The Project Gutenberg EBook of Edgar Allan Poe, by Hanns Heinz Ewers This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this eBook or online at www.gutenberg.org Title: Edgar Allan Poe Die Dichtung, Band XLII Author: Hanns Heinz Ewers Release Date: February 16, 2007 [EBook #20589] Language: German Character set encoding: UTF-8 *** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK EDGAR ALLAN POE *** Produced by Louise Hope, Tamise Totterdell and the Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net (This file was produced from images generously made available by The Internet Archive/American Libraries.)
DIE DICHTUNG BD. XLII
EDGAR ALLAN POE VON
HANNS HEINZ EWERS
DIE DICHTUNGEINE SAMMLUNG VON MONOGRAPHIEEN
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Band | I. | Henrik Ibsen | von | Paul Ernst |
Band | II. | Anzengruber | von | J. J. David |
Band | III. | Victor Hugo | von | H. v. Hofmannsthal |
Band | IV. | Liliencron | von | Paul Remer |
Band | V. | Leo Tolstoj | von | Julius Hart |
Band | VI. | Hölderlin | von | Hans Bethge |
Band | VII. | Boccaccio | von | Hermann Hesse |
Band | VIII. | Cervantes | von | Paul Scheerbart |
Band | IX. | Gottfried Keller | von | Ricarda Huch |
Band | X. | Mörike | von | Gustav Kühl |
Band | XI. | Droste-Hülshoff | von | Wilh. v. Scholz |
Band | XII. | E. T. A. Hoffmann | von | Rich. Schaukal |
Band | XIII. | Franz von Assisi | von | Hermann Hesse |
Band | XIV. | Peter Hille | von | Heinrich Hart |
Band | XV. | d’Annunzio | von | Alberta v. Puttkamer |
Band | XVI. | Lenau | von | Leo Greiner |
Band | XVII. | Novalis | von | Willy Pastor |
Band | XVIII. | Walt Whitman | von | Johannes Schlaf |
Band | XIX. | Ebner-Eschenbach | von | Gabr. Reuter |
Band | XX. | Kleist | von | Wilh. Hegeler |
Band | XXI. | Wilhelm Busch | von | Rich. Schaukal |
Band | XXII. | Homer | von | Willy Pastor |
Band | XXIII. | C. Ferd. Meyer | von | Wilh. Holzamer |
Band | XXIV. | Theod. Fontane | von | Franz Servaes |
Band | XXV. | Grabbe | von | Otto Krack |
Band | XXVI. | Schiller | von | Fritz Lienhard |
Band | XXVII. | Rich. Wagner | von | Hans v. Wolzogen |
Band | XXVIII. | Hebbel | von | Wilhelm v. Scholz |
Band | XXIX. | J. P. Jacobsen | von | Hans Bethge |
Band | XXX. | Paul Verlaine | von | Stefan Zweig |
Band | XXXI. | Bismarck | von | Max Bewer |
Band | XXXII. | Klaus Groth | von | Timm Kröger |
Band | XXXIII. | Maeterlinck | von | Anselma Heine |
Band | XXXIV. | Oscar Wilde | von | Hedw. Lachmann |
Band | XXXV. | Lessing | von | Otto Ernst |
Band | XXXVI. | Fritz Reuter | von | Marx Möller |
Bd. XXXVII. | Sophokles | von | Paul Ernst | |
Bd. XXXVIII. | Verhaeren | von | Johannes Schlaf | |
Band | XXXIX. | Shakespeare | von | Franz Servaes |
Band | XL. | Heinrich Heine | von | Wilh. Holzamer |
Band | XLI. | Eichendorff | von | Gustav Falke |
Band | XLII. | Edgar Allan Poe | von | H. Heinz Ewers |
In Vorbereitung: | ||||
Luther | von | Adolf Bartels | ||
Gerhart Hauptmann | von | Hermann Stehr | ||
Li-tai-pe | von | Arno Holz | ||
Euripides | von | Hermann Bahr | ||
Richard Dehmel | von | Gustav Kühl | ||
Theodor Storm | von | Paul Remer | ||
und andere | ||||
Jeder Band elegant kartoniert M. 1.50 Jeder Band in echt Leder geb. M. 2.50 |
FÜR BÜCHERLIEBHABER WURDEN DIE ERSTEN ZWANZIG EXEMPLARE DIESES BUCHES AUF ECHTES BÜTTENPAPIER GEDRUCKT UND HANDSCHRIFTLICH NUMERIERT. DER PREIS DIESER IN ORIGINAL-COLLIN-LEDER GEBUNDENEN LUXUSAUSGABE BETRÄGT 10 MARK. SIE IST DURCH ALLE BUCHHANDLUNGEN ZU BEZIEHEN |
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dem Rauschkünstler, dem Träumer, der an Träume glaubt als an das einzig Wirkliche — wie es Poe tat, wie es der tut, der dies schrieb — sei dies Büchlein gewidmet.
In der Alhambra April 1905 |
HANNS HEINZ EWERS. |
Leicht schreitet mein Fuss über die grauen Steine, den alten Weg, den ich so oft gegangen, hinauf zu der Alhambra heiligem Haine. Das Tor der Granaten öffnet sich weit meiner Sehnsucht, dahinter bin ich der Zeit entflohen — — so leicht wandelt man in der Träume Land. Wo die Ulmen rauschen, wo die Springquellen plaudern, wo aus Lorbeerbüschen hundert Nachtigallen singen, da mag ich wohl an meinen Dichter denken.
***
Man sollte es nicht tun. Wirklich nicht.
Man sollte nicht hingehen und irgendein Buch lesen über den Künstler, den man liebt. Fast immer wird man enttäuscht sein — — wie kann ein Pfaffe über Gott sprechen? So vorsichtig soll man damit sein, so sehr vorsichtig.
Du solltest es so machen:
Du liebst Firdusi? — Goethe schrieb über ihn; den kennst du nicht? Nun gut: lies 10 erst alles, was Goethe schrieb, ehe du das liest, was er über den Perser sagt. — Und dann erst, wenn du den genau kennst, der über deinen Liebling schrieb, dann erst entscheide dich, ob du das lesen willst, was er über ihn sagt! — So wirst du keine Enttäuschung erleben.
Lies nie, was Hinz und Kunz über den Künstler schreiben, den du liebst. Und wenn Hinz und Kunz die allergrössten Sterne sind, und wenn dein Liebling ein ganz kleiner Nebelfleck ist — — lies es nicht! Lies es nicht eher, bis du Hinz und Kunz genau kennst, bis du weisst: sie haben ein Recht, über deinen Künstler zu sprechen.
Ich habe es nicht so gemacht. Ich habe irgendwoher ein paar dickflüssige Tropfen im Blute: unerträgliche deutsche Gründlichkeit. So eine Art Pflichtgefühl. Ich dachte: eh du über den Dichter schreibst, den du liebst, lies das, was andere vor dir schrieben. Ich dachte: „Vielleicht — —“
Ich las also viel über Edgar Allan — Nun bin ich so enttäuscht, so sehr enttäuscht. Da war nur einer, dessen Geist ihn fassen konnte.
Baudelaire, der aus dem Haschich eine Kunst schuf. — Wie hätte er ihn auch nicht fassen sollen, ihn, der aus Alkohol und Laudanum Kunstwerte formte?!
***
— Jetzt muss ich das alles vergessen, was die anderen sagten. Diesen grässlichen Griswold muss ich vergessen, dessen ganze Poebiographie nichts anderes ist, als ein giftiges Ausspucken: „Er soff, er soff, pfui doch, er soff!“ — — Und den noch grässlicheren Ingram muss ich vergessen, diesen Narren, der meinen Künstler ehrenrettete, indem er immer wieder stammelte: „Er trank gar nicht, wirklich, er trank gar nicht!“
Rasch, ehe ich sie vergesse, will ich die Daten niederschreiben, die ich von ihnen habe:
„Edgar Allan Poe, geb. am 19. Januar 1809 in Boston. Irische Familie, langer Stammbaum, normannisches, keltisches, angelsächsisches, italienisches Blut. 1816 nach England mit seinen 12 Pflegeeltern, ein paar Jahre in einer Boarding-School in Stoke-Newington. — 1822 zurück nach Amerika, 1826 Student in Richmond, dann in Charlottesville. 1827 Reise nach Europa mit unbekannten Abenteuern. 1830 Offizierskadett in Westpoint. 1834 Leiter des Southern Literary Messenger in Richmond. 1836 verheiratet mit seiner Cousine Virginia Clemm. Er schrieb. —1 Er lebte abwechselnd in New-Jork, Philadelphia, Richmond, Fordham. Es ging ihm sehr schlecht. ,Er soff‘ (sagt Griswold). ,Er trank gar nicht‘ (sagt Ingram). Er starb am 7. Oktober im Armenkrankenhaus zu Baltimore, vierzig Jahre alt.
So, das wären diese allergleichgültigsten Daten. Nun kann ich auch das vergessen.
— Wie schwer das doch ist! — Ganz langsam 13 gehe ich durch die Ulmenallee, hinauf zu dem Königsschloss. Links biege ich ein und durchschreite die mächtige Turmpforte des Gesetzes. Ich freue mich über die Hand da oben, die den bösen Blick bannt; ich denke: da werden meine Pfaffen draussen bleiben. Nun bin ich oben — — allein in den vertrauten Räumen.
Ich weiss wohl, wohin ich will. Rasch durch den Myrtenhof, durch den Saal der Mocaraben in den Hof der zwölf Löwen. Links hinein in das Zimmer der beiden Schwestern und durch das der Ajimeces. Nun bin ich da, im Mirador de Daraxa, wo Boabdils Mutter ‘Aicha wohnte. Ich sitze am Fenster, blicke hinaus auf die alten Zypressen — —
Wie schwer es doch ist, zu vergessen! Da gehen meine Pfaffen im Garten spazieren. Zwei englische Heuchler, runder Hut, kurze Pfeife, schwarzer Rock. Den Bädeker in der Hand.
„Er soff!“ zischt der eine.
„O nein, er trank wirklich nicht!“ fistelt der andere.
