stürmend, bedränget,

Innen im Raum der gewaltigen Burg! Wir entsetzen die Festung

Schnell mit würgender Faust, und erlösen den tapferen Grafen:

Dann soll Oestreich bald, verheert, und geplündert, mit Schrecken

Schau’n von nah’ und von fern aufflammende Dörfer und Städtchen;

Aber wir kehren, beschwert mit reichlicher Beute, zur Heimath.“

Laut aufjauchzten sie ihm, nach Beute begierig, und zogen

Schnell g’en Heunburg fort, der Donau Fluthen hinüber,

Ueber die Brücke, die Albrecht jüngst erbaute mit Sorgfalt;

D’rauf gewahrten sie bald den Neusiedl-See, und die Mauern

Oedenburgs, und eileten rasch nach den Höhen von Günß hin.

Doch schon hatte der Kaiser, vereint mit seinen Erwählten,

Mit vorschauendem Blick des Angriffs Weisen erwogen;

Manchen erforscht, und dem Forschenden gern mit würdiger Sanftmuth

310

Klaren Bescheid ertheilt: bis all’, einmüthig, ihm Beifall

Zollten; die Ordnungen, Zahl, und die Stellung der Völker im Schlachtfeld

Jeder gar trefflich fand, und jeglicher Zweifel entfloh’n war.

Siehe, nun scholl des Rosses Huf von der Straße herüber.

Jene horchten erstaunt; da sprach, sanftlächelnd, der Kaiser:

„Alle vermißet ihr hier nur ungern Hugo von Tauffers,

Jenen gewaltigen Greis, bei’m herzerheiternden Spätmahl.

Wahrlich, viel erduldet’ er jetzt, in der engenden Festung

Müßig zu steh’n, der stets im Gemenge der eisernen Waffen

Rasch vortummelt das Roß, und allwärts ist, wo Gefahr dräut!

Ich entboth ihn in’s Feld, dem jüngst verwundeten Helden,

Ortenburg, vertrauend die Vest’, und er folgte dem Ruf bald.“

Als er’s sprach, da trat der muntere Greis in das Zelt ein;

Grüßte den Kaiser zuvor, und den blühenden König der Ungern;

Dann die tapferen Helden umher mit feurigen Blicken,

Setzte sich hin, und begann: „Fürwahr, ich wähnte: verrosten

Müßte mein tüchtiges Schwert in der dunkelen Scheide für immer,

Und ich daheim Geschriebenes nur aus dem Munde des Mönchleins

Hören: von Thaten des Kriegs und euern errungenen Lorbern!

Aber als gütigen Herrn erwies dem alten Gesellen

Haug der Kaiser sich stets: sein dacht’ er auch jetzo mit Huld nur.

311

Kaduscha sah ich zuvor an der Spitze des reisigen Volkes

Treulos flieh’n; er gab, hohnlachend, den kurzen Bescheid mir:

Iwan weih’ er sein Schwert; euch wünsch’ er Glück in dem Siegslauf.“

All’ aufhorchten mit Staunen dem Wort; doch glühendes Roth fuhr

Jetzo mit wechselndem Weiß in die Wangen des Königs von Ungern,

Und ihm blitzte der Zorn aus den halbgeschlossenen Augen;

Dennoch besann er sich schnell; both dann die Rechte Matthias

Von Trentschin, und sprach: „Du sey des Heeres Gebiether

Mir hinfort! Obgleich vom Geschlechte der Kunen geboren

Mir die Mutter ward; ich die Liebe des Kun’s aus der Brust ihr

Sog als wimmerndes Kind, und, zum Jüngling gereift auf dem Todbett

Noch ihr schwur auf die pochende Brust: so will ich den, Unger,

Reuig erwägend die Schuld der dauernden Geistesverblendung,

Vorzieh’n jetzt dem Treulosen, der mich verließ, und nicht schmähen

Fürder das edlere Blut des throngebornen Erzeugers.“

Jener erhob sich mit Würde vor ihm, und beugte die Scheitel,

Schweigend, zum Dank. Doch, als im schlacht­entscheidenden Kriegsrath

Für den bald aufdämmernden Tag Alljedes besorgt war,

312

Saß der Kaiser im Heldenkreis’ bei dem fröhlichen Nachtmahl

Heiteren Blicks, und sprach, umschauend, zu Diesem und Jenem:

„Laßt euch Lagerkost, ihr Herrn, genügen: für jetzt noch

Sind der Gerichte nicht viel’, doch würze die wenigen Frohsinn!“

Lautes Gemurmel erscholl in dem Zelt. Geschäftige Diener

Reichten die Speisen herum: das dampfende Muß, aus dem Vorrath

Zartesten Mehles gekocht; dann wildes und zahmes Geflügel,

Wohlgebraten am Spieß mit dem Rücken des jährigen Rindes,

Und, zum kräftigen Brote zuletzt, der Sitte geziemend,

Goldenen Honigseim, wie solcher dem Deutschen ersehnt war.

Andere trugen die Fluth des köstlichen Weins in den Krügen

Freundlich herum, und füllten den Bauch der räumigen Humpen,

Die vor jeglichem Gast’, aus schimmerndem Erze getrieben,

Standen, nach Herzenslust bei dem Nachtgelage zu trinken.

Lauter und feuriger ward das Gespräch, und bewegter das Kriegszelt.

Aber der Kaiser sah mit lächelndem Wink nach dem Ritter

Müller, dem Zürcher, der im Kreise der Fröhlichen, immer

Heiteren Scherzes gedacht’, und jetzt zu Friedrich von Nürnberg

Also begann: „Herr Burggraf, sprecht: wie war’s denn vor Basel

Mit dem Gelehrten, da Ihr ihm Habsburgs Pfennig nicht gönntet?“

313

Jener kündete nun mit hocherröthenden Wangen:

Wie in dem dauernden Kampf vor Basel dem edelen Ritter,

Rudolph, both sein Werk: „Von den Kriegen der Römer und Deutschen —

So auch des Feldherrn Wissenschaft“ ein Gelehrter aus Straßburg;

Jener ihm schnell ein Goldstück gab mit der goldenen Kette,

Die von dem Hals ihm hing, und d’rauf, voll Gier, in den Büchern

Blätterte; wie er — der Schwester Sohn, ihm solches verwiesen,

Da viel Geldes das Volk ihn kostete, viel auch der Kriegszug

Fortan heischt’. „Ach hört,“ so erzählt’ er dann, „wie mich Rudolph

Schalt! „Der herrlichste Lohn,“ so sprach er, „gebührt dem Gelehrten,

Der hochrühmliche Thaten beschreibt, und im Herzen den Muth weckt,

Sie zu vollbringen dereinst.“ Er säße wohl selber mit Freuden

Ueber den Büchern, so ihm nicht die Zeit ermangelte; lieber

Spendet’ er auch sein Gold auf ihn, der, dauernden Mühens,

Solche Schätze gehäuft, denn auf manchen untüchtigen Krieger.“5

„Wahrlich,“ so fiel ihm Müller in’s Wort, „kein wankendes Schilfrohr,

Das sich im Hauche des Windes bewegt, gewahrten die Gegner

Jemals an ihm, denn hört: der Regensberger vererbte

314

Auch an den Kraft von Toggenburg, der seines Geschlechts war,

Unversöhnlichen Haß g’en Habsburg. Feindlich umringten

Wir mit erlesenem Volk dort Uznach, die ragende Felsburg,

Und ein Krachen begann alsbald: denn laut und unzählbar

Flogen die Felsen nach ihr, von des Antwerks6 mächtigem Wurfbaum

Hingeschnellt, das Ermel in Roth, der treffliche Meister,

Sinnig zu bauen, verstand. Auch die Katzen,7 mit Erde bedecket,

Rasteten nicht, stets näher den Mauern gerückt, und die Krieger

Schirmend vor Feindesgeschoß, die im Sonnenlicht und im Nachtgrau’n

Schwangen die furchtbare Wucht des mauerzertrümmernden Balkens.

Hundert Fuß aufragte der Stamm des mächtigen Eichbaums,

Den der Meister sich wählt’, und mit Eisen die Stirn’ ihm bewehrte.

Donnernd schlug er die Wand, von kräftigen Kriegern geschwungen.

Endlich rückten wir auch mit dem Ebenhoch8 an die Zinnen:

Schleudernd von ihm zermalmende Blöck’ in die Mitte der Felsburg —

Auch mit Schwefel und Harz erfüllete, brennende Kugeln.

Doch ereilt’ uns d’rauf der grimmige Winter: verderbend

Hielt sich die Burg sechs Monden schon mit erlesenem Streitvolk.

315

Viele begruben wir dort der Unseren; viele vermißten

Wir an dem Morgen oft, die feig entwichen bei Nachtzeit;

Doch nie wankte noch Rudolphs Muth. Da warfen die Gegner

Lebende Fische heraus in das Lager, als spotteten sie noch

Seiner Gewalt. Er rief: „Ermannt euch: unser ist Uznach!“

Also geschah’s. Er drang bei Nacht mit wenigem Volk nur

Ein durch den Mauerbruch, und eröffnete herzhaft das Thor selbst.

Unserm würgenden Schwert’ erlagen die Gegner, und alsbald

Fiel auch die Burg, zerstört, auf den Wink des Helden von Habsburg.“

Laut umtönt’ ihn einhelliger Ruf: „Hoch lebe der Held uns!“

Doch nun sah ihn zugleich der blühende König der Ungern

Traulicher an, und sprach: „Stets bist du wohl glücklich gewesen?

Denn ein heiterer Geist wohnt dir in den freundlichen Augen.“

Jener begann: „Nicht also: denn vieles erduldet’ ich seither,

Ander’n Sterblichen gleich, im wechselnden Laufe des Lebens;

Leidengeübt erkenn’ ich das Maß auch der härtesten Leiden

Anderer; doch, ich lernete dem, was über uns waltet,

Frühe mich fügen; hab’ treu an des Heilands Lehre gehalten,

Die uns gewiß, denn einzig wahr, hienieden und jenseits

Leitet zum dauernden Glück. Mit Dank genoß ich des Guten;

Setzte dem Schlimmen ein Ziel durch Geduld; stets ehrt’ ich die Wahrheit;

316

Meine Wege befahl ich dem Herrn, und schau’ in des Grab’s Nacht

Ruhigen Blicks: mir winket aus ihr das ewige Lichtreich.“

Sagt’ es, und sah, bewegt, nach Albrecht, seinem Erzeugten,

Der an den Lippen des Vaters hing, und weinte, hinüber.

Stiller wurd’ es im Zelt, da rief mit umschallender Stimme

Lichtenstein: „Was soll uns der Ernst bei der fröhlichen Mahlzeit?

Morgen ruft uns die Schlacht mit donnerndem Laut’, und des Frohsinns

Jubel verhallt. Wer kehret, wer nicht? Weß’ Sitz an dem Tisch hier

Leer ist bei’m künftigen Mahl: das steht uns zum Glück noch verborgen;

D’rum genießet des Augenblicks, eh’ er schwindet auf immer!

Soll dieß herrliche Fest des Sängers ermangeln? Er harret

D’raußen nur eures Winks: der gemeinsamen Freude gedacht’ ich.“

„Sage mir an,“ sprach Rudolph jetzt, „weß’ Landes und Volkes

Rühmt sich dein Sänger? Bekannt sind mir die Weisen der Meister:

Denn mir waren sie stets ersehnete Gäste; so mancher

Wallte zur Habsburg hin, und geehrt ging jeder von dannen.

Gierig horcht mein Ohr den zaubergewaltigen Männern:

Denn mit frischerem Grün bekleidet ihr Sang in dem Winter

Selbst, den entblätterten Wald, und mit Frühlingsblumen die Matten,

317

Die der herbstliche Wind versengt’: auf den nebligen Himmel

Sä’t er glänzende Stern’ umher, und weckt in des Menschen

Fühlender Brust, gar mächtig die Ahnung der schöneren Zukunft,

Der hier unter dem Druck der Gegenwart, wie erstarret,

Ach, nach jener, so oft, mit inniger Liebe sich sehnet!

Eilt, und führt ihn herein den werthen Gast bei dem Mahl hier.“

Jener eilte hinaus; dann kehrt’ er, und sagte dem Herrscher:

„Nicht unrühmlich bekannt ist Hornecks9 Name, des Sängers,

Der aus der Steyermark entsproß, und in blühender Jugend

Fort nach Deutschland zog an den Hof des würdigen Bischofs,

Werner von Mainz, wo ihm Rotenburg zum Meister geworden.

Aber ihn drängte das Herz: ein redlicher Hirte der Schäflein

Seines Heilands zu seyn, und er weidete solche mit Sorgfalt,

Jahrlang, bis ihm die Feder zugleich und das Siegel der Bischof

Wieder vertraut’. Er starb, und Horneck kehrt’ in die Heimath:

Erst dem Sänger des Frauenbuch’s,10 deß’ Sohn ich mich rühme,

Sich zum Frommen zu weih’n: dann mir, als jener gestorben:

Denn mit unsäglichem Fleiß, in zierlichem Reim die Geschichten

Schreibend, folgt er mir treulich nach im Krieg’ und im Frieden.“

318

Doch nun trat im langen Talare der heilige Sänger

Leise herein. Er trug die tönende Harfe mit Vorsicht

Unter dem Arm, und grüßte die Schar — vor allen den Kaiser

Tief, und mit innigem Blick’. Erstaunt besann der Beherrscher

Deutschlands sich. Ihm schien: als hätt’ er ihn früher gesehen;

Nur vom lastenden Alter gebeugt, und ergrauet an Haaren

Stand er, ein Fremdling, vor ihm. Da ließ er mit freundlichen Mienen

Auf den niedrigen Stuhl am Zelteingange sich nieder;

Langte die Harfe hervor, und fuhr mit flüchtigen Fingern

Ueber die Saiten dahin, die herzerschütternden Lautes

Töneten. Still ward’s d’rauf in dem Zelt, und es stockte der Odem

Allen umher in der Brust, da er jetzt den feierlichernsten,

Heiligen Sang begann im Klange der bebenden Saiten:

„Laut erbrauset der Sturm, und jagt tiefhangende Wolken

Ueber die finsteren Berge hinaus. Der laubige Hochwald

Trieft, der Gießbach rauscht, vom dauernden Regen geschwollen.

Sieh’, dort ruhete nun, aus dem Sattel gestiegen, ein Ritter,

Nach ermüdendem Weidwerk aus. Von dem heiteren Antlitz

Strahlt ihm der Heldenmuth — aus den bläulichen Augen die Wahrheit,

Liebe, und Treu’. Er sah in die Fluthen: sie saus’ten, und braus’ten,

319

Eilten im Fluge dahin, und er dachte des fliehenden Lebens.

Aber der Rappe scharrt; laut winselt der gierige Schweißhund:

Denn kein Wild auftrieb er im Forst, und der Ritter erhebt sich

Heim zu zieh’n in die Burg, wo sein die Liebenden harren.

Jetzt erreicht Geklingel sein Ohr. Von dem finsteren Wald her

Naht dem Ufer ein Priester des Herrn: im schimmernden Chorrock,

Und mit goldener Stol’ an der Brust, nachschreitend dem Meßner

Eilig, das Engelsbrot zu dem sterbenden Manne zu tragen.

Doch jetzt schaut er, voll Angst, umher: denn siehe, der Gießbach

Schwemmte den Steg aus dem Grund’, und drüben aufjammert die Hausfrau:

Hörbar poche der Tod an der Thür’, und es lechze der Gatte

Nach der Labung, die ihn auf die Reis’ in die Ewigkeit stärke.

Schnell entblößt’ er die Füß’ an des Ufers felsigem Abhang,

Dort die rauschende Fluth kühn durch zu waten, entschlossen.

Aber der Ritter kam in Eile herüber, und both ihm —

Erst anbethend den Heiland der Welt, das gesattelte Reitroß

An zu heiligem Dienst, und kehrte, vergnügt, zu den Seinen.

Als der Abend sank, und die Welt in rosigen Schimmer

Hüllete, sieh’, da führte der Priester das Roß an dem Zügel

Ueber den Burghof her, und sagt’ es dem Ritter mit Dank heim!

Aber er sprach: „Was dünkt dich? Nein, nicht diene dieß Reitpferd

320

Fürder zu schnödem Gebrauch, das meinen Erlöser getragen:

Denn nun sey’s der Kirche des Herrn mit dem Feld’ an dem Weiher

Frei geschenkt, daß hinfort kein Wildbach mehr auf den Pfaden

Jenes unwirthbaren Raums, in dem heiligsten Amte dich hemme!“

D’rauf der Priester begann: „So vergelt’ es dir Gott, der Erbarmer,

Edeler Herr, was du mit erbarmendem Sinn an dem Diener

Seiner Kirche gethan: stets mög’ es dir glücklich ergehen!

Ha, mir sagt es der Geist, und ich irre nicht — sey dieß Geheimniß

Dir in den Tiefen des Herzens bewahrt: dir zieret die Scheitel

Würdig dereinst die Krone des heiligen, römischen Reiches!

Herrschen wird dein Geschlecht auf dem herrlichsten Thron’ in die Zukunft

Endlos hin. Dein dauernder Ruhm erfüllet den Erdkreis!“

Endete so: da sah’n zugleich die versammelten Helden

Staunend, dem Kaiser in’s Aug’, und erkannten des Grafen von Habsburg

Fromme That enthüllt, die er stets verschwiegen voll Demuth.

Aber er stürzte herbei, und drückte mit heißer Umarmung

Lange den heiligen Greis an die Brust; dann rief er bewegt so:

„Wahrlich, du bist’s, Ehrwürdiger, der an dem rauschenden Gießbach

321

Mir mit dem Herrn erschien, dort Glück und Segen zu spenden!

Möge die ewige Huld dir hier und dort ihn vergelten!“

Jener beugte die Stirn’ auf Rudolphs Hand, ihm die Thränen

Bergend, und wankte hinaus in dem einsamen Zelte zu ruhen.

Auch die Helden, gesammt, enteileten: denn an des Morgens

Tod- und lebenentscheidende Schlacht ermahnte der Kaiser

Sie mit erglühendem Aug’: „O denket,“ so sprach er, „des Morgens,

Der uns im eisernen Felde vereint. Im Sieg’ ist die Freiheit,

Wohlfahrt, Ruhe und Glück viel Tausender: denket des Sieges!“

Aber erschütternd braust’ ein Ruf aus dem Munde der Helden:

„Ha, wir gedenken mit Gott zu erringen den Sieg in dem Blutfeld!“

Tief verstummte das einsame Zelt. Mit sinnenden Blicken

Ging der Kaiser umher; dann saß er wieder, und dachte

Noch des wechselnden Glücks der Sterblichen — sah mit Ergebung

Himmelempor, und entschlummert’ im Schimmer der Lamp’ auf dem Lehnstuhl.

Aber nicht lang, da fuhr er, bewegt, zusammen (nicht wacht’ er,

Schlummerte nicht) ihm stand, verklärt in himmlischer Schönheit,

322

Hartmann, der liebende Sohn, vor den nachtumhülleten Augen,

Blickte lächelnd ihn an, und sprach: „In düsterem Zeitraum

Schieden wir, mein Vater! Mir ward auf dem irdischen Dornpfad

Jammer zu Theil, und ich weinete still: nicht gewahrend der Vorsicht

Mildumschlingende Hand, die allein zum lohnenden Ziel führt.

Ha, nun steh’ ich am Ziel! Gelös’t, und in himmlischer Klarheit

Liegen des Lebens Räthsel vor mir; versiegt ist der Thränen

Bitterer Quell’, und es jauchzt die entfesselte Seele vor Wonn’ auf.

Vater, traure nicht, wenn die Todesbothen dir künden:

„Hartmann starb in den Fluthen des Rheins: im rühmlichen Streben,

Retter zu seyn Unglücklicher!“ Schon ist die sterbliche Hülle,

Die ihn umgab, in dem Baseler Dom zu Grabe getragen,

Wo ihm ein Denkstein wird, auf immer zum ehrenden Zeichen.

Traure nicht. Ich, und die Mutter — wir harren dein in Gefilden

Ewigen Glücks, bis treuerfunden am Ziel, wo entscheidend

Sinket die Wag’, und steigt, auch du, vor unsäglicher Wonne

Jauchzend, die Deinen ersiehst in seliger Wiedervereinung.

Denke der Alpenhöh’n, des Greises, und frommen Gelübdes,

Wenn in umdrängender Schlacht die Hoffnung des Sieges dir schwindet!“

323

Rudolph fuhr von dem Stuhl’. Er wähnte den fliehenden Schimmer

Noch an der Decke des Zeltes zu schau’n, und zitterte, starrend

Hin, den Gesichten der Nacht. Dann rief er: „Ein furchtbarer Traum war’s:

Furchtbar und himmlisch zugleich! Mein Hartmann lebt, und mich täuschte

Nur der Lamp’ aufflimmerndes Licht. O Herr, du bewahr’ ihn!“

Sprach so; streckt’ auf dem Lager sich aus, und entschlummerte wieder.

Aber nicht herrschte die Ruh’ und des Herzens Frieden in Ottgars

Zelt: denn eben kehrt’ er zurück aus dem finsteren Eichwald

Götzendorfs, und er wähnete noch: die Schrecken der Hölle

Rauschten hinter ihm her, im Gezisch’ unseliger Geister.

Furchtbar rollte sein Aug’, und seine geöffneten Lippen

Zitterten. Doch nun warf er das Schwert auf den drönenden Tisch hin,

Ließ sich nieder, und starrte mit düsterem Blick’ in des Oehldochts

Flimmernden Schein. Er eilte zuvor dem waldigen Thalgrund

Götzendorfs, im Grauen der Nacht, allein, und dem Heerweg

Fern’ auf dem schnaubenden Roß entgegen: des dunkelen Schicksals

Ruf noch einmal dort an dem schauerumflossenen Eichbaum,

Dem die Bewohner des Dorfs nur mit Angst und Schrecken vorüber

324

Eileten: denn stets scholl Gezisch um ihn her, zu vernehmen.

Dorthin bannt’ erst jüngst Drahomira, voll höllischer Arglist,

Einen täuschenden Spuk, zu verlocken den finsteren Ottgar,

Der um die Mitternacht hinwanderte, Gott zu versuchen.

Als er rasch auf den Baum losdrang, da trat ihm sein Engel

Unsichtbar in den Weg, und rief an das Herz ihm die Warnung:

„Wie, Verehrer des Herrn des Weltalls, Theuererlös’ter,

Willst du dem Vater der Lüge dich weih’n — die unsterbliche Seel’ ihm

Selbst verschreiben zum Pfand für trugverhüllende Zeichen?

Kehre zurück; bereue die Schuld des entflohenen Lebens.

