The Project Gutenberg EBook of Chr. M. Wieland's Biographie, by H. Doering This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this eBook or online at www.gutenberg.org Title: Chr. M. Wieland's Biographie Author: H. Doering Release Date: January 4, 2006 [EBook #17454] Language: German Character set encoding: *** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK CHR. M. WIELAND'S BIOGRAPHIE *** Produced by richyfourtytwo, Hagen von Eitzen and the Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net
Biographien
deutscher Classiker.
Supplement
zu der G�schen-Cottaischen Ausgabe
„deutscher Classiker.“
Drittes B�ndchen.
Chr. M. Wieland.
Jena,
Verlag von Carl Doebereiner.
1853.
Chr. M. Wieland's
Biographie
von
Dr. H. Doering.
Complet in Einem B�ndchen.
Jena,
Verlag von Carl Doebereiner.
1853.
Christoph Martin Wieland erblickte in dem unfern der ehemaligen freien Reichsstadt Biberach gelegenen Dorfe Ober-Holzheim am 5. September 1733 das Licht der Welt. Sein Vater, Matthias, der dort eine Pfarrstelle bekleidete, doch bald nachher Prediger an der Marien-Magdalenenkirche zu Biberach ward, hatte die Jurisprudenz, der er sich anfangs gewidmet, sp�ter in Halle mit dem Studium der Theologie vertauscht. Er war ein eifriger Anh�nger Spener's und des damals weit verbreiteten Pietismus geworden. Vorherrschend blieb in seinem Benehmen immer eine gewisse Abgemessenheit, ein feierlicher Ernst, den er von der priesterlichen W�rde f�r unzertrennlich hielt. Seine Liebe zur Einsamkeit hatte zum Theil in seinen beschr�nkten Verh�ltnissen ihren Grund. Durch langwierige Processe seiner Mutter hatte er sein kleines Erbtheil fast ganz eingeb��t. Mit gleicher Resignation, wie er, ertrug seine Gattin, eine geborne Kieke, die mannigfachen Entbehrungen, die ihres Mannes Lage zu fordern schien. Sie war eine stille, anspruchslose Hausfrau, die jede �berfl�ssige Ausgabe zu vermeiden suchte. Mit inniger Liebe hing sie an ihrem Sohne, und diese Liebe verminderte sich nicht, als ihm noch ein Bruder geboren ward, der schon fr�h an Engbr�stigkeit litt, und bereits im J�nglingsalter starb.
Seiner Amme verdankte Wieland, wie er in sp�tern Jahren erz�hlte, seine gro�e Liebe zur Reinlichkeit. Als ihm einst der Dreier, wof�r er sich beim Gange in die Schule sein Fr�hst�ck kaufen sollte, zuf�llig aus der Hand fiel, konnte er sich nicht entschlie�en, die sehr beschmutzte Kupferm�nze wieder aufzuheben. Er zog es vor, hungrig die Schule zu betreten. Ein gewisser Ernst, der ihn selbst bei seinen jugendlichen Spielen nie ganz verlie�, blieb ihm in seinen Knabenjahren eigen. Von Natur war er schw�chlich. Aber bei dem Unterricht, den ihm sein Vater schon im dritten Lebensjahre ertheilte, entwickelten sich bald seine Geistesanlagen in reger Wi�begier, schneller Auffassungsgabe und einem trefflichen Ged�chtni�. Er war noch sehr jung, als er, au�er einer gr�ndlichen Kenntni� des Lateinischen und Griechischen, auch in der Mathematik, Logik und Geschichte bedeutende Fortschritte gemacht hatte. Mit einer sehr regen Phantasie verband er W�rme und Innigkeit des Gef�hls. Durch seine Gem�thsanlagen, vielleicht auch durch das Beispiel seines Vaters neigte er sich fr�h zur religi�sen Schw�rmerei. Ver�ndert ward diese Geistesrichtung durch das mit gro�em Eifer von ihm betriebene Studium der r�mischen und griechischen Classiker. Die Lebensbeschreibungen der Helden im Cornelius Nepos begeisterten ihn.
Lebhaft regte sich seit seinem zw�lften Jahre Wielands Gef�hl f�r Poesie, noch ehe er den Virgil und Horaz gelesen hatte, die sp�terhin seine treuen Begleiter auf einsamen Spazierg�ngen wurden. Seine ersten poetischen Versuche waren lateinische Verse. Anakreon war sein Vorbild bei einem Gedicht von der Echo, dem er eine Ausdehnung von beinahe 600 Versen gab. Nicht viel k�rzer war ein anderes Gedicht in Distichen, zu welchem ihm die bekannte Fabel von den Pygm�en den Stoff bot. Dies Gedicht war eigentlich eine Satyre auf die sehr kleine Frau des Rectors an der Schule zu Biberach. In deutschen Versen w�hlte sich Wieland den durch sein „Irdisches Vergn�gen in Gott“ gefeierten Dichter Brockes zum Muster. Von Gottsched, dem damaligem Tonangeber des guten Geschmacks, entfernte ihn sein sehr feines Gef�hl f�r das wahre Sch�ne.
Nicht blos der Form, auch dem Inhalt nach, blieb Brockes Wielands Vorbild in mehreren Cantaten und andern religi�sen Dichtungen, die er zwischen seinem zw�lften und dreizehnten Jahre schrieb. Auch einige Opern und Ballette fielen in jene Zeit. Seine Begeisterung f�r die Poesie hatte jedoch mit manchen Hindernissen zu k�mpfen. Das vaterliche Verbot, mit irgend etwas Anderem, als wissenschaftlichen Gegenst�nden sich zu besch�ftigen, n�thigte ihn, fr�h aufzustehen, und die Morgenstunden zu seinen poetischen Arbeiten zu benutzen. Keins seiner dichterischen Versuche, ein Epos, „die Zerst�rung Jerusalems“ betitelt, nicht ausgenommen, gen�gte ihm. In jugendlichem Unmuth verbrannte Wieland die meisten seiner poetischen Versuche, und auch die wenigen, die seine Mutter gerettet hatte, traf sp�terhin ein gleiches Schicksal.
Wielands Gef�hl f�r die Sch�nheiten der Natur ward fr�h geweckt durch die anmuthigen Umgebungen der Stadt Biberach. Die Liebe zur Einsamkeit blieb ein vorherrschender Zug in seinem Charakter. Oft brachte er nicht blos einen gro�en Theil des Tages, sondern auch manche Sommernacht in dem an der v�terlichen Wohnung gelegenen Garten zu. In froher Erinnerung an seine Jugendzeit dichtete er sp�ter (1780) in seinem „Oberon“ die Verse: „Du kleiner Ort, wo ich das erste Licht gesogen, den ersten Schmerz, die erste Lust empfand“ u.s.w. In einem sp�tern Briefe an einen Freund gestand Wieland, da� sein Jugendleben in einer anmuthigen Gegend gro�en Einflu� auf seine Bildung gehabt habe.
Sein vierzehntes Jahr hatte er kaum erreicht, als ihn sein Vater nach der bei Magdeburg gelegenen Lehranstalt Klosterbergen sandte. Unter dem Abt Steinmetz, dem damaligen Director jenes Instituts, war Wieland, bei dessen Hinneigung zum Pietismus, der Gefahr ausgesetzt, ein religi�ser Schw�rmer zu werden. Seine Liebe zur Einsamkeit fand in Klosterbergen neue Nahrung. Heilsam war ihm daher das mit besonderem Eifer betriebene Studium der neuern Sprachen. Im Franz�sischen machte Wieland, ungeachtet eines sehr mittelm��igen Lehrers, schnelle Fortschritte. Bald war er im Stande, ohne H�lfe eines W�rterbuchs, mehrere franz�sische Schriftsteller zu lesen. Fontenelle, d'Argens und Voltaire waren seine Lieblinge, obschon der Letztere durch seinen Spott �ber religi�se Gegenst�nde Wielands Gef�hl emp�rte. Er war durch diese Lect�re allm�lig ein Skeptiker geworden. In einem philosophischen Aufsatze suchte er zu beweisen, da� das Universum, ohne einen Gott, aus ewigen Elementen sich habe bilden k�nnen. Die harten Vorw�rfe, die ihn von seinem Lehrer wegen dieses Jugendproducts trafen, konnte nur Wielands tadelloses, rein sittliches Leben einigerma�en mildern. Er klagte jedoch sich selbst hart an wegen seiner Zweifel an der Existenz Gottes. In schlaflosen N�chten rang er sich die H�nde fast wund, und vergo� bittere Thr�nen der Reue. Er war an seinem Glauben irre geworden, und f�rchtete die Ewigkeit der H�llenstrafen.
Eine freiere Richtung nahm Wielands Geist, als er sich wieder den classischen Studien zuwandte. W�hrend seines zweij�hrigen Aufenthalts hatte er den Livius, Terenz, Horaz, Virgil und andere r�mische Autoren f�r sich gelesen. Auch einige griechische Schriftsteller w�hlte er zu seiner Lect�re. Den gr��ten Einflu� auf seine Denk- und Sinnesart gewann Xenophon. In sp�tern Jahren erz�hlte Wieland, wie er sich damals an der Cyrop�die nicht habe satt lesen k�nnen. Besonders gefiel ihm die Episode von „Araspes und Panthea,“ die er sp�terhin zum Stoff einer Dichtung w�hlte. Die „Denkw�rdigkeiten des Sokrates“ galten ihm, nach seinem eignen Ausdruck, f�r „das Evangelium der Welterl�sung.“ Eine �hnliche Richtung, wie sie Xenophon verfolgte, fand Wieland in dem Spectator, Tatler, Guardian und andern englischen Journalen, die ihm damals zuf�llig in die H�nde geriethen.
Philosophische Studien, die er schon fr�h lieb gewonnen hatte, behielten noch immer einen lebhaften Reiz f�r ihn. Unter den Alten war Cicero sein Liebling. Das ernste Studium von Wolfs Schriften und von Bayle's historisch-kritischem W�rterbuche vollendete Wielands philosophische Bildung. In sp�tern Jahren gestand er, da� er „durch eine poetische Manier, in den metaphysischen terris incognitis herum zu vagiren,“ damals von einem System zum andern �bergesprungen sei. Von diesem Schwanken befreite ihn einer seiner Lehrer, R�ther mit Namen, der sich seiner wahrhaft v�terlich annahm. Auch der Conventual Gr�ter machte sich vielfach um seine Geistesbildung verdient.
Wielands Flei� w�hrend seines zweij�hrigen Aufenthalts in Klosterbergen war musterhaft. Neben seinen philologischen und philosophischen Studien betrieb er mit Eifer sein k�nftiges Berufsfach, die Theologie. Er fand noch Mu�e, sich im deutschen Styl zu �ben, f�r den in den damaligen Lehranstalten wenig gesorgt war. Belehrend waren f�r ihn die zahlreichen Beispiele aus alten und neuern Schriftstellen in Breitinger's kritischer Dichtkunst. Auch durch das Lesen mancher kritischer Bl�tter suchte er sich zu bilden. Er fand darin reichen Stoff zum Vergleichen und Pr�fen, nachdem er seine eignen poetischen Kr�fte mehrfach versucht hatte.
Obgleich weniger productiv, als fr�her, hatte Wielands Neigung zur Dichtkunst sich nicht vermindert. Anziehend waren f�r ihn, au�er Gellert und Hagedorn, besonders Hallers Gedichte durch ihren philosophischen Inhalt und durch die W�rde der Sprache. Verdr�ngt aber wurden jene Dichter, als Klopstock mit seinem „Messias“ hervortrat. Unbeschreiblich war Wielands Enthusiasmus, als er die ersten Ges�nge jener Dichtung in den „Neuen Beitr�gen zum Vergn�gen des Verstandes und Witzes“ gelesen hatte. Er fand in jenen Ges�ngen volle Befriedigung f�r Geist und Herz, f�r seine Religi�sit�t und f�r sein poetisches Gef�hl.
Der Dichtkunst blieb Wieland auch in Erfurt treu. Auf den Wunsch seines Vaters hatte er sich 1749 in die genannte Stadt begeben. Er war damals sechszehn Jahre alt. Den gr��ten Theil der poetischen Versuche, die in jener Zeit entstanden, verwarf Wieland wieder, oder lie� sie wenigstens unvollendet. Zu einem ziemlich langen Epos in Hexametern bot ihm die griechische Mythologie den Stoff. Unter solchen Besch�ftigungen f�hrte er auch in Erfurt ein einsames Leben. Der Mangel eines Jugendfreundes n�thigte ihn, sich an �ltere Personen anzuschlie�en, zu denen ihn der Ernst seines Wesens ohnedie� hinzog.
Einen v�terlichen Freund fand er in Erfurt an dem mit seiner Familie verwandten Dr. Baumer, der sp�ter eine Professur der Medicin und Chemie in Gie�en erhielt, und dort als Hessen-Darmst�dtischer Bergrath starb. Seine Kenntnisse in der Philosophie zu berichtigen und zu erweitern, war die Hauptaufgabe, die Wieland in Erfurt sich stellte. Baumer's logische Vorlesungen und ein Privatissimum �ber die Wolfische Philosophie gaben seinem Geiste reiche Nahrung. Mit Vergn�gen erinnerte sich Wieland in sp�tern Jahren, an den Genu�, den ihm Baumer verschafft, als er ihm zur Lect�re des Don Quixote verholfen. Aus jenem Roman habe er „die gro�e allgemeine Naturgeschichte der menschlichen Thorheit und Narrheit“ kennen gelernt.
Bereichert mit mannigfachen Kenntnissen, kehrte Wieland 1750 nach Biberach zur�ck. Der Sommer, den er im elterlichen Hause zubrachte, war eine der merkw�rdigsten Perioden seines Lebens. In diese Zeit fiel Wielands erste Liebe. Ihr Gegenstand war Sophie v. Gutermann, die Tochter eines Arztes, der mit Wielands Eltern in freundschaftlichen Verh�ltnissen stand. Nicht durch bl�hende Sch�nheit, durch jugendliche Reize f�hlte sich Wieland zu Sophien hingezogen. An seinem rein platonischen Liebesverh�ltni� hatte die Sinnlichkeit auch nicht den entferntesten Antheil. Was ihn an Sophien fesselte, war ihre ausgezeichnete Geistesbildung, die sie schon fr�h durch das Lesen der besten deutschen Schriftsteller erlangt hatte, ihr rastloses Streben nach Erweiterung ihrer Kenntnisse, und ihr gl�hender Enthusiasmus f�r alles Gute, Wahre und Sch�ne. Obgleich nur zwei Jahre �lter, als Wieland, �bte Sophie doch durch die Festigkeit ihres Charakters und innere Haltung eine seltene Herrschaft �ber den jungen Schw�rmer aus. An Kenntnissen ihr �berlegen, suchte Wieland mit poetischer Begeisterung Sophiens rege Wi�begierde zu befriedigen.
Diesem Verh�ltni� dankte Wielands erstes gedrucktes Gedicht seinen Ursprung. Auf einem einsamen Spaziergange nach dem St. Martinskirchhofe traf Sophie einst ihren Freund, und ihre Gef�hle begegneten sich dort zum ersten Mal in der Begeisterung f�r die Sch�nheiten der Natur. Ein solches Stillleben, meinte Wieland, sei allen ger�uschvollen Freuden der Welt vorzuziehen. Durch den Umgang mit Sophien, �u�erte er in einem sp�tern Briefe, mit Hindeutung auf seinen fr�hern Skeptizismus, sei er ein ganz anderer Mensch, ein Freund der Tugend und Religion geworden. Unverge�lich blieb ihm noch in sp�tern Jahren ein sch�ner Sommertag, an welchem er mit der Geliebten in den freundlichen Umgebungen von Biberach umhergewandelt, und sich mit ihr von der Bestimmung der Geister und Menschen und von der W�rde der menschlichen Seele unterhalten hatte. Durch eine Predigt seines Vaters �ber den Text: Gott ist die Liebe, war er auf dies Thema gef�hrt worden. Die Frucht jenes enthusiastischen Gespr�chs, das seine Begleiterin bis zu Thr�nen r�hrte, war Wielands Lehrgedicht: „Die Natur der Dinge oder die vollkommenste Welt.“ Es ward im Februar 1751 begonnen, im April des genannten Jahres vollendet, und noch im Jahr 1770 zum dritten Mal gedruckt.
Mit Schmerz trennte sich Wieland von der Geliebten, die im Herbst 1750 nach Augsburg zur�ckkehrte, wo ihr Vater, fr�her in Kaufbeuern ans�ssig, sich niedergelassen hatte. Noch oft trat in T�bingen, wo Wieland um diese Zeit seine akademische Laufbahn er�ffnete, Sophiens Bild vor seine Seele. Der Eindruck, den sie auf sein Herz gemacht, war so tief, da� die in einem Briefe seines Vaters ausgesprochenen Zweifel an der Best�ndigkeit seiner Liebe ihn sehr schmerzten.
In seiner schw�rmerischen Stimmung kannte er kein h�heres Gl�ck, als Sophiens Besitz. Ueber die mannigfachen Schwierigkeiten, die der Erf�llung seines Lieblingswunsches entgegen treten konnten, setzte er sich leicht hinweg. Im Geist sah er schon seine b�rgerliche Existenz begr�ndet, w�hrend er noch nicht mit sich einig war �ber das Berufsfach, dem er sich widmen wollte. Die Jurisprudenz schreckte ihn durch ihre Trockenheit. Um Theolog zu werden, h�tte er eine st�rkere Brust haben m�ssen. Das Studium der Medicin ward ihm verleidet durch seine un�berwindliche Scheu vor todten K�rpern, Krankenstuben und Spit�lern. Er besuchte in T�bingen fast gar kein Collegium. Die Liebe zur Einsamkeit fesselte ihn an sein Zimmer. Ohne Freunde, ja fast ohne allen Umgang, br�tete sein Geist �ber der Idee, die sch�nsten poetischen Bl�then, die ihm sein Dichtertalent bieten m�chte, zur Verherrlichung seiner Geliebten in einen Kranz zu flechten. So entstand sein fr�her erw�hntes Gedicht: „Die Natur der Dinge oder die vollkommenste Welt.“
Begeistert von diesem Product, das er sp�ter einer sehr strengen Beurtheilung unterwarf, sandte Wieland sein Gedicht dem Professor Meier in Halle, der damals als philosophischer Kopf und als Kritiker viel galt. Weder seinen Namen, noch seinen Aufenthaltsort erw�hnte er in seinem Briefe. Meier hielt einen Adlichen f�r den Verfasser des ihm gesandten Gedichts, das er sofort drucken lie�, und es mit einer Vorrede begleitete. Noch ehe er das Schicksal seines Werks erfahren, hatte Wieland einen neuen poetischen Plan entworfen. Die f�nf ersten Ges�nge eines epischen Gedichts, „Hermann“ betitelt, sandte er an Bodmer in Z�rich, der damals in dem lebhaftesten literarischen Kampfe mit Gottsched und seinen Anh�ngern verwickelt war. Bodmer nahm die ihm gesandte Probe g�nstig auf, vielleicht schon deshalb, weil Wieland in jugendlicher Begeistrung seine Parthei ergriffen hatte. Er trat mit dem jungen Autor in einen fortgesetzten Briefwechsel.
In einer anmuthigen Sommerwohnung, sp�terhin das Wielandsh�uschen genannt, auf einem Weinberge unweit T�bingen, diesseits des Neckars gelegen, lebte Wieland damals dem Genu� der Natur, einsamen Studien und mancherlei poetischen Versuchen, von allem Umgang entfernt, in fast g�nzlicher Abgeschiedenheit. Seine Geistesrichtung und Empfindungsweise schilderte er in einem damaligen Briefe mit den Worten: „Ich habe von der Dichtkunst keinen kleinern Begriff, als da� sie die S�ngerin Gottes, seiner Werke und der Tugend seyn soll. Inzwischen gefallen mir doch auch die Aeu�erungen jugendlicher Freude, wenn sie unschuldig ist, und Gleim und Hagedorn haben mich oft erg�tzt.“ In wechselnder Stimmung war Wieland jedoch auch den unschuldigsten Scherzen so abgeneigt, da� er die genannten Dichter eines str�flichen Leichtsinns beschuldigte. Der Ernst seiner Natur zog ihn zu den englischen Poeten, zu Milton, Pope, Addison, Young, Thomson u.A. „Den Franzosen,“ schrieb Wieland, „bin ich, ihres fl�chtigen und affenm��igen Charakters wegen, recht gram, und noch mehr den Deutschen, die ihren Geist lieber nach diesen l�cherlichen Gesch�pfen bilden wollen, als nach den denkenden, m�nnlich sch�nen und zuweilen himmlischen Britten.“
Aus einer schw�rmerischen Ueberspannung seines Geistes ging Wielands Streben hervor, die Irreligiosit�t und den Leichtsinn zu bek�mpfen. Er wollte der Welt zeigen, da� das Sch�ne im �cht platonischen Sinne mit dem Guten einerlei sei. Auf keinen Dichter seiner Zeit lenkte sich Wielands Aufmerksamkeit entschiedener, als auf Klopstock. Von der enthusiastischen Verehrung jenes S�ngers zeugten mehrere damalige Briefe Wielands. Ein Nachahmer Klopstocks ward er nicht, ungeachtet es in seiner Natur lag, leicht etwas anzunehmen von der Manier der Schriftsteller, die seinem Geschmack besonders zusagten. Wielands „Lobgesang auf die Liebe“, und ein Gedicht, „der Fr�hling“ �berschrieben, zeigten unverkennbar den Einflu�, den Kleist auf sein poetisches Talent gehabt hatte. Er machte keinen Versuch, den S�nger der Messiade auf dem k�hnen Fluge seiner Phantasie zu begleiten. Nur als Mensch wollte er ihm gleichen. Ihn beseelte ein gewisser moralischer Stolz, der noch gen�hrt ward durch die Vergleichung des gew�hnlichen Lebens und Treibens der Menschen mit den erhabenen Mustern von Tugend und Seelengr��e, die ihm �ltere und neuere Schriststeller vor Augen stellten. Mit Enthusiasmus hatte er als Knabe, wie fr�her erw�hnt, den Cornelius Nepos gelesen. Noch h�her begeisterte ihn als J�ngling die Schilderung jeder edlen That, w�hrend er sich von schlechten Handlungen mit Abscheu hinweg wandte.
Auch in der Poesie, wie im Leben, blieb ihm ein lebendiges Gef�hl f�r das Reinsittliche. Den philosophischen und moralischen Gedichten gab er vor allen andern den Vorzug. Er schrieb dar�ber unter andern: „Ich sch�tze die heroischen Gedichte sehr hoch; aber ich �berlasse es gr��ern Geistern, darin gro� zu seyn oder sich darin zu versuchen. Ich begn�ge mich, die wenigen Nebenstunden, die mir meine Muse gleichsam entwendet, dazu zu benutzen, in philosophischen und moralischen Gedichten, und also in Absicht der Dichtkunst in einer kleinen Sph�re, die liebensw�rdige Tugend zu preisen.“
Unter den Gedichten Wielands, die w�hrend seines Aufenthalts in T�bingen entstanden, war der „Anti-Ovid“, im Sommer 1752 verfa�t, nicht blos gegen den Leichtsinn der R�mer, sondern auch der Franzosen gerichtet. Die Liebe begeisterte ihn, in diesem Lehrgedicht einen Gegenstand zu w�hlen, dem er, wie er in sp�tern Jahren gestand, damals kaum gewachsen war, da es ihm in seiner Einsamkeit, umgeben von seinen B�chern, an der n�thigen Menschenkenntni� fehlte, die er nur aus der Beobachtung der Lebensverh�ltnisse sch�pfen konnte.
Einige Monate fr�her, als der „Anti-Ovid“, im Mai 1752, entstanden Wielands „moralische Erz�hlungen.“ Bereits am Schlu� des Jahres 1751 hatte er seine „moralischen Briefe“ herausgegeben. Von seinen bisherigen Gedichten unterschieden sich die hier genannten weniger durch ihren Gehalt, als durch die Form. F�r die „moralischen Briefe“ hatte Wieland Alexandriner, f�r die „moralischen Erz�hlungen“ reimlose Jamben gew�hlt, und f�r den „Anti-Ovid“ ein freies Versma� in wiederkehrenden Reimen. Unter solchen Besch�ftigungen lebte Wieland weniger in der wirklichen Welt, als in dem Reich der Ideale, das ihm seine Phantasie vorzauberte. Seine Zukunft schien ihn wenig zu k�mmern. In einer Art von Selbstcharakteristik, die er noch w�hrend seines Aufenthalts in T�bingen in einem Briefe an seine geliebte Sophie entwarf, gestand er, trotz seiner mannigfachen Fehler, sich „ein gutes Herz und einigen Geist“ zu, dabei glaubte er mit Wahrheit versichern zu k�nnen, da� es „sein Geist gewesen, der sein Herz zu einem so guten gemacht habe.“
Im Juni 1752 war Wieland aus T�bingen wieder in das elterliche Haus nach Biberach zur�ckgekehrt. Lebhaft misbilligte sein Vater die Art und Weise, wie er bisher seine Studien betrieben hatte. Ueber dem Versemachen hatte er seinen k�nftigen Beruf fast g�nzlich aus den Augen verloren. Einer sogenannten Brodwissenschaft sich zu widmen, war ihm gar nicht in den Sinn gekommen. Sehr abgeneigt war er daher dem v�terlichen Plan, sich in G�ttingen der Laufbahn eines akademischen Docenten zu widmen. Wieland meinte, da� er dazu, wie zu manchem Andern, gar nicht passe. Er hoffte wohl noch einen Wirkungskreis zu finden, der mit seinen F�higkeiten und Neigungen mehr harmonirte. Einer Lehrstelle an einem Gymnasium glaubte er gewachsen zu seyn. Sein sehnlichster Wunsch war eine Professur an dem Carolinum zu Braunschweig, besonders deshalb, weil er dadurch mit G�rtner, Ebert, Zachari� u.a. talentvollen M�nnern, die in dem genannten Institut Lehrstellen bekleideten, in n�here Ber�hrung zu kommen hoffte. Zur Erf�llung seines Lieblingswunsches zeigte sich jedoch keine Aussicht.
Von dem peinlichen Gef�hl, seinen Eltern durch weitere Unterst�tzung beschwerlich zu fallen, ward Wieland befreit durch eine Einladung Bodmer's, zu ihm nach Z�rich zu kommen. Er hatte den jungen Autor, nach den poetischen Versuchen, die ihm Wieland gesendet, sehr liebgewonnen. Gegen die Reise nach der Schweiz, die im Herbst 1752 angetreten werden sollte, hatte Wielands Vater nichts einzuwenden. Er glaubte vielmehr, da� eine solche Entfernung seinen Sohn in mannigfacher Hinsicht heilsam seyn m�chte, besonders auch in Bezug auf seine Herzensangelegenheit, von der er sich keinen sonderlichen Ausgang versprach. Wieland aber wollte Biberach nicht verlassen, ohne seine geliebte Sophie noch einmal gesehen zu haben. Manche Umst�nde traten ein, die seine Hoffnung von einer Zeit zur andern verz�gerten. Er versank dar�ber, wie er sich in einem seiner Briefe �u�erte, „in einen Zustand von Unth�tigkeit und Verdrie�lichkeit, der ihm oft zur Last ward.“ Eine Beurtheilung von Bodmer's „Noachide“ half ihm die langweilige Zeit einigerma�en verk�rzen.
Genu�reiche Tage versprach sich Wieland von dem Leben in Z�rich. Da er seine dortigen Freunde nicht so bald wieder verlassen wollte, so w�nschte er in der Schweiz durch eine Hofmeisterstelle sich die Mittel zu seiner Subsistenz zu sichern. Noch eh' er nach Z�rich abgereist war, wandte er sich deshalb schriftlich an Bodmer's Freund, den Rathsherrn Schinz, und bat ihn um seinen Rath. In Bodmer's anmuthig gelegener Wohnung, wo er am 13. October 1752 eintraf, fand er einen freundlichen Empfang. Ehrfurcht, Liebe und Dankbarkeit fesselten ihn bald an den Mann, der durch Mittheilung seiner literarischen Sch�tze und durch seine belehrenden Gespr�che sehr g�nstig auf Wieland einwirkte. Mit seiner Denk- und Empfindungsweise harmonirte Bodmer's einfaches Leben, seine Zur�ckgezogenheit von der Welt und die Neigung zu literarischen Besch�ftigungen. Auch nachdem sie l�ngere Zeit zusammen gelebt, trat in ihrem freundschaftlichen Verh�ltni� keine wesentliche St�rung ein. Noch in sp�tern Jahren nannte Wieland jene Periode die gl�cklichste seines Lebens.
In so heiterer Stimmung vollendete er seine schon zu Biberach angefangene „Abhandlung von den Sch�nheiten des epischen Gedichts Noah“, das sein v�terlicher Freund Bodmer verfa�t hatte. Bodmer lie� jene Abhandlung 1753 zu Z�rich drucken, und bald nachher auch ein von Wieland verfa�tes „Schreiben �ber die W�rde und Bestimmung eines sch�nen Geistes.“ Auch zur Poesie kehrte Wieland in Z�rich wieder zur�ck. Auf Bodmers Vorschlag schrieb er ein kleines Epos, „die Pr�fung Abrahams“ betitelt. Zu seinen damals gedichteten „Briefen Verstorbener an ihre noch lebenden Freunde“ hatte er sich durch das von der englischen Dichterin Elisabeth Rowe herausgegebene Werk: „Friendship in death“ veranla�t gefunden.
Noch immer trug sich Wieland mit dem Gedanken, seine geliebte Sophie einst ganz die Seinige nennen zu k�nnen. Da� die Schwierigkeiten, zu ihrem Besitz zu gelangen, sich noch geh�uft hatten, ahnte er nicht. Versunken in seine poetischen Tr�ume, f�hlte er sich tief ersch�ttert durch einen Brief, in welchem Sophie ihr bisheriges Verh�ltni� zu ihm f�r aufgel�st erkl�rte. Dies Schreiben, das er zu Anfang des December 1753 erhielt, meldete ihm zugleich Sophiens Verm�hlung mit dem Churmainzischen Hofrath de la Roche. Diesem geistreichen und allgemein geachteten Manne hatte sie aus Gehorsam gegen ihre Eltern ihre Hand gereicht, und die Stimme ihres Herzens, die noch immer f�r Wieland sprach, wenig beachtet.
Die innige Theilnahme seiner Freunde mu�te ihm dies harte Schicksal ertragen helfen. Mit gr��erer Selbst�berwindung, als sich von seiner reizbaren Gem�thsart erwarten lie�, billigte er in einem Briefe an die Geliebte ihren Entschlu�, und w�nschte ihr aufrichtig Gl�ck zu ihrer Verbindung. Oft aber kehrte ihm noch die Klage um den Verlust seiner Sophie wieder. Auf ihren dereinstigen Besitz mochte er wohl mitgerechnet haben, als er einen Plan entwarf zur Errichtung einer Privaterziehungsanstalt, oder, wie er sie selbst nannte, einer „Akademie zur Bildung des Verstandes und Herzens junger Leute.“ Durch das peinliche Gef�hl, als Bodmer's Haus- und Tischgenosse seinem G�nner noch l�nger zur Last zu fallen, ward Wieland bewogen, 1754 bei einem Herrn v. Grebel in Z�rich eine Hauslehrerstelle anzunehmen. Weder die ausgezeichnete Achtung, die er in seinem neuen Verh�ltni� geno�, noch die gro�e R�cksicht, die man auf seine kleinen Eigenheiten nahm, konnte in ihm den Schmerz um den Verlust seiner Geliebten mildern. Er sah sich in seinen sch�nsten Hoffnungen get�uscht, und versank in einen Tr�bsinn, den nichts zu erheitern vermochte. In dieser Stimmung nahm er seine Zuflucht zu philosophischen Studien. Mit gro�er Anstrengung las er fast Tag und Nacht in Plato's Werken. Auch die Schriften mehrerer Mystiker und die Lebensbeschreibungen von Heiligen geh�rten zu Wielands damaliger Lect�re. Dadurch neigte er sich zu einer immer strengern Ascetik hin. In solcher Stimmung schrieb er einem Freunde: „So einsiedlerisch ich hier Vielen scheine, bin ich es doch noch lange nicht so, wie ich es gern seyn m�chte. Melden Sie mir doch, ob es keine W�ste in Ihrer Gegend giebt. Ich habe schon seit manchen Jahren gro�e Lust, ein Eremit zu werden; denn ich versichre Sie im Ernst, da� ich der Thorheiten der Welt und meiner eigenen herzlich m�de bin.“
Wieland hatte damals alle Anlage, ein religi�ser Schw�rmer zu werden. Die Lect�re von Youngs Nachtgedanken und von Klopstocks Mesias war geeignet, jene Stimmung zu unterhalten, und ihn �ber die Grenzen eines ruhigen Forschens weit hinaus zu f�hren. Sein Eifer f�r Glauben und Fr�mmigkeit kannte kein Maa� und Ziel, und Toleranz war ihm ein v�llig fremder Begriff. Ueber Ovid, Anakreon, Tibull und mehrere franz�sische und englische Dichter, besonders aber Chaulien, Gay und Prior, sprach er in seinen 1754 herausgegebenen „Sympathien“ �ffentlich ein Verdammungsurtheil aus. Auf �hnliche Weise eiferte Wieland in den 1755 geschriebenen „Empfindungen eines Christen“ gegen die „schw�rmerischen Anbeter des Bacchus und der Venus.“ Den Oberconsistorialrath Sack in Berlin, dem er dies Werk zugeeignet hatte, forderte er dringend auf, „das Aergerni� zu r�gen, das jene leichtsinnigen Witzlinge angerichtet.“
Ein milderer Ton, doch eine eigent�mliche mystische Richtung war vorherrschend in mehrern „Hymnen“ Wielands, von denen er sp�ter nur den „Hymnus auf Gott“ in seine Werke aufnahm. Mit seinen „Erinnerungen an eine Freundin“ dem Inhalt nach verwandt war Wielands „Timoklea“, eine Frucht seiner philosophischen Studien, besonders der Lect�re des Plato und Shaftsbury. Wieland's „Platonische Betrachtungen �ber den Menschen“ dankten ebenfalls jenen Studien ihren Ursprung. In diesen Schriften sowohl, als in zwei Aufs�tzen, die er selbst als „Visionen“ bezeichnete, in dem „Gesicht des Mirza“ und in dem „Gesicht von einer Welt unschuldiger Menschen“ sprach Wieland mit ergreifender W�rme von der Tugend, Sch�nheit und Liebe im edelsten Sinne des Worts.
In seiner „Ank�ndigung einer Dunciade f�r die Deutschen“ unternahm er einen kritischen Feldzug gegen Gottsched, den damaligen Tonangeber des �sthetischen Geschmacks und gegen seine Anh�nger. Aus der leidenschaftlichen Reizbarkeit seiner Natur versank er wieder in eine Art von Abspannung des Geistes, die mitunter einen sehr hohen Grad erreichte. „Ich verschlummere“, schrieb er 1756 einem Freunde, „wider meinen Willen einen gro�en Theil meiner Existenz. Ich f�hle, da� mein Leib immer schw�cher wird, und da� sowohl meine sehr bl�den Augen, als mein Gehirn dem denkenden Wesen oft versagen. Zuweilen w�nsche ich, da� ich ein halbes Dutzend munterer Seelen h�tte, die der meinigen subordinirt w�ren, und die alles das nach meinem Sinne ausf�hrten, was ich nicht kann. Dergleichen W�nsche sind fast alles, was mir von meiner ehemaligen jugendlichen Lebhaftigkeit �brig geblieben ist.“
Seinem Tr�bsinn ward Wieland entrissen, als er seinen bisher auf Bodmer und dessen Freunde beschr�nkten Umgang allm�lig erweiterte. Geneigter als bisher ward er wieder den Freuden des geselligen Lebens. Au�er dem bekannten Fabeldichter Meyer von Knonau, geh�rten Ge�ner, der Verfasser der Idyllen, sp�terhin auch Zimmermann, der Autor des ber�hmten Buches �ber die Einsamkeit, zu Wielands vertrautesten Freunden. Mit Frauenzimmern verkehrte er wenig; er war sogar ihrem Umgange v�llig abgeneigt. Seine geliebte Sophie hatte ihn verw�hnt, an das weibliche Geschlecht Anspr�che zu machen, die nicht jedes M�dchen erf�llen konnte.
