The Project Gutenberg EBook of Ein Drama in Mexico. by Jules Verne This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this eBook or online at http://www.gutenberg.org/license Title: Ein Drama in Mexico. Author: Jules Verne Release Date: April 8, 2008 [Ebook #25019] Language: German Character set encoding: US-ASCII ***START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK EIN DRAMA IN MEXICO.*** Aus Collection Verne. Band 23 Von *Julius Verne.* ------------------ *Ein Drama in Mexico* ------- *Die ersten Schiffe der mexicanischen Marine* ------------------ _Autorisirte Ausgabe_ _Vierte Auflage_ [Illustration: Title Page Vignette] Wien. Pest. Leipzig. _A. Hartleben's Verlag._ INHALT Seite I. Von der Insel Guajan nach Acapulco 227 II. Von Acapulco nach Cigualan 238 III. Von Cigualan nach Tasco 246 IV. Von Tasco nach Cuernavaca 251 V. Von Cuernavaca nach dem Popocatepetl 258 I. Von der Insel Guajan nach Acapulco. Am 18. October 1825 gingen die "Asia", ein grosses spanisches Kriegsschiff, und die "Constanzia", eine Brigg von acht Kanonen, bei der Insel Guajan, einer der Mariannen, vor Anker. Vor sechs Monaten schon hatten diese Fahrzeuge Spanien verlassen und unter den duerftig ernaehrten, laessig bezahlten und durch Strapazen ermatteten Mannschaften derselben gaehrten im Verborgenen rebellische Projecte. Verstoesse gegen die Disciplin kamen vorzueglich auf der Constanzia vor, deren Commandant, Kapitaen Don Orteva, ein Mann von eiserner Energie und unbeugsamem Willen war. Einige schwere und so unerwartete Havarien, dass man sie nur dem Mangel an Achtsamkeit zuschreiben konnte, hatten die Brigg in ihrer Fahrt wiederholt aufgehalten. Jetzt war auch die von Don Roque de Guzuarte befehligte Asia gezwungen, mit vor Anker zu gehen. Eines Nachts zerbrach naemlich der Compass der Constanzia auf voellig unerklaerliche Weise. Ein anderes Mal erwiesen sich die Bardunen und Wanten des Fockmastes so schadhaft, als waeren sie mit einem Messer durchschnitten gewesen, so dass der ganze Mast mit seiner Takelage umstuerzte. Endlich rissen auch zwei Mal die Taue des Steuerruders gerade inmitten eines wichtigen Manoeuvres. Die Insel Guajan gehoert, wie alle Mariannen, zu der General-Kapitaenschaft der Philippinen. Hier waren die Spanier also zu Hause und konnten ihre Havarien in jedem Umfange ausbessern. Waehrend dieses gezwungenen Aufenthaltes am Lande theilte Don Orteva dem Don Roque seine Beobachtungen bezueglich der Erschlaffung der Disciplin auf seinem Schiffe mit, und die beiden Befehlshaber verpflichteten sich gegenseitig zu verdoppelter Wachsamkeit und Strenge. Don Orteva musste vor Allem auf zwei seiner Leute, den Lieutenant Martinez und den Mastwaechter Jose, ein Auge haben. Lieutenant Martinez, der seine Stellung als Officier schon durch manche verdaechtige Zusammenkuenfte auf dem Vordercastell compromittirt hatte, musste schon wiederholt bestraft werden; seine Functionen als Lieutenant der Constanzia versah dann waehrend der Zeit seiner Haft der Officiersaspirant Pablo. Der Mastwart Jose war ein gemeiner, veraechtlicher Charakter, der seine Anhaenglichkeit nur nach dem empfangenen Lohne abwog. Ihm sah dagegen der sehr ehrenhafte Hochbootsmann Jacopo, der auch Don Orteva's unbedingtes Vertrauen genoss, stets scharf auf die Finger. Der Aspirant Pablo gehoerte zu jenen seltenen, offenherzigen und muthigen Naturen, welche ihr Edelmuth zu den hochherzigsten Thaten begeistert. Fuer seinen Wohlthaeter, den Kapitaen Orteva, der ihn einst als Waise aufnahm und erzog, waere er gewiss gern in den Tod gegangen. Im Laufe wiederholter Gespraeche mit dem Hochbootsmann Jacopo liess er oft, dahin gerissen von dem Feuer der Jugend und dem Triebe seines Herzens, die wahrhaft kindliche Liebe durchblicken, die ihn an Don Orteva fesselte, und der wackere Jacopo drueckte ihm kraeftig die Hand, sein Einverstaendniss zu besiegeln. Was vermochten aber diese drei Maenner gegen die Leidenschaften einer widerspaenstigen Besatzung? Waehrend sie Tag und Nacht sich alle Muehe gaben, den auflodernden Geist der Zwietracht zu baendigen, schuerten Martinez und Jose doch immer erfolgreicher die Empoerung und den unwuerdigsten Verrath. Der Ankerwart, Lieutenant Martinez, befand sich auf Guajan in einer niedrigen Huette, zugleich mit einigen Bootsleuten und etwa zwanzig Seeleuten der beiden Kriegsschiffe. "Kameraden, begann Martinez, Dank den unerwarteten Havarien haben das Linienschiff und die Brigg bei den Mariannen Anker werfen muessen, wodurch mir Gelegenheit geboten wurde, mit Euch unbelauscht zu sprechen. -- Bravo! toente es schon bei diesem Anfange aus allen Kehlen. -- Sprechen Sie, Lieutenant, riefen mehrere Matrosen, und lassen uns Ihre Absichten hoeren. -- So vernehmt meinen Plan, erwiderte Martinez. Sobald wir uns der beiden Schiffe bemaechtigt haben, steuern wir nach der Kueste von Mexico. Ihr wisst, dass der neue Bundesstaat noch aller Seewehr entbehrt. Dort wird man unsere Schiffe unbesehen ankaufen, wodurch nicht nur unsere fehlende Loehnung herauskommt, sondern wir auch noch einen Ueberschuss gleichmaessig zur Vertheilung bringen koennen. -- Einverstanden! -- Und welches Signal verabreden wir, um auf beiden Schiffen gleichzeitig zu handeln? fragte der Mastwart Jose. -- Von der Asia wird eine Rakete aufsteigen, erwiderte Martinez. Dann brecht los! Wir sind Zehn gegen Einen, und die Officiere des Linienschiffs und der Brigg muessen ueberwaeltigt sein, bevor sie zur Besinnung kommen. -- Wann ist jenes Signal zu erwarten? erkundigten sich einige Bootsleute der Constanzia. -- In einigen Tagen, sobald wir uns auf der Hoehe der Insel Mindanao befinden. -- Die Mexicaner werden uns aber mit Kanonenkugeln empfangen, bemerkte der Mastwart Jose. Wenn ich nicht irre, hat die Bundesregierung ein Decret erlassen, alle spanischen Fahrzeuge strengstens zu ueberwachen und zu beobachten, so dass uns statt des erhofften Geldes vielleicht eine Ladung Eisen und Blei bescheert wird. -- Darueber beruhige Dich, Jose! antwortete Martinez, wir werden uns schon von fern her zu erkennen geben. -- Und auf welche Weise? -- Wir hissen an der Gaffel die Flagge Mexicos." Bei diesen Worten entrollte der Lieutenant vor den Augen der Empoerer ein gruen-weiss-rothes Flaggentuch. Tiefe Stille entstand angesichts dieses aeusseren Zeichens der Unabhaengigkeit Mexicos. "Nun, sehnt Ihr Euch etwa schon wieder nach den Farben Spaniens? rief der Lieutenant im Tone des Spottes. Wohlan, wer diese Sehnsucht spuert, der trenne sich von uns und fahre mit gutem Winde unter dem Commando des Kapitaens Don Orteva oder Don Roque's. Wir, die wir entschlossen sind, den Gehorsam zu kuendigen, werden schon unser Ziel erreichen. -- Ja wohl! Gewiss! rief die ganze Versammlung. -- Kameraden! fuegte Martinez noch hinzu, unsre Officiere beabsichtigen mit Hilfe der Passatwinde nach den Sunda-Inseln zu steuern; wir werden ihnen aber zeigen, dass man auch ohne sie gegen die Moussons des Stillen Oceanes laviren kann!" Die Theilnehmer dieser