Ich möchte sie mit den Köpfen zusammenstossen! 14 Ich möchte ihnen zuschreien: „Fort, Ratten, fort! Hier sitzt einer, der träumt von dem Künstler, den er liebt! Er sang in eurer Sprache — — und ihr Stöcke wisst nichts von ihm!“ —
Sie gehen ja schon, gewiss doch! Ich bin wieder allein — —
***
Er soff — — er soff nicht! — So streiten Engländer über ihre Dichter! Sie lassen Milton verhungern, sie stehlen Shakespeare sein ganzes Lebenswerk, sie wühlen mit krummen Fingern in Byrons und Shelleys Familiengeschichten, sie begeifern Rossetti und Swinburne, stecken Wilde ins Zuchthaus und zeigen mit den Fingern auf Charles Lamb und Poe — — weil sie tranken!
Ich bin doch froh, dass ich ein Deutscher bin! Deutschlands grosse Männer durften — — unsittlich sein. Unsittlich — — das heisst: nicht eben genau so sittlich, wie die guten Bürger und Pfaffen. Der Deutsche sagt: „Goethe war unser grosser Dichter“. — 15 Er weiss, dass er nicht so sehr sittlich war, aber er nimmt ihm’s nicht weiter übel. — Der Engländer sagt: „Byron war unsittlich, darum war er kein grosser Dichter“. Nur in England konnte des widerlichen Moralpfaffen Kingsley Wort über Heine ein geflügeltes werden: „Sprecht nicht von ihm — — — er war ein schlechter Mensch!“ —
Wenn es aber gar nicht mehr anders geht, wenn alle Völker ringsum die „unsittlichen“ englischen Dichter anerkennen und lieben, wenn der Engländer endlich gezwungen wird, zu sprechen — — — dann lügt er. Er gibt seine Heuchelei nicht auf, er sagt dann: nach neueren Untersuchungen war der Mann gar nicht unsittlich; er war vielmehr hochsittlich, ganz rein und ganz unschuldig! So haben die englischen Lügner Byrons „Ehre gerettet“, so wird es nicht lange mehr dauern, bis sie auch aus Saulus Wilde einen Paulus machen! — So ist für Poe den Griswolds ein Ingram gefolgt: „Ach nein, er trank wirklich nicht!“
Die Engländer dürfen nun Edgar Allan Poe anerkennen, nachdem 16 ihm amtlich bescheinigt ist, dass er ein sittlicher Mensch war!
Wir aber, die wir nicht den geringsten Anspruch auf bürgerliche und pfäffische Sittenreinheit machen, wir lieben ihn, wenn er auch trank. Ja noch mehr, wir lieben ihn, weil er trank, denn wir wissen, dass eben aus dem Gifte, das seinen Leib zerstörte, reine Blüten entsprossten, deren Kunstwerte unvergänglich sind.
Wie Kunstwerte entstanden, das geht den Laien nichts an. Das hat der Künstler mit sich allein abzumachen, niemand darf da ein Wort mitreden, oder gar ein abfällig Urteil fällen. Nur die wenigen, denen er einen Einblick gewährt in sein Schaffen, weil sie ihn lieben, nur die dürfen schweigend zuschauen, dürfen erzählen — —
Wilde erzählt das Märchen von der wunderschönen Rose, die aus dem Herzblut der sterbenden Nachtigall erwuchs. Der Student, der sie brach, schaute und staunte, nie hatte er eine solch wunderrote Blutrose gesehen. Aber er wusste nicht, wie sie entstand.
Wir bewundern Odontoglossum grande, 17 die prächtigste Orchidee — — — ist sie weniger schön, weil sie sich von Insekten ernährt, die sie in der schmählichsten Weise langsam zu Tode quält? Wir freuen uns im Parke von Cintra über die herrlichen Lilien, wir staunen: so gross, so weiss haben wir sie nie gesehen! Was geht es uns an, dass sie all ihre aussergewöhnliche Pracht dem Umstand verdanken, dass der kluge Gärtner ihren Nährboden nicht mit dem „natürlichen“ Wasser, sondern mit Guano, mit ausgesuchtem Kunstdünger behandelte?!
— Es wird einmal eine Zeit kommen, wo man mitleidig lächeln wird über die breiten Landstrassen unserer rauschlosen Kunst, die nur spärlich hier und da durch des Alkohols trübe Laternen erhellt werden. Eine Zeit, für die die Begriffe Rausch und Kunst ein untrennbares Ganzes sind, die nur innerhalb der grossen Rauschkunst Unterschiede kennt. Dann erst wird man den Pfadfindern die hohe Stelle geben, die ihnen gebührt, den Hoffmann, Baudelaire, Poe — — den Künstlern, die zuerst bewusst mit dem Rausche arbeiteten.
18 Seid doch ehrlich! Gibt es einen Künstler, der des Rausches ganz entbehren kann? Nehmen sie nicht alle ihr kleines Giftchen: Tee, Tabak, Kaffee, Bier oder was es sei? Muss nicht der Geist „vergiftet“ werden, um Kunstwerte zu schaffen, sei es nun, dass er das Gift durch den Körper empfängt, sei es — — — auf andere Weise?
Denn es gibt manche andere Weisen — —
Die Kunst ist der Natur entgegengesetzt. Ein Mensch, der physisch und psychisch rein abstinent lebt, dessen Voreltern auch durch lange Generationen hindurch ebenso abstinent lebten, so dass sein Blut nicht, wie bei uns allen, längst „vergiftet“ ist, kann nie ein Künstler werden — wenn nicht eines Gottes Gunst seinem Leben andere Sensationen schenkt, die Ekstasen erwecken mögen. Aber auch das sind Vergiftungen des Geistes! Natur und Kunst sind die schlimmsten Feinde: wo die eine herrscht, ist die andere unmöglich.
Was ist — — im engsten, im besten Sinne — der Künstler? Ein Pionier der Kultur in das Neuland des Unbewussten!
19 Wie wenige verdienen in diesem heiligen Sinne den stolzen Namen! Th. A. Hoffmann verdient ihn, und Jean Paul und Villiers und Baudelaire — — Und ganz sicher auch Edgar Allan Poe, das müssen selbst die Griswolds dem Dichter zugestehen, der in so manchen seiner Geschichten ein geheimes Land der Seele betrat, von dem niemand vor ihm — und am wenigsten die Wissenschaft — eine leise Ahnung hatte!
In grauer Nebelwolke träumt vor uns das gewaltige Land des Unbewussten, das ewige Land unserer Sehnsüchte. Warm liegt der Bettler in der Sonne, hockt der satte Bürger am Ofen. Aber es gibt Menschen, deren blutende Sehnsucht so ungeheuer ist, dass sie hinaus müssen aus dem, was wir wissen. Robur et aes triplex muss ihre Brust schirmen, wenn sie das sonnige Land des Bewusstseins verlassen, wenn sie durch die grauen Mörderfluten nach Avalun steuern. Und viele, viele gehen schmählich zugrunde, ohne je einen Blick hinter die Wolken zu werfen.
Ganz wenigen aber gelingt die Fahrt. Sie finden ein Neuland, entdecken es für die Kultur: 20 sie haben die Grenzen des Bewusstseins ein Stück weiter hinausgeschoben.
Die Künstler sind diese ersten Entdecker. Dann mag die Menschheit Forscherfahrten ausrüsten, um das neue Land zu vermessen und zu untersuchen: Grundbuchleute und Katasterbeamte entsenden — — — Männer der Wissenschaft.
— — Nun ist gewiss, dass — neben andern Wegen — die sogenannten Gifte, die wir Narkotika nennen, geeignet sind, uns über die Schwelle des Bewusstseins hinauszuführen. Gelingt es jemand, in diesem „Jenseits“ irgendwo festen Fuss zu fassen, das Metaphysische in etwas Positives umzuwerten, so schafft er einen neuen Kunstwert, ist, im edelsten Sinne, ein Künstler.
Vielleicht ist hier nötig, die Binsenweisheit zu betonen, dass nie natürlich von einem Schaffen im Rausche selbst die Rede sein kann?! Oder die andere, dass kein Rauschmittel der Welt aus einem Menschen etwas heraus zu holen vermag, das nicht in ihm steckt?! Die Griswolds und Ingrams mögen 21 noch soviel Wein trinken, noch soviel Opium rauchen, noch soviel Haschisch essen, sie werden doch nimmermehr Kunstwerte schaffen! — — Aber: der durch Narkotica bewirkte Rausch ist unter Umständen — — neben andern Ursachen — geeignet, irgendwann später eine Ekstase hervorzurufen. Und: in dieser Ekstase leistet jeder Mensch das Höchste, was seine Intelligenz überhaupt zu leisten imstande ist.
***
Der Griswold hatte recht: Edgar Allan Poe trank. Und da — wie bei uns allen — sein Leib verhältnismässig schlecht auf die Vergiftung des Alkohols reagierte, abgestumpft war durch die Trinkgewohnheiten von Generationen von Vorfahren, so trank er viel. Er soff. — Aber er tat das mit Absicht, tat es, um in den Rauschzustand zu kommen, aus dem heraus er — später, vielleicht Jahre später — neue Kunstwerte schaffen konnte. Solch ein Rausch ist kein Genuss, er ist eine entsetzliche Qual, die bewusst nur der ersehnt, dem das 22 Kainszeichen der Kunst von der Stirne flammt.
— Gibt es eine schmählichere Lüge als die der Banausen: „Künstlerisches Schaffen ist keine Arbeit; es ist eine Freude!?“ Der das sagte, und die grosse Masse, die es gedankenlos nachplappert, haben nie einen Hauch der Ekstase verspürt, die allein künstlerisches Schaffen bedingt. Und diese Ekstase ist immer eine Qual, selbst dann, wenn — in seltenen Fällen — der Grund, der sie hervorrief, ein Genuss war.
Man sagt, dass die Katzenmütter ihre Jungen mit Genuss zur Welt bringen — — aber es sind auch nur arme blinde Kätzlein. So mag der Wochenplauderer der Buxtehuder Zeitung, mag der Textdichter von „Berlin bei Nacht“ mit Genuss seine Zeilen zu Papier bringen — — ein Kunstwerk ist nie ohne Schmerzen geboren worden.