In einer Art von Selbstcharakteristik meinte Wieland, sein Herz, trotz allen seinen Fehlern, sei doch noch das Beste an ihm. An Zimmermann schrieb er dar�ber: „Sie d�rfen viel Gutes von meinem Herzen denken, ohne sich zu betr�gen. Was Sie mein Genie nennen, sind sehr reizbare Fibern und eine daraus entspringende Lebhaftigkeit der Empfindungen, Imagination, Activit�t, K�hnheit, Neigung zum Wunderbaren, zum Ausschweifenden u. dergl. Verdient das, da� ich mich hochachte, oder da� ich mir selbst etwas darauf einbilde? Gewi� nicht! Aber daf�r danke ich Gott, da� ich von Jugend an die Wahrheit geliebt, und f�r das, was gut, recht und moralisch sch�n ist, sehr empfindsam gewesen. Dieses ist f�r mich sehr gl�cklich, aber da ich es mit vielen Tausenden gemein habe, so ist es nichts Vorz�gliches. Da� ich hypochondrisch bin, begreife ich. Schwach bin ich in der That, aber noch voll Leben. Ich liebe mehr die Aussichten in ein anderes, als in dieses Leben. Hier bin ich nur par devoir, nicht par inclination.“
Diese tr�be Lebensansicht kehrte ihm noch oft wieder. Erst gereiftere Jahre, gr��ere Erfahrung und eine gr�ndlichere Welt- und Menschenkenntni� bewirkten eine merkw�rdige Ver�nderung in Wielands Wesen. Er schien heiterer gestimmt. Seine Weiberscheu hatte sich verloren, und dem Platonismus in der Liebe huldigte er nicht mehr so unbedingt als fr�her. Auch sein hartes und unbilliges Urtheil �ber mehrere alte und neuere Dichter nahm er zur�ck. Auf seine eigenen literarischen Erzeugnisse hatte jene Sinnes�nderung den wohlth�tigsten Einflu�. Er beurtheilte seine Arbeiten mit nachsichtsloser Strenge. Seinen Roman „Araspes und Panthea“, zu welchem ihm eine Erz�hlung Xenophon's den Stoff dargeboten hatte, nannte er in einem seiner damaligen Briefe „eine unreife und unvollendete Geburt.“ Entschiedenen Antheil nahm er an der deutschen B�hne. Flei�ig wohnte er den theatralischen Vorstellungen der Ackermannschen Schauspielertruppe bei, die damals (1757) durch die Drangsale des siebenj�hrigen Krieges aus Deutschland vertrieben, l�ngere Zeit in der Schweiz und namentlich in Z�rich sich aufhielt. In seinem Trauerspiel „Johanna Gray“ machte Wieland den ersten dramatischen Versuch. Statt der Alexandriner, des bisher allgemein �blichen Versma�es, w�hlte er die f�nff��igen Jamben f�r seine Trag�die. Sie ward am 20. Juli 1758 zum erstenmal in Winterthur, und sp�ter auch an andern Orten nicht ohne Beifall aufgef�hrt.
Auch in andern Gattungen der Poesie versuchte sich Wieland damals. Viel versprach er sich besonders von einem epischen Gedicht, zu welchem ihm einer seiner Lieblingsschriftsteller, Zachari� in Braunschweig, den Stoff dargeboten hatte, w�hrend ihm bei dem Entwurf seines Ideals vielleicht Friedrich II. vorschwebte, der damals im Kampfe mit ganz Europa durch Gr��e des Geistes und die gl�nzendsten Eigenschaften selbst seinen Feinden Bewundrung abn�thigte. Sein „Cyrus“, wie das von Wieland beabsichtigte Gedicht hie�, sollte auf achtzehn Ges�nge ausgedehnt werden. Auch seinen vertrautesten Freunden hatte Wieland seinen Plan verschwiegen. Als er jedoch zu Anfange des Jahrs 1758 die Ausf�hrung seiner poetischen Idee begann, stie� er auf mancherlei Schwierigkeiten, und f�rchtete sich an ein Unternehmen gewagt zu haben, dem er nicht gewachsen war. In einem seiner damaligen Briefe meinte Wieland, „er stehe zu tief unter einem Helden, um ihn w�rdig darstellen zu k�nnen.“ Selbst der Styl und die Versification kosteten ihm, nach seinem eignen Gest�ndni�, uns�gliche M�he. Er f�hlte, da� er bisher mehr in dem Reiche seiner Ideen, als in der wirklichen Welt gelebt. Ein gr�ndliches Studium der Geschichte und Politik hielt er f�r unerl��lich, um seinem Werke den h�chsten Grad von Vollendung zu geben. Flei�ig studirte er Macchiavelli's und Montesquieu's Werke. Auch die Lect�re von Plato's Republik besch�ftigte ihn.
Das Resultat dieser Studien war Wieland's erste politische Schrift: „Gedanken �ber den patriotischen Traum, die Eidgenossenschaft zu verj�ngen.“ Diese Schrift erschien, w�hrend Wieland sich noch flei�ig mit seinem „Cyrus“ besch�ftigte. Eine neu aufkeimende Idee drohte dies Epos zu unterbrechen. Durch Lucian und Swift begeistert, entwarf Wieland den Plan zu einem satyrischen Roman. Unter dem Titel: „Lucian's des J�ngern wahrhafte Geschichten“, wollte er in diesem, auf drei B�nde berechneten Werke zwei Republiken, einen Staat verst�ndiger Bienen, die seltsame Regierung, Sitten und Gebr�uche eines Volks, Pagoden genannt, und �hnliche wunderbare Dinge schildern. Die Ausf�hrung dieser Idee unterblieb. Von seinem „Cyrus“ hatte er indessen die ersten f�nf Ges�nge beinahe vollendet, und bei gr��erer Gem�thsruhe w�rde dies Werk noch rascher fortgeschritten seyn.
Was ihn sehr bek�mmerte, war die Sorge um seine fernere Subsistenz in Z�rich. Seine bisherigen Z�glinge hatten anderweitige Bestimmungen erhalten, und Wieland mu�te daher an seine eigene Zukunft denken. Eine Zeit lang besch�ftigte ihn die Idee der Herausgabe einer Wochenschrift, von deren Ertrag er in Z�rich leben zu k�nnen hoffte. In einem seiner damaligen Briefe �u�erte Wieland: er wolle alle seine Kr�fte zusammennehmen, um jener periodischen Schrift die h�chste Vollkommenheit zu geben. Aber seine sch�nsten Stunden, meinte er, geh�rten doch dem „Cyrus“. Um sich in ungest�rter Einsamkeit mit diesem Gedicht besch�ftigen zu k�nnen, kam er auf den Gedanken, sich wieder in seine Heimath zu begeben. Einen bestimmten Lebensplan schien er an die R�ckkehr in das elterliche Haus nicht gekn�pft zu haben.
Der Wunsch, einige Jahre in v�lliger Mu�e und Unabh�ngigkeit zu leben, machte ihn gleichg�ltig gegen mehrere zum Theil vortheilhafte Antr�ge zu ausw�rtigen Lehrstellen. L�ngere Zeit schwankte Wieland, ob er sich nach Marseille begeben sollte, um dort in der sehr angesehenen Familie Semandi Unterricht zu ertheilen. Seine Unentschlossenheit ward vermehrt durch einen Antrag Zimmermanns, der ihn dem Rathsherrn v. Sinner in Bern zum Erzieher seines einzigen Sohnes empfohlen hatte. Sein Empfang in Bern, wohin er sich am 13. Juni 1759 begab, �bertraf in jeder Hinsicht seine Erwartungen. Gleichwohl behagte ihm das neue Verh�ltni�, in das er getreten war, nicht lange. Er liebte zu sehr die Einsamkeit, um f�r sie Ersatz zu finden in den Gesellschaftskreisen, in die er wider seinen Willen hineingezogen ward. Unmuthig �u�erte er sich dar�ber in mehreren Briefen. Aber auch seine Lehrerstelle behagte ihm nicht. Zum Unterricht, besonders in den ersten Elementen, schien ein Geist nicht geschaffen, der, wie Wieland selbst �u�erte, „den Cyrus denken, und mit Shaftsbury, Diderot und Rousseau wetteifern wollte.“ Bereits nach einem Vierteljahre, im September 1759, gab er seine Hauslehrerstelle wieder auf.
Eine Art von Erwerbsquelle er�ffnete sich Wieland durch philosophische Vorlesungen, die er „gegen ein j�hrliches Honorar von 200 Kronen“ einigen J�nglingen aus angesehenen Familien hielt. Er hatte an Freiheit und an Zeit viel gewonnen, da jene Vorlesungen ihm t�glich nur zwei Stunden raubten. Demungeachtet r�ckte sein mehrfach erw�hntes Epos, der „Cyrus“ nur langsam fort. Entmuthigt durch den geringen Beifall, den die von ihm mitgetheilten Proben fanden, entwarf er den Plan zu einem philosophischen Gedicht �ber den Landbau. Die Ausf�hrung unterblieb jedoch. Das einzige Product, das er w�hrend seines Aufenthalts in Bern vollendete, war sein mit gro�em Beifall aufgef�hrtes Trauerspiel „Clementine von Porretta.“ Aus seinem Lieblingsschriftsteller Richardson hatte Wieland den Stoff zu dieser Trag�die gesch�pft. Ein Held, wie Grandison, mu�te ihn vor vielen andern interessiren zu einer Zeit, wo ihn das Gef�hl einer Liebe ergriffen hatte, die eben so platonisch, als jemals, und nicht minder schw�rmerisch war.
Eine reizende Bernerin, Mariane Fels, war l�ngst schon die K�nigin seines Herzens, als Julie Bondeli, die Tochter eines Diakonus in Bern, ihr den Sieg streitig machte. Julie war, glaubw�rdigen Zeugnissen und ihrem noch erhaltenen Portrait in Lavater's Physiognomik zufolge, eine der h��lichsten ihres Geschlechts. Was die Natur ihr inde� an Reizen versagt, hatte sie ihr durch Geistesgaben reichlich verg�tet. Die gelehrtesten M�nner ihrer Zeit erkannten dies, und standen mit ihr in Briefwechsel. Das Ger�cht sagte von ihr, da� sie mehr gelesen und studirt, als irgend ein Frauenzimmer, und mit ausgebreiteten Kenntnissen in den verschiedenartigsten wissenschaftlichen F�chern ein sehr richtiges Urtheil verbinde. Darin f�hlte sich Wieland nicht get�uscht, als ihn die Neugier trieb, sie kennen zu lernen. Von dem begeisternden Eindruck, den Julie auf ihn machte, gab er in mehreren Briefen Rechenschaft. „Nie hab' ich,“ schrieb er unter andern, „ein Frauenzimmer gesehen, das bei einer au�erordentlichen Gleichheit der Gem�thsart, bei dem heitersten Humor und der gr��ten moralischen Simplicit�t, die nur in ihrem Alter m�glich scheint, mehr Lebhaftigkeit und unersch�pfliche Resourcen im Umgange gehabt h�tte, als sie. In diesen St�cken ist Sophie noch weiter hinter ihr, als Julie in Absicht der Sch�nheit hinter Sophie'n ist. Der aufgekl�rteste Geist, den ich je an einem Frauenzimmer gesehen habe, und ein Herz, das der edelsten Freundschaft w�rdig ist.“
In einem sp�tern Briefe gestand Wieland, da� Julie weder eine Idee, noch Empfindung von der Liebe zu haben scheine, die in Romanen und Trag�dien herrsche. Sie wolle Freunde haben, sie halte die Freundschaft f�r eine vern�nftige und best�ndige Liebe, und weil sie nicht anders geliebt seyn wolle, so hasse sie alles, was den Schein einer �berspannten, fanatischen Leidenschaft trage. „Ich selbst,“ schrieb Wieland, „bin, wie ich glaube, in Absicht der Liebe der Einzige in meiner Art, und ich bin stolz genug zu glauben, da� meine Art zu lieben der Liebe der Geister wirklich so nahe kommt, als es unter dem Monde m�glich ist. Ich liebe alle wahrhaft tugendhaften Frauen eben so sehr, wie ich die Tugend lieben w�rde, wenn sie sichtbar w�re. Das sind keine Gro�sprechereien. Wenn die Weisheit, die Tugend, die moralische Venus, eine weibliche Gestalt annimmt, so mu� freilich der Instinct, der uns zu diesen lieblichen Gesch�pfen zieht, sich unter die reine geistige Liebe mischen, die unserem Geiste f�r das wahre Sch�ne, Gute und Erhabene nat�rlich ist. Aber darin besteht mein Privilegium, da�, wenn mein Gegenstand eine Julie ist (aber nicht eine Julie wie die Tochter des Augustus), die Liebe der Engel sich nat�rlicher und ungezwungener Weise zu der thierischen verh�lt, wie eine Weltkugel zu einem Sonnenstaube.“ Diesem Briefe f�gte Wieland noch die charakteristische Aeu�erung bei: „Wir sind �bereingekommen, da� jedes das Andere nach seiner eigenen, ihm nat�rlichen Weise, ohne den mindesten Zwang lieben solle — ich mit Enthusiasmus, weil meine Natur es so mit sich bringt, sie ohne Enthusiasmus, aus gleichem Grunde. Ich weissagte ihr, sie w�rde noch so gut Enthusiast werden, als ich; sie zweifelte und sagte, sie w�nsche es, um mich gl�cklich machen zu k�nnen.“
Lebhaft besch�ftigte sich Wieland oft mit dem Gedanken an eine eheliche Verbindung. Er gestand, alles in der Welt, was nicht mit den Grunds�tzen der Rechtlichkeit streite, unbedenklich thun zu wollen, wenn er dadurch zu Juliens Besitz gelangen k�nnte. „Sie w�rde,“ schrieb er, „mich unaussprechlich gl�cklich machen. Aber ich sehe keine M�glichkeit. Ich m��te auf eine sehr anst�ndige und vorteilhafte Art etablirt seyn, wenn ich berechtigt seyn sollte, eine solche Pr�tension zu machen, und bisher ist kein Anschein zu einem solchen Etablissement.“ Worauf sich Wielands W�nsche beschr�nkten, schilderte er in einem seiner damaligen Briefe mit den Worten: „Ich bin nicht f�r das gemacht, was man Welt nennt. Alle ihre Erg�tzlichkeiten sind innere Plagen f�r mich, obgleich ich aus Gewohnheit daran Antheil nehme und vergn�gt dabei scheine. Freiheit, Mu�e, Einsamkeit, ein Freund und eine Freundin bei mir — das ist die Situation, nach der mich d�rstet, und zu der ich nie gelangen werde.“
Das St�dtchen Zopfingen, im Kanton Bern gelegen, hielten Wielands Freunde f�r den passendsten Ort, um, wie er damals willens war, eine mit einer Buchdruckerei verbundene Buchhandlung zu errichten. W�hrend er sich auf diese Weise einen anst�ndigen Unterhalt zu verschaffen hoffte, wollte er zugleich auf die Bildung seiner Zeitgenossen kr�ftig einwirken durch interessante Verlagsartikel, zu denen er vorz�glich Uebersetzungen der Classiker, des Virgil, Horaz, Xenophon, Theokrit u.a. seiner Liebligsschriftsteller rechnete. Auch durch einzelne St�cke aus der Philosophie und sch�nen Literatur hoffte er das Interesse des Publikums zu fesseln. Die bessern K�pfe Deutschlands f�r eine periodische Schrift zu gewinnen, war ein Gedanke, der, schon fr�her entstanden, wieder in ihm auftauchte. Wieland wollte in jenem Journal unter andern ein Gem�lde des Menschen entwerfen, nach den verschiedenen N�ancen, die er durch das Klima, die Religion, Staatseinrichtung u.s.w. erhalte; er wollte zeigen, da� der Mensch gebildet werden m�sse, und da� die meisten Gesetzgeber und Moralisten sich bisher auf diese Kunst nicht gar zu wohl verstanden h�tten. Auch Biographieen und Charakteristiken ausgezeichneter M�nner des Alterthums sollten in seinem Journal einen Platz finden.
Mehrere Aufs�tze, die er f�r seine Zeitschrift bestimmt, hatte Wieland theils ausgearbeitet, theils den Plan dazu entworfen, als ein Brief seiner Mutter ihn mit der Nachricht einer bestimmten Anstellung zu Biberach �berraschte. Seiner Vaterstadt, von der er acht Jahre getrennt gewesen, in dem ihm angewiesenen Wirkungskreis so viel als m�glich zu n�tzen, war der feste Entschlu�, mit welchem Wieland am 20. M�rz 1760 die Schweiz und seine dortigen Freunde verlie�, in dankbarer R�ckerinnerung an die frohen Jahre, die er in ihrer Mitte verlebt hatte. Schmerzlich war ihm vor allen der Abschied von Julie Bondeli. Nur die Hoffnung ihres Besitzes konnte ihn tr�sten.
Mit nicht zu grellen Farben hatte Wieland, noch vor seiner Abreise aus der Schweiz, einigen seiner Freunde die Verh�ltnisse geschildert, die ihn in seiner Vaterstadt erwarteten. Zum ersten Male mu�te er, so fremd dies auch seiner Natur war, eine Rolle spielen in den mannigfachen politischen Intriguen, welche die Wahl eines B�rgermeisters in Biberach herbeif�hrte. Wieland hatte dort die ziemlich eintr�gliche Stelle eines Kanzleidirectors erhalten. Abgesehen davon, da� dies Amt seinen Neigungen durchaus nicht entsprach, f�rchtete er bereits nach zwei Jahren jene Stelle wieder zu verlieren durch einen langwierigen Proze� zwischen den evangelischen und katholischen Rathsmitgliedern seiner Vaterstadt. Von dem Wankelmuth seiner Freunde und G�nner machte Wieland die tr�bsten Erfahrungen. Mehrere seiner damaligen Briefe enthielten r�hrende Gest�ndnisse seiner unsichern Lage und seiner durch heftige Gem�tsbewegungen sehr ersch�tterten Gesundheit. Mit Schmerz ergriff ihn der oft wiederkehrende Gedanke, was er in einer andern Stellung, in Verh�ltnissen, die den Musen g�nstiger w�ren, h�tte leisten k�nnen. In einem Briefe vom 16. M�rz 1763 �u�erte Wieland: „Ich m�chte zuweilen eine Satyre wider die beste Welt schreiben, wenn ich mir vorstelle, da� kein anderer Platz in der Welt f�r mich seyn soll, als eine Stadtschreiber-, Consulenten- und Rathsherrnstelle in diesem kleinen schw�bischen Reichsst�dtchen. Denn es ist noch nicht entschieden, welche von diesen drei Personen, die sich ungef�hr gleich gut f�r mich schicken, ich noch werde vorstellen m�ssen.“
In so trauriger Lage trat oft die Erinnerung an die Vergangenheit und an seinen Aufenthalt in der Schweiz vor Wielands Seele. Rastlos sann er auf Mittel, sich aus Verh�ltnissen zu befreien, die seinen Neigungen so wenig entsprachen, und ihm uns�glichen Verdru� bereiteten. Mitunter kam ihm die Idee, um eine Professur an einem Gymnasium in Berlin, Breslau, Gotha oder andern bedeutenden Orten sich zu bewerben. Die Eink�nfte einer solchen Stelle, meinte Wieland, w�ren zwar gering, aber daf�r sei ihm desto mehr Mu�e geg�nnt, und er k�nne arbeiten, was er wollte. Selbst die sp�rliche Zeit, die ihm in Biberach seine Amtsgesch�fte g�nnten, konnte er nicht so n�tzlich, als er wohl gew�nscht hatte, f�r sich verwenden. Ueberall stie� er auf Hindernisse, die sich seiner h�hern Ausbildung entgegenstellten. Am schmerzlichsten f�hlte er in seiner Vaterstadt den Mangel einer bedeutenden Bibliothek.
„Hier gehen meine Talente f�r das Publikum verloren,“ klagte Wieland in einem Briefe an Zimmermann. „Unter solchen Zerstreuungen, bei einem solchen Amte, ohne Aufmunterung, was kann ich da thun? Wenn ich auch Zeit und Gem�thsruhe und Muth genug h�tte, etwas zu unternehmen, so verbietet mir der einzige Umstand, da� wir keine Bibliotheken haben, alle Unternehmungen von Wichtigkeit. Ich bin gen�thigt, immer aus mir selbst herauszuspinnen. Es sind schon viele Jahre her, da� ich mit einer philosophischen Geschichte nach einem besondern Plan schwanger gehe. Die Art, wie ich nunmehr ein solches Werk ausf�hren w�rde, d�rfte es zu einem n�tzlichen und angenehmen, vielleicht unentbehrlichen Buche machen. Ohne eine Bibliothek von den vollst�ndigsten und kostbarsten B�chern zur Hand zu haben, ist an ein solches Werk nicht zu denken. Sollte es nicht Schade seyn, da� es nur darum unterbleiben soll, weil ich zu Biberach und nicht in Berlin oder an einem andern Orte bin, wo eine �ffentliche B�chersammlung mir die Folianten und Quartanten darbietet, die man bei einer solchen Arbeit alle Augenblicke zum Nachschlagen braucht?“
Unter solchen Umst�nden blieb ihm kein Trost, als zu seinen trocknen und verdrie�lichen Amtsarbeiten wieder zur�ckzukehren. Er unterzog sich diesen Arbeiten mit einer seltenen Ausdauer und Gewandtheit, die jedoch keine andere Folge f�r ihn hatte, als da� seine erprobte Th�tigkeit noch mehr und fast �berm��ig in Anspruch genommen ward. Oft fand ihn die Mitternacht noch an seinem Schreibtisch, wo er den Concipienten und den Copisten in Einer Person vorstellen mu�te, als sich die Arbeiten h�uften. Dies war vorz�glich 1764 der Fall, wo der fr�her erw�hnte Proce� durch zwei kaiserliche Commissarien, die aus Wien nach Biberach gekommen waren, g�tlich ausgeglichen ward.
Den Gedanken an eine eheliche Verbindung mit Julie Bondeli hatte Wieland aufgegeben. Beide schienen sich in dem, was sie eigentlich f�r einander f�hlten, get�uscht zu haben. In ihrem Verh�ltnisse war eine Spannung eingetreten, welche Juliens Eifersucht veranla�t, und Wielands Reizbarkeit bis zu einem so hohen Grade gesteigert hatte, da� ein v�lliger Bruch fast unvermeidlich schien. In einem Briefe an Zimmermann rechtfertigte sich Wieland gegen allerlei Beschuldigungen, die, wie er �u�erte, „nur durch Niedrigkeit und Bosheit ihm h�tten angedichtet werden k�nnen.“ Ungeachtet mancher sehr leidenschaftlicher Aeu�erungen, die ihm sein Unmuth �ber Juliens Benehmen eingab, blickte doch auch wieder das Gef�hl noch nicht ganz erloschener Z�rtlichkeit aus mehreren Stellen seines Briefes hervor. Entschlossen �u�erte er jedoch am Schlusse seines Schreibens: „Ich werde allein bleiben, und so lange es Gott gef�llt, ein Leben fortschleppen, das bei einer ununterbrochenen Folge von Unannehmlichkeiten, ohne Beimischung eines wahren Vergn�gens, kurz genug seyn wird.“
Eine ruhige Ueberlegung mu�te ihm sagen, da� es ein bedenklicher Schritt sei, in seiner damaligen Lage sich zu verheirathen. Ungeschw�cht erhielt sich jedoch Zeitlebens ein herzliches Freundschaftsverh�ltni� zwischen Wieland und Julie Bondeli. „Den Beweis einer h�hern f�r ihn sorgenden Vorsehung“ glaubte Wieland, nach seiner eignen Aeu�erung, in dem Zusammentreffen mannigfacher Umst�nde zu finden, die f�r sein Lebensschicksal entscheidend wurden. In dem kaum eine Stunde von Biberach entfernten Marktflecken Warthausen lernte Wieland den Grafen von Stadion kennen, in dessen n�chster Umgebung er den Churmainzischen Hofrath de la Roche, den Gatten seiner geliebten Sophie fand. Nach einem Raum von zehn Jahren begegnete ihm auf seinem Lebenswege seine ehemalige Braut, die ihm nun mit der innigsten herzlichsten Freundschaft entgegenkam. Ein gleicher Empfang ward ihm auch von ihrem Gatten zu Theil, einem vielseitig gebildeten Manne, der sich in seinen „Briefen �ber das M�nchswesen“, auch als Schriftsteller von einer beachtenswerthen Seite gezeigt hatte. Wielands Charakter gereichte es zur Ehre, da� er in mehreren Briefen unpartheiisch die Verdienste eines Mannes anerkannte, der ihm seine Geliebte entrissen hatte.
Zu dem geselligen Kreise, in welchen Wieland eingetreten war, geh�rten, au�er den bereits genannten Personen, des Grafen Stadion �lteste Tochter, eine Gr�fin v. Schall und deren Schwester, eine Stiftsdame in Buchau. Sehr wohl f�hlte sich Wieland, wenn er von Biberach, wo er durchaus keine angemessene Gesellschaft fand, nach Warthausen eilte, um dort einige Tage zuzubringen. F�r Geist und Herz fand er in seinen neuen Umgebungen volle Befriedigung. Flei�ig benutzte er die an literarischen Sch�tzen reiche Bibliothek des Grafen Stadion. Hatte Wieland den Morgen sich mit dieser B�chersammlung besch�ftigt, so unternahm er einen Spaziergang durch die reizende Umgegend, bis ihn die Tafel zu einem k�stlichen Mahle einlud. Lesen und Gespr�che der verschiedensten Art verk�rzten ihm den �brigen Theil des Tages, welchen Abends gew�hnlich eine musikalische Unterhaltung beschlo�.
Was Wieland jenem Kreise besonders verdankte, war die Erweiterung seiner Welt- und Menschenkenntni�, die durch sein zur�ckgezogenes Leben in Biberach, wo er den gr��ten Theil des Tages an seinen Actentisch gefesselt war, nicht sonderlich hatte gef�rdert werden k�nnen. Der feine Weltton trat ihm in dem Umgange mit geistreichen M�nnern und liebensw�rdigen Frauen �berall entgegen, zu einer Zeit, wo er in das praktische Leben eingetreten und zu der Ueberzeugung gekommen war, da� er, von den Tr�umen seiner Phantasie befangen, sich die Wirklichkeit ganz anders gedacht, als er sie jetzt fand.
Nach jenem freundlichen Asyl zog ihn aber auch seine Jugendgeliebte, die sich noch immer den fr�hern Platz in seinem Herzen bewahrt zu haben schien. Reizbar und f�r Liebe empf�nglich, mochte es ihm manchen Kampf kosten, das �u�erst zarte Verh�ltni� zu Sophien in der Reinheit zu bewahren, wie es sich, glaubw�rdigen Zeugnissen zufolge, fortw�hrend erhielt. Wieland war sogar f�hig, mit seiner Liebe und �ber sie zu scherzen, was er unter andern in einem Briefe that, in welchem er mit der feinsten, gegen sich selbst gerichteten Ironie, Sophien eine Art von Liebeserkl�rung machte. In einem freundschaftlichen Verh�ltnisse stand er mit ihrem Gatten, der sich, ohne die merkw�rdige Ver�nderung, die in Wielands ganzem Wesen vorgegangen war, schwerlich so innig an ihn angeschlossen haben w�rde. In einem damaligen Briefe gestand Wieland, da� er nichts von dem mehr sei, was er gewesen, „weder Enthusiast, noch Hexametrist, noch Ascet, Prophet und Mystiker. Seit geraumer Zeit sei er von alle dem zur�ckgekommen, und bef�nde sich ganz nat�rlich auf dem Punkte, von dem er vor zehn Jahren ausgegangen.“
An seinen Freund Zimmermann schrieb Wieland dar�ber: „Was am meisten dazu beigetragen hat, diese Verwandlung, oder, wenn Sie wollen, diese Herstellung meiner urspr�nglichen Gestalt, woraus die Magie des Enthusiasmus mich verdr�ngt hatte, zu bewirken, das war haupts�chlich die Unzahl von Misgeschick, Noth und Plagen, die mich seit der R�ckkehr in mein Vaterland verfolgte. Da f�hlte ich das Nichts all' der gro�en Worte, all' der gl�nzenden Phantome, die in einer s��en Einsamkeit oder an der Seite einer Gyon oder Rowe so verf�hrerische Reize haben f�r ein empfindsames Herz, wie das meinige, und f�r eine Einbildungskraft, die um so th�tiger war, da sie mich f�r alles, was den Sinnen abging, entsch�digen mu�te.“
Zu einer heitern und ruhigen Gem�thsstimmung konnte gleichwohl Wieland noch immer nicht gelangen, seit er, wie er sich in einem seiner Briefe dar�ber ausdr�ckte, „aus den Wolken auf die Erde herabgestiegen“ oder mit andern Worten seine idealen Tr�ume mit der rauhen Wirklichkeit vertauscht hatte. Seine Lage, seine Gesch�fte waren geeignet, seinen Unmuth zu n�hren und zu steigern. Vergebens suchte er Trost in dem Studium der Philosophie, das ihn damals ernsthaft besch�ftigte. Er wandte sich wieder zu poetischen Sch�pfungen, und entwarf zu einer Zeit, wo seine Verstimmung den h�chsten Grad erreicht zu haben schien, den Plan zu seinem Roman „Agathon.“ Die Vollendung dieses Werks erfreute ihn, weil er dadurch zu der Ueberzeugung gelangte, da� die Schwungkraft seines Geistes noch nicht so gel�hmt w�re, als er geglaubt hatte. Die erste Idee zu seinem Roman hatte ihm der „Ion“ des Euripides gegeben. Aber Wieland hatte in seinem Helden sich selbst geschildert, nicht blos dem Charakter, sondern auch den Hauptsituationen und dem ganzen Streben nach. Mit Grund konnte er daher in einem seiner Briefe behaupten: „Agathon sei eine wirkliche Person, die er vor allen am genauesten kenne.“ Nur die Nebenumst�nde hatte er erfunden. Agathon's Seelengeschichte war im Wesentlichen Wielands eigene, und eine der treuesten Selbstschilderungen.
Noch ehe die vier Theile des „Agathon“ vollst�ndig erschienen, hatte Wieland einen andern Roman, den „Don Sylvio von Rosalva“ herausgegeben. Nach seinem eignen Gest�ndnisse war die Besch�ftigung mit diesem satyrischen Roman das einzige Mittel gewesen, ihn zu erheitern zu einer Zeit, wo Mi�geschick, Plagen und schmerzliche Empfindungen von allen Seiten auf ihn eingedrungen waren. Durch die Schilderung erg�tzlicher Thorheiten suchte Wieland das Gef�hl seiner Uebel zu mildern und abzustumpfen. Cervantes war damals sein Lieblingsschriftsteller. Durch das wiederholte Lesen des „Don Quixote“ kam ihm die Idee, nach jenem Muster die herrschenden Modethorheiten zu verspotten, und besonders dem Aberglauben einen t�dtlichen Sto� zu versetzen.
Eine seiner wichtigen literarischen Arbeiten war die von ihm unternommene Uebersetzung Shakspeares. Sie erschien in den Jahren 1762–1768 zu Z�rich in acht Octavb�nden. Schon w�hrend seines dortigen Aufenthalts hatte Wieland den gro�en brittischen Dichter n�her kennen gelernt. Die Bibliothek des Grafen Stadion in Warthausen bot ihm die H�lfsmittel dar, jenen Dichter auch in Deutschland, wo man ihn bisher noch wenig kannte, durch eine Uebersetzung einzuf�hren. Es war ein k�hnes Unternehmen, dessen Wichtigkeit er wohl nicht ganz erwogen haben mochte, als er nach seinen Aeu�erungen in der Vorrede zu seiner Uebersetzung „jene Arbeit mitten unter allen Arten von Gesch�ften und Zerstreuungen fortsetzen zu k�nnen glaubte.“ F�r Wielands Geist war diese Besch�ftigung von dem g�nstigsten Einflu�. Mit gereifterer Weltanschauung, die ihm durch den gro�en Britten geworden war, neigte er sich immer mehr zur romantischen Poesie. In Shakspeare's Humor glaubte er den Hauptgrund zu finden, weshalb dieser Schriftsteller, ungeachtet Sprache, Sitten und Geschmack seit der Zeit, in der er lebte, sich wesentlich ver�ndert, doch noch immer unter seinen Landsleuten den Reiz der Neuheit behalten habe und f�r sie noch immer weit anziehender sei, „als alle neuern Schriftsteller, die nach franz�sischen Modellen gearbeitet h�tten.“
Die durch Shakspeare zuerst in Wieland geweckte Vorliebe f�r das Humoristische erhielt neue Nahrung durch einen andern englischen Autor. Es war Sterne oder Yorik, wie er sich auf dem Titel einiger seiner Schriften nannte. Fast noch von keinem Werke war Wieland so ergriffen worden, als von dem unter dem Titel: „Tristram Shandy's Leben und Meinungen“ damals erschienenen Roman jenes Schriftstellers. Noch in sp�tern Jahren war Wieland unersch�pflich im Lobe jenes Werks.
Seine �u�ern Lebensverh�ltnisse hatten sich allm�lig g�nstiger gestaltet. 1764 war er zum wirklichen Kanzleidirector ernannt worden. Mannigfachen Verdrie�lichkeiten und l�stigen Arbeiten �berhoben, schien seine Existenz im Wesentlichen mehr gesichert zu seyn, als fr�her. Wie er sein Verh�ltni� als Stadtschreiber in Biberach betrachtete, schilderte er in einem Briefe an den Buchh�ndler Ge�ner in Z�rich, dem er zugleich meldete, da� er nicht abgeneigt sei, sich n�chstens zu verheirathen.
„Ich habe nun,“ schrieb Wieland, „auf all' mein Lebelang ein zwar ziemlich m�hseliges, aber doch eintr�gliches und honorables Amt — ein Umstand, der allezeit die Basis von meiner Ruhe ausmacht, und mich �ber die niederschlagenden Nahrungssorgen hinwegsetzt. Nun geht mir von den Bed�rfnissen des menschlichen Lebens nichts ab, als ein Weib, und da ich durch den Tod meines Bruders die Ehre habe, der Einzige von meiner Familie zu seyn, so werde ich von meinen lieben alten Eltern �ber diesen Punkt so sehr in die Enge getrieben, da� ich bald gen�thigt seyn werde, in die ganze Welt um ein Weib auszuschreiben. Hier findet sich keine f�r mich, denn ich sollte eine h�bsche, gescheidte, muntere, und wo m�glich eine reiche Frau haben, und die drei oder vier Jungfrauen, welche hier, Standes halber, ein Recht an mich haben k�nnten, sind nicht f�r mich. Ich wollte, da� sich in den dreizehn hochl�blichen Kantonen ein artiges M�dchen f�nde, das so viel christliche Liebe h�tte, einen ehrlichen Biberachschen Kanzleidirector, der ganz h�bsche Verse macht, von seinem Amt ungef�hr tausend Gulden Eink�nfte und die z�rtlichste Seele von der Welt hat, gl�cklich zu machen. Wenn Sie ein solches M�dchen wissen, lieber Freund, so recommandiren Sie mich, ich bitte gar sch�n.“
Am 7. November 1765 meldete Wieland seine Verm�hlung.