geheimen Zusammenkunft gingen aus einander und kamen von verschiedenen Seiten her wieder nach ihren zugehoerigen Schiffen. Am folgenden Tage lichteten die Asia und die Constanzia mit Tagesanbruch die Anker und mit vollen Segeln fuhren die Brigg und das Linienschiff nach Suedwesten, in der Richtung auf Neuholland, ab. Lieutenant Martinez verrichtete wieder seinen Dienst, wurde aber auf Anordnung des Kapitaens Orteva aufmerksam beobachtet. Inzwischen bedraengten Don Orteva manchmal duestre Vorgefuehle. Er betruebte sich ueber den drohenden Verfall der spanischen Kriegsmarine, welche die Insubordination ihrem Untergang entgegen fuehrte. Dazu vermochte sich sein Patriotismus nicht an die Schlaege des Ungluecks zu gewoehnen, welche sein Vaterland jetzt nach einander trafen und denen der Abfall Mexicos die Krone aufsetzte. Dann und wann unterhielt er sich mit dem Aspiranten Pablo von diesen ernsten Fragen, vorzueglich aber von der frueheren Suprematie der spanischen Flotte in allen Meeren. "Mein Sohn, begann er eines Tages, aus unseren Seeleuten ist der Geist der Disciplin gewichen. Vorzueglich auf meinem Schiffe zeigen sich Symptome einer drohenden Empoerung, und es kann wohl sein, -- ich ahne wenigstens so etwas, -- dass ich durch eine elende Verraetherei um's Leben komme! Doch Du wirst mich raechen, nicht wahr, um gleichzeitig Spanien zu raechen, das man in mir zu treffen sucht. -- Ich schwoere es, Kapitaen! erwiderte Pablo. -- Mache Dir auf der Brigg Niemand vorzeitig zum Feind, aber erinnere Dich seiner Zeit, mein Sohn, dass man in dieser unseligen Zeit seinem Vaterlande am besten dadurch dient, die Elenden, welche es verrathen wollen, erst zu beobachten und nur zur rechten Zeit zu zuechtigen. -- Ich verspreche Ihnen, mein Leben daran zu setzen, erwiderte der junge Mann, ja, gern in den Tod zu gehen, wenn es sein muss, um die Verraether zu strafen." Seit drei Tagen hatten die Schiffe den Mariannen-Archipel verlassen. Bei einer guenstigen Brise flog die Constanzia ueber das weite Meer. Die grazioese, schlanke und schnelle Brigg huepfte ueber die Wellen, deren Schaum ihre acht Sechspfuender bespritzte. "Zwoelf Knoten, Lieutenant, sagte eines Abends der Aspirant Pablo zu Martinez. Wenn wir ebenso, den Wind im Ruecken, weiter segeln, wird die Ueberfahrt nicht lange dauern. -- Gott gebe es! -- Wir haben genug ausgestanden, so dass unsere Leiden wohl zu Ende sein koennten." Der Mastwart Jose befand sich in diesem Augenblick gerade in der Naehe des Halbdecks und hoerte die letzten Worte des Lieutenants. "Wir muessen bald in Sicht eines Landes kommen, setzte da Martinez mit lauterer Stimme hinzu. -- Ja wohl, nach der Insel Mindanao, erwiderte der Aspirant. Wir segeln jetzt unter dem 140. Grade oestlicher Laenge bei 8 Grad noerdlicher Breite, und wenn ich nicht irre liegt die Insel ... -- Unter 140 Grad 39 Minuten der Laenge und 7 Grad der Breite", fiel ihm Martinez in's Wort. Jose hob den Kopf ein wenig empor und begab sich nach einem unverstaendlichen Zeichen nach dem Vordercastell. "Sie haben die Mitternachtswache, Pablo? fragte Martinez. -- Ja, Lieutenant. -- Es ist schon um sechs Uhr; ich will Sie nicht aufhalten." Pablo entfernte sich. Martinez blieb allein auf dem Halbdeck zurueck und richtete seine Augen nach der Asia, die unter dem Winde der Brigg segelte. Der Abend war praechtig und versprach eine jener herrlichen Naechte, die in der Tropenzone oft so frisch und ruhig sind. Der Lieutenant suchte im Halbdunkel die Leute von der Deckwache auf. Er erkannte Jose und mehrere der Seeleute, mit denen er auf Guajan verhandelt hatte. Schnell naeherte sich Martinez dem Manne am Steuer, dem er mit leiser Stimme einige Worte zufluesterte. Sofort konnte man bemerken, dass das Steuerruder sich ein wenig mehr gegen den Wind drehte, ebenso dass die Brigg entschieden auf das Linienschiff zuhielt. Der Gewohnheit an Bord entgegen ging Martinez unter dem Winde auf und ab, um die Asia besser beobachten zu koennen. Unruhig drehte er ein Fernrohr in der Hand. Ploetzlich liess sich eine Detonation am Bord des andern Schiffes vernehmen. Bei diesem Signal sprang Martinez auf einen erhoehten Platz und rief mit lauter Stimme: "Alle Mann auf Deck! Die Grosssegel eingezogen!" In demselben Augenblick kam auch schon Don Orteva mit den andern Officieren aus der Dunette heraus und wandte sich an den Lieutenant. "Weshalb dieses Manoeuvre?" fragte er. Ohne eine Antwort zu geben sprang Martinez herab und eilte nach dem Vordercastell. "Die Raa herunter! befahl er. Brassen! Die Schoten der grossen Fockstenge nachlassen!" Unterdess ertoenten neue Detonationen an Bord der Asia. Die Mannschaft gehorchte den Befehlen des Lieutenants, die Brigg drehte sich gegen den Wind und stand, beigelegt mit Hilfe des kleinen Marssegels, unbeweglich still. Don Orteva wandte sich nach den wenigen Maennern um, die in seiner Naehe geblieben waren. "Zu mir, meine Braven!" rief er. Dann schritt er auf Martinez zu. "Ergreift diesen Officier! befahl er. -- Tod dem Commandanten!" antwortete Martinez. Pablo und zwei Officiere ergriffen Degen und Pistolen. Einige Matrosen, Jacopo voran, beeilten sich, ihnen beizustehen, wurden aber von den Meuterern ueberwaeltigt, entwaffnet und unschaedlich gemacht. Die Seesoldaten und die Besatzung stellten sich in der ganzen Breite des Decks auf und marschirten gegen ihre Officiere. Den treuen Maennern blieb, als sie sich auf die Dunette zurueck gedraengt sahen, nichts anderes uebrig, als sich auf die Rebellen zu stuerzen. Don Orteva schlug seine Pistole auf Martinez an. Da stieg eine Rakete vom Bord der Asia auf. "Sieg! Sieg!" rief Martinez. Don Orteva's Kugel hatte ihr Ziel verfehlt. Der ganze Auftritt dauerte nicht lange. Der Kapitaen griff den Lieutenant Mann gegen Mann an, aber bald unterlag er, schwer verwundet und von der Uebermacht erdrueckt. Nach wenigen Augenblicken theilten die Offiziere sein Loos. In dem Tauwerk der Brigg wurden Laternen aufgehaengt, als Antwort auf die in der Takelage der Asia. Die Revolte brach auf dem Linienschiffe zu gleicher Zeit aus und war ebenso von Erfolg gekroent. Lieutenant Martinez befehligte jetzt auf der Constanzia, und seine Gefangenen wurden bunt durcheinander in das Conferenzzimmer geworfen. Aber bei dem ersten Erblicken von Blut kamen auch die wilden Triebe der Mannschaft zum Durchbruch. Man begnuegte sich nicht gesiegt zu haben, man wollte auch toedten. "Erwuergt sie! heulten einige der Wuethlinge. Macht sie kalt! Nur ein todter Mann kann nicht mehr sprechen." An der Spitze der Blutdurstigen drang Martinez schon gegen das Conferenzzimmer vor, die uebrige Mannschaft widersetzte sich aber dem Gemetzel, und die Officiere waren gerettet. "Fuehrt Don Orteva auf das Deck", befahl Martinez. Man gehorchte. "Orteva, sagte Martinez, ich befehlige jetzt diese beiden Schiffe. Don Roque ist mein Gefangener gleich Dir. Morgen werden wir Euch Beide auf einer wuesten Insel aussetzen; dann steuern wir nach einem Hafen Mexicos und verkaufen die Fahrzeuge