***
Ich bin hinausgegangen. Durch den mächtigen Palast des fünften römischen Kaisers 23 deutscher Nation, der den Namen Karl führte. Quer durch den gewaltigen Säulenhof. Hinauf durch die lange Allee weissblühender Akazien, durch die Wiesen, die viele tausend blauer Iris tragen. Den Turm der Prinzessinnen liess ich mir aufschliessen, wo einst die Sultantöchter Zayda, Zorayda und Zorahayda am Fenster der gefangenen Christenritter Lieder belauschten.
Ich schau über das Tal auf den Hügel, von dem Boabdil beim Scheiden seinen letzten Seufzer dem verlorenen Granada sandte. Ich blicke auf den Garten des Generalife, deutlich sehe ich die vielhundertjährigen Zypressen, unter deren Schatten des letzten Maurenkönigs Frau — Hamet, dem schönsten der Abenceragen das unheilbringende Stelldichein gab.
— Hier erzählt jeder Stein eine trübe, verklungene Sage — —
Tief unten im Tal geht der Weg, der weit hinauf zur Totenstatt führt. Ein paar schwarze Ziegen weiden an den grünen Abhängen; hinten, unter dem Turm der Gefangenen, sitzt ein zerlumpter Zollwächter vor seiner schmutzigen 24 Höhle. Langohrige Kaninchen grasen um ihn herum, sieben Hähne, zum nahen Kampfe schon der Kämme und Schwanzfedern beraubt, picken im Boden oder fliegen aufeinander. Und weit im Osten glüht purpurrot der Schnee der wilden Sierra Nevada —
Ein Trupp zerlumpter Bengels zieht durch das Tal. Zwei tragen einen kleinen Kindersarg auf den Schultern, offen nach spanischer Sitte; ein anderer schultert den Deckel. Der Sarg ist sehr einfach, drei gelbe Bretter und zwei Brettchen. Aber drinnen liegen Blumen, viele Blumen, rote, gelbe und weisse und blaue Blumen, unter denen das wachsbleiche Köpfchen in schwarzem Haar hervorschaut. Kein Priester, keine Verwandten, nicht einmal Vater und Mutter im Zuge; sechs zerlumpte Bengels — —
Doch zwischen so vielen bunten Blumen ruht das tote Kind, in solch frischem, blühendem Dufte. Wie gut, dass man ihm die Augen nicht schloss! Nun schaut es heraus, neugierig aus den bunten Blumen, hinauf zu dem alten, maurischen Königsschloss. So zufrieden blickt es heraus aus seiner bunten Pracht, 25 das kleine tote Mädchen, so zufrieden und glücklich, wie es gewiss nie im Leben war.
Hier hätte Edgar Allan Poe sitzen müssen. Wie hätte er geträumt, wie wären die bunten Sagen auf leichten Flügeln um seine Stirn geflogen. Und er hätte in ehernen Worten eine neue Alhambra gebaut, die die hausdicken Türme der Nasseriden um viele Jahrhunderte überdauern würde — — —
Hier hätten ihn vielleicht andere Wege zur Ekstase geführt; er hätte wohl nicht getrunken. Aber er war ja da drüben in Neu-England, seine arme Dichterseele stark eingepfercht zwischen realsten Prosawerten, indes zur selben Zeit Washington Irving, dies Musterbild englischer Sittlichkeit, im Mondscheinzauber der Alhambra träumen durfte! Und seine Alhambrasagen wurden weltberühmt; Tag um Tag sehe ich die Fremden die geheiligten Räume betreten: in der Hand den Baedeker, in der Rocktasche sein Buch. So, wie sie im Hause der Vettier oder in dem des Dionysos die „Letzten Tage von Pompei“ lesen. Sind die paar Schönheiten in diesen Büchern, die sich nicht wegleugnen lassen, Lord Lyttons 26 oder Irvings Geiste entsprungen? O nein, ein Hauch der römischen Totenstadt, des maurischen Geisterschlosses goss sich in ihre Seelen, obgleich sie nicht Dichter, obgleich sie nur kleine bürgerliche Schreiberlein waren. Nicht Bulwer, nicht Irving schufen diese Schönheiten. Pompei schuf sie und die Alhambra — — trotz ihnen.
Poes glühende Sehnsucht kannte nichts von alledem. Um sich herauszuheben, um in sich eine Ekstase zu erwecken, die ihn forttrug aus all den Dutzendwerten, die ihn umgaben, blieb ihm nur ein Mittel. Von ganz geringen Anregungen abgesehen, die wohl kaum geeignet waren, zur Ekstase zu führen, hat dieser unglückliche Dichter nur einmal in seinem Leben von aussen her der Muse Kuss empfangen: durch sein schönes geliebtes Weib, Virginia Clemm. Mag der Moralist diesen Rausch einen heiligen, göttlichen nennen, mag er des Dichters andere Ekstasen, die aus Alkohol und hier und da aus Opium erwuchsen, als unheilig und teuflisch schelten: das 27 gilt uns gleich! Denn die Kunstwerte, die aus diesen hervorgingen, sind nicht weniger herrlich — —
Qualvoll aber war für den Geweihten die göttliche Ekstase kaum minder als die teuflische! Eine Hölle sollte ihm sein, was andern ein Paradies war, eine heissgeliebte, eine selige Hölle, deren Flammen aber nicht weniger sengten. Denn Virginia, deren sterbenden Augen wir Morella und Ligeia, Berenice und Leonore verdanken, war dem Tode bestimmt, ehe sie noch dem Dichter die Hand reichte. Er wusste, dass die Schwindsucht das leuchtende Rot auf ihre Wangen log, wusste, dass aus diesen tiefen, feucht schimmernden Augen die unerbittliche Krankheit herausgrinste. Wenn er am Abend die geliebten Locken streichelte, fühlte er: „Noch so viele Tage wird sie leben“; und am andern Morgen: „Wieder einen Tag weniger“. Eine Sterbende war es, die seine Lippen küsste, eine Sterbende, deren schöner Kopf nächtens neben dem seinen ruhte. Wenn er aufwachte von dem Röcheln und Rasseln ihrer mühsam arbeitenden Lungen, schien ihm das weisse Linnen ein Leichentuch, 28 schien ihm der kalte Tropfen auf ihrer Stirne ein Todesschweiss. Ein Sterben durch Jahre hindurch, ein sichtbares langsames Sterben der Geliebten — — das war das einzige — „Glück“ dieses unseligsten aller Dichter. O ja, Sensationen gab ihm die schöne todgeweihte Gattin, aber es waren Sensationen der Angst, des stummen verhaltenen Schmerzes, der Verzweiflung in lächelnder Larve: ein Paradies der Qualen. Lies seine schönsten Geschichten, die Virginia in seine Seele senkte: du wirst einen Hauch davon verspüren, in welch namenlosen Qualen sie geboren.
Ehe noch der letzte Faden zum Leben zerrissen und die stille Frau in die Gruft gesenkt war, schrieb Edgar Poe sein Meisterstück, den „Raben“. Und zu diesem Gedicht, das in der Weltliteratur nicht seinesgleichen hat, nahm er, — ich möchte es den englischen Heuchlern ins Gesicht schreien — die Ekstase wie aus dem „heiligen“ Rausche des um die Verlorene blutenden Herzens, so auch aus dem „gemeinen, lasterhaften“ Rausche der Weinflasche!
Jeder Irrenarzt, der sich mit Säuferwahnsinn 29 beschäftigt hat, wird mit Leichtigkeit nachweisen können, was in dem „Raben“ mit absoluter Gewissheit einem Delirium entstammt; ebenso leicht ist für den Psychologen der Nachweis des andern Rausches, den der Dichter Virginia, der „lost Lenore“, hier verdankt. Und damit vergleiche man das freimütige, wunderbar klare Essay, das Poe über die Entstehung des Gedichtes schrieb. Jede Strophe, jede Zeile, jeden einzelnen Wortklang begründet er in verblüffend einfacher Logik, es ist fast, als ob er den binomischen Lehrsatz beweisen wollte! Freilich die Hauptsache, die Ekstase und ihre Entstehung aus einem heiligen und einem — ach, so unheiligen Rausche erwähnt er mit keinem Wort — schrieb er sein Essay doch für neuengländische Magazinleser, wie hätten die einen Dichter verstehen sollen, der von einer Ekstase sprach!? Das Handwerksmässige, das rein Technische, das, was die Kunst ausmacht, die auf das Können sich stützt, das ist nie von einem Dichter klarer und überzeugender dargelegt worden, als in diesem Essay: ein Lehrbuch der Dichtkunst an einem Meisterbeispiel! Freilich — — 30 benutzen werden Gevatter Schneider und Handschuhmacher den Leitfaden nie können, für den Künstler aber ist er die wertvollste Belehrung, die es gibt. — Mag er daraus ersehen, dass „der göttliche Rausch“ allein kein vollkommenes Kunstwerk schafft, dass die gemeine Arbeit, die verachtete Technik, das Überlegen und Feilen, das Wiegen und Tönen ebenso unentbehrlich sind.
— Nicht der gewaltige Gedanke des arabischen Baumeisters allein schuf die herrliche Alhambra: Maurer und Eseltreiber, Gärtner und Anstreicher, jeder trug sein Teilchen bei!
— Edgar Allan Poe war der erste Dichter, der mit solcher Offenheit von der Arbeit, von dem rein Handwerksmässigen sprach. Da, und auch wohl nur da, war er Amerikaner, da stand er, und das will mehr sagen, an der Schwelle modernen Denkens — — als erster. Ein glänzender Beweis für den Vollwert dieses Künstlers, der nur von der Technik spricht und mit keinem Worte hier die Intuition erwähnt, die der Dilettant immer im Munde führt. Vielleicht, wenn er für andere Leser in seinem Magazine geschrieben hätte, 31 vielleicht wäre er noch einen Schritt weiter gegangen, hätte ihnen wohl gar von der Technik des Rausches erzählt.