„Ich habe,“ schrieb er, „ein Weib genommen, oder
eigentlicher zu reden, ein Weibchen: denn es ist ein kleines,
wiewohl in meinen Augen ganz artiges, liebensw�rdiges
Gesch�pf, das ich mir, ich wei� selbst nicht recht wie, von
meinen Eltern und guten Freunden habe beilegen lassen.“
Wieland berichtete zugleich: seine Frau stamme aus einem
Augsburger Kaufmannshause, das unter dem Namen Jakob
Hillebrandt's selige Erben der merkantilischen Welt
nicht unbekannt sei.“ „Meine Frau,“ schrieb Wieland,
„hat wenig oder nichts von schimmernden Eigenschaften,
auf welche ich, vermuthlich, weil ich Anl�sse gehabt habe,
ihrer satt zu werden, bei der Wahl einer Gattin nicht gesehen
habe. Sie ist, mit Haller zu reden, gew�hlt f�r mein
Herz, und meinen W�nschen gleich — ein unschuldiges, von
der Welt unangetastetes, sanftes, fr�hliches, gef�lliges
Gesch�pf, nicht so gar h�bsch, aber doch h�bsch genug f�r
einen ehrlichen Mann, der gern eine Frau f�r sich selbst
hat — eine Pr�tension, welche man bei den gro�en Sch�nheiten
vergebens macht.“
Mehrere seiner damaligen Briefe schilderten, wie gl�cklich sich Wieland nach seiner Verheirathung f�hlte. Sehr richtig hatte er sich beurtheilt, als er meinte: „wenn er sich nur erst in seinem neuen Stande werde zurecht gesetzt haben, so sollten hoffentlich die Musen, falls sie anders jemals einen Antheil an den Geburten seines Gehirns gehabt, nichts dabei verlieren.“ Durch manche l�stige Amtsarbeiten ward ihm die Poesie verleidet. Immer jedoch kehrte er mit erneuter Liebe wieder zu ihr zur�ck. Mehrere seiner damaligen literarischen Erzeugnisse entstanden auf dem Rathhause, in der Kanzleistube, mitten unter dem Andrang der l�stigsten und trockensten Amtsgesch�fte. Die Fruchtbarkeit seines Geistes war nie gr��er gewesen, als in dieser Periode seines Lebens. Au�er der Vollendung des „Agathon“ schrieb Wieland damals seine „Komischen Erz�hlungen“ (das Urtheil des Paris, Endymion, Juno und Ganymed, Aurora und Cephalus). 1768 erschien sein Gedicht „Musarion“, zwei Jahre sp�ter „Idris und Zenide“; hierauf die erste H�lfte des „Neuen Amadis“ und ein Theil des Gedichts: „die Grazien.“ In einem Briefe an Ge�ner gestand Wieland: „der poetische Taumelgeist habe ihn so m�chtig ergriffen, da� er seine Mu�estunden nicht besser auszuf�llen wisse, als mit Reimen.“
Zu manchen poetischen Entw�rfen, mit denen sich Wieland besch�ftigte, geh�rte die bald wieder aufgegebene Idee, Alexander den Gro�en zum Helden eines epischen Gedichts zu w�hlen. L�nger verweilte er bei dem Entwurf eines Gedichts, welches unter dem Titel „Psyche“ die reinste Bl�the der wahren Philosophie und zugleich eine „kritische Naturgeschichte unsrer Seele“ enthalten sollte. Gegen den ihm gemachten Vorwurf, in mehreren seiner Gedichte einen zu muthwilligen, sarkastischen Ton angestimmt zu haben, suchte sich Wieland zu rechtfertigen. „Ich gestehe“, schrieb er, „die Ironie ist meine Lieblingsfigur, und ich schmeichle mir, einiges Talent daf�r zu haben. Freilich ist's ein ziemlich gef�hrliches Talent; zum Gl�ck aber hat mich die Natur mit einem guten und redlichen Herzen begabt. Mein Menschenha� ist nur gemacht. Ich liebe von Natur die Menschheit und die Menschen, und wenn ich auch �ber die Gebrechen der Einen, und die Schwachheiten der Andern spotte, so geschieht's in der Regel freundlich und in der Absicht, ihnen scherzend heilsame Wahrheiten zu sagen, die man zuweilen geradezu nicht zu sagen pflegt.“
Gro�e Sensation erregte die Keckheit, womit Wieland den Platonismus in der Liebe, dem er fr�her gehuldigt hatte, mit allen Waffen des Witzes bek�mpfte. Die Stimme der �ffentlichen Kritik warnte vor der Tendenz seiner Schriften, weil sie ein Gift enthielten, das, je s��er, um so gef�hrlicher sei. Mit Bedauern sprach man von dem Mi�brauch seiner gro�en und seltenen Talente, und ging selbst so weit, ihn als einen Dichter zu bezeichnen, der die Liebe von der Wollust gar nicht mehr zu unterscheiden scheine. Wieland's „Agathon“ war in Z�rich verboten worden. F�r den „Don Sylvio von Rosalva“ hatte er in Ulm einen Verleger suchen m�ssen. Am h�rtesten lauteten die ziemlich �bereinstimmenden Urtheile �ber Wielands „Komische Erz�hlungen.“
Fast noch schmerzlicher, als die �ffentliche Mi�billigung seiner Schriften, war f�r Wieland der Gedanke, in der guten Meinung seiner Freunde gesunken zu seyn. Er, der einst so warm der Tugend und Religion das Wort geredet hatte, schien jetzt ein Epikur�er und Skeptiker. Von dem Dichter schlo� man zur�ck auf den Menschen. Seine w�rmsten Freunde, unter andern Zimmermann, schienen den nachtheiligen Ger�chten, die sich �ber Wielands sittlichen Wandel verbreiteten, nicht allen Glauben zu versagen. In einem Briefe an Julie Bondeli rechtfertigte sich Wieland gegen die ihn getroffenen Beschuldigungen. „Ich war“, schrieb er, „ehemals Enthusiast in Ansehung der Religion, der Metaphysik und Moral, und ich war es ganz aufrichtig. So war damals meine Art zu seyn, oder das Resultat von hunderttausend physischen und moralischen Ursachen. Hab' ich nun aber auch in Einem Sinne aufgeh�rt, Enthusiast zu seyn, so bin ich doch nicht weniger ein Freund der Wahrheit, und finde die Tugend nicht weniger liebensw�rdig, wenn ich gleich nicht mehr an die Pr�existenz der Seele glaube, und beim Bilde eines rosenfarbnen Seraphs mit Fl�geln von Gold und Azur nicht mehr verz�ckt werde. Solche erk�nstelte Speculationen sind nichts als Stelzen, auf denen die menschliche Eitelkeit gern einherschreitet, angenehme Hirngespinste, woran woll�stige Seelen sich erg�tzen. Ich mu�te entweder meinen Platonismus reformiren, oder eine Einsiedelei in Tyrol aufsuchen, um da zu leben. Die Erfahrung hat mir einen Wahn nach dem andern genommen, und endlich kam ich in's Gleichgewicht. Ich hoffe, Sie zu �berzeugen, da� ich stets, selbst bei meinen Fehlern, den Charakter eines Biedermannes behauptet habe. F�r ein Tugendmuster hab' ich mich nie gehalten. Man wird finden, da� mein Geist zwar zuweilen th�richt, mein Herz aber immer gut war. Man h�lt mich f�r einen Libertin, und giebt mir eine Menge Maitressen. Die Wahrheit ist, da� ich in freund- und verwandtschaftlichen Verh�ltnissen mit zwei oder drei Damen stehe, die nicht ihrer Gestalt, sondern ihrer Verdienste wegen, Achtung verdienen, und da� ich einige fl�chtige Neigungen f�r junge Personen gehabt habe, die ich heirathen sollte, ich wei� nicht warum. Alle meine Liebschaften — und ich habe deren seit meinem siebzehnten Jahre wenigstens ein volles Dutzend gehabt, — haben mir gro�e Pein verursacht. Sie waren alle von der Art, die man passions nennt; alle meine Geliebten waren G�ttinnen, die ich anbetete, und ich habe wohl einigemal die platonische Liebe bis zu einem Heroismus getrieben, dessen ich mich nicht mehr f�hig f�hle. Vergesse man doch endlich diese moralischen Donquiroterien meiner Jugend! Wenn sich ernste und strenge Personen verwundern, mich als den Verfasser meiner neuen Werke zu sehen, so bin ich zu beklagen; sie k�nnen mich schelten, aber sie sollen nicht so weit gehen, deshalb nachtheilig zu denken von meinen Sitten und von meinem Charakter.“
Mit dem innern Bewu�tsein der moralischen Reinheit seiner Gef�hle mu�te sich Wieland tr�sten, als ihn der grundlose Verdacht traf, der Unm��igkeit und Wollust ergeben zu seyn. War ihm auch der Platonismus in der Liebe verd�chtig geworden, so konnte er doch f�r keinen Epikur�er im schlimmsten Sinne des Worts gelten. Da� er in seinen neuen poetischen Werken der Sinnlichkeit das Wort zu reden schien, war ein blo�es Spiel seiner Phantasie. Er dachte sich nichts Arges bei den ihm zur Last gelegten Schilderungen, die ihm unter beschwerlichen Amtsgesch�ften Trost und Erheitrung gew�hrten. Keinen unwesentlichen Antheil an der Tendenz seiner damaligen Producte hatte auch die Wahl seiner Lect�re. Lucian, Horaz, Cervantes, Ariost und besonders Sterne, waren seine Lieblingsschriftsteller.
An der Seite seiner Gattin Dorothea Hillenbrandt f�hlte Wieland sich sehr gl�cklich, obgleich sie, seinem eignen Gest�ndni� nach, keine „Musarion“ war. In einem Raum von funfzehn Jahren hatte er so manche Erfahrungen in der Liebe gemacht, da� er sie wohl im Stillen einer Musterung f�r werth hielt. Schon in fr�herer Zeit hatte Wieland den Plan entworfen, eine „philosophische Geschichte der Liebe“ zu schreiben. Dieser Plan blieb unausgef�hrt; aber er bot ihm den Stoff zu seinem Gedicht „Idris und Zenide,“ in welchem er beabsichtigte, die verschiedenen Arten der Liebe gegen einander in Contrast zu stellen, und zu diesem Behuf verschiedene Charaktere in eigent�mlichen Situationen sich entwickeln zu lassen. Im Wesentlichen unver�ndert kehrte die Idee, die dem erw�hnten Gedicht Wielands zu Grunde lag, in seinem „Neuen Amadis“ wieder, mit dem er sich gleichzeitig besch�ftigte. Ariost's rasender Roland war sein Vorbild. Den Sieg der Natur �ber die Schw�rmerei, der Wahrheit �ber die Heuchelei zu verherrlichen, war nach Wielands eignen Worten die Aufgabe, die er sich bei seinem „Neuen Amadis“ stellte. Von dem Muster, das ihm bei diesem Gedicht vorgeschwebt hatte, entfernte er sich in seinen „Grazien.“ Nach seinen eignen Aeu�erungen wollte er in diesem Gedicht „den Uebergang des Menschen aus dem Naturstande zur Stufe einer verfeinerten Bildung“ schildern.
Von dem Eindruck, den seine Schriften auf das Publikum machten, erfuhr Niemand weniger, als Wieland selbst. Aus den �ffentlichen Kritiken, die oft parteiisch und befangen waren, konnte er jenen Eindruck nicht kennen lernen. Es lag aber auch in seinen Verh�ltnissen, da� er �berhaupt mit dem Gange der Literatur unbekannt blieb. Die meiste Zeit brachte er in der Kanzlei, in den Rathssessionen und an seinem Actentisch zu, ohne am Abend eine andere Gesellschaft zu finden, als an einem Kartentisch oder in h�uslichen Cirkeln, wo er seine Literaturkenntni� eben nicht sonderlich erweitern konnte. Durch Gewohnheit f�hlte er sich nicht unbehaglich in diesem einf�rmigen Lebenskreise, und aus seiner scheinbaren Verstimmung blickte oft ein unverw�stlicher Humor hervor. „Wenn ich,“ schrieb er, „auch zuweilen schwerm�thig werde, und mit dem Strumpfband in der Hand mich nach einem tauglichen Nagel umzusehen anfange, so besinne ich mich doch allemal so lange, bis wieder nichts daraus wird — ein �berzeugender Beweis, da� ich noch etwas in meinem Zustande finde, das der Versuchung, mich aufzuh�ngen, wenigstens das Gleichgewicht h�lt.“
Diese Zeilen hatte Wieland noch vor seiner Verheirathung geschrieben. Seine sehr gl�ckliche Ehe zeigte ihm auch seine Amtsverh�ltnisse, so bitter er sich auch oft dar�ber beklagt hatte, in einem minder ung�nstigen Lichte. In einem seiner damaligen Briefe bat er einen Freund, „sich die Sache nicht so gar gr��lich vorzustellen.“ Ueber die Nachmittage, �u�erte Wieland, k�nne er frei disponiren, und seine Gesch�fte gingen ihm leicht von der Hand. „Daf�r bin ich aber auch,“ f�gte er hinzu, „einer der expeditivsten Leute im ganzen Schwabenlande. Nur ein kleines Tusculanum geht mir noch ab, und bis ich erben werde (wozu in den n�chsten zwanzig Jahren wenig Hoffnung ist) sehe ich auch keine M�glichkeit, eins zu bekommen. In Ermangelung dessen habe ich ganz nahe an der Stadt, aber doch in einem etwas einsamen Orte, ein artiges Gartenhaus gemiethet, wo ich die angenehmste Landaussicht von der Welt habe, und, so nahe es meinem Hause in der Stadt ist, doch v�llig auf dem Lande bin. Hier bringe ich im Sommer meine meisten m�ssigen Stunden zu, solus cum sola, oder ganz allein mit den Musen, Faunen und Grasnymphen, deren ich von Zeit zu Zeit einige im Gesicht habe, welche auch den enthaltsamsten Einsiedler unversucht lassen w�rden. Ich rieche den lieblich erfrischenden Geruch des Heu's, ich sehe schneiden und Flachs bereiten. Auf der einen Seite erinnert mich aus der Ferne der Kirchhof, wo die Gebeine meiner Voreltern liegen, da� ich leben soll, so lange und gut ich kann; auf der andern Seite lockt mir ein durch Geb�sche halb verdeckter Galgen fernher den Wunsch ab, da� ein halb Dutzend Schurken, die ich ganz trotzig t�te lev�e herumgehen sehe, daran h�ngen m�chten. Ich sehe M�hlen, D�rfer, einzelne H�fe, ein langes angenehmes Thal, das sich mit einem zwischen B�umen hervorragenden Dorfe mit einem sch�nen schneewei�en Kirchthurm endet, und �ber demselben eine Reihe ferner blauer Berge. Das zusammen macht eine Aussicht, �ber der ich alles, was mir unangenehm seyn kann, vergesse, und, mit diesem Prospect vor mir, sitze ich an einem kleinen Tisch, und — reime.“
Wegen seiner Zukunft, wenn sich sein Blick dahin verirrte, konnte Wieland unbesorgt seyn. Durch P�nktlichkeit und unerm�dete Berufstreue hatte er sich die Achtung und das Vertrauen seiner Obern erworben. Seine �konomischen Verh�ltnisse �berhoben ihn der Sorgen. Noch nie hatte sich der Wunsch in ihm geregt, seine Lage mit einer andern zu vertauschen. Er wu�te es daher anfangs seinen Freunden wenig Dank, als sie ihm eine andere Stellung zu verschaffen suchten, die, wie sie glaubten, mit seinen F�higkeiten und Neigungen mehr harmonirte.
Eine fl�chtig hingeworfene Aeu�erung Wielands, da� er nicht abgeneigt w�re, ein akademisches Lehramt zu bekleiden, hatte in dem Churmainzischen Minister v. Gro�schlag, der ihn in Warthausen kennen gelernt, die Idee geweckt, ihn nach Erfurt zu ziehen. Wieland schwankte eine Zeit lang, ob er dem an ihn ergangenen Rufe folgen sollte. Zufrieden mit seinen bisherigen Verh�ltnissen, fesselten ihn Familienverh�ltnisse, Eltern und Schwiegereltern an seine Vaterstadt Biberach. Er f�rchtete au�erdem von seiner neuen Lage manche Unannehmlichkeiten. Die Promotion war das Erste, was er zu umgehen w�nschte. Magister zu werden, meinte Wieland, werde sich f�r ihn um so weniger schicken, da er „die Ehre habe, Comes Palatii Caesarei zu seyn, und verm�ge seines Diploms selbst f�hig sei, Meister der freien K�nste zu creiren.“ Manche dieser Hindernisse r�umte Wielands Freund, der Professor Riedel in Erfurt, hinweg. Was ihn haupts�chlich bestimmte, den Ruf nach Erfurt anzunehmen, war die Vorstellung, da� er dort die ersehnte Mu�e zu literarischen Arbeiten zu erlangen hoffte. Das Schreiben, in welchem ihm eine Professur der Philosophie mit dem Charakter eines Churf�rstl. Mainzischen Regierungsraths und einem Gehalt von 600 Rthlrn. zugesichert worden war, enthielt zugleich die schmeichelhafte Aeu�erung, da� sein Name das Hauptmotiv gewesen w�re, ihn nach Erfurt zu ziehen. Man sei, hie� es ausdr�cklich in jenem Schreiben, „schon zufrieden, wenn er nur komme, sollte er auch gleich nichts anderes thun, als da seyn und machen, was ihm selbst gefalle.“ Diese Aussicht einer unbeschr�nkten literarischen Th�tigkeit hatte so viel Lockendes f�r Wieland, da� er sich entschlo�, den Ruf nach Erfurt anzunehmen, und der Magisterpromotion sich zu unterwerfen, so manches er auch, wie vorhin erw�hnt, dagegen einzuwenden gehabt hatte.
In der letzten Zeit seines Aufenthalts in Biberach besch�ftigten ihn mancherlei schriftstellerische Pl�ne, die er in Erfurt zu realisiren hoffte. Er wollte unter andern „Briefe �ber die Literatur“ schreiben, und sie „in kleinen B�ndchen in die Welt fliegen lassen.“ Die Mu�e, welche ihm seine Kanzleigesch�fte irgend g�nnten, benutzte er zu einer Revision seiner poetischen Schriften, die damals neu gedruckt werden sollten. L�ngst zerfallen mit seinem fr�heren Freunde Bodmer, der sogar Spottgedichte gegen ihn gerichtet hatte, folgte Wieland, der sch�nen Vergangenheit sich dankbar erinnernd, nur den Eingebungen seines Herzens, als er jene Sammlung „seinen alten und ehrw�rdigen Freunden, dem Herrn Kanonikus Breitinger und dem Herrn Professor Bodmer“ mit einer f�r beide sehr schmeichelhaften Dedication widmete.
Am 1. Juni 1769 kam Wieland in Erfurt an, durch Hitze, Staub und andere Unannehmlichkeiten der Reise so g�nzlich ersch�pft, da� er, seinen eignen Aeu�erungen nach, „einem Ritter von der traurigen Gestalt um einen gro�en Theil �hnlicher sah, als einem der sieben Weisen.“ Das Schicksal hatte ihn wieder in die Stadt zur�ckgef�hrt, wo er seine philosophischen Studien begonnen, doch damals durchaus keine Neigung zu einem akademischen Lehramt in sich versp�rt hatte. Au�er seinem Freunde Riedel fand er in Erfurt Meusel, Chr. H. Schmid, den Verfasser einer vielgelesenen Theorie der Dichtkunst, den eben so ber�hmten als ber�chtigten Dr. Bahrdt u.A. Keiner von diesen talentvollen K�pfen hatte damals schon einen so festbegr�ndeten literarischen Ruf, als Wieland, der von mehreren seiner Collegen schon de�halb beneidet werden mochte. Vorz�glich f�hlten sie sich verletzt durch seine Ernennung zum ersten Professor der Philosophie. Neue Nahrung erhielt ihre Mi�gunst, als Wieland nach einem halben Jahre auch zum au�erordentlichen Beisitzer des Collegii academici ernannt ward.
Auf seinen Freund, den Professor Riedel, beschr�nkte Wieland seinen Umgang. Mit den �brigen Lehrern der Erfurter Hochschule kam er in wenige Ber�hrung. Den Freuden des geselligen Lebens, die nie besondern Reiz f�r ihn gehabt, sich in Erfurt fast g�nzlich zu entziehen, ward ihm nicht schwer. Ersatz daf�r bot ihm seine freundliche Gartenwohnung im Gasthofe zum Schwan, hinter dem Schottenkloster. Dies Asyl befriedigte in jeder Hinsicht seine m��igen W�nsche. Er f�hlte sich gl�cklich, seiner Familie, sich selbst und den Musen ungest�rter leben zu k�nnen, als es seine Verh�ltnisse in Biberach gestattet hatten. Sein Lehramt er�ffnete er mit Vortr�gen �ber die Geschichte der Menschheit, nach einem bekannten Werke von Iselin �ber diesen Gegenstand. Sp�terhin hielt er Vorlesungen �ber die Geschichte der Philosophie, las �ber die allgemeine Theorie der sch�nen K�nste, und erkl�rte einige Lustspiele des Aristophanes und die Briefe des Horaz. Auch gab er eine historisch-kritische Uebersicht der besten griechischen, lateinischen, italienischen, franz�sischen und englischen Schriftsteller.
Am liebensw�rdigsten zeigte sich Wieland in seinem Familienkreise. In einem Briefe an seine Freundin Sophie la Roche gestand er, da� er „das Vergn�gen, mit seinen kleinen Kindern zu spielen, allem Vergn�gen der Welt vorziehe.“ Das meinte er den Grazien zu verdanken, die �berhaupt f�r ihn „sehr wesentliche Gottheiten“ w�ren. Bei Uebersendung des unter diesem Namen von ihm verfa�ten Gedichts, das er 1770 vollendet hatte, schrieb Wieland: „Die Grazien thun mir unendlich viel Gutes; sie geben meinen Gedichten Reiz, mir zuweilen Heiterkeit und noch �fter Zufriedenheit mit meinem Zustande; kurz, sie sind meine Schutzg�ttinnen, und ich werde ihnen bis zum letzten Lebensaugenblicke dienen.“
Nichts weniger als das Ideal eines Weisen, sollte der „Diogenes von Sinope“ seyn, dessen „Dialogen“ Wieland noch w�hrend des Sommers 1770 herausgegeben hatte. Auch ohne Lucians Vorliebe f�r diesen Sonderling, mu�te schon f�r Wieland die Untersuchung Interesse haben, wie ein Mann wohl h�tte seyn k�nnen, �ber den so seltsame und widersprechende Ger�chte herrschten. Seinem Helden gab Wieland weniger Cynismus und mehr �chte Lebensweisheit, als man ihm bisher gew�hnlich zugestanden hatte. Das kleine Werk, in welchem ernste und komische, sentimentale und satyrische Schilderungen abwechselten, empfahl sich besonders durch eine Basis von Sokratischer Philosophie.
In einem Briefe an seine Freundin Sophie la Roche gestand Wieland, da� er �ber manche Dinge, die sich auf den moralischen Theil der menschlichen Natur bez�gen, nicht mehr so denke, wie ehemals, und z.B. die Clarisse'n, die Carl Grandison's und �hnliche Werke nicht liebe, aus dem einzigen Grunde, weil sie ihm zu vollkommen w�ren. „Vielleicht habe ich Unrecht,“ schrieb er; „sollte ich aber Recht haben, so spotte ich doch nicht �ber ihre Denkart. Ich halte vielmehr daf�r, da� die Verschiedenheit der Ansichten der Dinge von der Natur herr�hrt, und ihr nicht weniger gem�� ist, als der Unterschied, den sie in den Gesichtern, in den Temperamenten, und in allem macht, was damit in Beziehung steht; und wofern die �ffentliche Ruhe und das allgemeine Wohl nicht darunter leidet, behaupte ich, es m�sse erlaubt seyn, da� der Eine f�r heilig halte, was dem Andern als sehr profan erscheint; da� der Eine mit dem sein Spiel treibe, was der Andere f�r sehr ernst und wichtig nimmt u.s.w.“
So suchte sich Wieland als humoristischer Schriftsteller, wof�r er gelten wollte, und nach seinen Anlagen auch wohl gelten konnte, von den Fesseln zu befreien, die den Flug seines Geistes hemmten, und sich zugleich �ber den in seinen Schriften angestimmten Ton zu rechtfertigen, den die �ffentliche Meinung mit der W�rde eines Professors der Philosophie f�r nicht vertr�glich zu halten schien. Er �u�erte sich dar�ber mit den Worten: „Man glaubt hier, die Geistesschwere, gew�hnlich Gravit�t genannt, sei eine wesentliche Eigenschaft eines akademischen Lehrers, und man kann oder will nicht sehen, da� ein Autor, der f�r das Publikum und f�r Menschen von Geist schreibt, nicht wie ein Schulmeister schreiben darf.“
Dieser Aeu�erungen ungeachtet, glaubte Wieland doch seinen Beruf als Professor auch in literarischer Hinsicht rechtfertigen zu m�ssen. Der Entwurf, eine „Geschichte des menschlichen Geistes“ zu schreiben, die er dem Churf�rsten von Mainz zueignen wollte, blieb zwar unausgef�hrt. Aber Bruchst�cke einer solchen Geschichte waren gewisserma�en alle Werke Wielands, die in den Jahren 1770–1772 entstanden. Das Studium der Natur des Menschen ward sein angelegentlichstes Gesch�ft. In den Aufs�tzen: „Was ist Wahrheit?“ und „Welchen Zweck hat die Philosophie?“ hatte er sich zwei wichtige Fragen vorgelegt, ohne sich jedoch einzubilden, da� er mit den kurzen Antworten, die er darauf gab, seinen Gegenstand ersch�pft habe. Seinen „Betrachtungen �ber Rousseau's urspr�nglichen Zustand des Menschen,“ f�gte Wieland, gewisserma�en als Erg�nzung, einen Aufsatz bei: „Ueber die Behauptung, da� ungehemmte Ausbildung der menschlichen Gattung nachtheilig sei.“ Den Contrast zwischen den von Rousseau ge�u�erten Ideen und der Beschaffenheit der menschlichen Natur wollte Wieland durch Beispiele noch anschaulicher machen. Zu diesem Behuf schrieb er au�er einem Roman, „Koxkox oder Kikequetzel“ betitelt, die „Reisen und Bekenntnisse des Priesters Abulfauaris.“
Entschieden richtete sich Wielands Aufmerksamkeit damals auf einen Monarchen, dar mit m�chtiger Hand die Fesseln zerbrechen zu wollen schien, welche bisher die Geistesfreiheit gel�hmt hatten. Durch den Kaiser Joseph II. waren zugleich mit dem Jesuitenorden, die meisten Kl�ster in den �sterreichischen Staaten aufgehoben und dadurch die Gewalt des M�nchthums in mehrfacher Weise beschr�nkt worden. Damals (1773) schrieb Wieland seinen Roman: „der goldene Spiegel“, den er dem als dramatischen Dichter nicht unbekannten Kaiserl. Staatsrath v. Gebler in Wien zueignete. In einem seiner damaligen Briefe an seine Freundin Sophie la Roche �u�erte Wieland, da� er in seinem Roman mit einer nicht gew�hnlichen Unerschrockenheit den Gro�en der Erde einen Spiegel vorgehalten habe, der ihnen wahrlich nicht schmeichle. „Seyn Sie aber deshalb ohne Furcht“, schrieb er. „Ich f�rchte weder Bastille, noch L�wengrube, noch feurigen Ofen. Hab' ich auch nicht die Ueberzeugung, da� die F�rsten und Minister mich um meines Buchs willen mehr lieben werden, so bin ich doch gewi�, da� sie sich wohl h�ten m�chten, mir eine b�se Miene dar�ber zu machen.“
Ohne seine fast g�nzliche Zur�ckgezogenheit und den anhaltendsten Flei� h�tte Wieland w�hrend seines dreij�hrigen Aufenthalts in Erfurt so viel als Schriftsteller nicht leisten k�nnen, wie er wirklich leistete. Ueberdies ward er oft unterbrochen in seinen literarischen Besch�ftigungen theils durch Arbeiten, die ihm die churmainzische Regierung �bertrug, theils durch Aufforderungen zu zweckm��igen Vorschl�gen, wie der Flor der Universit�t zu bef�rdern seyn m�chte. Unter diesen mannigfachen Gesch�ften war er nicht der Sorge �berhoben, mit seiner Familie anst�ndig leben zu k�nnen. Sein Gehalt war m��ig, und von seinen Vorlesungen, so zahlreich sie auch besucht wurden, hatte er wenig Gewinn. Auch ohne innern Trieb h�tte er zur Feder greifen m�ssen. Nur von seinem anhaltenden Flei�, nicht von der Gnade seines F�rsten, hoffte Wieland, nach seinen eigenen Aeu�erungen, eine Verbesserung seiner Lage.
Einzelne Ausfl�ge nach Weimar mu�ten ihm Ersatz bieten f�r eine gr��ere Reise, die weder seine beschr�nkte Zeit, noch seine pecuni�ren Verh�ltnisse erlaubten. Als ihm einst in Weimar Lessings „Emilie Galotti“ in die H�nde fiel, begeisterte ihn dies Trauerspiel zu einem von Lob �berstr�menden Briefe an Lessing. „Es war,“ �u�erte Wieland, „das erste Schreiben, das ich an diesen gro�en Mann richtete.“ Liter�rische Bekanntschaften und Verbindungen anzukn�pfen, und zu Verfolgung schriftstellerischer Zwecke einen Briefwechsel zu unterhalten, f�hlte Wieland kein Bed�rfni�. Er hatte schon so viele liter�rische Pl�ne wieder aufgeben m�ssen, weil es ihm an Zeit fehlte, sie auszuf�hren. Der Kreis von ausw�rtigen Freunden, mit denen er in Briefwechsel stand, war daher sehr beschr�nkt. Er schrieb an wenige, meistens nur an solche, die sich zuerst an ihn gewendet hatten. In ein engeres Freundschaftsverh�ltni� war er mit Gleim und Jacobi getreten. „Beide,“ schrieb Wieland an Sophie la Roche, „geh�ren zu der kleinen Zahl der sch�nen Geister, die eine zu sch�ne Seele haben, um des Neides und der Eifersucht f�hig zu seyn, und Sie wissen, da� solche zu den wei�en Raben geh�ren.“ Zu dem Dichter Jacobi f�hlte sich Wieland durch eine Art von Geistesverwandtschaft hingezogen. Er pflegte ihn seinen eigenen Dichter zu nennen, und freute sich herzlich �ber seines Freundes Streben, in der Poesie das Ideal von Vollkommenheit zu erreichen, das vor seiner Seele schwebte.
In einem Briefe Jacobi's, welchem Wieland im M�rz 1771 in Ehrenbreitenstein, wo er sich damals aufhielt, einen Besuch machte, hat sich eine Schilderung von Wielands Aeu�eren und seiner Pers�nlichkeit in jener Periode seines Lebens erhalten. „Beim ersten Anblick,“ schrieb Jacobi, „schien mir seine Physiognomie nicht sehr bedeutend. Seine Augen sind klein und etwas tr�b, und die Menge von Blatternarben, womit seine Haut �berdeckt ist, machen, da� seine Z�ge nicht genug hervorstechen, um sich geh�rig auszeichnen zu k�nnen. Nichts desto weniger dr�ckt sich in seiner ganzen Gebehrde das Feuer seines Geistes und der Charakter seiner Empfindungsart auf eine au�erordentliche und eigent�mliche Weise aus. Wenn er stark ger�hrt ist, ger�th sein ganzer K�rper, doch auf eine fast unmerkliche Weise, in Bewegung; seine Muskeln dehnen sich aus; seine Augen werden heller und gl�nzender; sein Mund �ffnet sich etwas; und so bleibt er in einer Art von Erstarrung, bis er einige Worte ausgesprochen, oder seinem Freunde die Hand gedr�ckt hat. Dieser Ausdruck in Wielands Person ist so fein, da� er den Meisten unbemerkt bleiben mu�; ich aber bin davon mehr als einmal bis auf das Mark ersch�ttert worden. Wieland geht schnell von einem Vorwurf zum andern �ber, weil er in einem Nu eine Reihe von Gedanken oder eine Situation durchschaut und empfunden hat. Bei ihm w�rde es Zeitverderbni� seyn, wenn er l�nger dabei verweilte.“ Zu den Eigenschaften, die nach Jacobi's Ausdruck, „Wielands Charakter eben so liebens- und verehrungsw�rdig machten, als sein Genie,“ rechnete Jacobi „die nat�rliche, sch�ne und m�nnliche Empfindsamkeit seiner Seele; die unzerst�rtere G�te seines Herzens; seine warme, uneigenn�tzige, zu Neid und Eifersucht ihn ganz unf�hig machende Liebe des Wahren und Sch�nen; seine ungeheuchelte Bescheidenheit und unglaubliche Aufrichtigkeit.“
So innig, wie sein Freundschaftsbund mit Jacobi, ward keine von den Bekanntschaften, welche Wieland w�hrend eines damaligen Aufenthalts in Leipzig ankn�pfte, wohin er auf kurze Zeit gereist war. Zu den Wenigen, an die er sich n�her anschlo�, geh�rten Wei�e und Garve, beide Gellerts Freunde, den er nicht mehr unter den Lebenden fand, aber zu nicht geringem Verdru� h�ren mu�te, wie Jung und Alt sich bem�hte, den gefeierten Dichter durch matte Lobges�nge zu verherrlichen. „Es war,“ schrieb Wieland, „ein entsetzliches Gesinge, Gepl�rre, Geseufze und Geheul.“ Wei�e's liebensw�rdiger Charakter zog ihn an. Er geh�rte zu denen, meinte Wieland, mit denen er sein Leben zubringen m�chte. In Garve verehrte er den Philosophen und scharfsinnigen Denker. Nur in geringe Ber�hrung kam er mit Clodius, der ihn durch sein Talent f�r den gef�lligen Umgang mehr interessirte, als durch seine Geistesvorz�ge. Eine gewisse Seelenverwandtschaft kettete ihn an Oeser, den er in der Winklerschen Gem�ldegallerie kennen gelernt hatte. In einem seiner damaligen Briefe gestand Wieland: „Unter allen M�nnern, deren Bekanntschaft ich in Leipzig gemacht, ist Oeser der, den ich am meisten nach meinem Herzen gefunden habe, eine sch�ne Seele, ein vortreffliches Herz, bei aller Einfachheit von au�en, die sich an dem wahren Genie findet.“
Entscheidend f�r Wielands sp�teres Leben ward ein Ausflug nach Weimar. Durch die dort angekn�pfte Bekanntschaft mit dem Grafen v. G�rz hatte er das Gl�ck, der verwittweten Herzogin Anna Amalia von Sachsen-Weimar vorgestellt zu werden. Seine Pers�nlichkeit und geistreiche Unterhaltung, verbunden mit dem literarischen Ruf, der ihm voranging, machten den g�nstigsten Eindruck auf jene, den Musen befreundete F�rstin. Die Herzogin Amalia �bertrug ihm die Erziehung des damaligen Erbprinzen und nachherigen Herzogs Carl August. Nicht lange zuvor hatte Wieland Aussichten gehabt, nach Wien gerufen zu werden. Seine Hoffnung gr�ndete sich auf das ziemlich allgemein verbreitete Ger�cht: Joseph II. beabsichtige, die vorz�glichsten Geister der deutschen Nation in der Hauptstadt des deutschen Reichs zu vereinigen. Die Hoffnung, nach Wien zu kommen, gab Wieland auch da noch nicht ganz auf, als er bereits die Stelle eines Instructors des Erbprinzen von Sachsen-Weimar angenommen hatte. „Ich stehe nun,“ schrieb er, „in meinem vierzigsten Jahre, und wenn die G�ttin Fortuna etwas f�r mich thun will, so ist's hohe Zeit; en attendant, und weil ich dieser Humoristin nicht sonderlich traue, bem�he ich mich, ne ipse desim mihi.“
Die neuen Verh�ltnisse, in die er zu treten im Begriffe stand, �berhoben ihn nicht g�nzlich der Sorge f�r die Zukunft, oder eigentlicher gesagt, f�r seine Familie. Ihre Lage war unsicher; denn mit Wielands Tode erlosch die lebensl�ngliche Pension von 600 Thlrn., die ihm zugesichert worden war, wenn er nicht mehr Instructor des Erbprinzen seyn w�rde. Bis zu diesem Zeitpunkt, der mit dem 3. September 1775 herannahte, bezog er einen Jahrgehalt von 1000 Thlrn. Seine Eink�nfte hatten sich nur f�r wenige Jahre verbessert. Durch seine Anstellung als Prinzenerzieher sah er jedoch einen fr�h gehegten Lieblingswunsch erf�llt, mit dem er sich schon w�hrend seines Aufenthalts in der Schweiz oft lebhaft besch�ftigt hatte.
Dem Hofleben konnte Wieland, wenigstens anfangs, keinen Geschmack abgewinnen, obgleich die Fesseln, die es ihm anlegte, seinem eignen Gest�ndni� nach, nichts weniger als dr�ckend waren. Etwas Erfreuliches hatte f�r ihn aber doch die N�he einer durch Geist und Herz ausgezeichneten F�rstin, deren vielseitig gebildeter Geschmack sie f�r alles Gro�e und Sch�ne, f�r Wissenschaft und Kunst im weitesten Sinne des Worts, empf�nglich machte. Darum versammelte sie gern einen Kreis feingebildeter M�nner und Frauen um sich, und jedes Talent konnte sich in ihrer N�he um so freier entwickeln, da Humanit�t und Herablassung zu den Hauptz�gen ihres Charakters geh�rten, wodurch sie sich allgemeine Liebe und Verehrung erwarb. An seinen f�rstlichen Z�gling, den Erbprinzen Carl August, der durch treffliche Anlagen und liebensw�rdige Eigenschaften zu den sch�nsten Hoffnungen berechtigte, sah sich Wieland bald durch ein Band wechselseitiger Zuneigung immer inniger gekn�pft. Das Interesse f�r das Wahre, Gute und Sch�ne in seinem f�rstlichen Z�gling zu wecken und zu n�hren, war die Hauptaufgabe, die sich Wieland bei seinem Unterricht stellte. Ein Zeugni� davon gab er, als er den Geburtstag des Erbprinzen durch eine allegorische Dichtung in dramatischer Form, „die Wahl des Herkules“ betitelt, feierte.