Mild erbarmt sich der Herr des Reuigen: eil’ ihn zu söhnen!“

Ottgar horchte bestürzt: denn zorngerötheten Blickes,

Sah der Unsterbliche jetzt nach dem Baume hinüber, und alsbald

Floh’n die finsteren Mächte davon. Ihr wildes Gezisch scholl

Laut um ihn her: er wandte das Roß, und im brausenden Eilflug

Kehrt’ er heim in das Zelt, von Angst ergriffen, und Schauder.

Als er dort beim Scheine der mattaufflimmernden Lampen,

Sinnend, saß: da scholl ein Getrab anstürmender Rosse

Näher. Nicht lange, so stand Kunegunde, mit flammenden Blicken

Schauend, vor ihm, und sprach: „Hast du die verhüllete Neigung

Deiner so theuren Tochter dir, zu dem herrlichen Jüngling,

325

Wallstein, früher gekannt, der jüngst in’s eigene Schwert sank,

Und ihr Herz verwundet im Zorn? Nie siehst du sie wieder.

Hedwig entfloh. Aus dem Kloster, ach, der ad’ligen Nonnen

Drüben im Ungerland kam mir die Kunde gesendet:

Eine Braut des Herrn, will sie in erkorener Stille

Leben hinfort. Schon hüllt ihr die liebliche Stirne der Schleier.

Schrecklicher, dein Werk ist’s: gar viel des Schlimmen erlebst du!“

Ottgar beugte das Haupt, und barg die thränenden Augen

Schnell mit den Händen vor ihr: von dem leise geahneten Schicksal

Seines theuersten Kindes bewegt. Er bebte, verstummend.

Doch sie sprach von neuem mit Hohn: „Im nächtlichen Grauen

Komm ich von Drösing heran: denn wer gewahrt’ in des Tages-

Licht nicht die Scham und die heimliche Wuth mir im glühenden Antlitz

Ueber die Flucht des Böhmenheers — des tapfersten Heeres,

Das sein Hort: weh mir, daß ich Gattinn dem Feigen geworden,

Fliehen hieß in dem Augenblick des entschiedenen Sieges!“

„Weib, halt ein!“ schrie laut der Empörete, „kühn und entschlossen

War ich mein Leben lang, und feig ertrug ich als Gatte

326

Nur, die Launen des Weibs, das mir zum Jammer zu Theil ward.

Ach, die unfriedliche Ehe gebiert die herbste der Qualen!

Doch für jetzo hinweg mit eitlem Gezanke. Zu furchtbar

Dränget der Augenblick: nicht fern ist die Stunde der Schlacht mehr.

Fort noch heute g’en Prag! Ich sende dir muthige Scharen

Zum Geleit. Mit dir sey Gott! Kunegunde die Mutter

Meiner Kinder bist du! Erhabenes liegt in den Worten.

Halte sie wohl, die theuern! Gar viel ertrug ich des Schlimmen

Mit Geduld, um die Kindlein: denn mir fehlte der Sohn noch.

Ha, daß vielleicht, so mir die Heimkehr wird aus dem Kriegszug,

Schönere Tag’ uns blüh’n! Nur als Sieger siehst du mich wieder.“

Sagt’ es, und stand, verwendeten Blicks. Ihr rollten die Thränen

Ueber die Wangen herab: denn tief vorahnte sie’s: nimmer

Werde sie ihn mehr seh’n; doch scholl kein freundliches „Leb’ wohl!“

Ihr von den Lippen; sie ging, und schwang sich auf’s Roß, von den Reitern

Dicht umschart, bald Prag, die herrliche Stadt zu erreichen.

Heftig bewegt, ging Ottgar jetzt im dämmernden Zeltraum

Auf und nieder, und sann. Schon längstentflohene Zeiten

327

Kehreten ihm, nun lieblich und hell, nun nächtlich und furchtbar,

Wieder im Bilde zurück, und ach, unendliche Wehmuth

Faßte sein Herz, als dort die dämmernde Helle des Nachtgrau’ns

Trauergewölk verschlang, und um ihn, verödet, die Welt lag!

Stöhnend streckt’ er zuweilen den Arm weit vor, und ersehnte

Heiß, zu entreißen dem Grab, was solches im Moder bedeckt hielt.

Seine Lippen bewegten sich dann, und lispelten Nahmen,

Ort, und Zeit umher in die Dämmerung. Willigen Herzens,

Wär’ er mit flehendem Wort vor Dem, und vor Jenem gesunken

Auf die Knie’, zu erringen den Wink ersehnter Verzeihung.

Doch, als Niemand war, der Antwort gab, und auf Erden

Alles, verstummt, und erstarrt, auf immer jegliches Mitleid

Ihm zu versagen schien: da hob er die furchtsamen Augen

Auf zu dem Himmel, und sah durch leis’aufquellende Zähren,

Zweifelnd, hin, bis jetzt, erschüttert, die bebenden Händ’ er

Faltete; dann, gesunkenen Haupts, auf die Kniee sich werfend,

Also begann: „O Herr, nicht geh’ in’s Gericht mit mir Armen!

Ringsum drängt mich die Schuld, wie die Fluthen des schwellenden Bergstroms,

Und einstürzender Berge Geröll. Wo find’ ich Errettung

Einst vor deinem Zorn, Allmächtiger, wo, so dem Schuldner

Nur vergeltendes Recht, nicht auch Erbarmen zu Theil wird?

Doch Erbarmen mit mir, das, hart- und eiserngesinnet,

328

Ich nicht übt’ an den Menschen — ein Mensch? Erhebe die Hand nur,

Furchtbarer, straf’ mich: denn ich hab’ es verschuldet, auf immer!

Dennoch nimmst du die Sühne noch an; barmherzig und gnädig

Bist du, o Herr, wenn reuig das Herz auf der irdischen Bahn noch,

Schmerzdurchdrungen, sie beut! Noch wandl’ ich auf ihr. Im Bewußtseyn

Schrecklichen Frevels, zu dem auf der schwindelnden Höhe des Thrones

Mich die gefährliche Macht und der feiggesinneten Schmeichler

Zauberruf hinriß, und des ungebändigten Herzens

Ehrgeiz, Stolz, und begierliche Gluth stets mächtiger drängte,

Will ich, läßt du mich leben, o Herr, mit reuigem Herzen

Sühnen die Schuld! Wie ich einst des Kreuzes heiliges Zeichen,

Siegend, zur Ostsee trug, und dort den verwilderten Heiden

Deines Nahmens Ruhm verkündigte, eifernd für Wahrheit,

Tugend, und Recht; wie dort das Herz bei jeglichem Guten

Höher im Busen mir schlug, und ringsum die heitere Schöpfung

Lächelte, weil in der Brust noch Frieden mir wohnte: so will ich,

Ein erneuerter Mensch, hinfort dir leben, und würdig

Wandeln vor dir, geschirmt von deiner allmächtigen Rechten!

Ha, der Morgen graut! Ich stehe g’en über den Feinden:

329

Jenem zumal, der mich verhöhnete — mir in dem Herzen

Glühenden Haß und Rachsucht weckt’. Ich verzeih’ ihm: du heischest

Solches, mein Heiland, von mir zum Gehorsam. Im redlichen Kampf nur,

Den des Throns erworbenes Recht und die Liebe der Völker

Heiliget, will ich ihm steh’n, und anheim dir stellen mein Schicksal.

Gieb mir den Sieg, Herr! Doch nicht mein — dein Wille geschehe!“

Aber die Himmlischen feierten nun der unendlichen Allmacht

Huldausstrahlenden Wink. Auf Erden erglühte das Frühroth.

330

Eilfter Gesang.

Zweifelnd rang der Tag mit der Nacht, und im schauernden Zwielicht

Ruhte die Erde, noch rings vom holden Schlummer umfangen,

Als das schreckliche Paar der Meerenberger in’s Lager

Kehrete. Dort an dem Pfad, der, längs dem duftenden Weinberg,

Immer höher sich hebt, und erst an dem felsigen Hügel

Schwindet, von welchem der Rabenstein empor in die Luft ragt,

Standen die Rachebrüder, vereint zu entsetzlichen Thaten,

Schon drei Stunden lang, und sah’n mit finsteren Blicken

Bald nach dem Hochgericht, bald einer in’s Auge dem andern,

Das, wie der Blitz aufflammt in dem Nachtgrau’n, öfters erglühte

Vor dem gewaltigen Drang des grimmgesättigten Herzens.

Aber da sprach der ältere so zu dem jüngeren Bruder:

„Siehe, der Morgen graut; schon bin ich gefaßt, und entschlossen!

Komm: die Vorhuth harrt, der wir uns entzogen.“ Und jener

331

Sagt’, erweicht: „Noch ist das Entsetzliche, dem ich erbebe,

Nicht gescheh’n; noch stehen wir fern dem gekröneten Gegner,

Den ich zu morden schwur in der offenen Schlacht, in des Tempels

Heiligthum, und in dem stillen Gemach, wie solches das Glück mir

Günstig beut. Bereit ist die Rach’, und der schändlichste Frevel

Heischt sie mit Recht, und doch — ich könnt’ ihm verzeihen! Nicht zürne

Theurer, mir ob dem Wort’, er sinkt: ich könnt’ ihm verzeihen!“

„Wie,“ so entgegnete jener voll Wuth, „das verhaßteste Wort kam

Dir von den Lippen: verzeih’n? Sieh’ hin nach dem Baume des Fluches!

Ist er nicht jenem gleich — vielleicht daß die höllischen Mächt’ ihn,

Mir zum Hohn, durch Zaubergewalt herführten im Luftraum,

Weh’, auf dem der edelgesinnete Bruder, mein Seyfried,

Schuldlos litt; das Haupt zu den Füßen gebunden, nach dreimal

Schrecklichen Tagen verblich? Verzeih’n? Ich erwürge dich, thust du’s!“

Jener verstummte vor ihm, und sie kehrten mit eilenden Schritten

Wieder zurück zur Heldenschar der erlesenen Vorhuth.

332

Drüben in Osten entstieg des erd’umrandenden Himmels

Tiefen, gehüllt in Rosengluth, die ersehnete Sonne;

Aber sie schwand dann bald, von düsteren Wolken verschlungen,

Wieder, und zeigt’ auch heute nicht mehr ihr freundliches Antlitz,

Bis sie vom Abendthor erreicht das herrliche Ziel sah!

Schon war drängende Hast und dumpfes Gemurmel im Lager

Beider Gegner erwacht; schon sprengten die Herolde hierhin,

Dorthin fort: des Heers Aufstellung den schaltenden Amtnern1

Kund zu thun, wie solche zuvor der Herrscher gebothen.

Ottgars dräuende Macht hob weit an dem dunkelen Spannberg

Sich empor: ausdehnend rechts den mächtigen Flügel

Bis g’en Weidendorf, und links an die Marken von Dürnkrut,

Also geordnet in sechs Heersäulen, dem Feind zu begegnen:

Hier an das Böhmen-Volk der Sachs und der Bayer, und drüben

Reuß’ und Pol’ an jenes aus Mähren, gereiht, mit den Scharen,

Kunrings: denn ihm verharrete dort mit erlesenen Kriegern

Noch zu getreulichem Dienst Hadmar, der ältere; Leutold

Nur, aufflammenden Zorns, zog jüngst mit den Seinen zur Burg heim.

Aber wie gestern am Wall’, zu drei Heersäulen geordnet,

Standen des Kaisers Reih’n entgegen den Reihen der Gegner,

Und gedachten anjetzt vor dem Kampf, der Beicht und des Bußwerks:

333

Denn manch tapferer Krieger sprach: „Wo weilt in des Heeres

Ordnung der Seelenhirt, der von dem verirreten Schäflein

Höre die Sünden bekannt, und im Nahmen des Herrn es entlasse,

Ledig der Schuld? Ach, furchtbar wär’s, in solcher zu scheiden!“

Bald gewahrt’ er den Wink, der ihm das ragende Zelt wies,

Wo in dem dämmernden Raum, mit niedergehefteten Augen,

Heiligen Mitleids voll, der Priester des Herrn zu Gericht saß.

Willig senkten vor ihm auch sonst unwillige Knie’ sich

Jetzt in den Staub, und, segengestärkt, bekannten die Krieger,

Nicht durch Erdenmacht — nein, nur von dem Herzen getrieben,

Was sie gefehlt, und bereut; sie höreten warnende Lehren;

Hörten erfreuenden Trost, und zuletzt den göttlichen Ausspruch,

Der sie lös’te, nicht band, auf dem Wege des Heils und Erbarmens,

Wie es der Meister gelehrt, der Menschen des Himmels Gewalt gab.

D’rauf, als dort vor jeder der drei Heersäulen ein Priester

Würdig die Feier des Abendmahls vollendete, traten

Sie zu dem Tische des Herrn, und empfingen die Speise der Seelen,

Klopfend die Brust dreimal mit des Kapernaonischen Hauptmanns

Demuthssinn, der sprach: „O Herr, nicht würdig erkenn’ ich

334

Mich, daß du einkehrst heute bei mir; doch, sprichst du ein Wort nur,

Wird die Seele gesund!“ Und mit Freudigkeit stellten die Scharen

Wieder sich auf in Reih’n, gestärkt in heiliger Andacht.2

Jetzt erwacht’ in dem Lager Getös’. Der edele Ritter

Rief den Knappen herbei, daß er säh’ nach dem Zaum’ und dem Bügel —

Nach dem Sattel und Gurt: ob jedes dem mächtigen Schlachtdrang

Haltbar sich wies’? da er selbst den Helm mit dem Riemen am Kinn sich

Festigte; dann sein gutes Schwert, aus der Scheide gezogen,

Prüfte, die Schneid’ entlang, mit sanfthingleitendem Daumen.

D’rauf noch einmal umwandelnd das Roß mit forschenden Blicken,

Faßt’ er hurtig den Zaum, und sagte zu seinem Getreuen:

„Grüß’ mir den grauenden Vater daheim, so der Vater im Himmel

Mich in dem Waffengemeng, durchbohrt vom feindlichen Eisen,

Abruft: bald nachfolgt, vom Alter gebeugt, er in’s Grab mir!“

Aber ein Anderer sprach: „Merk’ auf! So ich niedergeworfen

Lieg’ auf dem Feld’, und du kehrst, so bringe der Grüße viel tausend’

Dort der Schwester noch, der redlichen: denn in dem Leben

335

Theilten wir Freud’ und Leid, vereint von der zartesten Jugend!“

Wieder ein Anderer trat mit dem Knappen beiseit’, und geboth ihm:

„Kömmst du vorüber die Burg, wo mir, holdselig, das Fräulein

Treue Minne gelobt: oft hast du es selber gesehen,

Wie von dem Erker sie mir, dem Scheidenden, thränenden Blickes,

Nachsah, dann noch fern mit dem schimmernden Tuche mir winkte:

O so sprich: „Treu bis in den Tod ihr weiht’ ich das Leben!“

Doch der fromme Gemahl begann mit sinnendem Ernst so:

„Redlicher, kehrst du, des Ritters beraubt, zur rühmlichen Heimath:

Grüße die beste der Frau’n und die holdaufblühenden Kinder

Alle mit herzlichem Wort! Die so edelgesinnete Gattinn

Solle mir ja bewahren den Eid, und die munteren Jungen,

Sorgend mit Mutterhuld, zur Furcht des Herrn auf der Wahrheit

Hellem Pfad’ erzieh’n, daß sie Männer in jeglichem Sinne

Werden, und wir vor Gott uns wiederfinden in Wonne!“

So bestelleten dort, voll Hast, die gerüsteten Ritter,

Vor dem Entscheidungskampf, des ergriffenen Herzens Geheimniß.

Andere sprengten daher, und schüttelten Diesem und Jenem

336

Freundlich die Hand, „leb’ wohl!“ auf immer vielleicht ihm zu rufen.

Doch die, bundesgesellt, in den schimmernden Reih’n sich erblickten,

Eineten sich mit betheuerndem Wort’ und mit kräftigem Handschlag:

Nahe zu seyn in Gefahr, und zu schützen der eine den andern.

Sieh’, da ritt, umringt von seinen gewaltigen Feldherrn,

Nach vollendetem Mahle des Herrn, auch der Kaiser herüber!

Hugo von Tauffers sah des Heers Aufstellung, und sagte:

„Herr, nicht schweigt dein Haug: er kennt den gütigsten Herrscher!

Heiße die Scharen in fünf, nicht in drei Heersäulen geordnet,

Gegen den Feind vordringen im Feld, daß die tapferen Krieger

Jeglichen Volks, entflammt von der rühmlichen Liebe der Heimath,

Streben den andern zuvor, zu erringen den herrlichen Siegspreis.“

„Klug hast du,“ sprach jener mit Huld, „mir gerathen. Des Weisen

Rath ist besser denn Gold, und des Demants funkelnder Reichthum

Wiegt ihn nicht auf. So möge das Heer in gesonderten Haufen

337

Stehen: um mich die Ritter-Schar und die Völker aus Deutschlands

Oberen Gau’n; dann rechts, in zwei Heersäulen der Ostmark

Heldensöhn’ und der steyrischen Mark, und in zweien, zur Linken,

Jene von Kärnthen und Krain, von muthigen Führern geordnet;

Aber das tapfere Volk der Ungern stehe zur Rechten —

Jenes der Kunen zur Linken zurück: im entscheidenden Zeitraum

Vorzubrechen, und dort zu vernichten die fliehenden Scharen,

Da von der Warte von Ebenthal der mächtige König,

Schauend als Zeuge sein Volk, zum Sieg entflammet die beiden.“

Also geschah’s. Noch war der volkvereinenden Fähnlein

Pracht im Heer nicht enthüllt. Die Fahnenjunker entbanden

Solche dem ragenden Schaft’, und sie flatterten jetzt in dem Wind hin,

Zahllos, buntvermengt, wie im Lenze die Blumen des Feldes.

Alsbald sprengten die Edeln heran, den Ruhm zu erringen:

Vor dem Kaiser im Kampf’ einher zu tragen die Sturmfahn’:3

Oestreichs Demantberg’ und Edelgesteine mit Konrad

Haselau; dann Trautmansdorf mit seinem Erzeugten,

Ach, dem einzigen jetzt, und auch Capellen mit Heunburg!

338

Aber mit freudigem Stolz begann der erhabene Kaiser:

„Werth seyd ihr des Ruhms, des herrlichsten, alle vor allen;

Doch mein Haselau, der achtzigjährige Greis dort,

Heischt ihn mit Recht: d’rum werd’ ihm heut die erlesene Stelle

Oestreichs Siegespanier für Oestreichs ewige Herrschaft

In der entscheidenden Völkerschlacht zu erhöh’n, und es steh’ ihm

Lichtenstein, so er dort ermattete, hülfegesellet.

Tritt, Markgraf von Hochberg, vor, und empfange die Reichsfahn’!

Albrecht, du, mein ältester, komm, mir die erste der Fahnen,

Die vor allen, geziert mit dem Bild des erlösenden Kreuzes,

Aufragt, heut zur ermunternden Schau, in dem Kampfe zu weisen:

Dicht vor mir in Gefahr und todverbreitendem Schlachtgrau’n,

Wie du es selber ersehntest jüngst, im muthigen Herzen!“

Hochberg hob nun zuerst des heiligen, römischen Reiches

Fahne zur Luft, wo schwarz im gelbherschimmernden Feldraum

Sich der Doppel-Aar, mit Zepter und Krone geschmückt, wies;

Jene von Oestreich Haselau, ehrwürdigen Anseh’ns,

Weisend den schneeigen Streif in Leupolds rühmlichem Blutfeld.

Beide hielten, dem Kaiser nicht fern, zur Rechten und Linken;

339

Aber vor ihm hob dann sein Albrecht die heilige Fahn’ auf,

Die in dem grünlichen Feld mit dem Bild des Erlösers geschmückt war.

Wieder begann er, und sprach vor dem Heere mit leuchtenden Augen:

„Schwarzenberg, nun hin, zu erforschen den König von Böhmen:

Ob er gerüstet im Feld’ uns heut zu begegnen, gewillt sey?

Nahe der Vorderhuth, mit den Reisigen wirst du ihn treffen:

Denn er kennt in Gefahren des Kampfs die unmännliche Furcht nicht!“

Jener enteilete, wie der fernhinbrausende Sturmwind,

Der des Staubes Gewölk auf dem Heerweg, wirbelnd, emporhebt.

Bald annahte der Held dem nahenden Feind’, und gewahrte

Dort an der Vorderhuth, im Kreis’ erlesener Feldherrn,

Ottgars hohe Gestalt, der, herrlichgewaffnet, daherkam:

Denn er hüllte das Haupt in den silbernen Helm, und es wand sich

Rings um selben, die Kron’ aus strahlendem Golde, gezackt, auf;

Auch der Harnisch und Schild, und am Arm und dem Beine die Schienen,

Die er sich heute gewählt, erglänzten von Silber, und dräuend,

Warf von des Degens Griff in der Rechten ein röthlicher Demant

Blitz’ umher. So kam er, zum Kampf gerüstet, herüber.

340

Als er den Ritter ersah, da hemmt’ er den schnaubenden Rappen

Rasch mit zorngeröthetem Blick; doch jener begann so:

„Herr, du hast den Frieden verschmäht: so bieth’ ich dir Krieg denn,

Ich, von Schwarzenberg, des Kaisers gesendeter Herold,

Krieg auf Leben und Tod, im Nahmen des Kaisers! Er fragt dich,

Edelgesinnet, zuvor, nach altherkömmlicher Sitte:4

Ob du, gerüstet zum Kampf’, ihn heut’ erwartest im Schlachtfeld?“

Also der tapfere Held. Grimmlächelnd erwiederte jener:

„Bring’ ihm die Kunde zurück: ich sey Streit’s halber5 gekommen!“

Sagt’ es, und wandte das Roß, im schnelleren Zuge die Krieger

Vorzuführen zur Schlacht, und zu schrecklichem Feindesgemetzel.

Schon verkündete Schwarzenberg, der edele Herold,

Kehrend in Eile zurück, dem Kaiser, daß ewige Feindschaft

Ihm der König gelobt, und bald vorstürme zum Angriff.

Sieh’, und kaum entfuhr ihm das Wort, da jagten des Gegners

Vorderste Haufen herab von dem Hügel; viel tausende folgten

Bald den ersteren nach, und verdunkelten alle die Höhen!

Manchem der Krieger, der zum ersten Male des Feindes

341

Scharen ersah in dem Feld; noch nie der würgenden Waffen

Furchtbaren Schlag vernahm, und empfand in dem Sturme des Angriffs,

Pochte das Herz in der Brust viel mächtiger: wechselnde Schauer

Liefen ihm fort und fort an dem Haupt und dem Rücken hinunter,

Und zu dem Helmdach hob sich oft sein starrendes Haar auf.