Nie vor ihm hat ein anderer sein eigenes Kunstwerk so zergliedert, so bis auf die letzte Faser anatomisch zersetzt. Der göttliche Hauch, der die Bibel diktierte, spukt bis auf unsere Tage in dem Glauben der Masse herum, und die Herrn Künstler von Gottes Gnaden hüteten sich wohl, das Inspirationsfabelchen aufzuklären. Wenn der heilige Geist über sie kam — dann malten, dichteten, komponierten sie und setzten mehr oder weniger immakulate Geisteskindlein in die Welt. Das war so nett, so bequem, dass gewiss manche grosse Künstler selbst an die geheimnisvolle Weihe glauben mochten. „Trunken vom Gotte“, hiess der thrakische Sänger, auch wenn er so nüchtern war wie Sokrates. Dieser Gedanke, der sich in der dionysischen Urform fast mit unseren modernen Anschauungen von Rausch und Ekstase deckt, bekam in der spätern apollinischen Auffassung — — die „göttliche Salbung“, die die christliche Weltanschauung, wie so vieles, das klares Denken 32 zu trüben imstande war, mit grosser Begeisterung übernahm. Alle die schönen Phrasen von dem Platz im Olymp, von dem Kuss der Muse, von dem göttlichen Rausche, von dem Gottesgnadentum des Künstlers usw. — bei denen wir uns Gott sei Dank nicht das geringste mehr denken — haben da ihren Ursprung.
Es gehörte Mut dazu, diesen leuchtenden Nebel zu zerschlagen; wenige, gar wenige Gedichte der Weltliteratur vertragen eine solche unerbittliche Zersetzung. Aber weil Poe in seinem „Raben“ ein Kunstwerk geschaffen, so rein, so vollendet, konnte er den Schritt wagen. Das Kleinliche, das Lächerliche und Absurde, das alles Erhabene sonst in den Staub reisst, vermag nichts dieser Vollkommenheit gegenüber.
— Mein Blick fällt auf die Wandbekleidung des Saales. Im Stile Mudejar verschlingen und lösen sich die Arabesken und kufischen Sprüche, das Auge mag sich nicht satt sehen an all diesen phantastischen Harmonien. Nun, das arabische Wunderwerk besteht aus Gips, gemeinem Gips — — wie lächerlich, wie kleinlich, wie absurd! Aber obschon es aus erbärmlichem Gips besteht, verliert dieses vollkommene 33 Kunstwerk nichts von seiner Erhabenheit. Die gemeine Materie atmet den Hauch des Geistes — die Kunst triumphiert über die Natur, und diese Kunst ist so gross, dass ihr meine Erkenntnis des lächerlichen Stoffes nichts anhaben mag!
Poe brauchte eben das uralte Lügenmäntelchen nicht mehr. Er sah, dass es fadenscheinig und zerrissen war, und warf es kühn zur Seite. In den paar Worten, mit denen er in „Heureka“ den Begriff der Intuition definierte, als „eine Wahrheitserkenntnis, die sich auf Induktionen und Deduktionen gründet, die so schattenhaft sind, dass sie sich unserem Bewusstsein entziehen, sich vom Verstande nicht fassen lassen und der Ausdrucksfähigkeit der Sprache spotten“, — liegt eine klarere Erkenntnis der Wege des künstlerischen Schaffens, als einer seiner Zeitgenossen sie hatte. Indem der Dichterphilosoph also der sogenannten „Intuition“ der Philosophie gegenüber — speziell Aristoteles und Bacon gegenüber, mit denen er sich auseinandersetzt — eine Stelle einräumt, die ihr diese abspricht, bestimmt er zugleich ihren Wert und zwar in 34 einem engbegrenzten, untheologischen, durchaus modernen Sinne. Das ist das Grosse an diesem ersten Menschen mit modernem Geiste, dass er, der Romantiker, der Träumer, doch ein Anbeter des Verstandes war, der nie den Boden der Erde unter den Füssen verlor!
***
Edgar Allan Poe bekannte also — als Erster — offen die Technik des Denkens, nahm Zolas „Genie ist Fleiss“ um Jahrzehnte vorweg. Und dieser selbe Edgar Allan Poe schrieb in seinem Vorwort zu „Heureka“:
„Denen, die mich lieben und die ich liebe; den Träumern und denen, die an Träume glauben, als an das einzig Wirkliche — widme ich dies Buch der Wahrheiten, nicht um Wahrheiten zu erzählen, sondern um der Schönheit willen, die in der Wahrheit sich birgt, die allein die Wahrheit wahr macht. Ihnen weihe ich diese Arbeit, nur als ein Werk der Kunst, einen Roman, wenn ihr wollt; oder auch, 35 wenn das nicht zuviel gesagt ist, als ein Gedicht. Was ich hier sage, ist wahr, deshalb kann es nicht sterben: und wenn es irgendwie vergehen sollte, so wird es wieder auferstehen zu ewigem Leben.“
So stellt Poe, völlig unabhängig von Th. Gautier, sein L’art pour l’art-Prinzip auf. Grösser als Gautier, der die Schönheit nur mit dem Auge des Malers sah, stellt er seine Forderung, und auch tiefer als Gautier, dem die äussere Form allein die Schönheit offenbarte. Die Schönheit erst macht ihm die Wahrheit — zur Wahrheit, deren Daseinsberechtigung er ohne die Schönheit verneint: das ist die höchste Anforderung an die Kunst, die je gestellt wurde. Und da diese Forderung sich nur in Sehnsüchten erfüllen kann, sind ihm die Träume das einzig Wirkliche, spricht er dem wachen Leben jeden Realitätswert ab. Auch hier ist Poe — der Romantiker — ein Pfadfinder, auch hier offenbart er als Erster das, was wir „modernen Geist“ nennen. Hat er das von Zola gemünzte Prinzip des technischen Schaffens vorweg genommen, hat er weiter der Parnassier Kunstprinzip unabhängig 36 von ihnen aufgestellt, so überspringt er hier um ein halbes Jahrhundert die Zeit und gibt eine Forderung, so ultramodern, dass selbst heute nur ein kleiner Teil der fortgeschrittensten Geister sie in ihrer ganzen radikalen Grösse verstehen wird.
Die Befruchtung der Literatur der Kulturvölker durch Poes Geist wird erst in diesem Jahrhundert volle Blüten treiben: das vergangene sah ihm nur ein paar lächerliche Äusserlichkeiten ab, ein Räuspern und Spucken, das freilich den glücklichen Abguckern, den Jules Verne und Conan Doyle ein Vermögen eintrug. Ganz gewiss hat der darbende Poe diese Sachen nur für das tägliche Brot geschrieben: die See- und Mondreisen Gordon Pyms und Hans Pfaals usw., sowie einige der Kriminal-Novellen (wie z. B. der „Mord in der Rue de Morgue“, der „Entwendete Brief“, der „Goldkäfer“) sind durchaus nur aus dem Bedürfnis heraus entstanden, warm zu Mittag speisen zu können. Denn Poe wusste, was hungern heisst! So schrieb er diese Sachen, wie er auch Übersetzungen anfertigte und an allen möglichen wissenschaftlichen Werken 37 mitarbeitete. Freilich, jede einzelne der Geschichten, und sei es die schwächste, lässt alle Abenteuer des eminenten Sherlock Holmes verblassen. — Warum das grosse Publikum, und namentlich das englischredende, trotzdem Doyles lächerliche Detektivgeschichten mit Begeisterung verschlingt und die Poeschen aus der Hand legt? Nichts ist verständlicher! Poes Figuren sind, wie die Dostojewskys, so echt, seine Komposition ist so lückenlos, hält die Phantasie des Lesers so unentrinnbar in ihren Netzen, dass auch der Tapferste sich eines Grauens nicht zu erwehren vermag, eines qualvollen, mörderischen Grauens, das wie ein grausamer Albdruck festhält. Bei seinen so ausserordentlich beliebten Nachahmern aber ist dies Grauen nichts als ein angenehmer Kitzel, der in keinem kleinen Moment den Leser einen Zweifel an der Kulisse ankommen lässt. Der Leser weiss stets: das ist alles dummer Unfug; er steht über dem Erzähler — das will er! Poe aber nimmt ihn beim Schopfe, reisst ihn in Abgründe und schleudert ihn in Höllen, dass dem armen Tropf Hören und Sehen vergeht, dass er nicht 38 mehr ein noch aus weiss. Darum zieht der gute Bürger, der gern ruhig schlafen will, den Kulissenhelden der Bakerstreet vor und bedankt sich für Poes grauenhaften Nachtmar. Man sieht: auch da, wo er bürgerlich sein wollte, wo er für die grosse Masse schreiben wollte, steckte er sein Ziel viel zu hoch; sprach zu Bürgerköpfchen und glaubte zu seinesgleichen zu reden! Um sein Hirn zu Markte zu tragen, lief er von Verleger zu Verleger herum — — zu Leuten, die Stroh kaufen wollten!
***
Aber eine Zeit, die kommt, wird reif sein für des Dichters Gaben. Schon erkennen wir klar den Weg, der von Jean Paul und Th. A. Hoffmann zu Baudelaire und Edgar Allan Poe führt, diesen einzigen Weg, den eine Kunst der Kultur gehen kann, schon haben wir manche Ansätze — —
Diese Kunst wird nicht mehr in engem nationalen Kleide stecken. Sie wird sich bewusst sein, wie sich Edgar Allan Poe als Erster bewusst war, dass sie nicht für „ihr Volk“ da 39 ist, sondern einzig für die dünnen Kulturschichten, ob diese germanischer oder japanischer, lateinischer oder jüdischer Art sind. Kein Künstler hat je für „sein Volk“ geschaffen, und doch haben es fast alle gewollt und geglaubt. Der grossen Masse in Spanien ist Velazquez und Cervantes genau so völlig unbekannt, wie dem englischen Arbeiter Shakespeare und Byron, wie dem französischen Rabelais und Molière, wie dem holländischen Rembrandt und Rubens sind. Das deutsche Volk hat nicht die geringste Ahnung von Goethe und Schiller, es kennt die Bürger und Heine nicht einmal dem Namen nach. Die kleinen Rundfragen bei den Soldaten einzelner Regimenter: „Wer war Bismarck? — Wer war Goethe?“ sollten doch dem vertrauensseligsten Blinden endlich die Augen öffnen. Ganze Welten trennen den Kulturmenschen in Deutschland von seinen Landsleuten, die er täglich auf der Strasse sieht: ein Nichts aber, eine Wasserrinne nur, trennt ihn von dem Kulturmenschen in Amerika.