Wielands Interesse an der dramatischen Poesie ward gen�hrt durch die Seylersche Schauspielergesellschaft, deren Mitglieder, zu denen der ber�hmte Eckhof geh�rte, damals Vorstellungen in Weimar gaben, wo sich noch keine stehende B�hne befand. Weder den Dramen, noch den komischen Operetten, meistens franz�sischen Mustern nachgebildet, konnte Wieland eigentlichen Geschmack abgewinnen, wenn er jenen Producten auch nicht geradezu allen Werth absprach. Eine gr��ere Wirkung hoffte er von der bisher g�nzlich vernachl�ssigten ernsten Oper. Schon in Erfurt hatte ihn dieser Gegenstand besch�ftigt und ihm manche Erkl�rungen abgen�thigt, seit er seines Freundes Jacobi Cantaten und besonders dessen „Elysium“ gelesen hatte.
Den Beifall, den ein damals von Wieland gedichtetes Singspiel „Aurora“ fand, als es, von Schweizer componirt, aufgef�hrt ward, ermuthigte ihn zu einem gr��ern musikalisch-dramatischen Versuche. So entstand Wielands Oper „Alceste,“ die im Mai 1773 zum ersten Mal aufgef�hrt ward. Gleichzeitig schrieb er seinen „Versuch �ber das Singspiel.“ Wielands Freude �ber die g�nstige Aufnahme seiner „Alceste“ ward vermehrt, als der ber�hmte Gluck ihn aufforderte, f�r ihn eine �hnliche Oper zu schreiben.
Abgelenkt ward Wieland von der dramatischen Poesie durch ein literarisches Unternehmen, das seine Zeit und Kr�fte fast �berm��ig in Anspruch zu nehmen drohte. Der sehr beliebte Mercure de France gab ihm die Idee zur Herausgabe einer �hnlichen Zeitschrift, die unter dem Titel: „Der deutsche Merkur“ erscheinen sollte. Wieland hoffte von diesem Journal eine weitverbreitete Wirkung auf seine Zeitgenossen, und versprach sich selbst davon f�r die Zukunft eine in �konomischer Hinsicht gesicherte Lage. Nach seinem Plane sollten in jener Zeitschrift Gedichte und Aufs�tze in Prosa von allgemeinem Interesse mit kritischen Uebersichten der neuesten Erscheinungen im Gebiet der Philosophie, Geschichte, Politik und sch�nen Literatur abwechseln. Die aufzunehmenden Recensionen sollten besonders auch dazu dienen, parteiische und unbillige Urtheile �ber die vorz�glichsten Schriften zu berichtigen. Wieland begann die Herausgabe des „deutschen Merkur,“ stie� jedoch bald auf nicht vorhergesehene Hindernisse. „Ohne die Beih�lfe unserer besten Schriftsteller vermag ich nichts,“ gestand er in einem seiner Briefe. Unter den Mitarbeitern, die er f�r sein Journal zu gewinnen w�nschte, waren Lessing, Herder, Garve, M�ser u.A. zu besch�ftigt mit eignen literarischen Arbeiten, um ihm eine ununterbrochene Theilnahme am „deutschen Merkur“ zusichern zu k�nnen. Andere Schriftsteller, die ihm n�tzlich werden konnten, kannte er zu wenig; von mehreren wu�te er kaum, wo sie lebten, oder welche Stellung sie behaupteten. Unter seinen n�hern Freunden und Bekannten mu�te er sich die Mitarbeiter f�r sein Journal w�hlen, welches ihm �brigens, da er nicht blos die Herausgabe, sondern auch den Verlag �bernommen hatte, bald durch eine ausgebreitete Correspondenz und durch mannigfache Irrungen mit Papierh�ndlern, Druckern und Correctoren uns�glichen Verdru� bereitete. Seinem Freunde Jacobi gestand Wieland: „er sei des Merkurs schon satt, noch ehe er begonnen.“ Von den Sorgen der Gesch�ftsf�hrung, f�r die es ihm durchaus an Talent fehlte, befreite ihn Bertuch, der nachherige Legationsrath und Besitzer des Industrie-Comptoirs in Weimar, welche damals sich der Erlernung des Buchhandels widmete, und ihm mit Rath und That h�lfreich zur Seite stand.
Wieland's k�hnste Erwartungen �bertraf die Zahl der Abonnenten bald nach der Ank�ndigung des „deutschen Merkur.“ Eine Auflage von 2000 Exemplaren war in kurzer Zeit vergriffen, ungeachtet die innere Ausstattung des ersten Hefts sehr d�rftig ausgefallen war. Au�er Wieland und Jacobi hatte kein Schriftsteller von anerkanntem Werth einen Beitrag geliefert. Gotter, B�rger, M�ser u.A. hatten sich anonym unterzeichnet. Es war aber weniger der Mangel an ber�hmten Namen, als die im „deutschen Merkur“ enthaltene Kritik, was bald ein nachtheiliges Licht auf jene Zeitschrift warf, die so vielversprechend angek�ndigt worden war. Auf eine leidenschaftliche Gegenwirkung mu�te Wieland gefa�t seyn, als er sich zu einem strengen Kunstrichter aufwarf. Schwerlich aber ahnte er das Schicksal, da� er durch seine Urtheile es mit allen Partheien auf einmal verderben und selbst mit denen zerfallen w�rde, die er f�r seine treusten Freunde hielt.
In manche Irrungen gerieth Wieland durch die Sch�rfe seiner Kritik mit den Halberst�dter Dichtern, mit Gleim, Jacobi, Michaelis u.A. Die G�ttinger poetische Blumenlese, zu welcher er selbst Beitr�ge geliefert, hatte er mit einer Strenge beurtheilt, durch welche der Herausgeber Boie sowohl, als die Mitarbeiten sich sehr verletzt f�hlten. Es waren B�rger, H�lty, Vo�, Miller, die Grafen Stolberg u.a. junge talentvolle M�nner, die dem G�ttinger Dichterbunde, der sich damals gebildet, angeh�rten. V�llig verscherzte Wieland die Achtung jenes Vereins, als sein Tadel auch die Bardenpoesie und den k�hnen Dithyrambenton traf, den die G�ttinger Dichter damals in einer Uebersetzung griechischer Ch�re der alten Tragiker angestimmt hatten. Durch solche Bestrebungen meinte Wieland, werde die deutsche Poesie bald allen Wohlklang und �berhaupt alle Wahrheit, Regelm��igkeit, Anmuth und Eleganz verlieren. Hinsichtlich der G�ttinger Dichter bemerkte er: „Sie scheinen sich vorgenommen zu haben, den Ausspruch des Demokrit, da� ein Poet rasen m�sse, durch ihr Beispiel zu rechtfertigen; aber die poetische Wuth sollte doch, d�cht' ich, nicht gar zu nahe an diejenige grenzen, die in die dunkle Stube f�hrt.“ Durch solche Aeu�erungen, und durch seinen Ausfall auf die Bardenpoesie, der zugleich den von den G�ttingern hochverehrten S�nger der Messiade traf, hatte Wieland jene jungen M�nner so gereizt, da� sie, als der Dichterbund am 2. Juli 1773 Klopstocks Geburtstag feierte, Wielands „Komische Erz�hlungen“ den Flammen opferten.
Mit den Frankfurter Dichtern, die auf einem andern Wege, als die G�ttinger, nach einer Nationalpoesie strebten, bei der ihnen Shakspeare als Muster galt, war Wieland durch eine Recension des „G�tz von Berlichingen“ zerfallen, die, wenn auch nicht von ihm selbst herr�hrend, doch einen Platz im „deutschen Merkur“ gefunden hatte. Das gespannte Verh�ltni�, in welches er dadurch zu Goethe getreten war, der sein ausgezeichnetes und vielseitiges Talent bald nachher durch die „Leiden Werthers“, das Trauerspiel „Clavigo“ u.a. Schriften bew�hrte, ward noch gesteigert durch die von Wieland im deutschen Merkur erschienenen „Briefe �ber das Singspiel Alceste.“ Den Verfasser dieser Briefe w�hlte Goethe zum Gegenstande seiner aristophanischen Laune in der damals von ihm gedichteten Posse: „G�tter, Helden und Wieland.“ Statt dadurch gereizt, sich zu der Parthei der Gegner Goethe's zu schlagen, die die gef�hrliche und sittenverderbliche Tendenz der „Leiden Werthers“ hervorzuheben suchten, empfahl Wieland im „deutschen Merkur“ die gegen ihn gerichtete Schrift „allen Liebhabern der pasquinischen Manier als ein Meisterst�ck von Persiflage und sophistischem Witze, der sich aus allen m�glichen Standpunkten sorgf�ltig den auserw�hle, aus dem ihm der Gegenstand schief vorkommen m�sse, und sich dann recht herzlich lustig dar�ber mache, da� das Ding so schief sei.“ Dabei lie� Wieland es nicht bewenden. Auch eine fr�her versprochene Vertheidigung des „G�tz von Berlichingen“ hielt er nicht zur�ck und lie� sie bald nachher im „deutschen Merkur“ drucken.
In der gerechten Anerkennung Goethe's, die er durch eine sehr ausf�hrliche Beurtheilung des eben genannten Schauspiels gezeigt hatte, blieb Wieland sich gleich. Hinsichtlich der „Leiden Werthers“ vertheidigte er in seiner Kritik den Verfasser jenes Romans gegen die Beschuldigung, dem Selbstmord das Wort geredet zu haben. Wieland nannte jenen Roman „das Gem�lde eines innern Seelenkampfes, wie ihn nur der entwerfen k�nne, der den Sch�pfer des Hamlet und des Othello studirt habe.“ So hatte sich Wieland wieder ausges�hnt mit Goethe, der einer seiner gef�hrlichsten Gegner zu werden drohte. Aber auch den Angriffen derer, die die Klopstockische Bardenpoesie priesen, setzte er nichts entgegen, als einen gelegentlich angebrachten heitern Scherz. Auf diese Weise suchte Wieland allen seinen Gegnern gegen�ber eine w�rdige Stellung zu behaupten.
Die Irrungen, in die er mit seinen Halberst�dter Freunden, mit Gleim und Jacobi, gerathen war, wurden ausgeglichen, als Gleim zur Vers�hnung die Hand bot. Er benutzte dazu eine Reise nach Weimar, wo das gest�rte Freundschaftsverh�ltni� v�llig wieder hergestellt ward. Auch mit einem Freunde Gleims, mit Heinse, war Wieland zerfallen. Er vers�hnte sich aber mit ihm, als er Heinses Roman „Laidion“ gelesen, und ganz bezaubert worden war von „dem sch�nen, abenteuerlichen Ungeheuer“, wie er jenes Werk nannte.
Auf einen bisherigen Lieblingsgenu�, auf den Besuch des Theaters, hatte Wieland einstweilen verzichten m�ssen. Durch den Brand des Weimarischen Schlosses am 6. Mai 1774, hatte die Schauspielergesellschaft das Local zu ihren Vorstellungen eingeb��t, und war entlassen worden. Mit dem Schlusse des Jahres 1774 hatte das Erziehungsgesch�ft, welchem sich Wieland bisher gewidmet, g�nzlich aufgeh�rt. Der Erbprinz Carl August und sein Bruder Constantin hatten, in Begleitung des Grafen v. G�rz und des Majors v. Knebel, eine Reise durch einen Theil von Deutschland angetreten, und sich auch nach Frankreich begeben. Seit Wieland nicht mehr Instructor war, hatten sich seine Sorgen vermehrt. Durch verdoppelten literarischen Flei� mu�te er an eine Erweiterung seiner Eink�nfte denken. Sein Familienkreis, zu welchem vier T�chter geh�rten, war noch durch seine Mutter vergr��ert worden, die bereits 1772, bald nach ihres Gatten Tode, zu Wieland nach Weimar gezogen war. Der m��ige Absatz des „deutschen Merkur“ n�thigte ihm in einem seiner damaligen Briefe die Klage ab, da� er kaum im Stande sei, die Unkosten jenes Journals zu decken.
Zu den Sorgen f�r seine Subsistenz gesellte sich manche Kr�nkung seines Selbstgef�hls. An Veranlagung zu Argwohn fehlte es ihm nicht. Ein satyrisches Drama, „Prometheus, Deukalion und seine Recensenten“ betitelt, und von Wagner in Frankfurt am Main verfa�t, galt ziemlich allgemein f�r ein Werk Goethe's. Es erschien zu einer Zeit, wo Wieland von dem genannten Dichter einige Zeilen erhalten hatte, die auf ein freundliches Verh�ltni� hinzudeuten schienen. Gleichg�ltige Hintansetzung auf der einen Seite, und Vers�hnung auf der andern, hielt Wieland in seinem Unmuth f�r das Loos, das ihm zu Theil geworden sei, so wenig er es verdient zu haben glaubte. „Nie hab' ich,“ schrieb er an Sophie la Roche, „mehr Liebe f�r einen Menschen gef�hlt, als f�r den Verfasser des G�tz und Werther. Seine Freundschaft w�rde mich gl�cklich machen. Aber er will nicht mein Freund seyn. Er will die Freude haben, vor der Welt sein Spiel mit mir zu treiben, und in die Art, wie er's thut, bringt er alles, was Beleidigungen verzeihlich macht. Wodurch hab' ich das alles verdient? Wodurch hab' ich mich unw�rdig gemacht, von wackern rechtschaffenen Leuten geliebt und gesch�tzt zu werden?“
So r�hrende Klagen enthielten mehrere von Wieland's damaligen Briefen. Eine Reise nach Halberstadt zu Gleim, der ihm unter allen seinen Freund fast noch allein geblieben war, sollte seinen Unmuth verscheuchen. Ein zweit�giges Zusammenleben machte in Wieland und Gleim den Wunsch rege, k�nftig einen und denselben Wohnsitz zu haben. Manche Pl�ne wurden in dieser Hinsicht entworfen und wieder aufgegeben. Gleim's Bem�hungen, ihm eine Stelle in Berlin zu verschaffen, wu�te Wieland zu sch�tzen. Die Gr�nde, weshalb er keinen Gebrauch davon machen konnte, enthielt ein bald nach der R�ckkehr aus Halberstadt geschriebener Brief an Gleim. Darin hie� es unter andern: „Wahrscheinlich wird Carl August mir nie Ursache geben, mich von ihm zu entfernen. Ich sitze hier ganz gut. So sch�n auch immer Ihr Berliner Project f�r mich in unser chim�risches Pl�nchen pa�te, so w�rde es doch in der Ausf�hrung unendliche Schwierigkeiten haben. Anderswo, als in Weimar zu leben, w�rde mich doch blos die Noth zwingen k�nnen, irgend ein �ffentliches Amt anzunehmen oder zu suchen. Die Versetzung in eine Welt, wie die Berlinische ist, w�rde sich �berdies f�r meine Gem�thsart und meine Umst�nde kaum schicken. Pain cuit et libert� wird ewig mein Wahlspruch bleiben. Lieber mit sechshundert Thalern in dem kleinen D�rfchen, wo mein Gleim geboren wurde, in einer H�tte an dem Schmerlenbach, als in Berlin oder Wien mit so viel tausend Thalern, als Sie wollen. Carl August ist mir gewogen und seine Mutter auch. In Hofintriguen und Staatssachen werde ich mich nie mischen, und mich so viel als m�glich in meinem Schneckenh�uschen ruhig halten. Ich werde also wenig oder keine Feinde in Weimar haben, und in Frieden und Unschuld dahinleben, so lange es Gott gef�llt. Aendern sich einmal die Umst�nde, so wollen wir, um Ruhe zu bekommen, uns weder nach Berlin, noch in eine Windm�hle setzen, sondern uns irgendwo, nahe bei unserm Gleim, gerade so ein kleines suetonisches tranquilles G�tchen kaufen, wie es einem Danischmende n�tzt und frommt — so weit von Sultanen und Bonzen, als immer m�glich ist. In einer kleinen Stadt oder auf dem Lande, nicht weit von einer kleinen Stadt, kann so ein Mittelding von Sokrates und Horaz, wie ich bin, wohlfeiler gl�cklich seyn.“
So schrieb Wieland zu einer Zeit, wo durch den Regierungsantritt seines bisherigen Z�glings Carl August und dessen Verm�hlung mit der Prinzessin Luise von Hessen-Darmstadt manche Ver�nderungen in seiner bisherigen Lage eintreten konnten. Er schien gefa�t, unter allen Umst�nden die Lebensweisheit zu zeigen, die bisher seine unzertrennliche Lebensgef�hrtin gewesen war. „Ich habe,“ schrieb er, „schon meine Parthie genommen. Die Hofluft ist mir immer zuwider gewesen, und je seltner ich k�nftig gen�thigt seyn werde, sie zu athmen, desto gl�cklicher werd' ich seyn.“ Diesem Gleichmuth blieb Wieland treu. In einem seiner damaligen Briefe an Sophie la Roche �u�erte er: „Die bevorstehenden Auftritte, so unbedeutend sie f�r die �brige Welt sind oder scheinen, sind f�r uns Weimaraner doch von so gro�er Wichtigkeit, da� jetzt Alles bei uns in Erwartung der Dinge schwebt, die da kommen werden. Der ruhigste unter allen nennt sich Wieland, weil er f�r sich selbst nichts verlangt, mit allem zufrieden ist, und �brigens voll guter Hoffnungen.“
Wenigstens eine dieser Hoffnungen, die er l�ngst im Stillen gehegt, ward erf�llt durch die pers�nliche Bekanntschaft Goethe's, den der junge Herzog auf seiner Reise in Frankfurt am Main kennen und sch�tzen gelernt, und ihn aufgefordert hatte, in den Weimarischen Staatsdienst zu treten. Wenige Monate, nachdem Carl August die Regierung �bernommen und seine Verm�hlung gefeiert hatte, traf Goethe den 7. November 1775 in Weimar ein. Mit Begeisterung verk�ndete Wieland dies Ereigni� seinem Freunde Jacobi. Neid und Mi�gunst waren seiner Seele g�nzlich fremd. Den jungen Autor, der ihn durch seine Satyre gekr�nkt, bald als Liebling und Vertrauten eines F�rsten zu sehen, dem er bisher n�her gestanden, machte ihm keine unangenehme Empfindung. Goethe galt ihm, nach seiner eignen Aeu�erung als „das gr��te Genie und als der beste, liebensw�rdigste Mensch, den er bisher gekannt.“
Wielands Begeisterung f�r Goethe kannte keine Grenzen. Die Belege daf�r findet man in mehrern seiner damaligen Briefe. Er war in der frohesten Stimmung, die auch wohl darin einen wesentlichen Grund haben mochte, da� in seinen bisherigen Lebensverh�ltnissen nicht die mindeste Ver�nderung eingetreten war. Von dem Herzog Carl August war ihm der Genu� seines bisher bezogenen Gehalts auf Lebenszeit zugesichert worden. Die Gemahlin seines F�rsten gab ihm unzweideutige Beweise ihres Wohlwollens, und die Herzogin Amalia blieb ihm unver�nderlich geneigt. Seinen Lieblingswunsch, unbek�mmert um das Treiben der Welt, sich selbst und seinen Studien zu leben, sah Wieland erf�llt. „In seinem Schneckenh�uschen, wohin er,“ wie er einem Freunde meldete, „sich zur�ckgezogen,“ kam er nur mit Wenigen in Ber�hrung. Wichtig ward jedoch f�r ihn die pers�nliche Bekanntschaft Herders, der als Generalsuperintendent nach Weimar berufen worden war. Den Eindruck, den Herder auf ihn machte, schilderte ein im October 1776 geschriebener Brief Wielands. „Meine ganze Seele,“ schrieb er, „ist voll von dem herrlichen Manne. Aber er ist mir zu gro�, zu herrlich. Ich f�hle, wie wenig ich ihm seyn kann. F�hlen, einsehen, durchschauen, was er ist, und ihn lieben, mehr als ihn noch ein Sterblicher geliebt hat, das kann ich. Aber wie unzul�nglich ist das f�r einen so tief denkenden, allumfassenden, m�chtigen Genius!“
Durch den Umgang mit Goethe und Herder ward Wieland nicht gleichg�ltig gegen seine entfernten Freunde. Vorz�glich war es Gleim, dem er alle seine Freuden und Leiden mittheilte, und ihn gewisserma�en in das Innere seines Familienkreises f�hrte. Wahrhaft einheimisch f�hlte sich Wieland erst in Weimar, als er um diese Zeit sich einen vor der Stadt gelegenen Garten gekauft hatte. Dort, in l�ndlicher Einsamkeit, konnte er ungest�rt die Sch�nheiten der Natur genie�en, und sich seinen Betrachtungen hingeben. Seine ganze Existenz, meinte Wieland, habe dadurch eine andere Wendung bekommen. In einem Briefe an Gleim, welchem er eine Schilderung seiner „neuen Domaine“ entwarf, bemerkte er: „Sie m�ssen sich nichts Vornehmes, noch Kostbares vorstellen. Bilden Sie sich ein, da� es ungef�hr so ein Garten ist, wie das kleine Gut, das Plinius dem Sueton kaufen will, ein Landgut war, d.i. gerade so, wie ihn ein M�sigg�nger meiner Art vonn�then hat; B�ume genug, um Schatten zu haben, und gro� genug, da� meine M�dchen sich m�de darin laufen k�nnen. Seitdem die Kirschb�ume zu bl�hen angefangen haben, bin ich nun den ganzen lieben Tag drau�en, und habe es schon so weit gebracht, da� mir in meinen vier Mauern in der Stadt, nirgends wohl ist, bis ich meinen Stab in der Hand habe, um hinaus zu gehen und im Freien, im Gr�nen, unter meinen B�umen, im Angesicht meiner eignen kleinen Pflanzungen, zu leben und zu wallen, und den unendlichen Erdgeist einzuziehen, mit dem ich je l�nger, je mehr Sympathie und Verwandtschaft f�hle.“
In einem sp�tern Briefe vom 7. September 1777 meldete Wieland seiner Jugendfreundin Sophie la Roche, da� er seit Anfang des Sommers in einem gro�en Hause vor der Stadt wohne, zwar nur zwanzig Schritte vom Thor, doch mit allen Annehmlichkeiten des Landlebens, in der beneidenswerthesten Freiheit und Ruhe. „Dort,“ schrieb er, „leb' ich fast ganz allein mit mir selbst und den Meinigen; und wenn mir, um ganz gl�cklich zu seyn, noch etwas abgeht, so ist's, da� ich der �brigen Welt nicht so ganz vergessen darf, als ich wohl gern m�chte. Hinten an meinem Hause hab' ich einen K�chengarten mit Obstb�umen, und ein paar hundert Schritte davon liegt ein gr��erer Garten, den ich vor anderthalb Jahren gekauft habe, und worin ich dieser sch�nen herbstlichen Tage froh werde, die die Natur uns noch ganz unvermuthet schenkt.“
In seiner Zur�ckgezogenheit blieb Wieland fast g�nzlich unbekannt mit den abentheuerlichen und gro�enteils �bertriebnen Ger�chten, die sich damals �ber Weimar und das dortige Leben und Treiben verbreiteten. Das seltene Freundschaftsverh�ltni� zwischen einem geistreichen F�rsten und einem genialen Dichter hatte allgemeine Sensation erregt, und war gewisserma�en das Signal geworden f�r alle Kraft- und Dranggenie's, nach Weimar zu wallfahrten. Die wunderlichsten M�hrchen verbreiteten sich �ber Goethe und dessen Freunde Lenz und Klinger, die damals von Frankfurt nach Weimar gekommen waren. Von Lenz gestand Wieland selbst: „er mache alle Tage regelm��ig seinen dummen Streich, und wundere sich dann dar�ber, wie eine Gans, wenn sie ein Ei gelegt habe.“ Selbst von Herder ward gefabelt, er predige in galonnirten Kleidern, mit Stiefeln und Sporen, und reite unmittelbar nach der Predigt zum Thor hinaus.
Gegen den Antheil an jenem Treiben, den ihm das Ger�cht schuld gab, rechtfertigte sich Wieland in einem Briefe vom 7. Februar 1776 mit den Worten: „Ich h�re, da� gewisse Leute, die aus ver�chtlichen Ursachen meine und Goethe's Feinde sind, allerlei Calumnien aussprengen, und unter andern auch mich, wegen meiner Connexion mit Goethe, mit in das, was hier geschieht und nicht geschieht, einmischen, und mich zu einem, ich wei� nicht ob Actuar oder Soufleur oder Lichtputzer bei unsrer Staatscom�die machen, da ich doch, Dank sei Gott und meinem Genius, ein blo�er Zuschauer bin — bereit, mit aller m�glichen Bonhomie zu klatschen, wenn gut gespielt wird, und h�chstens die Achseln zuckend, oder ein paar sacres bleus zwischen den Z�hnen murmelnd, wenn es dumm geht.“
Der Einflu� junger talentvoller K�pfe wirkte aufregend f�r Wielands geistige Kraft, zu einer Zeit, wo er in seinen „Unterredungen mit einem Pfarrer“ eine Apologie seiner fr�hern Schriften niedergelegt hatte. Manche Pl�ne entwarf er damals, seinen „deutschen Merkur“ gemeinn�tziger zu machen. Nichts, meinte er, w�rde dieser Zeitschrift mehr aufhelfen, als wenn man „mehr Urtheile �ber B�cher und andere Dinge“ hinein br�chte. „Den Leuten,“ schrieb Wieland, „liegt an nichts so viel, als zu wissen, was sie �ber alles Vorkommende denken und sagen sollen.“ Seltener waren allm�lig die Beitr�ge geworden, durch welche Goethe, Herder, Jacobi u.A. vor dem Jahre 1776 sein Journal, dessen Aufnahme ihm sehr am Herzen lag, unterst�tzt hatten. Es enthielt mehr Aufs�tze von seiner eignen Feder, und fast alle seine Werke theilte er bruchst�ckweise zuerst in dem „deutschen Merkur“ mit.
Seine fast ununterbrochene Besch�ftigung mit der Literatur der Griechen und R�mer entzog ihn nicht philosophischen und historischen Studien im weitesten Umfange des Worts. Zugleich blieb ihm ein lebendiges Interesse f�r alle Ereignisse der Gegenwart. Die Fortschritte des Menschen in seiner Geistescultur beobachtete Wieland mit scharfem Auge. Er machte sich mit den neuern Reisebeschreibungen und mit jeder wichtigen Entdeckung bekannt. Sein reger Geist durchwanderte das gro�e Gebiet der Wissenschaften und K�nste nach allen Richtungen hin. Dadurch erhielt er reichhaltige Materialien zu gr��ern und kleinen Aufs�tzen f�r den „deutschen Merkur.“ Die meisten jener Aufs�tze charakterisirte das Streben, Aufkl�rung zu verbreiten zu einer Zeit, wo schw�rmerische K�pfe, wie der Pater Ga�ner in Wien, der ber�chtigte Graf Cagliostro, Me�mer, Schr�pfer u.A. dem Zeitgeiste eine so wunderbare Richtung gaben, da� man sich des Unglaubens auf der einen Seite, und des Aberglaubens auf der andern beschuldigte. Behutsam aber glaubte Wieland zu Werke gehen zu m�ssen, und nicht zu verkennen war seine Gewissenhaftigkeit in Allem, was er �ber religi�se Gegenst�nde schrieb.
Unter seinen mannigfachen Studien und Besch�ftigungen ward er der Dichtkunst nicht untreu. In diese Zeit seines Lebens fallen die poetischen Erz�hlungen: „Gandelin“ oder „Liebe um Liebe“; das „Winter- und Sommerm�hrchen“; „Pervonte“; der „Vogelfang“ oder „die drei Lehren“, „Hann und Gulpenheh“ u.a.m. Seine Natur neigte sich entschieden zur romantischen Poesie. Nach seinen eignen Aeu�erungen war er �berzeugt, da� sich „dem M�hrchen ein h�herer Zweck unterlegen lasse, als blo�e Unterhaltung kleiner und gro�er Kinder.“ Bei den meisten der vorhin erw�hnten Gedichte hatte Wieland franz�sische Quellen benutzt, die Fabliaux von Chretien de Troyes, die Lays de l'Oiselet u.a.m. Aus einer altfranz�sischen Sage, Huon de Bordeaux betitelt, sch�pfte Wieland auch den Stoff zu seinem „Oberon“, durch den er seinen Dichterruhm f�r immer begr�ndete.
F�r eine eigenth�mliche Sch�nheit des Plans und der Composition seines Epos hielt Wieland, nach seinem eignen Gest�ndni�, „die Art und Weise, wie die Geschichte von Oberon's Zwist mit seiner Gemahlin Titania in der Geschichte H�ons und Rezia's eingewebt worden sei.“ Er schrieb dar�ber einem Freunde: „Oberon ist nicht nur aus zwei, sondern, wenn man es genau nehmen will, aus drei Haupthandlungen zusammengesetzt, n�mlich aus dem Abentheuer, welches H�on auf Befehl des Kaisers zu bestehen �bernommen, der Geschichte seines Liebesverh�ltnisses mit Rezia, und der Wiederauss�hnung der Titania mit Oberon. Aber diese drei Handlungen oder Fabeln sind dergestalt in Einen Hauptknoten verschlungen, da� keiner ohne die andern bestehen, oder einen gl�cklichen Ausgang gewinnen k�nnte. Ohne Oberon's Beistand w�rde H�on Kaiser Carl's Auftrag unm�glich haben ausf�hren k�nnen; ohne seine Liebe zu Rezia, und ohne die Hoffnung, welche Oberon auf die Treue und Standhaftigkeit der beiden Liebenden, als Werkzeuge seiner eignen Wiedervereinigung mit Titania gr�ndete, w�rde dieser Geisterf�rst keine Ursache gehabt haben, einen so innigen Antheil an ihrem Schicksal zu nehmen. Aus dieser, auf wechselseitige Unentbehrlichkeit gegr�ndeten Verwebung ihres verschiedenen Interesses entsteht eine Art von Einheit, die meines Erachtens das Verdienst der Neuheit hat, und deren gute Wirkung der Leser durch sein eigene Theilnahme an den s�mmtlichen handelnden Personen zu stark f�hlt, als da� sie ihm irgend ein Kunstrichter wegdisputiren k�nnte.“
In seinem „Oberon“, der sich dadurch von Wielands bisherigen Gedichten unterschied, da� durchaus keine Spur von satyrischer Tendenz darin zu entdecken war, hatte er alle Elemente des Romantischen zu vereinigen gesucht, Schw�rmerei im Heroismus, in der Liebe und der Religion. „Es scheint“, schrieb er, „einer der feinsten Kunstgriffe in Gedichten romantischer Gattung, da� man die Genien und Feen als Wesen einer h�hern Ordnung und B�rger einer andern Welt einf�hrt, deren Natur, Wirkungskreis und Geschichte f�r uns immer etwas R�thselhaftes, Geheimes und Unerkl�rliches hat, auch alsdann, wenn unsre Begebenheiten durch eine noch h�here und geheimere Ordnung der Dinge, die man wohl Schicksal nennt, in die �brigen eingeflochten, und wir, ohne zu wissen, wie und warum, Werkzeuge abgeben, wodurch das Schicksal ihnen Gutes erweist.“
Wieland war noch besch�ftigt mit seinem „Oberon“, als das Studium der Alten, an dem er noch immer mit Liebe hing, in ihm die Idee weckte, seinen Lieblingsdichter Horaz zu �bersetzen. Ausgef�hrt ward diese Idee erst, als er den „Oberon“ vollendet hatte. Wieland beschr�nkte sich in seiner Uebersetzung des Horaz nur auf die Briefe und Satyren des r�mischen Dichters. Es war ihm mehr darum zu thun, den Geist seines Originals wiederzugeben, als sich streng an die Form zu halten und die Treue seiner Uebersetzung bis auf das Buchst�bliche auszudehnen. Um die Manier und den Ton seines Autors besser zu treffen, w�hlte er, statt des Hexameters, den jambischen Vers, den er f�r geeigneter hielt, die Leichtigkeit und Gewandtheit der Conversationssprache wiederzugeben. Auch bei seiner Uebersetzung des Lucian, die er einige Jahre sp�ter unternahm, ging er mit gleicher Freiheit zu Werke, wodurch der Ausdruck bald k�rzer, bald weitl�ufiger ward als der des Originals. Einen bleibenden Werth verlieh er seinen Uebersetzungen, durch die denselben beigef�gten Einleitungen und Erl�uterungen, die von der gr�ndlichsten Sachkenntni� zeugten. An die Uebersetzung des Lucian erinnerte sich Wieland noch in sp�tern Jahren oft mit Vergn�gen. Zwischen ihm und jenem Autor fand eine Art von Geistesverwandtschaft statt, und Wieland �u�erte scherzend, da� er w�hrend jener literarischen Arbeit sich oft dem Glauben an eine Seelenwanderung �berlassen habe.
Einen sehr ernsten Zweck suchte Wieland zu verfolgen in
seinen gro�entheils durch die politischen Ereignisse veranla�ten
„Gespr�chen in Elysium“ und in seinen „G�ttergespr�chen.“
Fr�her, als diese Schrift, entstand ein Werk, das durch
seinen Inhalt gro�e Sensation erregte. Die erste Idee zu seiner
„Geschichte der Abderiten“ gaben ihm vermuthlich Erinnerungen
an die republikanische Verfassung seiner Vaterstadt Biberach
und eine Vergleichung jener Constitution mit der monarchischen
Regierung in Weimar. Er ward jedoch immer vorsichtiger
und behutsamer in seinen Schriften und Aufs�tzen �ber
politische Gegenst�nde. Schon sein Verh�ltni� zum
Weimaririschen
Hofe bestimmte ihn, in dieser Hinsicht R�cksichten zu
nehmen. Sein Freund Jacobi mu�te sich's gefallen lassen,
da� Wieland in den f�r den „deutschen Merkur“ bestimmten
Bruchst�cken des Romans „Alwill“ mehrere Stellen strich,
besonders eine �ber den F�rstendienst. Er schrieb dar�ber an
Jacobi: „Gott wei�, wie Du, mit dem Bewu�tseyn deiner und
meiner Verh�ltnisse, so etwas hinschreiben konntest, da� ich's
drucken lassen sollte.“ Bescheidenheit hielt Wieland f�r eine
unerl��liche Bedingung, unter der ein Privatmann �ffentlich
�ber Staatsangelegenheiten sprechen, und �ber Ma�regeln,
von denen das Wohl oder Wehe ganzer Nationen abh�ngig
sei, ein Urtheil f�llen sollte. Er war der Ansicht: die
W�nsche des Volks und die Meinung verst�ndiger und
unparteiischer M�nner zu vernehmen, m�sse den F�rsten immer
willkommen seyn, so lange sie noch keine entschiedene
Parthei ergriffen h�tten. Sei aber einmal der ungl�ckliche
Wurf geschehen, so k�nne das Einmischen von Privatleuten
und ihr Urtheil �ber die ergriffenen Ma�regeln nichts mehr
helfen, wohl aber schaden. Wiederholt warnte Wieland vor
dem Mi�brauch der Presse. Aber eine Reform in den politischen
Verh�ltnissen w�nschte und hoffte er sehnlich. Eine k�hnere
Sprache als manche seiner Aeu�erungen erwarten lie�en,
f�hrte Wieland in einem 1784 gedruckten Aufsatze.