Doch nun ritten im Flug’ aus den Reih’n der mittleren Heerschar

Hundert Jünglinge vor, die aus Zürich, dem Städtchen, gezogen;

Stellten dort vor dem Kaiser sich auf, und einer begann so:

„Möchtest du jetzt, erhabener Herr, ruhmwürdiger Sitte

Denkend, ertheilen den Schlag, der uns den Edeln geselle!

Ha, nicht soll es dich reu’n, wenn wir vordringen im Schlachtfeld!“

Freudig entblößte der Kaiser sein Schwert, erhob es, und sagte:

„Blühende Männer, wohlan: da ihr edele Thaten verheißet,

So gescheh’ euch nach Wunsch! Hart drängt uns die Stunde: wir schlagen

Darum euch nur auf den Helm und den Schild, nach edeler Sitte,

Jetzt im Nahmen des Ein-dreieinigen Gottes zu Rittern.“

Und er führte den Streich kreuzweis nach den Helmen und Schilden

342

Aller umher. So wurden sie hier den Edeln gesellet.6

Aber er sprengt’ im Fluge hinaus vor die glänzenden Scharen;

Schwang das Eisen, und rief mit lautumschallender Stimme:

„Tapfere, hört: nun gilt’s! Dort nah’t in furchtbarer Mehrzahl,

Unversöhnlichen Grolls, der Feind, uns die Länder der Ostmark,

Ja, auch die Krone des Reichs, im entscheidenden Kampf zu entreißen.

Aber nicht soll er deß’ sich erfreu’n. Allmächtig ist Gottes

Schützender Arm: er führt uns mit allumfassender Vorsicht

Durch die sonnige Flur und die Nachtabgründe des Lebens:

Fest ruht mein Vertrauen auf ihm. So werdet auch ihr jetzt,

Stark durch Gott, mit unbeugsamer Kraft des endlichen Kampfes

Schrecknisse siegend besteh’n; den eidverhöhnenden Frevel

Strafen: erringen die langersehnete Ruhe für Deutschland;

Gründen der Völker Glück und euren unsterblichen Nachruhm.

Ha, und erliegen wir auch, so laßt uns erliegen als Helden!

Eins sey mein, und euer Geschick: ich, Kaiser der Deutschen,

Leb’, und sterbe mit euch auf dem winkenden Felde der Ehren.“

Sieh’, und die jauchzenden Scharen entlang aufblitzten die Waffen

Aller zugleich in die Luft: sie heischten urplötzlichen Angriff.

343

Aber auch Ottgar rief entflammende Worte den Seinen:

„Sehet,“ so sprach er mit grimmigem Blick, „schon naht uns des Gegners

Heersmacht, der so frech uns höhnete, schändliche Täuschung

Uebend an mir, und an euch: noch bebt mir die Seele vor Schauder,

Denk’ ich’s! Doch er büße dafür: denn ewige Schand’ euch,

So ihr nicht rächet die Schmach, die, gleich, dem Volk’ und dem Herrscher

Böhmens galt. Gedenket der Zeltvorhänge von Kamberg,

Strafet des Frevlers Trotz. Er brüste sich, daß ihm die Kunen

Gestern erfochten den Sieg. Schaut hin nach den rühmlichen Feldern

Kressenbruns, wo ich Bela’s Macht, vernichtend, in Staub warf.

Ha, noch bin ich der Held, der euch vom Siege zu Siegen

Führete! Fort — greift an! Dem dräuenden Aare von Oestreich

Möge der böhmische Leu’ nun weisen die furchtbaren Klauen.“

Also empörten ihr Volk die schlachtgebiethenden Herrscher.

D’rauf erscholl ringsher Geschrei und Getümmel; die Trommeln

Wirbelten; laut in dem Sturm erklangen die eh’rnen Drometen:

Hier die Reisigen, dort des Fußvolks Reihen zum Angriff

Drängend im Feld’, und so, wie ein Lüftchen die wogenden Aehren

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Treibt im Kreise herauf und hinab: so bewegte sich hierher,

Dorthin, wimmelnd, das Heer. Staub flog empor, wie im Märzmond,

Wenn der eisige Nord-, dann wieder der brausende Westwind

Noch den entfliehenden Winter hemmt, und am glänzenden Mittag

Rieselgewölk aufjagt: da hebt sich im wirbelnden Aufflug

Hoch in die Lüfte der flimmernde Schnee; da schwindet des Himmels

Sonnige Bläue; das Thal, und die ringsaufragenden Berghöhn

Hüllt das Gestöber in Nacht: so erregte der feindlichen Scharen

Schlachtanlauf unendlichen Staub in den Saatengefilden,

Und das Entsetzen schnob aus dem Grau’n des umnachtenden Qualms her;

Aber nicht anders, wie dann, mit entfesselter Wuth, die empörten

Stürzen aus Westen und Norden zugleich auf den wimmelnden Hafen,

Wo das Gewässer des Meers, aufbrandend, sich hebt; von den Ankern

Reisset das Seil, und jetzt, wild an einander geschleudert,

Mitten im furchtbarn Wogengeheul, am zerschmetterten Schiffsraum

Kracht der Raum, am Maste der Mast, und, berstend am Kiel hin,

Donnert das hohle Verdeck, daß rings den umuferten Hafen

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Grause Zertrümmerung hüllt: so stießen die Heere zusammen.

Sieh’, und seitwärts, weit vom Winde hinübergetragen,

Legte sich jetzo der Staub in dem Feld: da sah’n sich die Gegner

Näher in’s Aug’, und ha, bald traf das Eisen auf’s Leben!

Doch, ach! mußte der Kampf für Rudolphs Helden so schrecklich,

Und am schrecklichsten noch, für den einen der Helden beginnen?

Zamor trieb aus der Vorderhuth die rüstigen Schützen

Reussens vor in die Schlacht. Sie hatten der tödlichen Armbrust

Sehne gespannt; den Pfeil in die Röhre des Schaftes geschoben;

Fest an die Wange gepreßt den krummgebogenen Kolben;

Dann im Lauf, nach dem Gegner zielend, das schnellende Zünglein

Losgedrückt: urplötzlich ertönte die Sehn’, und erbraus’te

Fort in der Luft der befiederte Pfeil, nach feindlichem Herzblut

Lechzend: er traf, und verwundete Roß und Mann in den Scharen,

Die aus der Steyermark herlenkte der tapfere Pfannberg,

Und jetzt Trautmansdorf beherrscht: da jener, verwundet,

Noch im luftigen Zelt des vielerfahrenen Arztes

Sorge sich fügt: voll Gier, in die Schlachtreih’n wiederzukehren.

346

Trautmansdorf ermahnete laut das treffliche Fußvolk

Und die Reiter zugleich, des vaterländischen Ruhmes

Eingedenk’, heut’ in dem Feld’ als mannhafte Streiter zu stehen.

Freudig gehorchte das Volk, und im Sturmlauf ging’s an den Feind jetzt,

Als, von der Armbrust her die befiederten Pfeile geschnellet,

Zischten. Dicht vorüber dem Ohr des unglücklichen Vaters

Flog ein mordender hin, und verschont’ ihn — den zartesten Sprößling,

Der ihm von zehn-und-vier noch blühete, niederzuwerfen.

Hinter ihm sank ein Reiter vom Roß’. Er hört’ es, und bebte;

Aber nicht sah er zurück, und rief des aufstürmenden Herzens

Angst bekämpfend, noch lauter sein Volk zum Kampf und Gewürg’ auf.

Erdwin war’s, der fiel, von dem Pfeil’ im Halse getroffen,

Da in dem Sturmlauf jetzt die Halsberg’ sich von der Schulter

Aufschob. Still, wie die Lilie sinkt, vom Hagel zerschmettert,

Sank er vom Roß’, und, fallend, bath er mit sterbendem Blick noch,

Daß kein Laut sein Geschick dem enteilenden Vater verrathe.

Trauernd gehorchten dem Wink die raschvorstürmenden Krieger.

Doch schon drang im beflügelten Ritt sein edler Erzeuger

Bis in die vordersten Feindesreih’n, und schnell, wie der Blitz schlägt,

347

Warf sein schrecklicher Arm fünf Schützen aus Reussen zu Boden.

Zamor, des Volkes Hort, ersah den Würger, und alsbald

Jagt’ er heran, den Tod der gefallenen Krieger zu rächen;

Aber ihm eilte nur muthiger noch der Ritter entgegen;

Faßte noch fester den Griff in die Hand, und hieb mit des Schwertes

Tödlichem Stahl’ ihm die hochgethürmete Mütz’ und die Scheitel

Tief in die Stirn’ entzwei, daß er stürzend vom Sattel hinunter

Taumelte, laut aufstöhnt’, und das blühende Leben verhauchte.

Ach, bald jammert die Gattinn daheim, die, heimlich im Busen

Ahnend ihr Trauergeschick, dem scheidenden Gatten den Säugling,

Schlummernd in lieblicher Unschuld wies, und die Knie’ ihm umfaßte,

Flehend mit Thränen im Blick, daß er doch bei den Seinen verharre;

Aber umsonst! Ihn rief der ruhmverheißende Heerbann

Fort in das Feld, und er sank, erwürgt, in dem schrecklichen Kampf jetzt.

Siehe, nicht rastete Trautmansdorf: er drängte die Schützen,

Rasch fortkämpfend, zurück’, und Blut beströmte den Boden!

Fern, vom gehügelten Sand’, ersah der Führer der Kunen,

348

Suhol, der Eber genannt, dem Trentschins Gebiether den Herold

Sendete: daß er ihm eine sein Volk, wie dort in dem Vortrab

Trautmansdorf vor allen zuerst vordrang mit den Reitern.

Das empört’ ihm die Brust, und, unbändigen Zorns, wie ihm stets noch

Jugendlichheiß das Blut in dem leichtaufbrausenden Herzen

Kochte, schwang er sein Eisen zur Luft, und begann vor dem Volk so:

„Seht, dort fechten sie schon, und tränken ihr Schwert mit des Feindes

Dampfendem Blut’, — erringen wohl auch sich die Beute vor andern,

Da wir, müßig im Hinterhalt, des unsicheren Vortheils

Harren! Soll denn die Beut’ und der Siegsruhm stets nur die Deutschen

Lohnen im Schlachtengefild? Stets sollen wir jenen zurücksteh’n,

Eng’ in die Ordnung gebannt? Nicht also gefällt es dem Kunen:

Denn er schwärmt in dem Feld, wie ein brausendes Donnergewitter,

Frei umher, und erfüllt es mit Angst, Verderben, und Jammer.

Auf, wir wollen hinaus, dem Feind’ in die Seite zu fallen

Mit entsetzenverbreitender Hand! So holen wir Beut’ uns

Selber, und Ruhm wird uns, die Sieger, nur herrlicher lohnen.“

349

Alsbald gab er dem Rosse den Sporn, und es jagte sein Volk ihm

Dann im brausenden Flug rasch nach: umschwärmend das Häuflein

Kunrings, und schnellend zugleich von dem weitgehörneten Bogen

Pfeile, so dicht, daß rings sich in nächtliches Dunkel der Luftraum

Hüllete. Bald traf hier, bald dort der befiederte Mordstahl

Reiter und Roß, und verwundete viel’ in der nahenden Kriegsschar;

Doch als solches die Pfeile verschoß, den entleereten Köcher

Und den Bogen, vereint, mit der Schnur auf den Rücken zurückwarf:

Da griff’s rasch nach dem Säbel, und hieb mit Gejauchz’ in die Feind’ ein.

Kunring hatte den Speer gesenkt; das unbändige Reitroß

Links gespornt, und rechts, und die wildumschwärmenden Krieger

Niedergeworfen, bis ihm ihr Feldherr, Suhol, der Eber,

Seitwärts nahend im Flug, mit dem Säbel die Lenden durchrannte.

Alsbald sank er vom Sattel herab: die erschrockenen Krieger

Wichen zurück, und im Feld hin scholl Geschrei und Getümmel.

Ottgar bebte vor Zorn, da er so, im beginnenden Kampf schon

350

Wieder die Gegner im Vortheil sah, und die Seinen im Feld hin

Flüchteten. Sieh’, da schwang sich, ergrimmt, der finstere Katwald

Aus den Lüften herab, und rief im Geistergelispel:

„Wehe, du schaust die Deinen besiegt, noch ehe die Gegner

All’ ihr Schwert entblößten, und eh’ den ragenden Speer sie

Senkten zum Todesstoß’! Unglücklicher, willst du noch zaudern?

Wähle sogleich die tapfersten dir aus des Heeres Geschwadern;

Führe sie kühn selbst vor, zu erwecken den Muth in dem Herzen

Aller umher: so erringst du vielleicht den herrlichsten Sieg noch!“

Ottgar rief alsbald nach Lobkowitz, schreiend hinüber:

„Tapferer Greis, nun vor mit deinen geharnischten Reitern,

Hier den allentscheidenden Sieg mir heut zu erkämpfen!

Groß ist der Ruhm, den dieser mir beut; doch größer die Freundschaft

Noch, und die Liebe, die ich, dein König, dankbargesinnet,

Dir werkthätig bewies seit dreißig entflohenen Jahren.

Dessen gedenk’ anjetzt, und vergilt mir mehr, als die Schuld war!“

Dann entsendet’ er dort an Zierotin, und den Herzog

Bayerns die Herolde: Muth und dauernde Kraft in dem Busen

351

Beider zu wecken, und hier entboth er, gewaltigen Ausrufs,

Selber die Kühnsten im Heer’, und führte sie rasch in die Feldschlacht.

Nicht entging es dem Blick des erhabenen Kaisers, wie tapfer

Trautmansdorf vordrang, und die stürmenden Schützen zurückwarf:

Freud’ erfüllte sein Herz; doch bald versiegte sie wieder,

Als der Kune so frech, der Willkühr fröhnend, zum Angriff

Flog. Kein Sterblicher hemmte den Fels, der, rollend aus Alphöh’n,

Schneller und schneller herab in das Thal mit donnerndem Sprung fleugt:

D’rum geboth er auch jetzt, den edelen Rittern und Feldherrn,

Winkend, das Feldgeschrei. Urplötzlich ertönte der Aufruf:

„Gott mit uns!“ im östreichischen Heer’, und „Praga!“ zur Losung

Allentscheidender Schlacht, in dem böhmischen, lauter und lauter,

Durch drometenden Schall und den Lärm fortwirbelnder Trommeln,

Und in dem staubumwölkten Gefild traf Reiter und Fußvolk,

Ritter und Knappe zugleich in schrecklicher Eile zusammen.

Wie, herstürmend, der Donner rollt, daß die Vesten des Erdballs

352

Zittern, ritt im Galopp mit den schwergeharnischten Reitern

Lobkowitz näher, und schlug der Kunen umschwärmende Scharen

Mordend zur Erd’, als Suhol, ihr jüngsterlesener Führer,

Sank vor seiner Gewalt, und, entmuthigt die andern entflohen.

Sieh’, auch Trautmansdorf, von den Reitern entblößt, und der Unzahl

Bloßgestellt, wich nun vor Lobkowitz! Aber dem Leu’n gleich,

Der, von unbändigen Rüden verfolgt, noch häufig sich wendet,

Und noch manchen zerreißt mit den schrecklichen Zähnen: so wies er

Ihm die muthige Stirn’, da er fechtend die Scharen zurückzog.

Meinhard warf sich zuvor rechts hin auf Heinrich, den Herzog

Bayerns: denn voll Kraft und verwegenen Muthes im Schlachtfeld,

Waren die Krieger aus Kärnthen und Krain ihm gefolgt, und es stürmten

Oestreichs Tapfere links, geführt von dem kühnen Capellen,

Gegen die Sachsen vor, die Mansfeld, furchtbaren Grimmes

Würgen heißt. Da war, entlang die feindlichen Reihen,

Schrecklicher Mord, Wehklag’, Aufjauchzen und Jammern zu hören:

Da zu schau’n das Entsetzliche: wie der erbitterten Gegner

Manche, schon nahe dem Tod, sich im Staub noch, würgend, umfaßten,

353

Und das Blut der Erschlagenen, gleich aufschäumenden Bächen,

Wogte hinauf und herab in dem grau’numnachteten Schlachtfeld.

Bis an des Himmels Gewölb’ empor die mittägliche Sonne

Sich erhob, die heut’ ihr strahlendes Antlitz in Wolken

Hüllete, wies die Völkerschlacht, wie auf stürmischer Meerfluth

Ein entmastetes Schiff, hinauf und hinunter im Kreis’ treibt,

Sich im wechselnden Glück; doch jetzt gelang es dem Helden

Lobkowitz, rasch vorstürmend im Feld, der mittleren Heerschar

Obzusiegen. Sie wich nur langsam, und stellte sich wieder,

Gegen den Feind, erneut, die tödliche Waffe zu führen;

Aber mit leuchtendem Blick und muthgerötheten Wangen,

Sprengte der König das Roß von Reihen zu Reihen. Er schalt, bath,

Und bewegte sein Heer noch eilender vor in dem Blachfeld.

„Jetzo hinan,“ so rief er, und schrie, daß die Völker erbebten,

„Jetzo nur muthig hinan: denn Ottgar führt euch als Sieger!

Seht, wie Jene vor euch entflieh’n; fort, schmettert sie nieder!“

Also braus’te das Wort, empörend, ihm von den Lippen.

Wie den nächtlich umwüthenden Brand, der viele der Häuser

Schon vernichtete, noch das Volk zu bewältigen hoffet:

Denn still ruhen die Lüft’ umher; doch plötzlich erhebt sich

354

Ein feindseliger Sturm, und unaufhaltsam hinunter

Wälzt sich von neuem der Strom des empöreten Feuers: so stürmten

Ottgars Völker dahin, und drängten die Gegner im Blachfeld,

Immer rascher und rascher zurück. Ein Körnchen Gewichts mehr

Auf die Schale des Leu’n, und den himmelannahenden Räumen,

Seinem erkorenen Reich’, entsank der Adler auf immer.

Rudolph sah des Augenblicks kurzdauernden Zeitraum

Lang, bestürzt, umher, und ihm dunkelten nächtlich die Augen.

Deutschlands Ruh’, und des Reiches Wohl, dem, herrschend mit Thatkraft,

Er sich geweiht, ersah er von neuem gefährdet, und allwärts

Wieder entfesselt die Wuth der grau’nverbreitenden Willkühr;

Doch bald schwang sich sein Geist aus der Erdennacht in des Himmels

Ewiges Lichtreich auf, wo ein mächtiger Helfer ihm lebte.

Schnell verließ er den Sattel, und lag auf den Knieen im Staub dort,

Laut aufrufend vor allem Volk mit gefalteten Händen:

„Ewiger, komm’ uns, errettend, zu Hülf’! Ach, wende die Augen

Nicht von uns ab: denn nicht entzündeten, frevelnden Muthes,

355

Wir den blutigen Streit: nur unversöhnlicher Rachgier,

Und zermalmender Wuth steh’n wir, abwehrend, entgegen!

Gib uns den Sieg! Ein Gelübd lebt mir, erhebend, im Herzen:

Denn ich schaue dein Heil, wie der erste der christlichen Kaiser,

Huldausstrahlend, vor mir: des weltversöhnenden Kreuzes

Heiliges Zeichen, in dem ich den Sieg erringen, und dankbar

Ihm, zu verehrendem Dienst, für immer und ewige Zeiten,

Stiften ein Gotteshaus, und zu ihm versammeln die Jungfrau’n

Werde zu Tulln, am Ufer der freihinrollenden Donau.

Sey dem Gelübd von dir, Allmächtiger, Huld und Erhörung!“

Als er’s rief, da fuhr ein leuchtender Strahl aus den Wolken,

Und erfüllt’ ihn mit Muth und Freudigkeit. Sieh’, auf dem Lichtstrahl

Schwebt’ ein Engel daher, und hieß die Scharen der Geister,

Welche die Schlacht herab aus dem Uebersinnlichen lockte,

Flieh’n, daß keiner im Kampf sich den Gegnern als Helfer erweise!

Alle gehorchten, und sah’n, umher in den Wolken sich lagernd,

Noch voll Gier auf die Streiter herab; nur einer aus allen,

Marbod, stand, und sann den Worten des bethenden Kaisers

Trauernd nach. Da erklang urplötzlich ein Ruf aus den Wolken.

Ha, sie rissen entzwei: Erwine, die liebende Gattinn,

Sank ihm, weinend vor Wonn’, an die Brust. Sie entschwebten des Erdballs

356

Dunkeln Gefilden, vereint, auf dem Sirius, der in dem Sternreich

Herrschet, im Lauf des vom Ewigen nur ermessenen Zeitraums,

Huldbeglückt, und des Erdenjammers vergessend, zu weilen.

Aber mit leuchtendem Blick’ erhob der Kaiser der Deutschen

Sich von dem Staub’: ein Strahl der himmlischhohen Begeistrung

Glänzt’ in ihm, und auf seinen gerötheten Wangen. Betroffen

Staunten die Krieger ihn an; doch all’ aufjauchzten mit einmal,

Als er das schnaubende Roß vortummelte, dann mit dem Schlachtschwert

Auf den nahenden Feind hinwies, und, ermuthigend, ausrief:

„Gott ist mit uns! Eilt jetzt, gleich loderndem Feuer im Saatfeld,

Gegen den Feind; vertilgt ihm schnell die Haufen, und schafft mir

Heut’ unendlichen Ruhm, da ich euerem Muthe vertraute.

Euer zugleich ist der Ruhm und der Dank noch spätester Nachwelt:

Denn wir kämpfen für Deutschlands Glück, als Deutsche, der Ahnen

Werth, die, tapfergesinnt, sich nie im Joche des Fremdlings

357

Beugeten. Hört, der Herr ist mit uns, und scheuet den Tod nicht,

Hier der heiligen Pflicht und des Vaterlandes gedenkend!“

All’ entflammte sein Wort: ein jeglicher Mann in den Reihen

Lechzte vor Gier, schnell vorzudringen im Feld’, und zu sterben

Dort den Tod für das Vaterland und die heilige Freiheit.

Aber nach Albrecht sah vor allen sein hoher Erzeuger

Mit bedeutendem Blick’, und freudiger ging er im Schlachtfeld,

Hoch in der Linken die Kreuzesfahn’, in der Rechten das Schlachtschwert

Führend, ihm vor. Das Panier von Oestreich, als ihm des Greises

Arm ermattete, trug der hochgesinnete Kampfheld,

Lichtenstein, und die Reichsfahn’ ihm der tapfere Markgraf

Hochberg vor in die Schlacht. D’rauf folgten die älteren Ritter

Ihm mit den Edeln aus Zürch, die, heute zu Rittern geschlagen,

Kühn voreileten. Laut ermahnt’ er sie noch mit den Worten:

„Jünglinge, vor, und ahmt die Tapferen, die sich schon früher

Als die Meister im Feld’ erprobten, jetzt in dem Kampf nach!“

Jen’ entgegneten jauchzenden Rufs: „Wir halten dir Wort, Herr!“

Und entfloh’n. Doch schnell vorstürmten die muthigen Scharen,

358

Die sein Erzeugter ihm warb in den rheinischen Landen, in Schwaben,

Und in dem Schweizerland, und die vor allen gewaltig,

Altgedient, und in jeder der Kriegsarbeiten erfahren,

Ihm auch heut’ errangen den Sieg in dem Kampf der Entscheidung.