der republikanischen Regierung. -- Verraether! schleuderte ihm Orteva als Antwort in's Gesicht. -- Setzt die Grosssegel wieder bei und haltet so scharf es geht am Winde. Dieser Mann werde auf dem Halbdeck festgebunden." Er zeigte dabei auf Orteva. Sein Befehl ward vollzogen. "Die Andern kommen in den Raum hinunter. Wir laviren gegen den Wind. Vorwaerts! Schnell, Kameraden!" Das Manoeuvre wurde sofort ausgefuehrt. Der Kapitaen Orteva befand sich nun, durch die Brigantine des Grossmastes versteckt, unter dem Winde des Schiffes, aber noch immer hoerte man ihn seinem Lieutenant "Verraether!" und "Schurke!" nachrufen. Ausser sich vor Wuth sprang Martinez, eine Axt in der Hand, auf die Dunette. Die Andern rissen ihn vom Kapitaen zurueck; aber mit kraeftigem Hiebe zerschnitt er die Schoten der Brigantine. Der von dem Winde nun heftig nach der andern Seite schlagende Baum traf den Kapitaen und zerschmetterte ihm den Schaedel. Auf der Brigg erhob sich ein Schrei des Entsetzens. "Durch ungluecklichen Zufall um's Leben gekommen! erklaerte Lieutenant Martinez. Werft den Leichnam in das Meer!" Wiederum entsprach man seinen Worten. Die beiden Schiffe segelten so schnell als moeglich weiter in der Richtung nach Mexico zu. Am andern Tage begegnete man einem Eilande. Die Boote der Asia und Constanzia wurden auf's Meer gesetzt und die Offiziere, mit Ausnahme des Aspiranten Pablo und des Hochbootsmannes Jacopo, die sich Beide dem Lieutenant Martinez unterworfen hatten, nach dieser verlassenen Kueste befoerdert. Einige Tage spaeter fand ein englischer Wallfischfahrer gluecklicher Weise die Verlassenen und befoerderte sie nach Manila. Wie kam es, dass Pablo und Jacopo in das Lager der Verraether uebergegangen waren? Der weitere Verlauf unsrer Erzaehlung wird darueber Licht geben. Einige Wochen spaeter ankerten beide Schiffe in der Bai von Monterey, im Norden von Alt-Californien. Martinez theilte dem militaerischen Commandanten des Hafens seine Absichten mit. Er erbot sich, die beiden spanischen Schiffe sammt Munition und voller Kriegsausruestung an die mexicanische Confoederation, der es an einer Marine noch gaenzlich mangelte, auszuliefern, und auch die Mannschaften zur Verfuegung der Bundesregierung zu stellen. Als Entgelt sollte letztere ihnen alles auszahlen, was die Mannschaften seit der Abfahrt von Spanien zu fordern hatten. Auf diese Vorschlaege erwiderte der Gouverneur, dass er nicht die noethige Machtvollkommenheit besitze, einen derartigen Vertrag abschliessen. Er empfahl Martinez also, sich persoenlich nach Mexico zu wenden, wo er diese Angelegenheit leicht selbst erledigen koenne. Der Lieutenant folgte diesem Rathe, liess die Asia, welche einen Monat lang ausser Dienst gestellt ward, in Monterey zurueck und stach mit der Constanzia wieder in See. Pablo, Jacopo und Jose gehoerten zur Besatzung, und die Brigg setzte bei guenstigem Winde alle Leinwand bei, um den Hafen von Acapulco baldmoeglichst zu erreichen. II. Von Acapulco nach Cigualan. Unter den vier Haefen Mexicos am Pacifischen Ocean, naemlich San-Blas, Zacatula, Tehuantepec und Acapulco, bietet der letztgenannte den Schiffen die meisten Hilfsmittel. Die Stadt ist freilich erbaermlich gebaut und sehr ungesund, aber ihre Rhede liegt sehr gesichert und vermoechte wohl hundert Seeschiffe aufzunehmen. Hohe, steile Ufer schuetzen die Schiffe von allen Seiten und bilden dadurch ein so friedlich ruhiges Bassin, dass ein von der Landseite anlangender Reisender dasselbe recht wohl fuer einen von einem Gebirgsringe umschlossenen Binnensee halten koennte. Acapulco war in jener Zeit durch drei Bastionen gedeckt, die es auf der rechten Seite flankirten, waehrend die Hafeneinfahrt durch eine Batterie von sieben Geschuetzen vertheidigt wurde, die im Nothfall ihre Feuerlinie mit denen des Forts Santo-Diego rechtwinklig kreuzen konnten. Letzteres fuehrte uebrigens dreissig Geschuetze, beherrschte die ganze Rhede und haette unfehlbar jedes Schiff in den Grund bohren koennen, das den Eingang des Hafens etwa zu forciren versuchte. Die Stadt hatte eigentlich also kaum etwas von der Seeseite zu fuerchten, und doch ergriff sie, drei Monate nach den oben erzaehlten Ereignissen, ein wahrhaft panischer Schrecken. Es war ein Schiff auf hoher See signalisirt worden. Beunruhigt ueber die Absichten dieses verdaechtigen Seglers ueberliessen sich die Bewohner einer auffallenden Angst. Der neue Bundesstaat fuerchtete naemlich noch immer die Wiederkehr der spanischen Herrschaft. Es erklaert sich das, trotz eines mit Grossbritannien schon abgeschlossenen Handelsvertrags und trotz des Eintreffens eines Geschaeftstraegers aus London, der die Anerkennung des Freistaates mitbrachte, dadurch, dass die mexicanische Centralgewalt kein einziges Kriegsschiff besass, ihre Kuesten zu beschuetzen. Auf jeden Fall konnte das Fahrzeug nur ein kuehner Freibeuter sein, dem dort der steife Nordwest, der vom Herbste bis zum Fruehlingsaequinoctium in diesen Gegenden des Stillen Oceans fast allein herrschende Wind, tuechtig in die halbgereeften Segel blies. Die Einwohner Acapulcos waren ihrer Sache aber doch zu unsicher und bereiteten sich schon vor, eine etwaige Landung von Fremden abzuwehren, als das so gefuerchtete Fahrzeug an seiner Gaffel die Fahne der mexicanischen Unabhaengigkeit entrollte. Auf halbe Kanonenschussweite vom Hafen warf die Constanzia, deren Namen man am Heck schon deutlich lesen konnte, ploetzlich Anker. Die Segel wurden an den Raaen befestigt und ein Boot herabgelassen, welches bald im Hafen landete. Sofort nach seiner Ausschiffung begab sich der Lieutenant Martinez zu dem Gouverneur, um ihn von dem Zwecke seiner Hierherkunft zu unterrichten. Dieser billigte vollstaendig den Beschluss des Lieutenants, selbst nach Mexico zu gehen, um daselbst den betreffenden Kaufvertrag mit dem General Guadalupo Vittoria, dem Praesidenten der Confoederation, zu ratificiren. Kaum verbreitete sich diese Neuigkeit in der Stadt, als man auch seiner Freude den unverhohlensten Ausdruck gab. Die ganze Bevoelkerung lief zusammen, das erste Schiff der mexicanischen Kriegsmarine anzustaunen, und sah in dessen Besitze und diesem deutlichen Beweise des unter den Spaniern herrschenden Mangels an Disciplin eine neue Versicherung, sich jedem erneuten Versuche seiner frueheren Herren noch entschiedener und erfolgreicher widersetzen zu koennen. Martinez kehrte nach seinem Schiffe zurueck. Einige Stunden spaeter lag die Brigg Constanzia im innern Hafen und wurde ihre Besatzung bei den freudig erregten Bewohnern von Acapulco einquartiert. Als aber Martinez seine Leute zum Appell versammelte, waren Pablo und Jacopo spurlos verschwunden. -- -- Von allen Laendern der Erde unterscheidet sich Mexico durch die Hoehe und Ausdehnung des Plateaus, welches seine Mitte einnimmt. Die Kette der Cordilleren durchzieht unter dem allgemeinen Namen der Anden ganz Mittelamerika, durchfurcht Guatemala und theilt sich bei ihrem Eintritte in Mexico in zwei Arme, welche parallel den Kuesten