Heine fühlte das und warf es den Frankfurtern ins Gesicht, Edgar Allan Poe sprach 40 es noch viel klarer aus. Die meisten Künstler aber und Gelehrten und Gebildeten aller Völker hatten ein so geringes Verständnis dafür, dass bis auf unsere Tage Horaz’ feines „Odi profanum“ falsch ausgelegt wird! Der Künstler, der für „sein Volk“ schaffen will, erstrebt etwas Unmögliches und vernachlässigt darüber häufig etwas Erreichbares und doch Höheres: für die ganze Welt zu schaffen. Über dem Deutschen, über dem Briten und Franzosen steht eine höhere Nation: die Kulturnation; für sie zu schaffen, ist des Künstlers allein würdig. Hier war Poe bodenständig, so wie es Goethe war, wenn auch in anderm, ebenso bewusstem, aber längst nicht so modernem Sinne.
***
Ganz langsam schreite ich im Parke der Alhambra unter den alten Ulmen, die Wellington pflanzte. Zu allen Seiten plätschern die raschen Quellen, mischen ihren Singsang mit den süssen Liedern von hundert Nachtigallen. Zwischen den hohen Türmen schreite ich in dem üppigen Tale der Alhambra.
41 Wem gehört dieses Zauberschloss, dieser Träumegarten? Der spanischen Bettelnation, die ich verachte? Dem Fremdenpöbel mit dem roten Buche in der Hand, dem ich auf zehn Schritte schon aus dem Wege gehe? O nein! Mir gehört es, mir und den wenigen, die diese Schönheit in ihre Seele aufzunehmen vermögen. Deren Hauch diesen Steinen, diesen Sträuchern Leben zu leihen vermag, deren Geist es versteht, diese Schönheit zur Wahrheit zu machen. Alles um mich herum und all das andere, was schön ist auf dieser Erde, ist ein heiliges, unverletzliches Eigentum der Kulturnation, die über den Völkern steht. Sie ist Herrscherin, sie ist Besitzerin: einen andern Herrn duldet die Schönheit nicht. Das begreifen heisst die Welt ergreifen: Edgar Allan Poe tat es als Erster.
Ich sitze auf der Steinbank, auf der Aboul-Haddjâdj einst träumte. Vor mir springt ein Quell in die Höhe, fällt in das runde Marmorbecken. Ich weiss wohl, warum der Sultan hier sass, allein in den Dämmerstunden: o, es ist so süss, hier zu träumen.
War einst ein Dichter, der schrieb nichts 42 anderes, als Gespräche mit Toten. Mit allen sieben Weisen plauderte er und allen Königen Ninives. Und mit ägyptischen Priestern und thessalischen Hexen, mit Athens Sängern, mit Roms Feldherrn und mit König Artus’ Tafelrunde. Schliesslich mochte er mit keinem lebenden Menschen mehr reden: die Toten sind so viel unterhaltsamer! — O, man kann mit ihnen plaudern, gewiss doch. Alle Träumer können es, und alle die, die an Träume glauben, als an das einzig Wirkliche.
Bin ich nicht heute mit ihm, den ich liebe, dort oben durch die Säle gewandert? Habe ich nicht dem Toten ein Teil von der Welten Schönheit gezeigt, die des Lebenden Augen nie sahen? Nun steht er da vor mir, an die Ulme gelehnt — —
„Frage nur,“ sagt er.
Er fühlt wohl, wie ich mit den Augen ihn liebkosend frage. Und er spricht. Bald tropfen die Worte klar von den Lippen, bald plätschert seine Stimme aus dem Springbrunn, sie singt aus den Kehlen der Nachtigallen und rauscht mit den Blättern der alten Ulmen. So klug sind die Toten.
43 „Lass du mein armes Leben,“ sagt Edgar Allan Poe. „Frage Goethe darnach, der ein Fürst war, der sechs Hengste zahlte und mit ihnen durch die Welten jagte. Ich war ein Einsamer.“
Ich lass den Blick nicht von ihm: „Erzähle! Denen, die dich lieben, und die du liebst!“
„Das Leben vergass ich, das ich lebte,“ sagte er, „o nicht erst, seit ich tot bin, wie die Menschlein sagen. Jeden Tag vergass ich am nächsten Tage — — hätte ich sonst weiter leben können? — Mein wahres Leben aber, mein Leben in meinen Träumen, das kennst du ja!“
— — Vom Boden her huscht ein leichter Nebel durch den Abend, eine süsse Kühle fächelt meine Schläfen. Freilich: das Leben seiner Träume kenn ich wohl, schenkte er es doch mir und der Welt. Und langsam lass ich dies Leben in seinen Dichtungen vor mir vorübergleiten.
— — William Wilson. Natürlich ist es Poe. 44 So sehr Poe, dass der Pfaffe Griswold geruhig Wilsons Geburtsjahr — 1813 — als das des Dichters angibt! — Der Knabe herrscht in der alten Boarding-School zu Stoke-Newington über all seine Mitschüler, nur über einen nicht, den andern Wilson: sich selbst. Und er, dessen ererbter leichter Sinn ihn als Knaben, Jüngling und Mann immer wieder zum Lumpen werden lässt, wird sein Gewissen nicht los: den andern Wilson, sich selbst. Trotz des Gewissens stösst ihn sein Hang zum Verbrechen in der Welt herum, und immer von neuem ist er selbst sein strafender Richter.2
So ist des Dichters Kindheit, so sein Jünglingsalter vergiftet. Das ererbte und durch die Erziehung noch mehr entwickelte Gefühl für gut und böse ist so überstark in ihm, dass er aus dem ewigen Hin und Her nicht herauskommt, schier an ihm zugrunde geht. Jedes kleine Unrecht, das er begangen, wächst in seinen Träumen zum ungeheuerlichen Verbrechen 45 und quält ihn, quält ihn. Noch mehr: die Gedankensünde, das Spielen mit der Idee des Bösen sind in seinen Träumen zu Wahrheiten geworden: er ist selbst der Held all seiner grausigen Geschichten. Die Sünden der Väter rächen sich an dem letzten Spross des Geschlechtes; wie sein Friedrich von Metzengerstein reitet er auf dem dämonischen Ross in alle Flammen der Hölle.
***
— — Wie doch die Ulmenblätter rauschen! Und ich höre des Unseligen Stimme aus den Winden:
„Wenn ich kein Dichter gewesen wäre, wäre ich wohl ein Mörder geworden. Ein Betrüger, ein Dieb, ein Räuber und Falschspieler.“
Die Blätter der Ulmen klingen, und wieder rauscht seine Stimme:
„Und vielleicht wäre ich glücklicher gewesen.“
***
46 Ich denke: wer weiss? — Gibt es wohl einen Verbrecher, dem seine Taten die Martern brachten, wie dem Dichter die Verbrechen, die er nie begangen? Denn Edgar Allan Poe ist in seinen Träumen, die ihm allein das wahre Leben waren, nicht nur der Mörder, er ist auch zugleich das Opfer. Er mauert seinen Feind lebendig in den Keller ein — und er ist es selbst, der eingemauert wird. („Ein Fass Amontillado.“) Er mordet, weil er muss, den Mann mit dem Geierauge, er verscharrt ihn unter den Dielen, und das Herz, das darunter klopft und klopft und die Tat verrät, ist wieder sein eigenes. („Das verräterische Herz.“) Der doppelte William Wilson: überall.
Selten hat ein Künstler so wenig über dem gestanden, was er schuf, nie hat einer so sehr in seinen Werken gelebt. Ein Deutscher, ein Franzose hätte sich leichter von dem unseligen Moralbegriff emanzipiert; dem Dichter aber lastete durch Abstammung und Erziehung eine erdrückende Religiosität auf der Seele, von der er sich nie ganz befreien konnte. Spät erst gelang es ihm, sich etwas zu distancieren: 47 ganz jenseits von Gut und Böse hat er nie gestanden. Der alte englische Fluch drückte ihn, keine Folter wurde ihm erspart; diese arme Seele musste alle wahnsinnigen Höllenqualen der Breughel, der Jean van Bosch und Goya bis zur letzten Neige auskosten.
O ja, wäre er ein Verbrecher der Tat, nicht des Gedankens gewesen, hätte er am Galgen sein Dasein beschlossen, statt im Armenkrankenhaus, sein Leben wäre elend und jammervoll gewesen — — doch nicht so schrecklich, als es war.
Aber Tempel erstanden aus den Schädelstätten, Lilienfelder auf blutgedüngten Wiesen. Und wir Glücklichen geniessen die herrlichen Blumen, die aus des Dichters vergiftetem Herzblut erwuchsen.
***
Die Quellbächlein plätschern durch den Park der Alhambra. Kleine muntere Bächlein, die plaudern und schwatzen. In den schmalen 48 kieselgepflasterten Betten springen sie schnell vorbei, schnell wie die guten Stunden in des Dichters Leben dahineilten. Die Stunden, Minuten vielleicht, in denen er harmlos fröhlich sein konnte.
Dann träumte er irgendeinen lustigen Traum. Etwa von dem Manne mit der wunderbar grossen Nase, die alle Welt in Begeisterung setzte, die Maler malten und Herzoginnen küssten. Diese köstliche kleine Geschichte, die in der bizarren Art ihrer Anlage Mark Twain vorweggenommen ist. Nur dass bei Poe die grotesken Übertreibungen viel feiner, viel natürlicher herauskommen, dass sich nirgends ein Wortwitz vordrängend breit macht.