So, wie der eiserne Keil, vom gewichtigen Hammer getrieben,

Den mit kräftiger Hand im Gehölz aufschwinget der Löhner,

Krachend, entzwei den Stamm des hundertjährigen Eichbaums

Spaltet, daß rings umher die Splitter fliegen: so drang jetzt

Rudolphs raschgeordnete Macht in das feindliche Heer ein.

Kreischender rief die Dromete zum Sturm; die erregende Trommel

Scholl ergrimmter, und rings, und überall drängten die Führer

Mit gewaltigem Schrei den Krieger vor zu dem Angriff,

Daß er noch heißer entbrenne vor Gier: muthfest und entschlossen

Niederzuschmettern, was entgegen sich warf in der Feldschlacht,

Und entsetzlich war das Gewürg’ in dem Waffengetümmel;

Doch, wie ein Felsendamm in dem waldumschatteten Weiher

Sich entgegenstemmt den Gewässern des thauenden Frühlings,

Unerschüttert und fest: so stemmte sich, eiserngesinnet,

Ottgar hier dem stürmenden Feind’ entgegen, und wich nicht.

Stundenlang fortwährete schon das tödliche Ringen

359

Tausender gegen einander im Feld! Den tapferen Böhmen,

Die in der Heerschar Lobkowitz lenkt’, vereinte der König

Bayerns und Sachsens Macht, und führte sie selbst in die Schlacht vor.

Zahllos lag sein Volk, erwürgt, auf dem Boden; unzählig

Warf auch er die Gegner, entseelt, in den Staub, und es ragten

Von den hundert, zuvor zu Rittern geschlagenen Zürchern,

Jetzo nur wenige mehr. Wie im hagelgetroffenen Saatfeld

Einzeln die Halme noch steh’n, die andern bedecken den Boden

Weit, zermalmt von dem sausenden Eis: so ragten auch hier nur

Einzeln die Helden noch auf, die aus Zürch gezogen; verwundet,

Oder todt, verlor sich im Feld das tapfere Häuflein,

Niedergeworfen durch Ottgars Kraft und zerschmetterndes Eisen.

Doch stets näher kam dem gewaltigen König des Todes

Dunkles Geschick. Bald sinkt er in Staub, all’ irdischer Hoheit,

Macht, und Würde beraubt, dem ärmsten im Heere vergleichbar:

Denn zu entscheidender That aufboth der Edle von Tauffers

Nun die Schützen Tyrols. Er drang im brausenden Schlachtfeld

Dort mit den kühnen entsetzlicher vor, und, nimmer ermüdend,

360

Spanneten sie die Sehn’ an der Armbrust; legten den Pfeil an,

Zielten, und schnellten ihn fort in die Luft. Unhemmbaren Fluges,

Saus’t er in Eile dahin, und traf stets sicher in’s Leben:

Denn gewohnt ist das Aug’ und die Hand tyrolischer Schützen,

Mitten in Feindesbrust des Todes Geschoße zu senden.

Doch nun winkte der Held dem Geübtesten, der in den Gauen

Rings umher, im Kreis- so wie auch Hauptschießen berühmt war:

Wenn Zielscheiben, erhöht vor dem Thor’ an festlichen Tagen,

Manchen des Schützenvolks aufregeten, stets in der Mitte

Drüben zu treffen, und stets zu erringen das Beste vor allen.7

„Martin,“ so rief er ihm zu, „sieh’ hin, wie der König von Böhmen

Dort vortummelt das Roß in dem Feld’, und unsere Völker,

Jenem Unsterblichen gleich, der Pharao’s Erstlinge tilgte,

Niederwirft! Versuche denn jetzt, ob, sausenden Flugs, nicht

Ein befiederter Pfeil, durch dich geschnellt von der Armbrust,

Ihn erreicht, und erlegt — dir Lohn und auch Ehre gewinnet.“

Jener entgegnet’ ihm laut: „Nicht geiz’ ich nach Gold und nach Silber:

Zierlein nah’, und nicht fern dem wunderlieblichen Innsbruck,

Ruht mein Haus an der Felsenwand, die hoch in die Wolken

Aufragt, reingezimmert erst jüngst, und mit Habe gesegnet;

361

Doch so ich heute im Feld den blutgierathmenden König,

Oder sein Roß, mit dem tödlichen Pfeil durchbohrete: ha, da

Rühmt von der Martinswand mich noch die späteste Nachwelt!“

D’rauf entsandt’ er den Pfeil: er durchbohrte dem Rosse des Königs,

Sausend, die Brust, da es auf in die Luft sich bäumte, des Reiters

Ingrimm theilend; es sank auf den Rücken, und warf ihn herunter.

Wildes Getümmel erscholl um den Stürzenden. Reisige schwangen

Alsbald sich vom Sattel herab, vor Gefahr ihn zu schirmen;

Doch erhob er sich schnell, und ermahnte, besteigend das Streitroß,

Das ein Reiter ihm both, mit donnernder Stimme die Krieger:

Nimmer zu rasten vom Streit’, und den herrlicherrungenen Vortheil

Rasch zu verfolgen: schon nahe dem Ziel des entscheidenden Sieges.

Aber im Feld verhallte sein Ruf. Der furchtbare Keil drang

Vor mit zermalmender Kraft; vordrang, die Fahn’ in der Linken,

Und in der Rechten das würgende Schwert, des Kaisers Erzeugter,

362

Also auch Lichtenstein und Hochberg; also der Ritter

Glänzende Schar, und, vereint, der tapferen Schweizer und Schwaben

Siegsruhmdürstende Macht. Doch, als der erhabene Herrscher

Auch den Trentschiner entboth, mit den kühnen, magyarischen Reitern

Einzubrechen im Sturm in die Seite des Feindes, und Meinhard

Dort, hier Otto von Meissau, gleich dem tapferen Helden

Trautmansdorf, ihr Volk vortummelten: siehe, da wankte

Ottgars Macht. Wie ein Wald an den schwer zu erklimmenden Höhen,

Losgewühlt aus dem Grund von innen­aufschwellenden Wässern,

Erst nur langsam, nur zitternd sich regt; dann plötzlich zum Abgrund

Taumelt mit Erd’ und Gestein, wild durcheinander geschleudert:

So, nach gewaltigem Kampf, dem entscheidenden, wankten, und stürzten

Ottgars Völker dahin; nachbraus’te der Feind, in dem Rücken

Rastlos würgend, und sät’ ergrimmt die Leichen im Feld hin.

Allwärts war auch das blitzende Schwert des Kaisers zu schauen,

Und zu vernehmen sein Ruf, der vorwärts drängte die Scharen;

Dennoch vergaß er auch, mitten im Kampf, der verwundeten Krieger

363

Nicht; er hieß mit gebiethendem Wink sie zurück, nach dem Rückhalt

Tragen, und dort der Sorgfalt kundiger Aerzte vertrauen.

Aber warum hält er nun plötzlich sein feuriges Roß an?

Ach, ein Verwundeter streckt, mit lächelndsterbenden Augen,

Seine Rechte nach ihm empor, und ruft ihm ein „Leb’wohl!“

Matt, doch freundlich noch zu! Sein Müller, der tapfere Held war’s.

Tief, zu den Mähnen des Rosses hinab, sank leise des Kaisers

Blässeres Antlitz: er sah mit starrendem Aug’ in die Augen

Seines Getreu’n, bis, thränenumhüllt, ihm’s dunkelte. Stöhnend

Gab er dem Rosse den Sporn, und flog wie ein brausender Sturmwind

Dort nun wieder hinaus, wo am lautesten tönte der Schlachtruf.

Wohlgeordnet, und schnell: denn Lobkowitz deckte des Heeres

Rücken, voll Heldenkraft mit den schwergeharnischten Reitern,

Zog sich Ottgar jetzt nach den mittleren Höhen von Spannberg

Aufwärts, dort dem Feind’, erneu’t die Spitze zu biethen:

Denn weit überwog an der Zahl, in dem Waffengemeng schon

Seine des Kaisers Macht, und siehe, noch stand in dem Rückhalt

Milota! Laut entboth er vor sich den muthigen Feldherrn,

Zierotin, und begann: „Nicht kam uns zuvor in dem Schlachtfeld

364

Milota, selbstvorschauenden Blicks, zu Hülfe. Noch steht er,

Ungeschwächt, mit der Schar der tapferen Mährer im Rückhalt;

Doch jetzt brech’ er vor, und fall’ in die Seite des Gegners,

Links anstürmend, da wir zugleich mit vereintem Vermögen,

Und unhemmbarer Kraft, auf den mittleren Haufen uns werfen.

Groß ist erst die Gefahr, so er säumt; ihm vertrau’ ich: er eile!“

Rief’s, und im sausenden Flug fortsprengte der edele Feldherr.

Aber des Siegers Heer drang Ottgarn näher und näher.

Wie vom verwundeten Leu’n, so sehr er auch strebt, zu entkommen,

Sich die lautumbellende Schar gewaltiger Rüden

Nicht mehr fernt; ihn, stets blutgieriger, treibt, und bedränget,

Bis er, ermattet, sinkt auf den sandigen Höhen: so ließ auch

Jetzt von dem König, im Kampf, nicht mehr der verfolgende Feind ab:

Denn mit flammendem Muth und unwiderstehlicher Thatkraft

Eilte, zum Siege geführt von dem tapferen Grafen von Nürnberg,

Schwabens Heldenvolk und der Schweiz gefürchtete Kriegsschar,

Rasch die Höhen herauf, und wüthete dort in den Reihen

Kühnabwehrender Gegner, vereint, mit gesenketen Lanzen,

Allvernichtend, umher. Entsetzlich erscholl das Getümmel.

365

Ottgar sah im brausenden Feld den verhaßtesten Gegner,

Rudolph jetzt, voll Grimms, wie er schaltete: Reiter und Fußvolk

Drängend vor mit gewaltigem Wort’, und das furchtbare Schlachtschwert,

Deß’ Blitzglanz vom Blut nur tapferer Gegner verhüllt war,

Aufschwang — sah den Kaiser, und Wuth und unendliche Rachgier

Wandelte schnell sein Aug’ in Feuer und Flammen. Er spornte,

Hemmte sein Roß dreimal, in dem wildumtobenden Schlachtgrau’n

Ihm die Spitze zu biethen, gesinnt; doch immer ergrimmter,

Brachen die Gegner heran (nur Lobkowitz stand in dem Kampf noch,

Gleich dem Felsen im Wogentumult) und zur Linken und Rechten

Wich sein Volk geworfen, zurück in dem stäubenden Saatfeld.

Jetzo wandt’ er das Roß, und forscht’: ob Milota vordrang?

Denn nicht schien ihm verloren der Sieg, so er rasch in die Seiten

Stürmte dem Feind. Doch, ach, was sah er, vor Staunen erstarret?

Staub flog auf im Gefild’, und Milota jagte von dannen!

Ihm nachbraus’te die reisige Schar, und das mährische Fußvolk,

Das er mit täuschendem Wort, dem König zum sichern Verderben,

366

Erst zu dem Rückhalt zog. Mit verhängtem Zügel, und fernher

Winkend, naht’ auch Zierotin. Ihm folgten am Fuß nur

Zween, der flüchtigen Schar sich entreißende Brüder: der Hanna

Fruchtbarem Land entsprossen die Edeln. Der Nahende sprach jetzt:

„Herr, nicht künd’ ich es, was dein Auge gesehen — des Frevlers

Schnöden Verrath! Hohnlachend vernahm der schändliche Mann erst

Dein gebiethendes Wort, dann rief er mit grimmigen Blicken:

„Eile zurück zu dem Könige, sprich: so räche der Vater

Seine Tochter an ihm: er fahre denn, fluchend, zur Hölle!“

Also der Rach’ allein, nicht des Vaterlandes gedenkend,

Floh er mit jenen Verräthern davon, die er früher gewonnen.

Nur die beiden dahier mir eilten zum mächtigen Trost nach:

Zeigend, daß noch in der Brust der Tapferen Ehr’ und Gewissen

Herrlich sich eint, und dir die erlesensten Männer noch treu sind.“

Ottgar sah nach den Zween mit bewegtem Gemüth’, und begann so:

„Laß den Verräther flieh’n. Noch sind die erlesensten Männer,

Also sprachst du mit Recht, mir treu. Nicht im dahlenden Frohsinn

367

Will das Große gethan, das Gewaltige, spielend, vollbracht seyn:

Denn, ein leuchtender Blitz in des Lebens umnachteten Stunden,

Flammet es auf in der Brust, und wecket den Ernst und die Thatkraft.

Jetzt umnachtet auch uns die Gefahr; doch laß uns, noch kühner,

Dringen hinaus zu dem Tag’, und so dort fallen im Licht nur!“

Rief’s, und spornte sein Roß, umschauend: ob er zur Linken,

Oder zur Rechten hinab es wende, die kämpfenden Scharen

Nun zu gewagter, die Schlacht urplötzlich entscheidender Kriegsthat

Anzufeuern, und so mit unwiderstehlicher Kühnheit

Festzuhalten das wankende Glück, das sonst ihm getreu war.

Doch dort floh’n, gedrängt von den Söhnen der Steyer- und Ostmark,

Bayern und Sachsen zurück; hier sank, an der Schulter verwundet,

Lobkowitz, er, der untad’lige Held, aus dem Sattel, und, schreiend,

Braus’te das reisige, gleich dem vorgedrungenen Fußvolk

Böhmens, herüber im Feld, durch Meinhards Völker geworfen,

Und gedrängt von dem Hort Trentschins, zur Flucht und Verwirrung:

Da in dem Kern des Heers ihn selbst der edelen Ritter

368

Glänzende Schar, und, vereint, die tapferen Schweizer und Schwaben

Näher und furchtbarer stets bedroheten, horchend des Kaisers

Schlachterregendem Ruf’ in dem wildempörten Getümmel.

Mansfeld erst, dann Zierotin, die Scharengebiether,

Jagten herüber im Feld’, und riefen dem König: „Entfliehe!“

Aber er sah, voll Wuth, nach den Rufenden; faßte sein Schwert noch

Fester zur Hand, und begann: „Wer sprach ein schmähliches Wort aus?

Nichts von Flucht mir gesagt! Ich lebt’ als König, und sterben

Werd’ ich als solcher, dem Feinde zum Trotz, auf dem Felde der Ehren.

Mir nach, wem sie noch werth im rühmlichen Leben und Tod’ ist!“

Wie der gewaltige Leu’ sich wüthenden Tigern entgegen

Wirft in des Abends Grau’n: die hochaufsträubenden Mähnen

Flattern mit Sturmes Weh’n um den Nacken ihm; dunkelgeröthet

Funkeln hervor aus den tiefgesenketen Brau’n ihm die Augen,

Als er naht mit Gebrüll, dem so, wie dem rollenden Donner,

Drönt das Gefild, und peitschend sich mit dem buschigen Schweifhaar

Beide Seiten, sich selbst entflammet zur Wuth: da erliegen

Links, rechts ihm, zerschmettert zugleich, die umdrängenden Gegner:

369

Also warf sich auch er vor allen den Rittern entgegen,

Daß ihm noch ein’, und der andere dort, östreichischen Blutes,

Fiele durchbohrt: denn fest bewahrt’ er den Haß noch im Busen.

Jene, erregt von dem stachelnden Wort, nachjagten ihm brausend.

Sieh’, ihm ritt, tollkühn, der jugendlich blühende Ritter

Falkenberg, in den Weg, den oft sein strenger Erzeuger

Heimlich und offen gestraft, ihn zu bändigen; aber vergebens:

Denn er quälte die Menschen und Thier’, und beherrschte des Herzens

Unmuth nicht, der stets zu gewaltsamen Thaten ihn hinriß.

Ottgar jagte das Roß dem Nahenden seitwärts vorüber;

Schwang sein Eisen, und hieb im Flug mit unbändiger Kraft ihm,

Sausend, den Helm und die Scheitel entzwei: er stürzte zum Boden.

D’rauf erreichte sein Schwert auf dem Todespfade den Helden,

Dietrichstein. So schnell, so kundig der Tapfere vordrang,

Ihn mit gesenktem Speer’ aus dem Sattel zu heben, so kam ihm

Ottgar doch, verderbend, zuvor, und bohrte den Mordstahl

Ihm durch Harnisch und Wamms in das muthvollschlagende Herz ein

So, daß er lautlos, bleich, entseelt, an dem Rosse herabsank.

Jammern werden daheim die zartaufblühenden Kinder

370

Da er, schon frühe der Gattinn beraubt, ein liebender Vater,

Oft auf den Armen sie trug, und so mild, so freundlich und gut war.

Schnell, zu rächen das Blut der Erschlagenen, blitzten auf Ottgar

Jetzt unzählige Speere heran. Da brausete pfeilschnell

Otto von Meissau vor, von dem Herrscher gesendet, und schrie laut:

„Ritter, schont den Gesalbten des Herrn: so geboth es der Kaiser!“

Rief’s; doch jener ergrimmte noch mehr, und spornte sein Streitroß

Mitten unter die Schar (zu sterben entschlossen) den heißen,

Glühenden Durst nach Rach’ im Blute der Feinde zu löschen.

Jetzt umgab ihn des Todes Grau’n. Die furchtbaren Ritter,

Merenberg, die, beide mit nie gesättigter Blutgier

Näher und näher herbei an die Seite des Königs sich drängten,

Sorgend: er beuge sich dort, ein Gefangener, oder er falle

Andern, nicht ihren, durch Haß zur Rache bewaffneten Händen,

Sprengten dicht vor ihn hin; eröffneten, schnaubend vor Mordlust

Ihren geschlossenen Helm, und der ältere rief ihm noch laut zu:

„Sieh’, gleich Rachegeistern, vor dir die furchtbaren Brüder,

Merenberg — ein Nahme, der dich zur Hölle hinunter

371

Schleudert! So fahre denn hin, Unmenschlicher, stirb, und verzweifle!“

Ha, und sie bohrten den schneidenden Speer mit wildem Gejauchz’ ihm,

Beide zugleich, in das Herz (ihm fest in die sterbenden Augen

Schauend) und also, voll Hast, mit stets empörterem Ingrimm,

Zwölfmal noch in die tapfere Brust, in den Hals, und den Rücken,

Bis er, von Wunden bedeckt, hinsank, und das Leben verhauchte.

Wüthender flog in dem Feld dem Besiegten das siegende Heer nach;

Aber vor allen das reisige Volk der Magyaren und Kunen,

Heute zu einem vereint, und gehorchend dem tapferen Helden

Von Trentschin, der stets den Flüchtenden, mordend, im Rücken

Lag, und das Land umher mit unzähligen Leichen besä’te.

Rastlos fort g’en Schrieck; dann weiter und weiter von Asparn

Bis g’en Laa, der ummauerten Stadt, nachjagten die Ungern

Ottgars fliehendem Heer’, und, wo sie dann der Verfolgung

Endlich setzten ein Ziel, wird heute zu Tage das Dorf noch

„Ungerndorf“ genannt: dem Heldenvolke zum Denkmaal.

Siehe, die Wolken entfloh’n; der Geister unzählige Scharen

Brauseten, lautaufjubelnd, davon, und die scheidende Sonne

Sah von dem Abendthor, verklärt, auf des Sieges Gefild her!

372

Zwölfter Gesang.

Schauerlich irrt durch Nacht und Grau’n ein zitternder Lichtstrahl

Ueber das schweigende Schlachtfeld hin. Nicht lang’, und es folgen

Ihm unzählige nach; viel hundert Fackeln erhellen

Bald die Gegend umher: ihr Schimmer, vom Winde gefächelt,

Wogt (entsetzlich zu schau’n!) auf den bleicherstarreten Leichen

Tausender blitzschnell fort, und erfüllet die Seele mit Wehmuth.

Doch wen suchen, voll emsiger Hast, die furchtbaren Männer

Jetzo, schreitend umher, in den weiten Gefilden des Todes?

Ottgarn! Sieh’, und bald verkündete drüben ein Hügel

Rings um ihn her erschlagenen Volks, wo er muthig im Kampf sich

Wehrete, bis er, durchbohrt, den Rachebrüdern dahinsank!

Dorthin wandelte, schweigend, der Zug; die leuchtende Flamme

Wies ihn: erkennbar leicht, obgleich entblößt von des Heeres

Plünderndem Troß, wie er lag im finsteren Kreise der Leichen,

373

Mit den heruntergezogenen Brau’n, und den Lippen, zum Bogen

Eingekrümmt vor Zorn: denn selbst mit des schwindenden Lebens

Letztem Hauch, da ihm schon aus dreizehn Wunden das Blut rann,

Wähnet’ er noch: er habe gerecht bestraft den Verräther,

Den so feig, so unedel jetzt die schrecklichen Brüder

Rächten: zur Wuth empört von der langgenähreten Blutgier.

Aber des Führers Ruf erscholl, und der stattliche Wagen,

Schon mit der Leiche des Königs beschwert, und verhüllt mit dem Bahrtuch,

Folgte, rasselnd, dem Zug sechs glänzender, feuriger Rappen,

Die zum eng’gemessenen Schritt mit Mühe der Roßwart

Bändigte. Sieh’, da trug der weitgefeierte Sänger,

Horneck, leise die Harfe herbei. Ihm rollten die Thränen

Ueber den grauenden Bart in den Busen herunter, und schweigend

Starrt’ er nach Ottgar hin; dann hob er den Klagegesang an:

„Weh’, da liegt er entseelt, der einst gewaltige König!

Tausende blickten auf ihn, und es drängte der eine den andern,

Glühend vor Hast, so er rief; nun ist er verlassen: es horcht ihm

Keiner der Emsigen mehr. Wie staunt’, und bewundert’ ihn Jeder

Sonst, da er noch zu dem Königsthron, von Edelgesteinen

374

Schimmernd am gold’nen Gewand’, aufschritt: nun wandten sie, schaudernd,

Von dem Nackten sich ab, den kaum das kärgliche Gras barg!

Ha, wo weilte der Arzt, dem Vergehenden Labsal zu reichen?

Waren nicht seidene Kissen zur Hand, nicht schimmernde Decken,

Ihn zu erwärmen, und ach! nicht scholl aus dem Munde der Gattinn,

Kinder, Verwandten und Freunde umher, ein tröstendes Wörtchen,

Ihm zu erheben das Herz? Verließen im Kampfe die Streiter

All’ ihn? Wie, nicht einer der Tapferen kam, ihn zu schirmen?