des Gebietes verlaufen. Diese beiden Arme bilden eigentlich nur die Abhaenge des ungeheuren Plateaus von Anahuac, welches sich bis auf 2500 Meter ueber die benachbarten Meere erhebt. Diese Reihe von Stufenebenen, die weit ausgedehnter, aber ebenso einfoermig sind als jene von Peru und Neu-Granada, nimmt etwa drei Fuenftel des Landes ein. Mit ihrem Eintritte in das alte Territorium Mexicos nehmen die Cordilleren den Namen "Sierra Madre" an, und nach ihrer Theilung in drei Zweige, etwa in der Hoehe der Staedte San-Miguel und Guanaxato, verbreiten und verlieren sie sich bis zum 57. Grade noerdlicher Breite. Zwischen dem Hafen Acapulco und der Stadt Mexico, einer Strecke von achtzig Lieues, gestaltet sich das Terrain weniger zerrissen und treten die Bergabhaenge weniger steil auf, als zwischen Mexico und Vera-Cruz. Nach Ueberschreitung der Granitgebirge in den dem Grossen Ocean benachbarten Zuegen, in welche auch der Hafen von Acapulco eingeschnitten ist, begegnet der Reisende nur noch jenen Porphyrfelsen, denen die Industrie den Gips, den Basalt, Urkalk, das Zinn, Kupfer, Eisen, Silber und Gold entnimmt. Gerade die Strasse von Acapulco nach Mexico aber bietet herrliche Aussichtspunkte, ganz eigentuemliche Erscheinungen in der Pflanzenwelt, welche zwei neben einander, einige Tage nach dem Eintreffen der Brigg Constanzia dahin trabende Reiter manchmal beachteten, und manchmal ganz vernachlaessigten. Das waren Martinez und Jose. Der Letztere kannte den Weg vollkommen. Wie oft hatte er nicht die Berge von Anahuac durchzogen! Eben deshalb lehnten sie auch das Anerbieten, einen indianischen Fuehrer mit zu nehmen, ab, versorgten sich nur mit ausgezeichneten Pferden und ritten nun in schnellstem Schritte nach der Hauptstadt Mexicos. Nach einem zweistuendigen scharfen Trabe, der sie am Sprechen hinderte, machten sie Halt. "Schritt reiten, Lieutenant! rief Jose erschoepft. Santa-Maria! Da wuerde ich es doch vorziehen, bei einem steifen Nordwest zwei Stunden lang auf dem grossen Topmaste zu reiten. -- Beeilen wir uns! entgegnete Martinez. -- Du kennst doch die Strasse gut, Jose, nicht wahr, ganz genau? -- So gut wie Sie die Strasse von Cadix nach Vera-Cruz, und hier haben wir weder die Stuerme des Golfs, noch die Sandbaenke von Taspan oder Santander zu fuerchten, die uns aufhalten koennten! ... Aber Schritt! -- Nein, lieber schneller, erwiderte Martinez, indem er seinem Rosse die Sporen gab. Ich fuerchte dieses Verschwinden Pablo's und Jacopo's. Sollten sie allein bei dem Handel profitiren und unsern Antheil stehlen wollen? -- Beim heiligen Jacob! Das fehlte noch, versetzte cynisch der Mastwart, -- an solchen Dieben, wie wir sind, zu Dieben zu werden! -- Wie viele Tagereisen werden wir bis Mexico brauchen? -- Vier bis fuenf, Lieutenant. Das Ganze ist ein reiner Spaziergang. Aber nur Schritt reiten. Sie sehen doch, dass der Weg sehr bergan fuehrt." In der That machten sich eben die ersten Wellenlinien der Berge bemerkbar. "Unsere Pferde sind nicht beschlagen, fuhr der Mastwart fort, indem er anhielt, und ihre Hufe nutzen sich auf diesem Granitboden schnell ab. Sagen Sie aber ja nichts Schlechtes ueber diesen Boden. Da drunter liegt Gold, und wenn wir jetzt auch darueber weggehen, Lieutenant, so bedeutet das nicht etwa, dass wir es verachten!" Die beiden Reiter hatten eine kleine, reich von Faecherpalmen, Nopals und mexicanischen Sagopalmen beschattete Anhoehe erreicht. Zu ihren Fuessen dehnte sich eine grosse, cultivirte Ebene aus und entfaltete die ganze ueppige Vegetation der Tropen vor ihren Augen. Zur Linken begrenzte ein Wald von Mahagonibaeumen die reizende Landschaft. Schlanke Pfefferstauden wiegten ihre elastischen Zweige in dem brennenden Athem des Stillen Oceans; dort starrten dichte Felder mit Zuckerrohr empor. Maechtige Baumwollpflanzungen bewegten geraeuschlos ihre grauseidenen Bluethendolden. Da und dort erhob sich wohl ein Convolvulus (_Jalappe off._) oder der farbenreiche Piment, vermischt mit Indigo, Cacao-, Campeche- und Guajacbaeumen. Alle die verschiedenen Erzeugnisse der Tropenflora, die Dahlias, Mentzelias, Helicanthus u. s. w., schmueckten mit ihrer Farbenpracht dieses reizende Stueckchen Erde, uebrigens auch den fruchtbarsten Theil des mexicanischen Gebietes. Ja, diese ganze schoene Natur schien sich unter den Gluthstrahlen, welche die Sonne herabschoss, zu beleben. Aber unter derselben verzehrenden Sonne winden sich auch die ungluecklichen Einwohner im Frostschauer des Gelben Fiebers! Deshalb bleiben diese kaum bewohnten und verlassenen Gegenden immer ohne Leben und Geraeusch. "Was ist das fuer ein Kegel, der sich dort am Horizonte vor uns erhebt? fragte Martinez seinen Begleiter. -- Der Gipfel der Brea, der sich uebrigens kaum ueber die umgebende Ebene erhebt", antwortete hingeworfen der Mastwart. Dieser Kegel bildet die erste bemerkbarere Erhebung der gewaltigen Cordillerenkette. "Beeilen wir uns, mahnte Martinez, indem er selbst mit gutem Beispiele voranging. Unsere Pferde entstammen den Haciendas des westlichen Mexico und sind von den Reisen durch die Savannen an diese Unebenheiten des Terrains gewoehnt. Wir wollen den Weg, wo er bergab fuehrt, benutzen und aus diesen grenzenlosen, einsamen Gegenden entfliehen, welche nicht dazu angethan sind, uns zu erheitern. -- Sollte der Lieutenant Martinez Gewissensbisse haben? fragte Jose achselzuckend. -- Gewissensbisse! ... Nein, das nicht! ..." Martinez verfiel wieder in tiefes Schweigen, und so ritten Beide stumm und in schnellem Tempo dahin. Sie erreichten den Kegel der Brea, den sie auf steilen Saumpfaden erstiegen, laengs tiefer Abgruende, welche aber den unergruendlichen Schluchten der Sierra Madre noch keineswegs gleich kommen. Nach Ueberschreitung des entgegengesetzten Abhanges hielten die beiden Reiter an, um ihre Pferde ausruhen zu lassen. Die Sonne verschwand bald unter dem Horizonte, als Martinez und sein Gefaehrte in dem Dorfe Cigualan ankamen. Dasselbe zaehlt nur wenige bewohnte Huetten, die duerftigen Heimstaetten armer Indianer, welche "Mansos", d. h. Ackerbauer, genannt werden. Die sesshaften Eingeborenen sind im Allgemeinen sehr traege, da sie nur die Reichthuemer einzusammeln brauchen, welche der freigebige Erdboden spendet. Ihre grosse Faulheit unterscheidet sie wesentlich sowohl von den Indianern des Hochplateaus, welche wohl die Noth zum Fleisse zwang, als auch von den Nomaden des Nordens, welche, da sie nur von Raub und Pluenderung leben, niemals feste Wohnsitze haben. Die Spanier begegneten in diesem Doerfchen nur einer sehr mittelmaessigen Gastfreundschaft. Die Indianer sahen in ihnen nur ihre alten Bedruecker und beeilten sich gar nicht, ihnen irgendwie beizustehen. Dazu waren vor ihnen zwei andere Reisende durch den Ort gekommen und hatten unter den vorraethigen Nahrungsmitteln ziemlich aufgeraeumt. Der Lieutenant und der Mastwart legten auf diesen Zufall, der ja nicht selten vorkommt, kein besonderes Gewicht. Martinez und Jose suchten unter einem halb verfallenen