Oder er macht sich über die breiten Bettelsuppen lustig, die die Wochenblätter ihren gutmütigen Lesern auftischen, gibt der Miss Zenobia Unterricht, wie sie einen tüchtigen Blackwoodartikel abzufassen hat, lässt den ehrenwerten Herrn Thingum Bob von der „Weltlaterne“ höchst ergötzlich über seine literarische Laufbahn plaudern. — So leicht, so liebenswürdig und einschmeichelnd ist des Dichters Witz! Wie die Bächlein, die munter 49 plaudernd durch den Park der Alhambra plätschern — —
***
Aber wie die Nachtigallen schluchzen seine Träume der Sehnsucht. Und aus der Seele einer Nachtigall scheint die Stimme gemacht, die sie sang. So rein, so ohne Makel; die heilige Cäcilia möchte aus Neid ihre Geige zerbrechen und Apoll seine Leier zerschlagen. War dem Dichter in seinen Verbrecherträumen keine Hölle tief genug, so war ihm in diesen heiligen Gesängen kein Himmel zu hoch.
Nirgends finden wir bei Poe nur einen Satz, einen leisen Gedanken, der sich auf sexuelle Liebe bezöge. Die Erotik ist ihm so völlig fremd,3 wie keinem andern Dichter, den einen 50 Scheerbart vielleicht ausgenommen. Ebenso wenig ist irgendwo ein Zug sozialen Fühlens bei ihm zu entdecken. Und doch hat er ein Herz in der Brust, das sich nach Liebe sehnt, dem Liebesmitteilung unabweisbares Bedürfnis ist. Nur dass er den Menschen nicht lieben kann, weil er immer und überall die kleinen Seiten sieht, die ihn abstossen, die die zur Liebkosung ausgestreckte Hand festbannen, das schmeichelnde Wort auf der Zunge ersterben lassen. Da wendet sich die Sucht Gutes zu tun, Liebes zu erweisen, dem Tiere zu, streichelt den Hund, füttert die verhungerte Katze und ist dankbar für einen treuen Blick, für ein zufriedenes Schnurren. Wie bewusst 51 das alles dem Dichter war, geht aus seiner Novelle: „Der schwarze Kater“ hervor, wo er ausdrücklich diese Tierliebe als die reichste Quelle seiner Freuden bezeichnet. War es die reichste Freudenquelle eines armen Lebens, so war es auch gewiss die reinste, denn die hohe Liebe zu der sterbenden Gattin gab ihm Freuden nur mit grässlichen Qualen vermischt.
Der Edgar Allan Poe, der Roderich Usher ist, hatte wie der Engel Israfel des Korans statt des Herzens eine Laute in der Brust. Wenn er die schöne Geliebte anblickte, schluchzte sein Herz, und die Laute sang. Sang die hohen Lieder der Sehnsucht, deren Titel schon mit so süssen Tönen ins Ohr klingen, 52 die reinen Weisen von Morella und Berenice, von Eleonora und Ligeia. Dieselbe innere Musik, die den „Raben“ durchflutet und „Ulalume“, und die vielleicht das Höchste der Kunst ist, rauscht durch diese Poesie in Prosa. Und das Wort, das der Dichter seinem Weltensang „Heureka“ zum Geleite gab, gilt auch für diese Klänge: „They cannot die: or if by any means they be now trodden down, so that they die, they will rise again to the life eternal.“
Ja, sie haben Ewigkeitwert, sie werden die kurze Spanne Zeit leben, die wir Menschlein Ewigkeit nennen: das aber ist das Höchste, was je ein Mensch erreichen kann, auch in alle Zukunft hinaus.
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53 Für keine Zeit aber ist der Wert des Dichters Edgar Allan Poe ein höherer, als für unsere Tage, denn gerade unsere Zeit kann von ihm lernen — und sie tut es. Poe ist heute kein Problem mehr, er ist eine Erscheinung, die lichtklar vor allen denen liegt, die sehen können. Das Bewusste seiner Rauschkunst, das Hervorheben der Bedeutung der Technik, das klare Erkennen des parnassischen Kunstprinzips in weitester Auffassung, die starke bis zur äussersten Grenze gehende Hervorkehrung der hohen Bedeutung der innern Musik für alle Poesie — — das alles sind Momente, die einzeln von manchen andern betont sind, in ihrer Gesamtheit und durchdringenden Verbindung aber von keinem Künstler so erkannt 54 und angewandt sind, wie von dem neuenglischen Dichter. Und da diese Momente eben in ihrem Aggregat das darstellen, was als die Forderung des modernen Geistes für die Kulturkunst bezeichnet werden kann, so ist das eingehende Studium wohl keines Dichters für den Künstler und gebildeten Laien so dankbar, wie das Edgar Allan Poes. Dass man freilich solche Studien nicht an Übersetzungen machen kann, liegt auf der Hand: kennen lernen und geniessen mag man den Dichter in Übersetzungen, zu einem Eindringen in sein innerstes Wesen ist die Urform notwendig. Das mag von allen Dichtern gelten, von keinem aber mehr als von Poe.
***
55 Noch flöten die Nachtigallen, und aus ihren kleinen Kehlen singt die Stimme des Dichters, den ich liebe. Die leichten Winde schlagen die Flügel ein, die Blätter der Ulmen halten inne mit Rauschen. Selbst die Rieselbächlein lassen von ihrem Geplauder: der Park der Alhambra lauscht dem Gesange der Nachtigallen. Durch Hunderte von Jahren haben am Abend diese süssen Klänge die alten Türme und Mauern zur Ruhe gewiegt — — auch heute sind es die vertrauten Töne und doch anders, so anders. Eines toten Dichters Lautenherz klopft, und seiner Seele Lieder singen die kleinen Vögel. Da lauschen die Bäche und Bäume, da lauschen die roten Quadersteine, da lauschen die purpurglühenden Kuppen der Schneeberge. Und 56 ein unendlicher Seufzer klingt durch den grossen Garten von Westen her: das ist die warme, sinkende Sonne, die trauernd Abschied nehmen muss von eines Dichters erhabenem Sange.
Die Dämmerung atmet durch die Ulmen, und leichte Nebelschatten heben sich aus den Lorbeerbüschen, steigen hinab aus dem maurischen Geisterschloss. Wie ein langer Zug schreiten sie vorbei, setzen sich ringsum auf die Marmorbänke. Ich weiss wohl, wer sie sind: Granadas Dichter, Juden und Araber. Ganz nahe bei mir sitzt Gabirol, dann Ibn al-Khabib und Ibn Esra. Und Jehudah ben Halevy und Mohammed Ibn Khaldoûn und Ibn Batoûta, hundert tote Dichter lauschen schweigend dem Sange der Nachtigallen. Sie wissen alle, was heute die grauen Vöglein singen — so klug sind die Toten. Sie hören das Herz des Engels Israfel, von dem der Koran erzählt, und preisen dankend den Gott, der solche Töne erweckte. — Oualâ ghâliba ill’ Allâhta ‘alâ — murmeln die Nebelschatten der Alhambra.
57 Und die Nachtigallen singen von dunkeln Rätseln, von den reinen Quellen des Lebens, das eine grosse Sehnsucht ist. Sie singen von dem geheimnisvollen Gedanken, der alles erschuf und ewig durchdringt, von dem weltenbauenden Hauche, der mit unendlicher Liebe das All erfüllt. Singen von der Schönheit, die alle Wahrheit erst zur Wahrheit macht; von den Träumen, die das Leben erst zum Leben machen.
Poes Seele singt, und hundert tote Dichter lauschen den Klängen. Und von ihren Lippen lösen sich immer wieder die uralten Worte: — Oualâ ghâliba ill’ Allâhta ‘alâ. — — So dankbar sind die Toten.
***
Und tiefer sinkt die Nacht herein. Die Nachtigallen schweigen, und der Ostwind hebt sich von der Sierra her. Da weichen die Nebelschatten; wieder bin ich allein in der Alhambra verzauberten Parke, allein mit eines grossen Dichters Seele. Und wie der Wind durch die Blätter fährt, rauschen die alten Ulmen 58 und singen von „Ulalume“, der seltsamen Ballade von des Dichters schaurigem Traume — —
’The skies they were ashen and sober;
The leaves they were crispèd and sere —
The leaves they were withering and sere;
It was night in the lonesome October
Of my most immemorial year.
It was hard by the dim lake of Auber
In the misty mid region of Weir —
It was down by the dank tarn of Auber
In the ghoul — haunted Woodland of Weir.
Here once, through an Alley Titantic
Of Cypress, I roamed with my Soul — —
— — — —‘
Ich weiss wohl, dass ich es bin, der die Verse spricht. Aber ich fühle, dass meine Lippen nichts anderes sagen, als das, was die Ulmen da rauschen. Ich fühle: das ist das trübe Oktoberlied der heulenden Winde, das eines Dichters überirdische Sehnsucht in sich aufsog und in Menschenworte bannte. Das ist das Einatmen eines innersten Sinnes der Natur, ist ein Aufgehen des eigenen Wesens 59 im All und zugleich ein Durchdringen des Alls mit dem Gedanken, der die Urform allen Seins ist. Das ist ein kleiner Beweis für das von dem Dichter aufgestellte höchste Gesetz „von der Einheit als Quelle aller Dinge“.
Mein Mund spricht die geheimnisvollen Worte, die meinem Ohre der Wind zuträgt. Ich fürchte mich in dieser düstern Einsamkeit, in der eine märchenferne Zeit lebt; ich will hinaus aus dem Tale der Alhambra. Da verirrt sich mein Fuss, tappt im Dunkel und verfehlt den Weg. Und wie ich eine Allee gewaltiger Zypressen zu Ende schreite, stosse ich hart an ein niederes Tor. O, die Angst lehrt im Dunkeln sehn — — ich weiss, ich weiss, wessen Grab das ist. Und gegen meinen Willen sprechen meine Lippen zu meiner Seele:
— — — „What is written, sweet Sister,
On the door of this legended tomb?“
She replied: — „Ulalume — Ulalume —
’Tis the vault of thy lost Ulalume!“’
Immer steigert sich meine Furcht. Des toten Dichters Seele, die durch der Ulmen Blätter rauschte, in der Nachtigallen Sang erklang, 60 die aus den Quellbächlein plätscherte und des Windes schauriges Lied erfüllte, sie nimmt auch von mir Besitz. Von mir: einem winzigen Stäubchen der Natur, die sie durchdringt. Ich weiss, dass dieser Gedanke mich vernichtet, dem ich nicht entfliehen kann. Doch wehre ich ihm nicht, — — und seltsam! ich werde ruhig, so ruhig, wie ich ganz von ihm erfüllt bin.