Welt, Welt, so ist dein schnöder Gewinn! Ach, wehe dem Thoren,

Der dir, falschen, vertraut! Erst biethest du lieblichen Honig

Mit bethörenden Worten ihm dar; dann wandelst du plötzlich

Solchen in furchtbares Gift: er saugt Verderben und Tod ein.

Also erging es auch hier dem Könige. Fürsten, bedenket

Sein Geschick! Handhabt die Gerechtigkeit, schützet das Recht nur;

Seyd durch Tugenden groß, durch Wohlthun herrlich und geizet

Nach dem Lohne der Welt nicht allein: vor Gott ist er eitel!

Ottgar, ach, er geizte nach ihm! Die, prahlend, geschworen:

Auszuhalten bei ihm im Leben und Tode — wo sind sie?

375

Einsam sinkt er jetzo hinab in des Todes Behausung.

Welt, Welt, so ist dein schnöder Gewinn! Ach, wehe dem Thoren,

Der dir, falschen, vertraut: denn nichtig entschwebt ihm das Leben!“1

So wehklagte der edele Greis. Ihm horchten die Krieger

Alle mit pochender Brust, den Trauerwagen umstehend,

Und erhebend die Fackeln zur Luft, die, flatternden Schimmers,

Ottgars finstere Stirn’ erhelleten. Jener entzog sich

Ihren Blicken, und wanderte dann auf dem nächtlichen Pfad fort.

Doch sie schlugen behend’, als solches der Führer gebothen,

Ueber die Leiche das Bahrtuch her. Die schnaubenden Rappen

Trieb der Roßwart an, und sie trabten, gehaltenen Schrittes,

Von den Kriegern umschart, g’en Wien, die herrliche Stadt, hin.

Dort scholl freudiger Lärm dem kommenden Morgen entgegen,

Als, dem Sieger zum Ehrenempfang’, in geschäftiger Hast sie,

Durch die dunkele Nacht sich schmückte mit festlichen Kränzen:

Denn vor dem Thor, das sich nach Kärnthen dem Wanderer öffnet,

Sollte von Laubgehölz’ ein Siegesbogen sich heben,

Hochgewölbt, und geziert mit schimmernden Bändern, und oben

376

Rufen die goldene Schrift ein „Lebehoch!“ dem Befreier,

Der von der Stadt und dem Land’ abwehrt’ unendlichen Jammer;

Oestreichs Herrscherthron fest gründete; dauernden Frieden

Deutschlands Gauen errang, und ein Ziel aufsteckte der Willkühr,

Die sich gefiel im Raub’, und in all’ den Gräueln des Faustrechts!

Auch die Straßen entlang, erhoben sich, dicht vor den Häusern,

Lieblichgrünende Reiser zur Luft; buntschimmernde Blumen

Hauchten Wohlgeruch her auf die Bahn, die, erkoren dem Sieger,

Durch die Stadt sich wand, und zahllos wogten die Fahnen

Oestreichs rings von dem Wall’ und den ragenden Thürmen im Wind hin.

Also schmückte sich jetzo die Stadt, wie die blühende Braut sich

Schmückt an dem Morgen des Tags, der sie eint mit dem Lieben auf immer.

Hinter des Ostens dämmerndem Thor’ entfaltete jetzo,

Neuverjüngt, der Tag die Fittige: weit sich erstreckend

Hoben sie fächelnd sich auf, und wehten den glühenden Schimmer,

Der sein Rosenlager umfing, empor an dem Himmel;

Doch sie weckten zugleich des sanft­umschmeichelnden Frühwinds

Kühligen Hauch. Er kam aus des säuselnden Waldes Umlaubung

377

Ueber die blumigen Matten heran; verbreitete ringsum

Balsamduft, und erfüllte mit Lust die erwachende Schöpfung.

Zwitschernd regte die Schwalbe sich schon im Nest mit den Jungen,

Das sie im Lenz’ erbaut’ an dem Mauergesimse des Hauses;

Auch umgirrete laut die Taub’ in dem Schlag’, und der Hahn rief

Schmetternd darein, als draußen vom Feld, von dem Hain’, und dem Hochwald

Bis in die bläuliche Luft empor das Getöne sich mehrte.

Jetzt von des Himmels Rand, dem Rosenlager entschwebend,

Hob die herrliche Sonne sich auf; umhüllte die Berghöh’n,

Häuser und Thürme der Stadt mit röthlichem Duft’, und entflammte

Hier die Fenster zu Gold, und dort auf den blühenden Matten,

Unermeßlich umher, den Thau zu blitzenden Perlen.

Doch bald schwang sie, verklärt, sich empor: den wölbenden Himmel

Trübte kein Wölkchen, und rings auf dem lichtumflossenen Erdkreis

Scholl ein Wonnegejauchz, dem schönsten der Tage zur Feier.

Aber schon zogen den Weg nach dem Kreuze der Spinnerinn, eilig,

Krieger zu Fuß und zu Pferd in gesonderten Haufen, und weithin

Blitzten im Sonnenschein die hellgeglätteten Waffen —

378

Blitzte der Harnisch und Helm der Tapferen, die, von dem Schlachtfeld

Kehrend, zum Siegseinzug’ auf dem sanfterhobenen Berg sich

Sammelten, wie es der Herrscher geboth. Mit grünenden Reisern

Waren die Helme geschmückt, behangen mit Kränzen die Rosse;

Laut scholl Jubel die Scharen entlang: denn fröhliche Weisen

Sang der Krieger; sein Roß ihm wieherte d’rein; die Drometen

Schmetterten, Zink’ und Pauk’ erklang, und die wirbelnde Trommel

Rief das verworr’ne Getön zum allerfreuenden Einklang.

Sieh’, und es lief unzähliges Volk aus der Stadt und vom Land her,

Nach der Straße hinaus, auf welcher die Tapferen kamen:

Alle mit Angst in der Brust, bis sie in den fröhlichen Reihen

Ihre Lieben ersah’n! Da scholl (erschütternd zu hören!)

Jauchzen empor; da bog sich mancher vom Sattel herunter:

Einer umhalste den Freund, ein andrer den Sohn, und ein dritter

Reichte dem grauenden Vater die Hand, der grauenden Mutter,

Oder der Braut, die thränenden Blicks, ihm lächelte, sprachlos!

Aber es trat nun hier, nun dort mit erblassendem Antlitz

379

Auch der unglückliche Mensch aus den lautaufjubelnden Scharen:

Denn nicht hatt’ er die Lieben erseh’n, und dem Fragenden tönte

Schrecklich der kurze Bescheid: „Er fiel, und kehret nicht wieder!“

Feldeinwärts ging dort ein zartaufblühendes Mädchen,

Ringend die Hände mit schwerem Gestöhn; hier saß an des Grabens

Rand der Vater: er sah in die Tiefe hinab, und die Mutter

Preßte den Arm mit der Stirn’ an den Baum, und schluchzte vor Herzleid.

Aber der schwellende Ruf des Entzückens dämpfte des Wehes

Schnellverhallenden Laut, und unendlich erscholl das Getümmel,

Als dem festlichen Kreuz der Spinnerinn jetzo der Kaiser

Nahte mit hehrem Gefolg: denn Ladislav, der Magyaren

Blühender König, ritt, hellschimmernd von Gold, ihm zur Rechten;

Ihm zur Linken sein tapferer Sohn, der jüngst in der Feldschlacht,

Muthentflammt, vortrug der Erlösung heiliges Zeichen,

Und ihm folgten, erwählt, des Heers siegstolze Geschwader

Nach auf den Wienerberg, der unter den Drängenden bebte,

Und in dem Waffengeblitz erschütternd dem Auge zu schau’n war.

Jetzt umgab er sich dort mit dem kaiserlich­prangenden Mantel;

380

Setzte den Helm, an welchem umher der goldene Kronreif

Schimmerte, sich auf das Haupt; entblößte den Degen, und hob ihn

Auf zum ersehneten Wink’. Alsbald bewegte das Heer sich

Im Geleite des Volks nach Wiens aufjubelnden Mauern.

Sieh’, ihm eilten die Ritter vor mit den Reisigen Ungerns —

Jenen der Ost- und der steyrischen Mark: von den Heldengebiethern

Angeführt, und vereint um die ruhmgekröneten Fähnlein!

Aber ihm folgten dann die muthigen Schweizer und Schwaben

Und die Tapfern aus Kärnthen und Krain mit den kühnen Tyrolern.

Wie der Alpenbach, vom Regen geschwollen, sein Bette

Plötzlich verläßt, und quer von des Bergs Abhange sich stürzet,

Endlos über die Matten hin die Fluthen ergießend:

So fortwälzte sich schnell das Heer; stets näher erscholl ihm

Festlicher Glocken Getön’ und des Volks auftobender Jubel.

Außer dem Kärnthner Thor, wo ein Siegesbogen erhöht war,

Standen die trefflichen Bürger vereint. Ihr Meister, erkoren

Durch gemeinsame Wahl an Waldrams Stelle, des falschen,

Eilte heran, den Zug des erhabenen Kaisers zu hemmen;

Both auf dem Becken von schimmerndem Erz, die vergoldeten Schlüssel

Wiens, ihm huldigend, dar, und begann die Rede mit Ehrfurcht:

381

„Heil dir, Oestreichs Herrn, dir edelstem Kaiser der Deutschen!

Mögest du heut, wo dir, dem Retter, die jubelnde Stadt Wien,

Festlichgeschmückt, entgegeneilt mit verlangenden Armen,

Nicht gedenken der Schuld entflohener Tage — des Herzens

Deiner Getreuen gewiß! Nun herrsch’ im Segen des Himmels

Ueber dein glückliches Volk, und vom Thron, den du auf dem Grundstein

Heiliger Religion, Gerechtigkeit, Tugend erhöhtest,

Dein erhab’nes Geschlecht an der Zeiten entferntestem Ziel noch!“

Sagt’ es, bewegt; doch schnell entgegnete jetzo der Kaiser:

„Ihr Getreu’n, habt Dank für des Herzens enthüllte Gesinnung!

Gnädig willfahre mir Gott in dem Wunsch, daß ich gründe die Wohlfahrt

Fern in die Zukunft noch der guten und trefflichen Völker,

Die er mir anvertraut! Mein Glück ist das eure für immer!“

Plötzlich entstürzt’ ein heller Strom von Thränen den Augen

Aller umher: denn rings erscholl, von Tausender Lippen

Brausend, ein „Lebehoch!“ und mehrte sich, jubelnden Lautes,

Dort die Straßen entlang, die, erkoren dem festlichen Einzug,

Schimmerten. Jetzt durch’s Thor und die Straße Karinthia’s trug ihn,

Stolzvorschreitend, das Roß, und aus jeglichem Fenster ertönte

382

Huldigung, wo, bekränzt, die zartaufblühenden Jungfrau’n —

Frau’n im glänzenden Schmuck’, ihr schneeiges Tuch in die Lüft’ auf

Schwangen, und jauchzten empor mit hellerklingender Stimme.

Doch, aus dem wimmelnden Volk vordrängten jetzt, wie verjüngt sich

Wankende Greis’, ihn zu seh’n, und zu segnen. Die Väter und Mütter

Hoben ihr lallendes Kind auf den Arm; sie falteten erst ihm

Freundlich die Händchen, und zeigten ihm dann den Herrlichen drüben,

Daß es des Tages noch oft im spätesten Alter gedenke!

Sieh’, und nicht trockneten mehr dem erhabenen Kaiser die Augen

All’ die Straßen entlang, da er links, und rechts, in dem Siegszug

Dankte dem jauchzenden Volk mit oft erhobener Rechten.

Also im Freudengeschrei unzähliger Meng’, in der Glocken

Festlichem Klang’, und der Pauk’ und Dromet’ empörterem Jubel,

Zog er entgegen dem Rothenthurm, und lenkete jetzo

Ueber den schimmernden Hohenmarkt nach dem prächtigen Hof ein;

Dann nach der Freiung hinab, und, dem Schottenkloster vorüber,

Durch die Herrngass’ fort nach dem breitaufragenden Graben,

383

Bis er am Riesenthor des unendlichen Doms aus dem Sattel

Eilig zur Erde herab sich schwang. Sein mächtiger Gegner,

Ottgar, Oestreichs Herrscher vor ihm, vollbrachte des Domes

Herrlichen Bau, da er einst zerstört von den Flammen, im Schutt lag.2

Dort reicht’ ihm der oberste Hirt der Gemeinde, vor allen,

Festlichgeschmückt, im Kreise der Priester geweihetes Wasser

Sanft mit dem Sprenger dar; dann schwang er das duftende Rauchfaß

Dreimal ihm entgegen, und ging, beginnend der Lieder

Herrlichstes: „Gott, dich preisen wir!“ zum erleuchteten Altar,

Singend, vor ihm einher, und Tausende sangen das Lied nach.

Aber, als in dem wölbenden Raum des unendlichen Domes

Rings umher des Gesangs allletztes Säuseln verhallt war,

Knie’te der Kaiser noch hin, und bethete, heiliger Andacht

Voll, am Altar’, im Kreise der ruhmgekröneten Feldherrn.

Staunend sah ihn das Volk; doch hingen mit inniger Wehmuth

Auch an Trautmansdorf, dem Helden, viel Tausender Augen,

Der, von dem schimmernden Kreis’ entfernt, auf die Kniee gesunken,

Beugte das grauende Haupt mit gottergebenem Herzen.

Bald umhüllten ein jegliches Aug’ untad’lige Thränen:

Dort den Mann mit dem schneeigen Haupt so einsam zu schauen,

Der noch jüngst, umringt von blühenden Söhnen einherging:

384

Froh der gewaltigen Schar! Nun stand er allein und verlassen,

Wie der verdorrete Stamm in dem Wald’, um welchen die Windsbraut

All’ die frischen umher mit lautem Gekrach’ in den Staub warf.

Thauenden Blicks, trat jetzt von den heiligen Hallen der Kaiser

Wieder heraus, vor dem Riesenthor zu beginnen den Heimzug

Nach der erhabenen Burg. Doch sieh’, welch’ tiefes Erstaunen

Unter dem Volk? Schnell theilt es sich links und rechts in den Straßen

So, daß der Bahre, von sechs lautschnaubenden Rossen gezogen,

Raum sey, fürder zu zieh’n bis hin zur Pforte des Domes.

Schmerz ergriff die Brust des beseligten Siegers. Er starrte

Lang’ nach dem Trauerflor, und dem leich’umhüllenden Tuch hin,

Und erwog im Gemüth: wie mächtig der Todte noch gestern

Gegen ihn stand, der heut’, erstarrt, all’ irdischer Hoheit,

Kraft, und Streitlust bar, dort unter der finsteren Hülle

Ruhete! Dann begann er für sich mit rührendem Laut so:

„Ottgar, lebtest du noch, und herrschtest im Frieden, der Rachgier

Wüthenden Sturm in der Brust besänftigend; heiteren Blickes

385

Würdest du seh’n: nie haßt’ ich dich, und im redlichen Busen

Strebte dieß Herz, voll Liebe, dem deinen entgegen zu schlagen!

Ruhe denn jetzt im Schooß des Allerbarmers auf immer!“

Sagt’ es, und hieß die Leich’ auf dem trauerumhülleten Wagen

Fort nach dem Schottenkloster hinab mit Würde geleiten,

Wo sie ruhe, bis ihr, nach der Seelenmess’ und dem Bußpsalm

Werd’ ein Grab mit dem ehrenden Stein, an heiliger Stätte.

Doch wer drängt sich hier, voll Ungestümm, vor aus den Scharen?

Lobkowitz kam, erblaßt von der Wunde zugleich, und dem Herzleid

Ob des erschlagenen Königs und Freunds, in Eile herüber,

Führend an zitternder Hand das holdaufblühende Söhnlein

Ottgars, Wenzeslav, der einsam in Drösing zurückblieb.

Ach, er harrete dort des Vaters, in fröhlicher Unschuld;

Aber nicht kehrt’ er ihm mehr, und, verwais’t in der zartesten Jugend,

Mißt er die kräftige Hand, die ihn leitete, seines Erzeugers!

Großes beschloß alsbald der treffliche Greis, und, dem Kaiser

Jetzo genaht, vordrängt’ er das Kind, und sprach in das Ohr ihm:

„Geh’, und umfass’ ihm die Knie’ mit festgeschlungenen Armen,

386

Daß er dein sich erbarme mit Huld, und die Leiche des Vaters

Frei gewähre zum Trost den Unglücklichen, die er zurückließ;

Dir zum Ruhm, wenn einst auf vaterländischem Boden

Du ihm erhöhst das ehrende Maal, und zur Zierde dem Land dort,

Deß gewaltiger Held, und erhabenster Fürst er gewesen!

Fasse nur Herz: nicht hartgesinnt erweis’t sich der Kaiser

Dir: als Vater das dunkle Geschick der Kinder bedenkend.“

Ottgars blühender Sohn gehorcht’ ihm: er stürzte zu Rudolphs

Füßen; umfaßt’ ihm die Knie’, und rief erschütternden Lautes:

„Mildgesinnt, so sprachen sie all’, ist der mächtige Kaiser,

Dem ich hier auf den Knie’n, und mit thränenerfülleten Augen

Rufe: erbarme dich mein, des Verwaiseten; lasse des Vaters

Leich’ uns frei, der dir erlag in der schrecklichen Feldschlacht!

Hast ja auch Kinder, und sie erfreu’n sich des liebenden Vaters

Noch, der, machtbegabt, sie schirmt, und zu Ehren erhebet.

Aber, o, mich Unglücklichen: denn des Vaters beraubet,

Welcher so hold mir war, vermiss’ ich die mächtige Hand jetzt,

Die mich hatte geführt auf des Lebens unsicheren Pfaden!

Dennoch wird sein Grab im vaterländischen Boden,

Der sein theures Gebein bedeckt, und der redende Denkstein

387

Mir erfüllen die Brust mit Trost, und mit Stärke sie waffnen;

Stillen den Schmerz der Mutter um ihn, und erheben des Volkes

Sinkenden Muth, das stets, in Treu’ ergeben, ihm anhing.“

Doch der erhabene Kaiser schwieg, mit sinnenden Blicken

Ueber den Jüngling gebeugt, und das Volk dort weinete ringsum.

„Höre des Sohnes Fleh’n,“ begann jetzt Lobkowitz finster,

„Himmelan hebt sich dein Ruhm: nicht bedarf er des ehrenden Denksteins

Hier, der, rühmend, von Ottgars Grab verkünde der Nachwelt,

Welchen Gegner du einst im Felde der Waffen erlegt hast.

Allwärts preis’t dich die Welt großmüthig und edel: als solchen

Sollst du auch ihm dich erweisen — wo nicht? so täuschte dein Ruf nur:

Denn unziemlicher Haß g’en Ottgar füllet dein Herz noch.“

Rief’s empört, und übermannt von unbändigem Herzleid.

Alle staunten umher; doch zürnte dem eifernden Alten,

Welcher so edel gesinnt, und zugleich so tapfer im Feld war,

Rudolph nicht. Voll Rührung erhob er nun den Erzeugten

Ottgars, der erneut ihm die Knie’ umschlang, von dem Boden,

Herzt’ ihn vor allem Volk’, und begann mit erheitertem Antlitz:

„Sey getröstet, mein Sohn! Nicht sann ich, vor Trauer verstummend,

388

Dir ein kostbares Unterpfand zu entreißen: denn alsbald

Geb’ ich es frei. Auch führe zugleich mit dem tapferen Helden,

Lobkowitz, dich der Füllensteiner im Ehrengeleit heim.

Zieh’ dann schnell g’en Prag mit der Leiche des theuern Erzeugers,

Sie zu bestatten mit würdiger Pracht, und zu weihen ein Denkmaal

Ihm, der, herrschend mit Kraft und mit vielumfassender Weisheit,

Rastlos seines unzähligen Volks Gedeihen und Wohlfahrt

Förderte. Doch, nun komm’! Ich will ein Vater dir werden,

Wie ich’s zuvor beschloß im Gemüth’, und im Segen des Himmels

Möge der sprossende Keim noch herrliche Früchte dir bringen.“

Sagt’ es mit freud’ausstrahlendem Blick’, und als er, gewendet,

Faßte des Rosses Zaum mit der Linken, hinauf in den Sattel

Sich zu schwingen, da both er zugleich dem staunenden Helden,

Lobkowitz, schnell die Rechte zum Gruß mit den freundlichen Worten:

„Kühner, du stand’st mir zwar gar feindlich entgegen, und dennoch

Sagt mir das Herz: wir scheiden noch bald, als Freunde für immer!“

Jener dankt’ ihm d’rauf mit thränenumflossenen Wimpern,

389

Schweigend; aber es quillt ein Dank aus den schimmernden Thränen,

Den im schwellenden Strom der Worte die Zunge nicht ausspricht.

Solches gewahrete nun der Kaiser, erfreuet, und schwang sich

Rasch auf das Roß, den Siegeszug in der Burg zu vollenden:

Denn mit jubelndem Ruf fortwogten von neuem die Scharen.

Jetzt, in dem weitumschlossenen Raum der mächtigen Hofburg,

Wies sich dem Volk’ ein Schaugerüst, der Sichel des Mondes

Aehnlich an Bogengestalt, erhöht, und mit Purpur behangen.

Vierzehn Stufen empor, in stets verengteren Kreisen

Hob sich der herrliche Bau, und zuhöchst, auf dem oberen Feldraum

Stand, hellschimmernd, des Herrschers Thron, an welchem zur Linken,

Und zur Rechten, gar zierlich geschmückt, zwei Stühle von Purpur

Glänzten. In drängender Hast erfüllte sich eilig die Hofburg.

Freudiger Lärm erscholl, als die Rosse, der Reiter entledigt,

Wieherten, heim durch die Menge geführt, und in stattlicher Hoheit

Rudolph nun mit Gefolg zu dem glänzenden Throne hinaufschritt;

Dort sich Ladislav, den König der Ungern, zur Rechten —

Wenzel, den Sohn des getödteten Horts der Böhmen, zur Linken

390

Sitzen hieß, und das Volk mit freundlichem Winke begrüßte;

Doch ein schmetternder Laut der Dromete geboth in dem Hofraum

Schweigen, und Stille ward, daß der Hauch des athmenden Busens

Hörbar flog, und umher die Stimme des Kaisers vernehmlich

Tönete, da er die Recht’ erhob, und also zum Volk sprach:

„Seht uns am Ziele, mit Gott! Vollbracht ist die That, und das Opfer,

Das aus dankbarer Brust zu dem Ewigen heute sich aufschwang.

Ach, gar dürftig erscheinet das Wort! Wie sollen wir würdig

Danken dem Heer’, das uns den Sieg errang in der Feldschlacht?

Wie dem erlauchtesten Könige, der als helfender Freund, uns

Einte sein tapferes Volk im allentscheidenden Zeitraum?