Gemaeuer Obdach, wo sie ihre Mahlzeit, bestehend aus einem gedaempften Hammelkopfe, zubereiteten. Hierzu gruben sie ein Loch in die Erde, fuellten es mit trockenem Holze, untermischt mit Kieselsteinen, welche die Waerme gut bewahren, an und liessen das Holz niederbrennen; auf die gluehende Asche legten sie hierauf ohne weitere Zubereitung das in aromatische Blaetter gewickelte Fleisch und schlossen dann das Ganze mit Zweigen und festgestampfter Erde luftdicht ab. Bald nachher war ihr Braten gar und sie verzehrten ihn mit dem Appetite, der Leuten, welche einen weiten Weg zurueckgelegt haben, eigen zu sein pflegt. Nach der Mahlzeit streckten sie sich, den Dolch in der Hand, auf die Erde aus. Die Muedigkeit liess sie bald die Haerte ihres Lagers vergessen, ebenso wie die Stiche der laestigen Maringuins, so dass sie bald einschliefen. Mehrmals aber wiederholte Martinez noch in unruhigem Traume die Namen Pablo's und Jacopo's, deren Verschwinden ihn fortwaehrend beunruhigte. III. Von Cigualan nach Tasco. Am andern Tage wurden die Pferde fruehzeitig gesattelt und gezaeumt. Die Reisenden begaben sich wieder auf den nur halb gebahnten Fusswegen, welche sich vor ihnen hinschlaengelten, weiter nach Osten der Sonne entgegen. Der Anfang verlief recht gut. Ohne das schweigsame Verhalten des Lieutenants, das gegen die gute Laune des Mastwarts auffallend contrastirte, haette man Beide fuer die ehrlichsten Leute der Welt halten koennen. Der Boden stieg immer mehr an. Bald breitete sich das ungeheure Plateau von Chilpanimyo, auf dem das schoenste Klima in ganz Mexico herrscht, bis zur entfernteren Grenze des Horizontes vor ihren Blicken aus. Dieser Landstrich, welcher ganz den Laendern unter der gemaessigten Zone gleicht, erhebt sich an 1500 Meter ueber das Meer und kennt weder die erstickende Hitze der Niederungen, noch die Froeste der hoeher gelegenen Gegenden. Diese paradiesische Oase zur Rechten lassend gelangten die beiden Spanier nach dem kleinen Dorfe San-Pedro, nahmen aber nach dreistuendiger Rast wieder ihren Weg nach der kleinen Stadt Tutela-del-Rio auf. "Wo werden wir diese Nacht schlafen? fragte Martinez. -- In Tasco, Lieutenant, antwortete Jose. Im Vergleich zu diesen Doerfern eine grosse Stadt. -- In der man ein gutes Unterkommen findet? -- Gewiss, unter schoenem Himmel und in einem herrlichen Klima. Dort brennt die Sonne nicht so heiss, wie an der Meereskueste. Hier geht es immer unbemerkt bergauf und man kommt nach und nach dahin, auf dem Gipfel des Popocatepetl zu -- erfrieren. -- Wann kommen wir auf die Berge, Jose? -- Uebermorgen Abend, Lieutenant, und von ihrem Kamme aus werden wir, freilich in grosser Entfernung, unser Reiseziel erblicken. O, Mexico ist eine Stadt von Gold! Wissen Sie, woran ich eben dachte, Lieutenant?" Martinez gab keine Antwort. "Ich fragte mich, was aus den Offizieren der Brigg und des Linienschiffes, die wir auf dem Eiland aussetzten, geworden sein koenne." Martinez erzitterte. "Ich weiss es nicht! ... antwortete er murmelnd. -- Ich denke mir, fuhr Jose fort, die hochmuethigen Herren werden einfach Hungers gestorben sein. Bei der Ausschiffung sind auch noch mehrere in's Meer gefallen, das dort eine Haifischart, der Tintorea, unsicher macht, der keinen Pardon giebt. Santa-Maria! Wenn der Kapitaen Don Orteva wieder von den Todten auferstaende, dann koennten wir uns auch in den ersten besten Wallfischbauch verkriechen! Aber sein Kopf stiess zu stark mit dem Baum zusammen, und da die Schoten so unerwartet rissen ... -- Wirst Du schweigen!" donnerte ihn Martinez an. Der Seemann zuegelte seine Zunge. "Hier sind Scrupel und Zweifel auch am unrechten Platze, sagte er fuer sich und fuhr dann wieder laut fort: Nach unserer Rueckkehr werde ich mich uebrigens in diesem praechtigen Mexico haeuslich niederlassen. Hier lavirt man so zwischen Ananas und Bananen und scheitert hoechstens an Klippen aus Silber oder Gold. -- Und deshalb wurdest Du zum Verraether? fragte Martinez. -- Warum nicht, Lieutenant? Das laeuft auf eine Geldfrage hinaus! -- Ah! ... sagte Martinez veraechtlich. -- Und Sie? wendete sich Jose an Diesen. -- Ich? ... Bei mir war es eine Rangfrage. Der Lieutenant wollte sich an dem Kapitaen raechen. -- Ach so!" ... bemerkte Jose wegwerfend. Die beiden Leute hielten sich trotz ihrer verschiedenen Beweggruende die Wage. "Achtung! ... rief Martinez und hielt sein Pferd an. Was sehe ich da unten?" Jose erhob sich in den Steigbuegeln. "Es ist niemand da, antwortete er. -- Doch! Ich sah, wie ein Mann sich eiligst verbarg, behauptete Martinez. -- Einbildung! -- Nein, nein, ich sah es! wiederholte der Lieutenant. -- Nun meinetwegen, so suchen Sie nach Belieben." Jose setzte gelassen seinen Weg fort. Martinez ging allein auf einen Busch Magnolien zu, deren Zweige Wurzeln schlagen, sobald sie den Erdboden beruehren, und dadurch ein ganz undurchdringliches Gewirr bilden. Alles schien still und verlassen. Ploetzlich sah er eine Art Spirale sich im Schatten bewegen. Es war eine kleine Schlange, deren Kopf sich von einem grossen Steine zermalmt zeigte, waehrend der uebrige Koerper noch wie unter dem Einfluss eines galvanischen Stromes zuckte. "Hier ist irgend Jemand gewesen!" rief der Lieutenant. Aberglaeubisch und schuldbewusst sah sich Martinez nach allen Seiten um. Er begann zu schaudern. "Wer, wer mochte das sein? ... murmelte er. -- Nun, wie steht's? fragte Jose, der jetzt auch hinzukam. -- Es war Nichts! antwortete Martinez. Brechen wir auf!" Die Reisenden ritten nun stromaufwaerts laengs der Mexala, einem kleinen Zuflusse des Rio Balsas, dahin. Bald verriethen ihnen einige Rauchsaeulen die Gegenwart von Menschen, und die kleine Stadt Tutela-del-Rio zeigte sich ihren Blicken. Da die Spanier jedoch Eile hatten, noch vor Anbruch der Nacht Tasco zu erreichen, verliessen sie jene wieder nach einer ganz kurzen Rast. Der Weg ward nun sehr steil und uneben, so dass sie nur im Schritt, uebrigens die gewohnte Gangart ihrer Pferde, vorwaerts kamen. Da und dort erhoben sich Olivenwaelder auf den Berglehnen. Sowohl der Boden, als auch die Temperatur und Vegetation erwiesen sich hier wesentlich verschieden gegen frueher. Bald sank der Abend hernieder. In wenig Schritten Entfernung folgte Martinez seinem Fuehrer Jose. Dieser fand sich in der zunehmenden Dunkelheit nur schwierig zurecht und suchte einen gangbaren Pfad auszuwaehlen, wobei er manchen Fluch ausstiess, einmal ueber einen hervorstehenden Knorren, ueber den sein Ross stolperte, bald ueber einen Zweig, der ihm in's Gesicht schlug und die ausgezeichnete Cigarre, welche er rauchte, auszuloeschen drohte. Der Lieutenant lenkte sein Pferd stets dem seines Begleiters nach. An ihm nagten heimliche Gewissensbisse, wenn er sich auch von den Empfindungen, die ihn quaelten, keine klare Rechenschaft gab. Jetzt war es vollstaendig Nacht geworden. Die Reiter beeilten ihren Schritt. Ohne Aufenthalt passirten sie die kleinen Dorfschaften Contepec und Ipuala und kamen gluecklich noch in der Stadt Tasco an. Jose