„Wenn man“, �u�erte er darin, „mit der Religion und der Priesterschaft fertig ist, so wird wahrscheinlich auch die Reihe an Untersuchungen kommen, die unsern weltlichen Gewalthabern nicht behagen d�rften, so gleichg�ltig auch das Gef�hl ihrer St�rke sie jetzt dagegen machen mag. Denn auch sie wird man endlich fragen: Aus welcher Macht thut ihr dies und das? Von wem habt ihr diese Macht empfangen, und wem habt ihr Rechenschaft davon zu geben? Worauf gr�nden sich eure Vorrechte, Besitzth�mer und Anspr�che? Wenn sich alle eure Vorrechte — wie uns unsre Philosophen von allen D�chern herabpredigen — auf einen blo�en Vertrag zwischen uns und euch gr�nden; wenn alles, was ihr besitzt, blos anvertrautes Gut ist, und euer Ansehn keinen andern rechtschaffnen Grund hat, noch haben kann, als eine von uns empfangene bedingte Vollmacht, die wir alle Tage zur�cknehmen k�nnen, sobald wir uns auf eine vorteilhaftere Art einzurichten wissen: wie k�nnt ihr erwarten, da� so aufgekl�rte Leute, wie wir, in der wichtigen Angelegenheit unsres zeitlichen Lebens euch eine willk�hrliche und unbeschr�nkte Gewalt �ber unsere Personen, unser Eigenthum und unser Leben einr�umen werden? Ehe wir euern Verordnungen gehorchen, wollen wir untersuchen, ob sie uns gl�cklich machen werden. Ehe wir euch Subsidien bewilligen, wollen wir erst wissen, wie ihr sie zu unserm Nutzen anzuwenden gedenkt. Und ehe wir uns an die Schlachtbank f�hren, oder uns der Gefahr aussetzen lassen, unser Feld verw�stet, unsre Wohnungen angez�ndet und unsere S�hne in die Kriegsknechtschaft gef�hrt zu sehen, wollen wir vorher untersuchen, was uns daran gelegen ist, ob ihr etliche Quadratmeilen mehr oder weniger zu besteuern habt, oder nicht.“
Diese Aeu�erungen waren prophetische Worte, die bald nach Friedrichs II. Tode (1786) und noch mehr durch die sp�tern politischen Ereignisse sich bew�hrten. Die Stellung, welche Wieland damals als Schriftsteller und Journalist zu behaupten suchte, bezeichnete er selbst in den Worten:
„Es ist eben so wenig meine Absicht, unserm Jahrhundert Hohn zu sprechen, als ihm zu schmeicheln. Ich halte es f�r eins der wirksamsten Mittel, seine Zeitgenossen zu bessern, wenn man ihnen, wie Swift, immer beleidigende Dinge sagt. Sie immer zu streicheln und liebzukosen und einzuwiegen und in Schlaf zu singen, taugt nichts.“
Die Rechte der Menschheit gegen den Druck des Despotismus in Schutz zu nehmen, war Wielands unabl�ssiges Bestreben. Bei der sich immer mehr ausbreitenden Aufkl�rung, bei den immer raschern Fortschritten der Cultur, hielt er den Zeitpunkt nicht f�r entfernt, wo, nach seinem eignen Ausdruck „die schafsm��igsten Menschen zu Tigern werden k�nnten.“ Nur einer einzigen Commotion, meinte er, bed�rfe es, „um zehn oder zwanzig Millionen, die nichts mehr als das nackte Leben zu verlieren h�tten, dahin zu bringen, auch dies gegen Alles aufs Spiel zu setzen.“
Wielands Welt- und Menschenkenntni� hatte ihn nicht get�uscht. Noch vor dem Schlu� des achtzehnten Jahrhunderts gingen seine Worte durch den Ausbruch der franz�sischen Revolution fast buchst�blich in Erf�llung. Wie m�chtig dies politische Ereigni� auf ihn eingewirkt, zeigten mehrere Schriften und Aufs�tze, in denen er seine politische Meinung niederlegte. Cosmopolit im eigentlichsten Sinne des Worts, durfte er sich wohl das Zeugni� geben, da� „in Allem, was er seit dem 14. Juni 1789 �ber die �ffentlichen Begebenheiten in Frankreich geschrieben habe, ein gewisser Geist von Unpartheilichkeit, Billigkeit und M��igung athme.“
Die Hauptmaxime, die ihn „in seinem Urtheil �ber die menschlichen Dinge“ leitete, zeigte Wielands eignes Gest�ndni�. „Nie vergesse ich,“ schrieb er, „da� Menschen in allen Umst�nden und Zeiten weder mehr noch weniger, als Menschen sind. Daher kommt es, da� nicht leicht etwas so gut oder schlimm, so vern�nftig oder so albern, so edel oder so schlecht ist, da� ich es ihnen nicht unter gewissen Umst�nden zutrauen sollte. Daher kommt es, da� ich nichts Vollkommenes von ihnen erwarte, und mich nie dar�ber formalisire, wenn sie, zumal in au�erordentlichen Lagen und im Gedr�nge gro�er Schwierigkeiten, nicht wie G�tter, reine Geister oder stoische Weise, sondern nur wie arme Erdenkl�se, weder weiser, noch consequenter, noch uneigenn�tziger handeln, als man es seit so vielen Jahrtausenden von den Adamskindern gewohnt ist, oder doch billig gewohnt seyn sollte.“
Von den Greueln der franz�sischen Revolution wandte sich Wieland mit Abscheu hinweg. Die Vaterlandsliebe regte sich wieder m�chtiger in ihm. R�hmend hob er das Gute hervor in der wegen ihrer M�ngel oft von ihm getadelten Constitution der deutschen Staaten. In der Liebe zu der bestehenden Verfassung zeigte sich ihm die wahre Vaterlandsliebe. „Was kann,“ schrieb er, „deutscher Patriotismus anders seyn, als das aufrichtige Bestreben, zur Erhaltung und Vervollkommnung der gegenw�rtigen Verfassung des gemeinen Wesens alles beizutragen, was jeder, nach seinem Stande, Verm�gen und Verh�ltni� zum Ganzen dazu beizutragen f�hig ist? Mit wie vielem Rechte kann man von uns Deutschen sagen, was der r�mische Dichter von den Landleuten sagt: Felices sua si bona norint! Gl�cklich, wenn der Schlummer der Gewohnheit uns nicht gleichg�ltig, blind und undankbar gegen die gr��ten Wohlthaten unserer Verfassung gemacht h�tte; wenn wir ihrer nicht gen�ssen, wie der Gesundheit, deren hohen Werth man erst f�hlt, wenn man sie verloren.“
Als politischer Schriftsteller entging Wieland nicht dem Schicksal, wegen seiner Grunds�tze von allen Partheien, sowohl der monarchischen, als aristokratischen und demokratischen, verkannt, und oft hart angefochten zu werden. Seine heftigsten Gegner waren die Aristokraten, die ihm seine Abneigung gegen das Kastenwesen und Privilegien aller Art sehr ver�belten. Gegen den Vorwurf, „die Schuster- und Schneider-Aufkl�rung bef�rdert zu haben,“ vertheidigte sich Wieland mit den Worten: „Meiner geringen Meinung nach, ist das Beste f�r den Schuster — Schuhe zu machen. Sollte aber — was denn am Ende doch auch keine Unm�glichkeit ist — ein Schuster glauben, da� er auch ultra crepidam etwas Gemeinn�tziges oder ein Wort zu seiner Zeit zu sagen habe, warum sollte das nicht erlaubt seyn? Einer von Sokrates bravsten J�ngern war zwar kein Schuster, aber doch einer, der f�r die Schuster arbeitet, ein Gerber; und die Athenienser konnten es wohl leiden, in mehr als drei�ig Sokratischen Dialogen, die er schrieb, die Wahrheit zu h�ren. Und sagte nicht der wackere Schuster Hans Sachs seinen N�rnbergern und der ganzen Welt, in seinem naiven Reimen manche heilsame, mitunter auch manche derbe Wahrheit, ohne da� ein Mensch etwas dagegen einzuwenden hatte? — Aber freilich hatte man auch vor 200 Jahren in Deutschland noch etwas mehr Respect vor einem Menschen und vor einem B�rger, als heut zu Tage!“
Durch Verschiedenheit der Meinung sah sich Wieland oft den heftigsten Angriffen blosgestellt. Das Bewu�tseyn, einen guten Zweck verfolgt zu haben, mu�te ihn tr�sten. Da� er oft sch�rfer gesehen, als Andere, und manches in prophetischem Geiste gesprochen hatte, bewies er in seinen „Gespr�chen unter vier Augen“ durch den Vorschlag: das demokratische Frankreich m�chte zu seiner eignen Rettung — Buonaparte zum Dictator ernennen. In jenen politischen Dialogen sah Wielands Blick weit in die ferne Zukunft hinaus, und in mehreren Schilderungen entwarf er ein anschauliches Bild von der Zeit, die jenseits der Grenzen seines Lebens lag.
Von solchen Besch�ftigungen ward Wieland wieder zu den Musen zur�ckgef�hrt in den geistreichen Cirkeln, welche die Herzogin Amalia in Ettersburg und Tiefurth zu versammeln pflegte. Was irgend im Gebiet der Poesie und Musik von Bedeutung schien, ward in jenen Cirkeln, an denen Goethe, Herder, Einsiedel, Knebel, Bertuch u.A. Theil nahmen, zu einem Gegenstande der Unterhaltung. L�ndliche Feste und Schauspiele, in denen die eben genannten M�nner, nebst einer Corona Schr�ter, Amalie v. G�chhausen u.a. geistreichen Damen sich in die Rollen theilten, wechselten mit Erg�tzlichkeiten anderer Art ab. Einen Beitrag zu den dramatischen Vorstellungen jener Dilettantengesellschaft, die bald das Schlo� zu Ettersburg, bald die nahgelegene Waldung zum Schauplatz w�hlte, lieferte Wieland in seiner „Pandora.“ Mehrere Gedichte und Aufs�tze legte er auch in dem noch handschriftlich erhaltenen „Tiefurther Journal“ nieder.
In solchen Kreisen f�hlte sich Wieland sehr behaglich, so wenig er sonst auch dem Hofleben und der damit verbundenen Etiquette Geschmack abgewinnen konnte. Noch in sp�terer Zeit pries er oft das Gl�ck, so geistreichen Cirkeln angeh�rt zu haben, die durch den lebhaften Austausch der mannigfachsten Ideen f�r ihn immer das Interesse der Neuheit behielten. Die in einem Briefe vom Jahr 1782 enthaltene Schilderung der v�lligen Zufriedenheit mit seiner Lage pa�te auch f�r seine sp�tern Lebensjahre. Jenes Schreiben enthielt das Gest�ndni�: „In einer erw�nschten Befreiung von �ffentlichen Gesch�ften lebe ich den Musen und mir selbst, ein unscheinbares, aber gl�ckliches Leben, beg�nstigt durch die Gnade meines F�rsten und durch die Liebe vieler Rechtschaffenen.“
Der erw�hnte Brief schilderte ihn zugleich „umgeben von einer zahlreichen, um ihn her theils aufbl�henden, theils noch aufkeimenden Familie, die seine Existenz auf die interessanteste Weise vervielf�ltige und durch die s��en Sorgen und angenehmen Pachten des Hausvaters sein sonst sehr einf�rmiges Leben vor Stockung bewahre.“ F�hlbar mu�te ihm jedoch werden, da� er, bei aller Sparsamkeit, seinen literarischen Flei� verdoppeln mu�te, wenn er f�r den anst�ndigen Unterhalt seiner nicht kleinen Familie geh�rig sorgen wollte. Von vierzehn Kindern, die ihm seine Gattin geboren, lebten damals noch eilf. Der Vortheil, den er bisher von seinen schriftstellerischen Arbeiten gezogen, war gering. Den meisten Gewinn hatte er noch der Herausgabe des „deutschen Merkurs“ zu danken gehabt. Bei den meisten seiner fr�hern poetischen Werke hatte er sich mit einem Dukaten f�r den Druckbogen begn�gen m�ssen. In Bezug auf das Honorar f�r seine „Komischen Erz�hlungen“ gestand Wieland einem Freunde: „Jedermann, welcher wei�, da� in Frankreich dem mittelm��igsten Reimer und Romanschreiber wenigstens zwei Louisd'or f�r den Bogen bezahlt werden, lacht mich aus, da� die Komischen Erz�hlungen mir nicht mehr noch weniger eingetragen haben, als f�nf Gulden f�r den Bogen.“
Einigerma�en verbessert hatten sich Wielands liter�rische Eink�nfte durch seine Bekanntschaft mit dem Buchh�ndler Reich in Leipzig, der ihm f�r das Gedicht „Musarion“ ein Honorar von drei�ig Dukaten und f�r den „Diogenes von Sinope“ funfzig gesendet hatte. Der Gelehrtenbuchhandlung in Dessau hatte Wieland eine nicht unbedeutende Summe auf Actien geliehen und sie gr��tentheils eingeb��t. Zur�ckgeschreckt durch so bittere Erfahrungen, schwankte er, ein Capital von 1000 Thlrn. daran zu wagen, als die Unternehmer der Jenaischen Literaturzeitung, Sch�tz und Bertuch, ihn im Jahr 1784 zum Beitritt aufgefordert hatten. Dagegen trat Wieland, nach Reichs Tode, in n�here Verbindung mit dem damals noch sehr jungen Buchh�ndler G�schen in Leipzig, der zuerst den „Peregrinus Proteus“ und die „G�ttergespr�che“ druckte, und nachher der Verleger von Wielands s�mmtlichen Werken ward.
Durch eine genaue Revision und Feile w�nschte Wieland seinen Schriften den h�chsten Grad von Vollendung zu geben. In der Ank�ndigung der Gesammtausgabe seiner Werke im zw�lften St�ck des „deutschen Merkur“ vom Jahr 1793 �u�erte Wieland, da� ihn jene Arbeit schon seit einigen Jahren besch�ftige. „Ich widme ihr,“ schrieb er, „die heitersten Tage und Stunden meines Lebens, und spare weder Zeit noch M�he, um den kleinsten Flecken wegzubringen, den ich an einem bereits vollendet scheinenden Werke gewahr werde. Es ist ein s��er Gedanke, zumal in den letzten Herbsttagen des Lebens, auch nach seinem Tode noch unter den Menschen, die man geliebt hat, fortzuleben, ihnen noch werth und n�tzlich zu seyn, und von den Besten unter ihnen noch geliebt zu werden. Wenn auch die Hoffnung, da� die Zukunft diesen Gedanken realisiren werde, nur T�uschung w�re: welche Aufforderung, welche Nachtwachen k�nnten zu viel seyn, um sich noch in seinem Leben eine so s��e T�uschung zu verschaffen? Niemand kann es st�rker f�hlen und einsehen, als ich selbst, da�, meiner angestrengtesten Bem�hungen ungeachtet, auch die besten Producte meines Geistes noch immer weit unter meiner eignen Idee, geschweige denn unter den Ideal des Sch�nen und Guten in ihrer Art bleiben. Dieser Gedanke wird meine Aufmerksamkeit sch�rfen, und meinen Flei� verdoppeln; und so werde ich, was auch der Erfolg seyn mag, die Welt dereinst desto ruhiger verlassen k�nnen, wenn ich mir bewu�t seyn werde, alles, was in meinen Kr�ften stand, gethan zu haben, um ihr meinen geistigen Nachla� so wohl beschaffen und in so guter Ordnung, als mir m�glich war, zu hinterlassen.“
Bei der Durchsicht seiner Schriften �berzeugte sich Wieland, wie sehr sein Styl und Geschmack sich allm�lig gel�utert hatten. Seinen Jugendarbeiten beurtheilte er mit nachsichtsloser Strenge. Nur wenige nahm er in die Sammlung seiner Werke auf. Den meisten Werth legte er noch auf seine „moralischen Erz�hlungen.“ Nach einem seiner damaligen Briefe hielt er diese Erz�hlungen „f�r das Beste von allem, was er vor seinem f�nf und zwanzigsten Jahre geschrieben habe.“ Ueber den Platz, den er seinen ersten schriftstellerischen Versuchen in der Gesammtausgabe seiner Werke anweisen sollte, schwankte er lange. In Bezug auf seine Erz�hlung: „Araspes und Panthea“ �u�erte er in einem Briefe an seinen Verleger G�schen: „Ich finde, da� es die h�chste Unschicklichkeit w�re, dies noch sehr jugendliche und meinen fr�hern Jugendwerken noch viel zu �hnliche Product an die Spitze meiner s�mmtlichen Schriften zu stellen, und zwar nicht hinsichtlich des Inhalts oder der darin ge�u�erten Geisteskr�fte (in welcher R�cksicht es nicht zu verachten ist), sondern weil mein Geschmack und Styl damals noch zu unreif, und von dem, was er im Agathon und im goldnen Spiegel ist, noch zu weit entfernt war.“ Oft verwarf Wieland wieder die bereits getroffenen Anordnungen. Endlich entschlo� er sich, seine Jugendarbeiten der Ausgabe seiner Werke beizuf�gen, weil sie doch, wie er �u�erte, „gewisserma�en zur Geschichte unserer Literatur geh�rten und zeigten, von welchem Punkte er ausgegangen sei.“
L�ngere Zeit besch�ftigte sich Wieland mit dem Gedanken, auch seine Uebersetzungen in die Sammlung seiner Werke aufzunehmen. Ueber diese Idee, die er wieder verwarf, �u�erte er sich in einem Briefe vom 1. November 1793 mit den Worten: „Alle Welt stimmt mit Recht darin �berein, da� meine Uebersetzungen des Horaz und des Lucian so viel von meinem Eignen haben, und sich so weit von der gew�hnlichen Uebersetzer-Manier entfernen, da� sie so gut, als irgend eins meiner Originalwerke in eine Sammlung aller meiner Schriften geh�ren, zumal da der Commentar einen eben so betr�chtlichen Theil ausmacht. Ich glaube es dem Publikum schuldig zu seyn, da� die allgemeine Ausgabe aller meiner Werke, auch die Satyren und Briefe des Horaz, und wenigstens die auserlesenen Werke Lucian's nebst meinem Commentar enthalte.“
Im Allgemeinen erkl�rte sich Wieland �ber die Gesammtausgabe seiner Schriften in einem Briefe vom 30. Juni 1795 mit den Worten: „Unter meinen s�mmtlichen Werken will ich eigentlich nichts verstanden haben, als was ich nach meiner besten Ueberzeugung f�r werth halte, unter die besten und reifsten Producte meines Geistes aufgenommen zu werden.“ Mehrere seiner Werke wurden von ihm umgearbeitet, um sie dem ihm vorschwebenden Ideal von Vollkommenheit m�glichst zu n�hern. Er scheute weder Zeit noch M�he, siebzehn Ges�nge seines „Neuen Amadis,“ dessen „licensi�se Versart“ ihm nicht behagte, in zehnzeilige Stanzen umzuschmelzen. Nach seinem eignen Gest�ndni� ging Wielands Bem�hen haupts�chlich darauf hinaus, sowohl dem eben erw�hnten Gedicht, als seinen �brigen poetischen Arbeiten, „ohne Nachtheil der ungezwungenen Leichtigkeit, Correctheit des Stils und der Sprache zu geben.“ Zu Anfange des Februar hatte er die „wirklich m�hsame Revision der drei�ig B�nde seiner s�mmtlichen Werke“ vollendet. Er sah sich dadurch mancher Sorgen �berhoben. Einer reinen Freude �berlie� er sich inde� erst, als die empfangenen Nachrichten von zahlreichen Subscriptionen einigerma�en seine Besorgnisse milderten, da� das Unternehmen f�r seinen Verleger einen bedeutenden Verlust herbeif�hren m�chte.
Die politischen Ereignisse vermehrten in dieser Hinsicht Wielands Besorgni�. Nicht f�r sonderlich g�nstig hielt er den Moment, in welchem die Gesammtausgabe seiner Werke an's Licht trat. „Wir sind leider,“ schrieb er, „in eine ungl�ckliche Zeit gefallen, und selbst die Hoffnung, das Einzige, was uns zum Trost noch �brig blieb, scheint bereit, mit jedem Augenblicke die Fl�gel aufzuspannen, und uns durch die Flucht einem Zustande zu �berlassen, der durch seine Ungewi�heit beinahe noch schlimmer ist, als das Aergste, was uns wirklich treffen kann.“ Manches Unerfreuliche brachte ihm aber auch schon die Gegenwart. Wielands Unmuth kannte keine Grenzen, als ein Wiener Nachdruck seiner Werke, ihren rechtm��igen Verleger, der bei dem Unternehmen kein Opfer gescheut, mit einem bedeutenden Verlust bedrohte.
In seinem Familienkreise mu�te Wieland Trost und Erheiterung suchen, und er suchte dort beides nicht vergebens. Kaum h�tte er eine Gattin finden k�nnen, die die Pflichten einer th�tigen Hausfrau und sorgsamen Mutter p�nktlicher erf�llt h�tte, als seine liebe Dorothea. Ungest�rt konnte er den gr��ten Theil des Tages an seinem Arbeitstisch zubringen, und dadurch nach allen Kr�ften f�r das Wohl seiner Familie sorgen. Ohne durch ihr Aeu�eres, noch durch Talente sich auszuzeichnen, war Wielands Gattin sein h�chstes Lebensgl�ck. In einem seiner Briefe nannte er sie ein Muster jeder weiblichen und h�uslichen Tugend. „Sie ist“, schrieb er, „frei von jedem Fehler ihres Geschlechts, mit einem Kopf ohne Vorurteil, und mit einem moralischen Charakter, der einer Heiligen Ehre machen w�rde. Die Jahre, die ich mit ihr lebe, sind herangekommen, ohne da� ich nur ein einziges Mal gew�nscht h�tte, nicht verheirathet zu seyn. Im Gegentheil ist sie und ihre Existenz so mit der meinigen verwebt, da� ich nicht acht Tage von ihr entfernt seyn kann, ohne etwas dem Schweizer-Heimweh Aehnliches zu empfinden.“ Die innige Liebe zu seiner Gattin gab ihm auch in einem Briefe an Gleim die Worte ein: „Gott hat mich aus einer Gefahr erl�st, an die ich ohne Schaudern nicht denken kann. Ich war nahe daran, oder wenigstens machte mich Liebe und Angst denken, das beste, f�r mich allein geschaffene Weibchen zu verlieren. Alle lieben Engel Gottes haben Mitleid mit mir und meinen armen Kindern gehabt; wir haben unser bestes M�tterchen wieder, und sie befindet sich au�er Gefahr.“
Die Geburt eines Kindes hielt Wieland immer f�r einen Zuwachs seiner h�uslichen Gl�ckseligkeit. Mit reiner Vaterfreude betrachtete er die Entwicklung der „kleinen krabblichten Mitteldinger von Aeffchen und Engelchen“, wie er seine lieben Spr��linge scherzweise nannte. Es war ein herzerfreuender Anblick f�r ihn, und oft bat er einen ausw�rtigen Freund, doch zu ihm zu kommen und seine Freude dar�ber zu theilen, da� die Herzogin Mutter, der Herzog, Prinz Constantin, Goethe, Gleim u.A. bei der Taufe seiner Kinder Pathenstellen �bernommen. Seine Gattin hatte ihm vierzehn Kinder geboren, von denen ihm sechs T�chter und drei S�hne am Leben blieben. Zwei liebe Kinder, Philipp und Wilhelm, entri� ihm der Tod. „Die Zeit“, schrieb Wieland „heilt wohl Wunden dieser Art, aber die Narbe, die sie zur�cklassen, bleibt so lange wir leben.“
Noch ehe ihn jener zwiefach hatte harte
Schicksalsschlag getroffen,
hatte Wieland seiner Jugendfreundin Sophie la Roche
geschrieben: „Ich habe eine ganz artige Nachkommenschaft
um mich her, alle so gesund und munter, gutartig und hoffnungsvoll,
jedes in seiner Art, da� ich meine Lust und Freude
daran habe, und mich gerade wegen dessen, was die Meisten
f�r eine gro�e Last halten w�rden, f�r einen der gl�cklichen
Sterblichen auf Gottes Erdboden halte. Das Alter �berschleicht
mich ganz unmerklich mitten unter dieser um mich
aufsprossenden und aufbl�henden jungen Welt. Ich erfahre
je l�nger je mehr, da� alle wahre menschliche Seligkeit innerhalb
der R�ume des ehelichen Lebens liegt. Ich werde
immer mehr Mensch, und in eben der Proportion immer
gl�cklicher und besser. Arbeiten wird meine Lust, weil ich
f�r meine Kinder arbeite, und auch davon bin ich im Innersten
�berzeugt, da� mein ruhiges Vertrauen auf die Hand,
die das Gewebe unserer Schickungen webt, weder mich, noch
die Meinigen betr�gen werde.“
Wielands Familienkreis war noch durch einen talentvollen jungen Mann erweitert worden, den er bereits 1785 als Haus- und Tischgenossen bei sich aufgenommen hatte. Dieser junge Mann, der, anfangs Hauslehrer von Wielands Kindern, sp�terhin durch Familienbande noch n�her an ihn gekn�pft ward, war Reinhold. „Es ist eine wunderbare Geschichte“, schrieb Wieland den 15. Mai 1785 an Gleim, „wie und auf was f�r Art dieser junge Mann aus den Wolken, oder vielmehr aus den Armen irgend eines Gottes in meinen Schoo� gefallen, und mir und meiner Frau so lieb geworden ist, da� wir ihn mit einstimmigem Beifall unseres Kopfes und Herzens zu unserem Sohne angenommen haben.“
Aus Wien geb�rtig und in einem Jesuitencollegium erzogen, hatte Reinhold dem M�nchsleben in dem Barnabiter-Orden so wenig Geschmack abgewinnen k�nnen, da� er heimlich nach Leipzig entfloh und von da nach Weimar ging, wohin ihn seine Freunde v. Gemmingen und Blumauer an Wieland empfohlen hatten. Die wohlwollende Aufnahme, die er dort fand, verbunden mit dem Genu� der Denkfreiheit in einem protestantischen Lande, versetzte ihn in die froheste Stimmung. Selbst �ber seine noch ungewisse Zukunft konnte er sich beruhigen, da Wieland ihn seines Charakters und seiner Kenntnisse wegen sch�tzte, ihm einen Antheil an der Redaction des „deutschen Merkurs“ g�nnte, und sp�ter durch seinen Einflu� ihm eine Professur der Philosophie auf der Universit�t Jena verschaffte. Noch fester ward Reinhold's Verh�ltni� zur Wielandschen Familie durch seine Neigung zu des Dichters �ltester Tochter, der damals sechzehnj�hrigen Sophie. Reinhold erhielt am Altar ihre Hand, und fortw�hrend, auch sp�ter, als er einem Ruf nach Kiel gefolgt war, bestand zwischen ihm und Wieland ein ungetr�btes Freundschaftsverh�ltni�.
Wielands Vaterfreuden wurden erh�ht, als er auch seine �brigen erwachsenen T�chter gl�cklich verm�hlt sah. Die Prediger Schorcht und Liebeskind, letzterer bekannt als Verfasser der von Herder herausgegebenen „Palmbl�tter“ und als Mitarbeiter an Wielands „Dschinnistan“, hatten sich mit Caroline und Amalie Wieland verheirathet. Julie war die Gattin des Kammerraths Stichling in Weimar geworden, und Charlotte, die 1794 mit dem Dichter Baggesen und dessen Gattin nach der Schweiz gereist war, kn�pfte dort unvermutet ein Eheb�ndni�. Wieland schrieb dar�ber den 17. April 1795: „Wenn je eine Ehe im Himmel geschlossen worden, so ist es gewi� diese, die sich auf eine beinahe wunderbare Art, und doch wieder so nat�rlich durch die entschiedenste Sympathie der Herzen, Gem�thsart, Neigungen, Sitten — zwischen dem Sohne Salomo Ge�ners, meines liebsten und einzigen Jugendfreundes und einer Tochter seines Freundes Wieland geschlossen hat — eine Verbindung, die in jedem Betracht so ganz nach den innersten W�nschen meines Herzens ist, da� ich mich nicht erwehren kann, dem sch�nen Wahn der vortrefflichen Salomo Ge�nerschen Wittwe Raum zu geben, und mit ihr zu glauben, da� der Geist meines verewigten Freundes selbst diese Ehe gekn�pft habe.“
In seiner eigenen Ehe blieb Wieland immer dem schon fr�h gefa�ten Grundsatze treu, in seinem Aufwande nie die durch seine Lage und seine Verh�ltnisse ihm vorgeschriebenen Grenzen zu �berschreiten. Einfach und schlicht, wie seine Lebensweise, war Wielands Wohnung und Kleidung. Nichts erinnerte in seinen Umgebungen an Prunk und Glanz, und Luxusartikel kannte er fast gar nicht. Ueberall aber zeigte sich in seinem Haushalt die �u�erste Sauberkeit und Ordnung. Sein Mittagstisch war einfach, und �berhaupt jede Ueppigkeit und Verschwendung ihm v�llig fremd. Er sah ein, da� der Seinigen Ruhe, wie seine eigene, durch einen seine Kr�fte �bersteigenden Aufwand leicht gef�hrdet werden konnte.
Seine Sparsamkeit artete nie in Geiz aus. Es war ein harmloses Spiel, wenn er zuweilen mit Wohlgefallen empfangene Goldst�cke betrachtete oder sich dergleichen M�nzen gegen Silbergeld einwechselte. Er mu�te sich sagen, da� er sie doch nicht behalten konnte, und willig gab er sie hin zu n�thigen und unentbehrlichen Ausgaben.
V�llig fremd war Wielands Charakter jede Art von Habsucht und Eigennutz. Sein poetischer Sinn machte ihn gleichg�ltig gegen den Erwerb, so wenig er das Erworbene verschwendete. Schon seinen hausv�terlichen Pflichten glaubte er das schuldig zu seyn. Doch �bte er Gastfreundschaft im sch�nsten Sinne des Worts. Seine Freunde fanden bei ihm immer die herzliche Aufnahme, die ihm selbst in seinen Jugendjahren in Bodmers Hause zu Theil geworden war. So weit es seine Kr�fte irgend erlaubten, half er jedem, der sich an ihn wandte, gern mit Rath und That. Um aufkeimende Talente zu unterst�tzen, bewilligte er f�r Beitr�ge zu seinem „deutschen Merkur“ mitunter ein h�heres Honorar, als er selbst erhielt. Aus Gutm�thigkeit wies er selbst Manuscripte, die er nie abdrucken lie�, nicht zur�ck, sondern zeigte sich bereit, sie zu bezahlen — eine Liberalit�t, durch welche der Gewinn, den ihm sein Journal abwarf, nie bedeutend werden konnte.
Im Grunde war Wieland in Bezug auf sich selbst sparsamer, als gegen Andere. Darin lag auch vielleicht der Grund, weshalb er w�hrend seines Aufenthalts in Weimar nur wenige Reisen unternahm, obgleich er sie zur Erholung von angestrengten Geistesarbeiten wohl bedurft h�tte. Seine eigene Aeu�erung, da� er „ein Mensch sei, der selten aus seinem Schneckenh�uschen heraus krieche“, schien sich an ihm bew�hren zu wollen. In einem Briefe an Gleim setzte er die Gr�nde auseinander, weshalb er einer Einladung, nach Halberstadt zu kommen, nicht folgen k�nne. „Tausend seidene B�nder“, schrieb er, „fesseln mich an Weimar. Ich bin in den Boden eingewurzelt und um nur Eins zu sagen, wie kann ich, oder wie k�nnte meine Frau mit mir, sich von den Kindern trennen? Unser Haus ist eine kleine Welt f�r uns geworden. Aber Sie, liebster Gleim, Sie haben keine solchen Hindernisse. Kommen Sie zu uns, und versuchen Sie einmal, wie sich's in meinem Hause lebt, wo alle Augenblicke aus irgend einem Winkel ein anderes B�bchen oder M�dchen, auf das man nicht gerechnet hatte, hervorgekrochen kommt.“
Eine Reihe von Jahren verstrich, ehe Wieland, den nicht blos die Liebe zur Gem�chlichkeit, sondern auch die mannigfachen mit der Herausgabe des „deutschen Merkur“ verbundenen Gesch�fte an sein Haus fesselten, sich mit Reisepl�nen besch�ftigte. Zur St�rkung seiner Gesundheit entschlo� er sich 1794 zu einem Ausflug nach Leipzig und Dresden. Nach der letztgenannten Stadt zog ihn die dortige Gem�ldegallerie. Er w�nschte in Dresden das strengste Incognito zu beobachten. An seinen Freund und Verleger G�schen schrieb er dar�ber: „Ich wei� nicht, warum Frau Fama so grillenhaft ist, sich schon im Voraus mit einer so unbedeutenden Sache, als meine Excursion nach Dresden ist, so viel zu thun zu machen. Es ist meine Meinung gar nicht, mich in Dresden Allen, die mich in Beschlag nehmen sollten, preiszugeben. Weder meine Gesundheit, noch meine Di�t, die ich in meinen Jahren bei einer �u�erst zarten und reizbaren Constitution zu beobachten habe, noch meine Absicht, meine Zeit in Dresden zur Betrachtung der dortigen herrlichen Gem�ldesammlung zu benutzen, k�nnte sich mit vielen Aufwartungen, Besuchen, Diners und Soupee's vertragen, und ich wollte die Reise dorthin lieber ganz aufgeben, als die Freiheit, auch in Dresden (wo freilich keine Freiheitsb�ume so leicht Wurzel fassen k�nnen) nach meinem eigenen Sinn und Willen zu leben.“
Dieser Wunsch ging nicht ganz in Erf�llung. So gern auch Wieland jeder Gelegenheit, sich gefeiert zu sehen, auswich, hatte er es doch nicht vermeiden k�nnen, in Pillnitz dem Churf�rsten vorgestellt zu werden. Manche interessante Bekanntschaften, die er in Dresden machte, lie�en ihn jedoch seine Reise nicht bereuen. Mit gr��ern Hindernissen hatte er zu k�mpfen, ehe er die Idee, das Land wieder zu sehen in dem er seine Jugend verlebt, realisirte. Nicht nur f�r den „deutschen Merkur“, sondern auch f�r die ununterbrochene Fortsetzung des Drucks seiner s�mmtlichen Werke hatte er Sorge tragen m�ssen, ehe er an einen sechsmonatlichen Aufenthalt in der Schweiz denken konnte, von welchem er sich, nach seiner eigenen Aeu�erung, „f�r seinen innern und �u�ern Menschen viel Gutes versprach.“ Nicht blos die Sehnsucht, seine an den Buchh�ndler Ge�ner in Z�rich verheirathete Tochter Charlotte wiederzusehen, bewog ihn zu jener Reise. Auch sein leidender Gesundheitszustand mu�te ihm sagen, da� ihm Erholung h�chst n�thig sei. „Ich bedarf“, schrieb Wieland, „einer solchen Aufziehung meines innern Uhrwerks, und die Freuden des Herzens, die mich in der Ge�nerschen Familie erwarten, werden ein Trunk aus der Fontaine de Juvence f�r mich seyn.“
Ein Anflug von Hypochondrie, wie er selbst gestand, machte allerlei Bedenklichkeiten in Wieland rege, ehe er sich entschlo�, die Reise nach der Schweiz anzutreten. „Man spricht und schreibt“, �u�erte er in einem seiner damaligen Briefe, „gar so viel von der Unsicherheit der Landstra�en in Franken und Schwaben, wo zahlreiche R�uberbanden sich eingenistet haben sollen, da� ich in der That nicht wei�, ob ich Recht thue, eine so gef�hrliche Reise mit Weib und Kindern zu wagen. Ueberhaupt kommt mir ganz Deutschland jetzt nicht viel besser vor, als es in den Zeiten des drei�igj�hrigen Krieges war, und ich gestehe, da� ich alles Zutrauen zu den Menschen verloren habe, und in jedem Unbekannten einen Dieb und M�rder zu sehen glaube.“ An seinen Schwiegersohn, den Buchh�ndler Ge�ner, schrieb Wieland bald nachher: „Ich sollte freilich, wenn ich auch nur so viel Glauben h�tte, als der zehnte Theil eines Senfkorns, mehr Vertrauen setzen in die lieben Engelein, die uns geleiten werden. Aber das ist eben das Elend, da� ich weniger Glauben habe, als der heilige Sanct Thomas, und auch nicht viel mehr Herz als Glauben. Da lob' ich mir meine ehrliche Hausfrau, eure Mutter! Die ist so zart, als ob sie aus Postpapierschnitzeln gemacht w�re, und hat Herz und Unerschrockenheit und Heldenmuth, trotz der tapfersten aller Marfisen und Bradamanten.“
Am 24. Mai 1795 war Wieland mit seiner Frau und drei Kindern, Caroline, Wilhelm und Luise, in einen bequemen Wagen, den er der Herzogin Amalia verdankte, von Weimar abgereist. Die freundliche Aufnahme, die er unterwegs an mehrern Orten, besonders in N�rnberg gefunden, ward noch �bertroffen durch die zahlreichen Beweise von Liebe und Wohlwollen, die er von �ltern und j�ngern Freunden bei seinem Eintritt in die Schweiz empfing. An G�schen schrieb Wieland den 8. August 1795. „Sie erhalten dies Bl�ttchen nicht — wie Sie billig vermuthen k�nnten — von den Ufern des Lethe, dessen Anwohner ein s��es Vergessen aller Dinge �ber der Erde eingesogen haben, sondern von dem rechten Ufer des Z�rchersees, in dessen Nachbarschaft ich ein artiges kleines H�uschen schon seit ungef�hr acht Wochen bewohne, und mich so wohl befinde, als ob ich in meinem nun bald zur�ckgelegten 63sten Jahre auf neue Rechnung zu leben anfangen sollte. Sie kennen das Land und den Ort und die liebensw�rdigen Menschen, mit denen ich lebe. Sie haben sich selbst, wenn ich nicht irre, mehrere Tage in dem Ge�nerschen Hause aufgehalten, und wenn Sie sich nun das Vergn�gen denken, in welches ich durch eins meiner liebsten Kinder mit demselben gekommen bin, so werden Sie sich leicht vorstellen k�nnen, da� Tage und Wochen mit einer mir selbst kaum begreiflichen Geschwindigkeit, �ber meinem Haupt wegfliegen, und wie lange mein hiesiger Aufenthalt auch w�hren k�nnte, er mir am �berraschenden Tage des Scheidens doch immer nur ein kurzer Morgentraum scheinen wird.“
Durch manche Besorgnisse, die der Gang der politischen Ereignisse in ihm weckte, f�hlte sich Wieland bewogen, seine Abreise zu beschleunigen. „Der Krieg“, schrieb er, „hat sich nun von den Ufern des Rheins und Neckars bis in's Herz von Deutschland gezogen. Alles weicht dem unaufhaltsamen Strom, und es fehlt hier nicht an Ger�chten, die uns auch f�r die Reiche von Th�ringen und Sachsen bek�mmert machen k�nnten, wofern es den Westfranken vielleicht Ernst seyn sollte, allen freiwilligen sowohl als gezwungenen Theilnehmern an dem G�ttern und Menschen verha�ten Kriege ihre schwere Hand f�hlen zu lassen. Haben nun auch die Zeitumst�nde mich die Wonnetage, die ich mir von meinem hiesigen Aufenthalt versprach, nicht so rein genie�en lassen, als ich wohl gew�nscht h�tte, so ist doch einer von den Hauptzwecken meiner Reise erreicht. Ich befinde mich ungemein wohl, und wenn der gute Genius, der meine Reise von Weimar nach Z�rich beg�nstigte, mich auch von Z�rich nach Weimar zur�ckgeleitet, so darf ich hoffen, die guten Folgen derselben f�r meine Gesundheit und die Munterkeit meines Geistes noch mehrere Jahren zu versp�ren.“
Am 15. September 1795 meldete Wieland, da� er letztverwichenen Sonntag um zwei Uhr Nachmittags mit seiner lieben Reisegesellschaft gesund und wohlbehalten in Weimar angekommen sei. „Sein guter Genius“, schrieb er, „habe es so geleitet, da� er auf der ganzen Route �ber Stuttgart, Heilbronn, Schw�bisch-Hall, Anspach, N�rnberg, Bamberg, Coburg und Saalfeld keinen Franzosen zu Gesicht bekommen, auch nirgends kaiserliche Truppen angetroffen, auf keiner Post l�nger als eine Stunde aufgehalten worden sei, da� er seine aus Vorsicht mitgenommenen deutschen und franz�sischen P�sse auch nicht ein einziges Mal n�thig gehabt, und mit Einem Worte so ruhig und bequem gereist sei, als ob �berall Friede w�re.“
Sein Aufenthalt in der Schweiz hatte ihm das Landleben von einer so anmuthigen Seite gezeigt, da� ihm, der, nach seinem eignen Gest�ndni�, „gern wie Horaz, durch's Leben weggeschlichen w�re, und der nichts mehr ha�te als Stadt-, Hof- und Weltget�mmel“, sich oft der sehnsuchtsvolle Wunsch aufdrang, in l�ndlicher Zur�ckgezogenheit, der Natur, sich selbst und den Seinigen leben zu k�nnen. Die Achtung und Neigung f�rstlicher G�nner, die Freundschaft mancher vorz�glichen M�nner, die Weimar damals in sich versammelte, h�tten ihn in jenem Entschlu� wankend machen k�nnen. Oft aber ergo� sich Wieland in bittere Klagen, da� er bei aller Mu�e doch ein sehr zerst�ckeltes Leben f�hre, mit Unterbrechungen durch Besuche von Einheimischen und Fremden. Sein Zartgef�hl f�r das Schickliche versetzte ihn in eine sehr unmuthige Stimmung, wenn er von Fremden im Schlafrock und in der Nachtm�tze �berrascht ward. Trostlos machte ihn besonders die Vorstellung, da� seine arglos hingeworfenen Aeu�erungen von solchen Besuchenden aufgefangen und �ffentlich bekannt gemacht werden k�nnten. All' diesem Ungemach glaubte er in einer l�ndlichen Zur�ckgezogenheit zu entgehen, die ihm �berdie� manchen Lieblingsplan, der seinen Geist besch�ftigte, auszuf�hren verg�nnte. Ernstlich dachte er l�ngere Zeit daran, seinen bisherigen Aufenthalt in Weimar mit einem freundlichen Landhause bei Hohenst�dt, unweit Grimma, zu vertauschen. Viel Lockendes hatte f�r ihn die Idee, dort seines Freundes G�schen Nachbar zu werden. Seine Verh�ltnisse zum Weimarischen Hofe n�thigten ihn inde�, diesen Plan wieder aufzugeben.