Nicht vermöchten wir das! Doch ihn, den König der Ungern

Schließen wir heut’ an Sohnesstatt, wie er selbst es ersehnet,3

Freudig an’s Herz, und geloben ihm Schutz und Freundschaft für immer.

Wohl bezeugt uns der Herr: „Wer hat, dem wird noch gegeben!“

Also auch wir, von Gott mit Kindern gesegnet, erkiesen

Heute der Söhne noch mehr — denn hört: den theuern Erzeugten

Ottgars einen wir auch, als solchen, in liebender Sorgfalt

Bald mit unserem Blut: ihm Gutha, die Tochter, verlobend,

391

Die uns die jüngst’ erblüht aus den Töchtern, voll lieblicher Unschuld!“

Jetzo drückt’ er zuerst den König, und d’rauf den Erzeugten

Ottgars rasch an die Brust, und unendlich jauchzte das Volk auf.

Aber der König erhob sich vom Stuhl’, und sagte voll Feuer:

„O, gesegnet für immer der Tag, der, freundlichen Anblicks,

Dich als Bundesgenossen mir wies! Der brausenden Jugend

Jahr’ umgaukelten mich noch jüngst im verwirrenden Schimmer;

Aber du kamst: wohl nenn’ ich dich „Vater“ mit Recht, und ich fühle

Mich urplötzlich zum Manne gereift — dein würdig, als Sohn jetzt!

Lange lebe, beglückt, der edelste Kaiser der Deutschen!“

Sprach’s mit jubelndem Ruf’, und umher ertönte des Volkes

Freudengeschrei, wie Donnersturm, wie stürzender Wasser

Lautes Rauschen: „Er lebe beglückt! Hoch lebe der Kaiser!“

So, daß jegliche Brust Entzücken ergriff, und der Thränen

Stürmische Fluth in das Aug’ urschnell aufjagte vom Herzen.

Aber es winkte der Kaiser erneut: der eh’rnen Drometen

Ernstem Schall verstummte das Volk, und er sagte, bewegt, noch:

„Hört! Wir scheiden von euch nun bald, und auf lange. Gebiethend

Ruft uns Deutschlands Wohl nach den rheinischen Gau’n, und wir folgen

Freudig dem Ruf, da uns hier zu weilen hinfort nicht vergönnt ist.

Doch nicht bleibe darum dieß Land nach unserer Abfahrt

392

Hauptlos. Wichtiges reift im dunkeln Schooße der Zukunft

Ihm, und Hohes erringt es. Inmitten gewaltiger Länder,

Hebt Haus-Oestreich hier, aus seinem unscheinbaren Umkreis

Eiserngegründet, sich auf; gewährt dann jenen die Herrscher;

Flicht in den Kranz nie welkender Macht die herrlichsten Kronen,

Die bald König’ ihm biethen, und führt vielfältig durch Sitte,

Sprach’, und Stamm gesonderte Völker zu dauernder Einung.

Also, gerüstet mit Kraft, soll’s einst im Sturme der Zeiten

Fest wie ein Leuchtthurm steh’n, der rettend, Gefahrenbedrängten

Von dem Felsen die Flamme weis’t auf dem nächtlichen Irrpfad.

Albrecht komme heran. Ihm, unserem theuern Erzeugten,

Deß’ erhabener Sinn und Weisheit euch allen bekannt ist,

Wollen wir Oestreich hier zu Lehen ertheilen. Als Herzog

Werd’ ihm der Thron, und in seinem Geschlecht fortdaure die Herrschaft,

Endlos, segenbeglückt zum Wohl unzähliger Völker.“

Ha, und er dachte, bewegt, des Alp’bewohnenden Klausners!

Doch schon ritt aus dem hallenden Thor der Erzeugte des Kaisers,

Albrecht, stattlich heran. Sein Roß, der tönenden Hauptzier —

Also des Zaums und Geschirrs von blinkendem Silber sich freuend,

Beugte stolz das Haupt an die Brust. Doch herrlich geschmückt war

Er mit dem Fürstenhut’ und dem Purpurmantel: ihn deckte

393

Glänzender Hermelin; auch hielt er den goldenen Zepter

Fest in der Rechten erhöht. Durch Schrift und Siegel ertheilte

Friedrich der Erste, von Hohenstauff, der mächtig als Kaiser

Ragte vor andern hervor, das Recht dem Herzog von Oestreich,

Also zu Pferd, und so herrlich geschmückt das Leh’n zu empfangen.4

Siehe, vor ihm trug Lichtenstein das Banner von Oestreich,

Deß’ ruhmwürdiger Schild, mit dem schneeigen Streif in dem Blutfeld

Schimmerte, rasch einher; doch Albrecht hielt an des Thrones

Stufen, und beugte sich; d’rauf begann der erhabene Kaiser:

„Albrecht, euch beschwören wir jetzt im Nahmen des einen,

Wahren, und ewigen Gott’s, zu bekennen: ob ihr, als Herzog

Oestreichs, herrschen wollet nach Recht und Gerechtigkeit; ob ihr

Schirmen wollet die heilige Lehr’ und den Glauben der Väter,

Und euch widmen dem Wohl des Landes mit Leib und mit Leben,

Das ihr heute zu Lehen empfaht aus unserer Vollmacht?“

Jener rief: „Ich will!“ und alsbald winkte der Kaiser

Lichtenstein, daß er ihm darreichte die Fahn’, und begann so:

„Nun auch schwört es zu Gott, und im Beiseyn eueres Volkes,

Eilig das Banner zugleich, und den goldenen Zepter erhebend

Hoch g’en Himmel empor.“ Und jener entgegnete muthig:

„Ja, ich schwör’ es zu Gott!“ und erhob den goldenen Zepter

Dann mit dem Banner zugleich in die Luft. Der Kaiser entstürzte

394

Jetzo dem Purpurpfühl’, und flog in die Arme des Sohnes,

Der, sich schwingend vom Zelter herab, ihm entgegen geeilt war.

Lange hielt er den Sohn umfaßt, und sagte mit Rührung:

„Gottes Segen mit dir, und mit deinem Geschlechte! Der Nachwelt

Stell’ ich es freudig anheim, was heut’ allhier sich begeben.

Möge sie noch an der Zeiten entferntestem Ziele, des Glückes

Herrlichster Fülle froh, laut Habsburg segnen und Oestreich!“

Siehe, da rief umher die Menge dem neuen Beherrscher,

Jauchzend, ihr „Lebehoch!“ Doch sah nach dem Kaiser so mancher,

Innig betrübt, noch hin, der erst von Trennen und Scheiden

Sprach, und auf immer vielleicht den liebenden Herzen entrückt wird.

D’rauf hieß er die Fürsten bei sich willkommen, und sagte:

„Kommt zum erquickenden Mahl’, und ruht in der friedlichen Burg hier,

Heiteren Sinn’s, jetzt aus von des Kriegs unzähligen Sorgen!

Aber verzeiht: ich eile zuvor nach der düsteren Kammer,

Wo die Gattinn mir starb, und nach ihr sich, in Trauergewanden,

Sehnen die Kinder vereint; ich gehe, die Lieben zu trösten.“

Und er entzog sich den Blicken der lautaufjubelnden Scharen:

Thränenden Blicks, aufschreitend allein zur Wohnung der Trauer.


395

Nachtrag

zu dem

Heldengedichte Rudolph von Habsburg.


Die Marchfelder Schlacht. Jahr 1278.

Die merkwürdige Schlacht auf dem Marchfeld zwischen Rudolph I. von Habsburg, Kaiser der Deutschen, und Przemisl Ottokar II., König von Böhmen, in welcher letzterer besiegt fiel, und jener seinen Nachkommen Oestreichs Herrscherthron erkämpfte, geschah am 24. August des Jahres 1278. Schon zwei Jahre vorher standen sich, eben daselbst, die beiden Fürsten feindlich entgegen. Ottokar, durch früheren Ehebund mit der babenbergischen Margareth, der Herrscher geworden von Oestreich und Steyermark, und, durch Kauf, von Kärnthen und Krain, ließ sich endlich herbei, diesen Provinzen, als anheim­gefallenen Reichslehen, zu entsagen; worauf er, auf der Donau-Insel Kamberg, im Angesicht beider Heere, dem Kaiser (19. November 1276) knieend gehuldigt, und dieser, angeblich, durch Herabrollen der Zeltvorhänge, diese Handlung offenkundig gemacht haben soll. Dem heimkehrenden König setzte seine ehrgeizige Gemahlin, Kunegunde, durch Schmähungen so lange zu, bis er dem Kaiser neuerdings den Kampf auf Tod und Leben both. Schon am 27. Juni brach er von Prag zu seinem Heer’ auf, das sich vor Brünn versammelt hatte, verlor aber auf seinem Kriegszug in Oestreich, durch die Belagerung des befestigten Städtchens Drosendorf, den entscheidenden Augenblick, und setzte dadurch den Kaiser in den Stand, 396 Hülfsvölker zu sammeln, um welchen es sonst durch schnelles Vordringen geschehen gewesen wäre. Auf Rudolphs Seite standen nebst den Schweizern und Elsassern, die ihm sein Sohn Albrecht zuführte, der Pfalzgraf Ludwig, sein Tochtermann; der Burggraf Friedrich von Nürnberg; der Markgraf Heinrich von Hochberg: zu welchen noch die Grafen von Henneberg, und Fürstenberg stießen. Dann: Meinhard Graf von Tyrol; Graf Albert von Görz; Friedrich, und Albert, die Grafen von Ortenburg, und Ulrich von Heunburg mit den Tyrolern, Kärnthnern und Krainern; Pfannberg, und zugleich die Herren von Pettau, Lichtenstein, und Colo von Seldenhofen, mit den Steyrern. Auch die Bischöfe von Salzburg und Basel führten ihm Krieger zu, deren ersterem er in der Schlacht die Leitung der Oestreicher und Steyrer übergab. Endlich erschien auch der König Ladislav IV., an welchen er den tapferen tyrolischen Hauptmann, Hugo von Tauffers, abgeschickt hatte, mit mehr denn zwanzigtausend kumanischen und ungrischen Reisigen, als sein Verbündeter, auf dem Schlachtfeld. An Ottokars Völker, die Böhmen, und die Mährer unter Milota’s Leitung, reiheten sich: Bayern, welche der Herzog Heinrich; Sachsen, welche Pfeil, der Markgraf von Magdeburg, und Meißner und Thüringer, welche der Markgraf Dietrich anführte. Die Reussen sandte K. Leo, und die Polen und Schlesier K. Kasimir heran. Auch einige östreichische Ritter, unter diesen die beiden Brüder Heinrich und Leopold Kunring, ergriffen seine Parthei, so, daß er dem Kaiser an der Zahl der Krieger weit überlegen war. Das Feld, auf welchem gestritten ward, erstreckte sich von Marcheck über den Weidenbach, dann weiter von Stillfried über Dürnkrut bis gegen Idungspeugen, hinauf, und der Kampf endete wahrscheinlich, wie weiter unten erhellet, nahe vor dem Städtchen Laa. Rudolph setzte mit seinem Heere bei Hainburg über die Donau, seine Vereinigung mit dem König der Ungern zu bewirken, und dem Feind in den Rücken zu kommen, und lagerte sich vor Marcheck. Die 397 Kumanier hatten bereits aus dem Hinterhalt die herumstreifenden Feinde angefallen, ihnen über 100 Mann getödtet, und nachdem sie ihnen die Köpfe abgehauen, sandten sie selbe dem Kaiser als Geschenk entgegen, der sich mit Schauder davon wegwendete, und sie begraben ließ. Am 23. August rückte er g’en Stillfried vor, und beschloß die Schlacht auf den folgenden Tag, der mit dem Feste des heil. Bartholomäus auf einen Freitag fiel, an welchem er öfters glücklich gekämpft hatte.* Der Tag brach an: die Kaiserlichen standen in fünf Heerhaufen, den sechsen der Böhmen, entgegen. Noch kurz vor dem Kampfe schlug der Kaiser, nebst anderen, auch hundert Zürcher zu Rittern. In seinem Heer herrschte mehr froher Muth, als in jenem Ottokars, da vor Tagesanbruch die Meißner und Thüringer aus dem Lager heimlich abzogen, und er zuvor im Zelt, mit erregtem Mißtrauen, die Feldherrn aufforderte: „sie sollten ihm, wenn sie Verrath an ihm sännen, lieber jetzt die Brust durchbohren, ehe Tausende auf dem Schlachtfelde gefallen seyn würden.“ Das unbändige Pferd eines salzburgischen Reiters, Heinrich Schörlin, rannte, wie toll, auf die Böhmen los, und ward so zum Zeichen des früheren Angriffs. Ottokar brachte mit den schwer­geharnischten Reitern die Oestreicher und Steyrer zum Weichen, nachdem der Führer der letzteren, Pfannberg, verwundet vom Pferde gefallen war. Als der Kaiser die wankende Schlacht sah, da warf er sich aus dem Sattel im Staub auf die Knie’, und bethete laut zum Himmel, verheißend durch ein Gelübde, so er den Sieg gewänne, ein Kloster zu Ehren des heil. Kreuzes zu stiften; worauf seine Scharen ermuthigt vordrangen. Doch schlug sich Herbot von Füllenstein, ein polnischer Ritter, durch große Verheißungen Ottokars bewogen, bis zu ihm durch, 398 erstach ihm das Pferd unter dem Leib, und brachte ihn in die größte Gefahr, wenn nicht er selber, zu Fuß ankämpfend, ihn mit dem Speer von dem Sattel herabgerissen, und der herbeieilende tapfere Ritter Ulrich Capellen ihm ein Pferd gebothen hätte. Den gefangenen Ritter Herbot hieß der Kaiser schonen, seine Wunden verbinden, und warf sich dann, wie ein erzürnter Löwe, neuerdings auf die Feinde. Auf dem rechten Flügel, wo Hochberg stritt, erhob sich das Geschrei, „die Feinde fliehen!“ und bald verbreitete es sich durch alle Reihen Rudolphs. Ottokar wankte einen Augenblick, hieß aber Milota aus dem Nachhalt vorgeh’n; und als dieser, langgenährter Rache fröhnend, mit den Mährern und einigen böhmischen Herren, die er gewann, eben jetzt von dem Schlachtfeld abzog, stürzte er sich in den letzten mörderischen Kampf, und fiel auch hier, als ein Opfer der Rache, durch die Hand der beiden Ritter von Meerenberg, mit dreizehn Wunden, ehe der Befehl des Kaisers, der sein Leben zu schonen geboth, erfüllt werden konnte. Worauf Flucht und Verwirrung der Böhmen. Der Kaiser ließ zum Rückzug blasen, allein die Kumanier verfolgten sie, bis die sinkende Nacht dem Würgen ein Ende machte. Die Schlacht währte nur fünf Stunden, und es sollen auf Ottokars Seite über 14,000 gefallen seyn. Rudolph hieß seine Leiche sogleich aufsuchen, nach dem Städtchen Laa, und noch in der Nacht nach Wien bringen, wo sie anfangs in dem Schotten-Kloster beigesetzt, und dann in der Kirche der Barfüßer-Mönche öffentlich zur Schau ausgestellt blieb. Allein, auf die in das Lager gelangte Bitte der Böhmen, stellte er sie ihnen wieder zu; worauf sie über Znaim nach Prag abgeführt, und in dem, von ihm erbauten Franciskaner-Kloster königlich zur Erde bestattet ward. Rudolph hielt in Wien, unter unendlichem Jubel des Volkes, seinen feierlichen Einzug, und erfüllte bald darauf sein Gelübde, indem er zu Tuln, zu Ehren des heil. Kreuzes ein adeliges Frauenkloster erbauen ließ.

*) Bei Arenpeck Chron. Austr. ad Annum 1278 heißt es: Conveniunt ambo Reges cum exercitibus suis in campis Austriae trans Danubium apud Weidenbach feria sexta ante Bartholomaei etc. Viele andere wollen, daß die Schlacht sich am 26. August ereignet habe.


399

Anmerkungen

zu

Rudolph von Habsburg.


Erster Gesang.

1 Vers 9.

Drahomira war die Gemahlinn Vratislavs, Herzogs von Böhmen, der die Heidinn in der Hoffnung, daß sie sich zum Christenthume bekehren würde, im Jahr 907 ehlichte. Sie gebar ihm zwei Söhne, Wenzel und Boleslav, und als er im Jahr 916 starb, und seine Mutter, die heil. Ludmilla, die vormund­schaftliche Regierung übernehmen wollte, stand sie in der berufenen Stände­versammlung zu Prag dagegen auf, zog sich mit ihrem jüngeren Sohn, Boleslav, auf das feste Schloß Wischehrad zurück, und wüthete beinahe durch vier Jahre, mit Beihülfe des heidnischen Stadtrichters Palhog, gegen die Christen mit Feuer und Schwert. Darauf ließ sie die Kirche zu Bunzlau zerstören, und endlich auch ihre Schwiegermutter auf dem Schlosse Tetin hinrichten. Wenzel, obgleich nur ein Jüngling, kam hierauf nach Prag, berief die Stände im Jahr 921, und entsetzte sie der Regierung. Doch ruhte die unmenschliche Mutter nicht, bis ihr jüngerer Sohn den älteren im Jahr 938 auf ihr Anstiften durch Brudermord auf die Seite schaffte. Nach der Sage soll sie auf dem Hradschin die Erde lebendig verschlungen haben. S. Cosmas Pragensis L. I. Hist.Pulkawa Hist. Boh. C. 13. Dubrav. Hist. Boh. L. 5. Sylvius, Hagek etc. 400

2 Vers 68.

Margareth, die Tochter des babenbergischen Leopold des Glorreichen, Herzogs von Oestreich, war die Wittwe Kaisers Heinrich VII, und bereits an Jahren vorgerückt, als Ottokar, wohl nur in der Absicht, mit ihrer Hand Oestreich und die Steyermark zu erlangen, sie im Jahr 1252 heirathete, aber schon im Jahr 1261 sich von ihr, wegen beschuldigter Unfruchtbarkeit, wieder scheiden ließ. Sie starb zu Krems im Jahr 1267 im Kloster, und zwar, wie Einige behaupten, durch Gift, mit welchem sie Ottokar aus der Welt geschafft haben soll. Doch hat Hanthaler Fast. Campilil. T. I. P. II. Dec. VII. §. I. C. XXXIV. diese Behauptung widerlegt. Sie liegt in dem Kloster Lilienfeld, das ihr Vater stiftete, ihm zur Linken, vor dem Hochaltar, begraben.

3 Vers 117.

Durnkrut. Siehe den merkwürdigen Aufsatz „Die Entscheidungs­schlacht im Marchfelde zwischen Rudolph und Ottokar 1278“ im Archiv für Geographie, Historie &c. Nr. 1 und 2 des J. 1814. Der vortreffliche Geschicht­schreiber, Chorherr Kurz, sagt in seinem Oestreich unter Ottokar und Albrecht I.: „In Rücksicht des Schlachtfeldes stimmen die Berichte nicht ganz überein, welches wohl nicht anders möglich ist, da zwei Heere nothwendig eine große Strecke einnehmen, und während einer so entscheidenden Schlacht an mehreren Orten gestritten wird. Daß an dem Marchfluß gekämpft ward, in welchem viele Böhmen den Tod fanden, bestätigen alle Chroniken. Der Bezirk von Stillfried bis Idungspeugen hinauf, war der eigentliche Kampfplatz, Chrutterfeld, das ebenfalls genannt wird, liegt in der Mitte. Die Schlacht muß sich von Stillfried gegen den Weidenbach und bis Marcheck ausgedehnt haben, da Rudolph in seinem Stiftsbrief sagt: „Gott habe ihn nicht fern der Kirche von Marcheck aus Todesgefahr errettet“. In loco ab ecclesia eadem non longe distante nos quasi in angustiis mortis positos liberavit ab hostibus: et prostratis eisdem liberavit gloria triumphali. Bodmann cap. I. p. 100. Wahrscheinlich deutet er auf die Gefahr, die ihm drohte, als ihm das Pferd unter dem Leib’ erstochen ward. Calles T. II. p. 552-562 hat alle hierher gehörigen Stellen gesammelt“.

4 Vers 284.

Siehe über dieses Gespräch Hornecks Reim-Chronik, Cap. 132-136

5 Vers 351.

Rüdiger Waldram nennt Fugger, in seinem Ehrenspiegel des Erzhauses Oestreich, den Bürgermeister Wiens, der an Rudolph 401 mit dem König der Böhmen einverstanden, heimlichen Verrath sann. Bei andern Schriftstellern heißt er Paltram Vazo. Der Sänger Rudolphs fand jenen wohlklingender zu seinem Zwecke (S. auch Wolf. Lazius Chron. Vienn. Lib. IV. und Gerard. Roo Hist. Austr. Lib. I.

6 Vers 360.

Die Erzählung von der Huldigung Ottokars auf der Donau-Insel Kamberg, wo er, nachdem die täuschenden Zeltvorhänge gefallen waren, auf den Knieen vor dem Kaiser liegend, den beiden, durch die Donau geschiedenen Heeren gewiesen ward, ist von vielen gründlichen Geschichts­forschern als unstatthaft verworfen worden.

7 Vers 375.

In einem der anmuthigsten Gebirgsthäler Unter-Oestreichs, am Fuße der Alpen, und an dem Ufer des Traisenflusses, liegt das Cisterzienser-Stift Lilienfeld, von dem babenbergischen Leopold VII., oder Glorreichen, im Jahr 1202 gestiftet, dem der Sänger Rudolphs durch acht und zwanzig Jahre angehörte, und demselben in den letzten sieben Jahren als Abt, k. k. Rath und nieder­östreichischer Landesstand, vorgesetzt war.

8 Vers 397.

Masovien (Masuren), eine Landschaft in Polen, welche an Preußen, an Groß- und Klein-Polen und an Lithauen gränzte, früher durch eigene Herzoge regiert, und unter König Sigismund I. mit Polen vereiniget ward. Ihre vornehmsten Städte waren Warschau und Plozk. (Hartknoch de Republ. Pol. L. I. c. 10.)

9 Vers 403.

Königsberg, die zweite Residenzstadt Preußens an der Pregel, von mehr als 60,000 Einwohnern, und einer Universität, die in der neueren Zeit durch Kant berühmt geworden ist, soll Ottokar im Jahr 1254 gegründet haben.

10 Vers 421.

Daß Rudolph in seinem sieben und dreißigsten Jahre an den Hof Ottokars, der übrigens als ein großer Feldherr jungen Fürsten allerdings zum Muster dienen könnte, berufen, und zu seinem Hofmarschalk ernannt worden sey, daß er dann mit ihm die, bei dem Einfall der Tartaren wieder heidnisch gewordenen, Preußen bekämpfte, im Jahr 1260 einem Kriegszug gegen die Ungern beigewohnt, und wegen ausgezeichneter Heldenthaten von 402 ihm den Ritterschlag erhalten habe, sind Erzählungen aus seinem Leben, deren Wahrheit hie und da bestritten worden ist.