hatte wahr gesprochen. Das war eine grosse Stadt gegenueber den unbedeutenden Ansiedelungen, die schon hinter ihnen lagen. In der groessten Strasse fand sich sogar eine Art Gasthof. Ein Stallknecht nahm ihnen die Pferde ab, und die Reisenden traten in das Hauptzimmer des Hauses, in welchem sie eine lange, fertig angerichtete Tafel trafen. Die Spanier nahmen daran einander gegenueber Platz und verzehrten eine Mahlzeit, welche dem Gaumen der Eingeborenen vielleicht vortrefflich munden mochte, die fuer europaeische Zungen aber nur der quaelende Hunger geniessbar machte. Sie bestand aus Resten von Huehnern mit reichlicher Sauce von gruenem Piment, Reis mit rothem Piment und Safran gewuerzt, altem Gefluegel mit Oliven, Rosinen, Erdnuessen, Zwiebeln, gezuckertem Kuerbis, Carbanzos und Portulak, das Alles aber begleitet von "Tortillas", d. s. kleine auf heissen Metallplatten gebackene Maisbrodkuchen. Dann ward noch ein Getraenk servirt, und man begab sich zur Ruhe. Wenn auch nicht auf die erwuenschteste Weise, so war ihr Hunger doch gestillt und die Erschoepfung versenkte Martinez und Jose bald in tiefen Schlummer. IV. Von Tasco nach Cuernavaca. Der Lieutenant erwachte spaet am Morgen zuerst. "Jose, auf! Wir muessen aufbrechen!" mahnte er. Der Mastwart streckte die Arme aus. "Welche Strasse schlagen wir ein? fragte Martinez. -- O, hier sind mir gar zwei bekannt, Lieutenant. -- Und welche? -- Die eine, welche ueber Zacualican, Tenancingo und Toluca fuehrt. Von Toluca bis Mexico ist die Strasse sehr schoen, denn dort hat man schon die Hoehe der Sierra Madre erreicht. -- Und die andre? -- Die andre entfernt uns etwas mehr nach Osten, aber wir kommen da an den schoenen Bergen, dem Popocatepetl und dem Icatacihualt vorueber. Diese ist die sicherere, weniger besuchte Strasse. Eine schoene Promenade von fuenfzehn Lieues ueber eine sanft geneigte Ebene. -- Nur nicht den laengeren Weg und schnell vorwaerts, mahnte Martinez. -- Wo werden wir heute uebernachten? -- Nun, wenn wir zwoelf Knoten zuruecklegen, sind wir in Cuernavaca", antwortete der Mastwart. Die beiden Spanier begaben sich nach dem Stalle, liessen die Pferde satteln und fuellten die "Mochillas", d. s. am Geschirr befestigte Taschen, mit Maiskuchen, Granaten und gedoerrtem Fleisch, denn in den Bergen liefen sie Gefahr, keine Nahrungsmittel zu finden. Nach Ausgleichung der Zeche bestiegen sie ihre Pferde, auf denen sie mit uebergeschlagenen Beinen und auf die rechte Hand gestuetzt, dahin ritten. Zum ersten Male kam ihnen hier eine Eiche zu Gesicht, ein Baum von guter Vorbedeutung, an dessen Fusse die ungesunden Ausduenstungen der niederen Gegenden aufhoeren. In diesen 1500 Meter ueber dem Meere gelegenen Landstrichen vermischen sich die seit der Eroberung durch Spanien eingefuehrten Nutzpflanzen mit den einheimischen Gewaechsen. Kornfelder lachen in dieser fruchtbaren Oase, in der alle Culturpflanzen Europas gedeihen. Hier saeuselt das Laub der Baeume Asiens und Frankreichs. In dem Rasenteppiche leuchten Blumen des Orientes neben Veilchen, Kornblumen, Verbenen und Masslieb aus der gemaessigten Zone. An manchen Stellen starrten harzreiche Pflanzen in Gruppen empor, und war die Luft geschwaengert mit dem feinen Dufte der Vanille, welche im Schatten von Balsam- und Ambrastauden gedieh. Auch die beiden Abenteurer fuehlten sich ganz wohlig bei der Temperatur von zwanzig bis zweiundzwanzig Graden, wie sie immer in der Gegend von Xalapa und Chilpanzinge herrscht, welche deshalb hier auch allgemein "die gemaessigten Landstriche" genannt werden. Inzwischen gelangten Martinez und sein Gefaehrte immer weiter nach der Hochebene von Anahuac hinauf, indem sie die gewaltigen Bergkaemme, welche sich im Innern Mexicos verzweigen, ueberschritten. "Ah! rief ploetzlich Jose, da ist der erste der drei Bergstroeme, welche wir ueberschreiten muessen." Wirklich lag ein tief ausgeschnittenes Flussbett nicht weit vor ihren Fuessen. "Bei meiner letzten Reise, bemerkte Jose, lag dieses Wildbett trocken. Folgen Sie mir, Lieutenant." Beide ritten einen in den Felsen ausgehauenen Pfad hinab und gelangten zu einer leicht passirbaren Furth. "Das waere der Eine! sagte Jose. -- Sind die andern ebenso leicht zu ueberschreiten? fragte der Lieutenant. -- Ganz ebenso, erwiderte Jose. Wenn die Regenzeit diese Wildbaeche anschwellt, so stuerzen sie in den kleinen Fluss Ixtolucca, dem wir in den Hochgebirgen begegnen werden. -- Wir haben jedoch in diesen Einoeden nichts zu fuerchten? -- Nichts, ausser vielleicht einen mexicanischen Dolch! -- Ja freilich, meinte Martinez. Die Indianer dieser Hochlaender sollen von Alters her damit gut umzugehen wissen. -- Und wie viele Bezeichnungen haben sie fuer ihre Lieblingswaffe, fuegte der Mastwart lachend hinzu, z. B. Estogue, Verdugo, Puna, Anchillo, Beldoque, Navaja und noch andere. Sie haben das Wort ebenso schnell im Munde, wie den Dolch in der Hand! Aber, Santa-Maria, das ist ja recht gut, da brauchen wir wenigstens die unsichtbaren Kugeln der langen Carabiner nicht zu fuerchten. Ich kann mir gar nichts Aergerlicheres vorstellen, als nicht einmal zu wissen, wer Einem den Garaus macht. -- Welche Indianerstaemme wohnen in diesen Gebirgen? fragte Martinez. -- Ei, wer kann die Racen alle zaehlen, die in diesem Eldorado von Mexico hausen! Bedenken Sie nur die vielen Kreuzungen, Lieutenant, die ich sorgfaeltig studirt habe, um spaeter einmal eine passende und vortheilhafte Ehe zu schliessen. Da findet man den Mestizen, von einem Spanier und einer Indianerin abstammend; den Castisa, von einem Mestizenweibe und einem Spanier; den Mulatten, von einer Spanierin und einem Neger; ferner den Monisken, von einer Mulattin und einem Spanier; den Albino, von einer Moniskin und einem Spanier; den Tornatras, von einem Albino und einer Spanierin; den Tintinclaire, von einem Tornatras und einer Spanierin; den Lovo, von einer Indianerin und einem Neger; den Caribujo, von einem Coyoten und einer Mulattin; den Grifo, von einer Negerin und einem Lovo; den Albarazado, von einem Coyoten und einer Indianerin; den Chanisa, von einer Mestizin und einem Indianer; endlich den Mechino, von einer Lovo und einem Coyoten!" Jose's Angaben waren ganz richtig; anerkanntermassen bereitet die in diesen Gegenden sehr problematische Reinheit der Racen allen anthropologischen Forschungen grosse Schwierigkeiten. Aber trotz der gelehrten Plauderei seines Gefaehrten versank Martinez sehr bald wieder in seine fruehere Schweigsamkeit. Er entfernte sich sogar freiwillig etwas mehr von demselben, da ihn dessen Gegenwart zu bedruecken schien. Bald durchschnitten zwei andere Wildbaeche ihren Weg. Der Lieutenant hielt ganz betroffen an, als er sie vertrocknet fand, denn er hatte darauf gerechnet, hier sein Pferd zu traenken. "Da stehen wir nun, wie ein Schiff in der Windstille, wenn ihm Nahrungsmittel und Wasser ausgegangen sind, sagte Jose. -- Bah, folgen Sie mir. Wir wollen unter jenen Eichen und Ulmen einen Baum suchen, der hier "Ahuehuelt" heisst