Leise schwindet die kleine Menschenangst.
***
Nun finde ich auch meinen Weg wieder. Ich schreite durch die Pforte der Reben auf den Platz der Aljibes zu. Ich gehe in die Alcazaba, steige den Ghafar hinauf, den mächtigen Wachtturm der maurischen Fürsten. Ein leuchtender Halbmond glänzt nun zwischen ziehenden Wolken, das alte Wahrzeichen arabischer Grösse, das kein Christengott vom Himmel wegwischen kann. Ich blicke tief hinunter auf das kirchenfrohe Granada, lärmend und schwärmend im nächtlichen Strassentreiben. Das läuft in Kaffeehäuser, das liest 61 Zeitungen, putzt Stiefel und lässt sich Stiefel putzen. Das schaut in erleuchtete Ladenfenster, fährt in Trambahnen, ruft frisches Wasser aus und sammelt Zigarrenstummel. Das lärmt und schreit, zankt sich und verträgt sich wieder. — Und kein Mensch hebt den Blick, kein Mensch schaut hinauf auf die einzige Pracht hier oben!
Rechts von mir braust der Darro daher, hinten höre ich des Genil Rauschen. Helle Feuerscheine dringen aus den Erdhöhlen des Zigeunerberges, und zur andern Seite strahlen silbern im Mondlichte die Schneehäupter der Sierra. Zwischen dem Wachtturme, auf dem ich stehe, und den Purpurtürmen des Mohrenberges zieht sich tief im Tal der dunkle Park hin, hinter mir liegt, Saal an Saal, Hof an Hof, der Alhambra Zauberschloss.
Dort unten lärmt das kleine Leben des Jahrhunderts, hier oben ist der Träume Land. Und das da unten — — wie fern, wie unendlich weit ist das von mir. Und das hier oben — — ist nicht jeder Stein ein Stück meiner Seele? Bin ich, allein in dieser Welt der Geister, die das blinde Leben unten nicht sieht, bin ich nicht 62 ein Teil all dieser Träume? — Die allmächtige Schönheit macht diese Träume zur Wahrheit: hier blüht das Leben, und die Wirklichkeit da unten wird zum Schattenspiele.
Die Tat ist nichts — der Gedanke ist alles. Die Wirklichkeit ist hässlich, und dem Hässlichen fehlt die Berechtigung des Daseins. Die Träume aber sind schön, und sind wahr, weil sie schön sind.
Und darum glaube ich an die Träume, als an das einzig Wirkliche.
Es gibt Männer, von denen ein seltsamer Zauber ausgeht. Sie ziehen in ihren Bann, willenlos: man muss an ihre Persönlichkeit glauben. Und dann ist da ein Etwas, das zurückstösst; man weiss nicht, was es ist — — aber es ist da. Sie sind gezeichnet: mit dem Kennzeichen der Kunst. So war Oscar Wilde, so war Edgar Allan Poe.
Seine Gestalt war hoch, sein Gang leicht und seine Haltung stets harmonisch. Immer vornehm, trotz seiner Armut; von einer romantisch ritterlichen Art. Seine stolzen Züge waren regelmässig, ja, sie waren schön; die reinen Augen dunkelgrau mit einem seltsam violetten Glanze. Die selbstbewusste Stirn hoch und von wunderbarem Ebenmass. Bleich war stets seine Gesichtsfarbe und schwarz die Locken, die sie beschatteten. Schön war Edgar Allan Poe, an Leib und an Seele. Wie Musik klang seine leise Stimme — —
Geschmeidig war er und kräftig, zu jeder Leibesübung geschickt. Ein ausdauernder 64 Schwimmer, der einmal über sieben englische Meilen ohne zu ermüden von Richmond nach Warwick gegen reissenden Strom schwamm; ein gewandter Springer, eleganter Reiter und vorzüglicher Fechter, der mehr wie einmal einen Gegner heissblütig zum Zweikampfe forderte.
Er war ein Gentleman vom Scheitel zur Sohle. Seine gesellschaftlichen Formen waren kühl und doch bestrickend liebenswürdig. Er war weich und zart und doch ernst und fest. Er war ein Gelehrter, besass eine fast universale Bildung. Es war ein gleich grosser ästhetischer Genuss ihn zu sehen, wie ihm zuzuhören. Er war immer der Schenkende, und sein Fluch war, dass so wenige, wenige all derer, an die er seine reichen Gaben zerstreute, sie zu würdigen verstanden. Ein paar schöne Frauen — — verstanden ihn? — nein, aber sie ahnten den Adel seiner Seele; instinktiv, wie es immer die Frauen tun. — Drei Menschen, die zu seiner Zeit lebten, vermochten ihn ganz zu erfassen: Baudelaire und die beiden Browning. Aber sie lebten drüben im alten Europa, und er sah sie nie —
65 So war der Dichter allein, einsam in seinen verstiegenen Träumen.
Und wie er schön war und über alles die Schönheit liebte, so musste auch alles das schön sein, was ihn umgab. Grandiose Schönheiten schuf er in seinen Träumen, die ihm ja Wirklichkeit waren; da hauste er in Landors köstlichem Landhaus oder auf dem herrlichen Gute zu Arnheim. Aber auch in dem armen bescheidenen Leben, das die Pfennige zählt, wusste er um sich herum ein Sein zu schaffen, das die Bewunderung Reichster erregte. Seine kleine Hütte zu Fordham, in der er an der Seite der schönen todgeweihten Gattin ein Paradies der Qualen durchlebte, durchflutete eine köstliche Harmonie, die jeden Besucher entzückte. Krempel und Gerümpel stand da herum — — aber wie es herum stand, war es reizvoll und schön. Es war eine erbärmliche Hütte auf der Spitze eines kleinen Hügels, aber blühende Kirschbäume standen auf der grünen Wiese, kleine Singvögel lockten frühmorgens den Dichter hinaus in die nahen Fichtenwälder. Dann schritt er durch seine bunten Georginenbüsche, atmete den süssen 66 Duft der Reseden- und Heliotropbeete ein. Die leichte Morgenluft küsste seine feuchten Schläfen, streichelte die müden Augen, die die lange Nacht über an dem Lager der langsam sterbenden Geliebten gewacht hatten. Er ging zu der hohen Brücke über den Fluss Harlem oder an den felsigen Abhang und träumte dort, von alten Zedern beschattet, in das weite Land hinaus.
Nun ruht er — — irgendwo. Am Tage nach seinem Tode begrub man ihn, auf dem Westminsterchurchfriedhofe zu Baltimore. Wie einen Landstreicher las man den sterbenden Dichter von der Strasse auf, wie einen Hund verscharrte man ihn am andern Tage. Sein Grab soll nahe bei dem seines Grossvaters liegen, des Generals David Poe, der in dem Befreiungskampfe der Union sich einen Namen machte. Da ungefähr soll es sein; man weiss es nicht so genau. Kein Kreuz, kein Grabstein erhebt sich an der Stelle; kein Mensch bekümmert sich darum. Seine Landsleute haben andere Sorgen: was geht die ein toter Dichter an! — So eine Woche noch beschäftigten sie sich mit dem elend Verschiedenen 67 — um sein Andenken zu beschmutzen, zu begeifern. Alle die Lügengeschichten, die noch heute über ihn im Umlauf sind, wurden da erfunden; eine ganze Flut giftiger Tinte wurde über den toten Löwen verspritzt. Alle die Mittelmässigkeiten fielen über ihn her, die neidgeschwollenen Schreiberlein, die er so unbarmherzig zerrupft hatte. Stimmten ein in den Schlachtruf des Lügenpfaffen Griswold: „Er verreckte im Dusel! Er soff, er soff, er soff!“ — Dann vergass man ihn da drüben, und das war gut so: seine Landsleute waren eben lange noch nicht reif, ihres grossen Dichters Genie zu erkennen.
Ob sie es heute sind?
Aber nach hundert Jahren werden sie die morschen Knochen zusammensuchen, werden ihnen einen mächtigen Denkstein errichten und darauf schreiben:
„Die Vereinigten Staaten ihrem grossen Dichter.“
Mögen sie die Knochen behalten, die da drüben! Wir aber wollen des Dichters Seele lauschen, die in den Nachtigallenkehlen der Alhambra lebt.
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1. Die beste Ausgabe in englischer Sprache ist bei J. B. Lippincott Company, Philadelphia erschienen; eine deutsche Gesamtausgabe (die nur die kritischen Studien und einige Gedichte und Humoresken nicht enthält) erschien bei J. C. C. Bruns in Minden; einzelne Novellen in der Reclamschen und der Meyerschen Volksbibliothek.