Den Aufenthalt in dem unweit Weimar gelegenen Rittergute Tannrode malte sich Wielands Poesie mit den gl�nzendsten Farben aus. Ueber den Ankauf dieses Gutes, das der Familie von Egloffstein geh�rte, pflog er Unterhandlungen. Er nannte es in einem seiner Briefe ein �chtes Horazisches Sabinum. „Ich schmeichle mir“, schrieb er, „wenn ich erst in meinem alten Schl��chen Tannrode etablirt seyn werde, in der herrlichen Luft und der sch�nen Natur, die mich dort umgeben wird, neue Munterkeit und Kraft zu meinen Geistesarbeiten zu erhalten.“ Diese Idee gab Wieland jedoch wieder auf. Er entschlo� sich zu dem Kauf des unweit Weimar gelegenen Gutes Osmanst�dt f�r die Summe von 22,000 Thalern. Diese Summe glaubte er theils durch den Verkauf seines Hauses in Weimar, theils durch ein etliche Jahre verzinsliches und nach und nach abzutragendes Capital decken zu k�nnen, das er durch Vermittlung seines Freundes G�schen zu erhalten hoffte.
Mit manchen Hindernissen hatte Wieland, da G�schen's Antwort ablehnend ausfiel, noch zu k�mpfen, ehe er seinen Lieblingswunsch realisiren konnte. Seinen Credit in Weimar wollte er nicht benutzen. „Davon bin ich ziemlich �berzeugt“, schrieb er, „wenn alle andern Stricke rei�en sollten, der Herzog w�rde mich nicht in der Noth stecken lassen. Aber ich habe mehr als Eine Ursache, zu diesem heroischen Mittel, nur im �u�ersten Nothfall zu concurriren.“ In einem Briefe an G�schen �u�erte Wieland: „H�ren Sie, lieber Freund, wie ich glaube, da� meine Angelegenheit, ohne da� Ihnen oder mir zu wehe dabei geschieht, arrangirt werden k�nnte; denn ganz kann ich Sie freilich nicht aus dem Spiel lassen, so sehr ich's auch thun zu k�nnen w�nschte. Sie sind nun einmal, weil Sie es selbst so gewollt haben, mein Verleger, und m�ssen es seyn und bleiben, daf�r ist kein Rath.“ — Nachdem Wieland nun das Honorar f�r die neue Ausgabe seiner Werke auf 7000 Thaler festgesetzt hatte, schlo� er seinen Brief an G�schen mit den Worten. „Warum ich Sie bitte, ist, da� ich auf k�nftigen Michaelistag 4000 Thaler von Ihnen zu empfangen sicher rechnen k�nnte.“
Wie wohl sich Wieland f�hlte in seinem „Osmantinum“ oder seiner „Oberinst�dtischen Retraite“, wie er sein l�ndliches Asyl mitunter nannte, schilderten mehrere seiner damaligen Briefe. Am 25. April 1797 hatte er dort, nach abgeschlossenem Kauf, seinen Einzug gehalten. Ein Vierteljahr sp�ter, den 25. Juli, schrieb er: „Mir ist, als ob gar keine andere Art zu existiren f�r mich m�glich sei, und die Weimarischen Propheten, die als ganz unfehlbar voraussahen, da� ich mich gar j�mmerlich auf dem Lande und vis � vis de moi m�me langweilen w�rde, bestehen mit Schande. Auch sperren sie die Augen m�chtig dar�ber auf, da� ich so heiter und vergn�gt aussehe, und k�nnen sich da� Ph�nomen gar nicht erkl�ren. Ich hingegen begreife das Wunder sehr gut, und in der That ungleich besser, als wie ich die vier und zwanzig Jahre, die ich in Weimar gelebt, noch so leidlich habe aushalten k�nnen. Landluft, unverk�nstelte Natur, viel Gras und sch�ne B�ume, �u�ere Ruhe und freie Disposition �ber mich selbst und meine Zeit — das Alles zusammengenommen ist, so zu sagen, mein Element, so gut, wie die Luft des Vogels und das Wasser des Fisches Element ist; und es geht also ganz nat�rlich zu, da� ich darin gedeihe.“
Wieland war damals unersch�pflich im Lobe des Landlebens, das, wie er glaubte, sehr wohlth�tig auf seinen Gesundheitszustand einwirke. Er schrieb dar�ber den 19. December 1797 einem Freunde: „Das Angenehmste ist, da� ich in diesem ver�nderlichen, dumpfen und schlackrigen Winter eine �ber alle Menschenerwartung hinausgehende Probe �ber meine Leibesconstitution mache. In der Stadt w�rde ich mich in diesen verwichenen acht Wochen wahrscheinlich ziemlich schlecht befunden haben; hier in meinem Hause zu Osmanst�dt befinde ich mich ununterbrochen wohl und munter, arbeite an meinem Schreibtisch mit Succe�, habe, ungeachtet ich wenig an die Th�r komme, guten Appetit, und schlafe weit besser, als ehemals. Alles dies entscheidet, wenigstens was mich betrifft, den Vorzug des Landlebens vor dem Stadtleben, nichts von den negativen und passiven Vorz�gen zu gedenken, welche die Landmaus beim Horaz gegen ihre Freundin, die Stadtmaus, geltend macht. Nebenher thut mir auch das Bewu�tseyn wohl, da� ich meinen Garten bereits in einen merklich bessern Zustand versetzt habe. Ueber dreihundert B�ume habe ich gepflanzt, von deren gr��erem Theil, wenn sie gut durch diesen Winter kommen, ich wenigstens die ersten Fr�chte zu erleben hoffen kann; und das, was ich auf Cultur und Verbesserung verschiedener, nach und nach durch Verwahrlosung in Abnahme gekommener Parthien bereits gewandt habe und noch verwenden werde, wird schon im k�nftigen Jahre so auffallend seyn, da�, wer mich wieder besucht, sich in ein kleines Paradies versetzt zu sehen glauben wird.“
Unter den erw�hnten l�ndlichen Besch�ftigungen war Wieland seinen literarischen Arbeiten nicht untreu geworden, obgleich manche darunter ihm so viel Beschwerden und Verdru� bereiteten, da� er sehnlich w�nschte, sich ihrer entledigen zu k�nnen. Den „deutschen Merkur“ w�rde er, wenn er den m��igen Gewinn, den ihm diese Zeitschrift abwarf, h�tte entbehren k�nnen, zuerst aufgegeben haben. Sehr unwillig ward er mitunter �ber die reichlichen Zusendungen schlechter Verse und anderer mittelm��iger Produkte. Besonders ward Wielands Zeit zerst�ckelt durch die Beantwortung zahlreicher Briefe, die aus allen Gegenden Deutschlands an ihn gelangten. In dieser Beantwortung war er freilich mitunter so saumselig, da� er die deshalb ihm gemachten Vorw�rfe wohl verdient zu haben glaubte, und sich selbst bisweilen noch sch�rfer tadelte. Wielands Humor, der ihn nie ganz verlie�, gab ihm einst eine �ffentliche Erkl�rung ein, durch die er den zu h�ufigen und werthlosen Manuscriptsendungen vorbeugen wollte.
„Verschiedene, welche mich,“ schrieb er, „mit allerlei theils versificirten, theils prosaisch-poetischen Aufs�tzen, Idyllen u. dgl. f�r den Merkur zu beschenken die Gewogenheit hatten, setzen mich in eine Art von Verlegenheit, deren ich gern auf immer �berhoben zu seyn w�nsche. Ihr geneigter Wille verdient Dank; aber es entsteht hier eine leidige Collision von Pflichten, deren Effekte weder ihnen noch mir angenehm seyn k�nnen. Einige scheinen von der G�te ihrer Producte so �berzeugt zu seyn, da� man ihnen, ohne Beleidigung, weder sagen, noch zu verstehen geben kann, man sei anderer Meinung. Andere sind zwar bescheidener, geben sich blos f�r Anf�nger aus, bitten um Nachsicht, oder da� man ihnen ihre Lection corrigiren, oder ihnen wenigstens sagen m�chte, ob sie zur Dichterei berufen seien oder nicht. Aber sie bringen das mit einer so sichtbaren Erwartung eines h�flichen, d.i. ihrer Eigenliebe schmeichelnden Bescheides vor, da� man's kaum �ber's Herz bringen kann, ihnen durch eine ehrliche Antwort wehe zu thun. Hierzu kommt noch, da� unser einer — der von einem solchen jungen Candidaten des Musenpriesterthums gefragt wird: Meister, was soll ich thun? und ihm nach seinem Gewissen die Antwort werden l��t: Alles, lieber Freund, nur keine Verse machen! — sich darauf verlassen kann, da� der junge Aspirant diese Antwort geradezu f�r einen Beruf annehmen wird, sich nun erst recht auf's Versemachen zu legen. Denn — sagt er zu sich selbst — meine Verse m�ssen doch wohl gut seyn, weil Wieland sich f�rchtet, da� ich ihn ausstechen werde, und mich also gleich an der Schwelle des Musentempels gern zur�ckschrecken m�chte. — Wie k�nnte der arme Verfasser des Winter- und Sommerm�hrchens sich unterstehen, einem solchen Rivalen etwas Unangenehmes zu sagen? Der junge Mann w�rde nat�rlicher Weise denken m�ssen, es verdrie�e Wieland nur, sich in Leichtigkeit der Verse und guter Art zu erz�hlen, �bertroffen zu sehen. Das will ich denn auch dem jungen Dichter hiermit ohne Widerrede zugestanden haben. Nur der Merkur ist kein w�rdiger Schauplatz f�r solche Originalwerke. Mein unma�geblicher Rath ist, sie besonders, und um des Effects willen, auf pr�chtigem holl�ndischen Papier, mit Kupfern von Chodowiecky, abdrucken zu lassen. Der Verfasser wird an der Wirkung sein Wunder sehen! Jetzt ist gerade der rechte Zeitpunkt, wo die Nation f�r solche Werke Sinn hat, denn man sieht ja, wie gut sie den Oberon aufgenommen, der doch nur auf schlechtem Papier, und ohne Kupfer von irgend Jemand, sein Fortkommen in der Welt suchen mu�te.“
Ein anderes Ungemach, wor�ber Wieland sich oft bitter beklagte, erwuchs ihm aus den zeitraubenden Correcturen, die er zwanzig Jahre hindurch allein besorgt, und erst 1793 sie einem Hausgenossen, einem Candidaten der Theologie, L�tkem�ller mit Namen, �bertragen hatte. Mit Unmuth �u�erte sich Wieland oft �ber das unleserliche Manuscript. Jeder Gelehrte und Schriftsteller, �u�erte er, sollte eine leserliche Hand schreiben, das k�nne man mit Fug und Recht fordern; sonst m�sse er seine Druckschriften von einem seiner Hand kundigen Schreiber gut copiren lassen. Dergleichen Verdrie�lichkeiten, gegen die er durch lange Gewohnheit h�tte gleichg�ltig werden sollen, erzeugten in ihm sogar den Gedanken, die Herausgabe des „deutschen Merkurs“ aufzugeben, ungeachtet dies Journal f�r ihn bisher keine unbedeutende Erwerbsquelle gewesen, und von talentvollen K�pfen, unter andern seit 1785 von Reinhold, und seit 1788 von Schiller durch gehaltvolle Beitr�ge unterst�tzt worden war.
Am 26. November 1798 theilte Wieland seinem Freunde G�schen die Nachricht mit, da� der „deutsche Merkur“ mit dem December aufh�ren werde. Vierzehn Tage nachher widerrief er jedoch diesen Entschlu�, und erkl�rte sich f�r die Fortsetzung seines Journals, wenigstens bis zum Schlu� des Jahrhunderts. Der Rath seiner Freunde mochte ihn zu diesem Entschlu� gebracht haben, von welchem ihn ein Blick auf den damaligen Zustand der deutschen Literatur zur�ckgeschreckt hatte. Die Kantische Philosophie, die ihm durch Reinholds Bem�hungen, ihre Principien immer allgemeiner zu verbreiten, nicht unbekannt hatte bleiben k�nnen, �u�erte ihren Einflu� auf alle wissenschaftliche Forschungen. Unverkennbar war besonders der Einflu� jener Philosophie auf die neuere Aesthetik, an deren Stelle jetzt eine Geschmackscritik treten sollte. Dagegen hatte Wieland im Wesentlichen nichts einzuwenden. Aber die neue philosophische Schule, die sich aus der Kantischen gebildet, schien ihm eine g�nzliche Umgestaltung der Aesthetik herbeizuf�hren, seit man angefangen hatte, sie auf die Grundideen der Fichte'schen Wissenschaftslehre zu reduciren. Dies war besonders von Schiller in den „Horen“ geschehen. Mit wachsender Besorgni� sah Wieland an die Stelle ruhiger Untersuchungen eine neue Sturm- und Drangperiode treten, und wie in der politischen Welt, schien auch im Gebiet der Aesthetik eine Art von Terrorismus vorherrschend werden zu wollen. Auf's Heftigste erregt ward die Leidenschaft der verschiedenen Partheien durch die in dem Schillerschen Musenalmanach vom Jahr 1797 gedruckten „Xenien.“
Die Verfasser dieser Epigramme, Goethe und Schiller, waren Wielands Freunde. Seiner Verehrung Goethe's ist bereits fr�her gedacht worden. Schillers Talenten jedoch hatte Wieland anfangs nicht volle Gerechtigkeit widerfahren lassen in einer ziemlich harten und fast unbilligen Beurtheilung einiger Scenen des „Don Carlos“, welche Schiller in der „Thalia“ mitgetheilt hatte. Wielands Urtheil enthielt ein Brief vom 6. M�rz 1785. „Ich kann irren,“ schrieb er, „jedenfalls aber spreche ich nach meiner innigsten Ueberzeugung, wenn ich sage, da� ich weder die Charaktere in diesem St�ck richtig gezeichnet, noch die Leidenschaften mit Wahrheit dargestellt finde; da� ich auch dann, wenn ich zugeben k�nnte, da� es einem Trag�dienschreiber, der seine Personen aus dem sechzehnten Jahrhundert an dem Hofe K�nig Philipps II. nimmt, erlaubt sei, sie in ideale Phantasiegesch�pfe zu verwandeln, doch die psychologische Wahrheit nicht selten an ihnen vermisse, ohne welche sie allenfalls, wenn man will, sch�ne Carricaturen seyn m�gen, aber doch immer nur Carricaturen sind; da� ich ziemlich h�ufig auf Gedanken und Ausdr�cke gesto�en bin, die, meinem Gef�hl nach, bald schw�lstig, bald zur Unzeit witzig, bald sonst unschicklich und der redenden Person nicht anst�ndig sind; und da� �berhaupt die Sprache in diesem St�ck sehr weit davon entfernt ist, was nach meinem von Sophokles und Racine abgezogenen Ideal die sch�ne Sprache der Trag�die seyn soll.“
Ungeachtet dieser strengen Critik, die ihm eine unmuthige Stimmung eingegeben haben mochte, ward Schiller, als er einige Jahre sp�ter (1787) nach Weimar kam, von Wieland mit v�terlicher Zuneigung empfangen. „Wir werden sch�ne Stunden haben,“ schrieb Schiller; „Wieland ist jung, wenn er liebt.“ Ein freundschaftliches Verh�ltnis zwischen beiden Dichtern dauerte fort, und ward noch fester gekn�pft durch Schillers Beitr�ge zum „deutschen Merkur.“ Im December 1787 er�ffnete Wieland dem Publikum die Aussicht, da� „Schiller mit dem n�chsten Jahrgange vielleicht jedes Monatsst�ck mit einem Aufsatze seiner Hand zieren werde, die schon in ihren ersten Versuchen den k�nftigen Meister verrathe, und nun, da sein Geist den Punkt der Reise erreicht habe, die Erwartung rechtfertige, die sich das Publikum von dem Verfasser des „Fiesko“ und des „Don Carlos“ zu machen Ursache gehabt habe.“ Wieland f�gte hinzu: „Da ich selbst vom Mittelpunkt des Lebens schon einige Jahre herabsteige, und t�glich mehr Gelegenheit finde, an mir selbst zu erfahren, wie wahr das Virgilische: Facilis descensus Averni in mehr als Einem Sinne ist, so gereicht es mir zu nicht geringer Ermunterung, diesen vortrefflichen jungen Mann an meiner Seite zu sehen; und mit solcher Unterst�tzung darf ich sicher hoffen, den deutschen Merkur seinem ersten gemeinn�tzigen Zwecke in Kurzem auf eine sehr merkliche Art n�her zu bringen.“
Mehrere Stellen in Wielands damaligen Briefen sprachen f�r seine Anerkennung und Hochachtung Schillers. Mit liebensw�rdiger Bescheidenheit weigerte sich Wieland, f�r den „historischen Calender“, den Schiller damals herausgab, das Leben des Cardinals Richelieu zu schildern. Er wollte nicht mit Schiller in die Schranken treten, der f�r jenen Calender seine „Geschichte des drei�igj�hrigen Kriegs“ lieferte. „Diese Geschichte,“ schrieb Wieland, „hat so viele Leser gehabt, als es in dem ganzen Umfang unserer Sprache Personen giebt, die auf einigen Grad von Cultur des Geistes Anspruch zu machen haben. Von einem Schriftsteller verfa�t, dessen fr�here Werke in der dramatischen Dichtkunst sowohl, als in derjenigen, die sich mehr dem Gebiet der historischen Muse n�hert, gro�e Erwartungen von dem, was sein Geist in dem Zeitpunkt seiner Reise leisten k�nnte, erweckt hatten, �bertraf sie selbst diejenigen, zu welchen man sich durch seinen ersten Versuch in dem historischen Fache berechtigt hielt; einen Versuch, der bereits alles, was unsere Literatur in dieser Hinsicht aufzuweisen hatte, hinter sich zur�cklie�, und nat�rlicher Weise in Allen, denen der Ruhm der Nation nicht gleichg�ltig ist, den Wunsch erregen mu�te, da� ein Schriftsteller, der bei seinen ersten Schritten in dieser neuen Laufbahn ein so entschiedenes Talent gezeigt hatte, sich zu einem Platze neben Hume, Robertson und Gibbon emporzuschwingen, sich, wo nicht g�nzlich, doch haupts�chlich, der Geschichte unseres Vaterlandes widmen m�chte.“
Mit diesem Urtheil war es Wieland Ernst, und das Verh�ltnis zwischen ihm und Schiller erhielt sich in der urspr�nglichen Reinheit, wie es der Letztere mehrere Jahre zuvor (1787) durch die Worte bezeichnet hatte: „Mit Wieland bin ich ziemlich genau verbunden, und ihm geb�hrt ein gro�er Antheil an meiner jetzigen Behaglichkeit, weil ich ihn liebe, und Ursache habe zu glauben, da� er mich auch liebt.“ Schillers Gesinnungen gegen Wieland, wenn sich auch seine �sthetischen Ansichten ge�ndert hatten, waren dieselben geblieben. Wieland dagegen schien ihn mit einer Art von Neid zu betrachten. Die Anzeige der neuen Ausgabe seiner Werke, von denen die erste Lieferung erschienen war, hatte er mit den Worten begleitet: „W�re es auch nur, damit man uns nicht gar �ber den neu erschienenen Horen aus dem Gesicht verliert, die jetzt die allgemeine Aufmerksamkeit besch�ftigen, und in der Allgemeinen Literaturzeitung so pomp�s angek�ndigt und so hyper-pomp�s recensirt worden sind.“
Weder in den „Horen“, noch in den „Xenien“ war Wieland in Vergleich mit andern Schriftstellern auf eine Weise angegriffen worden, die ihn h�tte veranlassen k�nnen, sich pers�nlich zu beklagen. Nur in einem Anflug �bler Laune hatte er sich durch einige Xenien (G�schen an die deutschen Dichter, Peregrinus Proteus u.a.) verletzt f�hlen k�nnen. Der Tadel war meistens weniger gegen ihn, als gegen seine Nachahmer, besonders den Rector Manso in Breslau, gerichtet. Aber der Ton, der in jenen Epigrammen herrschte, und der Uebermuth, der sie charakterisirte, war Wielands Urbanit�t zuwider. Er glaubte, seine Meinung dar�ber �ffentlich aussprechen zu m�ssen, und w�hlte dazu die Form des Dialogs, der ihm g�nnte, den sch�rfsten Tadel auszusprechen, und sich doch zugleich den Schein zu geben, als vertheidige er die Verfasser der „Xenien.“ Er bezweifelte sogar, da� sie, ungeachtet des allgemeinen Ger�chts, aus Schiller's und Goethe's Feder geflossen seyn k�nnten. Die bedenkliche Frage, wie diese Epigramme in den Musenalmanach gekommen w�ren, suchte Wieland mit einer seinen satyrischen Wendung dadurch zu erkl�ren, da� Schiller, aus Mangel an Zeit, das Ordnen seiner Distichen nicht selbst besorgt habe. „Das Gesch�ft,“ schrieb Wieland, „kam zur b�sen Stunde in die H�nde irgend eines jungen, lebhaften, von Witz und Muthwillen strotzenden, f�r Goethe und Schiller enthusiastisch eingenommenen Kunstj�ngers, welcher der Versuchung nicht widerstehen konnte, diese Gelegenheit zu benutzen, und — vielleicht weniger in der Absicht, sich ein Verdienst um seine magnos amicos zu erwerben, als um sie zu r�chen, und ein schreckliches Exempel an ihren Widersachern zu statuiren — in aller Stille eine gute Anzahl derber, handfester Distichen von seiner eignen Fabrik hinzuthat. Das in den parvum amicum gesetzte allzu gro�e Vertrauen w�re denn also das Einzige, was dem Herausgeber des Almanachs zur Last gelegt werden k�nnte, und wof�r er durch den h��lichen Spuk, den die „Xenien“ machen, mehr als zu viel bestraft ist. Wer wei�, welches Meisterwerk, das uns allen Freude machen wird, ihn damals besch�ftigte, als er dem jungen Brausekopf die Sorge f�r seinen Musenalmanach �berlie�, und sich dadurch unwissend manchen bittern Augenblick bereitete.“
Unter dieser schonenden Wendung verbarg Wielands Ironie seine wahre Meinung, die er in einem Briefe an G�schen vom 29. November 1796 mit den Worten aussprach: „Ich habe wenig Freude daran, wenn M�nner, wie Goethe und Schiller, der Welt eine solche Farce geben, und durch einen Muthwillen, der in ihren Jahren kaum verzeihlich ist, sich selbst eine p�belhafte Behandlung zuziehen. Ich m�chte eher dar�ber weinen, als lachen.“ Ueber die ihm gesandten Gegen-Xenien, die der Buchh�ndler Dyk in Leipzig verfa�t hatte, schrieb Wieland: „Ich werde mich wohl h�ten, dieses von der Plei�e zu uns her�berschallende Echo hier Jemand mitzutheilen; ich f�rchte jedoch, es wird ohne mich bekannt genug werden.“ In einem sp�tern Briefe vom 5. December 1796 �u�erte Wieland: „Das h�tten die Herren G�tterbuben, um mit dem Verfasser des Ardinghello zu reden, doch voraussehen sollen, da� man beschmutzt wird, wenn man sich zum Spa� mit Gassenbuben herumbalgt.“
Wielands Unmuth �ber die „Xenien“, die er seinen Freunden geraume Zeit nicht verzeihen konnte, erhielt neue Nahrung durch die Reform im Gebiet der Aesthetik, die damals von den Br�dern August Wilhelm und Friedrich Schlegel ausging. Ein patriotisches Interesse schien es nicht zu seyn, was ihre vereinten Bem�hungen leitete, der deutschen Poesie einen neuen Schwung zu geben. Sie beg�nstigten vielmehr die poetischen Formen des Auslandes, und suchten durch Uebersetzungen und Nachbildungen eine neue Dichterschule zu begr�nden, die der romantischen Poesie vorzugsweise das Wort redete. Gewohnt, das Sch�ne und Gute �berall anzuerkennen, wo er es fand, war Wieland jenen Bestrebungen nicht abgeneigt. Er erinnerte sich, da� er einst selbst �hnliche Wege betreten hatte, und erkannte daher das Fortschreiten einer j�ngern Generation gern an. Was ihm aber keineswegs behagte, war der polemische Ton, durch den die H�upter der romantischen Schule die von ihnen aufgestellten Principien geltend zu machen suchten. Schonungslos griff eine von den Gebr�dern Schlegel herausgegebene Zeitschrift, „Athen�um“ betitelt, seit dem Jahr 1798 alles an, was die „Xenien“ noch verschont hatten. Auch Wieland entging diesem Schicksal nicht durch eine, sp�terhin von ihm selbst als voreilig erkl�rte Aeu�erung in der Vorrede zu seinen s�mmtlichen Werken. „Seine beinahe ein halbes Jahrhundert umfassende Laufbahn“, schrieb er dort, „habe begonnen, da eben die Morgenr�the unserer Literatur vor der aufgehenden Sonne zu schwinden angefangen, und er beschlie�e sie, wie es scheine, mit ihrem Untergange.“
Unter mehrern Angriffen, die seitdem von den H�uptern und Anh�ngern der romantischen Schule gegen das sogenannte goldene Zeitalter der Literatur gerichtet wurden, befand sich auch im zweiten Bande des „Athen�ums“ eine gegen Wieland gerichtete „Citatio edictalis.“ Sie lautete: „Nachdem �ber die Poesie des Hofraths und Comes Palatinus Caesarius Wieland in Weimar, auf Ansuchen der Herren Lucian, Fielding, Sterne, Bayle, Voltaire, Crebillon, Hamilton und vieler anderer Autoren Concursus creditorum er�ffnet, auch in der Masse mehreres verd�chtigt, und dem Anschein nach dem Horaz, Ariost, Cervantes und Shakspeare zustehende Eigenthum sich vorgefunden: als wird jeder, der �hnliche Anspr�che titulo legitimo machen kann, hierdurch vorgeladen, sich binnen s�chsischer Frist zu melden, hernachmal aber zu schweigen.“ Dieser �ffentliche Angriff Wielands war das Signal f�r alle Anh�nger der romantischen Schule, �ber den genannten Dichter die wegwerfendsten Urtheile zu f�llen, und ihm unter andern die Anerkennung des Hans Sachs im „deutschen Merkur“ als sein bedeutendstes Verdienst um die literarische Welt anzurechnen. Kaum konnte ihm verargt werden, wenn er, tief gekr�nkt, in seinem Unmuth die Frage aufwarf: „Ob er das um seine Zeit und seine Nation verdient habe?“
Was ihn haupts�chlich schmerzte, war, da� der gr��ere Theil derer, die ihn nicht tief genug herabw�rdigen zu k�nnen glaubten, unter Goethes Aegide zu stehen schien, da das „Athen�um“, unersch�pflich in dem Lobe dieses Dichters, zu den „drei gr��ten Tendenzen des Zeitalters“ au�er der franz�sischen Revolution und Fichte's „Wissenschaftslehre“, auch „Wilhelm Meister's Lehrjahre“ gerechnet hatte. Obschon der aufrichtigste Verehrer und Bewunderer Goethe's, f�hlte Wieland sich ihm allm�lich entfremdet, wenn auch Goethe's Pers�nlichkeit noch immer einen unwiderstehlichen Reiz auf ihn aus�bte. An Herder, f�r den er l�ngst eine gro�e Zuneigung empfunden, schlo� er sich um so inniger an, da Goethe und Schiller sich einander mehr gen�hert hatten, als es bisher der Fall gewesen war. Aber w�hrend Wieland Herder's Unmuth �ber Kant's „Kritik der reinen Vernunft“ theilte, und sich bei einer Anzeige an Herders „Metakritik“ zu einer leidenschaftlichen Philippika hinrei�en lie�, fand er selbst Niemand, der die unbillige Behauptung, „er habe sich selbst �berlebt“, zu wiederlegen suchte. Zwar bem�hten sich Kotzebue und Merkel, in dem „Freim�thigen“ und in den „Briefen �ber die wichtigsten Produkte der sch�nen Literatur“, Wieland an seinen Gegnern zu r�chen, doch geschah es nicht selten auf eine f�r ihn unw�rdige Weise.
Wie Wieland selbst �ber seine Gegner urtheilte, zeigte ein 1799 an einen Freund gerichteter Brief, der zugleich einige Andeutungen �ber sein Verh�ltni� zu Goethe und Schiller enthielt. „Warum ich Sie bitten m�chte“, schrieb Wieland, „w�re besonders dies: sich mit den Gebr�dern Schlegel und Comp. nicht abzugeben. Es sind grobe, aber witz- und sinnreiche Patrone, die sich Alles erlauben, nichts zu verlieren haben, nicht wissen, was Err�then ist, und mit denen man sich beschmutzen w�rde, wenn man auch den Sieg �ber sie erhielte, welches doch beinahe unm�glich ist, da sie, auch geschlagen und niedergeworfen, gleich wieder aufstehn, und es nur desto �rger machen w�rden. K�nnen Sie's aber ja nicht lassen, den Muthwilligen, die durch ein in Deutschland noch neues genre, n�mlich franz�sische persiflage, ihr Gl�ck zu machen hoffen, etwas abzugeben, so beschw�re ich Sie bei allen G�ttern, lassen Sie wenigstens Goethe und Schiller aus dem Spiel, w�r' es auch nur mir zu Liebe, und um allem Argwohn auszuweichen, als ob ich irgend einen directen oder indirecten Antheil an der Sache h�tte. Ich stehe mit diesen beiden Matadoren in einem guten, mit Goethe in einem beinahe freundschaftlichen Verh�ltni� wie ich mir einbilde, wenigstens vor der Welt, denn de occultis non judicat praetor. Aber die Herren sind empfindlich und ein wenig argw�hnisch. Ich kann mich also nicht nur selbst, sondern auch meine Freunde k�nnen sich, mir zu Liebe, nicht genug in Acht nehmen, da� ich mit ihnen nicht compromittirt werde.“
Von dem damaligen Unwesen in der deutschen Literatur f�rchtete Wieland, nach einem Briefe vom 15. Februar 1801, einen dreifachen betr�chtlichen Schaden. Jener jacobinische Sansculotismus, meinte er, werde erstens den Charakter unserer Nation, einer an Stupidit�t grenzenden Gleichg�ltigkeit gegen das Wahre, Sch�ne und Gute verd�chtig machen; zweitens die ganze Classe der Gelehrten und Schriftsteller, die so ehrw�rdig und vielverm�gend seyn k�nnten, in der �ffentlichen Meinung tief herabsetzen, sie ihres wichtigsten Einflusses berauben, und dadurch ihren Ver�chtern und Verfolgern unter den Gro�en und Aristokraten gewonnen Spiel geben. Endlich drittens werde jener Sansculotismus jungen Leuten, theils f�r eine kleinere Zeit, theils f�r ihr ganzes Leben, Kopf, Geschmack und Herz verwirren. „Alles aber“, f�gte Wieland hinzu, „will seine Zeit haben. Auch diese Periode der sch�ndlichsten Anarchie in der Gelehrtenrepublik wird vor�bergehen, und das unfehlbarste Mittel, ihr Ende zu beschleunigen, w�re, es wie ich zu machen, und zu thun, als ob gar keine Schlegel, Tieck's, Bernhardi's, Clemens Brentano's, und wie die Gesellen alle hei�en, in der Welt w�ren.“
Auf �hnliche Weise �u�erte sich Wieland in einem Briefe an Vo�: „Ich fange an, immer gleichg�ltiger zu werden gegen B�bereien dieser Art, und h�lle mich sehr ruhig in das Bewu�tseyn, da� ich ein Besseres um die Zeit, in der ich lebe, verdient habe. Was seit dem Moment, da ich etwas Gutes habe drucken lassen, d.i. etwa vom Agathon an, mir widerfahren ist und noch t�glich widerf�hrt, w�re hinreichend, jeden J�ngling, der sich mit einiger F�higkeit dem Dienst der Musen widmen wollte, abzuschrecken. Inde� hat die fast unbegreifliche Ungerechtigkeit meiner Zeitgenossen wenig Einflu� auf meine Gl�ckseligkeit, und es war kein Compliment, sondern wahres herzliches Gef�hl, als ich zu meiner Muse sagte:
Du machst das Gl�ck von meinem Leben,
Und h�rt dir Niemand zu, so singst du mir allein.