11 Vers 484.

Tabor. Ein an dem linken Ufer der Donau, Wien gegenüber liegendes Dorf.


Zweiter Gesang.

1 Vers 28.

Die Veste Mödling, deren Ruinen über dem Städtchen gleiches Nahmens, nicht fern von Wien, in dem Brühler Thal zu sehen sind, war das Eigenthum mehrerer Fürsten eines Zweigs des babenbergischen Herrscher­stammes, die sich Herzoge von Modeling nannten, und das zuletzt auch Gertrud, die Tochter Heinrichs, Herzogs von Mödling, und Bruders Friedrichs des Streitbaren, zu ihrem Antheil erhielt, nachdem ihr Gatte, Herman, Markgraf von Baden, gestorben war.

2 Vers 35.

In einem eng umschlossenen Thal’, am Fuße des Tannberges, welches der Sattelbach durckfließt, stiftete Leopold der Heilige im Jahr 1135 das Cisterzienser-Kloster Heiligen-Kreuz, welches nebst andern merkwürdigen Grabmäälern im Kreuzgang auch jenes von Friedrich dem Streitbaren, letzten Sprossen des babenbergischen Stammes, zur Schau stellt.

3 Vers 91.

Ueber Jacob Müllers, des Zürcher Kriegers, lustige Mähre siehe Alb. Argent. Cap. 18 und Fuggers Spiegel der Ehren des Erzhauses Oestreich. Nürnberg, 1668, erstes Buch 7. Cap. S. 66.

4 Vers 110.

Der Traisen-Fluß in Unteröstreich, der bei Traisenmauer in die Donau fällt, entspringt hinter der Lilienfelder Alpenkette aus dem sogenannten Traisenberg, und ergießt sich in zwei Bächen, wovon der eine hinter Tirnitz aus der Süd- und der andere hinter Hohenberg aus der Nordseite des Berges hervordringt, so, daß beide erst oberhalb Lilienfeld sich wieder vereinigen, und die eigentliche Traisen bilden. Wechselweise wird 403 der eine, und der andere Arm die unechte Traisen genannt, je nachdem der Bewohner des einen und des andern Bezirks Kunde darüber geben soll.

5 Vers 115.

Lilienfeld, das Cisterzienserkloster in Unteröstreich, welches am Fuße der Alpen, in einem der reizendsten Thäler, nicht weit von der, auf der Hauptstraße nach Wien liegenden Stadt St. Pölten entfernt liegt, wurde durch den babenbergischen Leopold den Glorreichen, Herzog von Oestreich, im Jahr 1202 gestiftet, erhielt, wie schon weiter oben im Gedichte gesagt wird, die ersten Mitglieder aus dem Kloster Heiligen-Kreuz, und besteht nun schon 640 Jahre. In dieses Kloster trat der Dichter Rudolphs von Habsburg, in seinem zwanzigsten Lebensjahre, im Jahre 1792, und hatte ihm gegen 28 Jahre lang angehört, nach welchen er zu höhern Stellen berufen ward; es ist ihm daher wohl zu guten zu halten, daß er es zu einem der Schauplätze seines Gedichtes gewählt, und mit besonderer Liebe und Ortskenntniß beschrieben hat.

6 Vers 171.

Ob Rudolph vor, oder während der Schlacht das Gelübde gemacht habe: so er den Sieg gewänne, ein Kloster zu Ehren des heil. Kreuzes zu erbauen, ist aus den vorhandenen Nachrichten nicht völlig erweisbar. So viel ist gewiß, daß er, nach jenem erhaltenen Sieg über seinen Gegner, das adelige Frauenkloster zu Tuln, zu Ehren des heil. Kreuzes erbaut, und auch seine, und seiner Gemahlinn aus Stein gehauene Statuen dahin geschenkt habe, die leider zur Zeit der Aufhebung desselben, auf eine unverant­wortliche Weise, vernichtet worden sind!

7 Vers 176.

Die hier bezeichneten Fürsten sind: Albrecht I., Friedrich der Schöne, Maximilian I., Carl V., Maria Theresia, Joseph II., Leopold II., Franz I.

8 Vers 320.

Nach Fugger geschah diese Handlung zu Mainz, als Kaiser Rudolph das Reich bereisete, im Jahr 1273. (Siehe Spiegel der Ehren. S. 84.)

9 Vers 372.

Wiener-Neustadt — erhielt den Titel der Allzeit Getreuen schon von Herzog Friedrich dem Streitbaren, wie es aus einer ihr im Jahr 404 1242 ertheilten Privilegien-Urkunde erhellet. Kaiser Leopold I. schenkte ihr im J. 1708 eine Fahne mit der Aufschrift: Semper fidelis civitas Neostadiensis — pro Caesare et Religione — wie solches nebst andern historisch merk­würdigen Selten­heiten in dem Rathhaus-Archive daselbst zu ersehen ist.

10 Vers 410.

Ein Meisterwerk der gothischen Baukunst, das alle Fremden durch seinen majestätischen Umfang in Erstaunen setzte, das sogenannte Dormitorium, oder Schlafhaus zu Lilienfeld, welches ursprünglich den Klosterbrüdern zur gemeinschaft­lichen Wohn- und Schlafstätte diente, als noch, außer dem Chorgebeth, das Ausräuten und Urbarmachen der Wildniß umher ihr hauptsächliches Geschäft war, ging durch den großen Brand (13. September 1810) völlig zu Grunde, so daß keine Spur mehr von seiner Herrlichkeit übrig blieb.

11 Vers 478.

Der Lasingfall, in den Lilienfelder Gebirgen, ist seit dem Jahr 1815, wo ihn der Verfasser des gegenwärtigen Gedichts, als damaliger Stiftsvorsteher, zugänglich, und dadurch erst bekannt machte, der Gegenstand der Aufmerksamkeit der Reisenden, die ihn jährlich in großer Anzahl besuchen. Seine Schönheit übertrifft jede Vorstellung. Die Felsenschlucht, durch welche sich die Lasing herabstürzt, hat drei Hauptabsätze, die nach Wiener Maß:

a = 107 Fuß
b = 40   „ 8”
c = 123   „ 2”
270   ’ 10”

senkrechte Höhe, und

a = 145 Fuß   2”
b = 126   „ 7”
c = 123   „ 4”
395   ’ 1”

horizontale Länge des Wasserfalls bewirken. Auch das Felsenthal am Fuß des Oetschers, durch welches sie sich ergießt, gewährt einen ergreifenden Anblick


405

Dritter Gesang.

1 Vers 3.

Marbod, Marobodus, wie ihn Tacitus nennt, König der Marcomannen, eines schwäbischen Stammes (Mark-Mannen, Hüther der Gränze, oder wie Andere wollen: Marich-Mannen, Roßtummler, von dem alten deutschen Wort Marich, Stute, Mähre, equa), lebte gleichzeitig mit Herman dem Cherusker. Entschlossen, sich in einer entfernteren Stellung den Römern furchtbar zu machen, sammelte er ein Heer von mehr denn siebenzig tausend Mann, zog immer weiter an der Donau herab, und nachdem er den Catualda (Gothwald oder Katwald), einen Anführer der Gothen, aus dem Lande der Bojen, dem heutigen Böhmen, verjagt hatte, gründete er dort den Sitz eines neuen Reichs, das sich von der äußersten Spitze der Ostmark, und der Gränze Pannoniens, bis an das Riesengebirge hin erstreckte. Inguiomar (wahrscheinlich Hinkmar), der Ohm Hermans, der zu ihm flüchtete, verwickelte ihn in einen heftigen Streit mit seinem gewaltigen Neffen, und als nach einer unentschiedenen blutigen Feldschlacht seine Krieger auf Hermans Seite traten, und Catuald mit Hülfe römischer Scharen seine Burg erstürmte, faßte er den Entschluß, sich in Roms Schutz zu begeben. Er wurde nach Ravenna verwiesen, wo er nach einem zwei und zwanzigjährigen Aufenthalt sein Leben — das er, wie Tacitus sagt, zu sehr liebte, in unrühmlicher Abge­schiedenheit endete. Catuald hatte ein gleiches Schicksal, denn er wurde von den Römern nach Frejus in Frankreich verwiesen.

2 Vers 16.

Das Schloß Hainburg mit dem Städtchen gleiches Nahmens, an der Gränze Ungerns in Unter-Oestreich, soll, der Sage nach, von Attila, dem König der Heunen, wie die Deutschen der Vorzeit die Hunnen nannten, erbaut worden sein: daher Heunenburg, Heunburg, geheißen haben. Was hier von dem Umfang, und der Lage des markomannischen Reichs unter Marbod, und weiter unten Vers 25 von der durch ihn gekämpften Schlacht auf dem Marchfeld gesagt wird, gründet sich, nicht mit historischer Gewißheit, sondern in poetisch genommener scheinbarer Möglichkeit, auf folgende Stellen aus dem Werke: Hist. opus in IV. T. divisum, quorum T. I. Germ. ant. illust. continet. Basileae 1574 ed. Tencterus.

406

Sub Martungis erant Curiones, inde Chetuari, et Parmecampi, ubi hodie pars est Austriae Cis-Danubianae juxta Krembs, Znaem et Niclaspurg. Inde habitabant Marcomanni; hodie regio illa Moravia est, quae se ad Sudinos extendebat, et Danubium usque, ubi hodie civitas est Prespurgium. — Gessit haec gens maxima bella cum Romanis etc. etc. Bilibaldi Birkheimeri Locor. per German. explicatio pag. 209.

Ferner: Nariscos Marcomannos et Quados haud dubie ea loca tenuisse putamus, ubi nunc agunt Moravi, Merherlandt. De Marcomannis nemo dubitare potest, qui Vellejum legerit. Henr. Clareani in P. C. Taciti de Mor. Germ. comment. p. 188.

Und endlich: Marcomanni sedes habuerunt in ea parte, quae spectat ortum versus Moraviam et Austriam. Enituit autem virtus Marcomannorum in multis asperrimis bellis, in quibus patriam adversus Romanos fortissime defenderunt etc. Philip. Melanchtonis Vocabula Regionum et Gent. quae recens. in libello Taciti de mor. Germ. p. 193.

Daß aber Rudolph aus Marbods Stamm entsprossen seyn soll (siehe unten V. 48) gründet sich in besagtem Sinn auf folgende Stelle:

Andreas Alciatus in suis annotationibus in Tacitum, etiam in Helvetiis consedisse Marcomannos quadosque putat. Exstat enim, inquit, adhuc in eis Vallis Marcomanna nomine.

Andreae Althameri Scholia in Cornel. Tacit. de Germ. pag. 61 desselben Werks.

3 Vers 23.

Marobudum hieß die Residenzstadt Marbods, des Königs der Marcomannen, die er sich in dem vormahligen Bojenheim erbaute, und die an der Stelle, wo jetzt Prag — nach Andern — wo jezt Budweis, gestanden haben soll.

4 Vers 106.

Das Wapen der Grafen von Habsburg enthielt im goldenen Felde einen rothen Löwen mit einer blauen Krone auf dem Haupt.

5 Vers 107.

Das böhmische Wapen zeigt einen weißen gekrönten Löwen im rothen Feld. Kaiser Friedrich I. ertheilte selbes, nach dem Mailänder Krieg, Uladislav II. im Jahr 1159.

407
6 Vers 108.

Kaiser Friedrich II. erhob Wien im Jahr 1237 zu einer freien Reichsstadt, ertheilte ihr den doppelten Adler zum Wapen, und stiftete eine hohe Schule daselbst. S. Lazius. Auch diesem wird widersprochen.

7 Vers 295.

Der schmale Donau-Arm, der, unterhalb Nußdorf von dem Hauptstrom geschieden, die Stadt Wien von der Leopoldstadt trennet, und hiermit ein großes Eyland bildet, auf welchem nebst besagter Vorstadt, auch die anmuthigsten Spaziergänge in der Brigittenau, dem Augarten und dem berühmten Prater sich befinden.

8 Vers 308.

Amtner, dieses im Verlaufe des Gedichtes einigemal vorkommende Wort, bezeichnet (wie Schaff-ner, Zöll-ner u. s. w. geformt) ganz entsprechend die französische Benennung Offizier; wo sodann Offizier-Corps, durch Amtnergilde gegeben werden könnte.

9 Vers 350.

Die Kumanier (ein sarmatisches Volk), die aus ihrem Land, welches zwischen den Alpen und der Donau, gegen die Tartarei zu, lag, von den hinterhalb wohnenden Tartaren gedrängt, unter Bela IV. Jahr 1239 nach Ungern kamen, und von diesem eine große Strecke Lands zwischen der Donau und der Theyß eingeräumt erhielten, vereinigten sich dann mit den bald nachfolgenden Tataren, über Ungern die schrecklichste Verwüstung zu bringen, weßwegen sie dem Unger, der sie in seiner Sprache Kun nennt, auch nachdem jene schon abgezogen waren, noch lange verhaßt blieben. (Bonfinii Decad. II. Lib. 8.)

10 Vers 358.

Dschengis Khan brachte durch die Gründung seines großen Reichs in Asien auch die europäische Tartarei, welche die Halbinsel Krimm, Beßarabien und das Land zwischen dem Dniester und Dnepr in sich faßte, in Bewegung. Seine Horden drängten die vor ihnen liegenden Kumanier, und als diese, unter ihrem König Kuthen, sich nach Ungern zurück zogen, folgten sie ihnen dahin nach, und verwüsteten unter ihren beiden Anführern, Vathos, der über Reußen, Polen und Mähren, und Kadan, der aus der Moldau hereinbrach, beinahe durch zwei Jahre das Land mit Feuer und Schwert.

408
11 Vers 517.

Rudolphs Zug nach dem Gelobten-Lande; auch daß er Hofmarschalk König Ottokars gewesen (siehe weiter unten Vers 602) gehört unter die bestrittenen Ereignisse seines Lebens.

12 Vers 581.

Ueber das Faustrecht siehe Dr. Gerhards Abhandlung. Jena 1711.

13 Vers 595.

Fugger erzählt: „Auf dem Reichstag zu Nürnberg Jahr 1274 ist beschlossen worden, daß forthin alle Reichsabschiede, Freiheitsbriefe, Befehle, Verträge, letzte Willen, und dergleichen öffentliche Urkunden, nicht mehr wie zuvor, in lateinischer, sondern in deutscher Sprache sollten ausgefertigt werden, damit also die Ungelehrten, die das Latein nicht verständen, nicht ungefährt bleiben, und die bürgerlichen Geschäfte in mehrere Richtigkeit kommen möchten. Wiewohl es noch bei dem damaligen Unform der Sprache (!!) mit der deutschen Rednerei etwas hart herginge, so wäre doch diese löbliche Sorgfalt K. Rudolph ein guter Anfang, und eine kräftige Anreizung zur Ausübung unserer Muttersprache gewesen.“ (Siehe Ehrenspiegel S. 87.)


Vierter Gesang.

1 Vers 58.

Lug, Lueg im Oberdeutschen eine Warte, Specula, welche demnach dem französischen Loge entspricht. Siehe Theuerd. Cap. 47.

2 Vers 131.

Alles, was hier, und weiter unten von Turnier und Turniergebräuchen gesagt wird, mag in Rüxners Turnierbuche; in Du Cange dissertations sur l’histoire de St. Louis, und in Menestrier (Claude Franç.) Traité des Tournois, Joustes etc. Lyon 1669. IV. seine Belege finden.

3 Vers 428.

Zawiß von Rosenberg, der Geliebte, und nachher Gemahl der Wittwe Ottokars, Kunegunde, übte, während der Minder­jährigkeit Wenzels, 409 Herrscher­gewalt über Böhmen aus. Dieser, nach ihrem Tod König geworden, trug ihm tiefen Haß im Herzen, welchem zu entgehen, und sich zugleich an dem feindseligen Herrscher zu rächen, Zawiß, durch eine Heirath mit der Base des Ungernkönigs Ladislav, sich gegen ihn zu verbinden suchte. — Doch, in dem Augenblick der Abfahrt ward er zu Prag durch List festgenommen, und nach mehr als Jahresfrist im Kerker zu Budweis enthauptet.


Fünfter Gesang.

1 Vers 131.

Die Schlacht von Kressenbrunn (Kroissenbrunn) im Marchfeld, in welcher Ottokar über Bela IV. König der Ungern, einen entscheidenden Sieg davon trug, ereignete sich im J. 1260. Siehe die höchst anziehende Beschreibung derselben in Hornecks Reim-Chronik vom 58. bis 64. Cap.

2 Vers 153.

Nach jenem Sieg von Kroissenbrunn über die Ungern, zog Ottokar mit seinen Scharen, wie im Triumph, durch Kärnthen und Krain. Als die Böhmen an der Gränze von Italien die Steinwände von Canale ersahen, fragten sie den König: „ob Rom nahe sey? denn sie hätten öfters von ihren Vorfahren sagen gehört, daß sie durch eine solche Felsenpforte auf die Straße nach Rom gekommen seyen.“ Ottokar antwortete ihnen, „Böhm’ und Pole sollen sich einst hier wie zu Hause finden, denn, so er noch einige Zeit lebte, würde sich seine Gewalt noch viel weiter erstrecken.“ Horneck Reim-Chronik Cap. 90.

3 Vers 162.

Arpad, der erste Anführer der Ungern (Magyaren), die, kommend von den Ufern des Tanais her, im neunten Jahrhundert Pannonien in Besitz nahmen, stand seinem Volk (nach Anonym. Belae Not. 52. Cap.) beiläufig von 889 bis 907 vor, und war der Stammvater einer Reihe von Königen, unter welchen der heil. Stephan zuerst, im J. 1000, diesen Titel annahm, bis mit Andreas III. im J. 1301 sein Stamm ausstarb. Erst Ferdinand I. hat dieses Reich auf immer mit Oestreich vereinigt, obschon 410 dasselbe vor ihm zwei Fürsten seines Hauses, Albert II., und Ladislaus Posthumus, besaßen.

4 Vers 358.

Das Schicksal beider fürstlichen Jünglinge, Konradins von Schwaben (Sohn Konrads IV.) und Friedrichs von Oestreich (Sohn Markgraf Hermans von Baden, und Gertrud, Tochter Heinrichs, Herzogs von Mödling) die im Jahr 1268 zu Neapel durch das Bluturtheil Carls von Anjou hingerichtet wurden, ist bekannt. Horneck beschuldigt Ottokarn an mehr denn einer Stelle, daß er, als Mitwerber um Oestreich und Steyermark, ihren Tod befördert habe. S. Reim-Chronik Cap. 164.

5 Vers 361.

Gertrud, die Mutter Friedrichs von Oestreich, ließ Ottokar, nachdem er Steyermark in seine Gewalt bekam, aus allen ihren Besitzungen, zuletzt auch aus Judenburg und Feistritz, durch den grausam gesinnten Propst von Brünn, vertreiben. Zur Nachtzeit, im Regen und Sturm, mußte sie die Reise antreten. Sie begab sich nach Meißen. (Horneck Reim-Chronik Cap. 55 und 56.)

6 Vers 364.

Ueber Margarethens, der verstoßenen Gemahlinn Ottokars, Schicksale, siehe oben Anmerkungen zum ersten Gesange 2 zum Vers 68.

7 Vers 365.

Otto, Herrn von und zu Meißau, den Stolz des östreichischen Adels, hatte Ottokar, wegen geargwohnter Anhänglichkeit für den Sohn der babenbergischen Gertrud, im Schloß Eichhorn festsetzen, und dort Jahr 1265 im Hungerthurm verbrennen lassen. (Chron. Austral. Neob. et Leob. apud. Hieron. Pez T. I.)

8 Vers 366.

Der scheelsüchtige Ritter Friedrich von Pettau hatte Ottokars argwöhnisches Gemüth gegen einige seiner Mitstände in der Steyermark aufgeregt, der dann mehrere von ihnen, als: Ulrich von Lichtenstein, Hartneid von Wildon, Wülfing von Stubenberg, und Heinrich und Bernhard von Pfannberg, auf verschiedene Vesten gefangen setzen, und sie aus diesen nach einer zweijährigen Haft nicht eher entließ, bis sie ihm ihre Burgen ausgeliefert hatten. Horneck Cap. 85 und 86.

411
9 Vers 372.

Seyfried von Merenberg, der steyrische Ritter, versäumte dem König Ottokar, auf seinem Siegszug an der Drau mit den übrigen Herrn entgegen zu kommen, und fiel durch Einflüsterung eines bösen Menschen bei ihm in Verdacht. Er ließ ihn in der Folge heimlich greifen, und gebunden nach Prag abführen. Als er vielfältig gemartert, Gott zum Zeugen seiner Unschuld rief, und dem, nach Geständnissen einer Verschwörung in Kärnthen und Krain gierigen König, keine Lüge für Wahrheit geben wollte, wurde er durch ein Pferd zum Galgen geschleift, und dort, das Haupt zu den Füßen gebunden, aufgehenkt. Noch in der zweiten Nacht lebt’ er in diesem qualvollen Zustand, bis ihm endlich einer der böhmischen Szupane die Scheitel mit einem Kolben einschlug, weil er, auf wiederholte Aufforderungen, schon halbtodt, aber standhaft, der Wahrheit getreu gewesen zu seyn betheuerte. (Horneck Cap. 99.)

10 Vers 378.

Ottokar ließ den Bruder Milota’s, Beneß, Kämmerer von Mähren, dessen Tochter er geschändet haben soll, zugleich mit Otto von Meißau im Jahr 1265 in dem Hungerthurm zu Eichhorn verbrennen. Milota’s Haß gegen Ottokar, und der Verrath, den er in der Marchfelder Schlacht 1278 an ihm beging, soll dadurch veranlaßt worden seyn. (Siehe Hanthalers Fast. Campil. Lib. I. Dec. VII. §. 26. S. 1017 und Fuggers Ehrenspiegel &c. S. 104.)


Sechster Gesang.

1 Vers 96.

Odin, der Gott der Götter, nach der nordischen Mythologie. (Siehe Ryerups Wörterbuch der scandinavischen Mythologie von Sander, Copenhagen 1817.)

2 Vers 516.

Die Gemahlinn Rudolphs, Anna, verschied zu Wien am 23. Hornung des Jahrs 1281, von wo ihre Leiche nach Basel abgeführt, und in der Domkirche beigesetzt worden ist.

412
3 Vers 538.