2. Was seinen Biographen, den Pfaffen Griswold, nicht hindert, zu behaupten, „dass es in der ganzen Literatur kein Beispiel gäbe, bei welchem man, wie bei Poe, so sehr auch nur den Schatten eines Gewissens vermisse!“
49 3. Es ist völlig verfehlt, diese Tatsache, wie van Vleuten es tut, auf den übermässigen Alkoholgenuss zurückzuführen: Bacchus, der Venus Feind. Seine Bemerkung: „Dass der Alkohol ein Feind der physischen Liebe ist, weiss jeder Arzt; in Poe scheint er auch das psychische Äquivalent vernichtet zu haben“ („Zukunft“ 1903 pag. 189), ist mir aus dem Munde eines ernsten Psychiaters, wie van Vleutens, einfach unbegreiflich. Ich habe im Gegenteil häufig die Erfahrung gemacht — und mir von Psychiatern bestätigen 50 lassen — dass chronische Alkoholiker im Rausche oft genug, manche sogar regelmässig, eine ausserordentliche Steigerung des Geschlechtstriebes zeigen. Es ist hier nicht der Ort, auf diese Frage näher einzugehen, jedenfalls ist es eine Tatsache, die jeder Polizist bestätigen wird und die van Vleuten gewiss nicht leugnen kann, dass dreiviertel der nächtlichen Bordellbesucher in einem mehr oder weniger grossen Rausche handeln. Ist also die Hypothese van Vleutens falsch, so ist seine Schlussfolgerung völlig absurd: „in Poe scheint der Alkohol auch das psychische Äquivalent vernichtet zu haben. Deshalb war das Weib aus seinen Delirien verbannt; 51 und da sein Dichten fast ausschliesslich in seinen Delirien wurzelte, fehlt ihm die ganze Sphäre des Weibes und der Geschlechtsliebe“. — „Die Sphäre des Weibes“ fehlt Poe durchaus nicht, vielmehr hat er sie häufig, freilich stets in der denkbar reinsten und edelsten Form, verwandt. — Übrigens widerspricht sich van Vleuten selbst. Er stellt fest, „dass ’Der Rabe’ offenbar aus einem Delirium stamme“ (a. a. O. pag. 189). Nun, in diesem Gedicht spielt doch ein Weib die Hauptrolle, wie kann er da behaupten, dass „das Weib aus Poes Delirien verbannt sei“? — Der Satz, „dass der Alkohol der physischen Liebe — und sogar ihres psychischen 52 Äquivalents — Feind sei“, ist in dieser Allgemeinheit gewiss unrichtig; die Wirkung ist eben individuell völlig verschieden. Daher hätte sich van Vleuten seine Bemerkung, dass Baudelaire, als er auf die Asexualität der Novellen Poes hinwies, „keine rechte Erklärung hierfür habe finden können“, besser gespart. Baudelaire, dem bewussten Rauschkünstler par excellence, war ganz sicher diese sogenannte „Erklärung“ wohl bekannt, er gab sie mit Absicht nicht wieder, da er ihre Hohlheit durchaus erkannte. — — Die Asozialität des Dichters, die übrigens ebenso wie die 53 Asexualität beim Lesen Poes in die Augen springt, berührt van Vleuten leider mit keinem Wort: — möchte er etwa behaupten, dass ihr physisches Äquivalent bei ihm vorhanden gewesen, aber durch den Alkohol vernichtet worden sei?! — Logisch müsste er es, denn der innere Zusammenhang beider Momente — hier in der Negation — lässt sich doch einmal nicht verleugnen! — — Es ist übrigens unerhört, zu welchen Gewaltmitteln van Vleuten in seiner sonst klugen Arbeit greift, um den Dichter in das Prokrustesbett seiner vorher festgelegten Schablone zu pressen! So behauptet er: 54 „Die Landschaft Poes ist schematisch und einförmig. — — — Für die wirkliche Landschaft war der Blick des Kranken unempfindlich, wenigstens liess die Amnäsie keine Erinnerung daran haften.“ — Und solchen Unfug sagt ein Psychiater, der selbst ein begabter Dichter ist, von dem Edgar Allan Poe, der „Landors Cottage“ und „The Domain of Arnheim“ schrieb, diese Hohenlieder der Landschaft, in denen auf fünfzig engbedruckten Seiten von nichts anderm als von landschaftlichen Schönheiten die Rede ist! — Ich kann mir dies Vorgehen van Vleutens nur so 55 erklären, dass er Poes Werke nur bruchstückweise kennt und die erwähnten beiden Kabinettstücke, sowie die Mehrzahl seiner Gedichte, die eine Menge landschaftlicher Bilder enthalten, nie gelesen hat! Wenn ich ihn also in Schutz nehme vor dem Vorwurfe, bewusst Unrichtiges gesagt zu haben, so kann ich ihm doch den andern schweren Vorwurf nicht ersparen: ohne genügende Vorkenntnisse den Lesern der „Zukunft“, das heisst, unserm Elitepublikum, eine Arbeit vorgesetzt zu haben, die, obwohl im grossen ganzen gewiss anerkennenswert, doch in Einzelheiten schwere Irrtümer 56 enthält, die geeignet sind, das Bild eines der allergrössten Genies im Werte herabzusetzen.
Ein Fabelbuch (mit Etzel). IV. Aufl. Verlag Albert Langen, München
Die verkaufte Grossmutter. III. Aufl. Verlag Hermann Seemann Nachf., Berlin
Die Ginsterhexe. II. Aufl. Verlag J. von Schalscha-Ehrenfeld, Leipzig
Der gekreuzigte Tannhäuser. VI. Aufl. (Vergriffen)
C. 33 und anderes. (Vergriffen)
Das Grauen. Nachtstücke in Goya’s Manier. Verlag Concordia, Berlin
Moganni Nameh (Gesammelte Gedichte) Verlag Concordia, Berlin
Nationalzeitung: Richard Schaukal verbreitet sich in sachlicher Weise über E. T. A. Hoffmann, einen Vorfahren, dem Schaukal selber in seinem dichterischen Streben mannigfaltig verpflichtet ist. Er erzählt das Leben Hoffmanns an der Hand der alten Hitzig-Hippelschen Biographie und gibt dann eine gute Charakteristik des Hoffmannschen Gesamtwerkes, in jenem eigenwilligen Stil, der den Prosaschriften dieses Autors eine so amüsante persönliche Färbung verleiht.
Dresdener Anzeiger: ... Schaukal gibt viele Anregungen und ist mit seinem verzwickten barocken Stil, mit seiner blendenden Eindrucksfähigkeit in mehr als einer Hinsicht dem Wesen des Gespenster-Hoffmann verwandt. Wir finden hier ein tiefes Eindringen, ein williges Aufgehen in der Subjektivität. Haben wir das Buch von Schaukal gelesen, dann haben wir teils direkt, teils indirekt durch stilistische Kunst ein Bild E. T. A. Hoffmanns selbst.
Wiener Abendpost: Als Frucht einer langen über alle literarischen Umwälzungen geretteten Liebe und eines grossen Fleisses hat Schaukal seinen Essay über Hoffmann erscheinen lassen. In „Umrisse“ und „Palette“ teilt er ab, was er über den malenden und komponierenden Dichter zu sagen hat. Die „Umrisse“ zeichnen nach fremden Porträts rasch eine charakteristische Skizze von Hoffmanns seltsamem Leben und seiner idealisch glühenden Art. Mehr von Eigenem gibt Schaukal im zweiten Teile. Während der erste Abschnitt auch irgendeinem besonders feinfühligen Gelehrten gelingen könnte, spricht in der zweiten Abteilung ein Künstler von der zerrissenen, in ironischen Masken grinsenden Seele eines Künstlers.
Allgemeine Zeitung, München: Ungeachtet der Schriftenflut, die sich über den englischen Dichter und Lebenskünstler ergossen hat, ... wird man diese einfach geschriebene, von innerlicher Wärme erfüllte, in aller Bewunderung für ihren Helden massvoll abwägende, klar und fein durchgeführte Schilderung gerne lesen.
Strassburger Post: ... Zu einer grundverschiedenen Dichternatur, dem genialen, unglücklichen Engländer Oscar Wilde, führt den Leser Hedwig Lachmann, die Wildes „Salome“ ins Deutsche übertragen hat. „Wie in einer tragischen Dichtung aus Anlagen und Verhältnissen das Geschick des Helden mit geradliniger Folgerichtigkeit herausrollt, so, als wäre es von einem Dichterhirn ersonnen und in die Welt gestellt, spielt sich das Leben Oscar Wildes ab.“
Berner Bund: „Die Dichtung“, die im Verlage von Schuster & Loeffler herausgegeben wird, enthält wohl das Feinste, was bis jetzt in Deutschland über den englischen Dichter geschrieben wurde. Sein Leben und sein Werk werden als aus derselben Wurzel hervorgehend begriffen und gewürdigt.
Edgar Allan |
Kritische Ausgabe in 10 Bänden, Herausgegeben und übersetzt von Hedda u. Arthur Moeller-Bruck. Brosch. 10 Bände à M. 2.—, geb. 10 Einzelbände à M. 2.50 od. 5 Doppelbände à M. 5.—. |
Band I: „Leben und Schaffen“ (enthält neben einer Vorrede die Lebensbeschreibung des Dichters durch seinen Biographen John H. Ingram in Übersetzung, eine Darstellung von Poes künstlerischem Schaffen aus der Feder Arthur Moeller-Brucks, sowie zwei Aufsätze Poes). — Band II: „Gedichte“ (enthält die metrisch gebundenen Poesien, ein Dramenfragment und einige mehr lyrische Prosastücke). — Band III: „Heureka“ (enthält neben der grossen Kosmogonie selbst, weitere mehr lyrische Prosastücke). — Band IV: „William Wilson“ (enthält im allgemeinen die romantisch-phantastischen Novellen). — Band V: „Der Geist des Bösen“ (enthält im allgemeinen die Kriminalnovellen). — Band VI: „Mesmeristische Enthüllungen“ (enthält im allgemeinen die spiritistischen Novellen). — Band VII: „Hans Pfaalls Mondfahrt“ (enthält im allgemeinen die aëronautisch-, geographisch- usw. phantastischen Novellen). — Band VIII: „Die Abenteuer Gordon Pyms“ (Roman). — Band IX: „Der Teufel im Glockenstuhl“ (enthält im allgemeinen die Satiren). — Band X: „Der Engel des Wunderlichen“ (enthält im allgemeinen die Grotesken).
Die einzelnen Bände können einzeln bezogen werden, jeder Band bildet ein abgeschlossenes Ganzes. Die Ausstattung des Werkes, dem eine hervorragende literarische Bedeutung innewohnt, ist gediegen.
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Sep 18 1936
Sep 28 1943 (Der Verfasser starb im juni dieses Jahres)
May 24 1991
Auto -?- April 24 1991
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End of the Project Gutenberg EBook of Edgar Allan Poe, by Hanns Heinz Ewers *** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK EDGAR ALLAN POE *** ***** This file should be named 20589-h.htm or 20589-h.zip ***** This and all associated files of various formats will be found in: http://www.gutenberg.org/2/0/5/8/20589/ Produced by Louise Hope, Tamise Totterdell and the Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net (This file was produced from images generously made available by The Internet Archive/American Libraries.) Updated editions will replace the previous one--the old editions will be renamed. Creating the works from public domain print editions means that no one owns a United States copyright in these works, so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United States without permission and without paying copyright royalties. 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