Uebrigens hab' ich doch immer das Gl�ck gehabt, dessen Horaz sich r�hmte, von einer kleinen Zahl solcher Leute geliebt zu werden, deren jeder ein Publikum werth ist; und dies war auch immer f�r mein Herz genug. Ich habe immer die Kunst der Musen um ihrer selbst willen geliebt, und sie mit Liebe und aus Liebe getrieben. Das lauteste Zujauchzen aller Leser in der Welt w�rde mich f�r den kleinsten Fehler, den ich vermeiden konnte, und nicht vermieden h�tte, nicht schadlos halten, wenn ihn gleich Niemand gesehen h�tte, als ich.“
So tr�stete sich Wieland, und �berlie� sich in dem Gartenh�uschen, das er sich in seinem „Osmantinum“, wie er seinen Wohnsitz gew�hnlich nannte, hatte erbauen lassen, der freundlichen Hoffnung, „noch manche selige Stunde zuzubringen und noch manchen geheimen Besuch von seiner Muse zu erhalten.“ Zu den Pl�nen, die er in seiner l�ndlichen Zur�ckgezogenheit entwarf und zum Theil ausf�hrte, geh�rten besonders Uebersetzungen aus dem Griechischen, aus Xenophon, Euripides und Aristophanes, die er unter dem Titel eines „Attischen Museums“ herausgeben wollte. T�chtige Geh�lfen hatte er bei diesem Unternehmen an Jacobs und Hottinger. Den Letztern hatte er w�hrend seines Aufenthalts in der Schweiz kennen gelernt, und sch�tzte ihn sehr. „Ich kenne,“ schrieb Wieland, „keinen so ganz rein nach dem sokratischen Modell gebildeten Geist, als Hottinger.“
Unter den Uebersetzungen der alten Classiker, die er f�r das „Attische Museum“ unternahm, fesselte ihn vorz�glich der „Ion“ des Euripides. Mit der Wahl dieser Trag�die verband Wieland eine Nebenabsicht. Durch eine flie�ende, dem Original treu nachgebildete Uebersetzung wollte er das gebildete Publikum veranlagen, dieselbe mit dem von A. W. Schlegel gedichteten Trauerspiel „Ion“ zu vergleichen, das damals auf die Weimarische B�hne gebracht und vielfach besprochen worden war. So k�nnte man, meinte Wieland, mit eignen Augen sehen, wie beide denselben Stoff bearbeitende K�nstler und ihre Werke sich gegen einander verhielten. Eine solche Vergleichung aber, „mit reinem Sinn f�r das Wahre, Sch�ne und Geziemende angestellt,“ k�nne f�r Freunde und J�nger der Kunst nicht anders als unterhaltend und belehrend seyn.
Von zwei eigenen Werken, „Agathod�mon“ und „Solon“, die, wie er an G�schen schrieb, „noch als Embryonen in seinem Kopfe l�gen,“ gab Wieland den Plan zu dem zuletzt genannten Werke wieder auf. Eine gro�artige Wirkung versprach er sich von den mannigfachen Schilderungen, die er in den „Briefen Aristipp's und seiner Zeitgenossen“ entwerfen wollte. Dies Werk, von welchem er einen ausf�hrlichen Plan entwarf, sollte eine seiner umfassendsten Schriften werden. W�hrend der Ausarbeitung besch�ftigten ihn inde� noch manche andere literarische Arbeiten. An seinen Freund und Verleger G�schen in Leipzig schrieb er den 19. Dezember 1797: „Es ist hohe Zeit, da� ich Ihnen einmal wieder ein kleines Lebenszeichen gebe. In der That, was das geistige, oder, vielleicht richtiger gesagt, was das literarische Leben betrifft, so lebe ich, seit die unfreundliche Jahreszeit eingetreten ist, vollauf. Ich komme nur selten aus meinem Museum, aus dem Hause gar nicht, arbeite von Morgen bis in die Nacht, finde Tage und Wochen unbegreiflich kurz und schnell, und habe demungeachtet seit dem 23. November eins der schwersten literarischen Abentheuer, eine metrische Uebersetzung der Wolken des Aristophanes gl�cklich, wie ich wenigstens hoffe, zu Stande gebracht.“
Am 18. Februar 1798 meldete Wieland, da� er einige Dialoge politischen Inhalts, unter dem Titel „Gespr�che unter vier Augen“ auszuarbeiten angefangen habe, und noch mehrere folgen lassen werde, bis er „alles vom Herzen habe, was er in diesen kunterbunten Zeitl�uften f�r Worte zu rechter Zeit halte.“ Da� er dabei doch einige R�cksichten genommen, zeigte seine eigene Aeu�erung in einem sp�tern Briefe vom 7. November 1798. „Obgleich in meinen Gespr�chen,“ schrieb Wieland, „die Sache der Menschheit freim�thig gef�hrt wird, und Wahrheiten gesagt werden, die man weder zu Paris, noch zu Wien oder Petersburg von den D�chern predigen h�rt, so hab' ich, meiner Denkart und der Klugheit gem��, vor allem, was einem auch nur halbweg vern�nftigen Leser anst��ig, oder dem Respect, den man den Machthabern schuldig ist, zuwiderlaufend scheinen k�nnte, mich sorgf�ltig geh�tet, und hoffe also mit der Leipziger Censur in keine Collision zu kommen, wiewohl ich nicht daf�r stehe, da� das Buch nicht zu Wien verboten werden wird, wie beinahe alles Gute, was au�erhalb Wien an's Licht tritt.“
F�r eins seiner besten Werke hielt Wieland den bereits erw�hnten „Agathod�mon.“ Dies Urtheil, meinte er, werde die Nachwelt dar�ber f�llen, so gleichg�ltig sein Werk auch f�r den Augenblick aufgenommen werden m�chte. „Das siebente Buch des Agathod�mon,“ schrieb Wieland, „war mir eine sehr schwere Aufgabe, vielleicht die schwerste von allen, die ich mir aufgeben konnte. Die Ausf�hrung ward mir um so m�hsamer, da Jahreszeit und Witterung Geistesarbeiten dieser Art sehr ung�nstig waren, um mich selbst zu befriedigen. Ich habe das ganze Buch mehr als sechs Mal von neuem durch — und einige Hauptstellen ganz umgearbeitet, und des Feilens und Polirens wollte kein Ende werden. Nun ist es — wie es ist; ich bin mit mir selbst zufrieden, denn ich wei�, da� ich als Mensch, als schriftstellerischer Volkslehrer und als Dichter mein Bestes, und also meine Schuldigkeit gethan habe.“
In eine sehr unmuthige Stimmung ward Wieland durch die Nachrichten versetzt, die er von dem geringen Absatz der Gesammtausgabe seiner Werke erhielt. An seinen Verleger, G�schen in Leipzig, schrieb er dar�ber den 15. Juli 1799. „Ich kann nicht anders, als mit tiefem Gef�hl beklagen, da� ich mich selbst bereits �berlebt habe. Ich wei� nicht, wie ich zu solchem Verfall meines Credits und meiner Gunst bei dem lesenden Publikum gekommen bin, und theile daher Ihre Meinung, da� es bei den zwei und drei�ig B�nden wenigstens f�r das achtzehnte Jahrhundert sein Bewenden haben m�sse. Vielleicht geht im neunzehnten Jahrhundert ein g�nstigerer Stern �ber uns auf, und ich will mich inde�, wie jener griechische Fl�tenspieler, begn�gen, den Musen und mir selbst zu spielen.“
Erholung von anstrengenden Geistesarbeiten fand Wieland in seinem l�ndlichen Asyl. Mannigfache Pl�ne zu Verbesserungen in seinem Hause und Garten gaben ihm die heitere Stimmung wieder, die er durch den Gedanken, wie tief sein literarischer Ruhm gesunken sei, verloren hatte. Noch �fterer w�rde er dem Mi�muth anheim gefallen seyn, wenn zu jener Verstimmung seines Gem�ths sich noch k�rperliche Leiden gesellt h�tten. Doch selbst in h�herem Alter war ihm eine fast ununterbrochene Gesundheit geblieben. In einem Briefe an G�schen, vom 24. December 1798 wunderte sich Wieland selbst �ber sein Wohlbefinden. „Sie gr�nden darauf,“ schrieb er, „Ihre Hoffnung, da� ich ein ziemlich betagter Patriarch werden d�rfte. Vor zwanzig Jahren hatte ich gar keinen Begriff davon, wie ich sechzig sollte alt werden k�nnen, und hatte zu diesem Mi�trauen in meiner Leibesbeschaffenheit allerdings viele und triftige Ursachen. Nach dem f�nf und funfzigsten Jahre wurde meine Gesundheit unvermerkt immer fester, und ich befinde mich nun im sechs und sechszigsten so, da� ich ohne Absurdit�t mein zehntes Stufenjahr zu �bersehen hoffen kann. Sie aber, lieber Freund, sollen und m�ssen mich �berleben, w�re es auch nur, um meine Confessions oder Nachrichten von mir selbst und meinen Schriften, oder wie Sie meine Selbstrecension betiteln wollen, verlegen zu k�nnen, die nicht eher, als nach meinem Hingang aus dieser Welt gedruckt werden soll.“
Der Gedanke, da� dieser Zeitpunkt sich ihm immer mehr n�here, tr�bte nicht Wielands Heiterkeit. Er f�hlte sich in seinem Alter sehr gl�cklich unter literarischen und l�ndlichen Besch�ftigungen und Gen�ssen. Immer neues Vergn�gen sch�pfte er aus der Betrachtung der von ihm selbst geschaffenen Gartenanlagen, auf Spazierg�ngen durch seine Lindenallee, oder durch ein Birkenw�ldchen am Ufer der Ilm, wo er sich ungest�rt seinen Ideen �berlie�. In solchen Augenblicken glaubte er zu seiner v�lligen Zufriedenheit kaum noch etwas zu bed�rfen. An seinen Schwiegersohn, den Buchh�ndler Ge�ner in Z�rich, schrieb Wieland im Januar 1799: „Ich freue mich so lebhaft auf die wiederkehrende sch�ne Jahreszeit, da� ich sie wirklich im Geist schon genie�e, und den dazwischen liegenden Winter um so weniger lang finden werde, da die literarischen Arbeiten, womit ich ihn auszuf�llen gedenke, mehr als hinl�nglich w�ren, mich eine doppelt so lange Zeit zu besch�ftigen. Ich werde aber flei�ig seyn; denn es ist nicht mehr als billig, da� ich das Recht, den Sommer blos mit Genie�en zuzubringen, im Winter durch Arbeiten erkaufe.“
In einem nicht lange nachher geschriebenen Briefe an Gleim erkannte Wieland es dankbar, da� ihm, neben der Gl�ckseligkeit, ungest�rt mit den Geistern der Weisen und Dichter der Vorwelt Umgang pflegen zu k�nnen, noch das Vergn�gen geg�nnt sei, seinen guten Genius, in Gestalt eines Weibes, an seiner Seite, und einen Kreis von Kindern und Enkeln um sich zu haben, unter welchen ihm seine Tage so leicht und schnell entschl�pften, wie den Bewohnern des dichterischen Elysiums. „Das Einzige“, schrieb er, „was allenfalls (wenigstens zur vollst�ndigen Aehnlichkeit mit dem Elysium, das uns Lucian so genial geschildert hat) noch abgeht, sind die Buttersemmeln und Bratw�rstchen, die auf den B�umen wachsen, die gebratenen Rebh�hner, die von selbst auf den Tisch geflogen kommen, und die sch�nen crystallenen Kelchgl�ser, die man von den Hecken abbricht, um sie aus Quellen und B�chen mit k�stlichem Wein zu f�llen, die eben so freiwillig, als unersch�pflich aus allen Felsen hervorsprudeln u.s.w. So bequem und wohlfeil hab' ich's nun freilich nicht. Aber, die reine Wahrheit zu sagen, ich m�cht' es nicht einmal so bequem und wohlfeil haben; denn ich halte das Gesetz, da� uns die G�tter nichts Gutes ohne Arbeit geben, f�r ein sehr weises Gesetz, und betrachte eine gewisse Portion M�he und Sorge quantum satis, als die unentbehrlichste W�rze zum wahren Lebensgenu�.“
Erh�ht ward dieser Genu� f�r Wieland noch durch Besuche seiner Weimarischen Freunde. Selbst sein F�rst, seine F�rstin, die Herzogin Mutter verschm�hten nicht, ihn unter dem Schatten seiner B�ume zu begr��en. Der lebhafte Ideenaustausch in mannigfachen Gespr�chen, die ihn in die Vergangenheit zur�ckf�hrten, hatte f�r Wieland viel Anziehendes. Von gro�em Interesse war ihm auch die damals angekn�pfte Bekanntschaft mit Jean Paul, von dem er sich vielseitig angeregt, doch, nach seinem eignen Gest�ndnisse, auch eben so oft abgesto�en, als angezogen f�hlte.
Unstreitig einer der sch�nsten Momente in Wielands sp�terem Leben war das Wiedersehn seiner Jugendfreundin Sophie la Roche, die ihn 1799 in Osmannst�dt besuchte, begleitet von einer ihrer Enkelinnen, Sophie Brentano, einer Schwester des bekannten Dichters Clemens Brentano. Die Erinnerung an die genu�reichen Tage, die Wieland damals verlebte, blieb ihm unverge�lich. Wieder angefrischt ward sie, als Sophie Brentano im Mai 1800 ihn abermals in seinem l�ndlichen Asyl begr��te. Erheiternd wirkte auf ihn die Gegenwart des durch Geist und Herz ausgezeichneten M�dchens, das damals in der vollen Bl�the jugendlicher Sch�nheit stand. Einen eigent�mlichen Reiz erhielt ihr Wesen durch einen Zug stiller Melancholie. Wieland beklagte oft, da� Sophie, so ganz geschaffen, Andrer Leben zu versch�nern, sich von den Menschen hinwegwende und die Einsamkeit suche. Fr�her jedoch, als er selbst oder irgend Jemand ahnen mochte, zerst�rten die Eindr�cke eines l�ngst zerr�tteten Gem�ths ihren von Natur zarten K�rper. Das friedliche Osmantinum, nach dem sie sich so oft gesehnt hatte, war bestimmt, ihre irdischen Uebereste zu empfangen.
„Ich und meine Familie“, schrieb Wieland den 29. September 1800 an G�schen, „haben in diesem Monat einen harten Stand gehabt. Sophie Brentano, das liebensw�rdigste und interessanteste M�dchen von 24 Jahren, das vielleicht der Erdboden trug, ward am 24. September von einer der sonderbarsten und verwickelten Nervenkrankheiten befallen, die sich in wenig Tagen als gef�hrlich ank�ndigte, mit jedem Tage trostlosere Symptome zeigte, und unerachtet aller ersinnlichen angewandten H�lfe, mit dem Tode endigte. Was wir in diesen tr�bseligen sechzehn Tagen erfahren und gelitten, m�ge Ihnen Ihre eigene Einbildungskraft und Ihr eigenes Herz sagen. — Die H�lle, die der entflohene Engel zur�ck lie�, ruht nun in einem stillen Pl�tzchen meines durch sie geheiligten Gartens.“
Wielands stille Trauer um das zu fr�h verbl�hte holde M�dchen erklang noch oft in den Briefen an seine Freundin Sophie la Roche. Den 24. April 1801 schrieb er: „Die Wiederkehr der sch�nen Jahreszeit giebt der geistigen Gemeinschaft, die bisher zwischen unsrer Sophie Brentano und mir ziemlich ununterbrochen fortgedauert, ein neues Leben. Alle meine Spazierg�nge f�hren zu ihrem Grabe; meine liebsten Ruhepl�tze sind nur wenige Schritte davon entfernt, und der Gedanke, da� uns nur noch ein kleiner Zeitraum trennt, wird unvermerkt zu einem still fortdauernden Gef�hl, das meinem Aufenthalt im Garten ein ganz eignes melancholisch s��es Interesse giebt. Weil es indessen gut ist, da� ich noch, so lange als m�glich, f�r meine Kinder lebe, so helfen Sie mir, theure Freundin, Gott f�r die Erhaltung meiner bessern H�lfte bitten, deren zeither abnehmende und noch immer schwankende Gesundheit mich nur zu oft beim Blick auf Sophiens Ruhest�tte mit Tr�bsinn und herzzerdr�ckenden Ahnungen erf�llt. Noch hoffen wir, was wir sehnlich w�nschen, da� die immer n�her kommende sch�ne und milde Jahreszeit das Beste bei ihr thun, und uns eine Gattin und Mutter, die so wenige ihres Gleichen hat, und uns so unentbehrlich ist, auf lange Zeit wieder schenken werde.“
Ein ungew�hnlich rauher Sommer, �ber den er sich bitter beklagte, vereitelte Wielands Hoffnungen. „Der Juni“, schrieb er, „war so kalt, windig und unfreundlich, da� wir oft vierzehn Tage lang t�glich zweimal die Wohnzimmer heizen lassen mu�ten. Aber noch viel schlimmer spielte uns der Juli mit. St�rmische Westwinde bei Tag und Nacht, ein immer dichtbew�lkter Himmel, kaum zwei bis drei Tage, an denen die Sonne zuweilen durchzubrechen vermochte, und zwei Regentage gegen einen, sind diesen ganzen Monat �ber unser Loos. Seit mehr als vier Wochen steht der Barometer meist anderthalb, zwei, drei, h�chstens vier Linien �ber sieben und zwanzig Zoll, und so oft er ein wenig �ber vier Grad stieg, konnten wir auf einen vollst�ndigen Landregen rechnen. Wie eine solche Witterung nicht nur den Menschen, sondern auch den Feld- und Gartenfr�chten aller Art bekommt, k�nnen Sie sich vorstellen. Die dadurch bisher aufgehaltene Ernte ist vor der Th�r, und noch ist kein Anschein zu einer schon so lange und so sehnlich erwarteten Ver�nderung. Doch der Mensch ist nun einmal in der Gewalt der gro�en elementarischen Massen, und Geduld! Geduld! Geduld! ist die unwillkommene Lection, die sie uns einbl�uen, und an der wir unser Lebelang zu lernen haben, weil uns nichts schwerer eingeht.“
Mehrfache Veranlassung, sich in der Geduld zu �ben, so schwer ihm dies auch werden mochte, fand Wieland, als der in einem fr�hern Briefe erw�hnte Gesundheitszustand seiner Gattin im Herbst 1801 sich t�glich verschlimmerte. Wielands Empfindungen schilderte ein Brief an G�schen vom 19. October 1801. „Zwar bin ich“, schrieb er, „noch nicht in der traurigen Nothwendigkeit, das Aergste erwarten zu m�ssen; aber ich kann doch nur selten �ber mich gewinnen, es nicht zu f�rchten. So wenig beneidenswerth auch meine �brige Lage ist, w�rde ich mich doch f�r den gl�cklichsten aller Menschen halten, wenn mir der Himmel nur sie, die nun sechs und drei�ig Jahre lang das ganze stille Gl�ck meines Lebens machte, nur noch einige Zeit erhalten wollte. Sie allein ist mein Ersatz f�r alles Andere; ohne sie — Gott allein wei�, ob und wie ich ohne sie leben k�nnte.“
Am 8. November 1801 sah sich Wieland f�r immer getrennt von seiner Gef�hrtin, im Kreise derer, denen sie das Leben gegeben, und f�r deren Wohl sie kein Opfer gescheut hatte. Den tiefen Eindruck jenes Verlustes zeigte ein Brief Wielands an G�schen vom 31. December. Er �u�erte darin unter andern: „Mit mir geht es — wie es kann; leidlich wenigstens. Ich arbeite viel, aber es ist, als ob mir die Schwungfedern gestutzt w�ren. Sonst arbeitete ich mit Freude, mit Munterkeit; jetzt m�hsam, entgeistert, schwerf�llig. M�glich, da� auch die tr�bselige, immer ver�nderliche und gar nicht winterm��ige Witterung etwas dazu beitr�gt. Gewi� aber ist, da� ein Herkules, der mir meine Alceste, nur mit so viel Gesundheit, als sie noch vor drei Jahren besa�, aus dem Elysium zur�ckbringen k�nnte, auf einmal einen ganz andern Menschen aus mir machen w�rde.“
In einem sp�tern Briefe vom 15. Februar 1802 wunderte sich Wieland selbst �ber seinen leidlichen Gesundheitszustand in einem Alter von beinahe siebzig Jahren. Er schrieb einem Freunde: „Da� die Engelsseele, die nun meinen k�rperlichen Augen unsichtbar geworden, mir geistiger Weise immer gegenw�rtig ist, und da� ich mich nach und nach an diese rein geistige Art Liebe und Freundschaft gew�hne, tr�gt ohne Zweifel das Meiste dazu bei, da� ich mich so wohl, d.h. nicht viel schlimmer befinde.“
Dankbar erkannte Wieland die zarte Aufmerksamkeit und Theilnahme der Herzogin Amalia, die ihn, um seinem Geiste eine andere Richtung zu geben, im Juli 1802 nach Tiefurt eingeladen, und nach Wielands eignem Gest�ndnisse, ihr M�glichstes gethan hatte, ihn zu erheitern und vergessen zu machen, da� er, „ohne seine Alceste, die ihm kein Herkules wieder bringe,“ wohl zuweilen gl�cklich scheinen, doch nicht gl�cklich seyn k�nne. „Der besten F�rstin zu Gefallen“, schrieb Wieland, „arbeite ich, wiewohl unter mancherlei Unterbrechungen, etwas langsam in den Vormittagsstunden an einer Uebersetzung der Helena des Euripides. Bevor ich mit dieser Arbeit zu Stande bin, ist an den Aristipp nicht zu denken; denn mit diesem kann und will ich nicht anders, als mit ganzer Seele, mit ganzem Gem�th und mit allen mir noch �brigen Kr�ften mich besch�ftigen.“
Ermuntert f�hlte sich Wieland zu dem eben erw�hnten Werke, das sp�ter unter dem Titel: „Aristipp und seine Zeitgenossen“ erschien, durch die Theilnahme, die ihm nicht blos in seinen n�chsten Umgebungen, sondern auch durch briefliche Mittheilungen entgegen kam. „Was Sie mir“, schrieb er an G�schen, „�ber die Entwicklung und Ausf�hrung der beiden Hauptcharaktere des Aristipp und der Lais schreiben, hat mir gro�es Vergn�gen gemacht. Solche Leser, f�r welche nicht nur im Detail nichts verloren geht, sondern die auch Sinn f�r die Composition, Haltung und Ausf�hrung des Ganzen haben, d.h. gerade f�r das, worauf Alles ankommt — solcher Leser w�nsch' ich mir recht viele. Aber ungl�cklicher Weise giebt es deren unter hundert kaum Einen, weil in der That beinahe eben so viel Genie, Kopf, Bildung und Kunstsinn dazu erfordert wird, ein solcher Leser zu seyn, als ein Autor, der im Stande ist, solche Leser zu befriedigen.“
Unter einzelnen Unterbrechungen hatte Wieland so flei�ig an seinem „Aristipp“ gearbeitet, da� er im Sommer 1801 das vollst�ndige Manuscript seinem Verleger G�schen senden zu k�nnen glaubte. Das Werk erlitt jedoch eine Unterbrechung durch die Idee, seinem „Aristipp“ eine ausf�hrliche Beurtheilung der vorz�glichsten Werke Plato's in den Mund zu legen. Schon vier Monate, schrieb Wieland an G�schen, besch�ftige ihn einzig die L�sung dieser Aufgabe. „Sie k�nnen sich nicht vorstellen,“ hei�t es in jenem Briefe, „was f�r ein St�ck Arbeit dies ist. Wenn ich aber so gl�cklich seyn sollte, mich mit Ehren aus der Sache zu ziehen, so wird es das wichtigste und beste Morceau meines ganzen Werks seyn.“ Ueber den Umfang desselben war Wieland eine Zeitlang nicht mit sich einig. „Es findet sich“, schrieb er, „da� ich mit dem vierten Bande allerdings schlie�en kann, aber da� die Ausf�hrung meines Plans, den Aristipp bis nahe an seinen Tod fortzuf�hren, wenigstens noch einen starken Band erfordern w�rde. Im vierten kann ich ihn nicht weiter bringen, als bis zum Tode seiner Kleone und zu seinem Entschlu�, Cyrene wieder zu verlassen, und sich zu seinem Freunde Philistus zu Syrakus zu wenden. Ich bin aber gleichwohl entschlossen, es vor der Hand bei den vier B�nden zu lassen, und nicht eher an den f�nften zu gehen, als bis unsre — merken, da� dem Werke noch was fehlt, und bis sie Ursache finden, mich nicht als Freund, sondern als Verleger, zum f�nften Bande aufzufordern. Dabei mu� und wird es einstweilen bleiben; denn wenn ich noch vor Fertigung dieses f�nften Bandes aus der Welt ginge, so blieben die vier B�nde ein doch f�r sich bestehendes Werk, und Niemand h�tte sich zu beklagen, da� es unvollst�ndig w�re.“
Eine Art von Fragment blieb gleichwohl der „Aristipp“, so lange Wieland nicht den vierten Band dieses Werks geliefert hatte. Dar�ber war jedoch eine geraume Zeit vergangen. Der Grund zu dieser Z�gerung war der Gesundheitszustand seiner geliebten Dorothea. Wieland schwebte fortw�hrend zwischen Furcht und Hoffnung. Bei seinem Freunde und Verleger G�schen entschuldigte er sich, da� es ihm in den letzten sechs Wochen physisch und moralisch unm�glich gewesen sei, irgend einer Geistesarbeit sich mit dem freien und muntern Sinne zu widmen, der eine der unerl��lichsten Bedingungen sei. „Seyn Sie inde� versichert“, schrieb Wieland, „da� ich nicht ruhen werde, bis das Werk vollendet, und so vollendet ist, da� ich selbst einiges Wohlgefallen daran haben kann.“
Diesem Vorsatz blieb er treu, ohne sich durch den damals entworfnen Plan irre machen zu lassen, nach dem Muster des Th�atre des Grecs, gemeinschaftlich mit B�ttiger und Jacobs ein „Theater der Griechen“ herauszugeben, welches Uebersetzungen, mit Anmerkungen und Abhandlungen begleitet, enthalten sollte. Von der Ausarbeitung des f�nften Bandes seines „Aristipp“ ward Wieland inde� bald wieder abgelenkt durch mehrfache neue Entw�rfe zu literarischen Arbeiten, die jedoch zum Theil unausgef�hrt blieben, wie unter andern das Werk „Osmanst�dtische Unterhaltungen“ betitelt, worin er einige sehr gelungene Erz�hlungen seines Sohnes Ludwig aufnehmen, und ihn dadurch als Schriftsteller in's Publikum einf�hren wollte.
Wielands literarische Th�tigkeit war damals sehr gro�. Ehe er seinen „Aristipp“ vollendet hatte, lieferte er einige Seitenst�cke zu diesem Werke. Dahin geh�rten die beiden griechischen Gem�lde „Menander und Glycerion“, und „Krates und Hipparchia“, die er als Taschenbuch f�r die Jahre 1804 und 1805 herausgab, und au�erdem sechs Erz�hlungen, zuerst in Almanachen gedruckt und hierauf unter dem Titel: „das Hexameron von Rosenhain“ in einem B�ndchen vereinigt. Wieland war dadurch mit mehreren Buchh�ndlern in Verbindung getreten, mit Cotta in T�bingen, Wilmans in Bremen, und Vieweg in Braunschweig, wodurch sich sein vielj�hriger Verleger G�schen verletzt f�hlte. Wieland suchte ihn zu beruhigen. „Ich kann“, schrieb er, „den Gedanken nicht ertragen, da� die Irrungen, die ein doppeltes Paar alter Griechen und Griechinnen unschuldiger Weise zwischen uns veranla�t haben, das Grab unserer vielj�hrigen Freundschaft seyn sollten. Ich glaube, Sie k�nnen sich meinen kleinen Verkehr mit den Taschenb�chern um so mehr gefallen lassen, da Sie auch nichts dagegen h�tten, wenn ich dergleichen Aufs�tze im Merkur abdrucken lie�e, der noch unter meinem Namen und B�ttigers Redaktion fortl�uft. W�re es nicht Thorheit gewesen, wenn ich, in meinen Umst�nden, solche Gelegenheiten nicht h�tte benutzen wollen?“
Schon in einem fr�hern Briefe an G�schen hatte Wieland offen gestanden, da� „die eiserne Noth, die ehemals den Horaz zum Dichter gemacht, ihn dr�cke und dr�nge, und da� er alles, was seine alte Muse noch geb�hre, bald m�glichst in baares Geld umsetzen m��te.“ Dadurch hoffte er wenigstens einigerma�en sich die sorgenvolle Lage zu erleichtern, in die er durch den Kauf seines Guts, durch mannigfache kostspielige Bauten und Verbesserungen, und durch den geringen j�hrlichen Ertrag seines Besitzthums gerathen war. Da� er „bei seiner Landwirtschaft keine Seide spinne,“ gestand er offen seinem vielj�hrigen Freunde G�schen.
„Ich habe,“ schrieb Wieland den 21. April 1802, „eine Last auf mich geladen, unter der ich erliegen w�rde, wenn ich nicht ernstlich darauf bedacht w�re, sie je eher je lieber von meinen alten Schultern abzuw�lzen, in sofern es ohne Nachtheil und vielmehr zum wirklichen Vortheil meiner armen Kinder geschehen kann. So lange der holde Engel, der mich vor sechs Monaten verlassen mu�te, noch sichtbar um mich war, f�hlt' ich diese Last zwar auch, aber sie dr�ckte mich weniger. Ich hatte mehr Muth und Hoffnung, mehr Lust und Freudigkeit zum Arbeiten, und alles, was mein Geist unternahm, ging leicht und munter von statten. Seitdem ist alles leider ganz anders. — Ich f�hle, wenn ich noch einige Jahre den Meinigen, der Welt und meinen Freunden leben soll, so ist es schlechterdings nothwendig, da� ich mich g�nzlich schuldenfrei mache — und dazu ist m�glicher Weise nur Ein Mittel. Das ganze Gut zu verkaufen, wenn sich auch ein K�ufer dazu f�nde, der mir daf�r geben wollte, was mich's kostet, dazu kann ich mich aus mehreren und verschiedenen Ursachen nicht entschlie�en. Meine Idee ist, das Gut zu zerschlagen, den Pavillon, den ich bewohne, nebst dem Garten und einer einzigen Hufe Ackerland f�r mich zu behalten, aus allem Uebrigen aber ein f�r sich bestehendes kleines Erblehngut zu machen, und es gegen baare Bezahlung an den, der Lust dazu haben wird, zu verkaufen. Da das G�tchen so klein ist, so ist es nat�rlicher Weise keine Sache f�r reiche Leute. Indessen k�nnte und sollte sich doch wohl in ganz Germanien unter 24 Millionen Menschen irgend Jemand finden, dem gerade ein solches kleines Landgut anst�nde, und in dessen Augen es dadurch noch einen besondern Werth erhielte, da� er mein lieber Nachbar w�rde, und (alles vorausgesetzt, was hierbei vorauszusetzen ist), mit mir und meiner Familie in einem beiden Theilen angenehmen freundschaftlichen Verh�ltni� leben k�nnte. Wenn meine Imagination bei guter Laune ist, so poetisirt sie mir verschiedene Arten m�glicher Subjecte vor, die hiezu geeigenschaftet seyn k�nnten. Ich gestehe �brigens gern, da� diese meine Idee einem utopischen Traum ziemlich �hnlich sieht. Indessen sind doch schon viel unwahrscheinlichere Dinge realisirt worden.“
Im August 1802 meldete Wieland seinen Entschlu�, da� das
ganze Gut zu verkaufen, doch mit Vorbehalt des von ihm
bewohnten Hauses und dazu geh�rigen Gartens, von welchem
er jedoch den usum fructuum und jede selbstbeliebige Benutzung
dem K�ufer des Guts �berlassen wolle. „Der Garten,“
schrieb er, „soll, so lange es nur immer m�glich seyn
wird, meiner Familie bleiben, und dies um so mehr, da er
das heilige Grab meiner Geliebten, und dereinst auch das
meinige neben ihr, in sich schlie�t. Finde ich einen annehmlichen
K�ufer zum Gute, so lebe ich k�nftig wieder in der
Stadt, und bringe nur die sch�ne Jahreszeit in meiner Osmanst�dtischen
Villa zu.“
Eine unverhoffte F�gung des Schicksals, oder, wie Wieland sich ausdr�ckte, „seines, noch immer zu seinem Besten gesch�ftigen guten Genius,“ hatte ihm im Februar 1803 in dem Hofrath K�hn aus Hamburg einen K�ufer seines Guts zugef�hrt, der sich zu der Kaufsumme von 30,000 Thlrn. anheischig machte. „So ungern,“ schrieb Wieland, „ich mich auch von dem Boden trenne, worin die heiligen Gebeine meiner geliebten Dorothea ruhen, so kann ich diesen Verkauf doch nicht anders, als f�r das Gl�cklichste halten, was mir in meinem Leben noch begegnen konnte. Ich bin dadurch von einer Last befreit, die mich �fters zu Boden dr�ckte; ich werde auf einmal schuldenfrei, und es bleibt immer noch so viel �brig, da� ich f�r meine noch unversorgten Kinder ungleich mehr thun kann, als mir m�glich gewesen w�re, wenn ich das Gut noch l�nger h�tte behaupten m�ssen.“
Wielands damalige Briefe enthielten mehrfache r�hrende Gest�ndnisse �ber seine dr�ckende Lage und �ber die Mittel, die er ergriffen, sie durch eine erweiterte literarische Th�tigkeit zu verbessern, die beinahe seine Kr�fte �berstieg. In Bezug auf seine Beitr�ge zu mehreren Taschenb�chern schrieb er: „Ich sch�me mich, da� ich durch die Etourderie, mit der ich mein ganzes Leben hindurch zu k�mpfen gehabt, mich selbst in meinem siebzigsten Jahre noch zu Projecten solcher Art hinrei�en lassen konnte. Aber die Summe, deren ich bedurfte, um blos meine unvermeidlichen Ausgaben zu bestreiten, stand, zumal in den letzten Jahren, mit dem Ertrag des Gutes und meiner �brigen fixen Einnahmen in einem so unproportionirten Verh�ltni�, da� ich, um das sehr betr�chtliche Deficit zu decken, alle meine Kr�fte aufbieten mu�te, das vacuum, das Ceres und Pales in meinem Beutel lie�en, durch den Ertrag der Fr�chte meines Geistes zu ersetzen. Ich f�hlte von Zeit zu Zeit, da� ich �ber Verm�gen arbeitete, oder wenigstens da� ich, wenn es noch l�nger so fortgehen m��te, Gefahr liefe, in den traurigen Zustand von Erschlaffung und Kraftlosigkeit zu gerathen. Aber Noth hat kein Gesetz. Die Hoffnung, mein Gut ohne betr�chtlichen Schaden verkaufen zu k�nnen, war sehr gering, die Last, die auf mir lag, immer dr�ckender, und die Gefahr, mit jedem Jahr �rmer zu werden, immer gr��er. Welche Lage f�r einen Siebzigj�hrigen, von einer zahlreichen Familie umgebenen Mann von meiner Sinnesart und Constitution!“
Mit B�ttiger, der ihn kurz zuvor besuchte, ehe sich im Februar 1803 sein fr�her so hei� ersehntes Idyllenleben in Osmanst�dt schlo�, durchwanderte Wieland noch einmal den ger�umigen Garten. Nicht ohne R�hrung betrachtete er alle seine Lieblingspl�tze. Eine tiefe Wehmuth ergriff ihn, als er vor den Gr�bern seiner Dorothea und der Sophie Brentano stand, und sich sagen mu�te, da� er auch diese in fremden H�nden zur�cklassen m��te. Nach einigem Schweigen sagte Wieland: „Ich traue es dem wackern K�ufer meines Guts zu, da� die St�tte, wo auch ich einst neben meiner Gattin begraben zu seyn w�nsche, ihm stets heilig und unantastbar seyn werde.“ Darin t�uschte sich Wieland nicht. Der neue Besitzer seines Gutes ehrte die heilige St�tte, wo die geliebten Todten ruhten.