Daß sowohl Ottokar, als auch Rudolph schon zu ihrer Zeit eine Art Pontonsbrücke über Flüsse zu schlagen verstanden, erhellet aus Hornecks Reim-Chronik Cap. 92., wo es heißt:

Chostleichen hiez er machen

Von Holczwerich ein Prukken

Dew waz von manigen stuckchen

Chluegleichen gevalten.

und dann

Bey der Tunawstaden

Do sich das Her vol gelait,

Do waz dew Prukken berait

Vber die Tunaw weit;

Die Prukken muesten alle Zeit

Wohl hundert Wegen tragen,

Wo des Kunigs Helfer lagen,

Da ward nach gesannt &c. &c.

In diesem 92. Capitel ist von der Einnahme des Preßburger Schlosses im letzten Krieg Ottokars gegen Ungern die Rede.


Siebenter Gesang.

1 Vers 25.

Ueber Hainburg, und ihre vermeintliche Erbauung durch Attila, siehe oben Anmerkungen zum dritten Gesang 2 Vers 16.

2 Vers 110.

Die Sage von der Burgfrau, welche grausam eitlen Sinnes das Blut der Kinder vergoß, zeigt auf die Ruinen des Schlosses  * * *, an dem rechten Waag-Ufer, nicht fern von Trentschin, welches sie bewohnt hat.

3 Vers 244.

Die Waffe, eine Art kurzer Streitkolben, von welcher hier die Rede ist nennt der Unger Buzogány, wo der Buchstabe z wie beim italienischen zero ausgesprochen wird; das y verliert sich aber im Druck der Zunge an den Gaumen.

413
4 Vers 309.

Die Zips (Zipß), lat. Scepusium, eine Gespannschaft in Ober-Ungern am Fuße der höchsten Karpathen gelegen, und wohl eines der höchsten bewohnten Gebirgsthäler der östreichischen Monarchie, aus welchem nach allen Welttheilen bedeutende Flüsse sich ergießen: g’en Westen die Waag; g’en Süden die Hernath; g’en Osten die Tarza; g’en Norden die Poprad, die in dem angränzenden Polen, mit der Dunajez vereint, in die Weichsel fällt. Diese Gespannschaft zeichnet intellectuelle und landwirth­schaft­liche Cultur vor mancher andern Ungerns aus, so, daß viel Wohlstand sowohl in den zwei königlichen Städten Leutschau und Käßmark, als auch in den XVI. Städten, unter den munteren und fleißigen Bewohnern zu sehen ist. Der Verfasser gegenwärtigen Gedichts trennte sich schwer von diesem Ländchen, worinn ihm 1819 und 1820 eine ehrenvolle Bestimmung geworden war.

5 Vers 312.

Ueber Katwald und Inguiomar siehe oben die Anmerkungen zum dritten Gesange 1 Vers 3.

6 Vers 474.

Daß die Könige von Ungern, zur Zeit Hornecks wenigstens, in der Schlacht nicht selber mitfochten, sondern von einer Anhöhe nur Zeugen derselben waren, erhellet aus Cap. 153, wo von der Marchfelder Schlacht die Rede ist:

Kunig Ladißla den jungen

Sy furten von Streit dan

Auf den Perikch ob dem Plan

Da er wol hört und sach

Alles daz, daz da geschach

Auf dem Veld prait.

Ez ist der Vnger Gewonhait

Vnd jehent auch offenbar:

Ir Kunig sey jn zu achpar

Darezu, daz er schull streiten &c. &c.

Auch sagt Haselbach Chron. Austr. Lib. III. ap. Hier. Pez. T. II. Ladislao, juvene Ungariae, cuncta de monte prospectante; nam Ungarorum mos habet, ut Rex propria persona bellum intrare non debeat.

7 Vers 536.

Die Sitte, des Gegners Heer zum Kampf herauszufordern, und sogar von beiden Seiten dazu Tag und Ort zu bestimmen, war den alten Deutschen 414 gemein. Ein Beispiel davon findet man auch bei Horneck Cap. 60, wo Ottokar den König Bela durch Otto von Meißau zum Kampf auffordert, und bald darauf auch Bela den Gegnern sagen läßt, sie sollen sich auf eine bestimmte Strecke zurückziehen, damit die Ungern über die March setzen, sich aufstellen, und die Schlacht liefern mögen.

8 Vers 550.

Sowohl bei Horneck, als auch bei den spätern Geschichtschreibern, wird Schörlins und seines unbändigen Rosses erwähnt, welches das erste Zeichen zur Marchfelder Schlacht gegeben habe.


Achter Gesang.

1 Vers 31.

In der Jägersprache heißt das Bluten des verwundeten Wildes: das Schweißen; daher die Benennung einer Gattung der Jagdhunde.

2 Vers 55.

Tyr, nach der nordischen Mythologie, der Sohn Odins, des höchsten der Götter, und ein Beschützer der muthigen Krieger, soll die einzige Gottheit der scythischen Völker gewesen seyn, die ohne Zweifel unter einem andern Nahmen bei ihnen in Verehrung stand. Bei seinem Scheiden von der Erde soll er sein Schwert in die Erde vergraben haben, welches erst später Attila auffand.

3 Vers 386.

Vor der Schlacht sollen Einige aus dem östreichischen Heere den König Ottokar, aus alter Anhänglichkeit, schriftlich vor Untreue der Seinigen gewarnt haben; da nun auch die Meißner und Thüringer heimlich aus dem Lager abzogen, so habe er sich wehrlos in die Mitte seiner Feldherrn gestellt, und sie aufgefordert, ihm die Brust zu durchbohren, ehe noch viele Tausende auf dem Schlachtfelde gefallen seyn würden. (Siehe Hanthaler Fast. Camp. T. I. Pars II. Dec. VIII. §. 80. Arenpeckii Chron. Austr. ad An. 1278.)

4 Vers 428.

Heinrich I. der Städte-Erbauer, hat ungefähr im J. 930 die Stadt, und das Schloß Meißen an der Elbe erbaut, und ihr von dem Flüßchen, das sie eben dort aufnimmt, und Meiße heißt, den Nahmen gegeben.

415
5 Vers 459.

Constanzia, Tochter des babenbergischen Leopold des Glorreichen, war die Gemahlinn Markgrafs Heinrich von Meißen, des Sieghaften, die ihm die beiden Söhne Dietrich und Albrecht gebar. Einen von diesen beiden verlangten die Stände von Oestreich, nach dem Erlöschen des babenbergischen Stammes, und der kurzen Regierung Hermanns von Baden, zu ihrem Herrscher, und fertigten von Tuln, wo sie ihre Versammlung hielten, Gesandte nach Meißen ab, die hernach der König von Böhmen unterwegs aufgehalten, von der Fortsetzung der Reise abgebracht, und sich durch Hindeutung auf eine Heirath mit der verwittweten Herrscherinn Margareth den Weg zur Erwerbung von Oestreich und der Steyermark eröffnet hat.

6 Vers 473.

Daß die Meißner und Thüringer vor der Schlacht heimlich aus dem Lager Ottokars abgezogen seyen, ist geschichtlich. (S. oben Anmerkung 3 zum 386 Vers.) Die Ursache dieses Abzugs ist unbekannt.


Neunter Gesang.

1 Vers 71.

Die Krieger, gewöhnlich leichte Reiterei, die vor einem feindlichen Heere daherzieh’n, heißen in der bestehenden Kriegssprache: Eclaireurs.

2 Vers 436.

Venezia. Ueber die merkwürdige Eroberung Constantinopels im Jahr 1202 (also 76 Jahre vor der Marchfelder Schlacht) durch vorzügliche Mitwirkung des 90jährigen Greises, Heinrich Dandolo, Doge von Venedig, siehe Raumers Geschichte der Hohenstaufen III. B. und Daru’s Histoire de Venise I. Der Sänger Rudolphs von Habsburg wollte hier, jener herrlichen Stadt, der einstigen Königinn des adriatischen Meeres, deren Andenken ihm auf immer theuer bleiben wird, dankbar erwähnen.

3 Vers 600.

Al-rune. Runen, Runenschrift, ein den alten Germanen und Scandinaviern eigenes Alphabet, nach welchem im nördlichen Deutschland noch einige Denksteine beschrieben gefunden werden. Wahrscheinlich hatten 416 sie selbes von den Phönikern erhalten, und was sich davon hie und da auf verwittertem Gestein vorfand, diente in späterer Zeit zu manchen vorgeblich zauberischen Künsten, das Schicksal der Menschen von den Nornen, den Schicksals­göttinnen, zu erfragen. Diese drei schönen Jungfrauen, heben sich stets aus Mimers Brunn, der himmlischen Quelle, herauf bei welcher die Götter Rath halten, und ihre Urtheile offenbaren, und heißen: Urda, Werandi, Skulda: Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft. (Ryerups scandinav. Mythol. &c.)


Zehnter Gesang.

1 Vers 35.

Rheinau, Augia major, ein kleines Städtchen zwischen Schaffhausen und Eglisau, wo eine Brücke über den Rhein führt. Dort befand sich vormals ein reiches Benedictiner-Stift, das Funtan der Heilige, aus dem königlichen Geblüt Schottlands, erbaut haben soll, da er aus höherer Eingebung einen Platz dazu suchen mußte, wo der Rhein nach Osten fließt, und solcher an dieser Stelle allein gefunden wird. Stumpf. Schw. Chron. p. 360.

2 Vers 84.

Hartmann, der jüngste der Söhne Rudolphs, ertrank, mit noch andern dreizehn Jünglingen, adeligen Geschlechts, am 20. Dezember des Jahrs 1280, im achtzehnten seines Alters, als er mit selben den Rhein hinabfuhr, und das Schiff bei Rheinau von dem Grundeis umgestürzt wurde. — Seine Leiche ward nach Basel geführt, und im dortigen Münster begraben.

3 Vers 138.

Woldan hieß ein Raubritt, den öfters der oberste Anführer eines im Krieg begriffenen Volks, mit einer Schar Freiwilliger, in dem Lande des Feindes, Beute zu holen, unternahm. Bei der Belagerung Peterlingens forderte Rudolph sein Volk zu einem solchen Woldan auf; er streifte bis gen Lausanne, und es heißt da;

Si namen da so viel

Daz Ich fürwar sagen wil,

417

Daz in langer Zeit

Nahent, noch weit,

Nie wart geritten noch gethan

Ain so schedleicher Woldan.

(Horneck R. Chr. C. 319.)

4 Vers 140.

Iwan von Günß (Sohn des Grafen Heinrich) empörte sich erst gegen seinen eigenen König, fiel dann, häufig plündernd, auch in Oestreich und Steyermark ein, und verübte unzählige Grausamkeiten. Im Jahr 1286 schlug er den gegen ihn gesandten Abt von Admont; später auch Herman von Landenberg, der sich ihm mit seinen östreichischen und steyerischen Kriegern ergeben mußte. Herzog Albrecht, von Truppen entblößt, verschloß sich in Neustadt, und ging sogar den Vertrag von Hainburg ein, vermöge welchem die Gefangenen ausgewechselt, und in einem Krieg mit Ungern sie sich beide gegenseitige Hülfe leisten sollten. Iwan setzte seine Verheerungen in Oestreich bald wieder fort, bis endlich im Jahr 1280 ihn Albrecht mit starker Macht bekriegte, ihm Oedenburg nebst vielen andern Vesten, Burgen und Märkten abnahm, und ihn endlich, nach einer hartnäckigen Belagerung, in Günß bezwang. Ueber diese Belagerung siehe Horneck R. Chron. von Cap. 312 bis 315.

5 Vers 228.

Ueber dieses historische Faktum siehe Fugger Ehrenspiegel S. 75. Cap. VIII.

6 Vers 236.

Antwerk war ein Wurfgeschütz, aus welchem Steine von bedeutender Schwere, ja auch zuweilen Schwefelfeuer nach den Erkern, und auf die Häuser der Veste geworfen wurden. (Ueber diese und die folgenden Kriegswerkzeuge des Mittelalters, siehe: Schachts vortreffliches Werk über Hornecks Reim-Chronik, Mainz 1821, S. 388.)

7 Vers 238.

Katzen nannte man die mit Erde gedeckten Werke, welche inwendig mit Stoßbäumen versehen, nach Ausfüllung der Gräben, bis an die Mauern vorgeschoben wurden, und gegen welche man sich durch Minen, und Geschosse von den Mauern herab, zu wehren suchte. S. oben.

418
8 Vers 245.

Ebenhoch hießen eine Art Thürme, die, wahrscheinlich auf Rädern, an die Mauern geschoben, verschiedene Geschosse in die Veste zu schleudern, dienten. Ihr Nahme zeigt, daß sie hoch genug waren, um das Innere der ummauerten Städte und Vesten übersehen zu können. S. oben.

9 Vers 297.

Dem Verfasser der berühmten Reim-Chronik, die zuerst von dem gelehrten Benediktiner von Melk, Hieronymus Pez, im Jahre 1745 zum Druck befördert ward, hat Lazius Comment. Geneal. p. Auster. 233 außer dem Nahmen Ottakcher (Ottokar), den er sich selber R. Chr. Cap. 177 beilegt, unbekannt aus welcher Quelle, auch den von Horneck, aufgefunden. Er lebte unter Rudolphs I. und Albrechts I. Zeiten; war in Steyermark geboren; hatte den berühmten Meistersänger Kunrad von Rotenberg, der vorher an Manfreds Hofe lebte, zum Lehrmeister; stand, man weiß nicht, in welcher Eigenschaft, im Gefolge Ulrich und Otto Lichtensteins; wohnte der Marchfelder Schlacht 1278 bei, und starb erst nach dem Jahr 1309, da er noch von dem Aufruhr einiger aus dem Adel, und der Wiener Bürger, gegen Friedrich den Schönen spricht, und damit sein Werk beschließt. Die Reim-Chronik Hornecks, die mit dem Tode Friedrichs II. röm. Kaisers beginnt, und um das Jahr 1309 der Regierung Friedrich des Schönen endet, enthält über 83,000 kurze gereimte Verse in 830 Capiteln.

Ein anderes noch ungedrucktes Werk Hornecks: Von den Monarchen und Kaisern der Welt bis auf Friedrich II. röm. Kaiser, in ähnlichen Versen verfaßt, ist im Besitze der k. k. Hofbibliothek zu Wien. (Siehe die Vorerinnerungen des Hieronymus Pez zu Hornecks Reim-Chronik in seinem Werke: Scriptores rerum Austriacarum III. Band; und obiges treffliche Werk: Aus- und über Ottokars von Horneck Reim-Chronik, von Th. Schacht, Mainz 1821.)

10 Vers 305.

Ulrich von Lichtenstein, aus der steyerischen Linie der Lichtensteine — ein trefflicher Ritter und Minnesänger zugleich, der die beiden merkwürdigen Gedichte: Frauendienst, und: Ytwitz oder der Frauen Puech, verfaßte, mag kurz vor der Marchfelder Entscheidungs­schlacht gestorben seyn. Das erstere Werk enthält ein prächtiger Codex in München, und wurde herausgegeben durch Ludwig Tieck. Stuttgart und Tübingen 419 in der J. G. Cotta’schen Buchhandlung 1812. Das zweite befindet sich in der Ambraser Sammlung zu Wien, Bl. 220-225 noch ungedruckt. (S. die Beschreibung Primißers — Seite 279.)


Eilfter Gesang.

1 Vers 38.

Siehe oben Anmerkungen zum dritten Gesang 8 Vers 308.

2 Vers 73.

Was hier von den Vorbereitungen zur Schlacht, als: von der Feier des Abendmahls im Lager; von der Beicht’ und Communion, und weiter unten: von dem Mustern der Gurt’ und Steigbügel; von den Aufträgen, welche die Ritter im Fall, daß sie dem Feinde erlägen, an ihre Daheim­gebliebenen den Knappen ertheilen; von dem Zusammenhalten der Freunde in der Schlacht u. s. w. gesagt wird, ist durchaus der damaligen Rittersitte gemäß, und in Hornecks Reim-Chronik Cap. 147, 329, 330 und 530 begründet.

3 Vers 135.

Die ausgezeichnetsten Ritter wetteiferten um den Vorzug, das Hauptbanner, oder die Sturmfahn, dem Herrscher selber in der Schlacht vorzutragen. Horneck Reim-Chronik C. 148.

4 Vers 181.

Ueber die Sitte, sich gegenseitig die Schlacht anzukündigen, und dazu Tag und Stunde zu bestimmen, siehe oben Anmerkung zum siebenten Gesange Vers 536.

5 Vers 184.

Im Jahr 1289 überzog Kaiser Rudolph den Herzog von Burgund mit Krieg, eroberte Mömpelgard, und zwang ihn zum Frieden. Vor der Schlacht sandte er einen Bothen mit der Frage an ihn: „ob er zum Streiten bereit sey?“ und der Herzog ließ ihm sagen: „er seye darum hergekommen.“ (Siehe Horneck Reim-Chronik C. 329.) 420

6 Vers 211.

Den Ritterschlag auf Schild und Schwert ertheilte Rudolph also vor der Schlacht: S. Horneck R. Chr. C. 149.

7 Vers 542.

In den Gebirgsthälern Tirols, Steyermarks und Oestreichs, ist das sogenannte Scheiben­schießen eine beliebte und mitunter nützliche Unterhaltung des Volks. Zu Hauptschießen werden von nahe und ferne die Schützen geladen: das Kreisschießen ist das gewöhnliche an Sonn- und Festtagen; das Beste, ist der Preis dessen der den besten Schuß gethan.


Zwölfter Gesang.

1 Vers 54.

Ueber diesen Klaggesang Hornecks siehe dessen Reim-Chronik Cap. 163 und 164. Hier nur Einiges aus demselben:

Sieh Welt aller Untrew Chron,

Daz ist auch ainer deiner Lon!

— — — — — —

Auf der Erden lag er par

Sein eigen Pluts naz.

Wo waren die Matraß,

Und die gulter Seydein,

Darauf er sollt gelegen sein?

Wo waren die ihn sollten chlagen?

Von Mannen und von Magen, (Anverwandte)

Pelieb er Trostes frey.

Wo waren Erzt und Erzeney,

Damit man seine Wunden

Solt han gepunden?

— — — — —

Er hat so viel Guts,

Wer er gewesen des Muts,

Daz er tegleich wolt

Von edlem Gestain und Gold

Haben tragen Kleider an,

Daz hiet er wol getan.

421

Dez liez er ihm so gar zerrinnen

Daz man im muest gewinnen

Ain Graz, daß man ihn mit pedackt,

So gar pelieb er nakht.

— — — — — —

Ungetrev Welt, die spielt

Du von im so gar,

Daz aus dainer Schar

Im Niempt volgt nach.

— — — — — —

Sieh Welt daz ist dein Sold.

We im! der dir ist hold

Und We im den du trewtest.

Mit dem Mund du im pewtest

Honig an dem Anwang,

Und hechst als ein Gift-Slang

An dem End— —

— — — — — —

Wer nicht will Gottes Haz

Und seinen Zorn leiden,

Der muß die Welt vermeiden.

Dann die Werich, die sy geert

Die sind vor Gott unwert.

Dez vermaid nit der wakcher

Von Pehaim Kunig Ottakher:

Wann er vollfurt mit Gelust

Der Welt Achust, (unordl. Begierden und Laster.)

Und rang hier also ser

Nach der zergenklichen Er,

Daz er sich dez nicht liez befillen

Damit er nach irm Willen

Möcht gewerben, und geleben,

Daz sol im Gott vergeben!

2 Vers 209.

Die Stephanskirche, nachdem sie vorher zweimal abgebrannt war, hat Ottokar beinahe in derselben Gestalt, wie sie noch heut’ zu Tage zu sehen ist, während er über Oestreich herrschte, hergestellt.

422
3 Vers 347.

Daß Rudolph den König Ladislav adoptirt habe, meldet auch Fugger I. Buch 12. Cap. S. 101.

4 Vers 401.

Die Belehnung Albrechts mit Oestreich, Steyer, Krain, der Windischmark und Portenau geschah eigentlich zu Augsburg während des Reichstags daselbst im Jahr 1282, wo, im sogenannten Frohnhof, ein kaiserlicher Thron, umgeben von den Churfürsten und Fürstensöhnen, zu sehen war, und die Feierlichkeit nach denen, von Friedrich I., Heinrich IV. Friedrich II. ertheilten Privilegien geschah






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both the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and Michael
Hart, the owner of the Project Gutenberg-tm trademark.  Contact the
Foundation as set forth in Section 3 below.

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effort to identify, do copyright research on, transcribe and proofread
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work, (b) alteration, modification, or additions or deletions to any
Project Gutenberg-tm work, and (c) any Defect you cause.


Section  2.  Information about the Mission of Project Gutenberg-tm

Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of
electronic works in formats readable by the widest variety of computers
including obsolete, old, middle-aged and new computers.  It exists
because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from
people in all walks of life.

Volunteers and financial support to provide volunteers with the
assistance they need, are critical to reaching Project Gutenberg-tm's
goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will
remain freely available for generations to come.  In 2001, the Project
Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations.
To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4
and the Foundation web page at http://www.pglaf.org.


Section 3.  Information about the Project Gutenberg Literary Archive
Foundation

The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
Revenue Service.  The Foundation's EIN or federal tax identification
number is 64-6221541.  Its 501(c)(3) letter is posted at
http://pglaf.org/fundraising.  Contributions to the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent
permitted by U.S. federal laws and your state's laws.

The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S.
Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered
throughout numerous locations.  Its business office is located at
809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887, email
[email protected].  Email contact links and up to date contact
information can be found at the Foundation's web site and official
page at http://pglaf.org

For additional contact information:
     Dr. Gregory B. Newby
     Chief Executive and Director
     [email protected]


Section 4.  Information about Donations to the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation

Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide
spread public support and donations to carry out its mission of
increasing the number of public domain and licensed works that can be
freely distributed in machine readable form accessible by the widest
array of equipment including outdated equipment.  Many small donations
($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
status with the IRS.

The Foundation is committed to complying with the laws regulating
charities and charitable donations in all 50 states of the United
States.  Compliance requirements are not uniform and it takes a
considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
with these requirements.  We do not solicit donations in locations
where we have not received written confirmation of compliance.  To
SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any
particular state visit http://pglaf.org

While we cannot and do not solicit contributions from states where we
have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
against accepting unsolicited donations from donors in such states who
approach us with offers to donate.

International donations are gratefully accepted, but we cannot make
any statements concerning tax treatment of donations received from
outside the United States.  U.S. laws alone swamp our small staff.

Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation
methods and addresses.  Donations are accepted in a number of other
ways including checks, online payments and credit card donations.
To donate, please visit: http://pglaf.org/donate


Section 5.  General Information About Project Gutenberg-tm electronic
works.

Professor Michael S. Hart is the originator of the Project Gutenberg-tm
concept of a library of electronic works that could be freely shared
with anyone.  For thirty years, he produced and distributed Project
Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support.


Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed
editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S.
unless a copyright notice is included.  Thus, we do not necessarily
keep eBooks in compliance with any particular paper edition.


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