und gerade so viel bedeutet, wie der Kranz ueber den Thueren der Schenken. Unter seinem Schatten findet man stets eine erquickende Quelle, und wenn sie auch nur Wasser giebt, so muessen Sie, meiner Treu, nicht vergessen, dass das Wasser der Wein der Wuestenei ist!" Die Reiter trabten die naechst folgende Anhoehe hinauf und fanden bald einen Baum der erwaehnten Art. Aber die erhoffte Quelle war versiegt und allem Anschein nach erst vor ganz kurzer Zeit. "Das ist sonderbar, bemerkte Jose. -- Nicht wahr, das ist auffallend, sagte Martinez erbleichend. Vorwaerts also, schnell vorwaerts!" Bis nach dem Flecken Cacahuimilchan wechselten die Reiter kein einziges Wort. Dort entleerten sie ihre Mochillas ein wenig und wandten sich dann nach Cuernavaca, weiter nach Osten zu. Die Landschaft zeigte sich jetzt schon in wilder Grossartigkeit und liess die gigantischen Gipfel ahnen, deren Basaltwaende die von dem Grossen Ocean herueber ziehenden Wolken aufhalten. An der Kruemmung eines gewaltigen Felsens zeigte sich das schon von den alten Mexicanern errichtete Fort Cochicalcho, dessen Plateau neuntausend Quadratmeter misst. Die Reisenden begaben sich nach dem riesigen Felsenkegel, der jenes traegt und der von schroffen Steinnadeln und drohenden Ruinen bekraenzt ist. Sie stiegen ab, banden ihre Thiere an den Stamm einer Ulme und klommen, da es ihnen darauf ankam, sich ueber die Richtung ihres Weges durch den Ueberblick von einem hoeheren Punkte aus zu vergewissern, muehsam an den Vorspruengen des Kolosses in die Hoehe. Schon sank die Nacht hernieder; Alles ringsumher verlor in der Daemmerung seine bestimmten Umrisse und nahm phantastische Formen an. Das alte Fort aehnelte nicht wenig einem riesenhaften, halb liegenden Bueffel mit unbewegtem Kopfe, und Martinez' unruhiger Blick glaubte auch auf dem Koerper des gespenstischen Thieres fluechtige Schatten dahin huschen zu sehen. Er schwieg jedoch hiervon, um nicht die Spoetterei des unglaeubigen Jose heraus zu fordern. Dieser ging langsam auf den Fussstegen des Berges weiter; als er aber einmal auch hinter einem Vorsprunge verschwunden, leiteten seine "Santa-Maria" und aehnliche Ausrufe den Lieutenant bald nach derselben Stelle. Ploetzlich hob ein gewaltiger Nachtvogel mit einem heiseren Schrei langsam mit schwerfaelligem Fluegelschlag sich empor. Martinez prallte zurueck. Etwa dreissig Fuss ueber ihm schwankte ein maechtiger Felsblock sichtbar auf seiner Unterlage. Jetzt loeste er sich los und stuerzte mit Blitzesschnelle und Donnerkrachen, alles auf seinem Wege zermalmend, in eine gaehnende, dunkle Tiefe. "Santa-Maria! rief der Mastwart. -- Herr Lieutenant! -- Jose? -- Hierher!" Die beiden Spanier kamen wieder zusammen. "Das war eine tuechtige Lawine! Ich daechte, wir kletterten wieder hinunter", sagte der Seemann. Martinez folgte ihm, ohne ein Wort zu sprechen, und bald hatten Beide wieder das untere Plateau erreicht. Hier bezeichnete eine breite Furche den verderblichen Gang des Felsblocks. "Santa-Maria! rief Jose entsetzt. Unsere Pferde sind verschwunden, zermalmt, todt! -- Wahrhaftig? -- Ueberzeugen Sie sich selbst." In der That war der Baum, an den sie die Thiere gebunden hatten, mit diesen weggerissen. "Wenn wir da noch darauf gesessen haetten...", bemerkte philosophisch der Mastwart. Martinez war vor Schrecken halb erstarrt. "Die Schlange, die Quelle, und nun die Lawine!" murmelte er. Ploetzlich sprang er mit stierenden Augen auf Jose zu. "Sprachst Du nicht eben vom Kapitaen Don Orteva?" rief er mit vor Zorn erzitternden Lippen. Jose wich zurueck. "Ach, keine Thorheiten, Lieutenant! Senden wir unseren Pferden einen letzten Gruss nach und dann vorwaerts! Hier ist nicht gut sein, wenn der alte Berg da den Kopf schuettelt!" Schweigend und mit grossen Schritten eilten die beiden Spanier dahin und langten mitten in der Nacht in Cuernavaca an; es war ihnen jedoch unmoeglich, sich Pferde zu verschaffen, und so machten sie sich am andern Tage also zu Fuss auf den Weg nach dem Berge Popocatepetl. V. Von Guernavaca nach dem Popocatepetl. Die Temperatur sank immer mehr; jede Vegetation hoerte auf. Diese unzugaenglichen Hoehen, die "kalten Landstriche" genannt, gehoeren vollstaendig der Eiszone an. Schon zeigten die Fichten der duesteren Regionen ihre starren Silhouetten zwischen den letzten Ketten dieser hohen Bergzuege, und immer seltener wurden die Quellen in diesen groesstenteils aus rissigen Trachyten und poroesen Mandelsteinen gebildeten Einoeden. Sechs starke Stunden lang schon schleppten sich der Lieutenant und sein Begleiter muehsam dahin, verletzten sich die Haende an den scharfen Kanten der Felsen und die Fuesse an den spitzigen Steinen des Weges. Bald zwang sie die Erschoepfung einmal zu ruhen. Jose machte etwas Nahrung zurecht. "Ein verteufelter Einfall, nicht den gewoehnlichen Weg einzuschlagen!" sprach er halb fuer sich. Beide hofften in Aracopistla, einem voellig in den Bergen verlorenen Doerfchen, irgend ein Transportmittel zu finden, um ihre Reise zu vollenden. Wie gross war aber ihre Enttaeuschung, als sie auch hier nicht das Geringste fanden, denselben Mangel an Allem und noch dazu dieselbe widerwillige Gastfreundschaft, wie schon vorher in Cuernavaca. Und doch mussten sie ihr Ziel erreichen! Jetzt erhob sich vor ihnen der ungeheure Gipfel des Popocatepetl zu einer solchen Hoehe, dass der Blick sich in den Wolken verlor, wenn er nach der letzten Spitze suchte. Der Weg wurde zum Verzweifeln beschwerlich. Ueberall oeffneten sich ungemessene Schluchten und schienen die schwindelnden Pfade unter den Tritten der Wanderer zu schwanken. Um sich zurecht zu finden, mussten sie einen 5400 Meter hohen Absatz des Berges ersteigen, der von den Indianern den Namen des "rauchenden Felsen" erhalten hat und noch die Spuren neuerer vulkanischer Explosionen zeigt. Dunkle Hoehlen spalteten seine steilen Abhaenge. Seit Jose's letzter Reise hatten neue Umwaelzungen dieses oede Terrain unter einander geworfen, so dass ihm Alles fremd erschien. Er verlief sich auch wiederholt auf den kaum erkennbaren Stegen, und blieb manchmal stehen, um zu lauschen, wenn sich in den Eingeweiden des Felsenriesen verdaechtige Geraeusche hoeren liessen. Schon neigte sich merkbar die Sonne. Grosse nach dem Himmel zu zerrissene Wolken verdunkelten die Atmosphaere noch mehr. Es drohte mit Regen und Gewitter, welche Meteore in diesen die Verdunstung des Wassers beguenstigenden Hoehen nicht selten sind. Auf diesen Felsen verschwand ueberdies jede Spur von Vegetation, da dieselben schon in die Region des ewigen Schnees hineinreichten. "Ich komme nicht mehr weiter! sagte endlich Jose und fiel vor Erschoepfung um. -- Immer vorwaerts!" erwiderte Lieutenant Martinez mit fieberhafter Ungeduld. Ein dumpfer entfernter Donner rollte durch die Schluchten des Popocatepetl. "Ich will des Teufels sein, wenn ich diese Fussstege je wieder betrete! betheuerte Jose. -- Aber jetzt steh' auf und beeile Dich!" mahnte ihn Martinez mit barscher Stimme. Er zwang Jose, taumelnd