In einem Schreiben aus Osmanst�dt an die Herzogin Amalia hatte Wieland sich sehr gefreut, eine Wohnung in der N�he des Palastes seiner von ihm innig verehrten F�rstin beziehen zu k�nnen. Aus den Fenstern seiner von dem Schauspielhause nur durch einen Garten getrennten Wohnung sah er auf freundliche Anlagen hinaus, in denen, wie er sich �u�erte, die geliebte F�rstin als „die wohlth�tigste aller Feen walte.“ Nur der Verg�nstigung eines Schl�ssels, meinte er, werde es bed�rfen, um mit aller Bequemlichkeit in's Himmelreich einzugehen. „Denn das wird f�r mich,“ schrieb er, „jeder Ort seyn, wo sich die �ber alles verehrte und geliebte F�rstin aufh�lt, deren Huld und herablassende G�te so wohlth�tige Sonnenblicke auf den sp�ten Abend meines Lebens geworfen.“
Seine k�hnsten Erwartungen �bertraf die wohlwollende Aufnahme, die Wieland, als er wieder nach Weimar zur�ckgekehrt war, bei der hochherzigen F�rstin fand. Sie zog ihn in ihre n�chsten Umgebungen und erweiterte den Kreis seiner �ltern Freunde durch neue Bekanntschaften, unter denen ihm Fernow, nach Jagemann's Tode zum Bibliothekar der Herzogin ernannt, eine der interessantesten war. W�hrend des Sommeraufenthalts der F�rstin in Tiefurt befand sich Wieland oft dort. Wie sie ihn �berall auszeichnete, bewies auch sein Ehrenplatz in der herzoglichen Loge. Seine Liebe zur B�hne, auf der damals manches vielversprechende Talent sich entfaltete, fand wieder neue Nahrung, und er bedurfte nicht mehr der Opfer, mit denen er w�hrend seines Aufenthalts in Osmanst�dt den theatralischen Genu� hatte erkaufen m�ssen. Erfreulich und belehrend waren f�r ihn auch die damaligen Kunstausstellungen unter Goethe's und Meier's Leitung. Wieland glaubte so wenigstens einigen Ersatz daf�r zu finden, da� die von Goethe herausgegebene Zeitschrift: „die Propyl�en“, f�r die er sich lebhaft interessirt, aufgeh�rt hatte.
So vereinigten sich mehrere Umst�nde, ihn in einer ruhigen Gem�thsstimmung zu erhalten, die jedoch durch den Tod Herders am 18. December 1803 heftig ersch�ttert ward. Seiner Freundin Sophie la Roche schrieb er damals: „Es ist ein gro�er unersetzlicher Verlust f�r seine Familie, f�r die Welt und f�r seine Freunde. Er war mein bester und gewisserma�en mein einziger Freund in Weimar. Ich habe sehr viel an ihm verloren, und hatte gro�e Ursache, auch um meiner selbst willen zu w�nschen, da� er, der so betr�chtlich j�ngere Mann, mich Alten �berleben m�chte. Geduld und Ergebung ist alles, was uns in solchen F�llen �brig ist; und mir wird diese Ergebung freilich insofern leichter, als mein Gef�hl f�r Schmerz und f�r Freude durch den 8. November 1801 abgestumpft worden ist. Indessen ist es Pflicht, sich f�r die Lebenden so lange als m�glich zu erhalten, und sich an der geistigen Gemeinschaft gen�gen zu lassen, da� wir mit unsern Geliebten, nachdem sie unsern Augen und Armen entschwunden sind, uns noch immer fort unterhalten k�nnen. Das egoistische Gef�hl unseres Verlustes ist menschlich; aber immer verliert es sich wieder in dem s��en Gedanken, da� sie ausgelitten haben, da� ihnen nun wohl ist, und unendlich besser, als uns.“
In ein dumpfes Hinbr�ten artete Wielands Ergebung in das unvermeidliche Schicksal selten aus, und seine Th�tigkeit ward dadurch nicht gel�hmt. Von besonderem Interesse war in seiner damaligen Stimmung f�r ihn die Schrift: „Meiner Gattin wirkliche Erscheinung nach ihrem Tode.“ Ihr Verfasser, Dr. W�tzel, hatte sie dem Herzog von Weimar zugeeignet, und sie ward in einem Hofcirkel, in welchem sich auch Wieland befand, vorgelesen und vielfach besprochen. Den 20. October 1804 schrieb Wieland an seinen Freund und Verleger G�schen: „Ich arbeite seit einigen Monaten an einem kleinen Werke, wovon ich aus wesentlichen Ursachen w�nsche, und es daher zu einer Bedingung machen mu�, da� es besonders, und als ein Werk f�r sich, im Buchhandel erscheine. Der Titel ist: Euthanasia, oder Gespr�che �ber das Leben nach dem Tode, veranla�t durch die Schrift: Meiner Gattin wirkliche Erscheinung nach ihrem Tode. Diese Euthanasia wird aus drei oder vier Dialogen bestehen, wovon der erste und gr��te vollkommen fertig ist. Das Ganze wird mich noch bis Ende dieses Jahres besch�ftigen.“
Ein sehr scharfes Urtheil f�llte Wieland in einem sp�tern Briefe �ber die vorhin erw�hnte Schrift und ihren Verfasser. „Ich glaube,“ schrieb er, „da� der Herr Doctor oder Magister W�tzel durch meine Analyse seines �ber allen Ausdruck elenden und abgeschmackten Buchs in Reputation kommen wird. Aber damit er Ursache habe, sich daf�r bei mir zu bedanken, m�cht' ich ihm rathen, sich in bevorstehender Messe um Geld sehen zu lassen. Wirklich w�re ein Hermaphrodit mit drei K�pfen, sechs Armen und vier Beinen kein sehensw�rdigerer Irrthum der Natur, als dieser in seiner Art gewi� einzige Mensch, in welchem Dummheit, Eigend�nkel, Pfiffigkeit, Albernheit und Plattheit auf eine Art, die allen Psychologen zu schaffen machen sollte, vereinigt sind. Wer sollte nicht vier Groschen daran spenden, ein solches Mi�gesch�pf mit Augen zu sehen!“
Durch den Tod seiner geliebten Gattin hatte Wieland hinl�nglich Veranlagung erhalten, �ber den Zusammenhang der Geisterwelt mit dem irdischen Leben reiflich nachzudenken. Er glaubte sich aber gegen alle Geistererscheinungen erkl�ren zu m�ssen, wenn er sich die Erfahrungen seines eignen Lebens zur�ckrief. „W�re eine M�glichkeit“, schrieb er, „da� die Geister der Verstorbenen erscheinen k�nnten, warum habe ich von meiner Gattin, dieser treuen Seele, nie eine Erscheinung gehabt? Warum, wenn Geister auf unsre Seelenorgane wirken k�nnen, erscheint sie mir nicht alle Wochen wenigstens einmal im Traum, und unterh�lt sich mit mir, da sie doch wei�, wie unaussprechlich gl�cklich sie mich durch eine solche Herablassung zur menschlichen Schwachheit machen k�nnte? Sie kann also nicht, oder sie darf nicht, und warum sollte es denn nicht mit allen Andern eben diese Bewandtni� haben?“
Bei der Richtung, die sein Geist damals genommen, hatte Wieland die Vollendung des „Aristipp“ fast g�nzlich aus den Augen verloren, besonders als ein literarischer Plan, den er schon vor zwanzig Jahren (1790) entworfen, der Ausf�hrung entgegenreifte. Es war eine Uebersetzung der s�mmtlichen Briefe Cicero's. Die mit einer solchen Arbeit verbundenen Schwierigkeiten getraute er sich zu �berwinden. Willkommen war ihm diese Arbeit auch deshalb, weil sie ihn �ber die Eindr�cke der politischen Ereignisse hinwegtrug. Freude und Leid griffen damals rasch wechselnd in sein Leben ein. Im November 1804 war er Zeuge gewesen bei der Verm�hlungsfeier des damaligen Erbprinzen (jetztverstorbenen Gro�herzogs) von Weimar mit der russischen Gro�f�rstin Maria Paulowna. Den Dichter, der jenes frohe Ereigni� durch das Drama: „die Huldigung der K�nste“ gefeiert, mu�te Wieland bald nachher scheiden sehn. Schiller starb am 9. M�rz 1805, und Goethe war damals gef�hrlich krank. „Ich kann mir vorstellen“, schrieb Wieland den 6. Juni 1805 an G�schen, „welche Sensation die Nachricht von Schillers Tode in Leipzig gemacht hat. Nach Herder, und so lange uns Goethe noch erhalten wird, konnte Deutschlands Literatur keinen empfindlichern Verlust erleiden.“ Seinen eigenen Gesundheitszustand schilderte Wieland in diesem Briefe mit den Worten: „Einen so strengen und fast ununterbrochen fortdauernden Winter habe ich in 72 Jahren nicht erlebt, und ich wundere mich alle Tage, wie es zugeht, da� eine so zarte Maschine, wie diejenige, an die mein Daseyn gekn�pft ist, eine solche unbarmherzige Witterung mit so wenig Beschwerden, als ich in der That diese Zeit her gef�hlt habe, auszudauern verm�gend gewesen ist.“
Dieser physischen Kraft bedurfte Wieland, um die Schrecknisse zu ertragen, welche die Schlacht bei Jena am 14. October 1806 �ber Weimars Bewohner verh�ngte. Bei der allgemeinen Pl�nderung jener Residenz hatte er jedoch am wenigsten Ursache gehabt, f�r seine Person und seine Familie sich zu beklagen. Er erhielt eine Sauvegarde, und im Namen M�rats ward ihm der unmittelbare kaiserliche Schutz zugesichert. Tief ersch�ttert von dem allgemeinen Ungl�ck und innig beklagend, da� er den Tag erlebt, wo seine f�rstliche G�nnerin ihren Sommeraufenthalt, das freundliche Tiefurt, hatte verlassen, und der Erbprinz f�r seine Gemahlin ein Asyl im Auslande hatte suchen m�ssen, begann Wieland wenige Wochen nach jenen Schreckenstagen, den 1. November 1806 seine fr�her erw�hnte Uebersetzung der Briefe Ciceros, die seinen Blick von dem vielfach bewegten Leben der Gegenwart so entschieden ablenkte, da� er, nach seinem eigenen Gest�ndni�, von allem, was um ihn her vorging, wenig gewahr ward.
In Bezug auf die mit dieser Uebersetzung verbundenen Schwierigkeiten nannte er sie, zumal f�r einen Greis von 72 Jahren, ein gro�es Wagst�ck. „Kaum kann ich“, schrieb er, „etwas anderes zu meiner Entschuldigung anf�hren, als die Zeit, in welcher, und die Art, mit welcher dieser verwegene Gedanke wie ein Gewappneter �ber mich gekommen ist. Ich f�hlte damals ein zwiefaches dringendes Bed�rfni� in mir, ohne dessen unmittelbare Stillung ich nicht l�nger ausdauern zu k�nnen glaubte. Das eine war: mich je eher je lieber aus einer f�rchterlich einengenden Gegenwart in eine andre Welt, in eine Zeit und unter Menschen, die l�ngst nicht mehr waren, wo m�glich unter lauter colossale Menschen vom Titanen- und Gigantenstamm zu versetzen; — das Andere: irgend eine gro�e, schwere und m�hselige, aber bei alle dem angenehme und zu meinen Studien passende Geistesarbeit zu unternehmen, welche mich hoffen lie�, da� sie mir durch Lust und Liebe zur Sache, und durch die mit der Ausf�hrung selbst nothwendig verbundene unvermerkte Steigerung meiner Kr�fte vielleicht so weit gelingen d�rfte, da� ich die Welt mit dem Troste verlassen k�nnte, die letzten Jahre oder Tage meines Lebens nicht nutzlos zugebracht zu haben. Wie h�tte mir, zu Befriedigung dieses doppelten Bed�rfnisses, und zur Erreichung dieser Absicht, mein guter Genius einen gl�cklichern Vorsatz einhauchen k�nnen, als die Uebersetzung der Briefe Cicero's?“
Mitten unter dieser Besch�ftigung ersch�tterte ihn, nachdem die Kriegsst�rme geschwiegen, die Nachricht von dem Tode der Herzogin Amalia. Am 10. April 1807 war ihr standhafter Geist von den Schicksalen, die sie ertragen, �berw�ltigt worden. Wielands ganze philosophische Standhaftigkeit war n�thig, um sich �ber den f�r ihn zu schmerzlichen Verlust zu tr�sten. Frohe Momente brachten ihm die Friedensnachrichten und die Heimkehr des Herzogs Carl August in seine Staaten. Dennoch aber bedurfte Wieland des rastlosen Flei�es, den er seiner Uebersetzung der Briefe Cicero's widmete, um nicht der Gewalt schmerzlicher Eindr�cke zu erliegen. Der Herzog von Weimar hatte ihm das freundliche Belvedere zu seinem Sommeraufenthalt angewiesen. Auf einer m��igen Anh�he, dem Schlo�berge gegen�ber, fand Wieland unter dunkeln Fichten ein Lieblingspl�tzchen, wo er bald umherwandelte, bald mit der Lect�re irgend eines r�mischen oder griechischen Classikers sich besch�ftigte. Mit ruhigem Gleichmuth und auf das Unvermeidliche gefa�t, schrieb er den 3. November 1809 an seine Freundin Sophie la Roche: „Was uns noch bevorsteht, wei� allein der Himmel. Unser k�nftiges Schicksal ist ungewi�. Wie es aber auch entschieden werden mag, ich werde es zu ertragen wissen, und mich selbst in keinem Falle verlassen.“
Wielands philosophischer Gleichmuth sollte jedoch bald ersch�ttert werden. Er erhielt die Nachricht von dem Tode seiner eben erw�hnten Jugendfreundin, deren letztes Werk, „Melusinens Sommerabende“, er noch revidirt und mit einer Vorrede begleitet hatte. „Es scheint“, schrieb er, „mein Schicksal, da� ich alles �berleben soll, was ich am meisten und innigsten liebte. Bald habe ich, au�er meinen gr��tentheils weit von mir entfernten Kindern, nichts mehr zu verlieren. Aber der Verlust, den ich am 9. November 1801 erlitt, hat mich auch gegen jeden andern v�llig abgestumpft. Die Welt kann zufrieden seyn, eine so au�erordentliche Frau, die von ihrer Kindheit an f�r diese Welt viel zu gut war, 76 Jahre lang besessen und 36 Jahre die Fr�chte ihres, mit ihrem Herzen g�nzlich in Eins verwebten und gleichsam zusammengewachsenen Geistes dankbar und undankbar genossen zu haben. F�r uns lebt sie jetzt nur noch, insofern wir ihrer gedenken und das wollen wir.“
In einem Briefe vom 8. September 1808 warf Wieland einen R�ckblick auf seine Laufbahn. „Ich habe“, schrieb er, „zwar in vollen 75 Jahren Gottlob! kein gl�nzendes, noch sonderliches Gl�ck gemacht; sondern auch das herzdr�ckende Schicksal erfahren, alle Freunde und Freundinnen meiner Jugend und meiner besten Jahre zu �berleben. Aber demungeachtet verdanke ich der Mutter Natur eine so gl�ckliche Organisation und Sinnesart, und meinem guten Genius so manche gl�cklichen Ereignisse, und ein so freundlich sch�nes Gewebe der 27,593 Tage (die Schalttage mit eingerechnet), da� ich mich nicht zu t�uschen glaube, wenn ich gegen Einen tr�ben oder st�rmischen Tag, womit die Parzen mich nicht verschonen konnten oder wollten, vierzehn heitere und vergn�gte Tage eines so frohen Lebensgenusses z�hle, als ein Sterblicher, ohne th�richte Forderungen an den Himmel zu machen, von diesem unvollkommenen Erdenleben nur immer verlangen kann. Denn f�r mich sind die Gef�hle, worin sich ein Tropfen Bitterkeit mit dem S��en vermischt, immer die angenehmsten.“
Am Abend seines Lebens brachte Wielands Schicksal, ungeachtet er, nach seinem eignen Gest�ndnisse, „sich von den Erdeng�ttern so viel als m�glich entfernt gehalten,“ ihn noch in Ber�hrung mit Frankreichs Kaiser, als Napoleon mit den damals (1808) auf dem Congre� zu Erfurt versammelten F�rsten einige Tage sich am Hofe zu Weimar aufhielt. Er w�nschte den Dichter zu sehen, der ihm durch die fr�her erw�hnte Prophezeiung, „da� Frankreichs Heil nur allein auf Buonaparte beruhe“, merkw�rdig geworden war. Wieland befand sich gerade den Tag nicht am Hofe. Unter dem Vorwande des Unwohlseyns hatte er eine Einladung zum Ball abgelehnt. Eine Vorstellung von Voltaires Julius C�sar lockte ihn jedoch Abends in's Theater, wo er seinen Platz in einer Seitenloge nahm, die sonst der Herzog einzunehmen pflegte. Als Napoleon erfuhr, da� es Wieland gewesen sei, den er dort in seinem einfachen Kleide und einem Sammtk�ppchen auf dem Haupt gesehen hatte, erkundigte er sich auf dem Ball wiederholt nach ihm.
„Nun war kein andrer Rath“, gestand Wieland in einem Briefe vom 13. October 1808, „als mich in den Hofwagen, der mir geschickt wurde, zu setzen und — in meinem gew�hnlichen accoutrement, eine Calotte auf dem Kopfe, ungepudert, ohne Degen und in Tuchstiefeln (�brigens anst�ndig costumirt) im Tanzsaal zu erscheinen. Es war gegen halb eilf Uhr. Kaum war ich etliche Minuten dagewesen, so kam Napoleon von einer andern Seite des Saals auf mich zu. Die Herzogin pr�sentirte mich ihm selbst, und er sagte mir ganz leutselig — das Gew�hnliche, indem er mich zugleich scharf in's Auge fa�te. Schwerlich hat wohl jemals ein Sterblicher die Gabe, einen Menschen gleich auf den ersten Blick zu durchschauen, in einem h�hern Grade besessen, als Napoleon. Er sah, da� ich, meiner leidigen Celebrit�t zum Trotz, ein schlichter, anspruchsloser, alter Mann war, und da er, wie es schien, f�r immer einen guten Eindruck auf mich machen wollte, so verwandelte er sich augenblicklich in die Form, in welcher er sicher seyn konnte, seine Absicht zu erreichen. In meinem Leben hab' ich keinen einfachern, ruhigern, sanftern und anspruchslosern Menschensohn gesehen. Keine Spur, da� der Mann, der mit mir sprach, ein gro�er Monarch zu seyn sich bewu�t war. Er unterhielt sich mit mir, wie ein alter Bekannter mit seines Gleichen, und was noch keinem Andern meines Gleichen widerfahren war, an anderthalb Stunden lang in Einem fort, und ganz allein, zu gro�em Erstaunen aller Anwesenden. Da ich ein sehr unge�bter, schwerz�ngiger franz�sischer Orateur bin, so war es gl�cklich f�r mich, da� er gerade in der Laune war, viel zu sprechen, und die frais de la conversation fast allein auf sich nahm. Es war nahe an zw�lf Uhr, als ich endlich zu f�hlen anfing, da� ich das Stehen nicht l�nger ertragen k�nne. Ich nahm mir also eine Freiheit heraus, die sich schwerlich irgend ein andrer Deutscher oder Franzose unterstanden h�tte. Ich bat Se. Majest�t, mich zu entlassen, weil ich mich nicht stark genug f�hle, da� Stehen l�nger auszuhalten. Er nahm es sehr gut auf. Allez donc, sagte er mit freundlichem Ton und Miene, allez! bon soir!“
In eben diesem Briefe meinte Wieland, so ungemein freundlich Napoleon auch gegen ihn gewesen, habe er doch an ihm vermi�t, was man Gem�th nenne, und es sei ihm mitunter vorgekommen, als w�re der Mann aus Bronze gegossen. „Indessen“, schrieb Wieland, „hatte ich es doch dahin gebracht, da� ich ihm ganz offen endlich die Frage vorlegte, wie es denn komme, da� der Cultus, den er in Frankreich reformirt habe, nicht philosophischer und dem Geist unsrer Zeit nicht angemessener ausgefallen sei. L�chelnd erwiederte hierauf Napoleon: Ja, mein lieber Wieland, f�r Philosophen ist er auch nicht gemacht, denn die Philosophen glauben weder an mich, noch an meinen Cultus, und den Leuten, die daran glauben, kann man nicht Wunder genug thun und lassen. Wenn ich einmal eine Religion f�r Philosophen stiften k�nnte, die sollte freilich anders beschaffen seyn. An diesen Faden spann sich nun das Gespr�ch �ber Religion fort, wobei Napoleon den Skeptiker so sehr machte, da� er die historische Existenz Christi bezweifelte. Das war aber nur ein sehr allgemeiner Skepticismus, den er da auskramte, und ich fand an seiner Freigeisterei nichts zu bewundern, als die Offenheit, mit welcher er sich mir preisgab.“
Einen Beweis der Huld Napoleons erhielt Wieland durch den ihm �bersandten Orden der Ehrenlegion. Dem Kaiser Alexander verdankte er gleichzeitig (1808) den St. Annenorden, wobei sich ihm unwillk�hrlich die Bemerkung aufdrang, da� das Ausland seine Verdienste gerechter anerkenne, als die Nation, zu der er geh�re. Sein Patriotismus erkaltete jedoch nicht durch solche Erfahrungen. Ohne in Napoleon den au�erordentlichen Mann zu verkennen, den er f�r ein Werk in den H�nden der Vorsehung hielt, �u�erte sich Wieland mit tiefem Unmuth �ber die mannigfachen Bedr�ckungen, die das Unterjochungssystem des franz�sischen Machthabers �ber Deutschland verh�ngte.
Was ihn oft in eine tr�be Stimmung versetzte, war der Gedanke, sich so vieler Freunde beraubt zu sehen, die er gesch�tzt und geliebt hatte. Herder, Schiller, Gleim waren ihm vorangegangen, in der letzten Periode seines Lebens auch noch Fernow und Seume. An dem Letztern sch�tzte Wieland neben seinen Kenntnissen und Talenten besonders die Biederkeit seines Charakters, den offnen, geraden Sinn. „Es ist eine Freude“, schrieb er, „derbe Wahrheiten so freim�thig und kr�ftig, und doch so manierlich gesagt zu h�ren. Seume kann sicher seyn, da� Niemand glauben und sagen wird, da� englische Guineen oder Napoleons aus ihm sprechen. Ich habe von jeher gro�e St�cke auf die �chten Cyniker gehalten, deren Ideal Lucian in seinem Kyniskos so trefflich aufhellte. Der �chte Cyniker ist der �chteste Mensch und der wahre Weise, und minor Jove, wie Horaz sagt. Das alte Griechenland hatte ihrer kaum ein halb Dutzend binnen 500 Jahren aufzuweisen; und in unsern Tagen ist Seume der Einzige, den ich wenigstens kenne.“
Zu dem Schmerz �ber Seumes Verlust gesellten sich f�r
Wieland h�usliche und pers�nliche Leiden. Seine Tochter
Julie entri� ihm der Tod. Ein hartn�ckiges Augen�bel
untersagte ihm mehrere Wochen Lesen und Schreiben. Nur
langsam genas er im Herbst 1809 von einer
lebensgefa�hrlichen
Krankheit. „Das Sonderbare dabei war“, schrieb Wieland,
„da�, nach der Versicherung meines Arztes, das Herz und
die ganze Blutmasse an dem schrecklichen Sturm auf alle
�brigen Theile meines ohnedie� schwachen K�rpers keinen
Antheil nahmen, und ihre eigene Oekonomie ruhig fortzutreiben
schienen. Der Puls ging ruhig und gleich, nur etwas
schneller, als gew�hnlich. Daf�r aber waren die Muskelkr�fte,
Nerven, Flechsen und Sehnen so j�mmerlich zugerichtet,
alle Dr�sen so rein ausgewunden und ausgetrocknet,
alle Fibern so abgespannt, da� ein viertelj�hriges Kind mehr
St�rke in Armen und Beinen hat, als ich in den ersten
vierzehn Tagen. Meine rechte Hand war lange fast unbrauchbar;
�ber vierzehn Tage konnte ich nicht einen Augenblick
stehen. Kurz, ich mu�te, wie ein Kind, von vorn anfangen,
und die Verrichtungen des animalischen Lebens wieder lernen,
als ob sie mir etwas Neues w�ren. Wie gern m�cht' ich
hier meinen mich umgebenden T�chtern und Enkelinnen eine
Lob- und Dankrede halten!“
In seinem Familienkreise war es, wo Wieland die durch zunehmende Altersschw�che ihm oft geraubte Heiterkeit wiederfand. „Wohl mir“, schrieb er, „da� ich im Winter meines Lebens noch mit Gegenst�nden der Liebe umgeben bin, mit Kindern und Enkeln, die mir Freude machen, und mein Herz wenigstens so lange warm erhalten werden, bis es zu schlagen aufh�rt.“ Sehr gl�cklich w�rde er sich gef�hlt haben, wenn er noch einmal seinen ganzen Familienkreis um sich h�tte versammeln k�nnen, der immer kleiner geworden war, und zuletzt nur aus einer seiner verwitweten T�chter mit zwei T�chtern von dieser, und seiner j�ngsten Tochter Luise bestand. In dankbarer Erinnerung an die Feier seines Geburtstags im Jahr 1810 schrieb Wieland an B�ttiger: „Auch wieder ein paar sch�ne Tage, die sich ganz besonders freundlich, heiter und liebevoll an die 28,105, die nun mit mir vorbeigewankt, geh�pft, gestolpert, getanzt, gewalzt, gest�rmt und geschlichen sind, angeschlossen haben! Es ist doch eine h�bsche Sache um's lange Leben, wenn einem am Vorabend des 78sten Jahres noch solche Stunden zu Theil werden, wie ich am Abend des 4. September im enggeschlossenen Kreise br�derlich verbundener Freunde genossen habe. Es konnte meinem Herzen nicht anders als wohlthun, so viele und unzweideutige Zeichen herzlicher Theilnahme, Achtung und Liebe zu empfangen.“
Wielands Gesundheit, ziemlich gest�rkt seit der fr�her erw�hnten Krankheit, g�nnte ihm, an seiner Uebersetzung der Ciceronianischen Briefe mit wenigen Unterbrechungen fortzuarbeiten. Neben dieser Besch�ftigung trug er sich damals mit dem Gedanken einer neuen Ausgabe seiner s�mmtlichen Werke. Als sein Freund und Verleger G�schen ihn dazu aufgefordert und seinem Wunsche gem��, versprochen hatte, deutsche Lettern, statt der bisherigen lateinischen, zu w�hlen, schrieb Wieland: „Die erste und wichtigste Frage w�re wohl diese: ob die neue Auflage alles, was in der ersten ist enthalten soll oder nicht? Da diese Frage, meines Erachtens, blos aus buchh�ndlerischem Gesichtspunkte entschieden werden kann und mu�, so habe ich nichts dar�ber zu sagen, als da� sie mir viele und kaltbl�tige Ueberlegung von allen Seiten zu erfordern scheint. Glauben Sie Ihre Rechnung bei einer Auswahl des Besten und Interessantesten eher zu finden, als bei einer wiederholten Auflage meiner s�mmtlichen Werke, so bin ich's v�llig zufrieden; nur mu� ich bemerken, da� alles, was sich mit gutem Gewissen retouchiren lie�e, h�chstens drei oder vier B�ndchen ausmachen, und manchen Lesern auch damit vielleicht kein Gefallen geschehen w�rde. Die zweite Frage ist: ob wir die Kinder meines Geistes in der Ordnung, wie sie zur Welt gekommen sind, auf einander folgen lassen wollen? und da dies aus mehrern Gr�nden wohl das Beste seyn m�chte: ob die poetischen von den prosaischen Werken abgesondert werden, und also zwei Classen ausmachen sollen? Auch dies kann und soll blos von Ihnen entschieden werden. Wenn nicht merkantilische R�cksichten das Letztere rathen, so sollte ich beinahe glauben, es d�rfte vielen, wo nicht den meisten Liebhabern meiner Schriften angenehmer seyn, ohne Hinsicht auf Verse und Prosa, in der Ordnung, wie sie geschrieben wurden, zu lesen; um so mehr, da sie eben dadurch dem scharfsinnigen und aufmerksamen Leser eine Art von Geschichte, oder vielmehr die Belege zur Geschichte meines geistigen Lebens an die Hand geben, welche ich, wenn der schwarzbraunige Bruder des Schlafs mir Zeit dazu l��t, zu schreiben gedenke.“
Mit dieser Selbstbiographie schien es Wieland wenig Ernst zu seyn. In seinem literarischen Nachla� fand sich auch nicht das kleinste Fragment jener „Memorabilien,“ wie er sie zu nennen pflegte. Zuf�llige Umst�nde verhinderten die in dem vorhin erw�hnten Briefe besprochene neue Ausgabe seiner Werke. Er gewann dadurch mehr Mu�e zu seiner Uebersetzung des Cicero, zu welcher, als ihn der Tod bei dieser Arbeit �berraschte, sein Freund und Landsmann Gr�ter die noch �brigen vierzig Briefe Cicero's hinzuf�gte.
Nicht ohne Nachtheil f�r seine schwache Brust glaubte Wieland die Berge und Anh�hen von Belvedere ferner erklimmen zu k�nnen. Er leistete daher im Sommer 1811 Verzicht auf seinen bisherigen Lieblingsaufenthalt, und beschr�nkte sich auf kleine Ausfl�ge nach Jena und auf Spazierfahrten. Am 11. September 1811 hatte er das Ungl�ck, als der Wagen umwarf, das Schl�sselbein zu zerbrechen. Noch gef�hrlicher ward seine j�ngste Tochter verletzt. Wahrhaft bewundernswerth war, nach Goethes Zeugni�, die Fassung, der ruhige Gleichmuth, womit Wieland die schmerzlichen Folgen des Falles und die Langeweile der Genesung ertrug. Auch bei dieser Pr�fung bew�hrte sich seine Lebensphilosophie, die ihn noch nie verlassen hatte.
„Es geh�rt,“ schrieb er den 18. October 1811, „unter die gr��ten Uebel der schon oft von mir recht herzlich verw�nschten Celebrit�t (zu deutsch Ber�hmtheit) — die �brigens auch hin und wieder ihr nicht zu verachtendes Gute hat — da� einer nicht einmal den kleinsten Finger, geschweige ein Schl�sselbein, was doch im Grunde auch nicht viel sagen will, brechen kann, ohne da� es sogleich in �ffentlichen Bl�ttern der Welt verk�ndigt, und dadurch alle entfernten Freunde des Verungl�ckten unschuldiger und ungeb�hrlicher Weise, gegen den Willen desselben, zum Mitleiden aufgefordert, beunruhigt, und nicht selten ist der Fall gesetzt werden, sich das Uebel �rger vorzustellen, als es ist.“
Wieland genas bald wieder. In v�lliger Heiterkeit fand ihn sein achtzigster Geburtstag, den er in einem Cirkel von Freunden feierte, die ihn nach Jena eingeladen hatten, und ihm an jenen Tage eine silberne Denkm�nze �berreichten, mit der Aufschrift: „Dem unsterblichen S�nger.“ Mit den heitersten Eindr�cken kehrte er wieder nach Weimar zur�ck, wo ihn Ifflands Darstellungen auf dem dortigen Hoftheater erwarteten. Er schien sehr lebhaften Antheil daran zu nehmen. Seine Gesundheit blieb sich gleich. In der Nacht vom 10. auf den 11. Januar 1813 traf ihn jedoch ein Anfall von Schlag. Aller �rztlichen H�lfe unerachtet, ward sein Zustand, durch ein hinzutretendes heftiges Fieber, von Tage zu Tage bedenklicher.
Die N�he seines Todes schien Wieland nicht zu ahnen. In schmerzlosen Stunden besch�ftigte sich seine Phantasie mit seinen Kindern. Auch sprach er bisweilen mit lebhaftem Interesse von seiner Uebersetzung der Ciceronianischen Briefe. Als am zehnten Tage, den 20. Januar, das durch �rztliche Mittel beseitigte Fieber mit gr��erer Heftigkeit wieder zur�ckkehrte, schw�rmte Wielands Phantasie bald in Griechenland, bald in Italiens Gefilden. In den Abendstunden h�rten seine Kinder ihn schwach, doch vornehmlich, Hamlets ber�hmten Monolog: „Seyn oder Nichtseyn“, bald deutsch, bald englisch recitiren. Er sank hierauf in einen tiefen Schlummer, und die Mitternachtsstunde fand ihn nicht mehr unter den Lebendigen.
Eine allgemeine Trauer verbreitete die Nachricht seines Todes. Die Br�der des Freimaurerbundes, dem er angeh�rte, beschlossen eine feierliche Bestattung des Entschlummerten. Architektonische Verzierungen schm�ckten in dem mittlern Theile des Landes-Industrie-Comptoirs zu Weimar, das von seinem vielj�hrigen Freunde Bertuch einger�umte Local, wo Wielands sterbliche H�lle am Abend des 24 Januar ausgestellt ward. Seine zahlreichen Verehrer und Freunde sahen dort, mit fast unver�nderten Z�gen, sein mit einem Lorbeerkranze geschm�cktes Haupt, auf einem blauseidnen, mit golden Spitzen eingefa�ten Kissen ruhen. Eine �hnliche Decke breitete sich aus �ber den untern Theil des Sargs. Der K�rper war in ein wei�es Tuch geh�llt. Ein Lorbeerkranz umwand die Prachtausgaben der beiden Gedichte: „Oberon“ und „Musarion“, die in einem Einbande von Maroquin auf einem rothen Sammtkissen auf dem Deckel des Sargs ruhten. Dort sah man auch auf einem kleinern wei�en Atlaskissen die Decorationen des russischen und franz�sischen Ordens.
Der Gartensaal des Gutsgeb�udes zu Osmanst�dt, einst Wielands Lieblingsaufenthalt, empfing in der n�chsten Nacht seine irdischen Ueberreste. Dort versammelten sich am 25. Januar 1813 Nachmittags die s�mmtlichen Br�der der Loge Amalia, nebst einer gro�en Zahl von Wielands Freunden und Verehrern. Sie schlossen sich dem Trauergefolge an, welches der franz�sische Gesandte, Baron St. Aignan, mit des Dichters �ltestem Sohne Ludwig er�ffnete. Sechzehn Maurerbr�der trugen den Sarg. Das Gel�ut der Dorfglocken lockte einen gro�en Theil der Bewohner von Osmanst�dt herbei. Ihrem alten Gutsherrn, wie sie Wieland noch immer nannten, wollten sie die letzte Ehre erweisen. Der Zug ging die lange Allee hinab, die der Dichter oft durchwandelt hatte, bis zu dem Bosket, wo Wieland sich l�ngst seine Ruhest�tte gew�hlt. Dem Trauergesange an seinem Grabe folgte eine kurze, aber herzliche Rede des Oberconsistorialraths G�nther, der die Verdienste des Dahingeschiedenen in ergreifenden Umrissen schilderte.
Neben den Gr�bern derjenigen, die ihm am theuersten gewesen im Leben, neben Sophie Brentano und seiner Gattin Anna Dorothea, erhielt Wieland, seinem oft ge�u�erten Wunsch gem��, seine Ruhest�tte. Neben den zwei dreiseitigen Pyramiden, die die Gr�ber seiner Lieben bezeichneten, erhob sich auch sein Grab.
Der Weimarische Bildhauer Wei�e hatte jene Denkmale in Seeberger Sandstein ausgef�hrt. F�r Sophie Brentano war das Emblem einer Psyche mit einem Rosenkranz umgeben gew�hlt worden; f�r Wielands Gattin das Sinnbild der Eintracht und Treue: zwei verschlungene H�nde in einem Eichenkranz. Die gefl�gelte Lyra mit dem Stern der Unsterblichkeit dar�ber ward f�r Wieland zum Sinnbilde gew�hlt. Er selbst hatte bereits 1806 f�r jene Denkmale die treffende Inschrift verfertigt:
„Lieb' und Freundschaft umschlang die verwandten Seelen im Leben,
Und ihr Sterbliches deckt dieser gemeinsame Stein.“
Die �bereinstimmenden Zeugnisse Aller, die Wieland n�her gekannt, best�tigen die richtige und partheilose Schilderung seines liebensw�rdigen Charakters, die einer seiner Freunde in den nachfolgenden Worten entwarf: „Mild gegen den Irrthum, schonend gegen Fehler, war er f�r Vernunft, f�r Recht und Pflicht, f�r alles, was der Menschheit heilig seyn mu�, weil es allein dem h�hern Menschenleben Werth giebt, ein unerm�dlicher, eifriger K�mpfer, aber eben deshalb auch ein rastloser Bek�mpfer aller Vorurtheile, aller Verfinsterung, aller Unterdr�ckung. Veredlung und Begl�ckung seines Brudergeschlechts war sein Ziel. Er schwatzte nicht von Religion und Philosophie, aber er beth�tigte sie im Leben, in welchem er dankbar alles Gute, und mit ruhiger Ergebung das Ungl�ck hinnahm. F�r ihn gab es nichts Gr��eres im Leben, als, nie in Gemeinheit sinkend, den Sinn stets auf das Edle gerichtet, unausgesetzt ein guter Mensch, Gatte, Vater, Freund und B�rger zu seyn.“
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