weiter zu gehen. "Und nicht eine menschliche Seele, die uns fuehren koennte! brummte der Mastwart. -- Desto besser, erwiderte der Lieutenant. -- Sie wissen jedenfalls nicht, dass in Mexico jaehrlich gegen tausend Moerder ihr Handwerk treiben und dass diese Gegenden nicht gerade sicher sind. -- Desto besser!" lautete nochmals Martinez' Antwort. Grosse Regentropfen erglaenzten, von dem letzten Schimmer des Tages beleuchtet, da und dort an den Felsen. "Was werden wir zu Gesicht bekommen, wenn diese Berge hinter uns liegen? fragte der Lieutenant. -- Mexico zur Linken, Puebla zur Rechten, antwortete Jose, wenn wir ueberhaupt etwas sehen koennen. Doch das wird unmoeglich sein. Es wird zu dunkel. Vor uns liegt auf der anderen Seite der Berg Icctacihualt und im Thale laeuft die sehr gute Strasse. Aber ob wir auch bis dahin kommen! -- Vorwaerts, nicht zoegern!" Jose's Angaben waren richtig. Das Plateau von Mexico ist in einem vierseitigen Rahmen maechtiger Berge eingeschlossen. Es bildet ein weites, ovales Bassin von achtzehn Lieues in der Laenge, bei einer Breite von zwoelf und einem Umfange von zweiundsiebzig Lieues. Hohe Berggipfel, unter denen sich der Popocatepetl und der Icctacihualt im Suedwesten besonders auszeichnen, streben rings um dasselbe empor. Hat er einmal den hohen Grenzrand erstiegen, so findet der Reisende keine weiteren Schwierigkeiten. Schon bergab wird der Boden wegsamer und zuletzt fuehrt ihn nach Mexico eine sehr gute Strasse in der Richtung nach Norden hin. Statt ermuedender Reihen von Pappeln und Ulmen zeigen sich hier die von den Koenigen der Azteken-Dynastie angepflanzten Cypressen und die "Schinus", welche den Trauerweiden des Occidents aehneln. Da und dort trifft man bearbeitete Felder oder Gaerten mit reichem Blumenschmucke, waehrend Aepfel-, Kirsch- und Granatbaeume unter dem tiefblauen Himmel, eine Folge der verduennten und trockenen Luft dieser Hochebenen, gleichmaessig ueppig gedeihen. In den Bergen hallte der Donner jetzt mit furchtbarer Gewalt. Der Regen und der Wind, welche zeitweilig aussetzten, verstaerkten dadurch nur das Echo. Jose fluchte bei jedem Schritt. Bleich und stumm warf der Lieutenant Martinez nur scheue, boese Blicke auf seinen Begleiter, in dem er nur noch einen Mitwisser seines Verbrechens sah, welchen er gern entfernt und unschaedlich gewusst haette. Da zerriss ein greller Blitz die tiefe Finsterniss. Der Mastwart und der Lieuteuant standen dicht vor einem Abgrunde!... Martinez trat an Jose heran. Er legte ihm die Hand fest auf die Schultern und sagte: "Jose, ich fuerchte mich ... -- Vor dem Gewitter? -- Den Sturm am Himmel fuerchte ich nicht, wohl aber die Empoerung in meinem Innern. -- Ah, Sie denken noch immer an Don Orteva!... Schaemen Sie sich, Lieutenant, Sie reizen mich zum Lachen!" antwortete Jose, dem freilich das Lachen verging, als er Martinez' wuethenden Blick auf sich geheftet sah. Wiederum krachte ein furchtbarer Donnerschlag. "Schweig' still, Jose, schweig' still! rief Martinez, der seiner kaum noch Herr zu sein schien. -- Die Nacht ist zum Moralisiren recht passend! erwiderte der Mastwart. Wenn Sie sich fuerchten, Lieutenant, dann machen Sie Augen und Ohren zu. -- Ich glaube, stoehnte Martinez, ich sehe dort den Kapitaen ... Don Orteva ... mit zertruemmertem Schaedel!... Da ... da ...!" Von einem fahlen Blitze erleuchtet erhob sich ein dunkler Schatten etwa zwanzig Schritt vor den beiden Wanderern. Gleichzeitig erblickte Jose, Martinez, leichenblass, verfallen, duester und mit einem Dolch in der Faust an seiner Seite. "Was, was ist das?..." schrie er. Ein Blitz warf sein grelles Licht auf Beide. "Zu Hilfe!" rief Jose ... Schon lag aber nur noch ein Leichnam auf der Erde. Ein neuer Kain floh Martinez mit der blutigen Hand durch das Unwetter dahin. Wenige Augenblicke spaeter neigten sich zwei Maenner ueber die Leiche des Mastwarts und sagten: "Das waere der Eine!" Martinez irrte wie ein Wahnsinniger durch die dunkle Einoede. Mit entbloesstem Haupte lief er durch den Regen, der in Stroemen niederfloss. "Zu Hilfe, zu Hilfe" rief er, auf den schluepfrigen Steinen ausgleitend. Ploetzlich vernahm er ein tosendes Rauschen. Martinez stutzte und hoerte einen herabstuerzenden Wildbach. Es war der kleine Fluss Ixtolucca, der sich fuenfhundert Fuss unter ihm dahin waelzte. Einige Schritte weiter war ueber den Fluss eine Bruecke aus Agaveseilen geschlagen. An beiden Uferwaenden nur durch zwei eingerammte Pfaehle gehalten, schwankte diese Bruecke jetzt wie ein ausgespannter Faden. Krampfhaft erfasste Martinez die Lianen und kroch furchtsam auf die Bruecke. Mit aller Anstrengung gelangte er bis zu dem entgegengesetzten Ufer. Da richtete sich ein unheimlicher Schatten vor ihm auf. Martinez wich stumm zurueck und suchte das eben verlassene Ufer wieder zu erreichen. Aber auch hier erschreckte ihn eine dunkle Mannesgestalt. Auf den Knieen arbeitete er sich wiederum, die Haende vor Verzweiflung krampfhaft geschlossen, bis nach der Mitte der Bruecke zurueck. "Martinez, ich bin Pablo! rief eine Stimme. -- Martinez, ich bin Jacopo! erschallte eine andere. -- Du bist ein Verraether -- Du musst sterben! -- Du bist ein Moerder -- Du musst sterben!" Zwei scharfe Schlaege ... die Pfaehle, welche das Ende der Bruecke hielten, fielen unter den Aexten.... Ein entsetzliches Geraeusch, und Martinez stuerzte mit hoch erhobenen Haenden in den Abgrund. ------------------ Eine Strecke stromabwaerts, wo sich eine passirbare Furth des Ixtolucca befand, kamen der Aspirant und der Hochbootsmann wieder zusammen. "Ich habe Don Orteva geraecht! sagte Jacopo. -- Und ich, erwiderte Pablo, ich raechte mein Spanien!" So entstand zuerst die mexicanische Marine. Die beiden von den Verraethern ueberlieferten spanischen Kriegsschiffe verblieben dem jungen Freistaate und wurden zum Kerne jener Flotte, welche unlaengst Texas und Californien der Seemacht der Vereinigten Staaten streitig zu machen wagen durfte. ***END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK EIN DRAMA IN MEXICO.*** CREDITS April 8, 2008 Project Gutenberg TEI edition 1 Produced by K.-F. Greiner, Markus Brenner, Ralf Stephan, and the Online Distributed Proofreading Team at . Page-images available at A WORD FROM PROJECT GUTENBERG This file should be named 25019.txt or 25019.zip. 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To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4 and the Foundation web page at http://www.pglaf.org. Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit 501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification number is 64-6221541. Its 501(c)(3) letter is posted at http://www.gutenberg.org/fundraising/pglaf. Contributions to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by U.S. federal laws and your state's laws. The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S. Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered throughout numerous locations. 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